TRANSURBAN
URBAN ART IN NRW 1
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INDEX 3
Einleitung
8 Prinzip Gentrifizierung – ein urbanes Phänomen zwischen politischen Realitäten und Lebensstilmodellen
32 Sepe & Chazme »Line« & »Faceless« 38 Coloured Boulevard »Die Abrissbirne« 42 40Grad Urbanart Festival
12 Gentrifizierung & Streetart
44 CityLeaks Urban Art Festival Cologne
15 »Platzkultur« in Düsseldorf
46 44309 Street//Art Gallery
16 Gentrifizierung im Vergleich
49 Danksagung
20 Städtischer Wandel in Köln - Gentrifizierung im Belgischen Viertel 24 Symposium Köln
50 Verzeichnisse 51 Förderer 53 Impressum
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Einleitung Der Wandel der Städte ist Teil unserer urbanen Lebensrealität. Fassaden verändern ihr Anlitz, Baukräne kündigen den Neubau in den Bezirken an, und alte Stadtbezirke erleben durch Sanierung und Umnutzung Eingriffe in die Architektur und vor allem in die tiefergehende Bevölkerungs- und Geschäftsstruktur. Denn parallel zum physischen Wandel sind auch die Stadtbewohner auf der Suche nach neuem, erschwinglichem oder “hipperen” Wohnraum ständig in Bewegung. Mit der Migration und dem Austausch von Bevölkerungsstrukturen verändern sich die Schaufenster und die Regalinhalte der Ladenlokale. Die kommerziellen Strukturen passen sich dem Konsumverhalten ihrer Bewohner an. In den Innenstadt-Quartieren der Nordrheinwestfälischen Metropolen verbrauchen die neuerlichen Erscheinungen von Frozen Joghurt, veganem Burger und der Zigarettenrauch, der vor ihren stilechten Geschäftsräumen pausemachenden Markting-Experten und Mediengestaltern, das Schlagwort der Gentrifizierung. Nicht nur die innerstädtschen Quartiere erleben Veränderung durch den Zuzug von Kunst und Kultur, die sich die Nischen fern neo-liberal geprägter Urbanität suchen und die Vorboten einer baldigen Aufwertung der Nachbarschaft sind. Vorallem die vergessenen Stadtteile, die Randbezirke oder die zentrumsnahen ehemaligen Industriequartiere, die aufgrund fehlender Hilfeleistung der Verwaltung den Aufschwung verpasst haben, werden zur kreativen Wunderküche urbanen Lebens und urbaner Entwicklung . Dabei sind die Entwicklunsglinien regional und auch international vergleichbar. Der städtische Kosmos dehnt sich beständig aus. Es entstehen dadurch Fragen nach der Form und Regulierung von Stadtentwicklung, Fragen nach den Anteilen in stadtplanerischen Prozessen und nach dem Gewinn der Wertschöpfung durch städtische Aufwertungsstrategien. Wer gestaltet hier den Wandel? Und wer hat zu welchem Anteil Teil am Entwicklungsgewinn? Denn die Interessen der Politik, Verwaltung, (Immobilien)wirtschaft, Bürgerschaft und Kultur sind oft unterschiedlich und müssen ausgehandelt werden. Es liegt an der Verwaltung, Kanäle für Kommunikation, Austausch und gemeinsame Planung zu schaffen um die städtische Zukunft für alle Beteiligten fair zu gestalten. In diesem Prozess tragen Bürger und Kultur die Verantwortung, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und hierfür zu mobilisieren. Die Gefahr, große Gruppen in den Stadtentwicklungsprozessen zurückzulassen, führt zur sozialen Exklusion und zu einer im größeren Kontext zu sehenden Desintergation der Gesellschaft. Der derzeit laut propagierte Slogan “Recht auf Stadt” ist somit auch Reflex auf die vielerorts “neo-liberal” geprägte Stadtentwicklung und treibt bürgerliche urbane Protestbewegungen weltweit an neue Utopien von Urbanität zu formulieren und zu fordern.1 Der Begriff wie ihn Lefebvre in den späten 1960er Jahren als Kirtik der “fordistischen Stadtplanung” prägte hat heute unter neuen Vorzeichen und Formen wieder Konjunktur.
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1 Holm, Andrej Das Recht auf die Stadt, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/11, S. 89-97
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Urban Art hat sich in den vergangenen drei Dekaden als eigenständige Kunstform innerhalb der zeitgenössischen Kunst etabliert, nachhaltig die urbane Landschaft der Metropolen weltweit verändert und dabei Stadtbilder und -leben geprägt. Sie konnte die Aufmerksamkeit der Bürger, Politik, Investoren und Stadtplaner gewinnen und sich im Bewusstsein dieser verankern. Als junge, politische Kunstform, die sich im Alltag der Rezipienten zeigt, spricht sie die Öffentlichkeit durch ihre künstlerischen Interventionen direkt an, greift aktuelle Themen aus Politik und Zeitgeschehen auf und ermöglicht einen gesellschaftsübergreifenden Diskurs. Durch ihre Verortung im öffentlichen Raum und durch das Herstellen von kontextuellen Bezügen zum Stadtraum, Bewohnern und Geschichte kommt ihr eine identitätsstiftende Funktion zu, die unmittelbar auf die Stadtwahrnehmung wirkt. Dabei ist Urban Art nicht nur individueller Ausdruck und anarchistischer Prozess der Straße, sondern auch Mittel von Stadtgestaltung und Werkzeug der Stadtentwicklung. Dies betrifft Kommunalpolitik, Investoren und Entwickler zugleich. Prominente Beispiele für Kommunen, die Urban Art im Rahmen der Quartiersentwicklung nutzen, sind Lissabon in Portugal und Lódz in Polen. Während Lissabon Farbe und künstlerischen Ausdruck vorallem zur Rückgewinnung verlassener Architektur im Stadtzentrum und in der Gestaltung von städtischen Betriebsanlagen (z.B. Haltestellen, Pfandglascontainer, etc.) nutzt, sind in Lódz großflächige Wandgemälde Teil der Aufwertungsprozesse von grauer und alter Sowjet-Architektur. Auch in Miamis Stadtteil Wywood – ein “Warehous District” mit niedrigem Entwicklungspotential - investiert Tony Goldmann seit nun mehr als fünf Jahren in die Entstehung einer großen Outdoor-Galerie zur Aufwertung und Grundsteinlegung einer kommenden Entwicklung des Viertels. Doch auch soziale Brennpunkte – sei es durch städtische oder private Träger - wie einzelne Favelas in Rio de Janeiro und auch die “Banlieus” in Paris nutzten Urban Art als Mittel einer lebenswerten und -nahen Gestaltung des öffentlichen Raums und zum Empowerment seiner Bewohner. 2 Nicht zu letzt sind es Institutionen des Kunst- und Kulturbetriebes die die junge Kunstform adaptieren und sie institutionalisieren. Mit dem regionalen Kooperationsprojekt TransUrban möchten wir aus Sicht der urbanen Kunst und Kultur den städtischen Wandel mit seinen Facetten, Formen und Zielen betrachten, öffentlich diskutieren und nicht zuletzt prägen. TransUrban ist ein Zusammenschluss dreier Akteure der Urban Art Szene in NRW – den beiden Urban Art Festivals CityLeaks in Köln und 40Grad in Düsseldorf, sowie der 44309 Street//Art Gallery in Dortmund. Es ist ein Pilotprojekt für den zukünftigen Ausbau eines regionalen Netzwerkes zum Thema Urban Art in NRW. Das regionale Kooperationsnetzwerk TransUrban arbeitet hierfür in Düsseldorf, Dortmund und Köln künstlerisch und theoretisch an einem Vergleich von Stadtentwicklung. Das Projekt schafft anhand seiner künstleri-
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2 Weiterführende Links: Lissabon, Portugal, Galeria Arte Urbana (Camera Muncipal de Lisboa) www.facebook.com/galeriadearteurbana Miama, USA, Wynwwod Walls – www.thewynwoodwalls.com Lódz, Polen, Galeria Urban Forms - www.galeriaurbanforms.org Rio de Janeiro, Brasilien, Favela Paintings - www.favelapainting.com
schen Interventionen und öffentlichen Diskussionen Parallelitäten und Vergleichbarkeit von städtischen Räumen in NRW. Es beabsichtigt den regionalen Austausch zwischen der Bevölkerung zu Ideen und Bedürfnissen der Stadtentwicklung und setzt einen inhaltlichen Schwerpunkt auf den Themenkomplex der Gentrifizierung. Die gemeinsame übergreifende Betrachtung stützt dabei die lokalen Auseinandersetzungen mit dem Thema. Im Sinne einer lebendigen Städtenachbarschaft schafft der Austausch der Projektorganisatoren und der Bürger die Grundlage für eine gemeinsame, städteübergreifende Betrachtung der urbanen Lebenswirklichkeiten. Gemeinsam wollen wir analysieren und Positionen definieren, die einer bürgernahen Gestaltung unserer Städte gerecht werden und die Rolle der Kunst und Kultur in Stadtplanung und -Entwicklung stärken. TransUrban schaut sich die aktuellen städtischen Entwicklung in der Düsseldorfer Innenstadt am Gustaf-Gründgens-Platz, im Dortmunder Unionsquartier und in Köln anhand des Belgischen Viertels genauer an und hinterfragt den damit einhergehenden Wandel der Lebenswirklichkeiten und -Stile. Das Projekt fragt welche aktuellen Entwicklungsprozesse die Quartiere erfahren und wie sich diese auf die Bevölkerungsstruktur, die kulturellen Strukturen und das allgemeine soziale Klima auswirkt. Wohin steueren die Viertel angesichts wachsender Aufwertung und sozialen Wandels? Wie wird dies von der Bevölkerung wahrgenommen? Wie steht es um soziale Exklusion, Bürberbeteiligung und den Umgang der Verwaltung mit Gentrifizierungsphänomenen? Haben Bürger und Kultur Einfluss auf aktuelle Entwicklungen oder müsen sie einer rein neoliberalen Auffassung von sozioökonimschem Strukturwandel weichen? Welche Rolle hat die Kultur selbst im Prozess der Gentrifizierung? Ist sie Katalysator oder Symptom des Wandels? Welche Verantwortung kann man ihr in diesen Prozessen zuweisen? Und wie kann eine Meditation zwischen den Interessen des Kapitals, der Verwaltung, Kultur und Bürger erfolgreich implementiert werden? TransUrban stellt sich diesen Fragen mit einem vier-wöchigen interdisziplinären Programm, welches Kunstprojekte im öffentlichen Raum, theoretische Programmformate und kulturelles Rahmenprogramm verbindet. Gesprächsrunden, Buchpräsentationen, Kunstführungen und eine Abschlussveranstaltung bilden den Rahmen der Kunstprojekte. Für TransUrban greift das polnische Künstlerduo Sepe&Chazme Fragen städtischer Verdrängung auf. Dabei speist sich die Umsetzung des Themas sowohl aus den Gesprächen, die die Künstler vor Ort führen, als auch aus der Vergleichbarkeit zu ihrem eigenen urbanen Umfeld in Warschau. Das Mural (zu dt. Wandmalerei) des Künstlerduos in der Moltkestraße 88 in Köln ist Teil einer künstlerischen Serie an Arbeiten, die auch in Dortmund zu sehen ist. Die im Herzen des Belgischen Viertels gelegene Fassadengestaltung unter dem Titel “Line” zeigt, vor dem Hintergrund einer gewaltigen und schattenwerfenden Stadtarchitektur, eine Gruppe von Menschen, die auf einer Bank rückblickend auf die Stadt schauend, auf einer Flucht vor der selbigen sind. Das Dortmunder
