DER GUTE
START Kinder von 3 bis 6 Jahren
PETER PELIKAN
INHALT
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I HR K IN D IS T D RE I J A H R E A L T
Meilensteine „Ich bin jetzt ein Kindergartenkind …“ Wieso, weshalb, warum? „Du bist mein Freund!“ Nur Mut! Die Frage nach dem Tod Vorsorgeuntersuchungen Kunst oder bloßes Gekritzel? Hilfe, mein Kind ist dauernd krank! Schutzimpfungen gegen Kinderkrankheiten Kinder brauchen Märchen Ängste bei Kindern – ganz normal?! 2 I HR K IN D IS T VI E R J A H R E A L T
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Meilensteine
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Gestalten durch Formen und Modellieren Ist mein Kind musikalisch? Soll mein Kind in einen Turnverein? Familienspiele Charakterfrage Stieffamilien/Patchwork-Familien
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Was bedeutet Umwelt? Einkaufen mit dem Kind – eine Strapaze? Vorsorgeuntersuchungen
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3 I HR K IN D I ST F Ü NF J A H R E A LT
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Meilensteine
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Die Welt wird immer größer
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Streit, – muss das sein? Keine Macht der Gewalt Gebote und Verbote „Ich bin wütend!“ Lob ist der Dünger des Lebens Belohnung – ja oder nein Für und wider die Kritik Ferientipps, die nicht viel kosten Müssen Kinder höflich sein? Hilfe, mein Kind lügt! „Mama, Papa, ich möchte ein Haustier!“
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Supermütter und Superväter? Anmeldung zur Schule
LIEBE MÜTTER, LIEBE VÄTER, LIEBE LESERINNEN UND LESER, Ihr Kind ist nun schon drei Jahre alt. Spätestens jetzt steht bei den meisten Familien der Eintritt des Kindes in eine Kindertagesstätte an, und der Alltag mit Kind wird sich stark verändern. Weitere Menschen, auch außerhalb der Familie, werden zunehmend wichtiger für Ihr Kind, das nun immer selbständiger wird und in den nächsten Jahren enorme Entwicklungsschritte machen wird.
Das Heft „Der gute Start. Kinder von 3-6 Jahren“ möchte Sie in der Zeit begleiten, in der Ihr Kind sich vom Kleinkind zum Schulkind entwickelt. Es bietet aktuelle Informationen, praktische Anregungen und hilfreiche Tipps. Expertenwissen wird durch praktische Erfahrungen und erprobte Empfehlungen von Eltern ergänzt. Zum Weiterlesen finden Sie wie immer auch Hinweise auf interessante Links im Internet und bei www.peter-pelikan.de. Das Heft ist gegliedert nach Lebensjahren des Kindes. Jedes Kapitel schließt mit einem Überblick, sogenannten Meilensteinen, die Orientierung geben, welchen Entwicklungsstand die meisten Kinder in dieser Lebensphase erreicht haben. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Kind einen guten Start in eine spannende Zeit.
Ihr Peter Pelikan Team
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1 IHR KIND IST DREI JAHRE ALT MEILENSTEINE: 36 MONATE
KÖRPERLICHE GESCHICKLICHKEIT
SOZIALE FÄHIGKEITEN
Ihr Kind hüpft breitbeinig von einer der unteren Treppenstufen mit sicherem Gleichgewicht; es läuft mit deutlich schwingenden Armen, umsteuert Hindernisse und kann plötzlich stehen bleiben.
Ihr Kind spielt gemeinsam mit anderen Kindern über mindestens fünf Minuten, es unterhält sich und tauscht Gegenstände aus. Ihr Kind ahmt Tätigkeiten Erwachsener im Rollenspiel nach.
ENTWICKLUNG DES DENKENS
SPRACHENTWICKLUNG Ihr Kind spricht in Drei- bis Fünfwortsätzen. Es verwendet eigenen Vor- oder Rufnamen.
Ihr Kind malt und kritzelt, wenn auch noch wenig gestaltend. Es sagt oft, wen und was es gemalt hat. Es spielt konzentriert und intensiv „Als-ob-Spiele" mit Puppen, Autos, Bausteinen u.a. HAND-FINGER-GESCHICKLICHKEIT Ihr Kind blättert Buchseiten einzeln um. Es kann mit Dreifinger-Spitzgriff kleinere Gegenstände ergreifen und benutzen (mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger).
HINWEIS „Meilensteine“, die Sie nachfolgend und zu Beginn jedes weiteren Lebensjahres vorfinden, sind Entwicklungsziele, die von gesunden Kindern zu 90-95% in
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UMGANG MIT GEFÜHLEN Ihr Kind kann für einige Stunden bei einer vertrauten Personen auch außerhalb seines Zuhauses bleiben. Ihr Kind wird immer selbstbewusster und willensstärker, so werden auch Trotz- und Wutanfälle häufiger, wenn es sich ärgert oder frustriert ist.
einem bestimmten Alter erreicht werden. Sie sind kein Entwicklungstest, sondern geben Hinweise. Wenn Ihr Kind eines der genannten Ziele noch nicht erreicht hat, ist das kein Grund zur Panik. Um sicherzugehen, sollten Sie dennoch mit dem Kinderarzt sprechen.
„I C H B IN JE TZ T EI N K IN D ER GA R TE N K IN D …“
„ICH BI N JETZT E IN KI ND ERG AR TEN KIN D .. .“
Mit drei Jahren ist Ihr Kind nun eine selbstständige Persönlichkeit. Es kann laufen und sprechen, es kann planvoll denken und sich begeistern, es kann seine Meinung äußern und es hat einen großen Drang nach Bewegung und Freiheit. Ganz besonders kennzeichnet ein dreijähriges Kind seine unstillbare Neugier. Immer wichtiger wird es für das Kind deshalb, Menschen auch außerhalb der Familie kennen zu lernen. Gelegenheit dazu hat Ihr Kind, wenn es eine Kindertagesstätte besucht. Dort eröffnet sich eine ganz neue und unverzichtbare Erfahrungswelt. Kinder können in der Kindertagesstätte regelmäßigen Kontakt zu anderen Kindern pflegen, Gemeinschaft erleben und Freunde finden. Mit den Erzieherinnen und Erziehern bekommt Ihr Kind weitere erwachsene Bezugspersonen, bei denen es Nähe, Sicherheit und Zuwendung findet und zu denen es Vertrauen aufbauen kann. In der Gruppe mit anderen entwickeln Kinder zunehmend mehr Selbstbewusstsein, Selbständigkeit und soziale Fähigkeiten wie Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Umgang mit Enttäuschungen, Einhalten von Regeln u.v.m. Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder sind die Kernaufgaben einer Kindertagesstätte. Die Erzieherinnen und Erzieher orientieren sich in ihrer Arbeit an fundierten pädagogischen Konzepten und sind dazu in der Lage, Ihr Kind in besonderer Weise zu unterstützen und zu fördern. In einer lernanregenden
Umgebung findet Ihr Kind in der Kindertagesstätte gute Voraussetzungen für vielfältige Entdeckungen und Anregungen. Einige Kinder haben bis dahin schon in der Kinderkrippe, in einem Minikindergarten oder bei einer Tagesmutter bzw. einem Tagesvater Erfahrung mit Betreuungssituationen außerhalb der Familie gemacht. Für viele Kinder ist der Eintritt in den Kindergarten dagegen ein erster großer Schritt der „Abnabelung“ von Mutter und Vater. Die Kindertagesstätten begleiten Kind und Eltern behutsam bei diesem Prozess, um die emotionale Belastung so gering wie möglich zu halten. Die meisten Kindertagesstätten folgen bestimmten Verfahrensweisen bei der Eingewöhnung eines neuen Kindes (Kennenlerngespräch, Anwesenheit des Kindes zunächst für wenige Stunden, ggf. bei Anwesenheit der Mutter, zunehmende Ausweitung der Anwesenheitszeit, ...). Erkundigen Sie sich bei den Erzieherinnen und Erziehern danach.
PET ER PE LIK AN PL US
Weitere Tipps, z. B. zur Auswahl eines Kindergartens, finden Sie in unserem Heft „Der gute Start. Kinder von 0 bis 3 Jahre“, von Peter Pelikan e.V., zu bestellen unter www.peter-pelikan.de.
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W IESO, WE SHALB, W ARU M? „Wo ist der Wind, wenn er nicht weht? – Warum fallen die Sterne nicht vom Himmel? – Warum müssen Hunde nicht die Zähne putzen? – Warum ist es in der Nacht dunkel?“ Immer häufiger wird Ihr Kind Fragen stellen, mit denen es die Welt besser verstehen möchte. Haben Sie keine Sorge, dass Sie nicht die richtigen Antworten geben können. Wissenschaftliche Erklärungen braucht Ihr Kind in diesem Alter noch nicht. Genauere Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung werden für Kinder erst im sogenannten dritten Fragealter wichtig, mit etwa neun Jahren. Jetzt braucht Ihr Kind einfache Antworten, die es auch verstehen kann, wie: „Der Wind schläft, wenn er nicht weht. – Die Sterne haben eine feste Bahn, auf der sie festgehalten werden. – Hunde bekommen Futter, das beim Fressen zugleich die Zähne reinigt. – In der Nacht ist es dunkel, weil die Sonne nicht scheint.“ Meist wird sich das Kind mit einer solchen Antwort zufrieden geben. Manchmal wird es weiter fragen, bis seine Frage zufriedenstellend beantwortet ist. Oftmals entwickeln sich bei solchen Fragen schon richtige Zwiegespräche, die auch für die sprachliche Entwicklung des Kindes wichtig sind. Schätzen Sie die Fragen Ihres Kindes auch als Freude am Sprechen und fördern Sie dies. Und wenn Sie nicht sofort eine Antwort wissen? Das ist gar nicht so selten. Über manche Fragen haben wir noch nie nachgedacht. Statt einer schnellen Antwort, die dem Kind vielleicht gar nicht
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einleuchtet, ist es sicher besser, ihm zu sagen: „Darüber muss ich erst nachdenken. Hast du eine Idee dazu?“ Die Erkenntnis, dass Sie kein „Alleswisser“ sind, stärkt das Vertrauen Ihres Kindes zu Ihnen. Und die gemeinsame Suche im Lexikon – vielleicht in einem Kinderlexikon – macht Ihnen beiden Spaß und kann zu einer schönen Gewohnheit werden. Inzwischen gibt es auch Seiten im Internet, die Denkanstöße und Hilfestellungen geben, um die Fragen der Kleinsten zu beantworten. Zudem gibt es Internetseiten, die sich speziell mit naturwissenschaftlichen Fragen beschäftigen und Anregungen zu leicht durchführbaren, kindgerechten Experimenten geben. www.kinder-frage.info www.nela-forscht.de www.kids-and-science.de (Stand 2014)
HINWEIS Bei Fragen zu religiösen Themen finden Sie Anregungen zum Beispiel im 17. Brief der „Elternbriefe zur religiösen Erziehung“ der eaf bayern (Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Bayern e.V.). Sie finden den Brief in der Broschüre, die Sie auf der Startseite von www.vertrauen-von-anfang-an.de unter „Konzeption“, „Für Mitwirkende in der Elternarbeit“ herunterladen können.
„ DU BI ST MEI N FREU ND!“
Kinder fragen nicht ohne Grund Manche Fragen wird Ihr Kind nur stellen, weil es Ihnen neue, eigene Einfälle mitteilen möchte. Wir Erwachsenen empfinden solche Fragen oft als drollig und erzählen sie gerne als Anekdoten „aus Kindermund“. Doch sollten wir versuchen, hinter den lustigen Einfällen auch die Gedanken zu erkennen, die das Kind selbständig zusammengefügt hat. Wenn dies gelingt, werden wir unsere Kinder und ihre Sicht der Welt besser verstehen lernen. Mitunter drückt sich in einer Frage aber auch ein ganz konkretes Problem des Kindes in verkleideter Form aus. Dinge können Ihrem Kind Angst bereiten, ohne dass Sie dies vermuten. Selbst die besten Eltern können ihr Kind nicht vor Enttäuschungen oder Schrecken abschirmen. Und meistens kann das Kind die Ursache seiner seelischen Spannung weder erkennen noch beseitigen. Bei der Frage „Wird jeder, der stiehlt, von der Polizei geholt?“ sollten Eltern hellhörig werden. Vielleicht hat das Kind einen Apfel oder eine Blume aus Nachbars Garten genommen und leidet nun darunter. Manchmal rühren Fragen daher, dass sich ein Kind allein gelassen fühlt. Oft fragt es dann nach ganz Unbedeutendem oder nach etwas, was es längst weiß. Auf die Antwort kommt es ihm gar nicht so an, sondern vielmehr darauf, dass die Eltern sich ihm zuwenden und sich mit ihm beschäftigen. Und dann gibt es die Kettenfragen, eine Art Fragespiel, das viele Kinder aus purem Vergnügen betreiben: An jede Antwort hängt
das Kind eine neue Frage an. Auf die Antworten selbst kommt es ihm nicht an, nur darauf, dass das Spiel weitergeht. Lassen Sie sich, wenn immer es Ihnen möglich ist, auf solche Fragespiele ein. Sie enden meist mit ganz komischen Fragen und großem Gelächter, und alle Beteiligten können Spaß dran finden.
„DU BIST MEIN FREUND!“
Die ersten Freunde eines Kindes sind überaus wichtig. Im Zusammensein mit Gleichaltrigen lernt Ihr Kind, sich im Vergleich mit anderen zu sehen. Es kann andere Rollen einnehmen als dies im Zusammensein mit Ihnen möglich ist, und es erweitert seine Erkenntnisse darüber, was soziales Verhalten ist: Im Kreise anderer Kinder kann man nicht immer bestimmen, was gespielt wird, man kann auch nicht immer Erster sein, man muss teilen, man muss auch mal anderen den Vortritt lassen. Dies sind wichtige Erfahrungen auf dem Weg in die soziale Gemeinschaft. Kinder suchen und finden meist ganz spontan Kontakt zu anderen Kindern. Sie halten sich nicht wie die Erwachsenen mit Begrüßungszeremonien auf, sondern kommen direkt zur Sache. Die Beziehungen unter Kindern sind in dieser Altersphase meist zwanglose, häufig wechselnde und kurze Begegnungen, die auf einem augenblicklichen gegenseitigen Interesse beruhen. 7
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In den ersten Lebensjahren spielen Altersunterschiede von ein oder zwei Jahren eine sehr große Rolle. Die Interessen und Fähigkeiten Ihres dreijährigen Kindes unterscheiden sich bereits ganz erheblich von denen eines Zweijährigen. Deshalb sucht Ihr Kind den Umgang mit Gleichaltrigen, die bereits über ähnliche Lebenserfahrungen verfügen. Seine eigenen geistigen und körperlichen Kräfte kann es so am besten erproben. Kinder lernen sehr viel voneinander und haben ein ganz ähnliches Verständnis von ihrer Welt und ihrem Leben. HINWEIS Kinderfreundschaften sind wichtig für die Entwicklung der Persönlichkeit Ihres Kindes, auch wenn Sie den Eindruck haben, Ihr Kind entfernt sich damit ein Stück von Ihnen. Dies tut es nur, um sich selbst finden zu können. Mag es für Sie vielleicht manchmal ein wenig schmerzhaft sein, für Ihr Kind ist es ein ganz wichtiger Prozess.
In Kinderfreundschaften, auch wenn sie von noch so kurzer Dauer sind, hat Ihr Kind die Möglichkeit, auf gleicher Stufe Solidarität zu empfinden und dabei „selbstständig“ seine Fähigkeiten an Gleichaltrigen auszuprobieren, die nicht so „übermächtig“ sind wie die Eltern. Ein wichtiger Bereich, in dem Ihr Kind Freundschaften schließen kann, ist natürlich die Kindertagesstätte. Nehmen Sie Kontakt mit den anderen Eltern auf und laden Sie Spielkameraden und -kameradinnen Ihres Kindes aus dem Kindergarten zu sich
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nach Hause ein. So können sich die Kinder auch außerhalb der Gruppe begegnen und andere Formen des Zusammenspielens und miteinander Umgehens ausprobieren. Sie selbst haben hierbei die Möglichkeit, die kleinen Freundinnen und Freunde Ihres Kindes und auch deren Eltern näher kennen zu lernen. Darüber hinaus bleibt auch der Spielplatz ein wichtiger Treffpunkt für die Kleinen. Dort gibt es Gelegenheit, immer wieder neue Kinder kennenzulernen. Die zwangloseren SpielplatzFreundschaften bieten Ihrem Kind einen besonderen persönlichen Freiraum: Hier sind Freundschaftsbeziehungen noch nicht festgeschrieben und es kann sich freier entfalten. Natürlich bleiben auch Streit und Konflikte nicht aus, wenn Kinder miteinander spielen. Lesen Sie hierzu Näheres S. 35 „Streit – muss das sein?“.
