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Herausforderungen gestalten

SUISSETEC NORDWESTSCHWEIZ

suissetec Nordwestschweiz verantwortet eine ganze Reihe von Berufsbildern. Der Verband vertritt Sanitär, Heizung, Lüftung sowie Spengler und Akteure im Bereich der Gebäudehülle. Mit einem ganzen Füllhorn von dringenden Fragestellungen ist der Verband konfrontiert. Das reicht von ökologischen Herausforderungen bis hin zum Fachkräftemangel.

INTERVIEW MIT ROSI WOHLGEMUTH VON GEORG LUTZ

Aber auch einzelne Unternehmen, die Mitglieder des Verbandes sind, müssen hier mitziehen. Wir sprachen mit Rosi Wohlgemuth, die Präsidentin von suissetec Nordwestschweiz und Inhaberin der Wohlgemuth Dach AG ist.

GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Im Vorstand von suissetec sind Sie mit sieben Männern die einzige Frau und auch die erste Präsidentin. War die Wahl ein Zufall?

Rosi Wohlgemuth: Klar, wir sind eine Männerbranche und dies wird sich auch nicht schnell verändern. Es wäre allerdings wünschenswert, dass sich mehr Frauen für ein solches Amt begeistern lassen würden. In den Betrieben, insbesondere in kleineren Familienunternehmen sind nämlich sehr oft Frauen anzutreffen. Aber wir dürfen den Genderaspekt weder überschätzen noch unterschätzen. Was am Ende des Tages zählt, sind Kompetenzen. Dabei ist mir bewusst, dass ein weiblicher Führungsstil, gerade im Rahmen von Kommunikationsstrategien, andere Qualitäten in die Waagschale werfen kann.

Was waren konkrete Qualitäten, die Sie für Ihre neue Tätigkeit empfahlen?

Vor meiner Zeit als Präsidentin war ich für die Finanzen zuständig. Da hatte ich immer einen kritischen Blick. Ich habe Vorgänge hinterfragt. In meinem Bereich habe ich die Hausaufgaben gemacht. Das wurde schlussendlich auch positiv bewertet.

Sie sind seit vier Jahren im Vorstand von suissetec Nordwestschweiz. Wo konnten und können Sie Zeichen setzen?

Lassen Sie mich das an einem konkreten Beispiel verdeutlichen. Das renovierte Ausbildungszentrum in Liestal von suissetec Nordwestschweiz wurde am zweiten September eingeweiht. Mit der neuen Sanitär-Werkstatt mit integriertem modernem Theorieraum, der Erweiterung der Spengler-Werkstatt mit neuen Dachmodellen, sowie den zusätzlichen modernen Ausstell-, Event- und Theorieräumen sind wir für die Zukunft gut gerüstet. Das betrifft unter anderem die vorgegebenen Rahmenbedingen, wie die der Bildungsverordnung. Die Organisation solch eines Vorhabens braucht ein innovatives Team …

Das neue Ausbildungszentrum in Liestal bietet spannende Möglichkeiten.

… und eine gut aufgestellte Chefin.

Ja, eine gute interne Kommunikationskultur mit den Mitgliedern ist an dieser Stelle ganz wichtig. Und ich glaube, da habe ich meine Stärken. Nur mit einer gegenseitigen Wertschätzung kann man auch heikle Themen, wie eine Erhöhung der Mitgliederbeiträge geräuschlos durchsetzen. Durch die höhere Anzahl von Kurstagen war dies auch geboten.

Zudem lebe ich flachere Hierarchien. Ich gehe nicht nur in die Geschäftsstelle, sondern besuche dann jeweils auch unsere Werkstatt und suche das Gespräch mit unseren Schulungsleitern.

Lassen Sie uns das noch etwas zuspitzen.

Es geht um eine neue Form der Kommunikation. Das Denken von oben nach unten war früher, jetzt bewegt man sich auf Augenhöhe. Das geschieht aber nicht in Form eines Kuschelkurses, sondern sehr klar und direkt mit Ecken und Kanten.

Es gibt Zeichen und Vorgaben, wie die schon angesprochene Bildungsverordnung. Es stellt sich dann immer die Frage, wie wir das durchsetzen. Das ist dann ein komplexer Prozess.

Woran lässt sich das beispielhaft festmachen?

An den neuen Bildungsverordnungen. Das ist ein Prozess. 2020 haben wir mit der Implementierung der neuen Inhalte angefangen und 2024 wird das abgeschlossen sein. Im Vorfeld müssen die Weiterbildungszentren, auch technisch gesprochen, Updates bekommen. Unser oberstes Organ ist die Generalversammlung. Da gilt es Mehrheiten zu gewinnen.

Aber durch die vielfältige Kommunikation, ist das nicht die zentrale Herausforderung.

Unsere Mitglieder sollten die Beschlüsse mittragen. Es sind ja dann die Ausbildungsbetriebe, die vor Ort die Inhalte umsetzen. Wir haben den Anspruch, hochwertige Ausbildungswege anzubieten. Dies kann der Verband nur in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Berufsbildnern in den Betrieben schaffen.

