P R O H O LZ Dokumentation 28. Informationstagung Berner Fachhochschule Biel 14. Februar 2009
Programm Zeitrahmen
Thema
Referent
08:30 – 09:00
Eintreffen und Kaffee
09:00 – 09:10
Begrüssung
Hanspeter Kolb
09:10 – 10:10
Herausforderung Holzbau-Unternehmung Die (all)tägliche Spitzenleistung
Hans Rupli
10:10 – 10:30
Pause
10:30 – 11:00
Das swiss I.B.W. team Von Spitzenleistungen und Erfolgserlebnissen
Martin Hochuli Stefan Schoch
11:00 – 12:00
Zimmerleute in Aktion Spitzenleistungen live miterleben
Freie Besichtigung CH-Meisterschaft
12:00 – 13:30
Mittagessen
13:30 – 14:30
Herausforderung Holzbau Spitzenleistungen beim Planen und Ausführen
Hermann Blumer
14:30 – 15:45
Expedition Antarctica 484 Tage bis ans Ende der Welt Spitzenleistung als Grenzerfahrung
Evelyn Binsack
15:45 – 16:00
Pause
16:00
Die verdiente Belohnung Siegerehrung der Schweizermeisterschaft für Zimmerleute
Martin Hochuli Evelyn Binsack Hans Rupli
Vorstellung der Referenten Pro Holz Informationstagung 2009 Hans Rupli
Hans Rupli Nach seiner Lehre als Zimmermann absolvierte Hans Rupli das Architekturstudium an der FH Burgdorf. Von 1981 bis 2001 war er Geschäftsführer der Rupli + Partner AG, Holzbau Technik in Hallau. Seit 1990 ist er Mitglied der Zentralleitung Holzbau Schweiz, seit 1990 führt er den Verband als Präsident. Weitere Tätigkeiten verdeutlichen den Leistungsausweis als Führungspersönlichkeit: Vorstandsmitglied Schweizerischer Arbeitgeberverband, Mitglied der Schweizerischen Gewerbekammer, Verwaltungsrat Suva, Verwaltungsrat Verlag Hoch und Tiefbau, Vizepräsident Europäische Vereinigung des Holzbaus. Zum Thema: Herausforderung Holzbau-Unternehmung: Die alltägliche Spitzenleistung Die Anforderungen an die Holzbau-Unternehmungen sind während der letzten Jahre stetig gestiegen. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man sagt, dass Holzbau - Unternehmungen täglich Spitzenleistungen erbringen müssen. Gefordert sind dabei alle Mitarbeiter einer Unternehmung, ganz besonders jedoch die Führungskräfte. Themen wie Mitarbeiterführung und -motivation, Umgang mit (oft schwierigen) Kunden und die hohen fachlichen Herausforderungen stehen dabei im Vordergrund. Aber auch die steigende Umweltproblematik, die Verknappung der Ressourcen und die steigenden Anforderungen in der Wohn- und Baukultur fordern die Unternehmer stark. Der Verband der Schweizer Holzbau.
Martin Hochuli
Martin Hochuli machte eine Lehre als Zimmermann und absolvierte gleichzeitig die technische Berufsmaturitätsschule in Lenzburg. Weitere Stationen seiner beruflichen Ausbildung waren die Technikerschule HF Holz in Biel, die SIU Unternehmerschulung sowie die Prüfungen zum Eidg. dipl. Zimmermeister und zum Eidg. dipl. Betriebswirtschafter im Gewerbe. Nach verschiedenen beruflichen Stationen kehrte er 2007 als Geschäftsführer der Hochuli Holzbau AG zurück in den elterlichen Betrieb nach Schlossrued. 1998 wurde Martin Hochuli in Groningen (NL) Europameister der Zimmerleute.
Stefan Schoch
Stefan Schoch absolvierte nach seiner Lehre als Zimmermann die Technikerschule HF Holz in Biel und absolviert im Moment die Ausbildung zum Eidg. dipl. Betriebswirtschafter des Gewerbes. Er wurde in den Jahren 2000 bis 2003 Schweizer-, Europa- und Weltmeister der Zimmerleute und gehört somit zu den erfolgsreichsten Mitgiedern des swiss I.B.W teams, in welchem er heute als Trainer, Betreuer und Experte tätig ist. Zum Thema: Das swiss I.B.W. team Von Spitzenleistungen und Erfolgen Das ganze begann mit "Misserfolgen“. Als in den 90-er Jahren die Erfolge der Zimmerleute an internationalen Berufwettbewerben ausblieben, wurde das swiss I.B.W team gegründet. Das Ziel war, junge Berufsleute für eine Teilnahme an den Berufswettbewerben zu motivieren und diese wieder an die internationale Spitze heranzuführen. Die Erfolge liessen nicht lange auf sich warten. Seit rund 10 Jahren gehören die Zimmerleute aus der Schweiz zu den Stammgästen auf den Podesten von Europa- und Weltmeisterschaften.
Nebst der fachlichen und mentalen Vorbereitung gehören auch Spitzenleistungen bei der Entwicklung und der Vorbereitung des Werkzeugs zu den Erfolgsrezepten. Das swiss I.B.W team ist heute breit abgestützt. So sind praktisch alle erfolgreichen Teilnehmer an internationalen Wettkämpfen der letzten Jahre als Trainer, Betreuer und Experten tätig (unter anderen auch Martin Hochuli und Stefan Schoch). Aber auch treue Sponsoren und die Berufsverbände Holzbau Schweiz und FRM leisten ihre Beträge mit grosszügiger finanzieller Unterstützung.
Hermann Blumer
Hermann Blumer Nach seiner Lehre als Zimmermann und der Matura Typ C absolvierte Hermann Blumer das Bauingenieurstudium an der ETH in Zürich. Anschliessend war er 2 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität in Karlsruhe tätig. Von 1971 bis 1997 war er Geschäftsführer und Inhaber der Blumer AG in Waldstatt. Bis 2001 leitete er im Auftrag der Schweizerischen Holzwirtschaft die "Boisvision 2001", welche sich insbesondere für die Verwendung von Holz an der Expo 2002 einsetzte. 2003 gründete er die "Création Holz". Hermann Blumer gehört zu den kreativsten und innovativsten Köpfen der Schweizer Holzwirtschaft. Zum Thema: Herausforderungen Holzbau Spitzenleistungen beim Planen und Ausführen Wenn Architekten oder Bauherren verrückte Ideen haben, wollen sie diese oft mit Holz realisieren. Beispiele dazu gibt es auf der ganzen Welt. Dies hat zu einem guten Teil mit dem Werkstoff Holz zu tun, der ja bekanntlich zu den Spitzenreitern bei den Baustoffen gehört. Massgebend sind aber nicht nur der Baustoff, sondern auch die Köpfe, die mit dem Baustoff Holz genial umgehen können. Dabei sind neben den statischen und konstruktiven Kompetenzen immer mehr auch werkstofftechnische, bauphysikalische, ökologische und ökonomische Kenntnisse gefordert. Hermann Blumer hat in seiner Karriere unzählige solcher Bauten geplant und mit seinem Team realisiert. Dabei stiess er einige Male an Grenzen, sei dies bei der Leistungsfähigkeit oder auch beim aktuell vorhandenen Wissen. Konnte er doch einige der Herausforderungen, die ihm bei „verrückten“ Bauten gestellt wurden, erst nach entsprechenden Versuchen bewältigen. "Holz effizient zu verarbeiten heisst, Verantwortung für Morgen zu übernehmen." Herrmann Blumer
Evelyn Binsack
Evelyn Binsack Evelyne Binsack wuchs in Hergiswil NW auf und wollte eigentlich Spitzensportlerin in Leichtathletik werden. Doch dann entdeckte sie das Miteinander des Bergsports. Ihr imponierte das Zusammenspiel einer Seilschaft mit und in der Natur. In den folgenden Jahren absolvierte sie die Ausbildung zur dipl. Bergführerin und bestieg alle namhaften Wände in den Alpen. Sie dehnte in der Folge ihre Berglust aus und kletterte auf die höchsten Gipfel des Himalaja, des Karakorums, der Anden und in Patagonien. Dabei erreichte sie als erste Frau der Schweiz den Gipfel des Mount Everest. Zum Thema Expetition Antarctica In 484 Tagen ans Ende der Welt Spitzenleistungen als Grenzerfahrungen Am 1. September 2006 nahm Evelyne Binsack auf dem Grimselpass die rund 28'000 km lange Strecke ans südlichste Ende der Welt in Angriff. Vor ihr lagen 484 Tage mit Strapazen, Höhen und Tiefen, schöne und weniger schöne Begegnungen und ein faszinierendes Abenteuer. Nach 440 Tagen, 25'000 km (gespickt mit 120'000 Höhenmetern) auf dem Fahrrad quer durch Europa, Nord- und Südamerika folgte zum Dessert der entscheidende Fussmarsch über 1180 Kilometer durch Schnee, Kälte und Eis zum Südpol. Kurz vor dem Ziel, verglichen mit der ganzen Distanz winzigen 300 km vor der Ankunft, schien alles verloren zu sein. "Das Ziel ist mental extrem weit weg und die Antarktis kommt vor wie ein Monster ohne Anfang und ohne Ende" (Originaltext aus den Tagebuch von Evelyn Binsack). Auch nach einer längeren Ruhephase konnte sie sich nicht mehr richtig erholen. Woher nahm sie die Kraft, bei minus 30 Grad ihren grossen Traum doch noch zu verwirklichen?
Herausforderung Holzbau-Unternehmung Die (all)t채gliche Spitzenleistung Hans Rupli
Herausforderung Holzbau-Unternehmung
28. Informationstagung Pro Holz
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Herausforderung Holzbau-Unternehmung
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Das swiss I.B.W. team Von Spitzenleistungen und Erfolgserlebnissen Martin Hochuli
Stefan Schoch
Das swiss I.B.W. team
Das swiss I.B.W. team – Von Spitzenleistungen und Erfolgserlebnissen
Geschichte Auslöser für die Gründung des swiss I.B.W. team war der Internationale Berufswettbewerb (IBW) 1995 in Lyon. Dort wurde offensichtlich, dass mit der hobbymässigen Förderung eines abseits der Öffentlichkeit selektionierten Kandidaten, keine internationalen Medaillenränge mehr möglich sind. Auf der einen Seite waren die asiatischen Konkurrenten viel professioneller vorbereitet, zum anderen hatten wir auch bezüglich Werkzeug (Sägen) einige Entwicklungen verpasst. Hans Germann, der damalige Vorsteher der Gewerbeschule Frutigen, entwickelte daraufhin die Idee, ein Team zu gründen, welches sich der professionellen Betreuung der künftigen Kandidaten annehmen solle. Dieses „swiss I.B.W. team“ gründete er in der Folge 1996, gemeinsam mit seinen Fachlehrern Hans Rupp und Hansueli Mürner. Als Verstärkung für die Ausbildung und als Experte für die internationalen Wettbewerbe stiess sogleich auch Michael Riggenbach dazu. Eine erste Bewährungsprobe stand mit dem Europäischen Berufswettbewerb in Friedrichshafen 1996 vor der Türe. Die drei Erstklassierten der Vorausscheidung 1995 (Werner Zumkehr, Sigi Rupp, Peter von Wyl) wurden auf diesen Wettbewerb vorbereitet. Die Kandidaten wurden mit einer Teambekleidung ausgerüstet und setzten mit diesem einheitlichen Auftritt einen neuen Massstab. Die getroffenen Massnahmen zahlten sich aus, die Schweiz gewann in Friedrichshafen alle drei Einzelmedaillen und somit auch die Teamwertung. Mit diesem einmaligen Erfolg als Referenz, gelang es Teamsponsoren zu gewinnen und auch der Zimmermeisterverband (SZV) erklärte sich bereit, das Team massgeblich finanziell zu unterstützen. Das Ressort Finanzen wurde in der Folge von Hanspeter Kolb betreut. Als nächstes wurde die erste öffentliche Schweizermeisterschaft organisiert. Zehn Kandidaten aus der ganzen Deutschschweiz wurden mit gemeinsamen Vorbereitungs-Weekends auf den Wettbewerb vorbereitet, welcher im Januar 1997 anlässlich der Swissbau in Basel stattfand. Der Erstklassierte Urs Dörig wurde direkt anschliessend auf die Berufs-WM 1997 in St. Gallen vorbereitet. Dort erreichte er den 3. Rang und somit endlich wieder eine Medaille für die Schweiz. Urs Dörig blieb dem Team nach diesem Erfolg erhalten und kümmerte sich vor allem um die Weiterentwicklung von Werkzeug, Ausrüstung und Bekleidung.