NUR MUT!
Die meisten Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder fröhlich und aktiv sind, von sich aus auf andere zugehen und leicht Freunde finden. Wenn das nicht so ist, ist dies für manche Eltern schnell Grund zur Sorge. Doch jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Wenn die Zeit reif ist, wird auch ein schüchternes Kind vieles machen, was Ihnen vielleicht jetzt noch unvorstellbar erscheint. Schüchternheit ist keine Krankheit, sondern Ausdruck des Temperaments und damit Teil der Persönlichkeit. Neben geselligen Menschen, die gerne im Mittelpunkt stehen und
NUR MUT!
schnell Freunde finden, gibt es auch andere, die sich gerne ruhiger beschäftigen und größere Gruppen gar nicht mögen. Das zeigt sich bereits bei kleinen Kindern. Allerdings können Sie Ihr schüchternes Kind darin unterstützen, Selbstbewusstsein zu entwickeln, und ihm den Umgang mit anderen leichter machen:
• Geben Sie Ihrem Kind viele Gelegenheiten zu Erfolgserlebnissen.
• Loben Sie Ihr Kind, wenn ihm etwas gut gelungen ist. Wenn es nur teilweise geklappt hat, loben Sie den Teilerfolg.
• Hat Ihr Kind mit einem Vorhaben oder Auftrag keinen Erfolg, sollten Sie es trösten und ermutigen, dasselbe zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu versuchen.
• Unterstützen Sie persönliche Initiativen Ihres Kindes, wenn es z. B. malen, singen oder tanzen möchte.
• Schüchternes Verhalten des Kindes sollte nicht herausgestellt werden. Versuchen Sie weder, es zu überreden, noch zu bestechen, um mehr aus sich heraus zu gehen.
• Geben Sie Ihrem Kind praktische Hilfe, mit anderen Kindern und Erwachsenen umzugehen. So kann es beispielsweise durch Rollenspiele lernen, sich in andere hineinzuversetzen und Kontakt zu anderen Kindern aufzunehmen. Spielen Sie mit einer Handpuppe oder einem Stofftier die Rolle einer anderen Person. Entwickeln Sie ein Gespräch. Sollten Sie allerdings den Eindruck haben, dass sich Ihr Kind regelrecht verschüchtert zeigt, kann ein schwerwiegenderes Problem hinter dem Verhalten stecken. Treffen mehrere der nachfolgenden Merkmale zu, deutet dies auf einen inneren Rückzug hin:
• Das Kind verhält sich auffallend scheu. • Es ist überwiegend passiv und nimmt an Geschehnissen seiner Umwelt kaum Anteil.
• Es hält sich völlig aus den Spielen anderer Kinder heraus. • Es zeigt oft schnelle und schreckhafte Reaktionen. • Es bewegt sich übervorsichtig. • Es reagiert bei unbedeutenden Anlässen mit heftigem Weinen.
• Übersehen Sie nach Möglichkeit schüchternes Verhalten: Wenn sich Ihr Kind z. B. weigert, einen Gast zu begrüßen, sollten Sie weder Druck ausüben noch schimpfen.
• Denken Sie daran, dass Kinder gute Beobachter sind und von Ihnen lernen. Nehmen Sie Ihr Kind so häufig wie möglich mit, wenn Sie mit anderen Menschen zu tun haben, so kann es Ihr Gesprächsverhalten beobachten.
In diesen Fällen sollten Sie sich beraten lassen. Wenden Sie sich an Ihren Kinderarzt bzw. Ihre Kinderärztin oder an eine Familienberatungsstelle. www.bke.de – mit Adressen von Erziehungs- und Familienberatungsstellen in Ihrer Nähe 9
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Neben schüchternen, scheuen Kindern gibt es auch solche, die durch lautes, störendes und widersetzliches Verhalten auffallen, und sich und ihrer Umgebung das Miteinander erschweren können. Näheres hierzu finden Sie im Expressbrief „Starke Charaktere“, von Peter Pelikan e.V., kostenloser Download unter www.peter-pelikan.de.
D IE FRA GE NA CH D EM T O D
Ihr Kind ist im Fragealter. Da bleibt auch die Frage nach dem Tod nicht unausgesprochen. Ihr Kind denkt über alles nach – was es sieht, was es in Gesprächen erfährt, was in seiner Umgebung geschieht. Ein toter Vogel auf dem Weg beim Spazieren gehen, ein toter Käfer im Keller, die nette alte Frau aus der Nachbarschaft, die immer Gummibärchen parat hatte und die plötzlich nicht mehr zu sehen ist – und schon ist sie da, die Frage nach dem Woher und Wohin. Solche Fragen dürfen kein Tabu sein. Weisen Sie Ihr Kind nicht ab! Es spürt Ihre abwehrende Haltung und wird eher beunruhigt und verängstigt. Erklären Sie Ihrem Kind, dass jeder Mensch und jedes Tier einmal sterben muss – in der Regel, wenn er oder es alt und krank ist. „Wir werden sterben, wenn wir zu Ende gelebt haben“, sagt eine französische Kinderpsychologin sehr treffend und verständlich. Lassen Sie bei Ihrem
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Kleinen keine Angst aufkommen. Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm: „Du hast noch ein langes Leben vor dir, und es ist schön, dass wir alle zusammen sind!“ Nehmen Sie Ihr Kind einfach mal mit auf den Friedhof. In der Zeit um Allerheiligen und Allerseelen sind die Gräber besonders schön gestaltet. Betrachten Sie die alten Grabsteine und den Blumenschmuck. Erzählen Sie Ihrem Kind von den Verstorbenen in Ihrer Verwandtschaft, von Ihrer Uroma oder von Ihrem Großvater, der sich so schöne Geschichten ausdenken konnte. Ob Ihr Kind bereits einer Beerdigung gewachsen ist, wenn Sie einen Todesfall in der Familie haben, lässt sich nicht ganz einfach beurteilen. Falls Ihr Kind aber das Sterben eines geliebten Menschen ganz nah miterlebt hat, kann es sogar sehr wichtig sein, dass Sie es auch zur Beerdigung mitnehmen. Es ist Teil der trauernden Gemeinschaft. Gerne wird Ihr Kind dann immer wieder Blümchen auf das Grab der Oma legen oder zusammen mit Ihnen ein Gebet sprechen. Die Großmutter ist weiter im Leben Ihres Kindes „anwesend“.
HINWEIS Anregungen, mit Kindern über Sterben und Tod nachzudenken, finden Sie zum Beispiel auch im 15. Brief der „Elternbriefe zur religiösen Erziehung“ der eaf bayern (Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Bayern e.V.). Sie finden den Brief in der Broschüre, die Sie auf der Startseite von www.vertrauen-von-anfang-an.de unter „Konzeption“, „Für Mitwirkende in der Elternarbeit“ herunterladen können.
K U N ST O DE R BL O ß ES GE K R IT Z EL ?
Zudem gibt es eine ganze Reihe von guten, kindgerechten Büchern, die Sie zusammen mit Ihrem Kind anschauen und lesen können, wenn Fragen zum Thema „Tod“ auftauchen. Lassen Sie sich in einer guten Buchhandlung beraten oder fragen Sie in Ihrer Bibliothek.
VORSORGEUNTERS UCHUNGE N
Wir möchten Sie schon jetzt auf die nächste, die 8. Früherkennungsuntersuchung hinweisen, die im Alter zwischen dreieinhalb und vier Jahren durchgeführt werden sollte. Sämtliche Organe und Organsysteme werden eingehend kontrolliert, ebenso die Koordinationsfähigkeit des Kindes. Es wird eine Sehprüfung und ein Hörtest durchgeführt. Ferner wird das Sprachverständnis des Kindes überprüft und dabei festgestellt, ob es in vollständigen Sätzen spricht und die Konsonanten und Umlaute richtig aussprechen kann. Wenn Sprachfehler, Verhaltensauffälligkeiten, Störungen in der Motorik oder zum Beispiel auch häufig wiederkehrende Luftwegerkrankungen oder Ohrenentzündungen vorliegen, so können medizinische oder therapeutische Behandlungen noch rechtzeitig vor der Einschulung durchgeführt werden. Genauere Hinweise finden Sie auch in Ihrem Vorsorgeheft und im Begleitheft, oder fragen Sie nach bei Ihrem Hausarzt oder Kinderarzt.
KU NST O DE R BL Oß ES G EKR ITZE L?
Ihr Kind befindet sich mit drei Jahren in einem Alter, in dem es mit Begeisterung malt, modelliert, singt, tanzt und Theater spielt, wenn es Anregung und die Möglichkeit dazu bekommt. Die Zeichnungen Ihres Kindes sind keineswegs einfach nur Gekritzel. Wir Erwachsenen mögen dies vielleicht so sehen, doch für Ihr Kind bedeuten die Kritzelknäuel etwas, ebenso wie die Punkte, Striche, Kreuze und Zickzack-Linien. Ein Kind malt die Welt auf seine eigene Weise: Eine gerade Linie bedeutet meist eine Bewegung, z. B. ein fahrendes Auto. Eine Linie, die quer dazu gezeichnet wird, stoppt die Bewegung: Das Auto hält an. Häufig wird Ihr Kind auch Menschen darstellen, meist sich selbst. Es malt einen Kreis mit Augen, Nase, Mund und direkt daran kleine Striche als Arme und Beine. „Kopffüßler“ nennt man ein solches Selbstbildnis eines drei- bis vierjährigen Kindes. Später lernt es, dem Kopf auch einen Hals und einen Bauch anzufügen, und wenn es etwa sechs Jahre alt ist, bekommt das Strichmännchen auch Füße und Hände mit Fingern und Zehen. Manchmal zeichnet ein Kind nur Teile für das Ganze: einen Schnabel für einen Vogel, Räder für ein Auto, eine Tür für ein Haus. Und alles, was für das Kind von besonderer Bedeutung ist, malt es besonders groß oder in hervorstechenden, oft schrillen Farben.
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HINWEIS Bringen Sie Ihr Kind behutsam dazu, über das Gemalte zu sprechen, indem Sie es fragen: „Was ist das?“ – „Was tut er?“ – „Wie geht die Geschichte weiter?“ Unterhalten Sie sich mit ihm über seine Bilder. Das zeigt Ihr Interesse und bedeutet Ihrem Kind viel mehr Lob und Anerkennung, als wenn Sie nur überschwänglich zu ihm sagen: „Oh, das ist aber schön!“
Wenn Ihr Kind Farben zusammenstellt, die Ihrem Geschmackssinn widersprechen, lassen Sie es gewähren. Kinder können erst in einen Alter von ca. 5 Jahren Form bzw. Gegenstand und Farbe richtig miteinander verbinden, deshalb gibt es grüne Hasen und rote Wolken. Falls Ihr Kind seine Bilder nicht vorzeigen möchte, verlangen Sie dies auch nicht. Vielleicht möchte es in den Bildern etwas ausdrücken, was Sie jetzt noch nicht erfahren sollen. Versuchen Sie, nicht immer die Bedeutung der Bilder zu erforschen. Ihr Kind hält – seinem Alter entsprechend – Pinsel und Stifte noch in der Faust und macht die Zeichenbewegungen aus dem Arm heraus. Korrigieren Sie es jetzt nicht, denn später lernt es ganz von allein die Bewegung aus dem Handgelenk und wie man Malwerkzeuge zwischen Zeigefinger und Daumen hält.
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Lassen Sie der Fantasie Ihres Kindes beim Malen und Gestalten freien Lauf. Vormalen würde seine Fantasie hemmen und häufiges Verbessern vielleicht sogar den Mut zum Malen nehmen. Malbücher sind in diesem Alter nicht so gut geeignet. Ihr Kind hat mehr Entwicklungsmöglichkeiten bei der eigenen, selbstständigen Darstellung. Außerdem wäre das Ergebnis zwangsläufig enttäuschend, weil das Kind ständig über die vorgezeichneten Linien hinaus malt.
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Sammeln Sie die Werke Ihres Kindes! So können Sie immer ein Stück seiner Entwicklung festhalten. Schreiben Sie das Entstehungs-Datum auf die Rückseite der Bilder und vielleicht auch die Geschichte, die Ihr Kind Ihnen dazu erzählt hat. In einer großen Mappe lassen sich die Bilder gut aufheben, doch manche sollten Sie auch aufhängen. Kritzelbilder, von Ihnen mit einem schnell trocknenden Klarlack lackiert, machen sich besonders gut im Bilderrahmen! Oder Sie können das Bild zusammen mit Ihrem Kind mit Öl (z. B. Salatöl) einreiben, zwischen Zeitungen legen und mit einem Teigroller kräftig darüber rollen, um das überschüssige Fett abzunehmen; das ergibt einen sehr schönen Pergament-Effekt.
H I LF E , M EI N K I ND I S T D A UE R N D K R A N K !!
Material zum Malen und Zeichnen Ihr Kind braucht Papier sowie weiche Buntstifte oder Wachsmalkreide. Mit Wasserfarben malen auch die Kleinsten schon gerne, vor allem wenn ihnen ein etwas breiterer Borstenpinsel zur Verfügung steht. Auch Fingerfarben werden den Kleinen gerne gegeben, bei denen mit den Fingern oder auch der ganzen Hand gemalt werden kann. Diese Technik fördert in besonderem Maße das Farbempfinden und die Kreativität. Da kann gekleckst, gemischt, gewischt und gedruckt werden. Doch Sie müssen bedenken, dass oftmals nicht nur das Papier bemalt wird, sondern auch die Kleidung und die Umgebung dabei farbig wird. Bei der Auswahl der Fingerfarben achten Sie auf schadstofffreie Produkte. Manche Kinder mögen Fingerfarben überhaupt nicht, weil sie das Gefühl haben, sich damit schmutzig zu machen. www.labbe.de/kikunst – Anregungen zum Malen und Basteln für die Kleinsten (Stand 2014)
HILFE, MEIN K IND IS T DAU ERND KR ANK !
Viele Eltern von drei- bis vierjährigen Kindern stellen fest, dass ihr Kind jetzt viel häufiger als früher krank wird. Tatsächlich verhält es sich so, dass die meisten Kinder bis dahin selten krank waren, vor allem, wenn sie keine älteren Geschwister haben. Je häufiger Ihr Kind nun aber mit anderen Kindern
zusammen kommt, zum Beispiel durch den Besuch der Kindertagesstätte, desto häufiger wird es einen Infekt mit Schnupfen, Husten und mitunter auch mit Fieber bekommen. Solche „normalen“ Infekte muss jedes Kind durchmachen, damit es ein funktionstüchtiges Immunsystem, d.h. gute Abwehrkräfte, aufbauen kann. Um dies zu erreichen, muss sich der kindliche Organismus mit Krankheiten auseinandersetzen, auch wenn dies für Sie als Eltern manchmal eine rechte Belastung ist.
Wie kann ich mein Kind vor Ansteckung schützen? Abwehrkräfte erhält ein Mensch zum Glück nicht nur dadurch, dass er Krankheiten „übersteht“. Sie können schon vorher selbst sehr viel dafür tun, dass Ihr Kind ein gutes Abwehrsystem aufbauen kann.
• Härten Sie Ihr Kind ab, damit es möglichst unempfindlich wird gegen Temperaturunterschiede, Sonne und Wind. Lassen Sie es viel draußen spielen und sich bewegen – auch bei Kälte, dann natürlich warm angezogen und mit Mütze und Handschuhen ausgestattet.
• Sorgen Sie für gesunde, ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf.
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• Sorgen Sie auch für die richtige Luftfeuchtigkeit in den Räumen, zum Beispiel mit einem Raumbefeuchter, damit die Schleimhäute ausreichend feucht bleiben. Dies senkt die Infektionsgefahr. Auch regelmäßiges Lüften der Räume trägt zu einem gesunden und gesunderhaltenden Raumklima bei.
• Achten Sie auch darauf, dass ausreichend getrunken wird.
angeregt wird, Immunstoffe (Antikörper) zu bilden. Eine Impfpflicht besteht in Deutschland für keine Impfung. Es gibt jedoch die öffentlichen Impf-Empfehlungen. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung liegt bei den Eltern.
