#112
Deutschlands größtes Kitesurfmagazin
CABRINHA DOUBLE AGENT
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F-ONE FOIL
TEST
AUSGABE 6 DEZEMBER / JANUAR 2015/2016 — www.kiteboarding.eu
FOIL BOARD
SPOTGUIDE
SÜDEUROPA
ROADTRIP DURCH SPANIEN UND PORTUGAL INTERVIEW
MITU MONTEIRO
KITEVERBOT IM WATTENMEER?
WER ÜBER UNSERE SPOTS ENTSCHEIDET UND WAS WIR TUN KÖNNEN D 4,80 € • DK 55,00 dkr • CH 9,50 Sfr • AT 5,60 € • P (cont.) 6,50 € • NL 5,70 € • LUX 5,70 € • LT 6,50 € • ES 6,50 € • B 5,70 €
STRAPLESS-PIONIER, FAMILIENVATER UND NATIONALHELD TEST
TWINTIPS
13 BESTSELLER IM DIREKTEN VERGLEICH
EDITORIAL
MITEINANDER STATT GEGENEINANDER „Schon gehört, Kiten soll in Deutschland verboten werden!“ „Echt, wahr? So komplett?“ „Nee, aber auf der ganzen Nordsee. Hab’ ich zumindest gehört.“
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So oder so ähnlich lief nach dem Kitesurf World Cup in St. Peter-Ording manch Strandgespräch zwischen Kitern ab. Gesichertes Wissen war Mangelware, die Panik groß. Auch wir standen zunächst einer unübersichtlichen Gemengelage gegenüber. Schnell war klar: Wir mussten uns unser eigenes Bild verschaffen. Und um zu sehen, wie die Allianz der Kiter aufgestellt war, besuchten wir Anfang Oktober bei einem Treffen aller betroffenen und an der Thematik interessierten Kiter in Kiel, organisiert von Lars Schawuna von „Love it like a Local“ (LILAL). Dort kamen Vereine von Nord- und Ostsee zu Wort, die bereits mit ähnlichen Sorgen um ihre Spots zu kämpfen hatten. Das Treffen brachte erstes Licht ins Dunkel. Klar wurde, dass Kitesurfen zunächst über einen Antrag auf Änderung der Befahrensverordnung im Wattenmeer grundsätzlich verboten und im nächsten Schritt in Gebotszonen geduldet werden soll. Es hieß, diese „Kitezonen“ seien zeitlich begrenzt und müssten bei lokalen Behörden beantragt werden. Doch war nichts beschlossene Sache, die Änderung des bestehenden Gesetzestextes noch nicht beim Bundesverkehrsministerium eingegangen. Wir sprachen mit einem direkt Betroffenen aus Niedersachsen: Frank Erkner von Cuxkiters e.V., einem seit 2004 existierenden Kiteverein, der sich um den Erhalt des legendären Cuxhavener Spots Kugelbake verdient gemacht hat und sich nun gegen die Änderung der Befahrensverordnung ausspricht. Zusammen mit anderen Kitevereinen hat er eine entsprechende Petition ins Netz gestellt. Ja, Kitevereine – auch wenn dieser Begriff für viele befremdlich sein mag, werden wir ihn in nächster Zeit noch häufiger hören. Deutschland ist das Land der Vereine und diese Freiwilligen-Organisationen sind nun mal jene Stellen, die von Behördenseite angehört werden. Denn den Anstoß zu der Novellierung der Befahrensverordnung, dem „Kiteverbot“, gab eine Behörde, näm-
lich der „Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein“. Und nicht etwa der Nabu. Wir wollten auch mit der vermeintlichen „Gegenseite“ reden und machten uns auf den Weg nach Tönning zu der Behörde, die Schleswig-Holstein im Nationalpark Wattenmeer vertritt. Dort sitzt sie zusammen mit behördlichen Vertretern aus Niedersachsen und Hamburg, die auch an einer neuen Gesetzesgrundlage für das Kiten im Wattenmeer interessiert sind. Bei der Nationalparkverwaltung in Tönning verstand man die Welt nicht mehr. Hatte man doch in der Zwischenzeit diverse Gespräche mit Kitern aus Schleswig-Holstein geführt, überwiegend mit positivem Ausgang. Zu guter Letzt wollten wir wissen, was der Nabu zu dem Thema zu sagen hat. Der Umweltverband hatte mit einem Positionspapier aus dem Jahr 2012 für Aufsehen gesorgt, in dem er eindeutig Stellung zum Kitesurfen im Wattenmeer bezog: „Der Nabu fordert, Kitesurfen als problematische Freizeitsportart innerhalb der Nationalparke grundsätzlich zu untersagen.“ Hier wollten wir erfahren, ob diese Haltung noch zutrifft. Plötzlich sprach sich der Nabu für im Bundesgesetz verankerte Kitezonen aus. Ob es sie geben wird und wie genau sie aussehen werden, war Anfang Dezember noch offen. Jedenfalls versicherte die schleswig-holsteinische Nationalparkverwaltung KITEBOARDING gegenüber, dass die geplanten Kitezonen keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen würden. Der Dialog scheint erste Früchte getragen zu haben. Nun kommt es darauf an, dass wir weiterhin mit gegenseitigem Respekt aufeinander zu gehen. Dann wird es auch eine Lösung geben, mit der beide Seiten zufrieden sind.