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
1998 konnten zwei europäische Wettbewerbe besucht werden. Das Team bildeten die 2. bis 6. Rangierten der SM 1997. Beim EBW in Klagenfurt (A) gelang mit dem Gewinn von Goldund Bronzemedaille in der Einzelwertung, sowie der Goldmedaille in der Teamwertung, die Bestätigung für den Erfolg in Friedrichshafen. Am EuroSkills-Wettbewerb in Groningen (NL) reichte es ebenfalls zur Goldmedaille. Hansjörg Rechsteiner vertrat die Schweiz an der nächsten Berufs-WM 1999 in Montreal. In einem sehr spannenden und engen Wettbewerb setzte er die Fortschritte der letzten Jahre bezüglich Ausbildung und Ausrüstung optimal um. Der verdiente Weltmeistertitel war Lohn für Hansjörg und das ganze Team. Das Konzept von Aufbau und Selektion der Kandidaten mittels Schweizermeisterschaft über Europameisterschaft zur Weltmeisterschaft hatte sich also bewährt und wird seitdem konsequent angewendet. Das Team wurde durch die Aufnahme von ehemaligen Kandidaten vergrössert. So stiessen Hansjörg Rechsteiner, Martin Hochuli, Gabriel Koller und Stefan Schoch als Experten und Ausbildner hinzu. Ein weiterer Meilenstein konnte anlässlich der Schweizermeisterschaft 2005 in Frutigen gesetzt werden. Erstmals nahmen drei Kandidaten aus der Westschweiz teil. Nach der ersten Teilnahme mit bescheidenem Erfolg, organisierten Joel Morerod und Laurent Seppey in der Westschweiz ebenfalls ein professionelles Werbungs- und Selektionssystem. Die Bemühungen fruchteten rasch und bereits 2007 konnte mit Gabriel Mottier ein Schweizermeister aus der Westschweiz gefeiert werden.
Stefan Schoch auf den Schultern von Urs Dörig und Hansjörg Rechsteiner, nach dem Gewinn der WMGoldmedaille in St. Gallen 2003
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
Organisation Rechtlich wird das swiss I.B.W. team als Kommission unter dem Dach von Holzbau Schweiz geführt. Organisatorisch besteht eine Grundstruktur gemäss untenstehendem Organigramm. Es finden 1 - 2 Teamsitzungen pro Jahr statt. Daneben finden interne Kommunikation und Entscheidungsfindungen bilateral oder per Mail-Umfrage statt. Als Grundsatz gilt, anfallende Aufgaben werden von demjenigen erledigt, welchem diese den geringsten Aufwand verursachen oder welcher freie Ressourcen hat.
Organigramm swiss I.B.W. team 2009 holzbau schweiz
swiss I.B.W. team Support
Technik
Martin Hochuli, Schöftland
Hansjörg Rechsteiner, Haslen
Le itung Support
Le itung Te chnik
Peter Elsasser, Gisikon
Michael Riggenbach, Biel
Kommunikation / holzbau schwe iz
Expe rte WM
Hanspeter Kolb, Biel
Joel Morerod, Les Diablerets
Finanze n
Expe rte EM / Ausbildung Romandie
Hansueli Mürner, Scharnachtal
Gabriel Koller, Appenzell
Sponsoring
Ausbildung, Be tre ue r
Laurent Seppey, Lausanne
Stefan Schoch, Räterschen
Ve rtre te r FRM
Ausbildung, Be tre ue r
Urs Dörig, Appenzell Be kle idung / We rkze ug
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Das swiss I.B.W. team
Finanzierung Das swiss I.B.W. team finanziert sich mit den Verbandsbeiträgen von Holzbau Schweiz und FRM, sowie den Beiträgen unserer zumeist langjährigen Sponsoren.
Übersicht Einnahmen
CHF 20'000.-
CHF 5'000.-
Hauptsponsoren + Gönner CHF 15'000.Total CHF 40'000.- / Jahr
Ausgabenseitig fallen für alle drei Wettbewerbe ähnlich hohe Kosten an. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Schweizermeisterschaft die Organisation und Durchführung des Wettbewerbs eingeschlossen ist. Die effektiven Kosten für die Teilnahme an der Berufs-WM liegen höher als hier ausgewiesen, werden aber teilweise von SwissSkills getragen.
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
Übersicht Ausgaben (über 2 Jahre) Schweizermeisterschaft
EBW
Berufs-WM
CHF 30'000.-
CHF 25'000.-
CHF 25'000.-
-Organisationaufwand -Trainings+Ausscheidung -Verpflegung und Unterkunft für Teilnehmer und Experten -Spesen Experten -Fuchsschwänze -Verbrauchsmaterial -Medaillen und Geschenke -Aufgabenstellungen
-Vorbereitungstrainings -Reisekosten -Spesen Betreuer+ Experte -Geschenke -Team-Werkzeug -Aufgabenvorschlag erstellen
-Vorbereitungstrainings -Teilnahmebeitrag für Experte+ Kandidat -Reise für Betreuer -Spesen Betreuer+ Experte -Geschenke -Werkzeug -Aufgabenvorschlag erstellen
Wettbewerbe im Überblick Schweizermeisterschaft Die Schweizermeisterschaft findet aller zwei Jahre statt. Teilnameberechtigt sind Lehrlinge und Zimmerleute, welche im Jahr der Meisterschaft maximal 20 Jahre alt werden. Der Wettbewerb wird durch das swiss I.B.W. team organisiert und finanziert. In der Regel gibt es ca. 25 bis 30 Interessenten aus der Deutschschweiz und 6 bis 7 aus der Westschweiz. Nach zwei gemeinsamen Vorbereitungstrainings wird eine Vorausscheidung mit Aufgaben aus den Bereichen Austragen und Dachausmittlung durchgeführt. Die jeweils 9 bzw. 3 besten Kandidaten aus Deutsch- und Westschweiz nehmen dann an der Schweizermeisterschaft teil. Der Wettbewerb erstreckt sich über 18 bis 20 Arbeitsstunden, verteilt auf drei Tage. Jeder Kandidat erstellt zwei komplette Modelle gemäss Planvorlage. Die einzelnen bewerteten Arbeitsschritte sind Aufreissen und Austragen, Anreissen der Hölzer, Ausarbeiten der Hölzer, Aufrichten des Modells. Als Hilfsmittel sind nur Handwerkzeug, sowie eine Handhobelmaschine für Abgratungen und Akku-Schrauber für den Zusammenbau erlaubt. Die Bewertung enthält sowohl objektive (Masse, Verbindungen), als auch subjektive (Sauberkeit, Gesamteindruck) Kriterien. Mit Punkteabzug bestraft werden falsche Hölzer, welche ausgetauscht werden müssen, sowie Nachbearbeitungen während dem Aufrichten.
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
Peter Schwarz (SM 2007 in Lenzburg)
Europäischer Berufswettbewerb der Zimmerer (EBW) Der Europäische Berufswettbewerb der Zimmerer ist von der Europäischen Vereinigung für den Holzbau (EVH) initiiert. Er findet seit 1994 alle zwei Jahre in einem anderen Land statt. Organisiert und finanziert wird der EBW vom jeweiligen Austragungsverband. Es nehmen 5 bis 7 Länderteams mit jeweils 3 Kandidaten teil. Es gibt eine Einzel- sowie die Nationenwertung. Für die Nationenwertung werden die besten beiden Einzelpunktzahlen pro Nation zusammengezählt. Die Arbeitszeit beträgt 22 Stunden, verteilt auf drei Tage. Das Wettbewerbsmodell wird vor dem Wettbewerb durch die Experten gewählt. Jede Nation kann einen Aufgabenvorschlag präsentieren. Wie an der Schweizermeisterschaft sind nur Handwerkzeuge, sowie Handhobelmaschine und Akku-Schrauber zugelassen. Die Bewertung verläuft ähnlich wie bei der Schweizermeisterschaft. Jede Nation stellt einen Experten, welcher die eigenen Kandidaten jedoch nicht bewerten darf. Das swiss I.B.W. team bereitet jeweils 4 Kandidaten auf den EBW vor. Das Training besteht aus 6 bis 8 gemeinsamen tägigen Trainings, sowie einer 2-tägigen Vorausscheidung. Der Schweizermeister ist für den EBW gesetzt, die anderen 3 Kandidaten machen die restlichen beiden Startplätze unter sich aus. Berufs-Weltmeisterschaft (WorldSkills Competition) Die Berufs-WM wird von WorldSkills, einer weltweiten Organisation zur Förderung der Berufsbildung, durchgeführt. Die Berufs-WM findet alle zwei Jahre, jeweils auf einem anderen Kontinent statt (2009 Calgary / 2011 London). Es nehmen 700 bis 800 Kandidaten, in ungefähr 40 Berufen teil. Pro Beruf kann jede Nation einen Kandidaten und einen Experten stellen. Finanziert wird die Berufs-WM durch die Teilnehmerbeiträge, sowie durch die Austragungsnation. Bei den Zimmerleuten beteiligen sich jeweils 8 bis 12 Nationen am Wettbewerb. Die Arbeitszeit beträgt 22 Stunden, verteilt auf 4 Tage. Neben Handwerkzeugen sind auch alle gebräuchlichen Handmaschinen, sowie Kappsägen und kleine Tischfräsen (Erika) zugelassen. Das Wettbewerbsmodell ist aus 3 einzelnen Modulen aufgebaut, welche einzeln bewertet werden und ein Gesamtmodell ergeben.
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
Der bestrangierte Schweizer Teilnehmer am EBW wird vom swiss I.B.W. team für die BerufsWM vorbereitet. Neben unzähligen individuellen Trainingsstunden, werden 2 bis 3 mehrtägige Wettbewerbstrainings bei ehemaligen Teilnehmern oder dem Experten durchgeführt. Zusätzlich besucht der Kandidat drei Weekend mit dem gesamten Schweizer Team, welches an die WM fährt. Dort werden die nicht berufsspezifischen Aspekte bearbeitet (Teambildung, Mentaltraining, Kommunikation).
Stefan Schoch während den letzten Wettbewerbsminuten an der WM St. Gallen 2003. Beobachtet von den Experten im Vordergrund und dem Fanclub im Hintergrund
Erfolgsfaktoren Gemeinsame Zielsetzung Jedes Team-Mitglied steht hinter dem Ziel, dass die besten Teilnehmer selektioniert und bestmöglich auf die jeweiligen Wettbewerbe vorbereitet werden. Wir können nur internationalen Erfolg haben, wenn wir den bestgeeigneten Kandidaten zur Verfügung haben. Eigeninteressen werden dabei zurückgestellt. Es spielt keine Rolle, woher ein Kandidat kommt, bei wem er arbeitet oder wer ihn ausgebildet hat oder welche Sprache er spricht. Entscheidend ist, dass er das beste Potential verspricht.
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Das swiss I.B.W. team
Expertenteam bei der Bewertung (SM 2007 in Lenzburg)
Erfahrungsaustausch und -erhalt Es findet ein intensiver Austausch zwischen Kandidat, Betreuer und Experte, vor und nach den Wettbewerben statt. So wird sichergestellt, dass die Teilnehmer die notwendigen Informationen (Reglement, Taktik, Umfeld) besitzen und sich entsprechend vorbereiten können. Nach den Wettbewerben werden diese analysiert und die entsprechenden Konsequenzen für die zukünftigen Vorbereitungen gezogen. Die ehemaligen Wettbewerbsteilnehmer werden soweit möglich in die Vorbereitung ihrer Nachfolger miteinbezogen. Diese direkten Erfahrungen spornen die Kandidaten an und ein grosser Teil des angeeigneten Wissens kann so erhalten werden. Es wird versucht, die verschiedenen Funktionen (Ausbildung, Experte, Betreuer, Ausrüstung) möglichst langfristig zu besetzen, damit eine Kontinuität gewährleistet werden kann. Auch im Bereich Werkzeug/Ausrüstung ist es wichtig, dass man die Erfahrungen mitnehmen kann und nicht jedes Mal „das Rad neu erfinden muss“. Teambildung Schlussendlich arbeitet jeder Teilnehmer zwar für sich, eine gute Integration in das TeamUmfeld ist aber auf jeder Wettbewerbsstufe wichtig. Bereits vor der Schweizermeisterschaft werden die Kandidaten in gemeinsamen Trainings vorbereitet. Neben dem vermittelten fachlichen Wissen, lernen sie sich dabei kennen und respektieren. Dies ermöglicht jedem, sich während dem Wettbewerb auf sich und seine Arbeit zu konzentrieren und bildet die Grundlage für die Teambildung im Hinblick auf den EBW. Für eine optimale Vorbereitung auf den EBW ist es wichtig, dass sich die vier Teammitglieder gegenseitig unterstützen und fordern. Im Wettbewerb selber bestehen in den Pausen Möglichkeiten, sich bei Problemen gegenseitig zu helfen. Nur wenn das Team harmoniert, können diese Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Der Rückhalt in der Mannschaft hilft, in der fremden Umgebung Sicherheit zu gewinnen.
