ProgrammZeitung Mai 2022

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«Erwachsen sein kann man nicht am Geburtstag festmachen» Sabine Knosala

Lia von Blarer (29), aus Aesch BL und heute wohnhaft in Berlin, spielt im Kinofilm «Youth Topia» die Hauptrolle. Wie viel von Ihrer Filmfigur Wanja steckt in Ihnen? Lia von Blarer: Wanja ist sehr widersprüchlich und radikal. Sie orientiert sich stark an sich selbst. Ich kann das nachvollziehen, auch wenn ich selbst anders bin. Ist «Youth Topia» ein Film für Jugendliche oder ein Film für Erwachsene, die sich mit der Jugend auseinandersetzen? Am Filmfestival in Cottbus haben wir den Youth Award bekommen, der von Jugendlichen vergeben wird. Das hat uns sehr gefreut, denn wir wollen junge Leute um die 16 Jahre ansprechen, genauso wie Erwachsene, die sich nochmals auf den Trip des Erwachsenwerdens einlassen. Im Film bestimmt ein Algorithmus, wann man erwachsen ist – unabhängig vom biologischen Alter. Ich finde es toll, dass der Film unser Alterskonzept infrage stellt: In der Geschichte gibt es Jugendliche, die schon mit 14 Jahren einen Job haben, weil sie so vernünftig und bei sich sind. Andere sind über 40 und immer noch jugendlich, weil sie es drauf anlegen und gar kein Interesse haben, erwachsen zu werden. Was heisst erwachsen sein für Sie persönlich? Wir definieren als Gesellschaft klar, dass man ab 18 Jahren erwachsen ist, und dann ändert sich angeblich alles. Aber es ist ja nicht wirklich so, dass man das am Geburtstag festmachen kann, sondern es sind viel-

Filmstill aus «Youth Topia»

Lia von Blarer, Filmstill aus «Youth Topia»

mehr die Erfahrungen und Entwicklungen, die man persönlich macht. Wenn ich zurückdenke, habe ich sicher sehr erwachsene Momente als Jugendliche gehabt und sicher auch sehr unerwachsene Momente als nicht mehr Jugendliche.

fenbaren, die ein Geheimnis haben. Das macht eine Rolle spannend.

«Youth Topia» hat einen starken visuellen Look mit knallig verfremdeten Farben. Warum? Unser Ziel war es, einen Film zu machen, der unterhält und der auch die Möglichkeiten, die ein visuelles Medium bietet, ausschöpft. Dass es nicht darum geht, die Welt zwangsläufig so abzubilden, wie sie ist, sondern dass wir uns unsere eigene Welt ausdenken und diese zur Disposition stellen dürfen. Man kann darüber nachdenken, was das für unsere reale Welt bedeutet.

Sie spielen in Theaterstücken und Filmprojekten mit. Wo fühlen Sie sich eher zu Hause? Immer wenn ich das eine mache, fehlt mir das andere (lacht). Ich könnte mich nie entscheiden, denn es sind so unterschiedliche Metiers und Herausforderungen. In den letzten Jahren hatte allerdings der Film wegen Corona mehr Gewicht als das Theater, weil er mehr Möglichkeiten bot, um mit der pandemischen Situation umzugehen.

Was ist Ihnen bei der Auswahl Ihrer Rollen wichtig? Wenn mich ein Projekt interessiert, will ich es unterstützen, dann ist meine Rolle fast zweitrangig. Ich spreche lieber in einem Film, den ich richtig gut finde, nur ein paar Sätze, als dass ich bei einem Film die Hauptrolle spiele, der eine Geschichte erzählt, wie sie schon 100 Mal erzählt wurde. Grundsätzlich mag ich widersprüchliche Figuren und solche, die nicht gleich alles of-

Was können wir von Ihrer Filmfigur Wanja lernen? Miteinander geht es einfacher als allein.

Wo werden Sie in Zukunft leben? In Hollywood? Ich weiss gar nicht, ob Hollywood so interessant ist. Ich habe ja ein halbes Jahr in Paris studiert und finde, Europa hat eine sehr reiche und durch die verschiedenen Länder auch sehr unterschiedliche Film- und Theaterkultur. Davon möchte ich gern mehr kennenlernen. Und ich habe Lust, weitere Bereiche im Schaffungsprozess zu erkunden. So schreibe ich momentan erstmals als Autorin bei einer Fernsehserie mit.

«Youth Topia»: Darum gehts Wir befinden uns in der Zukunft: Ein geheimnisvoller Algorithmus bestimmt, ab wann man erwachsen ist und welchen Beruf man ausübt. Eine kleine Gruppe von Menschen widersetzt sich aber dieser Regelung: Wie Outlaws leben diese Ewig-Jugendlichen in einer Scheune am Rande des Orts, hängen nur herum und machen Blödsinn. Dazu gehört auch Wanja (Lia von Blarer). Eines Tages wird sie jedoch überraschend als erwachsen deklariert. In einem Architekturbüro soll sie den Neubau eines Jugendzentrums planen, in das die notorischen Jugendlichen umgesiedelt werden sollen. Damit gerät Wanja zwischen die Fronten zwischen ihrer neuen Rolle und ihren alten Freunden ... «Youth Topia» läuft ab Do 5.5. in den Kultkinos Basel, www.kultkino.ch

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