Ein trockener Hals entzündet sich leichter.
• Richtiges Händewaschen nach jedem Gang zur Toilette und vor jeder Mahlzeit verringert die Infektionsgefahr.
HINWEIS Viele Kinderärzte raten auf jeden Fall zu Impfungen gegen
• Jedes Kind sollte zu Hause ein eigenes Handtuch zur Verfügung haben. Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung können Sie Spiegelaufkleber, Leporellos und andere Informationsmaterialien für alle Altersgruppen zum Thema „Richtig Hände waschen“, „Richtig niesen und husten“ und anderes mehr kostenfrei bestellen oder direkt herunterladen. www.bzga.de – Suchfunktion: Informationsmaterialien: Impfungen und persönlicher Infektionsschutz (Stand 2013)
SCHUTZIMPFUNGEN GEGEN KI NDER KRA NKHEITEN
Schutzimpfungen sollen bestimmten Infektionskrankheiten vorbeugen, indem durch die Impfstoffe der Körper
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Wundstarrkrampf (Tetanus) Masern und Mumps Röteln Kinderlähmung Diphtherie
Im Internet können Sie sich eingehend über die Erkrankungen und die entsprechenden Impfungen informieren. www.impfen-info.de/impfempfehlungen www.individuelle-impfentscheidung.de (Stand 2014) www.my-micromacro.net – Informationen rund um das Thema AIDS, auch zur Ansteckungsgefahr bei Kindern (Stand 2014)
K IN DE R BR A UC HE N M ÄR C HEN
KIN DER BRA UC HE N MÄ RC H EN
Sind Märchen noch zeitgemäß?
Psychologen bezeichnen die ersten fünf Lebensjahre auch als
„ ... und dann tanzten sie um den Brunnen herum und riefen: „Der Wolf ist tot, der Wolf ist tot.“ Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“
die magischen Jahre. Unter dem Wort „magisch“ ist nicht zu verstehen, dass diese Jahre für unsere Kinder eine verzauberte, heile Welt bedeuten, in der alle Wünsche erfüllt werden. „Magisch“ heißen diese Jahre vielmehr, weil Kinder in dieser Zeit „Magier“ (Zauberer) sind: Sie glauben, dass allein ihre Gedanken, Wünsche und Handlungen bestimmte Ereignisse hervorbringen oder verhindern können. In diesen magischen Jahren glaubt das Kind, dass alle Menschen so denken und handeln, wie es dies selbst tut. Diese Vorstellung bezieht es auch auf Tiere und sogar auf Dinge: Die Sonne geht am Abend ins Bett und steht am Morgen wieder auf. Der Donner ist ein Mann im Himmel, der böse ist. Der Hund staunt über das neue Kleid des Kindes und der Sessel stöhnt, wenn sich ein dicker Mann darauf setzt. Wir Erwachsenen können uns an diese Vorstellungswelt nicht erinnern, und wenn wir uns die Gefühle dieser magischen Jahre zurückrufen wollen, um unsere Kinder besser zu verstehen, können wir nur in Märchen etwas Ähnliches finden.
Vielleicht haben Sie sich auch schon mal gefragt, ob Märchen überhaupt noch zeitgemäß sind, und was Prinzen und Könige in einer Demokratie zu suchen haben. Vielleicht fürchten Sie, dass die Märchen Ihrem Kind Angst machen. Oft wird die Ansicht vertreten, dass Märchen zu brutal und grausam für kleine Kinder sind, dass Märchen schaden, denn in der Wirklichkeit siegt auch nicht immer das Gute über das Böse... Märchen sprechen Konflikte an, die Ihr Kind bewältigen will. In seinem großen Drang nach Selbständigkeit erlebt ein Kind immer wieder auch Niederlagen und Hilflosigkeit. Es ist eben doch nicht so mächtig, wie es gerne sein möchte. Da erkennt sich das Kind wieder im Königssohn, der in die Welt hinauszieht und die verschiedensten Gefahren bewältigen muss. Eine Übersetzung des Märchens braucht das Kind nicht. Im Märchen wird das Selbständigwerden nicht bestraft, denn groß und stark kehrt der Königssohn heim und darf ein eigenes Land regieren. Das vermittelt dem Kind Trost und Hoffnung darauf, dass es auch einmal groß und unabhängig werden wird. Das Märchen hilft dem Kind, eigene Ängste und Probleme wiederzuerkennen, nachzuleben und zu lösen. Die Ängste und bösen Gedanken, die im Märchen meist als Ungeheuer dargestellt sind, werden bekämpft und besiegt. 15
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Ihr Kind wird sich beim Vorlesen oder Erzählen gern ganz eng an Sie kuscheln mögen, um in Ihrer Nähe die ganze Spannung des Geschehens genießen zu können. Es ist sehr schön, wenn Märchen mündlich erzählt werden. Doch wenn Ihnen das ungewohnt ist, fangen Sie am besten mit Vorlesen an. Sobald Sie ein Märchen einige Male vorgelesen haben, werden Sie davon immer mehr auswendig können, so dass sich das Erzählen dann von ganz alleine einstellen wird.
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Die Märchenwelt ist frei erfunden und versucht gar nicht, die Wirklichkeit darzustellen. Ein Kind in diesem Alter weiß das, auch wenn es ihm nie gesagt wurde. Doch es freut sich an dieser fantastischen Welt, die seinem magischen Denken so verwandt ist.
Vom Märchen erzählen Das Tröstende und Erlösende am Schluss eines Märchens empfindet ein Kind als wohltuend und will es immer wieder hören und durchleben. Im selben Märchen will es immer wieder den Weg durch Gefahren, Angst und Schrecken zum glücklichen Ende nachvollziehen. Es ist daher wichtig, dass Sie ein Märchen so lange vorlesen oder erzählen, bis sich das Kind daran satt gehört hat. Erst dann sollten Sie mit einem neuen Märchen beginnen.
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Für die Anschaffung eines Märchenbuches möchten wir Ihnen zu einem Buch ohne Bilder raten. Kein Maler kann einen jungen König so schön und mutig, keine Hexe so hinterhältig, so böse, so rachsüchtig und hässlich darstellen, wie die kindliche Fantasie. Auch Märchenfilme führen in diesem Alter oft zu großen Enttäuschungen, denn der schreckliche Zauberer und die gute Fee sehen dann meist wie ganz gewöhnliche Menschen aus.
ÄN GS TE B E I K I N D E RN – G AN Z N O R M A L ?!
Erzählen Sie Ihrem Kind, dass auch Sie sich früher als Kind gefürchtet haben, und was Ihnen dabei geholfen hat. Dies ermutigt Ihr Kind, gegen die Ängste anzukämpfen und darauf zu vertrauen, dass sie einmal ein Ende nehmen werden.
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ÄN GS TE B EI KIN DER N – GA NZ NO R MA L?!
Ängste bei Kindern sind ganz normal. Angst vor der Dunkelheit, vor dem Alleinsein, vor Monstern, vor dem Hund des Nachbarn, vor dem Geräusch der Toilettenspülung u.a.m. sind für uns Erwachsene oft nicht wirklich nachvollziehbar, doch sie gehören zur kindlichen Entwicklung einfach dazu. Dies gilt insbesondere im Alter von drei bis sechs Jahren. Durch die zunehmende Denkfähigkeit und die sich entwickelnde Vorstellungskraft geht die frühere Unbesorgtheit in diesem Alter mehr und mehr verloren und das Kind erlebt immer mehr Situationen und Ereignisse als verunsichernd, bedrohlich und beängstigend. Ganz wichtig ist es, die Ängste der Kinder nicht einfach abzutun. Mit „Du brauchst doch keine Angst zu haben“, mögen Sie aus Ihrer Sicht Recht haben, aber damit lassen Sie Ihr Kind unverstanden allein. Hören Sie zu, beruhigen Sie Ihr Kind und sprechen Sie über die Bösewichter. Haben Sie keine Bedenken, auf diese Weise die Ängste zu verstärken. Im Gegenteil: Im Darüberreden verlieren sie ihren Schrecken.
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Rituale geben Ihrem Kind Sicherheit und Vertrauen.
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Ein Beschützmich-Hund kann in einer ängstigenden Situation Halt und Schutz bieten.
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Eine „Beschwörungsformel“ beim Zubettgehen am Abend kann die Monster in Schach halten.
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In Mutmach-Geschichten erfahren Kinder, wie andere Kinder mit ihren Ängsten umgehen und können eigene Lösungsansätze finden.
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Achten Sie auf Ihr eigenes Angstverhalten und vermeiden Sie Überreaktionen, auch wenn Sie z. B. Spinnen gar nicht mögen.
Fast immer lassen die kindlichen Ängste im Laufe der Entwicklung nach und verlieren sich ganz. Sollte Ihr Kind sich aber auffallend stark und unverändert ängstigen, so dass es in seinem Alltag beeinträchtigt ist, oder mit Panikattacken kämpfen, holen Sie sich Rat bei einer Erziehungs- oder Familienberatungsstelle oder bei Ihrem Kinderarzt. 17
2 IHR KIND IST VIER JAHRE ALT MEILENSTEINE: 48 MONATE
KÖRPERLICHE GESCHICKLICHKEIT
HAND-FINGER-GESCHICKLICHKEIT
Ihr Kind kann Dreirad oder andere Fahrzeuge sicher bewegen; es tritt und lenkt gleichzeitig, umfährt Hindernisse. Es hüpft aus dem Stand mit beiden Beinen nach vorne, mit stabilem Gleichgewicht.
Ihr Kind hält den Malstift richtig mit den Spitzen der ersten drei Finger. Es gestaltet und kommentiert Gegenständliches, auch Kopffüßler. SPRACHENTWICKLUNG
ENTWICKLUNG DES DENKENS Ihr Kind versteht W-Fragen (Warum?, Wieso?, Wo?, Woher?). Es unterscheidet und benennt gleiche Gegenstände verschiedener Größe (z. B. große und kleine Äpfel).
Ihr Kind verwendet „ich". Es erzählt Ereignisse und Geschichten in ungefährer zeitlicher und logischer Reihenfolge, meist noch mit „und, dann, und dann"Verknüpfungen. UMGANG MIT GEFÜHLEN
SOZIALE FÄHIGKEITEN Ihr Kind beteiligt sich an Regelspielen (Brett-, Kreis-, Bewegungsspiele). Es ist bereit zu teilen.
G EST AL T EN D UR CH FO RM EN U ND MO D ELL IE REN
Für die Kleinen ist es eine besondere Erfahrung, sich mit verschiedenen Materialien auseinander zu setzen, sie anzufassen, zu zerteilen und zu gestalten. Zu spüren, wie sich Knetmasse, Ton oder Salzteig anfühlen und unter dem Druck der Hände verformen, macht einfach Spaß und fördert nicht 18
PETER PELIKAN Der gute Start
Ihr Kind kann mit seinen Gefühlen bei alltäglichen Ereignissen meist umgehen (Kummer, Enttäuschung, Freude). Es weiß, dass es Mädchen oder Junge ist.
nur die handwerkliche Geschicklichkeit des Kindes, sondern auch seine geistige und schöpferische Entwicklung. Dabei kommt es überhaupt nicht auf das „perfekte Ergebnis“ an. Aus Knetmasse Kugeln oder lange Würste formen, ist schon eine ganz erhebliche Herausforderung.
IS T ME I N K I N D M U S I K AL I S C H ?
Modelliermasse, die an der Luft trocknet und bemalt werden kann, oder Salz-Öl-Teig, der gebacken wird, eignen sich besonders zur Arbeit mit Keksausstechern. Rollen Sie die Masse aus und lassen Sie Ihr Kind Motive ausstechen. Getrocknet können die kleinen Kunstwerk als Dekoration verwendet werden. Ihr Kind wird stolz darauf sein. Salz-Öl-Teig ist besonders praktisch, weil geschmeidig und preisgünstig. Aber Achtung: Der Teig ist nicht zwangsläufig ungiftig. Alaun, das in Salzteig vielfach verwendet wird, reizt die Schleimhäute, wenn es in Mund oder Augen gelangt. Verwenden Sie stattdessen lieber Weinsteinpulver.
Im übrigen eignet sich auch Sand hervorragend zum Bauen, Graben, Matschen. Vielleicht haben Sie einen Garten oder einen Balkon, auf dem Sie einen kleinen Sandkasten einrichten können?
IS T M EIN K IND MUS IKA LI SCH?
Jeder Mensch ist musikalisch und jedes Kind musiziert von Geburt an. Wie viel Freude macht Kindern das gemeinsame Morgenlied in der Kindergruppe, das Mitdirigieren beim Blaskonzert, das Tanzen zur Musik, das erste Klimpern auf dem Klavier, das Trommeln auf den Kochtöpfen, das faszinierte Zuhören einer Lieder-CD. Doch Musik macht nicht nur Riesenspaß, sie trägt viel zu einer positiven seelischen, emotionalen, körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes bei.
PE T ER P EL IKA N P LU S
Ein Rezept für Salz-Öl-Teig finden Sie zum Beispiel in unserem Heft „Der gute Start. Kinder von 0 bis 3 Jahren“, Peter Pelikan e.V., zu bestellen unter www.peter-pelikan.de.
Salz-Öl-Teig sollte aber auch wegen des hohen Salzgehaltes nicht in den Mund gelangen. Eine Alternative ist Essknete, bestehend aus Mehl, Stärke und Zucker, die man als Backmischung kaufen kann. www.backen-mit-essknete.de (Stand 2014)
Wie können Eltern die Musikalität ihrer Kinder fördern und pflegen? Wann sollten sie damit beginnen? Wahrscheinlich haben Sie das schon längst getan, nämlich wenn Sie Ihr Kind mit Wiegenliedern in den Schlaf singen, mit ihm Hoppe-Hoppe-Reiter spielen oder mit ihm durch die Wohnung Ringelreihen tanzen. In der Musik werden ganz verschiedene Klänge und Töne erlebt. Um sie aufzunehmen, muss Ihr Kind aufmerksam hinhören. Dazu einige Ratespiele:
• Was scheppert da, was klappert da? Sie schlagen Teelöffel, Esslöffel, Gabeln aneinander oder lassen sie einzeln auf einen unempfindlichen Tisch fallen. Große oder kleine Deckel werden aneinander geschlagen. 19
2 I HR K I N D I S T V IE R J AH RE A LT
• Worauf klopfe ich? Töpfe, Eimer, Plastikgefäße, Blumentöpfe, Gläser, Teller; jedes Gefäß gibt ein besonderes Geräusch beim Draufklopfen. Wenn Sie ausrangierte Töpfe, Teller, Dosen oder ähnliches haben, kann Ihr Kind sich sein eigenes Geräuschinstrumentarium aufbauen.
• Was raschelt da? Alufolie oder Plastikfolie, Pack- oder Pergamentpapier, Zeitungspapier oder Seidenpapier? Sie werden noch mehr solcher Geräuschratespiele herausfinden. Auch das Singen mit Ihrem Kind können Sie ganz einfach in den Alltag integrieren. Kinder lieben es zu singen, und sie brauchen keinen besonderen Anlass dazu. Scheuen Sie sich nicht, ein Lied anzustimmen, auch wenn Sie mit Ihrer Stimme unzufrieden sind: beim morgendlichen Waschen, auf dem Weg zum Kindergarten, vor dem Essen, beim Schlafengehen. Das Entscheidende beim Singen ist der Spaß und die Freude daran.
HINWEIS Nicht zu vergessen ist, dass Musik und Gesang ganz wichtig für die Sprachentwicklung sind, denn Musik und Sprache weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Neuste Forschungsergebnisse zeigen, dass das gesamte Sprachzentrum durch Musik angeregt wird.