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Mural “Faceless” rückt das Individum im Prozess der Gentrifizierung in den Vordergrund. In Düsseldorf kündigt das lokale Künstlerteam Coloured Boulevard mit der Darstellung einer Abrissbirne auf einer Fassade am Gustaf-GründgensPlatz den kommenden Abriss des Gebäudes an und stilisiert die Abrissbirne zum Symbol von städtischer Verdrängung. Analog zum Projekt beschäftigt sich die vorliegende Publikationen mit zentralen Fragen der Stadtentwicklung und legt einen besonderen Fokus auf das Phänomen der Gentrifizierung. Im Rahmen des Projektes TransUrban liefert sie eine theoretische Vertiefung des Themenkomplexes und eine reichhaltige Bilddokumentation von TransUrban. Der Text von Kay von Keitz legt einen Basisstock an Begriffen und Dimensionen der Genrtifizierung. Monia Labadi setzt das Thema in Zusammenhang zur Street Art und fragt nach Ursachen und Wirkungen. Die Transkription des Symposiums zum Thema Gentrifizierung im Kölner Innenstadt-Quartier “Belgisches Viertel” diskutiert aus Sicht von Verwaltung, Politik, Kulturschaffenden und Bürgern beispielhaft die aktuellen Entwicklungen der Kölner Innenstadt und formuliert Handlunsgperspektiven im Umgang mit Gentrifizierung und Konflikten innerhalb von Raumverhandlungen. Mit drei Essays zu aktuellen Entwicklungen in Düsseldorf, Dortmund und Köln legen die Autoren einen Vergleich an zwischen drei Metropolen in NRW. Georg Barringhaus
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Prinzip Gentrifizierung – ein urbanes Phänomen zwischen politischen Realitäten und Lebensstilmodellen Es ist das Schicksal vieler Begriffe aus den unterschiedlichsten Bereichen, die durch ihre mediale Präsenz eine entsprechende Popularität erlangen: Sie werden im Laufe der Zeit immer allgemeiner und undifferenzierter verwendet, und ihr inflationärer Gebrauch droht deren Aussagegehalt bis zur Unbrauchbarkeit zu verwässern. Davon ist auch „gentrification“ oder „Gentrifizierung“, als eingedeutschte Wortschöpfung, nicht verschont geblieben. Es ist eine schillernde Bezeichnung für soziokulturelle und ökonomische Wandlungsprozesse in städtischen Quartieren von einem niedrigeren zu einem höheren Status, die der 2011 verstorbene Stadtsoziologe Hartmut Häußermann kritisch-distanziert vor allem als „politischen Kampfbegriff“ gewertet hat. Benutzt wurde der Begriff „gentrification“ bereits 1964 von der britischen Fachkollegin Ruth Glass, um die Veränderungen im ursprünglich vor allem von Arbeitern bewohnten Londoner Stadtteil Islington zu beschreiben, wo der Zuzug von Mittelschichtfamilien für einen deutlichen Wechsel in der sozialen Struktur gesorgt hatte. Sie erkannte darin eine Parallele zu Vorgängen im 18. Jahrhundert, als Angehörige der „Gentry“, also des niederen Adels, von den Stadträndern zurück in die Zentren zogen.1 Gerade jene, die sich heute wissenschaftlich-analytisch mit Stadtentwicklungsfragen beschäftigen, kritisieren jedoch den oberflächlichen Schlagwortcharakter, den dieser Begriff mittlerweile angenommen hat. Wenn man gegenwärtig von Gentrifizierung liest oder hört, ist es daher tatsächlich sinnvoll, sich das, was damit bezeichnet oder gar erklärt werden soll, genau anzuschauen. Es gibt viele verschiedene Ursachen für Gentrifizierungsprozesse, aber auch sehr unterschiedliche Varianten bei deren Entwicklung oder Verlauf. Dabei lassen sich zwei eher banal erscheinende Hauptkomponenten ausmachen, die man sich allerdings als grundlegende Voraussetzungen für ein solches Phänomen bewusst machen sollte: Zum einen ist es das Vorhandensein von urbaner Attraktivität, die für bestimmte Gruppen von Stadtbewohnern oder zukünftigen Stadtbewohnern von Bedeutung ist. Damit ein für alle spürbarer Nachfragedruck auf einzelne Bereiche einer Stadt entstehen kann, muss es dort positive und kurzfristig nicht reproduzierbare Merkmale geben, die so viel Interesse erzeugen, dass daraus eine Angebotsknappheit folgt. Nur auf diese 1 siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Gentrifizierung [18.01.2016] 2 Mitscherlich, Alexander: Die Unwirtlichkeit unserer Städte, Frankfurt am Main 1965, S. 21
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Weise kann ja ein typisch marktwirtschaftliches Geschehen zustande kommen, das dem Verdrängen oder Austauschen einer Stadtteilbevölkerung im Sinne von Gentrifizierung zugrunde liegt. Zum anderen müssen politisch-ökonomische Bedingungen existieren, die eine solche Art von Marktsituation überhaupt erst möglich machen. Ohne einen ausreichend großen Anteil von Privateigentum und ohne entsprechende rechtliche Bedingungen kann es natürlich auch keinen Handel mit und keine Verwertung von Immobilien nach marktwirtschaftlichen Prinzipien geben. Die Thematisierung von Eigentumsverhältnissen und den daraus erwachsenden Konsequenzen für die Stadtentwicklung ist von jeher von zentraler Bedeutung. Vor nunmehr gut 50 Jahren bezeichnete Alexander Mitscherlich in „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ – einem „Pamphlet“, wie er es selbst genannt hat – die Besitzverhältnisse bei Grund und Boden als das Haupthemmnis für eine „freiheitliche Städteplanung“. Als Gewährsmann dieser Kritik zitiert er unter anderem sogar Konrad Adenauer, der als Kölner Oberbürgermeister schon in den 1920er Jahren eine ähnliche Auffassung „ebenso scharf wie folgenlos“ vertreten hatte. 2 Das Diskutieren oder auch Anprangern von Gentrifizierung ist nicht zuletzt deshalb so populär, weil es für die alte und immer wieder aktuelle Frage steht: Wem gehört die Stadt – und wer bestimmt darüber, wie sie gestaltet und wie in ihr gelebt wird? Und das betrifft nicht nur die physischen, die sichtbaren Gegebenheiten, sondern auch oder vielleicht gerade die „unsichtbaren“ administrativen, rechtlichen und politischen Bereiche. Für jeden spürbar ist das natürlich vor allem beim Thema Wohnen. Das existenzielle Grundbedürfnis des Wohnens steht nach wie vor in einem gesellschaftlichen Spannungsverhältnis zu der daraus abgeleiteten Forderung nach einem Recht auf Wohnen. Die Existenz kommunaler, landesoder bundeseigener Wohnungsgesellschaften beispielsweise zeigt – in vielen Fällen muss man mittlerweile sagen: zeigte – das Bestreben, auch in kapitalistischen Verhältnissen über soziale Stabilisierungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zu verfügen, die sich einer reinen Marktsteuerung entziehen. Ebenso wie das Genossenschaftsprinzip, bei dem eine private (Eigentümer-)Gemeinschaft zu Solidaritäts- und Absicherungszwecken gebildet wird. Aber auch der öffentliche Raum spiegelt diese Problematik: Schon lange sind hier – oft als selbstverständlich hingenommen oder gar nicht als solche erkannt – Privatisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen festzustellen, die ein städtisches Zusammenleben grundlegend verändern. Das reicht von Werbeflächen über Außengastronomie auf Gehwegen und Plätzen bis zu ganzen Straßenabschnitten, die als Bestandteil von Projektplanungen an private Investoren verkauft werden. Für das Entstehen von Attraktivitätsmomenten in städtischen Kontexten, die eine allgemeine Aufwertung bestimmter Bereiche zur Folge haben, gibt es eine Reihe von Ursachen auf ganz unterschiedlichen Ebenen: Das erstreckt sich von Miet- und Kaufpreishöhen über Infrastrukturbedingungen bis hin zu Lebensstilpräferenzen. Grundsätzlich muss man feststellen, dass die positive Wahrnehmung von (europäischen) urbanen Lebensbedingungen im Laufe der letzten 20 Jahre deutlich zugenommen hat. Der Traum vom „Häuschen im Grünen“, das noch in den 1960er und -70er Jahren mehrheitlich als Garant für fami11
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liäres Wohnglück angesehen wurde, hat längst Konkurrenz bekommen. Großstädtisches Leben, das sowohl kind- als auch erwachsenengerecht gestaltet werden kann, ist heute kein exotisch-poststudentisches Ideal mehr. Insofern hat der Druck auf Quartiere, die so etwas ermöglichen können, enorm zugenommen. Der bisherige Metropolen-„Klassiker“ in Sachen Aufwertung oder auch Gentrifizierung, den wir schon lange aus Paris, London oder New York kennen, ist hinlänglich bekannt und zu einem „Erfolgsmodell“ in vielen Großstädten geworden: Ein bislang weitgehend unbeachtetes Viertel mit günstigen Mieten, vielfältigen Raumangeboten und einer relativ zentralen oder gut erschlossenen Lage wird zunehmend von Studierenden, jungen Kreativen und unkonventionellem Kleingewerbe besiedelt. In der Folge entsteht ein Arbeitsund Kulturleben, das für weitere urbane Akteure von Gastronomie bis Galerie interessant ist, und schließlich lassen sich Etablierte aus allen Bereichen privat oder geschäftlich hier nieder. Das Image des Viertels und das dortige Preisniveau haben sich entsprechend gesteigert, Alteingesessene werden verdrängt, und die studentisch-kreative Karawane zieht weiter in den nächsten Stadtteil, der die oben erwähnten Ausgangsbedingungen bieten kann. Diese knappe, holzschnittartige Schilderung soll einen prototypischen Ablauf darstellen, der selbstverständlich viele Varianten kennt – abhängig auch von den eingangs angesprochenen ökonomischen und politischen Verhältnissen. Ein Quartier kann sich sehr langsam über Jahrzehnte in so eine Richtung entwickeln und dabei nur moderate Verdrängungserscheinungen zeigen, sodass sowohl die „ursprünglichen“ Bewohner wie auch die „erste Generation der Zugezogenen“ und von ihnen gegründete Familien bleiben können. Dadurch basieren die strukturellen Aufstiegs- oder Etablierungsprozesse eines solchen Viertels zum Teil oder auch ganz erheblich auf individuellen Biografien. Das kann einen Stadtteil regelrecht stabilisieren und produktiv durchmischen. Es gibt aber selbstverständlich auch die turbokapitalistische Variante, bei der sich solche Prozesse innerhalb weniger Jahre abspielen und ein annähernd kompletter Austausch von Bewohnerschaft und Gewerbe stattfindet. In diesem Fall werden die „Erst-Gentrifizierer“ als bodenbereitende Pioniere genauso von wohlhabenderen Nachfolgern vertrieben wie die „Urbevölkerung“. Insofern gilt es, immer ganz genau hinzuschauen, ob es sich bei entsprechenden Veränderungen in solchen Quartieren, um radikale Verdrängungsphänomene handelt, die gewachsene soziale Strukturen zerschlagen und für weitere Ausgrenzung sorgen, oder ob es sich vielleicht sogar um eine „gesunde“ Entwicklung handelt, die zu mehr Vielfalt und Aktivierung von vorhandenen Potenzialen führt. Oft wird es wahrscheinlich eine komplexe Mischung aus beidem sein, die uns umso sensibler für stadtprägende politische, soziale und planerische Parameter machen sollte. Man muss sich also davor hüten, solche urbanen Prozesse allzu schematisch und lediglich in Schwarzweiß-Kategorien zu betrachten, denn schließlich gehören Wandel und Bewegung zu den konstituierenden Merkmalen von Stadt. Kay von Keitz
