2021.04

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Literatur

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„Verliebtheit ist ein egoistischer Zustand.” Michael Nast ist Bestsellerautor und bietet Lösungen für die Generation Beziehungsunfähig

Foto: Paul Schulze

Am Montag, den 15. März, feierte das Selbsthilfe-Talk-Format Dann eben anders des Sekiz Potsdam seinen dritten Geburtstag. In der Sendung sprechen Gäste darüber, wie sie Krisen in ihrem Leben erfolgreich gemeistert haben und wie sie sich psychisch und physisch gesund erhalten. Prominente Gäste der Sendung waren bisher unter anderem die ehemalige First Lady Bettina Wulff, der Politiker Gregor Gysi und der Designer Harald Glööckler. Das Format ist eine Initiative der Selbsthilfe mit Unterstützung der Techniker Krankenkasse und soll unter anderem auf die Möglichkeiten und Angebote der Selbsthilfe aufmerksam machen. In der Jubiläumssendung, welche im Thalia Kino in Potsdam Babelsberg produziert wurde, war der Berliner Autor Michael Nast zu Gast. 2016 hatte er mit seinem Buch Generation Beziehungsunfähig einen Bestseller gelandet. Die Corona-Zeit hat er genutzt, um nochmal intensiv an der eigenen Beziehungsfähigkeit zu arbeiten. Jetzt ist sein Buch Generation Beziehungsunfähig – Die Lösungen erschienen. Michael, warum fällt es vielen von uns so schwer, sich auf tragfähige und langfristige Liebesbeziehungen einzulassen? Wir kreisen zu sehr um uns selbst. Wir sind nicht genug dazu bereit, uns einzulassen

und Kompromisse einzugehen. Stattdessen überlegen wir, was der potenzielle Partner für uns tun kann. Wie er unser Leben und unsere Gefühle verbessern kann. Ähnlich wie beim Onlineshopping. Wir suchen nach dem besten Angebot. Wir sind also auch gar nicht beim Wir, sondern nur im Ich. Aber können wir überhaupt Einfluss darauf nehmen, in wen wir uns verlieben? Verliebt sein ist ein egoistischer Zustand. Er hat nichts mit der anderen Person zu tun. Gerade bei der sogenannten Liebe auf den ersten Blick kennen wir die andere Person ja gar nicht. Wir projizieren nur unsere Wünsche und Bedürfnisse auf eine andere Person – ein sehr egoistischer Zustand. Liebe ist etwas anderes. Liebe wächst langsam. Glaubst du, dass Datingapps bei der Suche nach einem Lebenspartner helfen? Ja, wenn man sie richtig benutzt. Datingapps sind wertvolle Werkzeuge. Man kann Menschen kennenlernen, die man in der Wirklichkeit nie kennengelernt hätte. Das unverbindliche Sex-App-Image von Tinder hat ja weniger mit der App zu tun, sondern vor allem damit, wie sie von vielen benutzt wird. Sage mir, wie du deine Apps benutzt, und ich sage dir, wer du bist. Allerdings muss man immer auch bedenken, dass es bei diesen Apps darum geht, Geld zu erwirt-

schaften. Und dafür brauchen sie Singles. Betriebswirtschaftlich wäre es für die Entwickler also am besten, wenn die Benutzer ewige Singles bleiben, die sich nach einer Beziehung sehnen. Glaubst du, dass das Datingverhalten in Potsdam sich von dem in der Großstadt Berlin unterscheidet? Ich habe drei Potsdamer Paare im Bekanntenkreis, die sich über Tinder kennengelernt haben, jetzt verheiratet sind und auch Kinder haben. Die haben die App richtig benutzt. Aber ich denke, die grundsätzlichen Denkfehler im Datingverhalten findet man überall. In der Großstadt verdichtet sich das nur. Der Denkfehler vieler ist ja, dass sie nicht nach einem Partner suchen, um mit ihm eine tiefgehende Bindung aufzubauen, sondern immer weitersuchen, nach einem Partner, der besser zu einem passt. Diese Haltung macht jeden, den man gerade datet, zu einer Zwischenlösung. N. Geldener

Das Buch Michael Nast: Generation Beziehungsunfähig – Die Lösungen, Edel Books 2021, Taschenbuch, 304 S., 16,95 Euro Komplettes Interview: Sekiz-YoutubeKanal oder www.dann-eben-anders.de www.stadtmagazin-events.de • April 2021


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