Findet das Singen und Musizieren in der Gruppe statt, ist es ein besonderes Erlebnis und stiftet Gemeinschaft. Beziehen Sie also andere Familienmitglieder mit ein. Die alten Kinderlie-
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der, an die sich Oma oder Opa erinnern, sind ein Schatz für unsere Kinder. Sie können mit Ihrem Kind auch die musikalische Früherziehung besuchen. Mütterzentren, private oder öffentliche Musikschulen bieten entsprechende Kurse für Kinder zwischen vier und sechs Jahren an. Dort werden Kinderlieder gesungen, Rhythmusinstrumente ausprobiert (Trommeln, Rasseln usw., sog. Orff-Instrumente), eigene Instrumente gebastelt, zur Musik getanzt, Instrumente vorgestellt und ausprobiert u.v.m. Meistens liefern die Kurse Eltern gute Anregungen für zu Hause. www.musikschulen.de (Stand 2014)
Klassische Musik entdecken Vierjährige sind – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – meist noch zu jung, um ein klassisches Instrument wie Klavier, Geige, Cello oder Gitarre zu lernen. Die technischen Anforderungen überfordern sie in diesem Alter meist noch; zudem fehlt oft noch die Geduld, Aufmerksamkeit, Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeit, die zum regelmäßigen Üben notwendig sind. Am ehesten eignet sich in diesem Alter die Blockflöte, auf der sich vergleichsweise rasch erste Erfolgserlebnisse zeigen. Für vierjährige Kinder ist das Anhören klassischer Musik interessant, vor allem Stücke, die speziell für Kinder komponiert wurden. Zu diesen zählen z. B. „Peter und der Wolf“ von Sergei
S O L L M E IN K I ND I N D EN T UR N V E R EI N ?
Prokofjew, „Der Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns, „Eine kleine Nachtmusik“ von Wolfgang Amadeus Mozart, oder Kinderlieder, Spiele, Reime von Carl Orff. Öffentliche Bibliotheken verleihen günstig oder kostenfrei Musikkassetten oder CDs. In anderen Kulturen finden sich andere Lieder und Klänge. Laden Sie deshalb Ihr Kind auch einmal zu ganz anderen Hörgewohnheiten ein. Wenn Sie aus einem anderen Kulturkreis stammen, sollten Sie es nicht versäumen, Ihr Kind mit Ihren Liedern und Rhythmen bekannt zu machen. www.weltmusik-fuer-kinder.de – Anregungen mit Liedern, Tänzen, Geschichten und Informationen über Musiktraditionen aus aller Welt www.leopold-preis.de – Musik für Kinder, die vom Verband deutscher Musikschulen (VdM) ausgezeichnet wurden. www.liederprojekt.org – kostenloses Onlinearchiv für Lieder mit Noten und Texten und Liedeinspielungen (Stand 2014)
S OLL MEI N KIN D I N EINEN TU RNVER EIN?
Neben der musikalischen Frühförderung gehören Bewegung, Spiel und Sport zu den Aktivitäten, mit denen Sie die körperliche, geistige und seelische Entwicklung Ihres Kindes unterstützen können. Spazierengehen, Wandern, ins Schwimmbad gehen, Schlittschuhlaufen u.a.m. sind sportliche Betätigungen, denen sich die ganze Familie widmen kann, und durch die der Alltag mit Kindern bereichert wird. Aber auch wenn Sie selbst keinen Sport treiben, können Sie Ihr Kind anregen, sich zu bewegen, denn Bewegung macht allen Kindern Freude. Hierzu eignen sich zum Beispiel die Spielgeräte auf dem Spielplatz, auf denen geklettert, gerutscht und balanciert werden kann. Vierjährige können sich bereits im Rollerfahren üben oder mit einem Laufrad erste Fahrraderfahrungen machen. Weil Aktivitäten in der Gruppe besonders viel Spaß machen, können Sie mit Ihrem Kind auch das Eltern-Kind-Turnen in einem Turnverein besuchen. Wenn das Kind schon selbständig genug ist, kann es zum (Klein-)Kinderturnen gehen, bei dem Eltern nicht mehr selbst aktiv dabei sind. Das Kinderturnen fördert auf optimale Weise spielerisch, vielseitig und umfassend alle wichtigen motorischen Grundfähigkeiten. Zum Kinderturnen gehören Gymnastik, Lauf-, Fang- und Kreisspiele, Übungen mit Bällen, Seilen, Reifen usw., erste Übungen an Geräten wie Kasten, Reck, Ringe, Trampolin, Schwebebalken u.a.m.
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Turnvereine sind im Vergleich zu gewerblichen Anbietern sehr preisgünstig. In der Regel variiert der Vereinsbeitrag zwischen 5-10 Euro pro Kind und Monat. Einen Turnverein in Ihrer Nähe können Sie über Ihren Landesturnverband erfragen. www.dtb-online.de (Stand 2013) In den meisten Vereinen besteht die Möglichkeit, kostenlos oder zumindest kostengünstig Schnupperstunden zu besuchen, um festzustellen, ob es dem Kind in der Gruppe gefällt und ob das Kinderturnen das Richtige ist.
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Leistungsberechtigte nach dem Sozialgesetzbuch Band II (SGB II, insbesondere Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld) können sich an das Jobcenter vor Ort wenden, um über das „Bildungspaket“ einen Zuschuss von 10 Euro monatlich für Vereins-, Kulturoder Freizeitangebote zu erhalten. Damit können Mitgliedsbeiträge, Unterrichtsstunden oder Teilnahme an gemeinschaftlichen Freizeitaktivitäten finanziert werden. Im Rathaus, im Bürgeramt oder in der Kreisverwaltung erhalten Sie Auskunft zum zuständigen Ansprechpartner für das Bildungspaket. www.bildungspaket.bmas.de (Stand 2014)
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PETER PELIKAN Der gute Start
Sollte sich die Begeisterung des Kindes zunächst noch in Grenzen halten, warten Sie lieber ab. Turn- und Sportarten gibt es in Hülle und Fülle, und der Einstieg ist in jedem Alter möglich.
Wie viele Kurse soll mein Kind besuchen? Vereine, Kurse und Gruppen können eine Möglichkeit sein, um Ihr Kind im sportlichen oder musischen Bereich zu fördern. Aber auch Sie selbst können Ihrem Kind die nötigen Anregungen geben. Was Sie ihm beibringen und was es gemeinsam mit Ihnen erlebt und unternimmt, prägt Ihr Kind für das ganze Leben und stärkt die gegenseitige Verbundenheit von Eltern und Kind. Kinderkurse sind demnach nicht notwendig, doch sie werden von vielen Eltern als hilfreich empfunden, vor allem dann, wenn sie meinen, ihre Kinder nicht so gut fördern zu können. Nur sollten Sie darauf bedacht sein, dass allzu viele Aktivitäten dieser Art das Kind überfordern können. Beim Besuch von Kursen und Gruppen ist zudem der Zeitaufwand für das Bringen und Abholen nicht zu vergessen. Oftmals klagen Eltern darüber, dass sie sich vor lauter Terminen nur noch als Taxifahrer ihrer Kinder fühlen. Das muss nicht sein! So können Sie sich zur Regel machen, dass Sie nur solche Angebote nutzen, die Sie mit Ihrem Kind zu Fuß erreichen. Vielleicht können Sie sich auch mit anderen Eltern beim Bringen und Holen abwechseln.
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FAMILIENSPIELE
Gemeinsames Erleben entsteht auch über das gemeinsame Spiel. Inzwischen ist Ihr Kind zunehmend dazu in der Lage, Spielregeln zum Beispiel von Gesellschaftsspielen zu beachten, die es in großer Fülle auch bereits für Vier- bis Fünfjährige gibt. www.spielemiterfolg.de – aktuelle Kinderspiele und Bücher mit Beschreibung, Altersempfehlung und Bewertung www.spielen-macht-schule.de – Gesellschaftsspiele, Lernspiele und Outdoor-Spiele ab 4 Jahre bis ins Grundschulalter (Stand 2013)
im Familienkreis auch das Wir-Gefühl und den Zusammenhalt, eine Erfahrung, die uns allen gut tut. Da das „Verlieren“ den Kindern noch schwer fällt, ist es wichtig, das „Gewinnen“ nicht zu sehr zu betonen. Ein kleiner Trick: Statt eines Verlierers gibt es einen 1., einen 2., einen 3. Gewinner usw.
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Fragen Sie doch mal in Ihrer Bibliothek oder Bücherei nach Spielen zum Ausleihen. So können Sie ausprobieren, was Ihrem Kind gefällt, und Sie sind bei einer möglichen Kaufentscheidung auf der sicheren Seite.
Im Spiel erwerben Kinder Teamfähigkeit und den Umgang mit Konkurrenzsituationen – das sind sog. Kernkompetenzen, die im späteren Leben sehr hilfreich sind.
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Achten Sie stets auf die Altersempfehlung der Hersteller. Ist Ihr Kind überfordert, endet das Spiel schnell im Frust und die Spielfreude geht verloren.
Gemeinsames Spielen in der Familie macht aber auch einfach Spaß. Schön, wenn es zu einem regelrechten Familienritual wird, sich z. B. am Sonntag nach dem Mittagessen zu einer Spielrunde zusammenzusetzen. Viele Erwachsene nennen bei der Frage nach ihren schönsten Kindheitserinnerungen Spielenachmittage mit Eltern und Geschwistern.
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Auf Kinderflohmärkten oder Kinderbazaren finden Sie oftmals eine Vielzahl von gut erhaltenen Gesellschaftsspielen. Von den Verkäufern können Sie sich gleich über Qualität, Anforderungen und Spielespaß informieren. Gehörte das Spiel zu den Lieblingsspielen der kleinen Vorbesitzer, bestehen gute Aussichten, dass auch Ihr Kind Freude an der neuen Errungenschaft haben wird.
Spiele sind Ausdruck von Geselligkeit und Gemeinschaft, alle rücken näher zusammen. Deshalb stärken Gesellschaftsspiele
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CHARAKTERFRAGE
Welche Faktoren prägen den Charakter und die Persönlichkeit eines Kindes – Erbanlagen oder Umweltfaktoren oder beides zusammen? Da behauptet im Freundeskreis ein Vater, dass die Umgebung bei seinen beiden Kindern keine entscheidende Rolle gespielt haben könne. Er und seine Frau hätten ihre Kinder völlig gleich erzogen, keinen bevorzugt, und trotzdem seien sie so verschieden. „Das kann doch nur Vererbung sein!“ Solche Schlussfolgerungen liegen immer dann nahe, wenn sich Geschwister recht unterschiedlich entwickeln. Tatsächlich ist eine generelle Aussage darüber, ob Unterschiede zwischen Geschwisterkindern stärker durch genetische Faktoren oder stärker durch Umweltfaktoren bedingt sind, nicht wirklich möglich. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen sowohl von der genetischen Ausstattung als auch von den Umwelterfahrungen geprägt ist. Zu den Umwelterfahrungen zählt neben anderem auch das Erziehungsverhalten der Eltern. Und dies ist bei mehreren Kindern in der Familie keineswegs stets gleich, auch wenn Eltern bestrebt sind, sich gegenüber allen ihren Kindern ähnlich zu verhalten und gleiche Erziehungsziele zu verfolgen.
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PETER PELIKAN Der gute Start
Geschwisterkinder sind verschieden Ob ein Kind ein erstgeborenes Kind ist, ein sogenanntes Sandwich-Kind oder das Nesthäkchen, – die Stellung in der Geschwisterreihenfolge hat wesentlichen Einfluss auf die Art und Weise, wie Eltern auf ihre Kinder einwirken. Erstgeborene stehen oft im Mittelpunkt der Aktivitäten der Eltern, sie erhalten vielfach mehr Aufmerksamkeit als ihre späteren Geschwister, und auch mehr Anleitung und Unterstützung. Später geborene Kinder werden meist viel selbstverständlicher erzogen. Allerdings haben sie ihre Eltern seltener ganz für sich und erhalten allein schon aus Zeitgründen weniger Aufmerksamkeit als das ältere Geschwister in der Zeit, in der es noch das einzige Kind war. Was sich das Erstgeborene an Freiraum erkämpfen musste, erhalten die jüngeren Geschwister oft ganz selbstverständlich. Ist das dritte Kind unterwegs, so fühlt sich das zweitgeborene Kind ähnlich „entthront“ wie vorher das erste. Es ist nicht länger das begehrte Jüngste, wird aber auch nicht zum „Großen“, sondern findet sich plötzlich in der Mitte zwischen der/dem Ältesten und dem Baby wieder. Manchmal fühlen sie sich ohne festen Platz und gewinnen leicht den Eindruck, ständig zu kurz zu kommen und benachteiligt zu werden. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich einige der „Mittelkinder“ (auch „Sandwich-Kinder“ genannt) mitunter recht herausfordernd verhalten. Schließlich wollen auch sie in der Familie ihre Rolle haben und ernst genommen werden.
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Eine Extrastellung nimmt in den meisten Familien das jüngste Kind ein. Es kann sein, dass es als Nesthäkchen besonders verwöhnt und verhätschelt wird. Es ist aber auch möglich, dass es sich öfter selbst überlassen bleibt, oder dass alle, besonders die älteren Geschwister, heftig an ihm herum erziehen. Wenn der Altersunterschied zu den anderen Geschwistern größer ist, erlebt es sich oft als der oder die ewig „Kleine“, das trotz aller Anstrengungen gar keine Chance hat, jemals die anderen einzuholen.
Was brauchen Einzelkinder? Kein noch so kameradschaftlicher Vater, keine noch so zärtliche Mutter kann Geschwister ersetzen. Kinder lernen im Zusammensein mit anderen Kindern anderes und auf andere Art und Weise: sie lernen miteinander zu teilen und zu verzichten, nachzugeben und sich zu behaupten, sich zu streiten und sich wieder zu versöhnen, zu warten und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Diese Erfahrungen können Einzelkinder nicht im gleichen Maße machen. Und dennoch müssen sie keine egoistischen, rechthaberischen, verwöhnten oder einsamen Menschen werden. Die Kindheitsforschung zeigt vielmehr, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass Einzelkinder grundsätzlich typische Persönlichkeitsmerkmale ausbilden, in denen sie sich von Kindern mit Geschwistern unterscheiden. Dies liegt vermutlich auch daran, dass viele Eltern ihre einzigen Kinder darin unterstützen, Erfahrungen zu machen, die das Fehlen von Geschwisterbeziehungen ausgleichen können.
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Ermöglichen Sie Ihrem Kind häufige und regelmäßige Kontakte zu anderen Kindern. Vielleicht findet es bald feste Freunde in der Nachbarschaft, in einer Spielgruppe oder im Kindergarten.
Ein Geschwisterchen ist unterwegs Ein großer Einschnitt für ein Kind ist, – wie für die ganze Familie – , die Ankunft eines Geschwisterchens. Die meisten Kinder freuen sich darauf, und dennoch fühlen sich fast alle von dem Neuankömmling auch irgendwie „bedroht“. Jetzt muss das ältere Geschwisterkind auf so vieles verzichten, woran es bisher gewohnt war. Es soll allein spielen, weil es nun „schon groß“ ist? Es soll nun nicht mehr im Mittelpunkt der Zuwendung stehen? Um diese Veränderungen und Befürchtungen eines älteren Geschwisters so gut wie möglich abzumildern, empfiehlt es sich, das Kind bereits in der Schwangerschaft auf das kommende Baby vorzubereiten. Ist Ihr Kind jünger als drei Jahre alt, teilen Sie ihm mit wenigen, einfachen Worten mit, dass ein Geschwisterchen unterwegs ist. Ihren anwachsenden Bauch wird es wahrnehmen, – erzählen Sie ihm ruhig, dass dort ein neues Baby heranwächst. Meist genügt es, wenn es davon im fünften oder sechsten Monat erfährt, 25
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dann ist auch die Zeit, bis das Baby da ist, nicht mehr so lange. Ist Ihr Kind bereits drei Jahre oder älter, kann es schon in den ersten Schwangerschaftsmonaten von der Ankunft eines Geschwisterchens erfahren. Dann sollte aber auch die Umgebung darüber Bescheid wissen dürfen, denn Ihr Kind wird diese Neuigkeit sicher gerne anderen mitteilen wollen.
Kind schon darüber aufklären müssen, wie das Baby in den Bauch gelangt ist. Interessant sein können aber Bilderbücher, in denen gezeigt ist, wie ein Baby im Bauch wächst. Manche Kinder reagieren aber trotz aller Vorbereitungen verunsichert und sind – wenn das Baby da ist – besonders anhänglich und weinerlich, besonders trotzig, oder sie fallen in babyhaftes Verhalten zurück.
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Für Ihr Kind wird es spannend sein, die Hand auf Ihren Bauch zu legen und die Bewegungen des Babys zu spüren. So entsteht Kontakt zum Geschwisterchen schon während der Schwangerschaft.
Babys, z. B. Creme und Puder, Windeln und Höschen reichen oder das Fläschchen halten.