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
Dieser Faktor wird bei der Berufs-WM noch viel wichtiger. Kann sich der Teilnehmer in die Schweizer Mannschaft (ca. 40 Kandidaten verschiedener Berufe) gut integrieren, wird er auch im ungewohnten Umfeld (Kulturen, Sprachen, Essen, …) seine Leistung liefern können. Damit das Ziel erreicht werden kann, eine Medaille an der Berufs-WM zu gewinnen, genügt also ein gutes Vorstellungsvermögen und Freude am Schiften nicht. Je näher man dem Ziel kommt, desto wichtiger werden der Wille, überdurchschnittliches zu leisten und ein Charakter, der einem erlaubt mit anderen zusammen zu arbeiten und von anderen zu lernen.
Schlussbild (SM 2007 in Lenzburg)
Resultate 1995 bis 2008 im Überblick 1995 1. Rang 2. Rang 3. Rang
Schweizermeisterschaft Werner Zumkehr Sigi Rupp Peter von Wyl
Biel Frutigen Matzendorf Kerns
1996 1. Rang 2. Rang 3. Rang
EBW Werner Zumkehr Sigi Rupp Peter von Wyl
Friedrichshafen (D) Frutigen Matzendorf Kerns
1997 1. Rang 2. Rang 3. Rang 4. Rang
Schweizermeisterschaft Urs Dörig Hansjörg Rechsteiner Michi Koller Roger Rutishauser
Basel Haslen Herisau Appenzell Guntershausen
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Das swiss I.B.W. team
1997 3. Rang
Berufs-WM Urs Dörig
St. Gallen Haslen
1998 1. Rang 3. Rang 4. Rang 1. Rang
EBW Hansjörg Rechsteiner Roger Rutishauser Michi Koller Teamwertung
Klagenfurt (A) Herisau Guntershausen Appenzell
1998 1. Rang
EuroSkills Martin Hochuli
Groningen (NL) Schlossrued
1999 1. Rang
Berufs-WM Hansjörg Rechsteiner
Montreal (CA) Herisau
1999 1. Rang 2. Rang 3. Rang 4. Rang
Schweizermeisterschaft Gabriel Koller Dominik Bündter Roland Krüsi Emil Dähler
Basel Haslen Wittenbach Stein Gais
2000 1. Rang 3. Rang 5. Rang 1. Rang
EBW Gabriel Koller Dominik Bündter Roland Krüsi Teamwertung
Epinal (F) Haslen Wittenbach Stein
2001 6. Rang (Diplom)
Berufs-WM Gabriel Koller
Seoul (KR) Haslen
2001 1. Rang 2. Rang 3. Rang 4. Rang
Schweizermeisterschaft Stefan Schoch Andres Bodenmann Köbi Forrer Philipp Klauser
Sarnen Räterschen Gais Trogen Degersheim
2002 1. Rang 3. Rang 5. Rang 1. Rang
EBW Stefan Schoch Andres Bodenmann Köbi Forrer Teamwertung
Bruneck (I) Räterschen Gais Trogen
2003 1. Rang
Berufs-WM Stefan Schoch
St. Gallen Räterschen
2003 1. Rang 2. Rang 3. Rang 4. Rang
Schweizermeisterschaft Michael Hürbin Elias Etter Beat Budmiger Jürg Bührer
Herisau Hellikon Urnäsch Ermensee Steffisburg
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Das swiss I.B.W. team
2004 2. Rang 3. Rang 8. Rang 1. Rang
EBW Michael Hürbin Elias Etter Beat Budmiger Teamwertung
Basel Hellikon Urnäsch Ermensee
2005 2. Rang
Berufs-WM Michael Hürbin
Helsinki (FI) Hellikon
2005 1. Rang 2. Rang 3. Rang 4. Rang
Schweizermeisterschaft Adrian Wenger Stephan Messerli Hansruedi Gysel Thomas Flückiger
Frutigen Längenbühl Kirchdorf Wilchingen Heimisbach
2006 1. Rang 2. Rang 4. Rang 1. Rang
EBW Adrian Wenger Hansruedi Gysel Stephan Messerli Teamwertung
Luxemburg Längenbühl Wilchingen Kirchdorf
2007 2. Rang
Berufs-WM Adrian Wenger
Shizuoka (JP) Längenbühl
2007 1. Rang 2. Rang 3. Rang 5. Rang
Schweizermeisterschaft Gabriel Mottier Samuel Roth Peter Schwarz Florian Binggeli
Lenzburg Chateaux D’Oex Ganterschwil Raperswilen Yvonand
2008 1. Rang 2. Rang 7. Rang 1. Rang
EBW Peter Schwarz Samuel Roth Gabriel Mottier Teamwertung
Klagenfurt (A) Raperswilen Ganterschwil Chateaux D’Oex
2009
Berufs-WM Peter Schwarz
Calgary (CA) Raperswilen
28. Informationstagung Pro Holz
Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
Kontakt Für nähere Informationen stehen folgende Personen zur Verfügung: Holzbau Schweiz Peter Elsasser Hofwiesenstrasse 135 8057 Zürich Tel 044 253 63 94 Mail p.elsasser@holzbau-schweiz.ch Hansjörg Rechsteiner Oberbüel 15 9054 Haslen Tel 079 371 77 39 Mail h.rechsteiner@hd-plan.ch Martin Hochuli Rosenweg 12 5040 Schöftland Tel 079 684 61 37 Mail mh@hochuli-holzbau.ch
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Das swiss I.B.W. team
SM Lenzburg 2007
Stefan Schoch an der Wm 2003 in St. Gallen
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Martin Hochuli / Stefan Schoch
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Herausforderung Holzbau Spitzenleistungen beim Planen und Ausf端hren Hermann Blumer
Herausforderung Holzbau
Spitzenleistungen beim Planen und Aus‐ führen mit Holz Spitzenleistungen sind vor allem in der Sparte Sport geachtet. Der Einzelsportler oder das Team versucht sich vom Mittelmass abzuheben. Der Antrieb dazu sind Motivation, Ehrgeiz, Streben nach Anerkennung bis hin zum Machtanspruch. Spitzenleistungen sind aber auch ohne Antrieb über die Gabe eines Talentes oder mit einem gut abgestimmten Team und vor allem mit Unermüdlichkeit möglich. Spitzenleistungen im Sport, im Beruf und in der Ausbildung machen stolz, erleichtern die Suche nach einem Sponsor oder einer Arbeitsstelle. Mich als Technologiefan interessiert z.B. auch die Spitzenleistung eines neu auf den Markt kommenden Notebooks, den ich alsdann kaufen möchte. Die Faszination der Hexerei bei stati‐ schen Berechnungen in einer nicht fasslichen Blackbox ist für mich verführerisch. All diese Attribute könnten nun auch für Spitzenleistungen beim Planen und Ausführen im Bereich Holzbau Pate stehen.
Die Verführungen eines als Mauerblümchen geltenden Baustoffes Als Mauerblümchen bezeichnet man ein Mädchen, das zum Tanze wenig oder gar nicht aufgefordert wird. Den Mut zum Tanz mit dem Holz im Reigen der Baustoffe müssen wir wieder fassen, er kann für uns aber auch Neugierde bedeuten. Die Herausforderung ist wohl das Abenteuer in eine unbekannte Welt einzutauchen auch schlimmstenfalls ohne gesicherte Anerkennung und ohne Laudatio. Spitzenleistungen mit dem aus dem Durchschnitt nicht herausragenden Baustoff bedürfen einer besonderen Courage und sind in einer ersten Einschätzung fast nur über Synergien einer guten Teamkoordination und vor allem mit Hartnäckigkeit überhaupt möglich. Als Intuition dienen uns in der Regel handskizzierte oder am Computer gestaltete Entwürfe der Architekten oder Bauherrschaften. Meine Motivation mit Holz eine Spitzenleistung zu erlangen wächst Schritt für Schritt, wenn ich auf dem Bildschirm meines Notebooks mit einem im Hintergrund arbeitenden geometrischen und oder statischen Programmes der Machbarkeit näherkomme. Meine Spiellust mit dem technischen Gerät kann schlussendlich zur Besessenheit ausarten.
Abbildung 1: Der Start mit einem von einem Arzt entworfe‐ nen Gartenhau situiert auf einer Insel. Für die Inspiration der Kugelkonstruktion diente eine Vorgabe von Buckminster Fuller. Auf Wunsche des Kunden soll ausschliesslich Robi‐ nienholz eingesetzt werden. Die Dachbänder sind so dünn wie nur möglich auszuführen. Auf die Insel soll eine Brücke führen mit 16 m Spannweite führen.
28. Informationstagung Pro Holz
Hermann Blumer
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Herausforderung Holzbau
Der keimende Mut zur Sonderleistung mit Holz ist wie ein Stachel, den man nicht mehr aus dem Fleisch ziehen kann. Möge dieser Stachel uns alle für den Einsatz von Holz in allen Facetten anstacheln. Spitzenleistungen mit Holz könnten zu Ovationen führen und dem Baustoff verlorene Anerkennungen verschaffen. Mit Rekorden könnten wir gar dem Holz wieder eine Vormachstellung verschaffen. Projekte mit Anspruch auf Spitzenleistung sind immer auch Wagnisse. Misserfolge könnten sich infolge ungenügender wis‐ senschaftlicher Absicherungen und/oder technisch ungenügender Fitness einstellen. Für uns Ingenieu‐ re sind solche Misserfolge oft ein Supergau, aus dessen Trümmern man sich nur mit Mühe wieder be‐ freien kann. Allerdings können solche Rückschläge durchaus auch als Sprungbrett für einen Neuanfang oder einer Weiterentwicklung wirken.
Abbildung 2: Der Einsturz der Ringe 14 Tage vor Beginn der Olympia in Barcelona 1992 als Folge nicht ausgereifter wissen‐ schaftlicher Unterlagen und dazukommender technischen Mängeln. Eine Aufholjagd mit einer neuen erweckten Holzfor‐ schung begann an der ETH in Zürich. Schon 1996 konnte man auf der Basis des gefestigten Wissens das Heliotrop bauen.
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Herausforderung Holzbau
Spitzenleistungen müssen trainiert werden Es geht nicht immer darum, in der Planung auch alles was man sich vorstellen kann, auch zu Ende zu führen. Die Lust am Entwerfen darf, auch ohne darüber in Kummer zu verfallen, in die Leere laufen. Man kann sich so mit Training für eine Spitzenleistung fit machen. Viel zu tun gibt es in Zukunft zum Thema der Freiformflächen, eine Domäne die auf das Holz dank seiner guten Bearbeitbarkeit, Festig‐ keit und Multifunktionalität wie zugeschnitten ist. Andere Baustoffe haben hierbei Mühe mitzuhalten. Damit entwickelt sich Holz – so hoffe ich – schon bald weg vom Mauerblümchen zur Miss Universum. Wir Holzbauer werden das Holz in dieser Ausstrahlung gerne zum Tanze auffordern.
Abbildung 3: Wettbewerbsprojekt mit Shigeru Ban für den Flughafen Zagreb. Oben die Eingangshalle und rechts der Peer als Zugang zu den Flugzeugen. Das Projekt erreicht den zweiten Rang. Die Holzkonstruktion wird zur Skulptur aber leider nicht gebaut. Möge später aber doch etwas Ähnliches kommen.
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Herausforderung Holzbau
Mit dem Centre Pompidou auf das oberste Treppchen steigen? Aus einem Architekturwettbewerb ging das Siegerprojekt von Shigeru Ban hervor. Über 4 Jahre galt die Dachkonstruktion mit Holz als nicht ausführbar. Ingenieure wie auch Unternehmungen konnten aus verständlichen Gründen ein so gewaltiges Abenteuer nicht eingehen. Unüberwindbare Hürden türmten sich gleich mehrfach auf. Wir schwammen im Ungewissen angefangen mit der Erfassung der geometrischen Freiform, dann der Suche nach einem realistischen statischen Modell hin zum Abbund zweifach gekrümmter und tordierter Stäbe bis zur als unlösbar scheinenden Montage. Hatte man für einen Teilbereich endlich einen Lösungsansatz gefunden und freut sich darüber, danach realisierte man mit Schrecken, dass alles andere was noch blieb noch viel verzwackter wurde. Erst ein sogenann‐ ter Megaklick mit der Idee, den Knoten über Sprossen analog einer Leiter anzugehen brachte die Er‐ rettung.
