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LIEBER FRÜHER ALS SPÄTER Die wichtigsten Antworten zur Nachfolge
Die wichtigsten Antworten zur Nachfolgeplanung
Rund jedes sechste Schweizer KMU muss in den nächsten fünf Jahren die interne Nachfolge neu regeln, wie ein Blick auf die Nachfolgestatistik 2022 von Dun & Bradstreet zeigt. Die Situation hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO stellt umfangreiches Informationsmaterial zum Thema bereit. Diobe Wyss, verantwortlich für das KMU-Portal beim SECO, beantwortet die wichtigsten Fragen, welche sich bei der Nachfolgeplanung stellen.
Interviewpartner: Diobe Wyss Autor: Manuel Jordi
PRESTIGE BUSINESS: Wann ist
es sinnvoll, die Nachfolge zu planen?
Diobe Wyss: Eine Firmenübertragung nimmt in der Regel mehrere Jahre in Anspruch. Es ist daher sinnvoll, das Thema frühzeitig und systematisch anzugehen. Nur so ist der Fortbestand des Unternehmens gesichert, wenn der Eigner oder die Eignerin beispielsweise aus Krankheitsgründen plötzlich ausfällt. Als Faustregel gilt: Mit 50 sollte man mit der Nachfolgeplanung beginnen. Die Übergabe selbst findet meist irgendwo zwischen 60 und 68 statt.
Wie geht man vor, wenn der Entschluss gefasst ist, die Nachfolge zu regeln?
In einem ersten Schritt geht es um die Konkretisierung und Festhaltung der Wünsche und Ziele aus Sicht der Unternehmenden und ihrer Familien. In einem anschliessenden Schritt wird das Unternehmen umfangreich analysiert, meist mithilfe externer Beratung. Schliesslich werden die Wünsche und Ziele der Situationsanalyse gegenübergestellt und daraus mögliche Handlungsoptionen abgeleitet.
Welche Optionen gibt es für die Nachfolgeregelung?
Das Unternehmen kann innerhalb oder ausserhalb der Familie übertragen werden. Familienintern handelt es sich um ein Family-Buy-out. Dies bedingt, dass eine oder mehrere Personen aus dem Kreis der Familie den Wunsch und die Fähigkeiten haben, die Firma zu übernehmen. Weiter muss ausreichend Privatvermögen vorhanden sein, um die anderen Erbansprüche abzugelten. Ist dies nicht der Fall, muss eine externe Nachfolgeperson gefunden werden. Wenn das bestehende Management einsteigt, spricht man vom Management-Buyout, und wenn sich ein externes Management einkauft, vom Management-Buy-in.
Wie wird das Unternehmen auf die Übergabe vorbereitet?
Ein Unternehmen wird umso leichter eine Person finden, die es übernimmt, wenn es über gesunde Finanzen sowie eine gute Organisation und Buchführung verfügt. Zudem ist es die Pflicht verantwortungsvoller Unternehmender, sich zu versichern, dass sie ihr Unternehmen so übergeben, dass die Nachfolgeperson die Führung unter bestmöglichen Bedingungen übernehmen kann.
Sind dafür manchmal auch umfassende Reorganisationen notwendig?
Ja, KMU wachsen oft rund um die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Führungsperson. Solche Firmenstrukturen können die Übergabe erschweren. Es sind daher auch weitreichende Umstrukturierungsmassnahmen zu prüfen, wie etwa eine Firmenspaltung. Auch eine Ausschüttung von Substanzdividenden zwecks Erleichterung des Unternehmens und Sicherung der Altersvorsorge, die Änderung der Rechtsform oder eine Neuorganisation des Managements kann notwendig werden.
Daneben ist es ratsam, die Organisation und das Management des Unternehmens noch einmal zu prüfen und die Prozesse gegebenenfalls zu optimieren – vor allem, wenn das Unternehmen eher informell geführt wurde. Diese Faktoren spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den Wert des Unternehmens auszuhandeln.