• Die meisten Kinder schieben sehr gerne den Kinderwagen. • Vereinbaren Sie mit Ihren größeren Kindern täglich eine Zeit, in der Sie sich nur ihnen widmen; am besten, wenn das Baby schläft.
Betrachten Sie mit Ihrem Kind Fotos aus der Schwangerschaft mit ihm und aus der Zeit, als es selbst noch ein Baby war. So erkennt es, dass es bei seiner Ankunft ebenfalls im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden hat.
• Wenn eines Ihrer großen Kinder nun eine Windel oder ein
Richten Sie zusammen mit Ihrem Kind Bettchen, Wickeltisch und Spielsachen für das neue Baby her, damit es spürt, dass es für das Geschwisterchen wichtig ist.
• Verkneifen Sie sich bitte den Ausspruch: „Endlich ein
Erzählen Sie Ihrem Kind ruhig öfter davon, dass bald das neue Baby geboren wird. Einzelheiten würden es allerdings überfordern. Auch bedeutet Ihre Schwangerschaft nicht, dass Sie Ihr
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• Lassen Sie Ihr(e) Kind(er) mithelfen bei der Versorgung des
PETER PELIKAN Der gute Start
Fläschchen möchte, gehen Sie liebevoll auf das Spiel ein. Es wird sich darin bestätigt finden, die gleiche Zuwendung von Ihnen zu bekommen wie das Baby. Mädchen!“ oder „Endlich ein Junge!“ Das könnte das ältere Geschwister leicht missverstehen und sich selbst für weniger erwünscht halten.
• Stellen Sie den größeren Kindern das Baby nicht als Vorbild hin: „Schau mal, wie schön das Baby sein Fläschchen getrunken hat, und du sitzt immer noch vor dem vollen Teller!“
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• Bitten Sie Besucher – wenn möglich – darum, zuerst die größeren Kinder zu begrüßen und erst dann nach dem Baby zu sehen.
Helfen Sie ihm bei seiner Entfaltung:
• Schenken Sie dem Kind bewusst ausreichend Zeit und Aufmerksamkeit.
Kinder sind nicht alle gleich Fühlt sich Ihr Kind am wohlsten in einer Gruppe anderer Kinder? Oder ist es gerne allein und spielt für sich mit Bausteinen oder puzzelt?
• Sprechen Sie viel mit Ihrem Kind. Geben Sie ihm Gelegenheit, seine Gefühle auszudrücken und zeigen Sie ihm, dass Sie es ernst nehmen.
• Geben Sie Ihrem Kind ausreichend Gelegenheit, in Kontakt Ein kleiner Wildfang hat vermutlich wenig Schwierigkeiten, Kontakt zu anderen Kindern zu knüpfen, auf sich aufmerksam zu machen und zu seinem Recht zu kommen. Anders ein ruhiges, eher in sich gekehrtes Kind. Es geht selten aus sich heraus, spricht wenig und leise und hält sich in der Gruppe eher im Hintergrund. Still sein ist nicht unbedingt ein Manko. Die stillen Kinder sind oft ganz besonders sensibel und einfühlsam, sind gute Zuhörer, haben intensive und tiefe Empfindungen, vieles geht ihnen sehr nahe. Ein solches Kind wirkt oft besonders „pflegeleicht“, weil es wenig für sich einfordert, doch wird es damit auch leichter übersehen. Deshalb brauchen zurückhaltende Kinder ganz besonders viel Zuwendung.
mit anderen Kindern und Erwachsenen zu treten und ermutigen Sie es dabei.
• Stärken Sie das Selbstvertrauen Ihres Kindes. Loben Sie es, wenn ihm etwas gelungen ist, und übersehen Sie kleine Ungeschicklichkeiten.
„Wenn ich groß bin, heirate ich meine Mama!“ Mit vier Jahren verbünden sich viele Jungen mit ihrer Mama und viele Mädchen mit ihrem Papa. Dieser Entwicklungsabschnitt wird auch „ödipale Phase“ genannt, und die ist ganz normal. Selbst Sprüche wie „Mami ist ganz lieb, Mami mag ich viel lieber als dich, Papi!“ sollten Sie nicht beunruhigen. Ihr Kleines ist eifersüchtig! Es fühlt sich gerade besonders intensiv zu einem Elternteil hingezogen und lehnt den anderen umso heftiger als lästigen Rivalen ab. Gerade wenn Eltern miteinander zärtlich umgehen, sich küssen oder umarmen, schieben sich ganz schnell zwei kleine Arme dazwischen und drängen sie auseinander. Umso inniger wird dann mit Mama oder Papa allein geschmust.
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Im übrigen ist es genauso „normal“, wenn sich Kinder in diesem Alter zum gleichgeschlechtlichen Elternteil hingezogen fühlen, also Jungen zum Vater und Mädchen zur Mutter. Wer aktuell gerade „abgelehnt“ wird, sollte nicht empfindlich oder beleidigt reagieren. Ihr Kind muss seine Liebesfähigkeit entwickeln. In der frühen Babyzeit ist die Mutter die Hauptperson, dann werden beide Eltern geliebt, dann wieder mal der eine oder der andere Elternteil bevorzugt, bis sich in der Pubertät meist die Jungen den Vater und die Mädchen die Mutter zum Vorbild nehmen. Achten Sie aber auch darauf, dass Ihr Kind nicht zu sehr klammert – weder an die Mutter noch an den Vater. Sonst wird es sich auch später nur schwer lösen können, um andere (Liebes-) Beziehungen einzugehen. Auch bei der Liebe zwischen Eltern und Kind ist das richtige Maß das Ziel aller Dinge.
S TI EFFAM ILIEN/ PAT CHWO RK -FAM IL IEN
In Deutschland scheitert heute mehr als ein Drittel aller Ehen, fast die Hälfte dieser Paare hat Kinder unter 18 Jahren. Hinzu kommen noch Trennungen nicht verheirateter Paare, auch davon viele mit Kindern. Wenn ein Elternteil nach einer Trennung eine neue Beziehung eingeht, bekommen die Kinder eine „Stiefmutter“ oder einen „Stiefvater“. Das stellt alle Beteiligten vor besondere Anforderungen.
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Viele Eltern sehen sich in einer Zwickmühle: Da ist einerseits die Freude, einen Menschen für eine neue Beziehung gefunden zu haben, und andererseits Schuldgefühle dem Kind gegenüber, weil bei Papa nun eine andere Frau an die Stelle von Mama getreten ist, oder bei Mama ein anderer Mann an die Stelle von Papa. Hinzu kommt die Sorge, dass die neue Partnerin bzw. der neue Partner das Kind ablehnen könnte. Eine vordergründige Lösung besteht darin, die neue Partnerschaft vor allem dann zu leben, wenn das Kind sich beim anderen Elternteil aufhält. Dies wird jedoch auf Dauer nicht funktionieren, denn intensive persönliche Beziehungen lassen sich nicht so leicht begrenzen. Mit anderen Worten: Es gilt, Partnerschaft und Elternrolle zu vereinen. Die Erziehung der leiblichen Kinder ist oft schon kompliziert genug. Stiefeltern befinden sich in einer noch schwierigeren Situation, denn sie haben – juristisch gesehen – keine elterlichen Rechte den Stiefkindern gegenüber. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel nicht das Einverständnis zu einer ärztlichen Behandlung geben dürfen. Allerdings haben sie auch keine Pflichten diesem Kind gegenüber (z. B. Unterhalt).
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HINWEIS Als Stiefvater oder Stiefmutter dürfen Sie nur dann erzieherisch eingreifen, wenn Ihnen Ihre Partnerin bzw. Ihr Partner zustimmt. Vor allem sollten Stiefeltern nicht versuchen, Mutter oder Vater der Stiefkinder zu ersetzen. Das bringt die Kinder in Loyalitätskonflikte. Behutsame Annäherung ohne Druck und Zwang ist eine gute Strategie, damit eine „Patchwork-Familie“ zusammenwachsen kann. Und das dauert seine Zeit. Wissenschaftler gehen davon aus, dass fünf Jahre vergehen, bis eine neue Familie zusammengefunden hat.
nach einer gewissen Zeit ganz gut. Es kann dies aber auch ein mühsamer und sogar schmerzlicher Prozess sein, z. B. wenn ein bisher ältestes Kind zwei ältere Stiefgeschwister bekommt. Dann braucht es viel Geduld, guten Willen und elterliche Unterstützung: Haben Sie Verständnis für die Situation und die Gefühle Ihres Kindes wie Eifersucht, Trauer, Neid oder Enttäuschung. Auch Sie mögen nicht sofort jeden Menschen, mit dem Sie auskommen müssen, insbesondere dann nicht, wenn damit die Aufgabe eigener Privilegien verbunden ist.
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Regen Sie gemeinsame Unternehmungen an, bei denen sich die Kinder besser kennenlernen.
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Weitere Informationen finden Sie in der Broschüre „Krise, Trennung, Scheidung, Stieffamilie, Patchwork-Familie“ von Peter Pelikan e.V., zu bestellen unter www.peter-pelikan.de.
Sorgen Sie dafür, dass alle Kinder gerecht behandelt werden und keines bevorzugt oder benachteiligt wird.
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Erklären Sie Ihrem leiblichen Kind, dass es für Sie am wichtigsten ist und auch immer bleiben wird.
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Achten Sie darauf, dass Sie immer genügend Zeit ausschließlich mit ihrem/n leiblichen Kind/ern verbringen.
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Ist Ihr Kind nur besuchsweise bei Ihnen, ist es sehr hilfreich, wenn es auch bei Ihnen ein eigenes Zimmer oder einen eigenen Bereich (Bett, Regal) hat. So fühlt es sich nicht bloß als Gast.
Geschwister und Stiefgeschwister Wenn jeder der Partner Kinder in die neue Familie mitbringt, wachsen die möglichen Probleme: Auf das Kind kommt zu der Herausforderung, sich auf den neuen Partner einzustellen, noch hinzu, dass es sich auch mit einem oder mehreren Stiefgeschwister(n) zu arrangieren hat. Oft funktioniert das bereits
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Achten Sie auf psychische und physische Symptome (z. B. häufige Kopfschmerzen oder Schlafstörungen) und Verhaltensauffälligkeiten (z. B. heftige Aggressionen) der Kinder, – diese können auf Probleme hindeuten. Versuchen Sie in Gesprächen mit dem Kind, und gegebenenfalls unter Hinzuziehung einer Erziehungs- oder Familienberatungsstelle, Ursachen und Lösungsmöglichkeiten zu finden.
auf dem Weg, die wir Erwachsenen übersehen, sie hören das Hundegebell in der Ferne, das wir überhören. Deshalb braucht es in der Regel nur kleine Anstöße und Hinweise, um ein Kind für Natur und Umwelt empfindsam zu machen und zu begeistern. Was gibt es zu sehen?
• die Vögel im Vogelhäuschen • die heraufziehenden Regenwolken • die ersten Blumen im Frühling
www.bke.de
W AS BEDEUTET UMW ELT? Was hören wir?
Umwelt ist die Welt um uns herum. Es gibt die familiäre, häusliche, nachbarschaftliche Umwelt, und die sogenannte ökologische Umwelt, die gemeint ist, wenn wir von Umweltschutz sprechen. Um die Umwelt wahrzunehmen, müssen wir unsere Sinne gebrauchen und bewusst hinschauen, hinhören, riechen, schmecken und fühlen. Kinder haben, anders als viele Erwachsene, von sich aus noch eine deutlich ausgeprägtere Neugierde und Aufmerksamkeit, um die Dinge in ihrer Umgebung wahrzunehmen. Die Kinder entdecken die Schnecke
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• Wasser, das in die Badewanne läuft • das Raschelgeräusch von Reis, Salz, Nudeln im Karton • die Stille am Sonntagmorgen Was gibt es zu riechen?
• in der Küche beim Kochen: Zwiebeln, Kräuter und Gewürze • die Erde nach dem Regen, den Benzingestank der Autos • ein Stück Holz, eine Ledertasche, ... Was gibt es zu schmecken?
• Salz und Zucker, die saure Zitrone, die scharfe Zwiebel, die süße Kirsche Was gibt es zu fühlen? Schnee und Regen weiche, raue, harte Stoffe die glatte, kühle Glasmurmel der kuschelige Teddybär
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W AS B ED E UT ET U M WE LT ?
Erfahrungen durch Erlebnisse Erfahrungen machen Kinder aber auch durch eigene Tätigkeit und durch Experimente.
• Aus Samen wächst eine Pflanze. Sie brauchen dazu nur einen Blumentopf, Erde und Samen, der schnell aufgeht, z. B. Kresse, die als köstlicher Belag auf einem Butterbrot verzehrt werden kann.
• Kuchenbacken mit einem einfachen Rezept ist schon mit kleinen Kindern möglich.
BECHERKUCHEN
Zutaten: 3 Eier, 1 Becher Zucker, 1 halber Becher Öl, 1 Becher Sahne, 1 Becher Mehl, 1 Päckchen Backpulver, 1 Becher geriebene Nüsse oder Mandeln, 1 Becher Kakao So geht’s: Eier, Zucker und Öl schaumig rühren, nach und nach die übrigen Zutaten hinzufügen und mixen. In eine gefettete Kuchenform geben. Bei 220 Grad 45 Minuten backen. 1 Becher = ein leerer Joghurtbecher www.blinde-kuh.de/kueche/becherkuchen.html
Ein Beitrag zum Umweltschutz
• Viele Blumen stehen unter Naturschutz und dürfen nicht einfach abgepflückt werden.
• Kinder sind sehr ordnungsliebend und werden gern beim Mülltrennen mithelfen.
• Ein Einkaufskorb oder eine Stofftasche spart Plastikmüll. Plastiktüten können mehrfach benützt werden.
• Müllsparend sind Lebensmittel mit möglichst wenig Verpackung. Ihrem Kind wird es Spaß machen, Sie beim Einkauf in der richtigen Auswahl zu unterstützen. www.bund.net/service/oekotipps/kinder – Ökotipps speziell zum Thema „Kinder“ (Stand 2014)
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Die Buchreihe „Rucksackabenteuer mit Knud dem Umweltforscher” vermittelt Kindern ab 4 Jahren spannende Einblicke in naturwissenschaftliche Zusammenhänge und bietet Eltern eine hervorragende Grundlage, um mit Kindern die Natur zu erforschen. Verfügbar sind aktuell (2013) die Bände: „Erde, Matsch und Stein”, „Eiche, Farn & Specht”, „Kinder erforschen WasserWunderWelten” sowie „Sonne, Wind & Wasserkraft”. www.oekotopia-verlag.de
Mit fast fünf Jahren ist Ihr Kind nun auch schon alt genug, um aktiv zum Schutz der Umwelt beizutragen. 31
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EI NKA UFEN M IT D EM KI ND – EINE S TR APA ZE?
Das Einkaufen vor allem im Supermarkt kann eine wahre Strapaze für die Eltern, aber auch für die Kinder sein. Da scheinen die schönsten Dinge einfach nur herumzuliegen, und jeder nimmt sich, was er gerade mag – aus der Sicht des Kindes. Es will jetzt alles selbst machen, also auch einkaufen. Und Schokolade, Bonbons und Gummibärchen gibt es sogar noch direkt vor der Kasse in verführerischer Höhe! Umso enttäuschter wird Ihr Kind reagieren, wenn Sie seinen Einkauf rückgängig machen. Und Ihnen wird es schwer fallen, dem Kind klarzumachen, dass Ihre vielen Einkäufe allesamt nötig sind, seine wenigen dagegen nicht. Tipps gegen Einkaufstress Prüfen Sie zu Hause gemeinsam mit Ihrem Kind, was eingekauft werden muss. Ihr Kind wird stolz darauf sein, wie viel es sich ohne Einkaufsliste merken kann. Ihrem Kind wird es Spaß machen, wenn Sie es beim Einkaufen um Mithilfe bitten. „Wo ist das Regal mit dem Katzenfutter?“ oder „Wo ist die Sorte Butter, die wir immer nehmen?“. So geben Sie Ihrem Kind Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Vielleicht ist es dann gar nicht mehr nötig, sich mit zusätzlichen Süßigkeiten zu trösten?
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PETER PELIKAN Der gute Start
Lassen Sie Ihr Kind hin und wieder selbst eine Kleinigkeit aussuchen, die es dann an der Kasse bezahlen darf. So lernt es, dass man die Ware nur gegen Geld bekommt.