Abbildung 4. Ab dem Start stellte sich uns bei der Planung ein Bündel von Hindernissen entgegen. Lange galt die Holzkon‐ struktion als nicht umsetzbar. Für die Geometrieerfassung, die Statik und den Abbund mussten neue Technologiene ein‐ gesetzt werden.
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Herausforderung Holzbau
Die Forschungsstation Prinzess Elisabeth in der Antarktis erforderte eine Spitzenleistung in der Planung in Rekordzeit Auch bei diesem Projekt gingen Jahre mit Bemühungen diese Station über die Planung in die Realisie‐ rung hinüberzuführen voraus. Bauphysikalische Anforderungen mit einem U‐Wert von 0.05 und die extreme Lage auf 1400 Meereshöhe dazu noch 160 km im Landesinneren waren der Hürden. Das Einsteigen mit Holz geschah Hals über Kopf. Innerhalb weniger Wochen musste die verlorene Zeit der Planung mit Stahl eingeholt werden, was uns mit der Firma Prefalux dann auch gelang. Bei diesem Projekt stellten sich extreme Anforderungen betreffen Herstellung, Logistik, Transport und Montage. Überall stiess man an Grenzen. Die Technik wie auch die menschliche Ressourcen schienen uns am Limit angelangt zu sein. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass es gelang, den Zeitpunkt der Vor‐ montage in Brüssel einzuhalten und dann rechtzeitig die Module auf das Schiff zu verladen.
Abbildung 5: Modell und fertiggestellte Elemente mit innerer und äusserer Mehrschichtplatte in Holz, Hartholzabstandhal‐ ter und der Wärmedämmung swissporLAMBDA Roof (expandierter Polystyrol Hartschaum mit Graffiteinschluss).
Abbildung 6: Vormontage in Brüssel
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Herausforderung Holzbau
Abbildung 7: Der Transport über 160 km auf die Baustelle
Abbildung 8 ontage auf der Baustelle bei ständigen Minustemperaturen im antarktischen Sommer
Abbildung 9: Die Station Prinzess Elisabeth nach einem Jahr
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Herausforderung Holzbau
Gelungene Spitzenleistungen als Denkanstösse
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Expedition Antarctica – 484 Tage bis ans Ende der Welt Spitzenleistung als Grenzerfahrung Evelyn Binsack
Expedition Antarctica
Expetition Antarctica 484 Tage bis ans Ende der Welt Am 1. September 2006 erfolgte auf der Grimsel der Start zu einer ungewöhnlichen Reise, die 484 Tage später, am 28. Dezember 2007 am Südpol endete. Dazwischen lagen 25'000 Kilometer (gespickt mit 120'000 Höhenmetern) auf dem Fahrrad quer durch Europa, Nord- und Südamerika und quasi zum Dessert der entscheidende Fussmarsch über 1’180 Kilometer durch Schnee, Kälte und Eis zum Südpol. Die Reise war ein Traum, der fast zum Alptraum wurde und endete wohl nur deshalb erfolgreich, weil in entscheidenden Momenten Grenzen überschritten werden konnten und Kräfte abgerufen wurden, die irgendwie jenseits des menschlichen Ermessens liegen. Die Reiseroute im Überblick: Europa (Start 1. September 2006) Schweiz (Grimselpass) - Frankreich - Spanien - Portugal, Porto (41. nördlicher Breitengrad) USA Salt Lake City (41. nördlicher Breitengrad) – Texas (8. November bis ca. Anfang Januar 2007) Mittelamerika Mexiko – Guatemala – El Salvador – Honduras – Nicaragua – Costa Rica – Panama (Anfang Januar bis Ende Februar 2007). Südamerika Kolumbien wurde aus Sicherheitsgründen ausgeklammert. Ecuador – Peru ( Ende Februar bis Anfang Mai 2007) Bolivien – Chile – Argentinien – Chile (Anfang Mai bis Anfang November 2007) Ab Punta Arenas per Flugzeug an den Rand der Antarktis (Patriot Hills). Antarktis Von Patriot Hills aus ohne Aussenunterstützung mit Ski und zu Fuss mit dem Schlitten bis zum Südpol (1180 Kilometer, 3000 Höhenmeter, Start am 10.November, Ankunft nach 48 Tage am 28.12. 2008 um 21.30 Uhr UTC), begleitet von Devon McDiarmid (Kanada), Max Chaya (Libanon), Adrian Hayes (England) und Hans Foss (Norwegen). Rückreise per Flugzeug zurück nach Patriot Hills und von dort nach Punta Arenas. Ankunft in der Schweiz Mitte Januar 2008.
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Expedition Antarctica
Die Reiserroute
Mit dem Fahrrad vom Grimselpass 端ber Porto, Salt Lake City, Panama, Punto Arenas, Patriot Hills zum S端dpol
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Expedition Antarctica
Interview im Vorfeld der Reise Weshalb im Alleingang in eine der unwirtlichsten, kältesten und lebensbedrohlichsten Gegenden unseres Planeten? Welche Aufgaben stellt sich die 39-jährige Alpinistin mit ihrem Vorhaben? Evelyne Binsack steht Rede und Antwort.
Beschreiben Sie sich kurz selber. Evelyne Binsack: Ich bin ein Mensch der Bewegung. Ich trage das unbändige Verlangen in mir, Neues zu erfahren und meine Grenzen immer wieder zu erweitern. Sie standen am 23. Mai 2001 als erste Schweizer Frau auf dem Mont Everest, dem höchsten Berg der Erde. Jetzt planen Sie, von der Schweiz aus zum Südpol zu gelangen. Was hat Sie zu diesem neuen Vorhaben inspiriert? Die Idee, dass ich den höchsten, den südlichsten und den nördlichsten Punkt der Erde erreichen möchte, hat sich in mir schon bald nach der Rückkehr von meiner erfolgreichen Everest-Expedition festgesetzt. Inzwischen hat diese Idee eine klare Form angenommen. Jetzt steht mit "Expedition Antarctica" wieder eine Umsetzung an. Das Spezielle an Ihrer Expedition zum Südpol ist, dass Ihr Vorhaben in der Schweiz beginnt. Wie motivieren Sie sich, die rund 28'000 Kilometer zwischen Innertkirchen und dem südlichsten Zipfel Südamerikas in 14 Monaten mit dem Velo zu bewältigen? Auf eine Idee, wie ich sie mit "Expedition Antarctica" ausgeheckt habe, kommt man doch nur, wenn sich die Motivationsfrage gar nicht stellen muss (lacht herzhaft). Dann fragen wir anders: Woher beziehen Sie Ihre Motivation? Sie wurzelt in meinem Bedürfnis nach Bewegung und Herausforderung. Wurde Ihnen dieser Drang nach körperlicher Leistung in die Wiege gelegt? Zu einem Teil sicher. Andererseits habe ich mir meinen 'Bewegungstanatismus' sicher auch antrainiert. Seit 25 Jahren trainiere ich täglich, ausgenommen bei Krankheit oder Verletzung. Mein Trainingsaufwand variiert von 2 bis 6 Stunden pro Tag, je nach Möglichkeit und Wetter. Die rund 1'100 Kilometer lange Strecke der Schlussetappe in der Antarktis macht kaum 4 Prozent der gesamten Distanz ihrer Reise aus. Was ist Ihnen nun wichtiger: der Weg oder das Ziel? Beide Teile der Expedition sind untrennbar miteinander verbunden. Nicht erst das Eintreffen am geographischen Ziel, sondern der lange Weg dorthin und die Erfahrungen unterwegs werden meinem Unterfangen einen Sinn geben. Eine Vorgabe ist sicher, dass ich das mir gesteckte Ziel erreichen will. Was ist für Sie persönlich der Hauptanreiz dieses Konzeptes? "Expedition Antarctica" möchte ich bewusst als Stück Lebensweg erleben. Es geht um mehr als körperliche Leistung und mentale Stärke. Die Begegnungen mit Landschaften, Menschen und Kulturen werden eine Fülle von einmaligen Eindrücken und Erfahrungen mit sich bringen, von denen ich gespannt bin, wie sie auf mich wirken und mich verändern werden. Als scharfer Kontrast dazu werde ich mich in der Antarktis dagegen jenseits jeglicher Zivilisation bewegen. Es wird eine Zeit der Reflektion sein.
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Expedition Antarctica
Ihr Unterwegssein wird Sie mit Sicherheit auch mit globalen Problemen wie Armut, Umweltzerstörung und Klimaveränderung konfrontieren. Suchen Sie solche Erfahrungen? Im Sattel meines Velos bin ich sehr nahe an der Realität des Lebens. Ich werde nicht ausweichen, sondern hinschauen. Meine Reise wird durch einige der reichsten und der ärmsten Länder dieser Erde führen. Ich bereite mich auf Eindrücke vor, die unterschiedlichste Emotionen auslösen werden. Steht hinter "Expedition Antarctica" auch ein soziales Anliegen? Sagen wir es so: Als Mitglied einer Gesellschaft, die einen sehr hohen Lebensstandard geniesst, möchte ich unterwegs auch die Gelegenheit wahrnehmen, mit spontaner Direkthilfe Not lindern oder mit der Unterstützung von Bildungsprojekten Perspektiven schaffen zu helfen. Innerhalb von "Expedition Antarctica" gibt es den Projektteil "Der Weg zum Pol", der diesen gemeinnützigen Gedanken aufnimmt. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, Ihr Ziel, die Antarktis, auch wirklich zu erreichen? Im Namen "Expedition Antarctica" ist das Ziel definiert. Ich gebe mir reelle Chancen. Ich bin belastbar und fühle mich körperlich und mental topfit. Die objektiven Gefahren wurden sorgfältig analysiert und in der Routenplanung berücksichtigt. So werde ich beispielsweise aus Sicherheitsgründen Kolumbien ausklammern. Auch während der Reise behalte ich mir Routenanpassungen vor. Alles im voraus planen zu wollen, ist unmöglich. Was ist für Ihre Expedition wichtiger: Planung oder Improvisation? Beides ist für eine Zielerreichung wichtig. Planung und perfekte Logistik sind für den Antarktis-Teil ein absolutes Erfordernis. Für die Strecke Schweiz-Patagonien steht Improvisationsfähigkeit eher im Mittelpunkt. Stichwort "Risiko". Wie denken Sie darüber? Die Risikobereitschaft gewisser Abenteurer grenzt ans Selbstmörderische. Das kann ich selber nicht nachvollziehen. Das Leben ist mir kostbar. Meine Devise ist, dass man sich in Situationen, die man als riskant und gefährlich erkennt, besser defensiv verhält. Wie dokumentieren Sie Ihre Reise? Ich werde ich eine digitale Foto- und Videokamera dabei haben. Gleichzeitig ist geplant, dass ich in gezielten Einsätzen ein professionelles Foto-/Filmteam zur Seite habe. Wie bewältigen Sie den ganzen Organisationsaufwand rund um "Expedition Antarctica"? Vieles, was nach aussen als Einzelleistung aussieht, ist in Wirklichkeit Teamwork. Das ist auch bei meiner Expedition so. In den konzeptionellen, organisatorischen und dokumentarischen Projektbelangen unterstützt mich Stefan Pfander vom Atelier Terra als Projektpartner. In logistischen und technischen Fragen habe ich mit Milan Cermack einen sehr erfahrenen Berater. Für weitere Projektaufgaben ziehen wir situativ Spezialisten bei. Auf der Reise möchte ich jedoch bewusst auf mich selber gestellt sein. Wenn ich alleine bin, ist meine Aufmerksamkeit am grössten. Wie werden Sie reisen? Mit meinem Fahrrad und Anhänger bis nach Südchile und in der Antarktis zu Fuss, mit Ski und Schlitten, in welchem ich meinen Proviant und meine Ausrüstung nachschleppe. Die Atlantiküberquerung geschieht mit dem Flugzeug. In den USA werde ich die Reise auf dem gleichen Breitengrad fortsetzen. Auch die Strecke von Punta Arenas in Südchile nach Patriot Hills auf dem Antarktischen Festland lege ich mit dem Flugzeug zurück. Wie werden Sie sich unterwegs verständigen? 28. Informationstagung Pro Holz
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Expedition Antarctica
Ich kann mich auf Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch verständigen. Und sollte dies nicht genügen, dann eben mit Händen und Füssen. Ich weiss von früheren Reisen, dass es eine Kommunikation gibt, die über die Grenzen der Sprache hinaus funktioniert. Werden Sie in Hotels nächtigen? Das wird, je nach Ort und Wetter, zwischendurch sicher der Fall sein. Ich werde jedoch mehrheitlich unter freiem Himmel, im Zelt oder in einfachen Privatunterkünften übernachten. In der Antarktis werde ich zwei Monate ohne Aussenunterstützung nur mit und von den Gegenständen aus meinem Schlitten leben. Auf was freuen Sie sich besonders? Darauf, dass es bald los geht! (lacht) - und natürlich auch auf die landschaftlichen Erlebnisse, vor allem in Südamerika. Wie finanzieren Sie die Expedition? Durch die Länge der Expedition und den Antarktis-Teil entstehen unvermeidlich hohe Kosten. Die Basisversion von "Expedition Antarctica" ist dank erster Zusagen von Partnern und dank einer Eigenleistung der Projektbeteiligten bereits gesichert. Verschiedene Produktionen, die in einer ausgebauten Projektvariante von "Expedition Antarctica" figurieren, werden aber nur realisiert werden können, wenn sich entsprechende Sponsoren finden lassen. Wie ist das Echo der Sponsoren? "Expedition Antarctica" stösst auf aktives Interesse. Es ist aber klar, dass Partner oder Sponsoren nur mitmachen, wenn man sie mit innovativen Ideen begeistern und ihnen Nutzen und Synergien eines Mitmachens veranschaulichen kann. Wir haben viel Denkarbeit ins Konzept von "Expedition Antarctica" investiert. Ich bin deshalb sehr optimistisch. Originalauszüge aus dem Tagebuch Die nachfolgenden, willkürlich ausgewählten Auszüge aus dem (Internet) -Tagebuch geben einige Eindrücke dieser faszinierenden Reise wieder. Im kürzlich erschienene Buch „Expedition Antarctica - 484 Tage bis ans Ende der Welt“ wird das ganze Abenteuer eindrücklich geschildert. 24.01.07-05.02.07 (Rückblick) Ab dem 24. Januar bis zum 3. Februar vergingen die Tage wie im Fluge. Ich strampelte meine km ab, Sandro folgte mir mit dem Auto und schon war der Moment da, an welchem es ums "Aufwiedersehen" sagen ging. Es war ein harter Moment. In der letzten Woche zu zweit lernten wir südlich von Oaxaca eine Familie aus dem indigenen Stamm der Zapoteken kennen. Die ganze Familie webt aus Wolle Teppiche, Kissenüberzüge und Taschen mit wunderschönen Mustern aus dem Glauben der Zapoteken. Vom Schafe scheren, übers Spinnen, Einfärben der Wolle mit natürlichen Farben, weben, bis hin zum Verkauf der Handarbeiten, macht diese Familie alles selbst. Die Grossmutter erklärte uns, dass das Geheimnis der Kunst des Wolleeinfärbens von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Farbe Blau zum Beispiel wird aus einer bestimmten Sorte Würmer, die auf Kakteen zu finden sind, gewonnen. Dazu werden die Würmer getrocknet und dann zerstampft. Andere Farben wiederum werden aus Baumrinden und Blumen hergestellt.