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Gentrifizierung und Street Art Graffiti und Street Art werden heutzutage sicherlich in erster Linie in ihrer Dichotomie zwischen ästhetischer und politischer Praxis verstanden: Stencils, Paste Ups und Tags existieren im Diskurs um Protestbewegungen wie Reclaim Your City oder um den Arabischen Frühling, erzielen parallel dazu jedoch Höchstpreise in internationalen Galerien und Auktionshäusern. In dieses Spannungsfeld setzt sich aktuell zusätzlich die neuere Debatte um die Funktion und Rolle der Street Art im Prozess der Gentrifizierung. Ist sie inhärenter Bestandteil des Ablaufs? Trägt sie zu Gentrifizierungsprozessen bei oder wehrt sie diese ab? Wenn Gentrifizierung im Kern als die Zu- und Abwanderung der wirtschaftlich divergent aufgestellten Bevölkerungsschichten innerhalb eines Stadtgebiets verstanden wird, dann muss Bausubstanz als bestimmender Faktor betrachtet werden. Allgemein wird angenommen, dass niedrige Mieten Hauptanziehungspunkt für Studenten und junge Kreative sind, um sich in einem bestimmten Gebiet niederzulassen. Geringe Mietspiegel sind meist Ergebnis von minderer Wohnqualität durch Verfall der Bebauung im jeweiligen Viertel. Universelles Indiz für prekäre Wohngebiete sind jedoch sicherlich auch Graffiti und Street Art: schon in der 1982 veröffentlichten Schrift „Broken Windows“ von James Q. Wilson und George L. Kelling1 wird ein Prozess beschrieben, in der die Markierung von Häusern durch Tags o.ä. den sozialen Verfall des Viertels nach außen kommuniziert. Grundlage dieser Überlegung ist, dass ein bestehendes Graffiti vermittelt, dass Bewohner am illegalen Akt des Sprayens keinen Anstoß zu nehmen scheinen und somit weitere illegale Handlungen fördern. Tags und Writings sind im Kontext der Broken-Window-Theorie nicht nur visueller Marker für sozial schwächere Gegenden, sondern tragen auch aktiv zum weiteren Niedergang bei. In den letzten Dekaden und vor allem in der westlichen Welt ist jedoch genau Gegenteiliges zu beobachten: wirtschaftlich und sozial schwache Gebiete mit einem hohem Aufkommen an Street Art und Graffiti werden als urban und modern wahrgenommen. Sogenannte Szeneviertel wie beispielsweise Shoreditch in London, ein bis in die 1960er Jahre hinein als armes Arbeiterviertel geltender Teil der Stadt, vermarktet sich massiv durch seine urbane Ästhetik und bietet sogar mehrstündige Touren zu lokalen Graffiti- und Street Art-Hotspots an. Shoreditch gilt als fast vollständig gentrifiziert und perpetuiert seine aktive Street Art-Szene weiterhin, woraus sich schließen lässt, dass diese nicht als Hürde oder Verfallsmarker angesehen wird, sondern als Zeichen für erstrebenswerten Stadtraum. Eine Unterscheidung zwischen den ursprungsnäheren Ausprägungen des Graffiti wie Tagging oder Style Writing und den neuerlichen Weiterentwicklungen zur
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1 Kelling, George L. / Wilson, James Q.: Broken Windows - the Police and Neighborhood Safety, in: Atlantic Monthly, March 1982, 249 (3), S. 29-38
Street Art wie Paste Ups oder Murals, erscheint als nicht sonderlich konstruktiv: Obwohl figurative Arbeiten sicherlich ästhetisch ansprechender sind für den Mainstream (da sie näher an dem Konzept sind, welches in der kollektiven Wahrnehmung als „Kunst“ verstanden wird) bestehen weiterhin alle Formen der Kunst im öffentlichen Raum als distinktiver Index für Urbanität und somit kontemporärer Großstadtkultur. Diese Indexikalität kann letztendlich auch als primäre Funktion festgesetzt werden: Als immer noch illegale Kunstform repräsentiert sie ein reizvolles Maß an Ausdrucksfreiheit, welches vorrangig aus innerstädtischen Strukturen entspringt und so (in dieser Form) nur in ihnen vorkommt. Anziehungskraft hat dies für eine erst seit kurzem existierende Form der jungen, wirtschaftlichen Elite, welche sich von traditionellen Wohlstandsäußerungen (in Villenvierteln wohnen o.ä.) abwendet und ihren eigenen Ausdruck in der Identifikation mit urbanen Manifestationen findet. Street Art und Graffiti sind also Ausdruck des Zeitgeists und werden als solcher von jungen Kreativen als passende Lebenskulisse verstanden. Sie sind weder initiierendes Moment, noch Hürde für Gentrifizierungsprozesse, können aber als Beschleuniger agieren. Als künstlerischer Ausdruck, welcher sich dem öffentlichen Raum verschrieben hat, müssen sie primär als Teil der Entwicklung verstanden werden. Monia Labidi
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»Platzkultur« in Düsseldorf
schaffen, die soziale Bedürfnisse decken. Neue Lösungen und neue Dialoge sind gefragt! Die Umgestaltung vorhandener Plätze orientiert sich ebenso nicht an dem Bedürfnis zahlreicher Menschen nach Zusammenkunft, Verweilen oder nach Gestaltung,
Marco Malavasi, Sprecher des FORUM Veranstal-
geschweige denn an einer Öffnung und Nutzung der Räu-
tungskultur der Köln SPD stellte in einem Impulsvortrag Pro-
me für alle Generationen. Öffentliche Räume werden häu-
blematiken und Konflikte der urbanen Stadtkultur dar.
fig zu vereinzeltnen Funktionsstätten verwandelt.
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Landauf, landab spitzen sich die Konflikte in den
Bewusst fand das 40Grad Urbanart Festival 2015
Städten zu. Es sind immer dieselben Interessen, die sich
auf und um den Gustaf-Gründgens-Platz statt. Hier im
gegenüber stehen: Urbane Stadtkultur mit dem Willen
Zentrum von Düsseldorf entsteht mit dem Kö-Bogen-Pro-
auf Entfaltung gegen Anwohnerinteressen und dem Wil-
jekt eine elementare Umgestaltung des Düsseldorfer Zen-
len nach einer ruhigen, sauberen Wohnumgebung. In Köln
trums. Alte Plätze verschwinden und neue entstehen; der
wird diese Entwicklung nirgendwo deutlicher als im Belgi-
Ort verändert sein Gesicht.
schen Viertel.
Das 40Grad Urbanart Festival hat dies zum Anlass
Diese Konflikte sind das Resultat einer zwangsläu-
genommen den Slogan „NIMM PLATZ“ mit Leben und In-
figen Veränderung von Städten: Städte sind keine starren
halt zu füllen. Mehrere Diskussionsrunden boten Raum,
Gebilde, sondern unterliegen ständigen Veränderungen.
um sich über Düsseldorf und deren Entwicklung auszutau-
Stadtentwicklung vollzieht sich nicht im Sinne einer “der äs-
schen. Kinder, Jugendliche, Künstler, Akteure und Besu-
thetischen Entwicklung geschuldeten Eigenlogik in der bau-
cher, bis hin zum Oberbürgermeister Düsseldorfs nahmen
lich-räumlichen Stadtgestaltung, (...) [sie ist vielmehr] Er-
die Einladung und Aufforderung des Festivals an.
gebnis und Widerspiegelung gesellschaftlicher Prozesse.”
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Wir wünschen uns genau diesen offenen Diskurs
»Menschen schaffen sich in den Städten einen Lebensraum, aber auch ein Ausdrucksfeld mit tausenden von Facetten, doch rückläufig schafft diese Stadtgestalt am sozialen Charakter der Bewohner mit.«3
und hoffen in Zukunft weitere Impulse mit dem 40Grad Urbanart Festival geben zu können. Klaus Martin Becker
Speziell in Städten benötigen Menschen diesen Freiraum der Entfaltung als Spiegelbild veränderter sozialer Bedürfnisse. Doch diese Räume sind rar und werden durch den erweiterten Zuzug in Städte immer enger. Freiflächen werden baulich geschlossen, Hinterhöfe zu mehr Wohn- oder Geschäftsraum saniert und öffentlicher Raum geht durch Privatisierung verloren. Immer mehr Menschen drängen in die noch vorhandenen Quartiere, da es Um- und Neubauquartieren an sozialem Raum fehlt. In Düsseldorf zeichnet sich diese Entwicklung in zahlreichen alten und neuen Stadtteilen ab: Bilk, Grafenberg, Grafental, Derendorf, Gerresheim, Oberbilk und Flingern, um nur einige zu nennen. Überall entstehen neue Quartiere, vorhandener Freiraum wird geschlossen. Dem Versäumnis der vergangenen Jahrzehnte, notwendigen günstigen Wohnraum zu schaffen, wird durch diese meist Luxus-Wohnungen kaum entgegengewirkt. Diesen neuen Quartieren fehlt zudem die urbane Infrastruktur und es werden hier keine neuen Plätze ge-
1 Impulsvortrag vom 25.08.2015, 40Grad Labor Gustaf-Gründgens-Platz 1 Düsseldorf 2 Rodenstein, Marianne: Städtebaukonzepte, in: Häußermann, Hartmut, u.a., Stadt und Raum, Pfaffenweiler, 1992 3 Mitscherlich, Alexander: Die Unwirtlichkeit unserer Städte, 1965
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Gentrifizierung im Vergleich Der Gentrifizierungsprozess, der sich in Städten wie Köln und Düsseldorf längst vollzogen hat, bleibt in Dortmund vorerst mehr ein stummer Wunsch als das real existierende Ergebnis städtebaulicher Umstrukturierungsmaßnahmen in den Stadtteilen des Bezirks Innenstadt-West. Viel versprochen hat man sich vom sogenannten Kreativquartier (auch Unionviertel), welches sich rund um die ehemalige Dortmunder Union-Brauerei erstreckt; ein wuchtiges Gebäude, das mit seiner Lichtarchitektur in der Kuppel allerdings einzigartig in der Region des Ruhrgebietes ist. Das Dortmunder U wurde 2010 im Rahmen der „Kulturhauptstadt Ruhr“ als Zentrum für Kunst und Kreativität eröffnet und soll Kunst, Forschung, Kreativität und kulturelle Bildung miteinander verknüpfen: ideale Voraussetzung also für diesen Stadtteil, um einen nachhaltigen Wandel einzuleiten. Unter dem Deckmantel der Kreativwirtschaft versuchte man auf diese Weise Investoren für den hiesigen Immobilienmarkt zu locken und Dortmund als lukrativen Standort zu etablieren. Die Aufwertungsmethoden unattraktiverer Quartiere (durch junge Kreative) verlaufen meist nach dem gleichen Muster: Studenten, Künstler, Kleinunternehmer siedeln in vergleichsweise heruntergekommenen Vierteln, vornehmlich mit alter Baustruktur, für wenig Geld und viel Wohnraum. Leerstehende Ladenlokale bieten Platz für neue Cafés, Pop-Up-Stores, Agenturen,
»Die Gefahr einer Gentrifizierung ist dann besonders groß, wenn viele gut verdienende Menschen in einer Stadt wohnen, in denen die Wohnungen knapp sind. Das mag zum Beispiel auf Köln zutreffen, aber nicht auf Dortmund, wo der Wohnungsmarkt noch sehr entspannt ist. Es gibt noch Leerstände sowie ausreichend frei verfügbare Fläche – und keine explosive Enge.«1 trendige Gastronomie oder Galerien. Nach demselben Prinzip soll auch das Dortmunder Union Viertel durch junge Kreative einen Aufschwung erfahren und für eine solvente Klientel als attraktive Wohnlage interessant werden. Für den Standort der 44309Galerie mitten im Unionviertel sind das erst einmal beste Voraussetzungen, denn im Hinblick auf eine optimale Infrastruktur für einen solchen Wandel, wäre zumindest die unmittelbare Anbindung an teils alteingesessene Szenekneipen, Plattenläden, Clubs, zur multikulturellen Restaurantlandschaft, den Bildungszentren, dem saisonal bedingt immer übervollen Westpark und zum Zentrum der Stadt vorhanden. Allerdings besteht in den meisten Revierstädten aber kein Mangel an
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1 Laut Susanne Linnebach vom Stadterneuerungs- und Stadtplanungsamt Dortmund