Mein Kind hat so viele Wünsche Markus geht mit seiner Großmutter durch ein Spielwarengeschäft. Sie möchte wissen, wofür er sich interessiert. Gleich am Anfang bleibt er bei den Modellautos stehen. Er will das Auto, den Kipper und den Geländewagen haben. Dazu will er eine Garage und eine Tankstelle. Beim Weitergehen kommen weitere Wünsche hinzu: ein Monster, einen Riesen-Teddybär, eine elektrische Eisenbahn und ... und ... und... Zudem haben manche Kinder bereits im Vorschulalter ein ausgeprägtes Anspruchsverhalten: sie wollen nicht irgendein T-Shirt, sondern eines mit einem bestimmten Firmenaufdruck, nicht irgendeine Limonade, sondern die, die im Werbefernsehen gezeigt wird. Eltern sollten sich in solchen Fällen überlegen, woher dies kommen könnte. Sieht das Kind zu viel fern? Messen die Eltern dem Erwerb und Verbrauch materieller Dinge selbst viel Bedeutung bei? Bereits jetzt können Sie damit beginnen, die Grundlagen für ein kritisches Konsumverhalten Ihres Kindes zu legen.
VORSORGE UNTE RSUC HU NGEN
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Sprechen Sie mit Ihrem Kind über den Wert des Geldes und darüber, dass es nicht unbegrenzt zur Verfügung steht.
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Wenn Sie ab und zu mit Ihrem Kind Werbesendungen im Fernsehen anschauen, sprechen Sie mit ihm in einer seinem Alter gemäßen Form darüber, dass so die Menschen beeinflusst werden sollen, bestimmte Dinge zu kaufen – auch solche, die sie gar nicht brauchen.
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Prüfen Sie kritisch Ihr eigenes Kaufverhalten: Neigen Sie zu Spontaneinkäufen im Beisein des Kindes? Machen Sie eine große Sache daraus, von welcher Firma Ihre Kleidung ist?
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Besuchen Sie mit Ihrem Kind einen Flohmarkt und zeigen Sie ihm, dass man viel Geld sparen kann, wenn man gebrauchte Sachen statt neue kauft.
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Sprechen Sie in der Familie ab, welche Geschenke dem Kind zu Geburtstag und Weihnachten gemacht werden und vermeiden Sie so doppelte Geschenke und Überfluss.
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Legen Sie einige Spielzeuge zur Seite und nehmen Sie sie erst nach einer Weile wieder hervor, dann sind sie für Ihr Kind wieder viel interessanter.
VORSORGEUNTERSUCHUNGEN
Die neunte Vorsorgeuntersuchung ist für die Zeit zwischen dem 58. und 61. Lebensmonat vorgesehen, also um den fünften Geburtstag herum. Nutzen Sie dieses Angebot. Zur Untersuchung gehören Messen und Wiegen, Hör- und Sehtest, eine Blutdruckmessung sowie die Untersuchung der inneren Organe und der Geschlechtsorgane. Ihr Kinderarzt wird Sie fragen, ob Ihr Kind häufig an Infekten leidet, ob es stottert oder Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Er wird sich auch mit Ihrem Kind unterhalten, um es besser beurteilen zu können. HINWEIS Vergessen Sie auch die Zahnvorsorge nicht! Regelmäßiges Zähneputzen und zweimal im Jahr Kontrolle durch den Zahnarzt sind auch bei Kindern nötig. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür.
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3 IHR KIND IST FÜNF JAHRE ALT MEILENSTEINE: 60 MONATE
KÖRPERLICHE GESCHICKLICHKEIT
ENTWICKLUNG DES DENKENS
Ihr Kind steigt Treppen sicher und freihändig. Es kann größere Bälle mit den Händen auffangen.
Ihr Kind erkennt Grundfarben und benennt sie. Es spielt intensiv Rollenspiele, verkleidet sich, verwandelt sich in Tiere, „Helden“ oder Vorbilder, auch mit anderen Kindern.
HAND-FINGER-GESCHICKLICHKEIT Ihr Kind kann mit einer Kinderschere entlang einer geraden Linie schneiden. Es kann einzelne Buchstaben oder Zahlen schreiben (zum Teil noch seitenverkehrt). Es malt und gestaltet gut erkennbare Bilder. SPRACHENTWICKLUNG Ihr Kind hat eine fehlerfreie Aussprache. Ereignisse oder Geschichten werden in richtiger zeitlicher und logischer Reihenfolge wiedergegeben, mit korrektem, jedoch noch einfach strukturiertem Satzbau.
DIE WELT WIRD IM MER G RÖßER
Mit fünf Jahren ist Ihr Kind ein „Vorschulkind“ und d. h., es befindet sich im letzten Kindergartenjahr und der Eintritt in die Schule wird im Verlaufe des kommenden Jahres erfolgen. 34
PETER PELIKAN Der gute Start
SOZIALE FÄHIGKEITEN Ihr Kind kann Spielzeug, Süßigkeiten u.ä. zwischen sich und anderen gerecht aufteilen. Es lädt gerne andere Kinder zu sich ein und möchte eingeladen werden. Das Kind kennt seinen Namen und seine Adresse. UMGANG MIT GEFÜHLEN Das Kind sucht noch engen Körperkontakt als Trost bei Kummer, Müdigkeit, Krankheit u.ä. Es ist in der Lage, über Gefühle, wie beschämende, frustrierende, unerfreuliche Ereignisse, zu berichten.
Damit dieser Schritt in einen neuen Lebensabschnitt gut gelingt, ist es wichtig, dass das Kind über eine entsprechende körperliche Reife, aber auch geistige, soziale und seelische Kompetenzen verfügt.
S T RE I T – M US S D A S S EI N ?
Viele Kindergärten machen Vorschulkindern besondere Angebote, die sie auf die sozialen und geistigen Herausforderungen der Schule vorbereiten. Inzwischen gibt es zahlreiche Ratgeber, was ein Vorschulkind schon können sollte und wie auch die Eltern ihre Kinder fördern können.
Mit fünf Jahren gelingt es auch schon ganz gut, zum Kindergeburtstag Freunde und Freundinnen aus dem Kindergarten und der Nachbarschaft einzuladen. Manche Eltern halten an der Regel fest, dass pro Lebensjahr ein Kind eingeladen werden darf.
Hohe Erwartungen und Druck seitens der Eltern können ein Kind aber stark belasten und eher Ängste als Freude auf den Schuleintritt erzeugen. Besonders wichtig ist es vor allem, das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein des Kindes zu unterstützten und das Kind beim Vertrauensaufbau zu stärken. Weiteres zum Thema Schulfähigkeit finden Sie auf S. 48
www.kindergeburtstag-planen.de – Ideen zur Gestaltung von Kindergeburtstagen (Stand 2014)
Die meisten Kinder sind im Alter von fünf Jahren schon sehr kontaktfreudig. Es wird ihnen immer wichtiger, auch außerhalb der Familie Freunde zu haben und Freundschaften zu pflegen. Das sollten Sie unterstützen: Damit Ihr Kind selbständig werden kann, braucht es gleichaltrige Freunde, an denen es sich messen kann. Der Kindergarten bietet die ideale Gelegenheit für Ihr Kind, Freundschaften zu knüpfen. Auch gemeinsame Unternehmungen mit anderen Eltern und deren Kindern machen allen Beteiligten Spaß und entlasten nicht selten von Quengelei und Unlust, die sich eher einstellen, wenn Sie mit Ihrem Kind alleine unterwegs sind. Ein gemeinsamer Schwimmbadbesuch, ein Ausflug zum Bauernhof, eine Verabredung am Schlittenberg, – es gibt viele Gelegenheiten, bei denen sich Eltern und Kinder treffen und eine anregende Zeit miteinander verbringen können.
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Eine kleine Überraschung, wie zum Beispiel eine besonders schöne Torte mit Kerzen, die das Geburtstagskind ausblasen darf, eine Geburtstagskrone und zwei, drei Spiele (Eierlauf, Blindekuh und Topfschlagen gehören zu den Klassikern) reichen völlig aus, damit die Geburtstagsfeier für Ihr Kind unvergessen bleibt. Sie sollten weder sich noch Ihr Kind durch zu viele Aktivitäten und Attraktionen überfordern.
S TR EIT – M USS DA S SEIN ?
Inzwischen kann Ihr Kind seine Wünsche und Gedanken schon sehr gut ausdrücken. Und das kann Sie ganz tüchtig herausfordern. So kann es immer öfter zum Streit kommen. Es ist wichtig für das Selbstbewusstsein und die Durchsetzungsfähigkeit eines jeden Kindes, seine Ansicht auch gegen 35
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Widerstand anderer vertreten zu können. Zugleich muss es erkennen, dass – trotz aller Aufregung – Aggressionen, Beleidigungen oder gar Gewalt dabei nichts zu suchen haben. Auseinandersetzungen in der Familie sind gut geeignet, eine positive Streitkultur einzuüben. Wut, Zorn, lautstarke Äußerungen und Weinen dürfen ruhig bei einem Streit dabei sein. Wichtig aber ist, dass alle Beteiligten fair und respektvoll dem anderen gegenüber bleiben, es geht um Argumente und das Verhandeln einer Sache, nicht darum, andere herabzusetzen oder anzugreifen. Insbesondere beim Streit zwischen Eltern und Kindern sollten die Erwachsenen darauf achten, ihre Überlegenheit dem Kind gegenüber nicht auszunutzen. Ihr Kind sollte die Chance haben, angstfrei seine Meinung zu verteidigen. Lassen Sie ihm dazu den nötigen Spielraum. Versuchen Sie, selbst dabei die Ruhe zu bewahren. Und hören Sie Ihrem Kind gut zu. Vielleicht schafft es ja, eine Kompromisslösung zu entwickeln, die auch für die anderen annehmbar ist. Wenn Ihrem Kind dies gelungen ist, ist es auf dem besten Weg, ein guter Konfliktlöser zu werden.
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PETER PELIKAN Der gute Start
HINWEIS Bei „Streit“ denken wir schnell an Wut, Hass, Ohnmacht und Tränen, an „Gegeneinandersein“. Tatsache aber ist: Ein Streit entsteht, wenn verschiedene Meinungen aufeinandertreffen und durchgesetzt werden wollen. Meinungsverschiedenheiten sind ganz normal, unsere Kinder werden in ihrem Leben immer wieder darauf treffen, und der Umgang damit will gelernt sein.
Streit unter Kindern Streit unter Kindern, vor allem auch unter Geschwistern, ist für die Eltern oft eine nervenaufreibende Angelegenheit. Dennoch ist Streiten unter Kindern unvermeidbar und wichtig. So lernen Kinder die Auseinandersetzung mit anderen, die ihnen gleichgestellt sind. Konflikte sind zudem ein wichtiges Erfahrungsfeld für soziale Kompetenzen, Erlernen von Einfühlungsvermögen und Perspektivenübernahme. Erwachsene sollten sich nach Möglichkeit nicht einmischen. Nur wenn einer dem anderen weh tut, ist Hilfe nötig. Wenn Sie die streitenden Kinder trennen müssen, sind Moralpredigten über Schuld und Einsicht überflüssig. Verurteilen Sie nicht den Streit als solchen, sondern nur die falschen Mittel. Auch hinterher sollten Sie sich nicht zum Ankläger, Verteidiger oder Richter machen, allenfalls zum Berater.
KEI N E M AC HT DE R GE W AL T
Was aber, wenn Sie zum Beispiel beobachten, dass ein älteres Kind ein jüngeres anhaltend provoziert und unterdrückt? In solchen Fällen können sich die Eltern nicht heraushalten, würde dies doch eine Anerkennung des „Rechts“ des Stärkeren oder Aggressiveren bedeuten. Anstatt der praktisch oft unlösbaren Frage nachzugehen, wer den Streit nun eigentlich angefangen hat, ist es besser, die Kinder zu ermutigen, in einer regelmäßig stattfindenden „Familienkonferenz“ ihre Beschwerden gegeneinander vorzubringen und nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Das heißt nicht, dass sie auch gefunden werden müssen. Eine erfolgreiche Familienkonferenz setzt allerdings voraus, dass sich die Gemüter beruhigt haben – dann kann eine solche Konferenz viel zu einem insgesamt entspannteren Familienklima beitragen.
• Bei häufigem Geschwisterstreit sollten Eltern sich aber auch immer wieder fragen, ob sie Streitsituationen verhindern können.
die besonderen Leistungen eines Kindes den anderen vorhalten, spornt das die anderen meist nicht an, sondern fördert die Rivalität unter den Geschwistern.
• Geschwister kommen oftmals besser miteinander aus, wenn jeder seine eigenen Spielkameraden hat. Sind die Geschwister wieder zusammen, kann jeder von seinen Erlebnissen berichten.
KE INE MA CHT DER GEW ALT
Seit Ende 2000 ist es in Deutschland per Gesetz festgeschrieben: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ § 1631 Abs. 2, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
• Jedes Kind braucht ab und zu den Vater oder die Mutter ganz für sich allein. Das kann auch beim Spielen, beim Einkaufen, bei einem Ausflug geschehen.
• Das Spielen mit den kleineren Geschwistern soll Spaß machen. Werden die älteren Kinder häufig zu BabysitterDiensten verpflichtet, kann dies Eifersucht und Streitereien fördern.
• Jedes Kind soll seine ganz speziellen Fähigkeiten entwickeln dürfen und dazu ermutigt werden. Wenn Eltern aber
Damit sind nicht nur Ohrfeigen und andere Schläge verboten, sondern auch seelische Verletzungen wie Beschimpfungen, Demütigungen, Missachtung und Vernachlässigung. Dies hat seine guten Gründe: Als Erziehungsmittel ist körperliche und seelische Gewalt völlig ungeeignet und hat verheerende Folgen. Gewalt ist Ausdruck unserer Hilflosigkeit, unsere „Rache“ am Kind, weil andere 37
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Bemühungen vergeblich waren. Doch stellen Sie sich vor, wie Gewalt auf Ihr Kind wirkt! Der Mensch, den es zutiefst liebt, nutzt seine Überlegenheit aus und verletzt und demütigt es.
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Mit jedem Schlag, den Eltern ihrem Kind zufügen, zerstören sie ein Stück der Beziehung zu ihm.
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Körperliche und seelische Gewalt verletzten die Würde des Kindes. Wir kennen die erniedrigende Wirkung einer Ohrfeige.
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Gewalttätige Eltern sind negative Vorbilder. Man weiß inzwischen, dass Kinder, die geschlagen wurden, später auch eher ihre Kinder schlagen.
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Schläge und Demütigungen machen Angst und zerstören das Urvertrauen des Kindes. Zum Teil entwickeln Kinder daraufhin Bindungsängste, die bis in das Erwachsenenalter hinein wirken.
Vor allem dann, wenn es Ihnen als Eltern wichtig ist, Ihr Kind zu einem selbstbewussten und durchsetzungsfähigen Menschen zu erziehen, bleibt es nicht aus, dass Sie durch Ihr Kind bisweilen aufs Höchste gefordert sind. Dass in besonders anstrengenden Situationen Ärger und Wut heraufsteigen, ist nicht immer zu vermeiden. Allerdings ist es wichtig, über Strategien zu verfügen, um Eskalationen zu vermeiden. Wenn Ihr Kind Sie wieder ein mal „auf die Palme bringt“, verlassen Sie das Zimmer, holen Sie tief Luft und bleiben Sie ein paar Minuten für sich. So verraucht der erste Ärger und Sie haben wieder einen klaren Kopf, um auf das Verhalten Ihres Kindes angemessen zu reagieren.
P ET ER PE LIK A N P LUS
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Näheres hierzu können Sie auch in unserem Expressbrief „Starke Charaktere“ finden. Ein kostenloser Download ist unter www.peter-pelikan.de möglich.
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Gewalttätige Erziehungsmethoden können Kinder vielleicht davon abhalten, etwas zu tun, was sie nicht tun sollen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie deshalb auch wüssten, das Richtige zu tun.
G EBO TE UN D VERBO T E
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Körperliche Gewalt wirkt sich unmittelbar auf Gesundheit und Unversehrtheit des Kindes aus. Mögliche Folgen sind: Gehirnschädigung, Blutergüsse, Abschürfungen, Verbrennungen, Knochenbrüche u.a.m.
Maxi trödelt beim Anziehen. Er ist nicht fertig, als seine Freundin Tina ihn zum Kindergarten abholen will. Sie geht ohne ihn. Am nächsten Morgen ist Maxi im Nu angezogen. Er wartet auf Tina bereits am Gartenzaun!
