#11 proud magazine Berlin

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BERLIN

November 2009 BERLIN #11

tokyo Aya, kawaii!

tama sumo Basketball im Ostgut ISSUE #11 • TOKYO • TAMA SUMO • DIZZEE RASCAL

dizzee rascal Run DMC did the same thing

WIN

taus ! cinem che, izer p rave lus on sony snow tick erics ets stras son w595 serau f &&& art

+plus NOVEMBER 2009

strasserauf Tama Sumo Catz n’ Dogz Max Herre Cobra Killer Charisma Bruckmann Eckart Hahn




FREUDE IST EIN LEBEN VOLLER MÖG Freude ist grenzenlos. Sie schlägt Brücken, wenn Gräben unüberwindbar scheinen. Aber auch, wenn Sie die Brücke mit einem Geldstück wegrubbeln, erreicht der neue BMW X1 sicher und problemlos die andere Seite. Dank xDrive, dem intelligenten Allradsystem von BMW, wird jeder Untergrund zu seinem Untergrund. In den variablen Innenraum passt alles, was Sie am Ziel benötigen. Und dank des vielfach ausgezeichneten Technologiepakets BMW EfficientDynamics für weniger Verbrauch und mehr Fahrfreude kann es auch ruhig etwas weiter entfernt sein. Mehr Informationen bei Ihrem BMW Partner oder unter www.bmw.de/X1

FREUDE BRAUCHT KEINE BRÜCKEN. BMW EfficientDynamics Weniger Verbrauch. Mehr Fahrfreude.


Der neue BMW X1

www.bmw.de/X1

LICHKEITEN.

Freude am Fahren


editorial fühlt sich ein bisschen betrogen. Unsere Jungs wollten in Trenchcoats à la Humphrey Bogart mit grünäugigen Französinnen Whisky trinken. Wir Mädchen freuten uns, bunte, tibetanische Overkneesocken mit Doc Martens ganz im Feeling von Beverly Hills, 90210 zu tragen... Stattdessen sehen wir schwarz-gelb und rechnen aus, dass die restliche WG-Gemeinschaftskasse am Ende des Jahres mit Sicherheit nicht für‘n Pingpongtisch drauf geht, sondern zur Stromnachzahlung. empfiehlt in diesem Monat statt auf dem Klo einfach in ‘nem EukalyptusErkältungsbad die zu lesen, sich zurück zu lehnen und zu akzeptieren, dass die Neunziger zurück kommen. Vergessen ist das Gefühl der Generation X und der No Future Sprüche, wir sagen Life is Life und Baby one more time und haben im November eine wunderschöne Ausgabe erstellt, die uns sehr am Herzen liegt und Euch wie die Maus Frederick emotional durch den Berliner Winter leitet... Sophie Senoner

Publisher Richard Kirschstein Emin Henri Mahrt Advertising Manager Emin Henri Mahrt Richard Kirschstein Editor in Chief Sophie Senoner Senior Fashion Editor Joceline Teichmann Senior Graphic Designer Vinzent Britz Music Editor Lev Nordstrom Uwe Krass Editorial Staff Ronny Schröder Benjamin Gruber Denise Ankel Lukas Kampfmann Gesa Hollender Moritz Stellmacher Ida Westheuser Nico Allara Andrej Rüb Ida Westheuser Jannis Mayr Graphic Designer Josephine Müller Denise Ankel Event Manager Rico Kramer Christian Wilke Cover Design Amrei Hofstätter www.verticospuppets.com

Personen in Lesereinfolge: Richard, Emin, Vinzent, Sophie, Lev, Uwe, Joceline, Lukas, Benny, Nico, Denise, Ronny, Ida, Rico, Gesa, Jannis, Christian, Josephine.

ist eine freie, monatliche Publikation von Liebhabern und Legenden.

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, Kirschstein & Mahrt GbR Naunynstraße 27 10997 Berlin Kreuzberg T: +49 (0) 30 78 08 80 97 E: vorname@ magazine.de

start

darf nicht ohne das Einverständnis von Richard Kirschstein oder Emin Mahrt, beziehungsweise den Leuten die deren Unterschriften perfekt fälschen können, verkauft, verliehen oder geknickt werden. respektiert die Unterschiedlichkeit der Menschen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. liebt Dich doch! Die publizierten Artikel entsprechen dennoch ausschließlich der Meinung der Autoren und nicht zwangsläufig der Redaktion. Diese müssen auch nicht intelligent oder gut durchdacht sein. Dafür machen wir mal wieder eine schöne Seite zum Angucken. Wenn Ihr uns die Grafik klaut, holen wir unsere Freunde und Ihr seid dran. Ansonsten, alles Roger. Verantwortlicher im Sinne des Presserechts ist Emin Mahrt oder Richard.