vorhandenem Leerstand in sanierungsbedürftigen Stadtteilen und das ist im Hinblick auf die polyzentrale Lage der Ruhr-Metropolen auch die Krux der lokal-politisch indizierten Gentrifizierungsunterfangen. Entweder liegen die aufzuwertenden Bauflächen weit draußen oder die Auftragslage ist für die jungen Kreativen in den jeweiligen Gegenden so schlecht, dass diese aus finanziellen Gründen gezwungen sind, in Städte wie Köln oder Düsseldorf abzuwandern. Abgesehen davon, fühlen sich die umworbenen Akteure nur wenig wahrgenommen, da die Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet fast schon tradiotionell eine untergeordnete Rolle spielt und sich in diesem Bereich nur schwer Geld verdienen lässt. Auch wenn mit dem Kulturhauptstadtjahr eine Trendwende eingeläutet werden sollte, wurden am Ende die meisten der großen Aufträge an Unternehmen außerhalb des Ruhrgebiets vergeben. Und die kreativen Pioniere, die den Aufschwung für den regionalen Immobilienmarkt bringen sollen, ziehen weg – eben in Städte wie Düsseldorf oder Köln. Dort werden die Wünsche von Immobilienbesitzern aufgrund von geringem Wohnraum paradoxerweise zum Teil ganz unfreiwillig erfüllt. Abgesehen davon ist Dortmund kein prädestinierter Markt für Immobilien-Haie, die einer möglichen Gentrifizierung zusätzlich ihre ganz eigene Dynamik verleihen. Eine Verdrängungswelle durch gutsituierte Bürger ist also in naher Zukunft nicht zu erwarten. Ein Paradebeispiel für einen sogenannten „strukturschwachen Stadtteil“ mit sehr geringen Mieten, hoher Migration und offensichtlichem sozialem Elend, ist der Dortmunder Norden. Im Vergleich zum Westend könnte man in der Dortmunder Nordstadt fast schon von einem „Broken Window Effekt“ ähnlichen Zustand sprechen. Demnach als sozialer Brennpunkt stigmatisiert, untermauern wachsende Kriminalität, Drogenproblematik und ungesicherte Bildung für Kinder zunehmend den schlechten Ruf dieses Bezirks. Junge Paare ziehen dort eher noch aus freien Stücken weg, wenn sie eine Familie gründen wollen, als das diese verdrängt würden, (auch wenn sie lokal gesehen hier und da einige Trends mitgeprägt haben). Interessant ist hier natürlich die Wahrnehmung von Dortmund in Bezug auf die Interventionen im öffentlichen Raum. Als ehemalige Graffiti-Hochburg seit den frühen 1980er Jahren, hat die Stadt nichts von dieser Tradition über die vergangenen Dekaden eingebüßt und ist gepflastert mit Tags, Throw Ups und Silver Block Busters – im Norden mehr als anderswo. Bereits über die zweite Generation ist das Taggen heute ebenso populär wie damals und die Szene ist enorm präsent. Es grenzt daher schon an eine kleine Sensation, dass wir mit der 44309Galerie unsere Wandbilder, auch bisher relativ unversehrt, über das Unionviertel verteilt kuratieren und umsetzen konnten. Sicherlich trägt dieser Public-Art-Space in gewisser Weise zur Aufwertung des Unionviertels bei und hat sogar hier und da einen identifikationsstiftenden Charakter. Aber dieses Engagement wird eher durch zähe Ausdauer getragen, als (sehr vereinzelt) durch die monetäre Förderung der Eigentümer oder der Kommune. Die Worte eines Immobilienmaklers fassen die Problematik der verpennten Trends ganz gut zusammen: “Wir Westfalen sind ja alle so’n bisschen konservativ und bieder. 19
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Aber die Durchmischung, sorgt für Kreativität und Vielfalt. Und das ist positiv.“ Wir befinden uns sozusagen mittendrin, im zähen Umstrukturierungsprozess, und es bleibt abzuwarten, ob man dann, wenn auch in nicht ganz so naher Zukunft, überhaupt von einer Gentrifizierung des Unionviertels sprechen kann. Im Hinblick auf die städtischen Maßnahmen stehen hier die Zeichen eher auf negativ. Die meisten Immobilien sind verkauft, aber von einem Aufschwung ist nichts zu bemerken. Das Quartiersmanagement Rheinische Straße wird nach fünfjährigem Dienst am Bürger und Eigentümer vor Ort abgezogen – unserer Meinung nach viel zu früh, denn das Viertel benötigt dies nach wie vor. An dieser Stelle muss ich hier noch mal meinen Dank an das QM aussprechen für die oft hilfreiche Vermittlung von Eigentümern im Viertel, die bereit waren, einen Teil ihres Besitzes in den Dienst der öffentlichen Kunst zu stellen! Wir hätten unsere Projekte so sonst nicht umsetzen können. Daniela Bekemeier
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Städtischer Wandel in Köln - Gentrifizierung im Belgischen Viertel Köln ist die bevölkerungsreichste und am schnellsten wachsende Stadt in Nordrhein-Westfalen. Das Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Köln prognostiziert für das Jahr 2020, dass 50.000 Menschen mehr in Köln leben werden als heute. Besonders stark scheint das Wachstum im Bereich der Jugend (18-30-Jährige), welche über das kreative Milieu der Domstadt angezogen wird. Daran geknüpft liegt das derzeit größte Nachfragepotential im Bereich des studentischen Wohnens und dem preiswerten Wohnen für Geringverdienende1. Doch die bauliche Entwicklung kann mit dem Wachstum nicht Schritt halten. Laut Amt für Statistik werden bis zum Jahr 2020 30.000 neue Wohnungen gebraucht. Die aktuelle Unterversorgung drückt sich auch im steigenden Mietspiegel und den steigenden Preisen von Eigentumswohnungen aus. Der Kampf um Raum scheint damit vorprogrammiert. Schaut man sich den derzeitigen Bevölkerungswachstum in den 86 Kölner Stadtteilen an, wird trotz der rechtsrheinischen “Boom-Viertel” Köln-Deutz und Mülheim – letzteres aufgrund seiner Fläche, stillgelegter Industrieareale und seiner baulichen Substanz prädestiniert für Investition und Aufschwung – ein Gefälle von der linken zur rechten Rheinseite deutlich. Ein Gefälle das auch im kulturellen Bereich, mit dem Kölner Zentrum auf der linken Rheinseite, offenkundig die Stadt in hip und vernachlässigt einteilt, denn die gefragten Stadtteile befinden sich alle auf der linken Rheinseite. Angesagte Kulturbetriebe, Gaststätten und Shopping-Möglichkeiten lassen sich in den “hippen” Vierteln, wie dem zentrumsnahen Belgischen Viertel und dem ehemaligen Arbeiterund Industriequartier Ehrenfeld, nieder – eine Entwicklung, die zwangsläufig Konflikte zwischen alteingesessenen Mietern und dem neuen vornehmlich jungen und kreativen Milieu provoziert. Doch, was bedeutet Wachstum unter den dargestellten Vorzeichen für die einzelnen Viertel? Wie vollzieht sich der Wandel, unter welchen Konflikten, Bedingungen und vor allem mit welchem Ausgang für die Bewohnerschaft? Wie kann der Wandel beschrieben werden? Ist die Gefahr einer brutalen, nicht sozial-verträglichen Verdrängung von Anwohnern und der damit einhergehende unausgeglichene Wandel der Lebenstile schon Alltagsrealität? Mit diesen Fragen stehen wir mitten in der Gentrifizierungsdebatte, die derzeit regional und national stark diskutiert wird. Eine Debatte, die vor 50 Jahren bergündet wurde und heute den Mainstream erreicht hat.2 Das regionale Kooperationsprojekt TransUrban, das in den drei Städten Köln, Düsseldorf und Dortmund stattfindet, widmet sich dem Thema Gentri-
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fizierung. Im Kölner Belgischen Viertel lassen sich Gentrifizierungsprozesse sehr gut beobachten und nachvollziehen. TransUrban in Köln sowie das vorliegende Essay konzentrieren sich daher auf dieses Viertel. Legt man der Betrachtung die von Ruth Glass entwickelete Definiton zur Gentrifizierung anhand ihrer 1964 veröffentlichten Studie zur Quartiersentwicklung im Londoner Stadteil Islington zu Grunde3 und erweitert sie um die von Heiko Rühl dargestellten weiteren Dimensionen4 der Gentrifizierung – die bauliche, strukturelle und symbolische Dimension - können die angesprochenen Prozesse im Belgischen Viertel beobachtet werden. Der Stadteil befindet sich seit gut 15 Jahren in einem Gentrifizierungsprozess, der heute als weit fortgeschritten, oder gar schon als abgeschlossen bezeichnet werden kann. Im Herzen Kölns gelegen hat sich das Belgische Viertel in den vergangenen 15 Jahren zu einem beliebten Kultur-Quartier entwickelt. Bars, Clubs, Galerien, Verlage, Kunsthandwerk, Plattenläden, Agenturen und Mode-Boutiquen siedelten sich zahlreich dort an. Ein breites Netzwerk an Kulturschaffenden belebt das Viertel zusätzlich. Temporäre Kultur-Events und das vielfältige Angebot an Gastronomie lockt Kölner und Touristen ins Quartier. Der zentral gelegene Brüsseler Platz ist inzwischen ein beliebter Anlaufpunkt für Nachtschwärmer – auch zum Ärger der ruhegestörten Anwohner. Parallel zum Einzug der Kulturszene vollzog sich eine Aufwertung der Immobilien. Neben dem Kulturangebot und der Gastronomie finden sich viele Agenturen, die der jungen, kreativen Bevölkerung nahgelegene Arbeitsstellen bieten sowie allerlei Shoppingangebote für den trend- und modebewussten jungen Kölner. Die Aufbruchstimmung ist verflogen und erste Stimmen fürchten um einen Ausverkauf des gewachsenen Ausgeh- und Kreativquartiers. Doch schauen wir uns einige der Entwicklungslinien und Dimensionen der Gentrifizierung am Beispiel des Belgsichen Viertels im Detail an. Was mit ersten kulturellen Strukturen begann – vornehmlich Bars und Galerien – brachte schnell den Zuzug neuer junger Mieter mit sich. Mit der wachsenden Beliebtheit des zentralen Viertels begannen auch die Investitionen. Sanierungen der Altbauten im Veedel vollzogen sich kontinuierlich und ehemalige Mietwohnungen wurden zu Eigentumswohnungen im gehobenen Bereich und Luxuswohnungen umgewandelt. Teil des architektonischen Umbaus war auch die Verkleinerung von Wohnraum in Apartments, dies auch
}
1 Vgl. http://www.ksta.de/koeln/bevoelkerungszuwachs-koeln-waechstdramatisch,15187530,22670608,view,printVersion.html Vgl. Pegel Köln 01/2015 - Wohnungsmarkt Köln - Expertenbefragung 2014, 2015 2 Vgl. Rink, Dieter / Schönig, Barbara / Gardemin, Daniel / Holm, Andrej: Städte unter Druck – Die Rückkher der Wohnungsfrage, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2015, S. 69-79 3 Gentrifizierung ist vom englischen Wort „gentry“ (niederer Adel) abgeleitet und wird seither zur Charakterisierung sozialräumlicher Entwicklungsprozesse von Stadtquartieren genutzt. In der sozialwissenschaftlichen Fach welt versteht man unter Gentrifizierung eine allmählich, durch Erneuerungsmaßnahmen und/oder Eigentümerwechsel entstehende Dominanz einkommensstarker Haushalte in attraktiven urbanen Wohnlagen zu Lasten von weniger verdienenden Bevölkerungsgruppen. Glass, Ruth: Aspects of Change, London, 1964 4 Siehe hierzu Definition von Gentrifizierung nach Heiko Rühl, in: Auszüge aus dem TransUrban-Symposium in Köln vom 14.09.2015, ab S. 24