Was folgt, wenn man sich für eine konkrete Nachfolgeregelung entschieden hat?
Ist der Übertragungsprozess eingeleitet, muss dies allen betroffenen Parteien, ob firmenintern oder -extern, mitgeteilt werden. Eine transparente Kommunikation spielt für den Erfolg der Übertragung und die Akzeptanz seitens der Mitarbeitenden eine Schlüsselrolle. Sie hilft auch dabei, Gerüchte aus der Welt zu räumen, welche die Kaderleute, die Mitarbeitenden sowie die Kundinnen und Kunden beunruhigen und dazu führen, dass diese sich Sorgen um die Zukunft des Unternehmens machen.
Gilt auch hier das Kommunikationsprinzip intern vor extern?
Ja, andernfalls kann dies verheerende Folgen für die Beschäftigten habenhaben, die sich von ihrem Unternehmen verraten fühlen können. Nichts ist für ein
Unternehmen auf dem Weg zu einer Übernahme schlimmer, als wenn Führungskräfte und vertrauenswürdige Mitarbeitende das Schiff verlassen. Dieses Prinzip von Klarheit und Transparenz entbindet die betroffenen Parteien wohlgemerkt nicht von der nötigen Verschwiegenheit in Bezug auf finanzielle oder sonstige Details der Übertragung, die Gegenstand einer schriftlichen Vertraulichkeitserklärung sein können.
Ist die Katze aus dem Sack, folgt die Umsetzung. Haben Sie hier noch wertvolle Tipps?
Für die rechtliche Übertragung sind einige Behördengänge notwendig. Diese können heute bequem online auf EasyGov.swiss abgewickelt werden. Das erspart Zeit und Kosten.
DIE HÄUFIGSTEN HINDERNISSE BEI EINER NACHFOLGE
w Zu späte Regelung der Nachfolge: Unternehmerinnen und Unternehmer neigen häufig dazu, zu spät mit der Nachfolgeplanung zu beginnen. Das Ergebnis: ein überstürzter Verkauf oder eine ungewollte Liquidation des Unternehmens.
w Fehlende Strategie: Die Unternehmenden und ihre Familie haben kein klares Bild davon, welche Rolle sie künftig im Unternehmen spielen wollen. Der Nachfolgeprozess wird dadurch erschwert und chaotisch.
w Alleingang: Die Inhaberin oder der Inhaber trifft alle Nachfolgeentscheidungen allein, ohne die anderen betroffenen Parteien einzubeziehen. Wenn Interessenskonflikte nicht diskutiert und weitgehend beigelegt wurden, kann die Nachfolge eine ungewollte Wendung nehmen.
w Verlustängste: Die Unternehmerin oder der Unternehmer kann nicht loslassen und mischt sich weiter in die Geschäftsführung ein.
w Überhöhte Gewinnvorstellungen: Fixiert auf das Ziel, nicht ausgeschüttete Gewinne aus der Firma herauszuholen, weigert sich die Unternehmerin oder der Unternehmer, beim Preis realistische Kompromisse einzugehen.
w Nicht betriebsnotwendige Aktiven: Unternehmen verfügen häufig über sehr hohe Substanzwerte mit erheblichen nichtbetrieblichen Aktiven. Das wirkt sich nachteilig auf die Rentabilität der Firma aus. Derart aufgestellte Firmen lassen sich schwer verkaufen.
w Fixiertheit auf eine bestimmte Nachfolgelösung: Die Unternehmerin oder der Unternehmer stürzt sich scheuklappenartig auf eine Nachfolgelösung, die sich als unpassend oder unrealistisch herausstellt. Da keine Alternativen geprüft wurden, ist es sehr schwer, einen anderen Kurs einzuschlagen.