Wir sehen uns auf dem Wasser, Sören Gehlhaus
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INHALT / Ausgabe 112
INHALT
Die Themen dieser Ausgabe: auf 164 Seiten
LEIDENSCHAFT 10 — 11
Bild des Monats: Beltretter Wie der geplante Bau des Belttunnels auch die Fehmarnsundbrücke und damit die umliegenden Spots beeinflussen könnte
14 — 15
Warm-Up Ein Kite-Konvertit, eine schwimmende Drohne, ein kitendes Erdmännchen und ein verbissener US-amerikanischer Speedkiter
18 — 33
Cloudbreak Gallery Rückblick auf drei unvergessliche Tage in einer der besten Wellen der Welt sowie ein Einblick in Robby Naishs Tagebuch
36 — 40
Henning trifft Thy… …und teilt seine Liebe zu der Region um Klitmøller, in die er seit über 20 Jahren reist und die ihn jedes Mal aufs Neue fasziniert
42 — 53
Drohendes Kiteverbot im Wattenmeer Wie die Lage aussieht, welche Positionen sich gegenüberstehen und was jeder einzelne tun kann, damit sich das Blatt wendet
124 — 125 6
138 — 146
18 – 33
Sieben Sachen: Oliver Aumüller Nicht ganz sieben Sachen, aber auch nicht viel mehr, die Oliver Aumüller auf seiner Fahrradtour nach Tarifa mitgenommen hat Interview Mitu Monteiro Auch wenn er in den Ergebnislisten nicht mehr ganz oben auftaucht, ist der Wave-Superstar von den Kapverden aktiver denn je
BARREL-FEST VOR FIDSCHI Robby Naish, Ben Wilson und Pete Cabrinha in Cloudbreak
MATERIAL
100 – 104 FOIL 2 FOIL
Zwei Foilboards bekämpfen sich bis auf Flügels Schneide
56 — 89
Boardtest Bestseller 13 Twintips, die jeweils die Verkaufsstatistik in Deutschland anführen, messen sich im Mammut-Vergleichtest
92 — 99
Kaufberatung North-Freeridekites North hat acht Kites im Programm, von denen fünf Freeride können. Wir haben sie gegeneinander gefahren
100 — 104
Face 2 Face Foilboards Cabrinha Double Agent gegen das F-One Foil: zwei ungleiche aber ausgereifte Foil-Pakete im Vergleichstest
114 — 122
Produktnews Das innovativste Rigg, neue Kitestation in El Gouna, TrockiKonkurrenz von Manera und aus Club Mistral wird ION Club
STANDARDS 4 Editorial 162 Vorschau, Impressum
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——— 6 ’ 15
PROFIZIRKUS 134 — 135
Profi-News Foil-Finale in Australien, Foiler auf Olympiakurs, die Zukunft der VKWC und warum der World Cup nach Fehmarn kommt
106
Interview Maxime Nocher Der Neu-Monegasse und frisch gebackene Foil-Weltmeister über Flügeltuning und Olympia sowie seine Trainingsmethoden
TECHNIK 128 — 133
Fahrtechnik Bewusster Kiten Marilou LaVallée erklärt, wie man mithilfe von Yoga bewusster kitet und was das Leben auf einer karibischen Insel auszeichnet
138 – 146
REISE
WASSER-RALLYE
108 — 111
Spot-On Guadeloupe Die Karibikinsel in den kleinen Antillen heißt Kiter willkommen und ist Europa näher, als man denkt. Guadeloupe im Schnell-Check
148 — 160
Weltreise Teil 1 Die meisten träumen nur davon, dieses bayerische Pärchen hat es in die Tat umgesetzt: ein Sabbatjahr. Eingeläutet haben sie es mit einem Roadtrip durch Spanien, Portugal und Marokko