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für die kommerzielle Aufwertung durch Hotels und Hostels im heute touristischattraktiven Belgischen Viertel. So manch alteingessesener Mieter und junger vornehmlich studentischer Neumieter mussten weichen, um Platz für das neue betuchtere Klientel und die Rendite der Investoren zu machen. Parallel zu den Mietstrukturen veränderten sich die Geschäftswelt und das Arbeitsumfeld. Um den Konsumgewohnheiten der neuen Mieter gerecht zu werden, siedelten sich junge und trendorientierte Mode-Geschäfte, Gastronomie wie z.B. auf der Aachener Straße und allerlei kunstorientiertes Kleingewerbe im Belgischen Viertel an. Entsprechend dem Arbeitsumfeld der neuen Mietstruktur zog es Agenturen aus der Kreativwirtschaft, aus Bereichen wie Medien, Marketing und Design ins Belgische Viertel. Darunter zu leiden hatten vornehmlich die alten Kölsch-Kneipen, der ehmalige Dienstleistungssektor und das alteingessene Kleingewerbe. Der Wandel des Quartiers im strukturellen Bereich scheint damit seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben. Der damit einhergehende Wandel der Lebenstile im Viertel provoziert Konflikte, die abseits der Diskussion um die Nutzung des Brüsseler Platzes, aus dem veränderten sozio-kulturellen Klima resultieren. Die kreative Ruhe und Gelassenheit, die “ur-kölsche Art”, und die teils “familiären” Strukturen der Nachbarschaft, sei es im privaten oder geschäftlichen Bereich, müssen einer neuen Geschäftstüchtigkeit und Schnelllebigkeit weichen. Auch das Auftreten nach außen hat sich verändert – mutig postuliert sich das Belgische Viertel als das Kreativ- und Ausgeh-Quartier der Domstadt und füllt dadruch seine Straßen mit Nachtschwärmern, Hipstern und Touristen. Es scheint alles ein wenig oberflächlicher, hedonistischer und vor allem teurer geworden zu sein. Ein Zustand, den nicht nur die ehemaligen Kneipiers und alteingessenen Anwohnern stört, sondern auch die Kulturszene und das Kleingewerbe wie Kunsthandwerk, die das Viertel Mitte der 1990er Jahre erstmals für sich entdeckten. Gerade Teile dieser Szene “aus der ersten Stunde” müssen unter den heutigen Konflikten leiden. Die AF Gallery in der Maastrichter Straße zum Beispiel kämpft mit ihrem Barbetrieb gegen Lärmschutzauflagen, die erst mit der Sanierung der Nachbarhäuser und dem Verkauf der entstandenen Eigentumswohnugen, zum Thema der Verwaltung wurden. Denn die Investoren und Bauherren berücksichtigen die gewachsenen kulturellen Strukturen ausschließlich bei der Vermarktung ihrer Objekte, weniger bei der Sanierung der schwachen Bausubstanz, und das neu-zugezogene gehobene Klientel mag es hip, “aber bitte ruhig und sauber”. Die renommierte Szene-Kneipe “Stecken” auf der Maastrichter Straße musste vor drei Jahren der Sanierung im Gebäude weichen. Der befristete Mietvertrag für den Kellerraum wurde nicht mehr verlängert und antstatt Jazz, Soul und HipHop pumpt nun die Heizungsanlage heiße Luft in die höher gelegenen sanierten Stockwerke. Ein Verlust, den das Viertel bis heute nicht kompensieren konnte. Besonders stark scheint die symbolische Dimension, die derzeit durch die mediale Präsenz des Themas Brüsseler Platz geprägt wird. Das Belgische Viertel ist das Ausgehviertel der Domstadt schlechthin. Die vielen Bars und Clubs ziehen die junge Bevölkerung an. Auch hier zeigt sich deutlich der gewandelte Lebensstil, der Konflikte um die Nutzung des öffentlichen
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Raums im Quartier mit sich bringt. Der Brüsseler Platz ist dabei kulminativer Ausdruck der Entwicklung, und zugleich symptomatischer Kern der Debatte um die Ausgrenzung der alten Mieterstrukturen. Betrachtet man die Massen an Besucher zum Wochenende, scheint es, als hätte Köln keine weiteren zum Verweilen einladenden öffentliche Plätze. Es ist viel mehr der Hype um den Platz, der die trend-orientierten Besucher dazu einlädt, sich das Quartier und den Brüsseler Platz zu eigen zu machen und ihrem Status als “coole Kölner” Ausdruck zu verleihen. Ein sehr treffender Kommentar zum Brüssler Platz und seiner Anziehung stammt von dem Kölner Künstler “Herr Schulze”, der dem Platz temporär die Installation eines “Pavianfelsen” schenkte. Es
bleibt
festzuhalten,
dass
die
grundlegende
Bedingung
für
Gentrifizierung, der Autausch einer status-niederen durch eine status-höhere Bevölkerung im Belgischen Viertel erfüllt ist. Dies ist mit Einschränkungen zu betrachten, da das Viertel noch Teile seiner ursprünglichen Bevölkerungsstruktur bewahrt hat. Die strukturelle Dimension ist, vor allem vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt, die eine Wertschöpfung aus der bestehenden Architektur sucht, stark ausgeprägt. Dies gilt auch für den Wandel des Geschäfts- und Arbeitsumfeldes im Quartier. Am stärksten wirkt bei der Betrachtung der Nachbarschaft die symbolische Dimension der Gentrifizierung, die in der aktuellen Konfliktlage die tragende Rolle einnimmt. Anders als in Kölns weiteren linksrheinischem Boomviertel Köln-Ehrenfeld, wo zur Neuentwicklung des im geografischen Zentrum des Viertels gelegenem Helios-Geländes, die Bürgerschaft massiv mobilisierte und der Verwaltung und Entwickler Eingeständnisse und Beteiligung abzwang, scheint sich eine Artikulation der Verlierer im Aufwertungsprozess des Belgischen Viertels kaum an grundlegenden Entwicklungen zu stoßen. Stattdessen fokussiert die aktuelle Diskussion zur Verdrängung im Belgischen Viertel das Symptom des Brüsseler Platzes. Ein tiefergehender Diskurs unter dem Banner der aktuell überall zu lesenden Forderung auf “Mehr Recht auf Stadt”5 , wie in Köln-Ehrenfeld ,wäre wünschenswert und auch angesichts der Symptomatik notwendig. Ein Grund für TransUrban, sich dem Belgischen Viertel anzunehmen, um Impulse für die notwendige Debatte mit und unter den Anwohner zu geben. Georg Barringhaus
5 Vgl. Holm, Andrej: Das Recht auf die Stadt, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2011, S. 89-97
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Symposium Köln “Gentrifizierung im Belgischen Viertel” transkribierte Auszüge aufgezeichnet am Montag, den 14.09.2015 in der St. Michaels Kirche am Brüsseler Platz in Köln
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Gäste
Moderation
Dr. Regina Börschel, Bezirksvertretung
Kay von Keitz (vK)
Köln-Innenstadt, SPD Köln Heiko Rühl, Dipl. Solziologe Universität
Autor und Kurator (plan, Der urbane Kongress), Vorsitzender des Kunstbeirats der Stadt Köln
Bonn, Schwerpunktgebiete: Stadtsoziologie, Kultur- und Kreativwirtschaftsforschung Marco Malavasi, Dipl. Kommunikationswirt, Sprecher des FORUM Veranstaltungskultur der Köln SPD Klaus Martin Becker, Organisation 40Grad Urbanart Festival Düsseldorf
Links St. Michael Kirche Brüssler Platz Köln Mitte Maastricher Straße Belgisches Viertel Köln Rechts Friesenplatz Belgisches Viertel Köln
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Heiko Rühl leitet in das Thema der Gentrifizierung ein.
on im Belgischen Viertel, insbesondere durch das Phäno-
In einer Studie hat er die Gentrifizierungsphänomene in den
men des Brüsseler Platzes, ist weit exponierter in den Me-
Kölner Stadtteilen Deutz und Mülheim untersucht
dien zu finden, als es in Deutz oder Mülheim der Fall wäre.
1
Rühl: Aus einer wissenschaftlichen Perspektive ver-
Insbesondere der Brüsseler Platz hat durch die überregi-
steht man unter dem Begriff Gentrifizierung im Kern den
onale mediale Darstellung weiter dazu beigetragen, dass
Austausch von status-niederen durch eine status-höhere
dieses Viertel auf einer Agenda ist im Sinne von: “Hier ist
Bevölkerung in einem Stadtviertel. Neben dieser Kompo-
es interessant, hier ist es cool, hier ist es innovativ, hier
nente gibt es in der Regel drei weitere Komponenten, die
passiert was, hier kann man ausgehen”.
untersucht werden, wenn man sich als Wissenschaftler
vK: Wir haben übrigens jetzt im Jahr 2015 das
mit dem Phänomen der Gentrifizierung beschäftigt. Das
50-jährige Jubiläum von Alexander Mitscherlichs Schrift
ist als zweite Komponente die bauliche Dimension, sprich
“Die Unwirtlichkeit unserer Städte”2 , die 1965 veröffent-
die Aufwertung der Bausubstanz in einem Viertel durch
licht wurde. Darin ist ein ganz zentraler Punkt die Frage
Wohnungssanierungen, Modernisierung, Neubauten und
nach den Eigentumsverhältnissen. Wir können auch heute
die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Als
wieder überall die Frage “Wem gehört die Stadt?” lesen.
dritte Komponente gibt es die sogenannte infrastruktu-
(An Regina Börschel gerichtet:) Welche Möglichkeiten,
relle Dimension, das ist die Veränderung der Geschäfts-
welches politische Instrumentarium gibt es überhaupt,
und Dienstleistungsstruktur im Laufe des Prozesses, weil
um in solche Gentrifizierungsprozesse einzugreifen?
neue Bewohner neue Konsumgewohnheiten haben und da-
Börschel: Zum Beispiel die Stadt München arbeitet
durch andere Konsummöglichkeiten und Dienstleistungen
schon seit über 20 Jahren mit sogenannten Milieuschutz-
im Viertel nachfragen. Und als vierte und letzte Dimension
satzungen, die im Grunde Viertel klar definieren und von
gibt es die sogenannte symbolische Dimension. Diese be-
dort aus Luxussanierungen an bestimmte Auflagen und Ge-
zeichnet all das, was insbesondere über die Medien trans-
nehmigungsverfahren binden. Milieuschutzsatzungen sind
portiert wird. Die Veränderung der medialen Darstellung
somit solch ein Instrument. Es ist natürlich immer schwie-
eines Viertels, von “total heruntergekommen, gefährlich,
rig Wohnungseigentümer, weil es auch mit Eigentumsrech-
ein Ghetto” bis hinzu “super schick, cool, hip” oder andere
ten zusammenhängt, daran zu binden. Es müssen also die
Adjektive, mit denen man so etwas greifen kann.
Spielregeln für solche Fragen klar definiert werden.
von Keitz: Kann man diese Komponenten auch hier
vK: Kann hier eine politische Vertretung wie ein Be-
im Belgischen Viertel identifizieren, und ist Gentrifizie-
zirksparlament Einfluss nehmen, oder ist dies auf einer
rung ein “naturgesetzlicher” Prozess, der überall die glei-
höheren Ebene angesiedelt, d. h. auf gesamtstädtischer
chen Stadien durchläuft?
Ebene oder Landesebene?
R: Jedes Viertel hat natürlich seine Eigenheiten.
Bö: Die Milieuschutzsatzungen selbst müssen durch
Deswegen ist es nicht ganz leicht zu sagen, dass Köln-
den Stadtrat abgesegnet werden. Wir können als Bezirks-
Deutz vergleichbar wäre mit dem Belgischen Viertel und
parlament sehr klare Hinweise geben. Wir im Stadtbe-
wir stehen hier auf einer vergleichbaren Stufe der Ent-
zirk Innenstadt geben sehr deutliche Hinweise, dass die
wicklung. Weil die Gegebenheiten im Belgischen Viertel
städtischen Viertel von diesen Gentrifizierungsprozessen
aufgrund der unmittelbaren Innenstadt-Nähe anders sind,
betroffen sind. Wir können dann immer versuchen, die
als es in Deutz und gerade in Mülheim der Fall ist. Man
Anregung zu geben, gerade in unseren Quartieren die Mi-
kann, wenn man diese Viertel im Vergleich betrachtet, si-
lieuschutzsatzungen zu erlassen oder zumindest zu über-
cherlich sagen, dass der Prozess der Aufwertung hier im
prüfen, dass sie für unsere Quartiere erlassen werden.