Contributor Bianca Heinrichs Haniball Saliba Antonio Rilling Mai Weiss Karl-Heinz Kirschstein Ariane Kirschstein Nuri Sezer Eva Mahrt Lale Mahrt Sünje von Ahn Oliver Keresztes Klaus Mabel Aschenneller Maren Böttcher Mack Mckelton Frederik Eichelbaum



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inbox

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local stuff flash

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the street session report

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carlsberg report

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singstar report

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hatch kingdom streets

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tama sumo bottled

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strasserauf

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music catz n dogz chat

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max herre chat

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dizzee rascal chat

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cobra killer chat

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sounds

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feature vertico‘s puppets focus artist

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sign

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gran tourismo knowledge

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evolution music focus artist

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tokyo feature

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style & fashion 7days

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wardrobe

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win

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charisma bruckmann chat

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robust romance shoot

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eckart hahn focus artist

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outro sophie senoner last word

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Covergrafik Amrei Hofstätter

employee of the month - uwe krass Wer Uwe kennt, weiß, wie er eigentlich ist: Nie da, immer meckernd, die anderen verurteilend, ohne sich je deren Artikel durchgelesen zu haben. Ab und zu blockiert er rauchend bei uns das Klo und hört Diskomusik... Er denkt sich laufend Neologismen aus, redet um den heißen Brei und schreit auf, sobald er Wörter wie Werbung, Editorial und Kaptalismus hört, aber eigentlich ist er auch der beste Musikredakteur und immer der letzte der nach Hause geht, wenn er mal kommt. Seine Reviews sind der einzig ernstgenommene Content und wir verzeihen ihm gerne, dass er jede Deadline ignoriert.


inbox Hallo liebe Sophie, Dein last word aus der Augustausgabe der hat mich zu diesem Text inspiriert. Ich muss zugeben, dass ich ihn prinzipiell als recht schön geschrieben empfand, auch wenn ich natürlich nicht in allen Punkten mit dir übereinstimme (die Oberlippenbärtchen z.B.). Doch über einen Satz bin ich gestolpert, der mich sowohl wütend, als auch nachdenklich gemacht hat. *Versteht endlich das Wort Lebensabschnittspartner*- Für mich das Unwort schlechthin, auf einer Stufe mit Humankapital. Was soll das bedeuten, Lebensabschnittspartner? Ist man Der schon beim Beginn einer Beziehung? Gehen wir Beziehungen ein, deren Ende wir bereits im voraus datieren können? Ist die Liebe nur noch ein Konsumgut in unserer schnelllebigen und haltlosen Welt? Oder hat Sie sich mittlerweile einfach komplett aus unseren Beziehungen zurückgezogen? Das Leben auf der Überhohlspur in unserer individualisierten Welt (zumindest denken wir ja alle das wir so wahnsinnig individuell seien) bietet eben nicht nur Chancen, sondern birgt ebenfalls Risiken. Wir suchen ewig weiter, ohne uns zu trauen anzukommen. Das Ergebnis dieser Rastlosigkeit ist meist der einsame Mensch, und das kann keiner von `meinen`1000 virtuellen Freunden auf Facebook auffangen! Lebe dich voll aus und lass dir nichts entgehen! Die Jagd nach Vergnügen und das Sammeln von Informationen über potentielle Partner bilden heute das Zentrum dessen was fälschlicherweise unter Liebe verstanden wird. Jedoch ist die Liebe, die uns vorschwebt auf hohem Niveau und das ist auch der Grund weswegen wir nach immer mehr Liebe suchen und immer weniger Liebe finden! Der Zugewinn an Freiheit führt zum Verlust der Orientierung. Suchen wir desshalb häufig nach Partnern, die uns nicht gut tun, damit wir uns nicht ernsthaft binden müssen? Leben uns die Medien nicht genau das vor? Sex and the City als Lebensmodell: Finanziell unabhängige konsumgeile Romantikerinnen probieren zwar immer wieder Sex ohne Liebe und stürzen sich von Affäre zu Affäre, aber sehnen sich letztlich alle nach ihrem Mr. Big, dem

Märchenprinzen. Na klar ist das Gefühl des frisch verliebt seins zunächst aufregender als die Langzeitbeziehung, alles ist neu und spannend, doch wie in den Liebesfilmen kommt es nicht selten vor, dass nachdem sich beide Protagonisten nach eineinhalb Stunden gefunden haben der Film vorbei ist. Da droht es nämlich langweilig zu werden. Es geht von nun an nicht mehr immer weiter aufwärts in die berauschenden Höhen der Leidenschaft, sondern nur noch bergab in die Niederungen des Alltags.- Doch beginnt da nicht erst der Film des Lebens? Jede Beziehung birgt natürlich die Gefahr teurer Kompromisse und langweiligen Alltags, doch keine Romantik ohne Routine und das Profane, keine Lebensfreude ohne Leid und Trauer, kein Weiß ohne Schwarz! Wird die Liebe aufgrund dieser Hürden zum Auslaufmodell? Denn was wir von der Liebe bzw Beziehung wollen, und was wir in der Liebe/ Beziehung wollen passt leider kaum noch zusammen. Von der Liebe wollen wir Halt und Bindung, in der Liebe Freiheit und Aufregung,- der ständige Wechsel zwischen Realität und Fiktion. Das zeigt sich vor allem in unseren Ansprüchen. So wollen Männer heutzutage eine unabhängige und starke Frau, die sich selbst verwirklicht, sexy und aufregend ist, doch zugleich fürsorglich und einfühlsam bemuttern kann, und Frauen suchen den Verständnisvollen sensiblen Familienvater und Frauenversteher, der aber vor Testosteron und Männlichkeit strotzt und jederzeit aufregend, doch auch verlässlich ist. Wir erwarten vom Partner, das er spontan und kreativ ist und uns bei Laune hält, ist der Liebespartner die selbe Person wie die, mit der man seine sexuellen Phantasien auslebt oder ausleben will bzw kann? Wir erwarten sehr viel und das häufig ohne genügend miteinander zu kommunizieren. Die Liebe als das Unwahrscheinliche, das Besondere, das Zerbrechliche, das Bedrohte! Glücklich kann sich derjenige schätzen, der sie einmal wirklich erlebt hat und sie von Schwärmerei und Verliebt sein zu unterscheiden weiß. Ist es nicht ebenfalls Paradox, dass wir bereit sind uns in der Beziehung