56 – 89
Mitus Kitetour zwischen allen Kapverdischen Inseln
COVER
MEGATEST TWINTIPS 13 Bestseller im großen Vergleichstest
RIDER: Finn Behrens FOTO: Mads Wollesen
SHOWDOWN IM WATTENMEER Alle Fakten, alle Details und alle Akteure im Gespräch
42 – 53
Bei diesem Foto nutzten Finn Behrens und Mads Wollesen die Zeitumstellung, um vor dem Beginn der Uni schnell noch ein paar Fotos im Sonnenaufgang zu schießen. Leider ließ sie die Wettervorhersage etwas im Stich. Die Sonne zeigte sich insgesamt nur 15 Minuten und verschwand dann hinter einer dicken Wolkendecke. Da sie sich gegenseitig fotografierten, blieben ihnen also nur wenige Versuche vor und hinter der Kamera. Zufrieden waren sie trotzdem, als sie während der Vorlesung heimlich die Ausbeute begutachteten.
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www.robertoriccidesigns.com
Ein großer Schritt vorwärts für den erfolgreichsten Kite in der gesamten RRD Produktlinie. Der Religion ist in der internationalen Kite-Sprache ein Synonym für WAVE und hat sich seit seiner Markteinführung stetig an die wachsenden Anforderungen des Waveridings angepasst. Der Religion wird aus einem Material-Mix mit 40% Heavy Dacron Gewebe und 60% leichtgewichtigen Tuch gefertigt. Dies ist eine einzigartige Mischung, die ausschließlich beim Religion zum Einsatz kommt. Dadurch wird der Kite extrem haltbar und hat eine längere Lebensdauer. Der neue MK6 wurde in den Größen 8m² und kleiner überarbeitet, basierend auf dem großen positiven Feedback des Religion MK5 in den Größen 12,10, 5 und 9. Das neue Design basiert auf mehr Swept-Back Wingtips, das Ergebnis ist ein stabilerer Kite mit einem größeren Einsatzbereich sowohl im High End als auch im Low End Bereich, der Kite lässt sich praktisch immer und überall einsetzen. Mehr Leistung, besserer Lift bei Sprüngen und eine enorme progressive Depower die die Power sofort aus dem Kite nimmt wenn es nötig ist. Die natürliche Drift-Eigenschaft und seine großen Depower Fähigkeiten machen den Religion zum perfekten Kite wenn man die Welle abreiten will ohne den Kite zu bewegen und einfach nur den Vortrieb der Welle nutzen möchte. Bei Onshore Wind machen der superschnelle Turning Speed, die Stabilität und die super schnelle Reaktion auf Bar- Befehle, auch bei wenig Spannung in den Steuerleinen, den Religion zu einer unschlagbaren Wellenmaschine. Diese Fähigkeiten erlauben dem Rider sowohl bei onshore als auch bei offshore Bedingungen jederzeit und überall Spaß in der Welle zu haben.
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Größen: 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 9 / 10.5 / 12
POP 5’4” Freestyle Supershortboard
ALSO AVAILABLE IN 5’2”
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Cyan/Red
POP LTD 5’4” Freestyle/wave Supershortboard
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RELIGION WAVE
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” Das Beste ist jetzt noch besser!”