Belgischen Viertel schon früher eingesetzt hat. Und man
vK: Über die politischen Instrumentarien würde es
kann auch zweifelsfrei feststellen, dass der Prozess hier
sich lohnen, eine eigene Gesprächsrunde anzusetzen. Doch
deutlich weiter fortgeschritten ist. Was den Austausch
möchte ich nochmal auf den Punkt “Wem gehört die Stadt?”
der Bewohner angeht, auch in Wertsetzung der ganzen Bausubstanz, die hier vorhanden ist. Der infrastrukturelle Wandel, den man beispielsweise in Deutz oder Mülheim nur punktuell beobachten kann, ist hier deutlich weiter und sichtbarer vorhanden. Auch die symbolische Dimensi28
1 Kölner Gentrification-Studie geleitet von Prof. Jörg Blasius, Universität Bonn und Prof. Dr. Jürgen Friedrichs, Universität zu Köln, Wissenschaftlicher Mitarbeiter ist Dipl.-Soz. Heiko Rühl. 2 Alexander Mitscherlich (* 20. September 1908 in München; † 26. Juni 1982 in Frankfurt am Main, Psychoanalytiker und Schriftsteller). Mitscherlich, Alexander: Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Frankfurt am Main 1965
kommen. Wir alle kennen diesen Wandel, diesen lebenssti-
kauft sich den Raum und schottet ihn zunehmend gegen an-
listischen Wandel, diese Art mit der Stadt, dem öffentlichen
dere Interessen ab. So verlieren wir immer mehr öffentlichen
Raum umzugehen. Nicht umsonst treffen wir uns hier am
Raum zugunsten privatisierter Flächen. Und das ist das Ge-
Brüsseler Platz im Belgischen Viertel, weil hier bestimmte
genteil eines demokratischen Interessensausgleichs. Hier
Konflikte zu Tage treten. Spannend ist, dass man in dem Mo-
ist es wichtig, dass wir auf einem fairen Level miteinander
ment, wo diese Interessenkonflikte entstehen, nicht genau
diskutieren und zu diesem Ausgleich zurückfinden.
weiß: Sind das kleine Übergangsschwierigkeiten zu einer
Meine Motivation, das Forum für Veranstaltungs-
nächsten Phase des städtischen Lebens, oder sind das ganz
kultur zu gründen, war, dass aus meiner Sicht die Debat-
massive substantielle Einschnitte, wo es wirklich ums Ein-
ten eben schief geführt werden. Wir haben ein krasses
gemachte geht. (An Marco Malavasi gerichtet:) Kannst du
Ungleichgewicht in den artikulierten Interessen. Auf der
aus deiner Sicht nochmal schildern, wie vereinbar oder un-
einen Seite, die organisierten Bürger- und Anwohneriniti-
vereinbar die unterschiedlichen Interessen sind, die da auf-
ativen einiger weniger, gegen diejenigen, die Platzkultu-
einander treffen? Wer alles will da, auf welche Art in einem
ren, Veranstaltungs-, Club- und Kneipenkulturen nutzen,
relativ kleinen städtischen Gebiet leben?
die sich aber bislang im politischen Raum nicht so lautstark
Malavasi: Interessen, dies gilt für alle Konflikte, sind
artikuliert haben. Um auf Augenhöhe miteinander zu spre-
immer dann miteinander vereinbar, wenn beide Seiten in
chen, habe ich versucht, diese Menschen und Interessen
der Lage sind, Kompromisse zu schließen. Dies gilt für den
sichtbar zu machen. Denn es gibt nicht nur die Stimmen
Brüsseler Platz als auch für jede andere Konfliktsituation.
der wenigen Anwohner, die sich beschweren, sondern es gibt auch eine Menge Menschen, die es hier cool finden, so wie es gerade ist. Es gibt hier beide Interessen; beide sind absolut legitim. Doch nur wenn man gemeinsam auf Augenhöhe und in Respekt voreinander miteinander redet, kann man diese Debatte konstruktiv führen. Es folgt eine Diskussion um die Idee und Funktionen des “Nachtbürgermeisters” - als Gelenk zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit vK: Damit kommen wir wieder zu Bürgerbeteiligungsfragen und -verfahren, die auch von Mitscherlich vor 50 Jahren ausdrücklich gefordert und in den Jahren danach heiß diskutiert wurden. Mitscherlich hat sich dann aus allen möglichen Kommissionen und Beiräten zurückgezogen, weil er sich mit seiner Expertise missbraucht gefühlt hat. Ich spreche hier von der “manipulativen Pädagogik“ im Rahmen von Bürgerbeteiligungsverfahren, also schlichtweg von der Einbeziehung der Menschen als Alibi-Funktion. (An Klaus Martin Becker gerichtet:) So wie wir hier gerade darüber sprechen, ist das identisch mit den Diskussionen, die auch in Düsseldorf geführt werden, oder gibt es da Unterschiede?
Wenn wir die hier zugrundeliegenden Interessen betrach-
Becker: Der öffentliche Raum – das ist kein aus-
ten, kommt man jedoch zu der Erkenntnis, dass der Brüsse-
schließliches Kölner Thema, das ist kein Düsseldorfer
ler Platz kein Einzelfall ist, sondern dass hier grundlegende
Thema, dies ist ein generelles Thema von Städten und ein
Fragen im Raum stehen: Wie verteilen wir heute und zu-
uns immer wichtiger werdendes Thema. Wir haben dieses
künftig den immer enger werdenden urbanen Raum?
Jahr auf dem 40Grad Festival in Düsseldorf einen ganz
Heute stellt sich diese Situation, polemisch formu-
zentralen Platz übernommen und arbeiten schwerpunkt-
liert, ziemlich einfach dar: Das Kapital frisst unsere Innen-
mäßig mit der Frage des öffentlichen Raums. In Düssel-
städte auf. Derjenige, der über die finanziellen Mittel verfügt,
dorf wird ja derzeit die gesamte Innenstadt umgebaut, 29
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das Kö-Bogen-Projekt3 mit dem Abriss des Tausendfüßlers4. Dies ist eine riesige Baustelle, es wird sehr stark verändert, es sind die Libeskind-Bauten entstanden. Und genau an diesem Punkt haben wir in diesem Jahr unser 40Grad Festival ausgetragen und haben es unter den Titel gesetzt “Nimm Platz”. Einerseits als freundliche Aufforderung, Platz zu nehmen, andererseits auch den Impuls zu geben, diesen Platz zu nehmen. Das haben wir mit den Gustaf-GründgensPlatz gemacht. Dieser Platz ist seit 40 Jahren ein toter Platz, wo nie etwas stattfindet, eine zugige Ecke, ein großer Platz, der einfach nur furchtbar aussieht, der überhaupt nicht zum Verweilen einlädt. Wir haben hier ein Bodengmälde von Michelangelo neuinterpretiert. Plötzlich war Leben auf dem Platz. Viele tausend Menschen sind gekommen, haben sich das angeguckt und haben mitgearbeitet und dort sich diesen Platz genommen. Genau heute haben wir den Bescheid der Stadt bekommen, den Platz zu räumen und das Gemälde
Raum stellen: Street Art verliert durch Organisationen wie CityLeaks ihren Reiz! Was heißt das? CityLeaks, dessen Arbeit ich liebe und schätze, tut doch Folgendes: die fasst etwas ursprünglich avantgardistisches und vermeintlich störendes in einen regelkonformen Rahmen. Es integriert und formt. Das ist gut, wichtig und erweitert den Horizont etablierter Stadtkultur. Ich glaube aber, dass dies ein ständig andauernder Prozess ist, denn urbane Kultur insgesamt hat viele Strömungen und Auswüchse (...). Und es gehört zu einer wirklich freien Kultur, dass sie auch immer wieder weh tun muss, dass sie Politik und Verwaltung, und auch die Beund Anwohner von Städten, immer wieder herausfordern muss – dies ist für mich eine ganz wichtige Funktion von urbaner Kultur. (...) Es geht hier auch immer wieder darum, neue Wege zu finden. (...) Doch zurück zum Brüsseler Platz: Hier ist es den Menschen gelungen zu stören, einfach indem sie den Platz für ihre Freizeitkultur genutzt haben und da waren in einer Weise, die nicht in das Schema von Politik und Verwaltung gepasst hat. Sie haben eine Debatte losgetreten, die für das Zusammenleben in unseren Städten von existentieller Bedeutung ist: Wer legt die Regeln fest, die wir haben, um Plätze und öffentlichen Raum in der Stadt zu nutzen? Meine Antwort drauf kann nur lauten: wir alle zusammen in einem fairen und demokratischen Diskussionsverfahren. Wer diese nicht führen will, muss sich überlegen, ob die Stadt für ihn der richtige Ort ist.
innerhalb von drei Monaten zu entfernen, da der Platz abgerissen wird. Düsseldorf hat hier ein noch größeres Problem als Köln: Düsseldorf schafft es nie, vernünftige Plätze zu schaffen. An ganz vielen Stellen ist es sehr schwierig und man wundert sich später, wie diese Plätze aussehen. Sie laden selten zum Verweilen ein, dies ist sicherlich auch ein Punkt, der zum urbanen Raum dazugehört, dass Menschen auch zusammekommen wollen und an Plätzen gemeinsam leben wollen. M: Wir haben über die Bedeutung von Urban Art und Street Art für die Stadtentwicklung gesprochen. Hierzu möchte ich einmal eine etwas provokative These in den
3 Der Kö-Bogen ist eine groß-angelegte Baumaßnahme in der Düsseldorfer Innenstadt. Benannt ist das Projekt nach dem Viertelkreis-Bogen, den die dort am Rande des Hofgartens und des Teichs an der Landskrone einst verlaufende Hofgartenstraße in Richtung der Königsallee, der Kö, beschrieb. Im ersten Bauabschnitt wurde der Jan-Wellem-Platz, der nach Fertigstellung der Wehrhahn-Linie nicht mehr als Straßenbahnknotenpunkt benötigt wird, nach Entwürfen des New Yorker Architekten Daniel Libeskind mit einem Gebäudekomplex aus Einzelhandels-, Büro- und Gastronomienutzungen bebaut. Zudem wird die Hofgartenstraße weitestgehend durch einen Tunnel ersetzt. Im zweiten Bauabschnitt wurde die Hochstraße Tausendfüßler abgerissen und wird ebenfalls durch einen Tunnel ersetzt. Zudem soll die Bebauung in der Umgebung teilweise durch Neubauten er setzt und die städtebauliche Struktur neu geordnet werden. Entlang des ehemaligen Verlaufs des Tausendfüßlers soll eine Fußgängerpromenade angelegt werden. 4 Der Begriff Tausendfüßler ist ein von der Bevölkerung vergebener Spitzname für eine im April 2013 beseitigte Autohochstraße in Düsseldorf (gebaut 1961- 62).
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}
vK: (an Marco Malavasi gerichtet) Du hast gesagt,
lich bleibt. Dies steckt nämlich oft dahinter, wenn wir von
dass du trotz der intensiven Karnevalsaktivitäten gerne im
Gentrifizierung sprechen. Es sind kapitalistische Mecha-
Kölner Mauritius-Viertel wohnst und eine bestimmte Vielfalt,
nismen, die Vielfalt und öffentlichen Raum zielgerichtet
aber auch gewisse Zumutungen akzeptierst, die das Leben
zerstören. Was ich mir wünsche sind vielfältige Bewoh-
in der Stadt nun mal mit sich bringt. Man muss, glaube ich,
nerschaften, dafür kämpfen wir.
immer ein wenig aufpassen, dass man
vK: Wir sind
mit Gentrifizierung nicht immer nur die
jetzt wieder bei
anderen meint. “Solange ich da wohne
den Instrumenten,
und ich das Leben dort bezahlen kann,
die den Zugriff der
ist es okay, weil ich ja auch ein interes-
Öffentlichkeit, d.
santer Bewohner bin und zum Viertel
h. von uns allen,
passe. Aber wenn die anderen kommen
auf Räume, Ge-
und sich zwei Wohnungen leisten kön-
bäude usw. erhal-
nen und auch ihr Auto vor die Tür stellen
ten und sichern.
wollen, dann find ich das schlimm mit
Diese pseudo-öf-
der Gentrifizierung.”
fentlichen Räume
R: Ich denke schon, man muss
sind dabei wirklich
sich klar selbst eingestehen, dass
ein großes Pro-
man nicht nur Opfer sondern auch Tä-
blem. Wir sehen
ter sein kann.
es ja hier im Ger-
vK: Und es gibt ja unabhängig
ling-Quartier
in
von Kapitalvermehrung und Verdrän-
der Kölner Innen-
gungsfaktoren auch Aufwertungsmo-
stadt: Da kauft der
mente, die für die gesamte Bewohner-
Investor der Stadt
schaft des Quartiers sinnvoll sind.
ein Stück Straße
M: Ich komme nochmal zu dem
ab, und dann ist
Vielfaltsbegriff zurück. Schauen wir
man darauf an-
uns beispielsweise den Rathenau-
gewiesen,
platz einmal näher an. Vor geraumer
einem der Durch-
Zeit, galt das dortige Veedel als sozia-
gang auch in Zu-
ler Brennpunkt ohne jegliche Lebens-
kunft noch erlaubt
qualität. Dem wollte die Stadt Köln
wird. Im Rhein-
dass
Abhilfe schaffen und so wurde beschlossen, den Platz mit
auhafen in der Kölner Südstadt ist es genau dasselbe. Wenn
öffentlichen Mitteln aufzuwerten - Mittel, für die alle Köl-
es die Eigentümer irgendwann nervt, dass dort am Sonntag
nerinnnen und Kölner aufgekommen sind, von Chorweiler
Menschenmassen spazieren gehen, dann hat man auf Dauer
bis Rodenkirchen, von Deutz bis nach Mülheim. Heute ei-
ein richtiges Problem. Zu dem Umgang mit solchen Gentrifi-
ner der wohl schöneren Innenstadtplätze in Köln. Das fand
zierungsphänomenen haben die Veranstalter von CityLeaks
auch die Immobilienwirtschaft und sieht, dass das Woh-
selbstbezichtigend gesagt: “Wir alle, die kreativ in Quartieren
nen an so einem Platz natürlich angenehmer wird und wit-
arbeiten, verursachen das auch selber.” Ich bin skeptisch, ob
tert damit die Chance, Wohungen dort sehr teuer zu ver-
man das so einfach kurzschließen kann. Daher kam aber die
kaufen. In den schönsten Häusern werden dann Bewohner
Motivation, mit Gestaltungen wie Wandmalereien auch auf
gezielt aus ihren Wohnungen rausgekauft, um diese dann
solche Fragen mit Kommentaren oder möglichen Antworten
einer Luxussanierung zu unterziehen und gewinnbringend
zu reagieren. Aber ist das wirklich so, oder besteht das Prob-
als Eigentumswohnung weiterzuverkaufen. Die Klientel,
lem nicht vielmehr in der Verwertung solcher Aktivitäten für
die sich dies leisten kann, möchte dann natürlich auch dar-
Tourismus-, Marketing- und Image-Zwecke? Und gibt es nicht
über bestimmen, was direkt vor ihrem Haus passiert, was
noch andere kreative Möglichkeiten auf diese Problematik zu
auf dem Platz passiert, damit es so schön und beschau-
reagieren?
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B: Grundsätzlich sehe ich Kunst im öffentlichen Raum nicht als Basisstock der Gentrifizierung. Da haben wir ganz andere Aspekte. Ich glaube, wenn Menschen in einer Stadt kreativ oder künstlerisch tätig sind – die meisten machen mit ihren Arbeiten auf Umstände und nicht nur auf Missstände aufmerksam – machen sie etwas deutlich. Das dies derzeit auch hip ist und es dazu dann auch Stadtführungen gibt, ist eine Phase, die auch wieder vorbei geht. Bilder bzw. Kunst im öffentlichen Raum sind beständiger. Für uns ist es nicht nur wichtig schöne Fassadenmalerei in der Stadt zu haben, sondern an Punkte zu gehen, wie z. B. Unterführungen, die sich eigentlich sonst keiner nimmt und die fiesen Ecken in der Stadt sind. Diese mit Menschen zu bespielen und zu zeigen, wir können auch anders. Ich glaube die Möglichkeit der Kunst im öffentlichen Raum bringt für Interessierte Inspiration und dies außerhalb des Museums.
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Sepe & Chazme »Line« & »Faceless« Adlerstraße 21 Dortmund & Moltkestraße 88 Köln
Die Murals, die im Rahmen von TransUrban realisiert wurden, setzen sich mit dem Thema Gentrifizierung auseinander. Gentrifizierung ist ein Prozess, der unvermeidlich und unabhängig von der Intention der Bewohner stattfindet. Es ist ein natürlicher Prozess der Stadtentwicklung bzw. Stadtausdehnung und betrifft sowohl die städtische Struktur als auch begleitend soziale Veränderungen. Im Kontext dessen, sind wir das Thema objektiv angegangen, um keine der beiden Seiten zu bevorzugen. In beiden Arbeiten, sowohl In Köln als auch in Dortmund, wurde das Konzept der Gentrifizierung in bildliche Metaphern umgesetzt. In dem Wandbild mit dem Titel „Kolejka“ (z. dt.: „Schlange“ / engl. „Line“), dass wir in Köln umgesetzt haben, sind Leute dargestellt, die in einem städtischen
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Gebiet auf einer Bank sitzen. Symbolisiert wird eine lokale Gemeinde ohne einen spezifischen Ort darzustellen. Sitzplätze sind sehr begehrt, so dass der Raum auf der Bank immer enger wird und klar ist, dass bald jemand verdrängt wird. Die nächste Arbeit, vorgestellt in Dortmund unter dem Titel „Faceless“, stellt Fragen durch die symbolische Momentaufnahme einer belebten Straße. Die die Menschenmenge majestätisch überragende Stadt zeigt eine unveränderbare Konstante. Der einzige Wandel besteht in Wirklichkeit nur durch den Passantenstrom. Immerfort strömen neue Massen in die gleichbleibende Stadtlandschaft. Veränderung besitzt nicht nur ein Gesicht. Sepe & Chazme
Links: Sepe & Chazme »Faceless«, Adlerstraße 21 Dortmund Rechts: Sepe & Chazme »Line«, Moltkestraße 88 Köln
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Coloured Boulevard »Die Abrissbirne« Gustaf-Gründgens-Platz Düsseldorf
Die Idee zu der Abrissbirne für das Mural zum Thema Gentrifizierung kam im Gespräch mit meinem Kollegen Angus78. Der Einsatz einer Abrissbirne ist ein wesentlicher und visuell sicherlich der stärkste Teil innerhalb der aufeinander folgenden Gentrifizierungsphasen. Die symbolische Zerstörung von etwas Altem und Vertrautem und die Aussicht auf eine Neubebauung gekoppelt mit der Erwartung höherer Profite für die Investoren polarisiert. Aufgrund meines Tags BIRNE lag die Idee zur Darstellung einer Abrissbirne quasi auf der Hand. Als wir am ersten Tag der Umsetzung die ersten Markierungen zur Konstruktion der Abrissbirne auf die Fassade sprühten, öffnete ein empörter Mieter aus dem Gebäude das Fenster, auf welches wir so eben ein fettes Kreuz als Mittelpunkt gesprüht hatten mit den Worten “Was macht ihr hier?”.
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Coloured Boulevard, »Die Abrissbirne« Gustaf-Grüngens-Platz 1 Düsseldorf
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“Was machen sie hier?”, entgegneten wir. Nach wenigen Minuten stellte sich heraus, dass er Arzt einer laufenden Praxis und der letzte hartknäckige Mieter im Haus war. Der Arzt war quasi die letzte Bastion gegen die Gentrifizierung. Leider war er nicht von der Idee zu überzeugen, dass wir ihm die Fenster seiner Praxis zusprühen. Nach Diskussionen zwischen den Veranstaltern des 40Grad Festivals und dem Mieter wurde uns angeboten statt der Gebäuderückseite die prominentere, jedoch viel schmalere Frontansicht des Gebäudes zu bespielen. Da wir an der Darstellungsgröße der Abrissbirne keine Einbußen hinnehmen wollten, musste die Kette, an der die Birne schwingt, nun über die gebogene Gebäudeseite laufen. Dominik Hebestreit (Coloured Boulevard)
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40Grad Urbanart Festival 2015 NIMM PLATZ Unter dem Motto „NIMM PLATZ“ verwandel-
Köln, bezogen sich in ihren Kunstwerken auf das Thema.
ten rund 100 Künstler in der Zeit vom 21. bis 30. Au-
So wurde zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren
gust den Gustaf-Gründgens-Platz am Schauspielhaus
dem unwirtlichsten und ödesten Ort im Zentrum von
und zwei angrenzende leerstehende Gebäude in einen
Düsseldorf etwas Leben eingehaucht. Menschen has-
Treffpunkt der internationalen Street Art-Szene. Ge-
teten nicht wie sonst üblich über den Platz, sondern
zeigt wurde ein breites Spektrum an Graffiti, Street Art
blieben stehen, schauten sich die Kunstwerke an und
und Urban Art. Live konnten Besucher neben Male-
verweilten. So häufig wie während des Festivals ist der
rei, Installationen, Performance und Musik außer-
Gustaf-Gründgens-Platz wohl nie zuvor fotografiert
dem jede Nacht experimentelle Großprojektionen auf
und gefilmt worden. Künstler aus Düsseldorf, aber bei-
das Schauspielhaus erleben oder sich in den täglich
spielsweise auch aus Köln, dem Erzgebirge, Griechen-
stattfindenden Workshops selbst aktiv beteiligen. Die
land, Spanien, Argentinien Afghanistan, haben ohne
rund 100 Büroräume in den Gebäuden wurden zu einem
Honorar dort eine interessante und vielseitige Freiluft-
Kunstereignis, bei dem keine Bilder sondern Räume,
galerie geschaffen. In Anlehnung an einen von Michel-
Flure oder Treppenhäuser zu Kunstwerken wurden. Da
angelo gestalteten Platz in Rom, entstand unter ande-
der Platz und die beiden Gebäude im kommenden Jahr
rem ein Bodenbild von 1200 qm Größe. Bewusst hatten
abgerissen und neugestaltet werden sollen, waren dem
die Organisatoren das Motiv von Michelangelo gewählt,
künstlerischen Schaffen wenige Grenzen gesetzt.
um die Diskussion über Plätze und wie nachlässig und
Ein ehemaliges Ladenlokal diente als Festivalzen-
ungeschickt in Düsseldorf damit umgegangen wird, zu
trale. Dort fanden jeden Tag verschiedenste Veranstal-
thematisieren. Und die Zustimmung war groß, sowohl
tungen, Filmvorführungen und Gesprächsrunden statt,
vor Ort, wie auch in den sozialen Netzwerken. Mehr als
bei denen die Bürger die Möglichkeit hatten sich einzu-
15.000 Festivalbesucher wurden gezählt.
bringen und einzumischen. So beantwortete beispiels-
Wie widersprüchlich die Realität in unserer Stadt
weise Oberbürgermeister Thomas Geisel Fragen aus
ist, zeigte sich nach dem Festival, als auf Druck der Er-
dem Publikum zum Thema „Wohin mit Düsseldorf“. In
ben des Schauspielhaus-Architekten ein Teil der Kunst-
einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Street Art:
werke wieder zerstört werden musste, um den „ur-
Dekoration oder Revolution?“ mit Alain Bieber, künstle-
sprünglichen“ Zustand des Platzes wieder herzustellen.
rischer Leiter des NRW-Forums in Düsseldorf, wurden
Wie kann ein Platz mitten im Zentrum Düsseldorfs,
Sinn, Unsinn und Perspektiven von Street Art erörtert.
hässlich und noch nie von den Bürgern angenommen,
Vor dem Ladenlokal auf dem Platz gab die Düsseldor-
durch Denkmalschutz und Urheberrecht so geschützt
fer Musikszene jeden Abend kostenlose Konzerte und
werden, dass er für immer und ewig ein Desaster bleibt?
während der ganzen zehn Tage wurden Workshops und
Immerhin hat das Festival für einen kurzen Som-
Programme mit vielen Kindern und Jugendlichen durchgeführt. „NIMM PLATZ“ war Einladung und Aufforderung zugleich, den urbanen Raum zurückzuerobern und die künftige Entwicklung der städtischen Kulturlandschaft mitzugestalten. Und so richtete sich das Engagement der Künstler auch gegen die zunehmende Anonymisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung der Stadt. Aktuelle politische Themen wurden einbezogen, so ein gemeinsames Projekt mit „No Border“, zu der auch die Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative Stay! gehört. Mehrere Künstler, wie zum Beispiel Captain Borderline aus 44
mer gezeigt, dass es auch anders geht.