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„I C H B IN WÜ TE N D!“
Petra malt gerne. Da passiert es, dass sie mit dem Pinsel über das Bild hinaus schießt und den Tisch beschmiert. Ihre Mutter sagt ihr: „Du weißt, wo Wasser und Lappen sind, wisch den Tisch bitte wieder ab. Dort sind Zeitungen, die du unterlegen kannst.“ Vertrauen Sie ruhig auf die Lernbereitschaft Ihres Kindes! Kinder lernen, dass all ihr Tun Konsequenzen nach sich zieht. Aber nicht immer liegen die Dinge so einfach wie in diesen Beispielen. Manchmal müssen wir uns fragen, warum sich das Kind so verhält, warum es z. B. lustlos im Essen herumstochert, dauernd zu spät kommt oder anhaltend bockig ist. Hat es Kummer, wird es krank, stimmt etwas mit unseren Familienregeln nicht? Wie können wir ihm helfen, sein Verhalten zu ändern? Vielleicht gibt es zu viele Gebote und Verbote, die das Kind einengen? Darf das Kind ein bestimmtes Fernsehprogramm wirklich deshalb nicht schauen, weil es nicht kindgerecht ist, oder haben wir nur aus reiner Gewohnheit verboten, es anzuschauen? Bevor wir Gebote oder Verbote aussprechen, sollten wir tief Luft holen und fragen, ob sie wirklich sinnvoll und erforderlich sind. Wenn wir das bezweifeln, sollten wir lieber nichts unternehmen und abwarten, bis wir wissen, was wir tatsächlich wollen. Sind wir aber von der Notwendigkeit bestimmter Verbote überzeugt, dann sollten wir auch auf der Einhaltung der Regeln bestehen und nicht erst lange Diskussionen darüber führen.
Konsequenz ist alles? Aber müssen einmal ausgesprochene Anordnungen immer befolgt werden? Zunächst gilt: Ihr Kind muss wissen, woran es
bei Ihnen ist. Es wird verunsichert, wenn Sie heute verbieten, was Sie gestern erlaubten, oder umgekehrt. Sprechen Sie Gebote nur aus, wenn Sie sicher sind, bei Nichtbefolgung auch tatsächlich reagieren zu können. Mit der Zeit verliert Ihr Kind sonst die Orientierung. Es kann sich nicht länger darauf verlassen, was Sie von ihm erwarten und was nicht. Das kann für ein Kind sehr schwierig und belastend sein, denn aus Liebe zu Ihnen will es ja meist Ihre Erwartungen erfüllen.
HINWEIS Wenn Ihr Kind weiß, woran es bei Ihnen ist, was erlaubt und was verboten ist, dann fühlt es sich bei Ihnen geborgen.
„ICH BIN W ÜTEN D!“
Dachten Sie, Wutausbrüche und Zornanfälle gehören endlich der Vergangenheit an? Leider nicht! „Nur“ weil Laura eine Fernsehsendung nicht sehen darf, stampft sie heftig auf den Boden. „Nur“ weil Maxi den Knopf an seiner Hose nicht aufbekommt, reißt er ihn wütend ab. Wie langsam die Wut aus dem Bauch immer höher aufsteigt und heißer wird, kennen wir alle aus eigener Erfahrung. Erwachsenen geht es da nicht anders als Kindern, nur haben wir meist schon besser gelernt, mit unserer Wut umzugehen und unsere Gefühle zu steuern. Fünfjährige Kinder stehen dagegen noch ganz am Anfang. 39
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Woher kommt die Wut? Ein Wutanfall entsteht häufig durch einen der folgenden Gründe:
• Ihr Kind ist überfordert durch Erwartungen, die es nicht erfüllen kann.
• Ihr Kind ist frustriert, weil etwas nicht so gelingt, wie es
Lassen Sie zu, dass Ihr Kind der Wut erst einmal Raum gibt. Machen Sie aber auch deutlich, dass dabei Regeln einzuhalten sind: weder dürfen Gegenstände zerstört noch andere Personen verletzt werden.
sich dies wünscht, oder es etwas nicht bekommt. Manchmal hat die kindliche Wut aber auch andere Ursachen:
• Ihr Kind will Sie mit seinem Wutanfall unter Druck setzen und seinen Willen durchsetzen.
• Ihr Kind will Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Zeigen Sie Ihrem Kind stattdessen akzeptable Formen auf, mit seinen Aggressionen umzugehen, indem es die Wut rausschreien darf, mal kräftig mit dem Fuß aufstampfen darf, …
• Ihr Kind fühlt sich nicht ausreichend wahrgenommen und wertgeschätzt.
Was tun bei einem Wutanfall? Gutes Zureden und Erklärungen haben meist keinen Sinn mehr, wenn der Wutanfall schon da ist.
HINWEIS Wichtig ist, dass Sie selbst möglichst ruhig bleiben. Atmen Sie tief durch. Denken Sie daran, dass der Wutausbruch entsteht, weil das Kind mit sich selbst unzufrieden ist. Er ist nicht gegen Sie als Person gerichtet.
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Lassen Sie Ihr Kind in dieser Situation nicht alleine. Manche Eltern sagen: „Wenn du nicht mehr wütend bist, kannst du wieder kommen!“ Solche Worte sind gut gemeint, doch meistens besänftigen sie das Kind nicht, im Gegenteil, es fühlt sich unverstanden und ausgeschlossen. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie es ernst nehmen und auch dann zu ihm stehen, wenn es wütend und aggressiv ist. Wichtig ist allerdings, dass Sie bei einem Wutanfall nicht nachgeben. Ihr Kind muss lernen, dass Wutausbrüche kein Weg sind, um den eigenen Willen durchzusetzen. Bleiben Sie zum
L O B IS T DER DÜN G ER DES L E BEN S
Beispiel ruhig und konsequent bei Ihrem Verbot, auch und gerade weil Ihr Kind darauf mit einem Wutanfall reagiert. Manche Kinder können, sobald die Wut verraucht ist, von sich aus den ersten Schritt zurück in die Normalität tun. Kann ein Kind das nicht, braucht es Ihre Unterstützung. Eine Aufforderung zum Spiel oder zur Mithilfe kann erlösend wirken. Oft kann Ihrem Kind auch Ihre Feststellung helfen: „Da hast du dich aber schrecklich ärgern müssen.“
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Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, was der Grund für den Wutausbruch war. Nehmen Sie es ernst und hören Sie ihm zu. Das stärkt sein Vertrauen zu Ihnen. Vielleicht erinnern Sie sich an ähnliche Vorfälle aus Ihrer Kindheit, erzählen Sie Ihrem Kind davon. Machen Sie ihm aber auch deutlich, dass jeder lernen muss, mit Unmut und Enttäuschungen friedlicher umzugehen.
Ein schöneres Lob kann es für Janine gar nicht geben. Ihr buntes Mobile mitten im Esszimmer, wo alle es sehen und bewundern können. Nicht nur Papa und Oma, sondern alle, die zu Besuch kommen. Janine ist begeistert. Jeder Mensch braucht Lob und Anerkennung. Lob unterstützt die Entwicklung von Selbstbewusstsein und stärkt die Selbstgewissheit des Kindes. Es spornt an, so weiter zu machen. Es tut einfach gut. Doch auch Loben will gelernt sein. Zu wenig Anerkennung ist genauso ungünstig wie zu viel Lob. Lob muss glaubwürdig sein, nicht übertrieben, und am besten situationsbezogen. Pauschales Lob wie „Super gespielt“ hat längst nicht die günstige Wirkung wie konkretes Lob: „Dein Pass am Ende saß genau richtig.“ Mit dieser Rückmeldung erfährt das Kind, wo seine persönlichen Stärken liegen und worauf es ankommt.
L OB I ST DER DÜ NGER DES LEB ENS
Janine hat im Kindergarten ein Mobile aus bunten Fischen gebastelt. Stolz zeigt sie es ihrer Mutter. „Das sieht ja wunderschön aus!“, lobt sie. „Komm, wir hängen es gleich hier im Esszimmer auf!“ 41
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Dennoch sollten Sie beachten: Lob kann auch einengen und unter Leistungsdruck setzen, denn es kann dem Kind den Eindruck vermitteln, stets erfolgreich sein oder sich richtig verhalten zu müssen. Eine Gefahr besteht auch darin, dass ein Kind stark vom Wohlwollen anderer abhängig wird und ohne positive Rückmeldung von außen kaum Selbstbewusstsein aufbaut.
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Denken Sie als Eltern um! Belohnen Sie nicht mit Gaben und Geschenken, sondern mit Zeit! Zeit ist das Wertvollste, was Sie Ihren Kindern schenken können. Und von Zeit und Zuwendung können Kinder nie genug bekommen!
www.urbia.de/magazin/familienleben/erziehung/ kinder-richtig-loben (Stand 2013)
FÜ R UND WIDER DIE KR ITIK BELOHNUNG – JA ODER NEIN
Mit Belohnungen ist das so eine Sache. Einmal eingeführt, spüren Kinder sehr schnell, wann sie für ein gutes Verhalten eine Belohnung bekommen sollten.
„Häng’ doch die Jacke an den Haken! Deine Schuhe stehen schon wieder mitten im Weg! Wie schaut überhaupt deine Hose aus! Kannst du dich immer nur schmutzig machen?“ Manchmal nehmen Wut und Verärgerung in uns einfach überhand, wir schimpfen, sind mit uns selbst und der Welt im Unreinen.
Eltern rutschen meist ganz unbewusst in diesen Teufelskreis. Eine kleine Belohnung hin und wieder mag nicht schaden, dennoch sollte es nicht so weit kommen, dass die Kleinen regelmäßig ausgeteilte Belohnungen als Lohn empfinden, der ihnen zusteht. Wichtig ist, dem Kind zu vermitteln, dass ein bestimmtes Maß an gutem Benehmen und an Mithilfe selbstverständlich ist, ohne dass damit eine Belohnung verbunden ist.
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Materiellen Belohnungen stehen Kinder oft auch hilflos gegenüber. Ihnen fehlen schlichtweg die Wertmaßstäbe. Sie können nicht einschätzen, wie teuer das rote Rennauto im Vergleich zu einer Tüte Gummibärchen ist.
Üben Sie nicht Kritik an der Person Ihres Kindes, lediglich an seinem Verhalten. Sagen Sie deshalb nicht: „Bist Du ungeschickt. Dich kann man aber auch nichts machen lassen.“ sondern; „Nimm’ bitte ein Spültuch und wisch’ alles auf. Du hast mit zu viel Schwung eingegossen!“
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Zeigen Sie Ihrem Kind zugleich, wie es richtig geht und ermutigen Sie es, das Ganze noch einmal zu versuchen.
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F ER I E NT I PP S , D I E N IC H T V I E L K O S T EN
FERI ENTIPPS, DIE NICHT VIEL KOSTEN
Urlaub mit der ganzen Familie ist für viele einer der Höhepunkte im Jahr. Urlaub heißt, Abstand vom Alltag zu gewinnen, Zeit für sich zu haben, zu entspannen, aber auch, die Familie in den Mittelpunkt zu rücken, Zeit füreinander zu haben und Erlebnisse miteinander zu teilen. Doch ein Urlaub kostet auch. Viele Familien verzichten aus finanziellen Gründen auf Ferienreisen. Allerdings gibt es eine Reihe von Ferienangeboten für Familien, die den Geldbeutel weniger belasten und einen „Tapetenwechsel“ zulassen, auch wenn ihre Ferienkasse nicht so prall gefüllt ist. Etliche Städte und Gemeinden bieten kostengünstige Ferienangebote für Kinder und Jugendliche, darunter auch Tagesausflüge in die Umgebung. Informationen hierzu erhalten Sie beim Jugendamt Ihrer Gemeinde. 120 Familienferienstätten gibt es in Deutschland. Sie sind gemeinnützig und ermöglichen individuellen Familienurlaub zu günstigen Preisen. In einigen Bundesländern können Sie zusätzlich Zuschüsse erhalten. Pädagogische Angebote wie Freizeitaktivitäten, Bildungsangebote oder Kinderbetreuung gehören zum Konzept von Familienferienstätten dazu und sind im Preis inbegriffen. www.urlaub-mit-der-familie.de
Auf den Hütten des Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Alpenvereins werden Bergferien angeboten. Halbpension und Programm für die ganze Familie sind inbegriffen. www.alpenverein.de Auch Jugendherbergen eignen sich für den preisgünstigen Familienurlaub. Inzwischen haben rund 100 Jugendherbergen sogar das Prädikat "Familien-Jugendherberge" erhalten. Sie verfügen über Familienzimmer mit familiengerechter Ausstattung, bieten kindgerechtes Essen, besondere Freizeitangebote und Spiel- und Sportmöglichkeiten auf dem Gelände. www.jugendherberge.de Denken Sie auch an eine Mütter-Kur oder eine Mutter/VaterKind-Kur. Jede Mutter und jeder Vater hat Anspruch auf eine solche Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme, wenn entsprechende Voraussetzungen erfüllt sind. Informationen dazu erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse oder beim Müttergenesungswerk. www.muettergenesungswerk.de
VORSORGEUNTERSUCHUNGEN
Haben Sie schon die neunte Früherkennungsuntersuchung durchführen lassen? Sie steht zwischen dem 58. und 61. Lebensmonat an.
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M ÜSS EN KIN DER HÖFLICH S EIN? Grüßen und Verabschieden Freundliches Grüßen, Begrüßen und Verabschieden sollten selbstverständlich sein. Das fällt Kindern allerdings nicht immer leicht, vor allem, wenn es um Personen geht, die sie nicht so gut kennen. Lassen Sie Ihrem Kind Zeit, sich an solche Situationen zu gewöhnen. In Rollenspielen können Sie mit ihm Begrüßungsszenen spielerisch üben, dann fällt es ihm beim nächsten Mal nicht mehr so schwer.
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Einfache erste Höflichkeitsformen, die auch Kinder bereits verstehen: 4
Wir wünschen uns einen guten Morgen.
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Wir verabschieden uns – vor dem Kindergarten, vor der Arbeit, vor dem Einkaufen.
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Wir grüßen Nachbarn und Bekannte.
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Wir lassen uns gegenseitig aussprechen; wenn jemand etwas erzählt, hören wir zu.
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Wir bedanken uns.
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Wir wünschen uns eine gute Nacht, bevor wir ins Bett gehen.
Sich entschuldigen Jedes Kind muss auch lernen, sich zu entschuldigen, wenn es sich anderen gegenüber nicht richtig verhalten hat. Es ist sicher nicht immer leicht, das eigene Fehlverhalten zuzugeben und zum Ausdruck zu bringen, wie Leid es einem tut. Aber auch hier können Sie Vorbild sein: Wenn Sie Ihrem Kind Unrecht getan haben, sollten Sie auch als Elternteil zugeben, dass dies nicht in Ordnung war. So lernt Ihr Kind, wie wichtig und wohltuend es ist, wenn jemand um Verzeihung bittet.
Richtig telefonieren Vielen Kinder macht es riesigen Spaß, zu Hause die Telefonate anzunehmen. Auch hier ist höfliches Verhalten wichtig. In einem Rollenspiel können Sie mit Ihrem Kind üben, sich mit Vor- und Nachnamen zu melden, zu grüßen und bei Bedarf weiterzuleiten: „Einen Moment bitte, ich rufe meine Mama.“
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H IL F E , M EI N K I N D L ÜG T!
HILFE, ME IN KIN D LÜGT!
Aufgeregt berichtet ein Vater: „Da wagt Sarah doch glatt, mir ins Gesicht zu lügen, sie hätte keine Schokolade genommen. Dabei klebt sie ihr noch an den Händen!“ Eltern erschrecken meist sehr, wenn sie von ihrem Kind belogen werden. Wieso macht es Dinge, von denen ich nichts wissen darf? Und habe ich ihm nicht beigebracht, die Wahrheit zu sagen? Kinder können erst ab einem Alter von etwa vier Jahren die Unwahrheit sagen. Dann erst können sie sich in andere Menschen hineinversetzen, und sie haben erkannt, dass es mehr als eine Version der Wirklichkeit geben kann.