w Auswahl des «richtigen» Nachfolgers oder der «richtigen» Nachfolgerin: Das ist sicher die schwierigste Aufgabe. Hier lohnt es sich, die notwendige Zeit für ein gutes Anforderungsprofil, eine umfassende Suche, mehrere intensive Gespräche (am besten gemeinsam mit einer kompetenten Drittperson) und entsprechende Abklärungen einzuplanen. w Fehlende Beratung: Die Nachfolge läuft ohne Beiziehung unabhängiger Expertinnen und Experten ab oder diese werden zu spät gefragt.
w Zu wenig Information: Die Nachfolge wird nicht offen und transparent kommuniziert. Mitarbeitende und Kunden verlieren das Vertrauen in die Firma, da sie von der Entscheidung überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
w Verwundbarkeit im Nachfolgeprozess: Das Unternehmen wird während einer Übernahme meist geschwächt, sei dies aufgrund der höheren Finanzlast oder weil sich die neue Inhaberin oder der neue Inhaber erst einarbeiten muss. Das gilt selbst dann, wenn sie oder er bereits dem Management angehörte. Für Mitbewerber bietet sich hier eine Chance zum Angriff. Es ist deshalb für das Gelingen sehr wichtig, die Übergangsphase sehr genau zu planen, den Know-howTransfer der Schlüsselpersonen sicherzustellen, Polster anzulegen (finanziell und personell) und wenn immer möglich das bisherige Leitungsteam in den Nachfolgeprozess und die folgenden mindestens drei bis sechs Monate aktiv einzubinden.
STEUERLICHE ASPEKTE BEI EINER FIRMENÜBERGABE
w Darlehen für die Übernahmefinanzierung: Erfolgt die Übernahme des Unternehmens über Darlehen, so ist deren Verzinsung und Rückzahlung (Amortisation) bei der Nachfolgeperson (Darlehensnehmer) voll steuerbar. Reichen die Einnahmen des übernommenen Unternehmens dafür aus, dass die Übernehmenden ihre Schulden tilgen, die Steuern bezahlen und ihren Privatbedarf decken können, ohne dass dem Unternehmen zu viele Mittel entzogen und somit Investitionen blockiert werden?
w Doppelbesteuerung: Bei Kapitalgesellschaften werden Gewinne, die im Unternehmen anfallen, zweimal besteuert: einmal als Gewinnsteuer im Unternehmen selbst, ein zweites Mal als Einkommenssteuer bei der Unternehmensleitung. Als Konsequenz dieser Doppelbesteuerung werden Gewinne tendenziell seltener ausgezahlt, sondern eher wieder in die Firma investiert. Damit kommt es zu «substanzschweren» Unternehmen. Häufig können diese früher investierten Gewinne dann über den Verkaufspreis für das Unternehmen nicht wieder herausgelöst werden, weil sie nur selten zum Ertragswert beitragen.
w Indirekte Teilliquidation / Erbenholding / Transponierung: Bei der Gründung fremdfinanzierter Gesellschaften zum Zweck der Übernahme eines Unternehmens ist grosse Vorsicht geboten. Es sollten unbedingt Steuersachverständige beigezogen werden.
w Erbschafts- und Schenkungssteuern (Kantonalrecht): Übertragungen an nicht direkte Nachkommen können erhebliche Steuerbelastungen (bis 40 Prozent des Unternehmenswertes!) zur Folge haben. Da Steuern sofort bezahlt werden müssen, kann sich daraus ein erheblicher Liquiditäts- und damit Finanzierungsbedarf ergeben.
w Umstrukturierung des Vermögens: Die Verschiebung von Teilen des Firmenvermögens in das Privatvermögen und umgekehrt kann steuerlich relevante Folgen haben, wenn sie weniger als fünf Jahre vor dem Tag der offiziellen Übertragung des Unternehmens erfolgt. Es empfiehlt sich, solche Massnahmen weit im Voraus zu planen.
w Übernahmegesellschaft: Wenn Nachfolgende oder Erben eine Gesellschaft gründen wollen, die den Betrieb übernehmen soll, sollten unbedingt Steuersachverständige beigezogen werden.