«Die Institutionen im Baselbiet sind näher zusammengerückt» Sabine Knosala
Seit einem Jahr leitet Esther Roth das Amt für Kultur Basel-Landschaft. Ein Gespräch mit der 41-Jährigen über ihre Erfahrungen in der neuen Funktion, die kulturellen Eigenheiten des Baselbiets und die Herausforderungen durch die Pandemie.
Seit einem Jahr hat das Amt für Kultur Basel-Landschaft eine neue Struktur. Wurde dadurch die Position der Kultur im Kanton gestärkt? Esther Roth: Es ging bei der Neuorganisation vor allem darum, das Amt für Kultur mit einer Führungsstruktur auszustatten, die den stetig steigenden Anforderungen an die Dienststellenleitung angepasst ist. Das ist gelungen, und viele Prozesse konnten bereits in den ersten Monaten merklich verbessert werden. Haben Sie durch Ihre neue Funktion mehr Handlungsspielraum? Wir gewinnen an Tempo und Flexibilität, können Projekte besser priorisieren und Prozesse gezielter steuern. Das klingt nun nicht gerade sehr sinnlich, ist aber extrem wichtig, damit unsere Teams gut arbeiten können. Sie sind im Kanton Bern aufgewachsen, haben in Zürich und Basel-Stadt gewohnt und sind jetzt im Kanton Basel-Landschaft zu Hause. Wie nehmen Sie die Baselbieter Kulturszene im Vergleich zu derjenigen in anderen Kantonen wahr? Wir haben die Römer, die Burgen, die fantastischen Seidenbandsammlungen, Carl Spitteler und einen aussergewöhnlichen Reichtum an lebendigen Traditionen. Dadurch haben wir eine Vielfalt an Geschichten, die ein grundlegendes Verständnis dafür fördern, dass schon immer alles im Wandel war. Daraus ergibt sich allerdings keine homogene erzählbare Identität.
Wir haben die Römer, die Burgen, die fantastischen Seidenbandsammlungen, Carl Spitteler und einen aussergewöhnlichen Reichtum an lebendigen Traditionen. Wir versuchen, den kulturellen Akteurinnen und der Bevölkerung zu vermitteln, dass wir das Baselbiet vor allem als Kanton begreifen, der für eine enorme Vielfalt steht, und dass wir diese Zuschreibung sehen und fördern wollen. Als Sie im Februar 2016 als Leiterin von Kulturelles.bl anfingen, attestierten Sie
dem Baselbieter Kulturschaffen «mangelndes Selbstverständnis» und «ungenügende Sichtbarkeit». Würden Sie das heute auch noch sagen? Nein. Das Selbstvertrauen der Akteurinnen wurde gestärkt und die Akzeptanz des Kulturschaffens über die Sparten und Bereiche hinweg, aber auch in der Politik, deutlich erhöht. Wir nehmen auch wahr, dass sich die Baselbieter Institutionen und Kulturakteurinnen zunehmend besser kennen und zu einem grösseren vielfältigen Ganzen zugehörig fühlen.
Mit dem Kunsthaus Baselland und dem Marabu werden zwei wichtige Anker der kulturellen Infrastruktur für die Zukunft gefestigt. Was haben Sie dazu beigetragen? Bereits 2017 haben wir mit der Kulturkarte die Antwort auf die – im Kontext der Kulturvertragsverhandlungen – oft gestellte Frage, ob es denn im Baselbiet überhaupt Kultur gebe, abschliessend beantwortet. Weiter haben wir deutlich deklariert, dass alle Bereiche der Kultur und alle kulturellen Ausdrucksformen und Tätigkeiten gleichermassen relevant für eine Gesellschaft sind, und wir haben gleichzeitig transparent aufgezeigt, dass für die so unterschiedlichen Bedürfnisse auch unterschiedliche Massnahmen nötig sind. Das heisst konkret? Im professionellen Kulturschaffen braucht es finanzielle Mittel, damit die Profis produzieren und auswerten können. Was zählt, sind die Ergebnisse. Diese müssen konkurrenzfähig sein, von hoher Qualität, und sie müssen sich durchsetzen können. Die Messlatte ist hoch und die Gesuchseingabe anspruchsvoll, was bei den hohen Summen auch gerechtfertigt ist. Im Bereich der lebendigen Traditionen benötigen wir hingegen weniger Geld, dafür müssen wir Zeit investieren und gut zuhören, welche Bedürfnisse an uns herangetragen werden. Daraus ergibt sich zum Beispiel eine punktuelle Defizitdeckungsgarantie, damit die Trachtenvereinigung 2000 rote Strümpfe bestellen kann. Denn ohne rote Strümpfe gibt es keine Baselbieter Festtracht.
Bei Ihrem Stellenantritt im Kanton Basel-Landschaft wollten Sie sich dafür einsetzen, dass die bereits beschlossenen Sparmassnahmen der Regierung «einen guten Weg nehmen». Ist Ihnen das gelungen? Ja. Die Situation hat sich beruhigt. Wir haben in allen Sparten grosse Fortschritte erzielt – sowohl im Projekt- und Produktionsförderbereich als auch im institutionellen Bereich. Nicht nur über Mittelerhöhungen, sondern auch durch Priorisierungen und eine klare Kommunikation. Zudem haben zwei wichtige Institutionen relevante Entwicklungsschritte machen können. So erfolgt im März der Spatenstich für den Neubau des Kunsthauses Baselland, und das Marabu in Gelterkinden steckt bereits mitten in der Sanierung. Zwei wichtige Anker der kulturellen Infrastruktur werden so auch für die Zukunft gefestigt. Seit bald zwei Jahren schüttelt Corona die Kulturlandschaft durch. Arbeiten Sie in der Krise stärker mit Basel-Stadt zusammen oder schaut jetzt jeder für sich? Gerade zu Beginn der Krise hat sich der ohnehin enge Austausch mit Basel-Stadt intensiviert – ganz besonders in Bezug auf die Unterstützungsmassnahmen im Rahmen des Covid-19-Gesetzes. Dies war nicht nur zwischen den beiden Basel, sondern generell zwischen allen Kantonen und insbesondere zwischen den Kantonen der Nordwestschweiz so. Als Zürich und Basel-Stadt ihre jeweiligen Sonderwege beschritten, haben wir uns vor allem mit den Kantonen Aargau und Solothurn abgeglichen, die beide sehr ähnliche strukturelle Voraussetzungen haben. Wie sieht es punkto Corona-Unterstützung von Basler Kulturbetrieben aus? Seit Beginn der Kulturmassnahmen trägt der Kanton Basel-Landschaft die Hälfte der Ausfallentschädigungen von baselstädtischen Kulturinstitutionen, die aus der Kulturvertragspausschale alimentiert werden. Transformationsprojekte von gemeinsam geförderten Trägerschaften unterstützen wir ebenfalls zusammen. Der neue Kulturvertrag sieht vor, dass Baselland ab 2022 dem Stadtkanton jährlich 9,6 Millionen Franken für kulturelle Zentrumsleistungen überweist, ProgrammZeitung
Januar 2022
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