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Während Sandro noch etwas bei der Zapotekenfamilie verweilte, fuhr ich weiter nach San Cristobal de las Casas. Allerdings wählte ich die Route über die Pässe, weitab von der Hauptstrasse. Keuchend erreichte ich ein winzig kleines Dorf auf 2800 Metern namens Benito Juarez. Während ich mich von den Strapazen des Aufstiegs erholte und auf Sandro wartete, kam ein alter Mann auf mich zu. Er fragte mich woher ich komme, was ich gesehen hätte und wohin ich gehe, - und dann fing er an zu erzählen. Er erzählte mir, dass er seit mehr als 60 Jahren in diesem Dorf lebe. Bis vor einigen Jahren hätte es viele Blumen gegeben, jetzt gedeihen nur noch ein paar wenige. Die Nordamerikaner seien gekommen und hätten von ihrem wundersamen Dünger erzählt, dass er den Boden nähren würde usw. Ein, zwei Jahre ging alles gut, dann aber seien auf einmal die Blumen verschwunden, der Mais wollte nicht mehr gross werden, von den Kartoffeln ganz zu schweigen, die wachsen überhaupt nicht mehr. Der alte Mann meinte, sie würden zwar mehr vom Mais leben, als von Kartoffeln, aber der Boden sei verwundet, „que pena“, welches Leid. Auch am nächsten Morgen traf ich eine alte Zapotekin, die Sandro und mir sagte, „ya, la patata no quiere darse“, die Kartoffel mag sich nicht mehr zeigen. Ihr Gesicht war sehr freundlich, zerfurcht vom Alter und der schweren Arbeit. Sie sagte dies, wie im Übrigen der alte Mann auch, nicht klagend, sondern mit einem tiefen Respekt gegenüber der Kartoffel, die nun leider nicht mehr kommen mag. San Cristobal de las Casas ist ein Ort, der viele europäische Aussteiger beherbergt. In den Hügeln rundherum leben viele verschiedene indigene Stämme. Viele dieser Männer arbeiten in den Minen, wo sie Amber abbauen. Amber ist versteinerter Harz. In vielen edlen Stücken kann man Mücken, Schmetterlinge, Blätter, sogar eingeschlossene Luftblasen und Wasser sehen. Diese können laut Experten mehr als 23 Millionen Jahre alt sein. Am 3. Februar musste ich mich „für weiss ich nicht wie lange“ von Sandro verabschieden. Nach dem Erklettern der Vulkane war sein Teil der Weiterreise, nämlich mir mit dem Auto zu folgen, sehr langweilig. Ich war aber unendlich froh um seine Hilfe und hatte von da an bezüglich Anmache der Mexikaner keine Probleme mehr. DANKE Sandro! Jaime Viñals, ein Guatemalteke, den ich im Jahre 2001 am Mount Everest kennen gelernt und der am Berg beinahe den Tod fand, erinnerte sich daran, dass ich ihn auf der letzten Etappe unter dem Northcol ins Basislager begleitete, nachdem ihn Dave Hahn, dessen Freund, unsere Sherpas und Russel Brice erfolgreich gerettet hatten. Er ist vermutlich einer von dreien, die eine Nacht auf 8700 Metern überlebten. Mit Jaime stand ich in regem E-Mail Kontakt und er riet mir dringend ab, alleine und ohne Begleitschutz durch Guatemala, El Salvador und Honduras zu reisen und organisierte mir diesen Schutz. An der Grenze in Mexiko traf ich das deutsche Ehepaar Andrea und Jörg, die ich bereits auf der Baja California kennen gelernt hatte und die ebenfalls per Fahrrad unterwegs sind, wieder an. Die Grenze passierten wir also zu Dritt. Auf der guatemaltekischen Seite empfingen uns Carlos Barrio und Walter Herbruger, die für Asistur arbeiten, das Instituto Guatemalteco de Turismo, an ihrer Seite zwei schwer bewaffnete Polizisten. Dieser Trupp wird mich bis zur Grenze zu El Salvador begleiten. Andrea und Jörg fuhren zwei Tage mit mir, hatten sich aber schon vor Wochen für einen einwöchigen Sprachaufenthalt in Xena entschieden. Der Ort Xena befindet sich zwei Tagesetappen von der Grenze entfernt. Jörg, Andrea und ich unterhielten uns über unsere bisherigen Erfahrungen, über unsere Eindrücke und wie wir in diesen Ländern wieder Demut lernen. Wir sprachen darüber, wie man sich wieder an Kleinigkeiten erfreuen kann und wir konnten Freud und Leid teilen… - ach, es tat so gut mit ihnen zu plappern und zu diskutieren. Diese zwei Tage mit Andrea und Jörg gingen viel zu schnell vorbei, und schon wieder hiess es Abschied nehmen.
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In zwei Tagen werde ich die Ciudad de Guatemala erreichen und ich freue mich auf das Treffen mit Jaime. Walter, mein Begleiter erzählte mir, dass Jaime nach seinen erfolgreichen 7 Summits zu einem Nationalhelden in Guatemala wurde. Er sei bekannter als der Präsident, sein Gesicht sei auf mancher Mineralwasserflasche und oft im Fernsehen zu sehen. Ich freue mich die Familie von Jaime kennen zu lernen und ihm nach all den Jahren wieder zu begegnen! Übrigens, das Zelt von Transa, das Frank für mich ausgesucht hatte, um das zu kleine zu ersetzen, ist wunderbar. Es ist praktisch und kann sogar nachts ohne Stirnlampe einfach aufgestellt werden. Danke Frank für deine gute Wahl!!!
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Expedition Antarctica
20.02.07-23.02.07 Am 20. Februar 2007 erreichte ich bei einer Temperatur von 40 Grad die Stadt León in Nicaragua und besuchte zum ersten Mal in meinem Leben ein SOS-Kinderdorf. 5 Monate und 20 Tage hatte diese Reise gedauert! Was in der Schweiz bei einem Treffen in Interlaken, an einem regnerischen Tag mit den Verantwortlichen vom SOS-Kinderdorf (Jérôme, Christine und Martin) begonnen hatte, wird heute zur Realität! Damals in Interlaken sprachen wir über die Möglichkeit, meine Reise von der Schweiz zum Südpol mit der Funktion als Botschafterin für SOS-Kinderdorf in Leon zu verbinden. Diese Idee ist nun verwirklicht! Zwischen diesem Treffen in Interlaken und meiner tatsächlichen Ankunft im SOS-Kinderdorf in León Nicaragua, durfte ich so viele ereignisreiche Tage erleben! Tage der Freude, Tage des Zweifels und der Ängste, Tage des Glücks, der Freundschaft aber auch der Feindseligkeit. Auf jeden Fall aber Tage, die mich viel lehrten und die ich trotz allem, oder gerade wegen der mentalen und physischen Anstrengung, nicht missen möchte. Im SOS-Kinderdorf in León wurde ich sehr herzlich empfangen und nach einem reichhaltigen Mittagessen bei einer "Familie" traf ich Jérôme an, den ich seit meiner Abreise in der Schweiz, am 1. September 2006, nicht mehr gesehen hatte. Das SOS-Kinderdorf ist solide gebaut und sieht sehr gepflegt aus. Die Kinder sind munter und fröhlich, gehen in Uniform zur Schule oder kommen von dieser, oder sie spielen draussen vergnügt miteinander. Ein schöner Anblick. Das Kinderdorf besteht aus 12 Häusern. In jedem Haus wohnt eine "Mutter" oder "Tante" mit bis zu 10 Kindern. Die Mütter und Tanten sind starke Persönlichkeiten, die sich um die Erziehung, das Essen und vor allem auch um die Liebe und Zuwendung zu den Kindern kümmern. Trotz dieser Idylle darf man nicht vergessen, dass jedes der Kinder, bevor es durch die Polizei oder andere im grossen Netzwerk von SOS Mitarbeitenden gefunden wurde, Tragisches und Traumatisierendes erlebte. Es sind alles Kinder, die körperliche und seelische Gewalt erlebt haben und dieser permanent ausgeliefert waren. Lorenzo, der Pädagoge bei SOS-Kinderdorf Nicaragua, hat ein Herz, das die ganze Welt umarmen könnte. Sein Gesicht strahlt viel Kraft und Liebe aus. Ich fragte Lorenzo, ob die Kinder im Vergleich und angesichts einer Arbeitslosenrate von über 45% in Nicaragua, nicht fast ein luxuriöses Leben führten? Lorenzo gab sich nicht verwundert ob dieser skeptischen Frage. Er sagte mir, dass das Materielle nicht so sehr wiege wie das Seelische, und dass die Fragen der Kinder nach ihren leiblichen Mammas und Papas nicht mit Materiellem kompensiert werden kann. "Ja, die Kinder haben ein gutes Zuhause", sagte er, "sie haben zu essen und zu trinken, sie können in die Schule und werden ärztlich betreut. Aber wer nimmt ihnen ihre Last ab, dass sie vergewaltigt, geschlagen oder ausgesetzt wurden? Jedes Kind wird in der Zukunft seinen Weg finden müssen, wie es diese Traumen verarbeiten, oder mit ihnen leben kann. Wir von SOS-Kinderdorf liefern das nötige Rüstzeug." Wenn ich mit Jérôme bei einer Familie zu einem Mittag- oder Abendessen eingeladen wurde, war ich erstaunt zusehen, wie wohlerzogen die Kinder sind und mit welcher Selbstverständlichkeit sämtliche Arbeiten wie in einer Grossfamilie ausgeführt werden. Dabei verhalten sich die etwas älteren Mädchen wie Mütter gegenüber den Kleineren, und die Kleineren beschützen und behüten die noch Kleineren. Mir scheint, als tragen diese Kinder ihr Herz auf der Hand. Einmal mehr wurde mir bewusst, mit welchem Glück ich meine Kindheit verbringen durfte. Dass ich eine liebe Mutter, Vater und Schwester haben durfte. Und wäre mir dieser Reichtum jederzeit bewusst gewesen, hätte ich sicher manche Konflikte als überflüssig erachtet. Als ich am 23. Februar SOS León frühmorgens um 06.30 Uhr verliess, verabschiedeten mich sämtliche Mütter, Tanten und mehr als 100 Kinder!
