1 minute read

The Worst Person in the World

Fräulein Julie

Hinreißend und zeitgemäß: Joachim Triers „The Worst Person in the World“.

Dass Julie ihren Weg noch nicht gefunden hat, erzählt bereits der Prolog: Ständig wechselt sie die Studienrichtung – und mit dem Switch (von Medizin auf Psychologie in Richtung Fotografie) verändert sich auch das Rundherum: von der Frisur übers Umfeld bis zum Mann an ihrer Seite. Als Julie (die auf die 30 zugeht) sich für den künstlerischen Bereich interessiert, begegnet ihr der Underground-Comiczeichner Aksel (Anders Danielsen Lie, Bergman Island) – und hier, bei diesem etwa zehn Jahre älteren Mann, macht sie länger Station.

Wenn Joachim Trier ein BoyMeets-Girl-Setting anlegt, dann will er mehr – mehr Tiefgang; die Gefühlswelt ambivalenter zum Ausdruck bringen als in Romantic Comedies so üblich; er wird auch das hinter sich lassen, was die üblichen Plot Points von ihm verlangen. ZWÖLF STATIONEN Er stattet seinen Film mit einem Pro- und Epilog aus, dazwischen passen zwölf Kapitel aus dem Leben von Julie. Es sind kurze Episoden, die vom Erwachsenwerden erzählen und die mitreißend leichtfüßig und pointiert geschrieben und umgesetzt sind: gleichermaßen gewitzt wie ergreifend. Welche von den vielen Optionen für die eigene Lebensgestaltung passt zu einem? Was, wenn der Partner in einer anderen Phase seines Lebens steckt und sich etwa schon niederlassen möchte – mit Kindern und allem Drum und Dran? Wie lange kann man ein Leben führen, in dem man sich immer ein bisschen fremdbestimmt fühlt?

Der Norweger Joachim Trier erzählt von der Liebe, ja, aber vor allem von Identitätsfindung, von Selbsterkenntnis. Es ist – laut dem Regisseur – „ein Film, der genau auf die Schwierigkeiten schaut, wie es ist, auf jemanden zu treffen, wenn man selber noch strauchelt; darauf, wie unentschlossen und unsicher sogar die rationalsten und ansonsten selbstbewusstesten Menschen werden können, wenn sie sich verlieben; und wie kompliziert es ist, sogar für Romantiker, wenn sie tatsächlich bekommen, wovon sie geträumt haben.“ Hauptdarstellerin Renate Reinsve – die in Cannes mit dem Schauspielpreis geehrt wurde – spielt faszinierend nuancenreich. Ein Film, schön und aufregend wie ein Flirt. #theworstpersonintheworld

THE WORST PERSON IN THE WORLD – VERDENS VERSTE MENNESKE KINOSTART 11.03., NO/F/S/DK 2021, REGIE Joachim Trier, MIT Renate Reinsve, Anders Danielsen Lie, Herbert Nordrum, FILMLÄNGE 128 Min., © Filmladen

This article is from: