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Der Internationale Toilettentag
Das stille Örtchen
feiert seinen Welttag am 19. November
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“Wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht”, “Ich muss mal für kleine Königstiger”, “Ich muss mal die Nase pudern” oder “Ich muss auf die 17” (weil die Zahl bei enger Schreibung der beiden Ziffern etwa so aussieht wie eine Kloschüssel von der Seite) – es gibt viele Umschreibungen um zu sagen, was alle tun, was alle tun müssen. Trotzdem bleibt es ein kleines Tabu und man redet nicht so gerne darüber. Pro Tag gehen wir etwa fünf- bis sechsmal dorthin und verbringen insgesamt mindestens acht Minuten auf der Toilette, eher mehr, denn viele pflegen ihre Zeitung dort zu lesen... Das macht pro Leben durchschnittlich drei Jahre mindestens. Nicht wenig für ein “Tabu”, das zu unser aller Alltag gehört. Am 19. November wird der Welttoilettentag begangen, erstmals ausgerufen durch die Welttoilettenorganisation 2001. 2013 bestätigten die Vereinten Nationen (UN) diesen Tag als Welttag – vor allem gilt er als Zeichen für den Kampf für bessere Sanitäranlagen, denn mehr als 2,5 Milliarden Menschen leben laut der Vereinten Nationen ohne eine ausreichende Sanitärversorgung. Betroffen sind vor allem die ärmere Bevölkerung auf dem Land und Bewohner von Slums und schnellwachsenden Siedlungen in Städten. Aber auch sie haben ein Recht auf saubere Toiletten. Furchtbare Folgen: Alle 20 Sekunden stirbt in diesen Ländern ein Kind an den Folgen einer Krankheit durch mangelhafte Hygiene, mit Fäkalien verunreinigte Nahrung oder verschmutztes Trinkwasser.
Geschichtlicher Abriss Es gibt heute stehende und hängende WC-Becken, Tiefspüler und Flachspüler sowie in gewissen Ländern die eher unbequemen Hocktoiletten, die allerdings am hygienischsten sind, weil kein direkter Kontakt von Körper und Toilette entsteht. Doch wie fing eigentlich alles an? Die Steinzeit kannte Erdlöcher, es folgten die Donnerbalken... Während wir heute im Normalfall alleine “unser Geschäft” verrichten, war es bei den Römern ein öffentlicher Akt. Die damals Latrinen genannten Räume boten Platz für bis zu 60 Personen, die in Abständen von 50 bis 60 Zentimetern auf Marmorsitzen Platz nehmen konnten. Die Räume, sie waren gut belüftet, waren Orte sozialer Interaktion. Und es gab sogar schon eine Wasserspülung, wobei alles in der großen, Kloake genannten, Abfluss landete. Im Mittelalter stanken die Städte, denn Abfall und Fäkalien wurden einfach auf die Straße gekippt. Erst im 18. Jahrhundert vollzog sich ein Wandel mit der Erfindung des S-förmigen Abflussrohres.. Damit war das bereits 1596 von John Harington entwickelte Wasserklosett mit Spülung komplett. Darauf folgten Kanalisationssysteme, vor allem in Großstädten, mit denen auch die Sauberkeit zunahm. Die Benutzung der Toilette fand hinter verschlossenen Türen statt – diskret und hygienisch wurde ihr Inhalt weggespült. Was vor wenigen Jahrzehnten noch ohne Scham behandelt wurde, löste nun Ekel aus und wandelte sich zu einem Akt des Privaten und Intimen. Seitdem hat sich der Umgang mit dem stillen Örtchen nicht sehr geändert.
Andere Länder andere Sitten Von Land zu Land variieren Bedeutung und Vorrichtung der Toiletten. So kennen Chinesen wenig Scheu gegenüber ihren Körperfunktionen: öffentliche Toiletten in Peking bestehen bis heute oft aus einer Rinne, über der sich die Besucher gemeinsam hocken. Die traditionelle japanische Toilette dagegen war ein Ort für Meditation und Entspannung. Sie wurde abseits von Wohngebäuden im Garten errichtet und von Bäumen und Sträuchern umgeben. Interessant: Oft findet sich in öffentlichen Frauentoiletten ein sogenannter Otohime – übersetzt “Geräuschprinzessin”. Dies ist ein kleiner Lautsprecher, der das Spülgeräusch nachahmt und so die Körpergeräusche übertönt. Der Grund: Japanischen Frauen ist der Gedanke unangenehm, jemand könnte Geräusche bei der Toilettenbenutzung von ihnen hören. Daher haben sie ununterbrochen die Toilettenspülung betätigt, was viel Wasser verschwendete. In den 1980er Jahren wurde das Otohime eingeführt, um diesen enormen Wasserverlust zu verhindern.
Fakten & Kurioses Vor dem Papier: Die Römer nahmen die Finger und später einen Stock zur Hilfe, an dem ein kleines Schwämmchen befestigt wurde. Im Mittelalter wurden gerne Leinwandfetzen,Stroh oder Laub benutzt. Die Schwester des französischen Sonnenkönigs griff zu Schafswolle. Zeitungen wurden erst viel später zum Abwischen benutzt. Das erste kommerziell vertriebene Toilettenpapier kam erst Ende des 19. Jahrhunderts auf. Falsch verstanden: Früher in Hamburg ist die Toilette unter der Bezeichnung „Tante Meier“ bekannt. Der Begriff stammt aus der Hamburger Franzosenzeit: Wenn der französische Besatzungssoldat zur Toilette musste, ging er zum tente majeure, zum Hauptzelt. Die Hamburger verstanden Tantmajör und verballhornten dies zu „Tante Meier“. Protzen: Der Versicherungsunternehmer Rudolf Protz ließ in der Reichshauptstadt Berlin seit den 1880er Jahren die ersten öffentlichen Toiletten („Bedürfnisanstalten“) einrichten. Daher stammt im Berliner Dialekt der Ausdruck: “einen protzen” oder “abprotzen”. Menschliche Dixi-Klos: Noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gab es Menschen mit langen Umhängen, unter die man – gegen Geld – schlüpfen und auf einem Eimer sein Geschäft verrichten konnte. Burggraben & Brücken: Wer auf einer Burg wohnte, nutzte eine Nische in der Burgmauer, von der die Schei... in den Burggraben fiel. In London soll die berühmte London Bridge auf ihrer ganzen Länge über öffentliche Toiletten verfügt haben – mit direktem Abgang in die Themse.
Die Schlossparks: Auch der Adel war nicht gerade reinlich. Man ging in den Park, um seine Notdurft zu verrichten. König Ludwig XIV nutzte seinen speziellen Kackstuhl – auch vor Besuchern.
Latrine im alten Ostia Foto: Fubar Obfusco/ Wikipedia
Toilette mit Goldmuster Foto: Homary