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Zurück auf der Strasse war mir klar, wie viel die Spendengelder helfen können und wie notwendig sie sind. Mir wurde aber auch bewusst, dass ich in diesen 3 Tagen in León sehr viel von diesen Kindern gelernt habe.
13.03.07-18.03.07 Panama durchradelte ich unter brütender Hitze. Mit dem positiven Gedanken, dass die Hitze in Südamerika bald nur noch ein sekundäres Thema sein würde, versuchte ich das Unabänderliche wenigstens zu dulden. Das architektonische Meisterwerk, der Panamakanal, teilt Nord- mit Zentralamerika und Südamerika in zwei Kontinente. Gleiches manifestiert der Suezkanal zwischen Asien und Afrika. Ich hüte mich von einem Meilenstein zu träumen, geschweige den zu sprechen, denn viel Wegstrecke und damit dauernde Gefahren und Ungewissheiten liegen noch vor mir. Aber ein kurzes Verschnaufen gönne ich mir mit der Verwegenheit eines kurzen Rückblicks. Die USA bleibt für mich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und eine alleinreisende Frau mit Fahrrad ist nichts Aussergewöhnliches. Abgesehen von den langen Strecken, auf welchen Wasser- und Nahrungsnachschub knapp wurden und abgesehen von den kalten Novembernächten, radelte ich unproblematisch durch dieses wunderbare Land. Ich begegnete aufgeschlossenen Menschen, deren Alltag dadurch geprägt war, das Beste von sich zu geben. Obwohl die Amerikaner als Nation nach Aussen ein streitbares Bild abgeben, ist der einzelne ein grundsätzlich hilfsbereiter, friedliebender Mensch. Die Baja California beherbergt wohl beide guten Einflüsse: Den Komfort seines Nachbarlandes, der USA und das pulsierende und unbekümmerte Leben der Mexikaner. Ich begegnete sehr freundlichen Menschen, die einen sehr schnell in ihre Arme schliessen, obwohl ich gegenüber dem berüchtigten Machismos Mexikos, schon einige Lernprozesse absolvieren konnte.
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Mexiko ist ein riesiges Land, viel groesser als ich mir das vorgestellt hatte und es beherbergt wunderbare Kulturen und Landschaften. Die Besteigungen seiner prächtigen Vulkane unterbrachen den Veloalltag auf traumhafte Weise. Doch würde ich kein zweites Mal alleine mit Fahrrad durch dieses 4000km lange Land fahren. Ich kann es keiner Frau zur Nachahmung empfehlen. Wer allerdings nicht darauf verzichten möchte umgeht viele unangenehme Begegnungen in Begleitung einer männlichen Person. Und schon sind die täglichen Belästigungen weniger. In Zentralamerika gibt es in den Staaten Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua organisierte, bewaffnete Banditenbanden. Es ist eher so, dass man nicht belästigt wird, jedoch eine Kugel genügt, um ein Leben auszulöschen. Ich war sehr froh durch die Polizeipatrouillen, die mir mein Everest-Freund Jaime aus Guatemala organisiert hatte, streckenweise Schutz und Begleitung zu empfangen. In Costa Rica und Panama fühlte ich mich grösstenteils sicher, abgesehen von den täglichen, harmlosen Belästigungen, die wohl durch ganz Lateinamerika nicht abreissen werden. Um die Menschen in Costa Rica fühlte ich mich sehr wohl und das Land, die Tierwelt, ist zauberhaft. Zentralamerika birgt ein riesiges, wunderbares Naturreservat.
16.05.07-18.05.07 Meinen 40. Geburtstag wollte ich auf keinen Fall in einer stinkigen Stadt verbringen und nach drei Wochen Schwitzfahrt durch die Küstenwüste Perus war es mehr als nötig, wieder ein bisschen Bergluft zu schnappen. Aus der Einmillionenstadt Arequipa machte ich mit dem öffentlichen Bus einen Seitensprung in ein Tal namens Colca-Canyon. Im 200-Seelen-Dorf Pinchollo packte ich meinen Rucksack mit Zelt, Kocher und Haferflocken für drei Tage. Ich hoffte mich mit den spärlichen Informationen die ich auftreiben konnte, an einen der 6000er-Riesen annähern zu können. Die Berge waren aus dem Tal nicht einsehbar und Karten hatte ich ausser der PeruStrassenkarte (1:1'800'000) keine. Aber auf der Hinreise zum Colca-Canyon, die über einen 4800 Meter hohen Pass führte, schnappte ich mir einen Überblick wie die Täler verlaufen. Die Vulkane Ampato (6350m) und Sabancayo (5975m) standen ausser Frage da sie viel zu weit entfernt lagen. Der Hualca Hualca (6025m) schien aus der Ferne passabel, also war die Wahl getroffen. Der erloschene Vulkan Ampato ist ein riesiger schnee- und eisbedeckter Klotz, auf dessen Gipfelplateau ein Flugzeug landen könnte. Ein machtvoller Berg und dies nicht nur im Sinne seiner Ausmasse. Die Indios sagen, dass wenn der Ampato keinen Schnee mehr hat, die Menschheit aussterbe. 28. Informationstagung Pro Holz
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Der Ampato wird, wie übrigens die Chomolungma (Mount Everest) und andere Berge auch, von den Schamanen als Gottheit verehrt und von den Indios in höchstem Masse respektiert. Mein Weg führte mich jedoch nicht zum Ampato, sondern Richtung Hualca Hualca. Auf Kuhpfaden wanderte ich in ein Seitental hinein, da und dort trieb ein Indio seine Herde vor sich her bis sich die Pfade ins Nichts auflösten. Ich folgte einer Seitenmoräne bis 4400m, an der ein Bächlein seinen einsamen Weg ins Tal suchte und schlug dort mein Lager auf. Am nächsten frühen Morgen weigerten sich meine Muskeln auch nur einen Wank zu machen und es wurde 06.30 Uhr ehe ich aus dem Zelt kroch. Eigentlich viel zu spät um einen 6000er zu besteigen aber ich konnte ja jederzeit umkehren. Ich folgte dem Tal bis eine steile Firnflanke zu einem Schneegrat führte, der durch eine 20 Meter hohe, exponierte Felsbarriere unterbrochen war. Ich erkletterte diese luftigen Stufen und der wunderschöne Grat führte mich in fünfstündigem Aufstieg zum Gipfel. Da stand ich, überglücklich, frei und mutterseelenallein auf 6025 Metern! Beim Abstieg traf ich das steile Firnfeld als aufgeweichte Flanke an, sodass ich problemlos hinunterrutschen konnte und in eineinhalb Stunden nach meinem Aufbruch vom Gipfel stand ich bereits wieder vor meinem Zelt. Kein Fussabdruck, kein Anzeichen, dass zuvor jemand auf dieser Route geklettert hätte. Die Sonne verkroch sich hinter dem Horizont, um ihre Laufbahn auf der anderen Seite unseres prachtvollen Planeten fortzusetzen und hüllte den Himmel in ein immer dunkler werdendes Violett. Ganz zaghaft aber kraftvoll zeigte sich der erste Stern, leuchtete mir so klar wie Quellwasser entgegen. Bei Tagesanbruch kletterte ich schnell auf die Moräne, um eben jener Sonne, die sich vor 12 Stunden so schön verabschiedet hatte, einen guten Morgen zu wünschen. Danach baute ich mein Nachtlager ab und trottete überglücklich ins Tal. Ich begegnete derselben Indiofrau, die ich zwei Tage zuvor schon angetroffen hatte und fragte sie nach ihrem Namen. "Peregrina." (zu Deutsch Pilgerin). "Aber die Peregrina bist du, „ sagte sie mir, "du bist jene, die wandert!" Peregrina erklärte mir, dass die Berge, von welchen ich soeben herkomme, viel Macht hätten. "Pero si andas con fe, no te pasa nada." - Aber wenn du mit Glauben gehst, passiert dir nichts.