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— 6 ’ 15
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BILD DES MONATS / Beltretter
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#112 — 6 ’ 15
BLAUES WUNDER FOTO: THOMAS BURBLI.ES
Auch der Niederländer Steven Akkersdijk, der hier so schön einen Backmobe vor die Fehmarnsundbrücke zimmert, wird sie kennen. Die blauen Kreuze, die an Heckklappen als Aufkleber oder in der Holzvariante als Andreaskreuze zwischen Puttgarden und Lübeck in Vorgärten, auf Feldern und an Straßen auftauchen. Sie stehen für die „Beltretter“. Und damit für den Widerstand gegen den Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Dänemark und Puttgarden im Norden der Insel. Was das mit dem südlich gelegenen, hier abgebildeten Fehmarnsund zu tun hat? Sollte der Tunnel wirklich kommen, so wird die erforderliche Autobahn- und Zuganbindung schwerwiegende Folgen für das Hinterland haben. Eine zweite Sundquerung wäre dann unausweichlich und könnte direkte
Folgen für die Spots in der Orther Reede haben. Der Kleiderbügel, wie Fehmarns Beton gewordenes Wahrzeichen auch genannt wird, steht unter Denkmalschutz und könnte weiterhin von Zügen genutzt werden. Das Aktionsbündnis Beltretter nennt die Beltquerung die wohl größte Bau- und Umweltsünde Nordeuropas, die das wertvolle, aber zugleich anfällige Ökosystem Ostsee akut bedrohen würde. Nun ist der Tunnel keinesfalls beschlossene Sache. Gegen die Beltquerung sind eine Vielzahl von Einwendungen eingegangen: 3000 auf deutscher, 30 auf dänischer Seite. Mit einem Planfeststellungsbeschluss wird in zwei Jahren, mit einem Start des Tunnelbaus nicht vor 2020 gerechnet. Die Hoffnung stirbt zuletzt. www.beltretter.de
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WARM-UP / Kleine Kite-Geschichten, die Lust auf das Wasser machen
Vom Saulus zum Paulus Jan Ueberall, fehmarnscher Elektromeister und Surfshop-Betreiber war bekennender Kite-Hasser und ist mittlerweile ein glühender Teebeutel-Surfer. Die Geschichte eines Überläufers
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Nein, das hat er doch jetzt nicht wirklich gesagt. Oder doch? Er wiederholt es: „Ich glaub’, ich kauf ' mir ein Kite-Raceboard.“ Der Typ, der das gerade von sich gegeben hat, war ein echter Hardliner, ein bekennender Kite-Hasser. Jan U. von Fehmarn hatte zu Windsurf-Zeiten sogar mal mit einem Edding einen Fuck-Finger auf sein Trapez gemalt, der von dem Spruch „Kitesurfen Sucks!“ untermalt wurde. Klare Ansage. Das Trapez hat er leider nicht mehr, aber wir glauben es ihm auch so. Auf Fehmarn wusste es eh jeder. Für ihn waren Kiter Döspaddel, nicht beachtenswert auf dem Wasser, dem Spott ausgesetzt an Land. Auf so einem hohen Ross konnte nur einer sitzen, der die Mutter aller Boardsportarten ausübte: Wellenreiten. Dazu gekommen war er, weil das Skateboarden nach einer Knie-OP nicht mehr so gut funktionierte und Windsurfen ihm nicht mehr alles gab, wonach er suchte. Stilecht ritt er die ersten Wellen auf seinem Windsurfboard ohne Segel ab. Aber es ist nicht so, dass er sich nicht damals schon sein eigenes Bild gemacht hätte: „Den ersten Kite gab mir Holger Wilder von ,Kiteboarding Fehmarn’ Anfang 2000 in die Hand. Aber ich fand das so nervig, dass ich lieber weiter Surfen und Skaten gegangen bin.