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Ziel sowie nationale oder regionale Klimaziele – vorgegeben. Teilweise ist aber nicht nur der Weg, sondern auch das Ziel selbst noch Aushandlungssache, beispielsweise bei Themen wie der Digitalisierung und Automatisierung oder der alternden Gesellschaft.

Transformation bedingt, dass wir unsere Verhaltensweisen ändern. Der Mensch ist aber ein Gewohnheitstier. Wie geht das zusammen?

Genau hier liegt das Problem – und vielleicht auch ein Teil der Lösung. Nicht das individuelle Verhalten, sondern eben alltägliche Gewohnheiten, sogenannte soziale Praktiken, stehen im Mittelpunkt der Transformationsbemühungen. Als Beispiel erzähle ich gerne, wie in Bogota/Kolumbien Fahrradfahren als neue soziale Gewohnheit entstanden ist. Vor 20Jahren fuhr kein Mensch dort Fahrrad. Als sich die Stadtregierung entschloss, aktiv zu werden, startete man klassisch mit Aufklärungskampagnen. Schnell war klar, dass es dazu Infrastrukturmassnahmen in Form von Velowegen brauchte. Dann erkannte man, dass kaum jemand Velo fahren kann, weil es die Wenigsten als Kind gelernt hatten. Also musste man Trainingsmöglichkeiten und Verleihstationen anbieten. Noch immer war das Resultat mager. Es wurden Influencer mobilisiert, um für das Velofahren zu werben. Als dann an Wochenenden attraktive Teile der Innenstadt nur für Fussgänger und Velofahrer zugänglich waren, kam Bewegung in die Sache.

Gesellschaftliche Transformation bedeutet also vor allem, dass sich die oft unsichtbaren Voraussetzungen und Bedingungen für unsere nicht nachhaltigen Gewohnheiten verändern. Dabei hat sich gezeigt, dass Wissen eben nur eine geringe Rolle spielt, es aber umso bedeutsamer ist, wie sich über die Veränderung von Standards und (technologischer) Infrastruktur die Grundbedingungen verändern lassen, wie durch neue Narrative, positive Vorbilder und schliesslich auch relevante Anreize, beispielsweise finanzieller Art, wichtige Motivationen für eine Veränderung geschaffen werden und wie Menschen durch ganz konkrete Skills-Vermittlung befähigt werden können, Dinge im Alltag anders zu tun. Es braucht, was meine Kollegen und ich den Zukunftsdeal nennen: das Zusammenspiel von Anstrengungen und Massnahmen im Bereich Design (Infrastruktur), Empowerment (Training), Awareness (Wissen und Einstellungen) und Legitimierung (neue Gesetze, Standards und Normen).

Angesichts des Klimawandels und seiner Folgen ist klar, dass wir künftig nachhaltiger leben müssen. Wo muss man ansetzen, damit hier eine Transformation stattfindet?

An diesem Punkt geht es aus Transformationssicht um die Verbindung von «oben» und «unten» sowie «vorne» und «hinten»: «Oben» meint die Ebene von Politik, Gesetz und Populärkultur. In der Wirtschaft genauso wie für uns Bürger*innen braucht es gesetzliche Grundlagen und Anreize für nachhaltige Arbeits- und Lebensweisen. Rechtlich sollten wir die Natur besser schützen und, wie in anderen Ländern zum Teil inzwischen möglich, für ihre «juristische Waffengleichheit» sorgen. Warum soll der Aletschgletscher juristisch schlechter gestellt sein als eine Aktiengesellschaft, die eine juristische Person ist? Weiter müssten staatliche Investitionen, das Beschaffungswesen und zum Beispiel auch Pensionskassen an nachhaltigen Kriterien ausgerichtet werden. Aus popkultureller und künstlerischer Sicht gilt es, positive Erzählungen über Nachhaltigkeit zu entwickeln. Vielleicht muss der oft technische und sperrige Begriff der Nachhaltigkeit wie einst «die Freiheit» erst noch als Sehnsuchtsbegriff aufgeladen werden. «Unten» bedeutet dann das Zeigen, Bewerten und Fördern von Pionier*innen. Es gibt schon so viele gute Ansätze und Vorzeigeprojekte, wir müssen aber noch besser aufzeigen, auch durch Begleitforschung und entsprechende Daten, wie nachhaltige Lebens- und Arbeitsweisen funktionieren. «Hinten» meint die grosse Bedeutung der Produktionsseite: Nachhaltige Liefer- und zirkuläre Wertschöpfungsketten müssen gefördert und gefordert werden, und zwar von «oben», der Politik, und von «vorne», das heisst von den Konsument*innen, die durch ihre Kaufentscheidungen einen kleinen Einfluss haben. Jeder und jede hat darüber hinaus die Möglichkeit, über bewusste Entscheidungen in den Bereichen Essen, Fashion, Mobilität, Wohnen und Investment nachhaltigere Optionen zu wählen und den eigenen Fussabdruck zu minimieren.

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Was bedeutet das für jedes Individuum? Verzicht?