Am Anfang gibt es Kontroversen, aber am Schluss tragen alle Beteiligten die Lösung mit?

Genau.

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde und er beginnt mit der Aus- und Weiterbildung. Wie ist Ihre Branche hier aufgestellt?

Das spannt sich über die gesamte Breite der Gebäudetechnik. Die Herausforderungen sind gewaltig. Nehmen Sie nur die Ausführenden – Sanitär, Heizung und Spengler. Es betrifft aber auch die Planer.

Die Klimapolitik kommt da noch obendrauf. Die Sanierung von fossilen Heizungen im Zeichen des Klimawandels ist eine zentrale Herausforderung. Der Kanton Basel-Stadt will, so die aktuelle Vorgabe, bis 2035 alle Heizungen komplett von fossilen Energieformen loslösen. Das ist eine Hauruck-Übung. Der Zeithorizont erscheint mir mit dem heutigen Stand des Wissens und der Verfügbarkeit von Know-how unrealistisch.

Letztens hat mir ein Energieberater kommuniziert, es gäbe in Basel um die 15’000Öl- und Gasheizungen. Es stünden aber nur für 800Modernisierungen jährlich Fachkräfte zur Verfügung.

Das bringt das Dilemma auf den Punkt. Zudem geht die Babyboomer-Generation in Rente und es rücken immer weniger Personen ins Erwerbsleben nach. Diese Problematik wird uns noch sehr lange beschäftigen und vor grosse Herausforderungen stellen.

Der Handlungsdruck ist da und die Verführung ist gross, in Resignation zu verfallen. Das machen Sie aber sicher nicht. Wo sehen Sie Lösungswege?

Resignation ist keine Lösung. Wir müssen an allen Ecken und Enden aktiv werden.

Dann führen Sie das mal aus …

In Basel gibt es beispielsweise die TUN. Das ist ein Forschungslabor und eine Erfinderwerkstatt für Schüler*innen. Es gilt, den Geist des Tüftelns zu fördern, zum Beispiel bei unserem Tüftelworkshop. Da passieren spektakuläre Dinge. So wird dort eine Raketenabschussrampe gebaut. Da sind schon Zehn- bis Zwölfjährige dabei. Ich kenne die Situation, da ich in meiner Berufskarriere auch schon das Fach «Werken» unterrichtet habe und Mutter von drei jugendlichen Kindern bin. Dann sind wir jeweils im Oktober an der Berufsschau in Basel und Liestal mit einem Stand präsent. Wir gehen auch an Schulen und stellen dort unsere Berufe vor. Die Wirtschaftskammer Basel-Land will Schulen und Wirtschaft besser miteinander vernetzen. Auch hier gibt es erfolgsversprechende Ansätze. Kontakte sind eine wichtige Voraussetzung, um unserer Berufe attraktiver darzustellen. Viele junge Menschen studieren vier, fünf Jahre und haben dann eine Ausbildung und Qualifikationen, die gar nicht gebraucht werden.

Im Handwerk haben wir spannende Berufe. Und im Rahmen des dualen Bildungssystems der Schweiz gibt es immer Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch die finanzielle Situation ist heute eine andere wie noch vor zehn Jahren. Frauen und Männer verdienen im Handwerk gut.

Aber hat das Handwerk nicht immer noch ein verstaubtes Image?

Wir müssen hier früher ansetzen, um Vorurteile aus den Köpfen zu bekommen. Das Thema Schule haben wir schon angesprochen. Eltern gehören da auch dazu. Ja, es ist wichtig, dass auch die Eltern mit an Bord sind. Bei vielen gibt es noch Berührungsängste. Wir kennen noch die alten Sprüche: «Wenn Ihr in der Schule nicht aufpasst, landet Ihr auch noch auf dem Bau.» Ich weiss nicht, wo diese stiefmütterliche Sichtweise ihren historischen Ursprung hat. Aber wir wollen und müssen gegensteuern. Die Akteure in diesen Berufen sind wichtig.

Nehmen wir den Beruf des Spenglers. Das ist ein hochkreativer Job. Das weiss aber kaum jemand. Mit der heutigen kompakten Bauweise haben die Verantwortlichen mit Blechen an Fassaden und auf Dächern viele kreative Möglichkeiten. Es geht auch um eine Kombination aus unterschiedlichen Materialien wie Holz und Stahl. Spengler braucht es immer. Jede Kaminummantelung ist ein Unikat. Das sollte doch attraktiv sein. Eine Spenglerin oder ein Spengler kann planen, zeichnen und ausführen. Da sind viele Qualitäten gefragt, man bewegt sich in einem attraktiven Berufsfeld.

Rosi Wohlgemuth ist Inhaberin der Wohlgemuth Dach AG. Das Unternehmen ist Mitglied bei suissetec Nordwestschweiz und dort ist sie Präsidentin.

SUISSETEC NORDWESTSCHWEIZ Grammetstrasse 16 CH-4410 Liestal Telefon +41 (0) 61 926 60 30

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