“ Die Zeit, besser gesagt, das Material war noch nicht reif, radikales Desinteresse die Folge. Harte Wakeboard-Tricks wurden in Deutschland erst zwei Jahre später von Jost Backhaus und Stefan Pyttlik gezeigt. Doch auf Fehmarn kam er an den fliegenden Teebeuteln nicht vorbei. Und dann hingen immer mehr Wellenreiter wie Ben Wilson oder Pedro Henrique an Kites und stellten Videos von Wellenritten ins Netz, bei denen man sich die Bar fast wegdenken konnte. Und bei Jan tat sich eine neue berufliche Option auf. Zusammen mit Stefan Friedl, der mit „Kitecoach“ seit 2005 eine Kiteschule betreibt, eröffnete er 2010 einen Surfshop in der Burger Innenstadt, im gleichen Gebäude, in dem schon sein Opa ein Elektrogeschäft betrieb. Spätestens jetzt musste er mit dem Kiten anfangen, da bei „Surf And Fashion Fehmarn“ neben Skate, Surf- und Snowboards auch Kitematerial angeboten wird. Der eingefleischte Wellenreiter machte einen Kurs bei seinem Kompagnon, fing jedoch konventionell auf einem Twintip an. Über die Wintermonate bringt ihn der Shop noch nicht, Jan arbeitet seit sechs Jahren als selbstständiger Elektromeister unter dem Namen „Insel-Elektro“. Er ist zwar mit ganzem Herzen Fehmaraner, reist in der eisigen Jahreszeit allerdings gerne mal woanders hin: Kapstadt, Australien, Costa Rica und vor allem auf die Kanaren und nach Klitmøller. Mittlerweile hat
JAN UEBERALL
Noch ist die Leash kurz und der Loop eingehakt, aber der Tuck Knee Grab sieht schon sehr nach Skateboarden aus
er auf seinen Trips auch einen Kite dabei, den er mit einem der Shortboards kombiniert, die er zum Wellenreiten nutzt. Die endgültige Läuterung erfuhr der ehemalige Kite-Hasser beim diesjährigen Coast 2 Coast. In dem Rennen auf seiner Insel sah er ein Zeichen gegen die geplante feste Beltquerung, nahm aber auch teil, weil er nach einer Entzündung im Knie im letzten Jahr knapp einer Amputation entging: „Ich bin mitgefahren, weil ich weiß, wie schnell alles vorbei sein kann.“ Er hatte Großes vor. Die Vorbereitung war intensiv, extra für das Rennen organisierte er ein Freerace-Board und wurde überraschend bester Fehmaraner – vielleicht auch, weil sich im Fehmarnbelt hohe Wellen aufbauten, die er normalerweise an der Küste abreitet. Noch vier Tage nach dem Rennen pumpte das Adrenalin auf Hochtouren. Er war jeden Tag kiten, musste aufgrund der Berichterstattung in der lokalen Tageszeitung sogar Unterschriften im Shop geben und führte erste Raceboard-Recherchen im Internet durch. Dabei blieb es jedoch, ein Raceboard hat Jan U. nach wie vor nicht. Aber die richtige Einstellung: „Auch, wenn ich niemals gedacht hätte, Racen zu gehen, sollte man eben für alles offen sein und schwachsinnige Vorurteile über den Haufen werfen.“
STECKBRIEF
ALTER:
39
SEIT WANN KITEN:
3 Jahren
HOMESPOT:
Fehmarn
LIEBLINGSSPOT:
Ostküste Fehmarn
LIEBLINGS-MATERIAL:
8er Core Section mit Surfboard oder 10er XR4 mit Carved Imperator
KITETAGE IM JAHR:
viele
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Produkt des Monats DIE SICHERHEIT FLIEGT MIT
Früher oder später erwischt es jeden Kopter. Er stürzt ab, liegt im Teich und ist nicht mehr zu gebrauchen. Passend für GoPro-Kameras, die es ja schon längst in wasserdichten Gehäusen gibt, kommt mit der Splash Drone der weltweit erste und in Serie produzierte wasserdichte Quadrokopter auf den Markt, der sich sogar aus dem Wasser wieder starten lässt. Diese Drohne trägt problemlos eine GoPro-Kamera, soll aber bei einem Eigengewicht von 1,15 kg (ohne Gimbal und Kamera) auch bis zu 1 kg Objekte durch die Luft befördern und punktgenau absetzen können. So könnte die Splash Drone in Rettungseinsätzen etwa LED-Leuchtfeuer auf bis zu 300 Meter Höhe oder automatisch aufblasbare Rettungsringe transportieren. Die Splash Drone kann mit Tablet oder Smartphone über eine App gesteuert werden, die vorerst nur für Android-Geräte und nur in der Auto-Version verfügbar ist. Die Flugzeit gibt der Hersteller mit bis zu 19 Minuten an. Aber das ist bei der Splash Drone zum Glück nicht so entscheidend. Nach dem Sturz ins Meer bleibt sie auf der Wasseroberfläche liegen. Der wasserdichte Quadrokopter kostet im „Pro“-Set exklusive GoPro-Kamera und inklusive Fernbedienung, wassergeprüftem 2-Achsen-Kamera-Gimbal, 7” FPV Livebild-Monitor, Transportkoffer und vielem mehr 1.399 Euro. www.splash-drone.com GEWINNER DES MONATS Fehmarn