Das kann ich nicht für alle sagen. Für mich und viele Menschen, die ich kenne, ist dies zunächst eine Frage des Realismus. Wenn ich der unbequemen Wahrheit ins Auge schaue, sehe ich, dass unsere derzeitige Lebens- und Wirtschaftsweise unrealistisch ist. Die planetaren Belastungsgrenzen sind auf vielen Ebenen schon längst überschritten. Ist es Verzicht, wenn ich nicht mehr mitmachen möchte, wie wir, bildlich gesprochen, kollektiv und fortlaufend «die Bank plündern»? Der «Earth Overshoot Day» bewegt sich weltweit seit der Einführung nach hinten, in diesem Jahr war es der 28.Juli, an dem die Ressourcen für den Rest des Jahres aufgebraucht waren. Die Menschheit verbraucht 75Prozent mehr Ressourcen, als die Ökosysteme regenerieren können. Wenn alle Menschen wie wir in der Schweiz leben würden, dann bräuchten wir 2.8Planeten.

Meiner Meinung nach braucht es einen neuen Realismus, und der ist damit verbunden, sich die Krise anzueignen. In den letzten 300Jahren haben wir unseren Reichtum auf Kosten anderer erschaffen, doch diese «anderen», ob Ökosysteme oder auch andere Menschen, sind nicht mehr länger stumm oder unsichtbar. Einigen steht das Wasser bis zum Hals, anderen versiegt es langsam. Jetzt ist es wichtig, dass es nicht (ganz) katastrophal und traumatisch wird. Und gleichzeitig, dass wir die enormen Chancen der notwendigen Veränderungen sehen. Überdies brauchen wir Ideen und Vorbilder für einen neuen Reichtum, der mit einer ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltigen Lebens- und Arbeitsweise einhergehen kann – vielleicht ein Zeitreichtum, ein Reichtum an lebendigen Beziehungen, ein Sinnreichtum. Dies ist kein neuer Gedanke. Fortschritt und die Entfesselung der menschlichen Produktivität waren für viele bedeutende bürgerliche Ökonomen des 19.Jahrhunderts bis zum grossen John Maynard Keynes nie ein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um uns mehr Lebenszeit zu ermöglichen und uns freizusetzen für höhere Tätigkeiten, für menschliche Begegnungen, Spiel, Naturgenuss, Kontemplation.

«Wenn ich der unbequemen Wahrheit ins Auge schaue, sehe ich, dass unsere derzeitige Lebens- und Wirtschaftsweise unrealistisch ist.»

Welches sind Ihrer Meinung nach die grössten künftigen Herausforderungen für die Baubranche?

Steigende Energiepreise, schwindende Margen, Silodenken und ausgeprägte disziplinäre Logiken im standardisierten, sequenziellen Bauprozess, ein unsicheres politisches Umfeld und ein unklares Kundenumfeld.

Aus Transformationssicht gilt für die Baubranche Ähnliches wie für andere Branchen:

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Es geht um mehr als Effizienz, es geht um Suffizienz und in der Praxis um kreislaufwirtschaftliche Ansätze.

Hebel: Welche Bereiche der Baubranche haben für die Energie- und Ressourcenfrage den potenziell grössten Impact und Hebel? Hier geht es dann schnell um Material-, Prozess-, und Recyclingfragen. Insight: Wie finden wir heraus, worauf Kunden jetzt schon und dann in Zukunft besonderen Wert legen respektive worauf sie (nicht) bereit wären zu verzichten?

«Professionelle Schizophrenie»: Wir müssen das Spannungsverhältnis von Konkurrenz und Kollaboration professionalisieren. Auf der einen Seite gilt es, die Effizienzschraube weiter zu drehen, etwa bei den Materialien, vor allem aber durch digitale Transformation. Auf der anderen Seite gilt es, branchenübergreifend Raum und Ressourcen für die Innovations- und Transformationsarbeit an gemeinsamen Herausforderungen zu schaffen und gemeinsam zu lernen, etwa durch Pilotprojekte, Reallabore und Ähnliches.

Gesetzlicher Rahmen: Die Branche braucht von der Politik verlässliche gesetzliche Rahmen, Vorgaben und Anreize und muss diese möglicherweise selbst noch stärker einfordern, teilweise auch nach dem Motto «Protect us from what we want».

Reicht allein eine Verhaltensänderung? Braucht es nicht auch neue Technologien?

Unbedingt. Automatisierung wird noch wichtiger werden für die Effizienzfrage. Smart Building braucht eine entsprechende technologische Infrastruktur und Kompetenzen. Dezentralisierung und gleichzeitige Vernetzung (durch das Internet der Dinge) werden wichtig für Kreislaufsysteme und transparente Lieferketten.

Welche Chancen bieten sich der Bauwirtschaft durch die Digitalisierung und ressourcenschonenderes Bauen?

Riesige Chancen. Von der wirtschaftlichen Seite her geht es um effizientere Prozesse und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Wertschöpfung entlang des kompletten Lebenszyklus eines Gebäudes. Dies sind gesamtgesellschaftlich und verantwortungsseitig wiederum Grundlagen, um «Teil der Lösung» zu werden.

Was schätzen Sie, wie lange wird es dauern, bis unsere Gesellschaft einen ressourcenschonenderen Lebensstil verinnerlicht hat?

Das hängt meiner Meinung nach von der Geschwindigkeit und Heftigkeit der sich kumulierenden Krisen ab. Wenn es bei uns noch länger relativ ruhig bleibt, dann kann es Jahrzehnte dauern. Die Wissenschaft sagt uns, dass wir für die Klimafrage nicht viel Zeit haben. Manche reden von zehn Jahren. Das sind, wenn man Urlaub und Krankheit abzieht, etwa 450Arbeitswochen. Nicht viel Zeit … packen wir es an!

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