WAS ABER SIND GRÜNDE, WARUM KINDER LÜGEN? Kleine Kinder bis zum Schulalter können häufig noch nicht zwischen Realität und Fantasie unterscheiden und erfinden Geschichten oder übertreiben bei ihren Erzählungen. Kinder lügen aber auch aus Angst vor Strafen, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Verdeutlichen Sie Ihrem Kind, dass es ohne Angst die Wahrheit sagen kann, wenn es etwas angestellt hat. Lügen entstehen auch aus dem Bedürfnis, sich interessant zu machen und Anerkennung zu bekommen. „Ich bekomme bald ein eigenes Handy.“ „Ich kann schon richtig reiten.“ Wenn ein Kind aus solchen Gründen flunkert, ist es empfehlenswert, sein Selbstwertgefühl zu stärken. Auch ist es unser eigenes Vorbild, das das Verhalten unserer Kinder mitbestimmt. Unsere sogenannte „Notlüge“ empfinden Kinder meist als glatte Lüge. Bemühen Sie sich selbst um Ehrlichkeit, und vor allem: Lügen Sie Ihr Kind nicht an.
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„MAMA, PAPA , ICH MÖCHTE E IN HAU STIER!“
Ein Tier zu haben kann eine wunderschöne Erfahrung sein. Wenn Sie bisher noch kein Tier haben und Ihr Kind einen entsprechenden Wunsch äußert, sollten Sie das Für und Wider sorgsam abwägen. In diesem Alter verwechseln Kinder lebende Tiere oft noch mit pflegeleichten Plüschtieren, die nur zum Schmusen da sind, aber sonst keine Bedürfnisse haben. Häufig hört man, dass Kinder im Umgang mit einem Tier lernen können, für ein Lebewesen zu sorgen, Verantwortung zu übernehmen und zu erfahren, dass jemanden zu lieben auch bedeutet, dafür etwas zu tun, auch wenn man gerade keine Lust hat. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber Fünf- bis Sechsjährige sind mit der regelmäßigen Versorgung eines Tieres noch überfordert. Kinder sind erst ab zehn Jahren dazu in der Lage.
Wenn Sie ein Tier bei sich aufnehmen möchten, sollten Sie sich in einer guten Tierhandlung, beim Tierschutzverein, im Tierheim und in geeigneten Büchern über die notwendige Ernährung, Pflegebedingungen, die artgerechte Haltung, eventuelle typische Krankheiten, notwendige Impfungen und die zu erwartenden Kosten (Anschaffung und Unterhalt) erkundigen. Leidet ein Familienmitglied unter einer Allergie, z. B. gegen Katzenhaare, ist von der Anschaffung eines Tieres abzuraten. Der Kummer, ein geliebtes Tier wieder hergeben zu müssen, ist größer als der, gar keines zu bekommen.
HINWEIS Grundsätzlich sollten Sie Ihrem Kind nur dann ein Tier schenken, wenn Sie selbst auch eines möchten und bereit sind, die Pflege weitgehend zu übernehmen. Auch sollten Sie eine Lösung dafür haben, wo das Tier in den Ferien versorgt werden kann. Vielleicht können Sie erst einmal ein Tier aus dem Bekanntenkreis „ausleihen“, um herauszufinden, wie ein Zusammenleben funktioniert?
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Von ärztlicher Seite wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es aus hygienischen Gründen unverzichtbar ist, nach jedem Streicheln des Tieres und jedem Säubern seiner Schlafstätte oder seiner Toilette die Hände zu waschen und niemals das Tier ins Bett zu lassen. www.haustier-infos.eu – Informationen zu verschiedenen Haustierarten, ihren Eigenschaften und Haltungsbedingungen (Stand 2013)
4 IHR KIND IST SECHS JAHRE ALT SU PERM ÜT TER U ND SUPER VÄ T ER?
Immer mehr Eltern müssen einer Doppelrolle gerecht werden: als Mutter oder Vater neben der Berufstätigkeit. Frauen halten es längst für selbstverständlich, dass auch sie einem Beruf nachgehen, und zunehmend mehr Männer finden es inzwischen selbstverständlich, auch zu Hause mitzuhelfen. Nicht selten aber bemühen sich gerade berufstätige Eltern, unter sinnlosen Opfern zu „Supermüttern“ und „Supervätern“ zu werden. Doch überfordern Sie sich nicht! Wer wenig Zeit hat, kann versuchen, sorgfältig mit ihr umzugehen und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
• Wenn Ihr Kind einmal krank wird: Falls niemand aus Ihrem Haushalt seine Pflege übernehmen kann, stehen Ihnen – wenn Sie gesetzlich krankenversichert sind – für jedes Kind bis zum zwölften Lebensjahr und für behinderte Kinder ohne Altersbeschränkung bis zu 20 bezahlte Arbeitstage (für Vater und Mutter bis zu je 10 Tage, für Alleinerziehende bis zu 20 Tage) pro Jahr für seine Pflege zu. Für diese Zeit erhalten Sie Krankengeld von Ihrer Krankenkasse, soweit Sie nicht eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber bekommen (meist nur für eine kürzere Zeit). Informationen dazu erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse, den Gewerkschaften oder bei Ihrem Arbeitgeber. In größeren Betrieben können Sie sich auch an den Personalrat wenden.
• Vielleicht hilft es Ihnen, sich nach dem Arbeitstag erst einmal zu entspannen bei einem gemeinsamen Tee, einer Brotzeit oder Jause.
• Teilen Sie die Hausarbeit auf, auch Ihr Kind hilft gerne mit. Abends müssen keine großen Essen gekocht werden und es gibt Wichtigeres als einen perfekten Haushalt.
• Versuchen Sie, die verbleibende Zeit zum gemeinsamen Erzählen und Spielen zu nutzen. Natürlich gehören dazu auch Hausaufgaben, aber eben nur „auch“.
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Die Kindergartenzeit geht nun langsam zu Ende. Vielleicht haben Sie Ihren Sohn bzw. Ihre Tochter schon in der Schule angemeldet, vielleicht waren Sie mit Ihrem Kind auch schon zu Besuch dort. Mit dem Gedanken, in die Schule gehen zu dürfen, verbinden viele Kinder etwas sehr Positives: Jetzt bin ich endlich groß. Ich bin kein Kindergartenkind mehr! Stärken Sie diesen Stolz, diese positive Einstellung. Ein Anfang mit Freude ist die halbe Miete für die weitere Schulzeit. Sprechen Sie nicht vom Ernst des Lebens, der jetzt beginnt! Das verängstigt, verunsichert und überfordert Ihr Kind eher. Kinder, die bis zu einem bestimmten Stichtag des aktuellen Kalenderjahres sechs Jahre alt sind, werden im Sommer desselben Jahres eingeschult. Den Stichtag legt jedes Bundesland in seinem Landesschulgesetz fest. Zur Einschulung müssen die Kinder an einem bestimmten Tag in der für sie zuständigen Schule angemeldet werden. Meist ist die Schule in dem Wohnbezirk der Familie maßgeblich. Datum, Ort und die Angabe der erforderlichen Papiere für die „Einschreibung“ in die Grundschule erfahren Sie in der Regel durch eine schriftliche Benachrichtigung. Der Zeitpunkt der Anmeldung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Haben Eltern den Eindruck, dass für ihr Kind eine frühere Einschulung sinnvoll sein könnte, können sie einen Antrag auf
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vorzeitige Einschulung bei der Schulleitung der Grundschule stellen. In einigen Bundesländern muss dann ein Schulreifetest bzw. Schulfähigkeitstest durchgeführt werden, oder die Schulreife wird durch den Schularzt bzw. Schulpsychologen festgestellt. Die endgültige Entscheidung für oder gegen eine vorzeitige Einschulung trifft die Schulleitung bzw. die Schulaufsichtsbehörde anhand der Ergebnisse. In einigen Bundesländern besteht die Möglichkeit einer flexible Einstiegsphase in die Grundschule. Die Klassen Eins und Zwei werden hier gemeinsam unterrichtet. Je nach Entwicklungsstand kann ein Kind ein, zwei oder drei Jahre in dieser Klasse bleiben. Genauere Informationen über die landesrechtlichen Regelung der Einschulung und mögliche Änderungen erhalten Sie bei der Schulleitung, beim örtlichen Schulamt oder beim zuständigen Landesministerium.
Schuleingangsuntersuchung In allen Bundesländern sind schulärztliche Untersuchungen vorgesehen, meist sind sie sogar verpflichtend. Der zuständige Schularzt führt diese Untersuchung durch und überprüft, ob das Kind körperlich und geistig den Anforderungen der Schule gewachsen ist. Dabei werden Größe und Gewicht gemessen,
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Hör- und Sehvermögen geprüft, Herz und Kreislauf untersucht, die Grob- und Feinmotorik geprüft und etwaige Sprachstörungen, Zahn- und Haltungsschäden festgestellt. Sollten Schwierigkeiten vorhanden sein, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Kind nicht eingeschult werden kann. Vielmehr können Sie gemeinsam mit dem Arzt überlegen, was unternommen werden kann, um evtl. Entwicklungsverzögerungen auszugleichen.
Ist mein Kind schulfähig? Um diese Frage auch für sich selbst besser beantworten zu können, überprüfen Sie:
• Wie beurteilt die Erzieherin im Kindergarten die Entwicklung Ihres Kindes? Wie beurteilen Sie selbst seine Entwicklung?
• Wie steht Ihr Kind zur Einschulung? Freut es sich schon auf die Schule? Ist ihm der Kindergarten schon langweilig oder möchte es am liebsten noch dort bleiben?
HINWEIS Vielleicht haben Sie ein Kind, das aufgrund seiner besonderen Behinderung nicht für die Regelschule in Frage kommt. Welche konkreten Hilfen für Ihr Kind möglich sind, können Sie von Ihrem Jugendamt oder über die Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (BAGH) e.V. in Erfahrung bringen. Gemäß der UN-Behindertenkonvention von 2006 sollen alle Kinder gemeinsam zur Schule gehen dürfen, gesunde und behinderte, begabte und entwicklungsverzögerte, lernschwache und verhaltensauffällige. In den nächsten Jahren wird auch in Deutschland das Inklusionskonzept umgesetzt werden, je nach Bundesland etwas früher oder später. Erkundigen Sie sich deshalb nach Regelschulen, die in Rahmen der sogenannten „Inklusion“ Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufnehmen und besondere Förderangebote für sie bereithalten.
• Was rät Ihnen Ihr Kinderarzt bzw. Ihre Kinderärztin? Bei Behinderungen ist der schulärztliche Rat besonders wichtig, etwa um festzustellen, welche Möglichkeiten die Schule hat, das Kind aufzunehmen, und mit welchen zusätzlichen Hilfen ihm der Schulanfang erleichtert werden kann. Wenden Sie sich auch an eine Erziehungsberatungsstelle in der Nähe, wenn Sie weitere Informationen und Unterstützung brauchen.
Wenn Ihr Kind zurückgestellt wird Falls Sie nicht selbst die Zurückstellung beantragt haben, Ihnen diese aber nahegelegt wird, zeigen Sie Ihrem Kind keine Enttäuschung oder Verärgerung – weder über die Schule noch über das Kind. Über Glück und Erfolg im Leben sagt eine Zurückstellung gar nichts aus. Sehen Sie lieber das „gewonnene“ Jahr als eine Chance für einen leichteren Start im folgenden Jahr. Und bedenken Sie, 49
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dass es später meistens leichter ist, zu den älteren Schülern in der Klasse zu gehören. Hierbei kann es von Vorteil sein, das Kind in eine geeignete Kindergruppe zu geben, in der es durch Anregungen, Herausforderungen und Kontakte mit anderen Kindern besonders gefördert wird. Die Schule kann Sie über entsprechende Angebote informieren. Darüber hinaus können Sie Ihr Kind fördern, indem Sie viel mit ihm sprechen, es zu Fragen ermutigen und seine Fragen beantworten, mit ihm gemeinsam etwas unternehmen und spielen, es aber auch mit anderen Kindern spielen und toben lassen.
So klappt der Schulanfang Einige Wochen vor Schulbeginn ist es an der Zeit, mit Ihrem Kind den künftigen Schulweg einzuüben. Suchen Sie immer den sichersten Weg aus, auch wenn er etwas länger ist. Lassen Sie sich nach einigen Malen von Ihrem Kind führen, um zu sehen, wie sicher es schon geworden ist. Ihre Begleitung braucht es so lange, bis Sie davon überzeugt sind, dass es sich trotz aller Anspannung in der Schule noch auf den Straßenverkehr konzentrieren und den Weg sicher bewältigen kann.
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Hören Sie sich um, ob es in Ihrem Stadtviertel einen „Bus mit Füßen“ gibt, oder rufen Sie einen ins Leben. Es handelt sich dabei um eine organisierte Geh-Gemeinschaft: eine Gruppe von Kindern, die in Begleitung eines Erwachsenen, z. B. Eltern im Wechsel, zu Fuß zur Schule und nach Hause begleitet werden.
Das braucht Ihr Kind zum Schulanfang Zur Grundausstattung gehört ein Schulranzen, den Ihr Kind möglichst selbst mit aussuchen sollte. Achten Sie darauf, dass er leicht ist und breite, gepolsterte Trageriemen hat, sonst gibt es bei dünner Kleidung Druckstellen. Helle, leuchtende Farben sind im Straßenverkehr gut sichtbar; Ranzen mit unauffälligen Farben brauchen deshalb mindestens zwei bis drei reflektierende „Katzenaugen“. Für die übrigen Utensilien wie Hefte, Stifte, Schulmäppchen, Sportbekleidung usw. werden Sie am ersten Schultag eine Liste von der Schule bekommen. Was Ihr Kind in der Schule anzieht, sollte praktisch, gut waschbar, strapazierfähig und bequem sein. Für sein Selbstbewusstsein ist es wichtig, dass es Kleidung tragen darf, die ihm gefällt. Versehen Sie sie mit Namen, das schützt vor Verlust. Und denken Sie daran, dass Schulräume im Winter gut geheizt sind.
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Kinder, die zu warm angezogen sind, fühlen sich nicht wohl, können sich nicht gut konzentrieren und ermüden schnell. In der dunklen Jahreszeit machen helle leuchtende Farben Ihr Kind verkehrssicherer, weil es damit von den Autofahrern besser gesehen wird. Der Hausaufgabentisch kann ein Schreibtisch sein oder der
Tisch in der Küche oder im Wohnzimmer. Wichtig ist, dass Ihr Kind Ruhe zum Arbeiten hat, ausreichend Platz und gutes Licht – und dass es sich dort wohl und sicher fühlt. Wenn Sie einen neuen Schreibtisch und Schreibtischstuhl anschaffen, sollten Sie daran denken, dass die Möbelstücke möglichst „mitwachsen“ können. Das hilft Geld zu sparen!
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Kinder sind nicht alle gleich erzählfreudig. Manche erzählen auch erst beim Schlafengehen, was sie erlebt haben.
Wenn Sie noch vor der Einschulung zu einem Elternabend oder zur Teilnahme am Sommerfest der Schule eingeladen werden, ist es empfehlenswert, hinzugehen. Dort können Sie Genaueres über die Schule erfahren und auch darüber, welche Anforderungen an Ihr Kind und auch an Sie gestellt werden.
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Sehen Sie im Lehrer bzw. in der Lehrerin Ihres Kindes einen Partner, dem es um Ihr Kind geht. Je offener Sie ihn bzw. sie über Ihr Kind informieren, desto besser kann die Unterstützung sein.
Achten Sie darauf, dass Ihr Kind genug Zeit zum Spielen hat. Fragen Sie beim Lehrer bzw. bei der Lehrerin nach, wie lange ihr Kind höchstens an den Hausaufgaben sitzen soll, und machen Sie keine Staatsaktion aus den Hausaufgaben!
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Zeigen und sagen Sie Ihrem Kind, dass Ihre Liebe zu ihm nicht von seinen Leistungen abhängt. Kinder, die sich in der Schule schwer tun, brauchen umso mehr Verständnis und Zuneigung.
Die Freizeit Ihres Kindes sollte die Zeit sein, über die es überwiegend frei verfügen kann. Kurse und sonstige Unternehmungen sollten die Zeit zum Spielen nicht zu sehr einschränken.
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Schule ist wichtig – doch darf sich nicht nur noch alles um die Schule drehen! Sie bleiben weiterhin die wichtigste Erziehungsperson für Ihr Kind, bei der es sich auch dann geborgen fühlen muss, wenn es Misserfolge zu verkraften hat.
Wenn Ihr Kind aus der Schule kommt, überfallen Sie es nicht gleich mit der Frage: „Na, wie war’s?“
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