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Expedition Antarctica
30.05.07-13.06.07 Meine Reise scheint ähnlich einem Perpetuum Mobile den Gesetzen des Gleichgewichts zu unterliegen: Auf geniale Tage folgen schwierige und umgekehrt. Durch diese Wellenbewegung von schön zu schwierig habe ich gelernt, die wundervollen Tage umso intensiver und bewusster zu geniessen. Die schwierigen Tage versuche ich nicht allzu ernst zu nehmen, da ja mit Gewissheit wieder gute Tage folgen werden. In Putre, unweit von Arica, hatte ich das grosse Glück auf die Deutschen Reisenden Udo, Guido, Thomas und Jürg zu stossen, mittels deren Privattransports ich und mein Caballo (Fahrrad) in den Parque Nacional Lauca gelangen konnten. So musste ich nicht die ganzen schweisstreibenden 4500 Höhenmeter überwinden um in den chilenischen Altiplano zu gelangen. Durch diesen Abstecher drang ich zwar keinen Zentimeter nach Süden vor, jedoch bescherte er mir den Anblick auf den schönsten Vulkan, den ich je gesehen hatte. Parinacota trug eine vergletscherte Schneehaube und seine Flanken waren so symmetrisch, dass dieser Vulkan wie eine aus einem Kinderbuch entnommene Malerei aussah. Ich wäre nicht Alpinistin, hätte ich nicht alle Hebel in Gang gesetzt um Steigeisen und Pickel aufzutreiben, damit ich auf seinen 6365m hohen Gipfel steigen konnte. Die Anfahrt zerrte jedoch äusserst an meinen Kräften, denn sie führte über hügelige und sandweiche Pisten. Mir blieb letztlich nichts anderes übrig, als das Fahrrad hinter Steinblöcken zu verstecken und meinen Rucksack mit Zelt, Kocher, Bergausrüstung, Essen und Wasser für drei Tage zu packen. Ich habe keine Ahnung warum Parinacota am folgenden Tag so schlechter Laune war und mich mit bis zu 80 Stundenkilometern Sturm von seinen Flanken fegen wollte. Mein Gesicht wurde von den vom Wind dahergepeitschten Schneekörnern völlig sandgestrahlt und meine vom Himalaja kälteempfindlich gebliebenen Zehen wollten einfrieren. Der Berg liess seine Wut am offenbar unwillkommenen Besuch in einem noch heftigeren Sturm aus und lächerliche 50 Höhenmeter unterhalb des Gipfels überliess ich den Sieg dem Berg. Mein Ziel ist schliesslich, gesund den Südpol zu erreichen. Zurück in Arica warteten die ersten 325km Atacamawüste auf mich. Immerhin unterstützten mich einigermassen vorteilhafte West-Nordwest-Winde, die allerdings auch nachts nicht ganz nachliessen und der fein aufgewirbelte Sand suchte sich in den Ritzen meines Zeltes sein neues zu Hause. Der Desierto de Atacama ist genauso wie man sich eine Wüste vorstellt: So weit das Auge reicht, gibt es nichts ausser rotbraunem Sand und Steine die sich zu Hügeln formen. Wüsste ich nicht mit Gewissheit, dass ich mit beiden Füssen oder Rädern auf der Erde bin, ich hielte den Planeten für Mars! Nach vier Tagen erreichte ich Iquique. Früher bedeuteten für mich Aufenthalte in Städten nackter Gräuel. Auf meiner Reise lernte ich jedoch auch die Städte schätzen, mindestens bedeuten sie Orte, um mich mit Nahrungsmitteln und Wasser neu eindecken zu können. Vielmehr kann ich aber den meisten Städten auch heute noch nicht abgewinnen, da Lärm und Unruhe die Sehenswürdigkeiten überwiegen und mein Gehör in zu hohem Masse beleidigen. Die Kontraste zwischen hohen Andenvulkanen, tiefster Atacamawüste und den in enormen Distanzen auseinander liegenden Dörfern und Städten könnten nicht grösser sein. Um meine Muskulatur vor einseitiger Belastung zu schonen, joggte ich an meinem Ruhetag locker an Iquiques Strandzone entlang: Als Kontrast zur frischen Berg- und Wüstenluft füllten sich meine Lungen mit dem penetranten Gestank verwesender Fische von einer Aufbereitungsanlage einer Industriefischerei sowie abgestandenem Urin. Dies vermischt mit den Abgasen vorbeifahrender Autos und Bussen. Anstatt dem lieblichen bis fordernden Pfeifen des Windes und den fröhlich umsorgten Rufen der wilden Vicunas (Lamasorte), dröhnten Motoren und polterten Presslufthammer. Zusammen mit aus verschiedenen Ecken kommender Musik schien sich dies alles zu einer grässlichen Suppe schräger Töne zu vereinen. Im Gegensatz zu glitzernden Spiegelbildern einsamer Vulkane in türkisfarbenen Bergsalzseen schwemmte das Meer braunen Schaum und Algen ans Ufer die aussahen wie aus ihrer Hülle gezogene, unbeleuchtete Filmrollen. 28. Informationstagung Pro Holz
Evelyn Binsack
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Eine Frau spazierte im Sand, just da wo die Wellen das schäumende Wasser an Land spülten und es sah aus, als ob das Meer seine Zungen herausstrecken wollte. Diese Frau sammelte heran geschwemmte Kleinstoctopusse die mit dem Tod ringend ihre Arme um die Hölzchen schlangen, die die Frau in ihren Händen hielt. Ein Hund kratzte sich von Flöhen gebissen, urinierte und suchte sich sein Futter im Abfall, der verstreut herumlag. Ein Landstreicher schlurfte in Lumpen gekleidet dem Trottoir entlang und hinterliess eine alkohol- und schweissgeschwängerte Duftwolke. Auf der Bergseite der Strasse, die sich der Küste entlang wand, schossen Hochhäuser mit bröselnden in den Himmel. Arbeiter sprenkelten das dörre Gras mit kostbarem Wasser dessen langer Weg fröhlich wandernd in den Anden beginnend, letztlich kanalisiert und kraftlos in der Stadt endete. Ich joggte noch immer locker dahin und liess die Bilder und Eindrücke gelassen auf mich wirken. Sie erschraken mich nicht mehr wie damals, als ich im Longuedoc in Frankreich im Naturpark die Kahlschläge und gefallenen Bäume sah, die der Agrikultur Platz machen und deswegen sterben mussten. Sie deprimierten mich auch nicht mehr wie in Bilbao, im Baskenland, als ich mit der grässlichen Grossindustrie, deren Seele nackte Gewinninteressen schienen, konfrontiert wurde. Ich erkenne heute das Eine wie das Andere als Teil eines langen Prozesses für dessen Verstehen mein Vorstellungsvermögen zu klein ist. Wenn mit Sicherheit nicht uneingeschränkt in gesundem Menschenverstand, so vertraue ich jedoch auf die Gesetze der Natur, von Leben und Sterben und bin überzeugt, dass das Leben durch die Kunst und Kraft der Schöpfung neu gestaltet und gefolgt vom Prozess der Evolution dauernd angepasst wird.
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15.07.07-19.07.07 Ich glaubte bereits, das Glück stünde auf meiner Seite als der Paso de los Libertadores nach längerer Schneesperre für den Verkehr freigegeben wurde. Aber mit mir warteten seit Tagen mehr als 2000 fünf- und sechsachsige Trucks darauf, den 3200 Meter hohen Pass, der die Hauptstadt Chiles mit der Weinbaustadt Medoza in Argentinien verbindet, passieren zu können. Ich hatte bereits 1900 Höhenmeter in meinen Beinen, als eine mindestens 6 Kilometer lange Lastwagenschlange jegliche Weiterfahrt verunmöglichte. Die vielen Lastwagen, die von Argentinien nach Chile und von Chile nach Argentinien fahren, versperrten sich in den Haarnadelkurven gegenseitig den Weg und blieben stecken. Ich befand mich in der 20. Haarnadelkurve (von etwa 40) auf 2600 Metern, meterhohe Schneemauern säumten die Strasse, es war kalt, ich war müde und die Fahrt bis hierher war nervenaufreibend gefährlich gewesen, da die Lastwagenfahrer in den Rechtskurven zuwenig ausholten und mich mit ihren Anhängern ein paar Mal um haaresbreite nicht touchierten. Ich entschied mich, das Gepäck abzuladen und nur mit dem Nötigsten ins nächste Dorf zurückzufahren. Hier wollte ich mich am Feuer einer Herberge trocknen und aufwärmen und war froh, die Nacht mit einem Dach über dem Kopf zu verbringen. Am nächsten Tag war geplant die verlorenen 1100 Höhenmeter aufzuholen. Das hinter Steinbrocken versteckte Gepäck bei Kurve 19 aufzuladen und die restlichen 600 Höhenmeter über den Pass nach Argentinien zu überwinden. Aber es kam anders: Das Wetter hielt sich nicht an die Prognosen der chilenischen Meteorologen, die Kaltfront, die erst in zwei Tagen hätte eintreffen sollen breitete sich genüsslich aus und entsandte ihre mitgelieferte Feuchtigkeit in Form von heftigem Schneefall. Mir blieb nichts Anderes übrig als dort zu verharren wo ich war, da der Pass erneut für jeglichen Verkehr gesperrt wurde. Unsicherheit kam auf, ob ich das versteckte Gepäck unter den Schneemassen überhaupt wieder finden würde, aber meine grösste Sorge war, ob es überhaupt möglich sein würde, mit dem Fahrrad über den Pass ins von den Pazifikstürmen geschütztere Argentinien zu gelangen. Am nächsten Morgen überraschte mich strahlendes Wetter, doch der Barometer warnte mich Unmissverständlich vor einer erneuten Schlechtwetterfront. Ich wusste, wenn ich mich nicht jetzt aus dem Staub (Schnee) machte, würde ich in der Folge für mehrere Tage blockiert sein. Doch die Strassensperre blieb aufrecht und mit den Polizisten, die sämtlichen Verkehr aufhielten, war stundenlang gar nicht gut Kirschen essen. Nun wurde ich langsam nervös: Es war bereits Mittag, es lagen 1700 Höhenmeter vor mir, fast sämtliches Material lag unter Schnee am Berg und eine neue Kaltfront näherte sich. Ich tat, was zu tun war. Ich entfernte mich von den ungnädigen Polizisten in die Richtung, von der ich gekommen war und suchte mir durch ein abgeriegeltes, verbotenes Industriegelände eine Durchfahrt. Dieser Umweg führte mich direkt hinter der Strassensperre wieder auf die Passstrasse. Hätten die Polizisten sich umgedreht, hätten sie mich davon sausen sehen… Ich radelte zu Kurve 19, suchte und, oh Glück, fand mein Gepäck unversehrt unter einem Meter Schnee wieder. Ich belud mein Fahrrad, fuhr los und begegnete den schweren Caterpillar mit Schneeschaufeln. Die Jungs waren so erstaunt, eine Velofahrerin zu sehen, dass sie mir grosszügig die Schneemauern von der Strasse stiessen und mir die Weiterfahrt erleichterten! Bei Sonnenuntergang erreichte ich den Pass. Der aufkommende Schneesturm und die Kälte machten mich nervös, ich wusste, mir blieb nicht viel Zeit, wenn ich die Nacht nicht frierend im Zelt verbringen wollte. Ich war bereits auf der argentinischen Seite (die Zollabfertigung erfolgt erst 20km nach der Grenze) und in Las Cuevas, einem Geisterort (verlassene Häuser), grinste mich an einer Hauswand ein Schild "Abierto" (offen) an. Der Gedanke mich in der warmen Küche aufzuwärmen und den von Nelli zubereiteten heissen und gezuckerten Kaffee zu trinken, die Nacht unter einem wind- und wetterdichten Dach zu verbringen war fast wie Ostern und Weihnacht zusammen!
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Meiner Weiterfahrt nach Mendoza lag nun, ausser einigen Schneeverwehungen, nichts mehr im Weg und ich freute mich auf die Passage von Puente del Inca, dem Ausgangsort für die Besteigung des Aconcagua, 6959m. - Nein, nein, falsch geraten, ich erzähle nun nicht, ich sei beim Vorbeiradeln noch schnell auf den höchsten Berg des amerikanischen Kontinents gestiegen, hierfür ist es nun (leider) definitiv die falsche Jahreszeit! Aber ich schmunzelte, als mich der Riese hinter Wolkenfetzen grüsste und die Erinnerungen an den Berg, den ich vor elf Jahren im Rahmen einer erweiterten Physiotherapie bestieg, schlugen Purzelbäume.
10.11.07 - 18.11.07 “Am 10. November war es endlich soweit – unsere Maschine ist Richtung Antarktis aufgebrochen. Voller Neugier und Vorfreude – gepaart mit einer riesigen Portion Respekt – sass ich im Flugzeug und konnte es kaum erwarten, den Weg zum Südpol in Angriff zu nehmen. Wir sind ein internationales Team, bestehend aus vier Männern und mir: Hans aus Norwegen, der in den USA lebt, Darren aus Kanada, Adrian aus England (lebt in Dubai) und Mark aus dem Libanon. Wir arbeiten gut zusammen und sind ein Team, das sich ideal ergänzt. Nach mehr als einem Jahr auf dem Velo empfinde ich es als äusserst positiv, zur Abwechslung in einem Team unterwegs zu sein. Bereits am 11. November, also am zweiten Tag auf dem Weg Richtung Südpol, ereignete sich der erste Zwischenfall: Wegen eines heftigen Sturms kamen wir keinen Meter vorwärts und mussten den Tag im Zelt verbringen. Die Sturmböen waren so stark (an die 140kmh), dass sogar eine meiner Zeltstangen gebrochen ist – die ersten Materialschäden haben also nicht lange auf sich warten lassen. Einem anderen Team wurde durch den starken Wind das ganze Zelt zerstört. Der Anfang der Expedition war also nicht ganz einfach – umso mehr, als dass ich den schwersten Schlitten hatte und mit den vier starken Männern nicht immer mithalten konnte. Nun haben wir das Gewicht unter uns 5 aufgeteilt, was alles ein bisschen leichter macht. Der nächste Tag präsentierte sich dafür umso schöner, das Wetter war perfekt und wir kamen sehr gut vorwärts. Der 13. November war dann wieder sehr kalt und sehr windig, wir kamen nicht sehr weit und der Tag war auch in Bezug auf die Moral nicht einfach.