FOTOTAGEBUCH DES MONATS
Possierliche Tiere gehören ins Internet wie Castingshows ins Fernsehen. Auf dem Instagram-Account von Meerkite sind es die Erdmännchen, im Englischen „Meerkat“. Und genau die mogeln sich auch auf diesem sonderbaren Insta-Account in nahezu jedes Foto: in WOO-Bestenlisten, auf eine Mavericks-Welle oder mit Kitebag auf dem Rücken und Board unterm Arm in kitschigen Naturstillleben. Dahinter steckt ein Kiter, der von sich selbst sagt: „Ich bin ein arroganter Kiteboarder aus Seattle namens Meerkite, und das sind meine Abenteuer.“ Das kitende Erdmännchen hat sich eine solide Fanbase erarbeitet oder besser gesagt per Photoshop erklickt. Mittlerweile hat sein Instagram-Profil 13.600 Abonennten. Zum Vergleich: Youri Zoon kommt auf 18.600. www.instagram.com/meerkite
VERLIERER DES MONAT St. Peter-Ording Bye-bye Kitesurf World Cup. Und das nach zehn Jahren. Wobei der Weggang des World Cups in St. Peter-Ording nicht nur weinende Augen verursacht haben wird. Klar, die Anhänger der Strandpartys und Besucher des Testivals, die das riesige Testareal geschätzt haben, wird das ärgern. Viele Einheimische werden sicherlich nicht um die 210.000 Besucher trauern, die in den während der Sommermonate ohnehin gut ausgelasteten Kurort regelrecht einfielen.
„Kiten im Winter ist immer so eine Sache. Richtig Spaß macht es nur selten, aber ohne geht es auch nicht.“
Der World Cup kommt nach Hause. Denn die Entscheidung für Fehmarn und gegen St. Peter-Ording ist auch eine, die an die Geschichte des Kitens in Deutschland anknüpft. 2003 fand auf Fehmarn der erste Kitesurf World Cup Deutschlands statt. Damals stellte Adam Koch am Grünen Brink mit 13,2 Sekunden den inoffiziellen Hangtime-Rekord auf. 2004 kämpften die Freestyler in Wulfen zum letzten Mal auf Fehmarn um Worldcup-Punkte, genau gegenüber vom geplanten Eventgelände am Südstrand. Dass dort große Events abgehalten werden können, hat die ausrichtende Agentur Act Agency bereits 2014 mit dem SUP World Cup bewiesen. Kleiner wird es auf jeden Fall werden. Aber für Kiter mit Sicherheit auch feiner.
ZAHL DES MONATS
86,29 km/h
MOVE DES MONATS Mads Wollesen muss es wissen. Zusammen mit zwei Kumpel machte er das Beste aus dieser Session, indem sie einen kleinen Slider aus einer ausrangierten Picknick-Garnitur bauten. Mads slidete, Finn Behrens drückte den eisigen Temperaturen trotzend im richtigen Moment ab.
im Durchschnitt schnell war der US-Amerikaner Rob Douglas während des North American Speed Sailing Invitational (NASSI). Unter Speedkitern ist das eigentlich nicht der Rede wert, der momentane Rekord liegt bei 121,53 km/h. Aber es fegen eben keine infernalischen Stürme, wie sie auf Events in Namibia üblich sind, über die kleine Insel Martha’s Vineyard. Das ist jene malerische Insel knapp 300 Kilometer nordöstlich von New York City, auf der im Sommer die US-Politikprominenz und der Ostküsten-Geldadel absteigt und wo der erste Teil von „Der Weiße Hai“ gedreht wurde. Immerhin gab es eine Speedpiste und bis zu 25 Knoten Wind. Vor allem aber haben sich die Speedkiter angepasst und sind auf Raceboard-ähnlichen Rennmaschinen unterwegs, die mit langen Finnen plan gefahren werden. Ihren Grip konnte Rob Douglas am besten beherrschen. Hinter sich ließ er den amtierenden Foil-Weltmeister Maxime Nocher aus Monaco. Der kann zwar auch schnell, zieht jedoch bei weitem nicht so schöne Grimassen wie Douglas. Seine schmerzverzerrten Gesichter sind schon fast legendär und auch in diesem Video zu bewundern: www. vimeo.com/144186480
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