40Grad-Urbanart Team: Farbfieber e.V Kinderclub Kiefernstraße Düsseldorfer Künstler e.V. www.40grad-urbanart.de
40Grad Labor Gustav-Gründgens-Platz 1 Düsseldorf
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CityLeaks Festival Die Stadt, die es nicht gibt
Links: »Die Stadt, die es nicht gibt« CityLeaks Urban Art Festival, Carlswerk Köln Rechts: »Bodies in Urban Spaces« Cie. Willi Dorner, Keupstraße Köln Unten: Axel Void Dünnwalder Straße 6 Köln
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CityLeaks ist eines der größten Urban Art Festivals
weist dabei darauf, dass es in unserer immer stärker indivi-
weltweit. Es zeigt in seinem interdisziplinären Programm
dualisierten und kommerzialisierten Gesellschaft, mannig-
eine Vielzahl an Spielarten aktueller urbaner Kunst. Nati-
faltige Wünsche und Ansprüche an Stadträume gibt. Der
onale und internationale Künstler besuchten bereits 2011
Titel soll anregen Utopien einer besseren Stadt zu denken
und 2013 Köln und hinterließen auf Einladung des Festivals
und spielt mit der Wahrnehmung des urbanen Umfeldes
ihre künstlerischen Spuren im Stadtbild. Im Jahr 2015 ging
eines jeden einzelnen Stadtbewohners. Der Titel möch-
das Festival vom 01. bis 20. September in die dritte Runde.
te hierbei auch den Blick schärfen für die Vielzahl der Le-
Aber CityLeaks ist mehr als ein Festival für urbane Kunst:
bensstile, Bedürfnisse und Umgangsweisen in und mit dem
CityLeaks richtet den Blick auf das Leben in der
städtischen Kosmos. Mit dem Programmgebiet Köln-Mül-
Stadt: Über die Köpfe von Planer, Politiker und Beamte
heim verortet sich das Festival in dem Stadtteil Kölns, der
hinweg wird Stadt gegenwärtig lustvoll und anarchisch
derzeit den stärksten Wandel erlebt. Hier öffnen sich Räu-
in ganz neuen Formen und Formaten „von unten“ gestal-
me und Diskurse zur Stadtentwicklung, die das Festival
tet. Diese „Neuordnung des Städtischen“ manifestiert
mit Kunst und Kultur gestalten möchte. Der Festivalsitz
sich dabei sowohl in neuen politischen Bewegungen wie
im Carlswerk, einem ehemaligen Industriestandort für die
„Recht auf Stadt“, „Occupy“ oder „Reclaim your City“
Produktion von Kabeln und Drähten, entwickelt symboli-
oder der stadtteileigenen Bürgerinitiative, aber auch in
schen Charakter für den post-industriellen Strukturwandel
Phänomenen wie Urban Gardening, Urban Art, Chair Bom-
in Köln-Mülheim.
bing oder Skateboarding. CityLeaks möchte mit seinem Festival den Dialog über das gesamtgesellschaftliche Anrecht auf den städtischen Raum anregen. Neben den künstlerischen Aspekten öffnet sich CityLeaks dem Stadtleben als Ganzes. Nicht allein nach dem Motto „Unser Veedel soll schöner
U A F
einiger Zeit vielleicht auch schon der Vergänglichkeit zum Opfer zu fallen. CityLeaks greift das Anliegen, „Stadt mitzugestalten“ auf verschiedenen Ebenen auf. Künstlerische Projekte, Ausstellungen, Musikveranstaltungen und Dialogformate wie der CityLeaks Kongress widmen sich den verschiedenen Facetten von Stadtentwicklung. Diesem Thema wird ein interdisziplinäres Forum geboten und
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tuationen politisch und kritisch zu reflektieren, um nach
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C I T Y L E A K S - F E S T I V A L . C O M
werden“; die Kunst ist auch dazu da, Orte und aktuelle Si-
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1ST – 20TH OF SEPTEMBER
lädt alle Interessierten ein, sich an dem Dialog zur Neuverhandlung des Städtischen zu beteiligen. CityLeaks fördert Kunst, die keine Eliten kennt und für alle zugänglich ist. CityLeaks schafft neue Freiräume für gemeinschaftliches Zusammentreffen und freien Austausch von Ideen und Partizipation. Nachhaltige Förderung und
CityLeaks Urban Art Festival
Vermittlung zeitgenössischer urbaner Kunst und Kultur,
Hospeltstrasse 69
sowie nachhaltige lokale, regionale und (inter-)nationale
50825 Köln, GER
Kooperationen innerhalb des Festivals machen den Charakter von CityLeaks aus. Der Jahrestitel »Die Stadt, die es nicht gibt« ver-
www.cityleaks-festival.com 47
44309 Street//Art Gallery Die 44309 Street//Art Gallery ist eine internatio-
wird und im Rahmen der Dortmunder „Kunst im öffent-
nal operierende Galerie im Bereich Urban Art in der Rhei-
lichen Raum“ stattfindet, alle Wandarbeiten besichtigt
nischen Straße mitten in Dortmund. Zudem versteht sich
werden.
die 44309Galerie als Agentur, die seit vier Jahren in ihrer
Dortmund hat seit den 1980er Jahren eine unver-
unmittelbaren Nachbarschaft des Dortmunder Unionvier-
ändert starke Graffiti Szene und diese Subkultur ist im
tels teilweise sehr großflächige Mural-Arbeiten kuratiert.
Stadtbild fest verankert. Mit dem Unterfangen der legalen
In Folge hat sich eine kleine, beachtliche und vor allem öf-
Intervention soll „Graffiti nicht aus dem illegalen Bereich
fentlich zugängliche Werkschau internationaler Künstler
herausgeholt werden“; es wird und muss dort verankert
der Urban Art Szene zusammengetragen.
bleiben, dort und bei der Frage „Wem gehört der öffent-
Die Gründung der Galerie ergab sich sowohl aus
liche Raum?“ Die 44309 Street//Art Gallery operiert hier
einem Zufall, als auch aus einer Sammelleidenschaft her-
als Agentur und arbeitet im Interesse der Künstler ledig-
aus. Ein zur Nachmiete stehendes Ladenlokal in der Nähe
lich auf legaler Ebene. Im Fokus steht vor allem die Mög-
zum Dortmunder Hauptbahnhof und die umfangreiche
lichkeit, im Interesse aller Beteiligten, die Künstler darin
Art-Toys-Sammlung legten damals den Grundstein zur
zu unterstützen, ihr Potential einem breiterem Publikum
Eröffnung der Galerie. Mit wachsendem Interesse an der
zu präsentieren.
aktiven Graffiti Szene in Dortmund, ergaben sich Verbindungen zu Akteuren im unmittelbaren Umfeld. Nach den ersten beiden Ausstellungen mit lokalen Künstlern, folgten regelmäßige Teilnahmen an regionalen (Ruhrpottspotting – Messe) und teils internationalen Fach- und Kunst-
44309 Street//Art Gallery
messen für Contemporary Urban Art (C.A.R., Stroke in
Rheinische Str. 16
Berlin und München, Blooom Art Fair in Köln und die Mo-
44137 Dortmund
niker Art Fair in London). Über die regionale Kunstszene hinaus wurde kontinuierlich auf eine internationale Ausrichtung hingearbeitet. Gleichzeitig waren die Veranstaltungen und Ausstellungen für den Standort Dortmund gut besucht und die internationale Ausrichtung erreichte das Interesse der Klienten im Ausland. Mit dem Umzug der Galerie in die Rheinische Straße, stand vor allem die Wiederbelebung der interessanten Räumlichkeit im Vordergrund. Es gab dort damals den üblichen Vandalismus mit teilweise zerbrochenen Frontscheiben des „Showrooms“. Die Aussicht auf eine höhere Frequentierung aufgrund der Lage zum Kreativzentrum Dortmunder U (heutiges Museum) war in der Entscheidungsfindung zusätzlich attraktiv. Von da an, nahmen die Projekt - bzw. Wandarbeiten im Viertel rasch zu. Neben der Ausstellungstätigkeit entstanden auf den Straßen über den Zeitraum hinweg nahezu über zwanzig legale Murals. Mittlerweile können bei einem Kunst-Spaziergang, der in Kooperation mit dem Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte organisiert 48
www.44309streetartgallery.net
MAD C »Night and Day« 2015 44309 Street//Art Gallery
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DANKSAGUNG
Unser besonderer Dank gilt den freiwilligen Helfern des Projektes. Für die gelungene Zusammenarbeit danken wir: Sepe & Chazme, Coloured Boulevard (Dominik Hebestreit, Norman Schlegel & Norbert Zyk), Marco Malavasi, Heiko Rühl, Regina Börschel, Gabrielle Hammelrath, Kay von Keitz, Klaus Becker, Monia Labidi, Klaus Rosskothen (Pretty Portal Galerie), Achim Seuren (GL-Verleih Arbeitsbühnen GmbH), Mateco Niederlassung Köln, MontanaCans, Gerrit Hingst-Lagermann (Step GmbH) & Nobert Bauer (St.Michael Gemeinde Köln), Nicholas Ganz, Silke Bachner, Birgit Schwennecker, Robert Winter, Dirk Remhof, Karla Windberger, Silviu Guimann, Woody Hölzer, Wilko Meiborg, Funk Your Head Up & Simon Says Media.
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ABBILDUNGSDominik Hebestreit, S. 36/37; Georg Barringhaus, S. 23; Karla Windberger, S. 42 links; Matthias Hohmann, S. 39 links; Marco Prosch, S. 47; Michal Wrega, S. 30,31, 34 & 35; Rober Winter, S. 42 rechts & unten; Silviu Guimann, S. 22, 25-29, 32.33; Woody Hölzer, S. 36, 38 & 41;
& LITERATURVERZEICHNIS Mitscherlich, Alexander: Die Unwirtlichkeit unserer Städte, Frankfurt am Main 1965 Holm, Andrej: Das Recht auf die Stadt, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/11, S. 89-97 Holm, Andrej / Gebhardt, Dirk: Initiativen für ein Recht auf Stadt-Theorie und Praxis städtischer Aneignung, Hamburg 2011 Rink, Dieter / Schönig, Barbara / Gardemin, Daniel / Holm, Andrej: Städte unter Druck – Die Rückkher der Wohnungsfrage, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2015, S. 69-79 Kelling, George L. / Wilson, James Q.: Broken Windows - the Police and Neighborhood Safety, in: Atlantic Monthly, March 1982, 249 (3), S. 29-38 Rodenstein, Marianne: Städtebaukonzepte, in: Häußermann, Hartmut, u.a., Stadt und Raum Pfaffenweiler 1992 Glass, Ruth: Aspects of Change, London 1964
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Fร RDERER
Und die Bezirksvertretung Innenstadt Kรถln
IMPRESSUM TransUrban ist ein regionales Kooperationsprojekt von: CityLeaks Urban Art Festival Cologne www.cityleaks-festival.de wird veranstaltet von artrmx e.V. 40Grad Urbanart Festival, Düsseldorf www.40grad-urbanart.de wird veranstaltet von farbfieber e.V. Düsseldorfer Künstler e.V. Kinderclub Kiefernstraße 44309 Street//Art Gallery Dortmund www.44309streetartgallery.net wird geleitet von Daniela Bekemeier und Olaf Ginzel Projektleitung Düsseldorf: Klaus Klinger Projekleitung Dortmund: Daniela Bekemeier Projektkoordination & Projektleitung Köln: Georg Barringhaus Assistenz: Matthias Hohmann WWW.TRANS-URBAN.DE Die Publikation erscheint anlässlich von TransUrban (21.08. - 27.09.2015) Herausgeber: artrmx e.V., Hospeltstr. 69, 50825 Köln, Vereinsregister 15221, Amtsgericht Köln Gestaltung: Matthias Hohmann | www.pomesone.com Redaktionsleitung: Georg Barringhaus Autoren: Georg Barringhaus, Klaus Martin Becker, Daniela Bekemeier Monia Labidi & Kay von Keitz Übersetzung Künstlerkommentar Sepe & Chazme: Monia Labidi Lektorat: Margrit Miebach
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Urban Art hat in den vergangenen drei Dekaden die urbane Landschaft der Metropolen weltweit verändert. Auch in Nordrhein-Westfalen hat diese Entwicklung ihre Spuren hinterlassen, das Stadtgeschehen bereichert und Galerien, Museen und Festivals für ihr Anliegen begeistern können. Als junge Kunstform, die sich im Alltag der Rezipienten zeigt, möchte sie die Öffentlichkeit direkt ansprechen, inspirieren und provozieren. Ihre Inhalte sprechen zu den Menschen, greifen aktuelle Themen aus Politik und Zeitgeschehen auf und ermöglichen einen gesellschaftsübergreifenden Diskurs. Durch ihre Verortung im öffentlichen Raum, durch das Herstellen von kontextuellen Bezügen zum Stadtraum, Bewohnern und Geschichte kommt ihr eine identitätsstiftende Funktion zu. Das Kooperationsprojekt TransUrban möchte diese Entwicklung in Nordrhein-Westfalen aufgreifen, Energien der regionalen Aktuere bündeln, Künstler fördern und den Diskurs über Stadt anregen. Aus künstlerischer und theoretischer Perspektive verhandelt TransUrban im Jahr 2015 den quartiersbezogenen Städtewandel in den drei Projektstädten Düsseldorf, Köln und Dortmund. Dabei eröffnet TransUrban den Diskurs zwischen Anwohner, Kulturschaffenden, der Politik und der Öffentlichkeit. Fragen zum Umgang mit Gentrifizierung und Konflikte innerhalb von Raumverhandlungen werden diskutiert. Vor allem die Rolle und Verantwortung von Kunst und Kultur werden näher beleuchtet. Das diesjährige Pilotprojekt ist der Ausgangspunkt für zukünftige Vernetzung und Popularisierung von Urban Art in NRW.