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Wir haben erfahren, dass Julio, ein Sologänger, bereits nach wenigen Tagen aufgeben musste – nähere Informationen sind leider nicht bis zu uns durchgedrungen. Wir wissen aber, dass wir das Team sind, das bisher am weitesten gekommen ist im Vergleich mit den anderen Teams, die am selben Tag gestartet sind wie wir. Darunter ein Team aus Norwegen und eines aus Südafrika. Die Verhältnisse sind alles in allem sehr schwierig. Durch den heftigen Schneefall und die starken Winde in den letzten Tagen und Wochen sind Schneeverwehungen entstanden, die bis zu einem halben Meter hoch sein können. Leider liegen diese Verwehungen quer zu unserem Weg, so dass wir unsere Schlitten kontinuierlich über diese kleinen Hügel ziehen müssen – ein einziges rauf und runter. Es ist sehr faszinierend, sich in einer Landschaft zu bewegen, die zu 98% auf Schnee und Eis besteht. Navigiert wird – falls möglich – mit der Sonne, ansonsten mit einem Kompass. Ein etwas heikles Thema ist der Toilettengang – wobei er in der Antarktis natürlich nicht so genannt werden kann, denn Toiletten gibt es hier bekanntlich keine. Ich hätte nie gedacht, dass dieses Thema so essentiell werden könnte – aber bei -20°C und zum Teil sehr starken Winden werden auch alltägliche Dinge urplötzlich zu einer Herausforderung.“
22.11.07 „Heute sind wir den 11. Tag unterwegs Richtung Südpol. Die Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf die Kälte, die mich vor Beginn der Expedition und an den ersten Tagen beschäftigt haben, haben sich in der Zwischenzeit gelegt. Mittlerweile weiss ich, dass ich mich während der Nacht im Zelt aufwärmen kann. Die Bedingungen sind nach wie vor ziemlich hart. Die Temperatur ist konstant -20°C, die Sturmwinde sind nach wie vor sehr stark und bewegen sich von 40 bis zu über 70 km/h. Ein anderes Team, das auf dem Weg zu Südpol ist, ist wegen den Winden während zwei Tagen nicht ausgerückt. Wenn man mental nichts dagegen unternimmt, sind die Schmerzen allgegenwärtig. Man sollte mich nicht fragen, wo ich Schmerzen habe, sondern, an welchen Körperstellen ich keine Schmerzen habe. Diese Schmerzen bringen einen dazu, die ganze Expedition zu hinterfragen. Doch ich habe einen Weg gefunden, mit den Schmerzen umzugehen oder sie sogar zum verschwinden zu bringen. Dazu reise ich gedanklich an einen anderen Ort - an einen Ort, an dem es warm ist und windstill, an dem mir keine Schneeverwehungen den
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Weg erschweren und wo mir nichts weh tut. Gedanklich unternehme ich also zum Beispiel Spaziergänge am Ufer des Zürichsees oder schlendere durch eine Innenstadt. Ich mache hier in der Antarktis die Erfahrung, dass es tatsächlich so ist, wie viele Mentaltrainer schon lange behaupten: positive Gedanken können in der Tat das Befinden positiv beeinflussen. Und so reise ich mit meinen Gedanken umher, entwickle in meinem Kopf kreative Ideen für die Zukunft und verfolge diese Gedanken weiter. Und ich denke natürlich an die Menschen, die ich liebe. Ich erlaube mir schlicht keine schlechten Gedanken – der Energieverlust wäre zu gross und würde sehrwahrscheinlich das Erreichen des Ziels verhindern. Mein Tagesablauf hat sich in der Zwischenzeit zur Routine entwickelt. Ich stehe um 05:30 auf und bereite das Frühstück für das ganze Team vor. Dies ist – im Gegensatz zu zuhause – keine Angelegenheit von ein paar Minuten, sondern von zwei Stunden. Um heisses Wasser zu bekommen, muss ich zum Bespiel Schnee schmelzen. Ich habe mich gerne bereit erklärt, das Kochen am Morgen und am Abend zu übernehmen, da meine Teammitglieder – grosse, starke Männer - mir einiges von meinem Gepäck abgenommen und auf ihre Schlitten umgeladen haben. Während den Vorbereitungen für das Frühstück koche ich auch gleich das Wasser auf, das wir dann in Flaschen abfüllen für unterwegs. Danach wird gefrühstückt bis ca. 8:15 Uhr – dann heisst es raus aus dem Zelt, Zelt abbauen und Schlitten laden, was insgesamt eine knappe Stunde dauert. Um etwa 9:15 ziehen wir los und wandern bis etwa 18:00 Uhr. Alle 1 ¼ Stunden machen wir 5 bis maximal 10 Minuten Pause: stehen bleiben, sofort Daunenjacke anziehen, schnell etwas essen (tagsüber essen wir Käse, Salami, Schokolade, Nüsse und getrocknete Früchte), mit heissem Wasser nachspülen, Jacke wieder ausziehen und schon geht’s weiter. Gegen 18:00 Uhr schauen wir uns um nach einem geeigneten Platz für das Camp. Sobald wir einen Platz gefunden haben, bauen wir die Zelte auf und machen diese sturm- und schneesicher, was eine gute Stunde dauert. Danach wird erneut Schnee geschaufelt und zum schmelzen gebracht, ich koche für alle und um etwa 20:00 wird gegessen: gefriergetrocknete Menus, die wir mit heissem Wasser aufkochen – da ist vom Rindsfilet Stroganoff bis zum mexikanischen Essen alles dabei.“ 17.12.07 „Gestern haben wir den 87. Breitengrad erreicht und sind heute den 36. Tag auf dem Eis. Bis vor zwei Tagen hatten wir extrem schlechte Wetterbedingungen. Starke Stürme haben uns die Sicht massiv verschlechtert, man hat fast nicht die Hand vor Augen gesehen. Der vorderste in der Kolonne musste jeweils fast blind das Team führen - es hat sich angefühlt, als ob man blind über Stock und Stein laufen muss. Hier ist 24 Stunden pro Tag heller Tag. Wenn nachts jedoch die Sonne nicht scheint, so wie in den letzten paar Nächten, wird das Material feucht, klamm und kalt, was sehr unangenehm ist und an den Nerven zerrt. Wir hatten weiterhin mit Materialschäden zu kämpfen. So war zum Beispiel mein Bindungskopf ausgerissen und ich musste mit dem Sackmesser und einer Schaufel als Hammerersatz meine Bindung ummontieren. Adrian’s Bindung ist in der Zwischenzeit einer Totalimprovisation gewichen, die wir aus Karabinern und Schnüren gebastelt haben. Ihm war ein ganzes Stück vom Schuh abgebrochen und die Flickerei dauerte tagelang. Wir mussten immer wieder anhalten und warten – bei solchen Temperaturen nicht in Bewegung zu sein ist eine Quälerei. Wir befinden uns mitten im Aufstieg, 800 Höhenmeter fehlen noch. Es geht mal rauf und mal runter. Das runterfahren kann man gar nicht so richtig geniessen, weil man weiss, dass man die so „verlorenen“ Höhenmeter irgendwann wieder hochsteigen muss. Der Aufstieg ist extrem anstrengend und Kräfte raubend und man ist den Winden noch mehr ausgesetzt als sowieso schon. Der Wind kommt von allen Seiten – Gegenwind, Rückenwind, Seitenwind und muss ja irgendwie kompensiert werden.
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Bisher sind wir immer auf dem 80. Längengrad West südwärts marschiert. Dies wird jetzt nicht mehr möglich sein, da eine grosse Spaltenzone vor uns liegt, der wir ausweichen müssen. Eine Spaltenzone ist ein riesengrosses Feld mit Gletscherspalten. Diese sind auf der Karte, die wir haben, eingezeichnet. Da natürlich nicht die ganze Antarktis erschlossen und kartographisiert ist, kann es gut sein, dass die eine oder andere Spaltenzone auf der Karte nicht markiert ist und man oft auch dort Spalten antrifft, wo keine eingezeichnet sind. Wir haben also auf den 82. Längengrad West gewechselt. Auf dem 86. Breitengrad hatte ich mit einem massiven Schwächeeinbruch zu kämpfen. Mein Körper wollte einfach nicht mehr, meine Beine waren total übersäuert und ich war mehr als erschöpft. Da wir konstant gezwungenermassen auf Diät sind, wusste ich beim besten Willen nicht, woher ich die Energie holen sollte, die mein Körper so dringend brauchte. Wir haben dann einen Ruhetag eingelegt - danach war es jedoch fast noch schlimmer. Der Südpol war mental extrem weit weg und die Antarktis kam mir vor wie ein Monster ohne Anfang und ohne Ende. Mir war bewusst, dass ich auf diese Art und Weise und mit diesen Gedanken den Südpol nie erreichen würde. Also musste ich etwas ändern. Und da ich die äusseren Umstände – also die Kälte, die Erschöpfung, die Müdigkeit, das Untergewicht, den Hunger – nicht ändern konnte, musste ich meine Einstellung ändern. Also habe ich meine Gedanken umgestellt und konzentriere mich nun jeden Tag nur genau auf den Tag, der vor mir liegt. Ich stelle mir also die Frage: Evelyne, schaffst Du es bis heute Abend? Die Antwort lautet ja. Die Gedanken an den nächsten Tag oder die rund 300km, die noch vor uns liegen, habe ich abgestellt und konzentriere mich nur noch auf das Hier und Jetzt. Morgen ist ein anderer Tag und morgen ist noch früh genug, mich mit dem neuen Tag auseinander zu setzen. So habe ich die Krise überwunden und der Körper hat sich – einmal mehr – an die Strapazen gewöhnt. 5000 Kalorien pro Tag sind selbstredend nach wie vor zu wenig, aber ich kann es ja nicht ändern.“
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27.12.07 „Angefangen hat die ganze Gesundheitsproblematik mit den Schwächeanfällen von Max, die natürlich auch eine psychische Belastung für das ganze Team waren. 3 Tage später war er dann bei mir soweit: ich hatte plötzlich mit Schwächeanfällen zu kämpfen, die eine wahre Grenzerfahrung darstellten. Ich konnte diesen Zustand einigermassen abfangen, indem wir einen halben Tag ausgeruht haben und indem ich mehr trinke und die Portionen bei den Mahlzeiten vergrössert habe. Ich hatte schon zu Beginn der 1100 km durch die Antarktis Schmerzen im rechten Lungeflügel, die sich im Laufe der Zeit extrem verschlimmert haben. Damit verbunden habe ich schubweise mit einem enormen Energiemangel und Schwindelanfällen zu kämpfen. Das geht fast bis zur Ohnmachtsgrenze. Es fühlt sich an, als ob ich keinen Sauerstoff mehr im Körper hätte. Ich kann mir die Schmerzen in der Lunge nicht erklären und habe keine Ahnung, woher sie kommen und was sie zu bedeuten haben. Ich werde mit Sicherheit so bald wie irgend möglich einen Arzt aufsuchen nach meiner Rückkehr. Das Team ist mir in diesen Tagen eine enorme Hilfe und ich erfahre eine ungeahnte Unterstützung. Ich für meinen Teil gebe dem Team soviel zurück wie ich nur kann. Mein Durchhaltewillen ist ungebrochen und ich werde – sofern es in meiner Macht steht – auf keinen Fall aufgeben. Wenn wir trotz allen gesundheitlichen Problemen weiterhin so gut vorwärts kommen, wird es morgen so weit sein und wir werden am Südpol ankommen.“
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28.12.07 (Minuten vor dem Abmarsch am letzten Tag, 30 km vor dem Südpol) „Nennen wir es beim Namen: die letzten Tage bin ich durch die Hölle gegangen. Heute – am aller Wahrscheinlichkeit nach letzten Tag – fühle ich mich etwas besser, da die verschiedenen Massnahmen, die ich getroffen habe, ihre Wirkung zeigen. So habe ich die letzten Tage mehr getrunken und mehr gegessen und habe auch meinen Schlitten nicht mehr selber geschleppt. Mein extremer Schwächeeinbruch lässt sich vielleicht mit folgenden Zahlen erklären: Im Gegensatz zu meinen Teamkollegen, war ich insgesamt 454 Tage unterwegs und habe vor dem Gang durch die Antarktis 25'000 km mit dem Fahrrad zurückgelegt. Dabei habe ich 120'000 Höhenmeter überwunden. Die rund 1200 km zum Südpol entsprechen der Strecke zwischen Bern und Barcelona oder 2.5 Millionen Schritten. Ich habe in der Antarktis bis jetzt 12 kg abgenommen, war 47 Tage bei -20° unterwegs und habe selten mehr als 6 Stunden pro Nacht geschlafen und 5'500 Kalorien pro Tag zu mir genommen. Dazu kommt, dass wir Frauen naturgemäss mit anderen körperlichen Gegebenheiten zu kämpfen haben – ich denke da insbesondere an die Menstruation, die – wie jede Frau weiss – den Körper zusätzlich schwächt und damit eine Belastung ist, der die Männer nicht ausgesetzt sind. Nun haben wir noch genau 30 km vor uns, die letzten 30 km bis zum Südpol und damit auch die letzten 30 km meiner rund 27'000 km langen Expedition Antarctica. Wir sind extra eine Stunde früher aufgestanden und wenn wir so vorwärts kommen wie geplant, sind wir heute Abend um 18:00 (22:00 MEZ) am Südpol. Die mit dem Erreichen des Ziels verbundenen Gefühle schwanken zwischen Respekt, Freude und Trauer. Respekt, weil ich immer noch sehr geschwächt bin und die letzten 30 km deshalb nicht zu unterschätzen sind. Trauer, weil eine lange Reise, mit der ich mich jahrelang beschäftigt habe und die mehr als ein Jahr gedauert hat, zu Ende geht. Und Freude, weil ich heute Abend mein grosses Ziel erreicht haben werde. Es fühlt sich zwar noch sehr unrealistisch an, dass ich heute Abend am Südpol stehen soll, aber in mir kommt eine riesige Freude auf, wenn ich jetzt daran denke.“
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