aufzugeben um mehr zu werden, wir suchen nach dem höchstmöglichen Gefühl für uns selbst und die Lebensabschnittspartner sind die Stufen der Treppe zu unserem Ego! Individualität contra Sehnsucht nach Verbundenheit, die Liebe ohne Egoismus eine Utopie! Ich, Ich und nochmal Ich und als Erfüllungshilfe Du, und wenn nicht Du, dann Du! Ist der Mensch überhaupt für ein dauerhaftes konstantes Glück mit einem Partner, oder vielmehr für den Traum von diesem, geschaffen? Die Rastlosigkeit wird zum Lebensmodell in der Paarbeziehung, doch ist nicht auch innerhalb EINER Beziehung `der Weg das Ziel`? Sind wir überhaupt zu der Hingabe fähig, die die Liebe benötigt? Die Liebe bliebe damit eine Vorstellung, eine ewige Sehnsucht, die kaum zu realisieren scheint, und selbst wenn sie vermeintlich gefunden wurde, wird sie schnell und bereitwillig wieder aufgegeben in der Hoffnung etwas besseres zu finden oder in der Angst etwas zu verpassen! Muss man aber tatsächlich soviele Abstriche für die Liebe machen? Ich denke nicht und um Paolo Coelho zu zitieren: `Wenn du etwas Wichtiges in deinem Leben findest, heißt das nicht, dass du auf alle anderen Dinge verzichten musst`! Oder muss ich erst das Besondere verlieren um es tatsächlich schätzen zu lernen? Aber wieder zurück zum Lebensabschnittspartner und das aus ihm folgende Patchwork als Zukunftsmodell. Dann gibt es in Zukunft also nicht mehr nur Stiefeltern, sondern Lebensabschnitts-StiefMama,-Papa und Geschwister. Das alles heißt nicht, dass ich verlange an einer nicht funktionierenden Beziehung festzuhalten, ich denke nur, dass wir es uns zu leicht machen und zu wenig auf unsere Partner eingehen, wenn wir umziehen anstatt einfach mal staub zu saugen, und selbst aber vollstes Verständnis für die von uns geschaffenen Schwierigkeiten erwarten. Kommunikation ist der Kern der Beziehung! Den Rest des Leserbriefes von Edgar Döring und Sophies Antwort gibt‘s online auf www. magazine.de

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gaddafi blog me to disco Der Begriff des Blogging ist nun echt ein alter Hut, aber wer nutzt es eigentlich wirklich? Blogs lassen sich über RSS-Feeds direkt in den Browser oder in den Email-Client integrieren. Egal zu welchem Thema, es gibt nichts, für das es nicht das passende Blog gibt. Wer auf Re-Edits steht, sollte das AOR - Adult Oriented Rock Disco Blog in seine Favoriten speichern, um sich an aktuellen Verwurstungen alter Hits zu erfreuen.

Wer es nicht mitbekommen hat: die kurze Verhaftung von Gaddafis Sohn in der Schweiz stachelt seit diesem Zeitpunkt das Staatenverhälnis LibyenSchweiz kräftig an. Bisher bester und neuester Vorschlag von Gaddafi: die Aufteilung des Schurkenstaats Schweiz in die Nachbarländer Deutschland, Frankreich, Italien. Stay-tuned.

aordisco.blogspot.com

happy birthday soundcloud

colors 76 teenagers Ausgabe 76, seit 1991 als Magazin am Start. Colors ist das von FABRICA (Forschungszentrum der Benetton Group für soziale Kommunikation) geführte Magazin. Die Besonderheit dieser Ausgabe: Colors 76 kommt mit dem Versuch einer Augmented Reality (erweiterte Realität). Check it out. www.colorsmagazine.com

djehad Eltern dürfen ihr Kind „Djehad“ nennen. Acht Jahre nach dem Terror des 11. Septembers gestattet das ein Berliner Gericht. Der Vorname heißt übersetzt „Heiliger Krieg“. Eintrag im Klassenbuch: „Heiliger Krieg“ kam schon wieder zu spät. 10

flash

Bereits nach dem ersten Jahr ist Soundcloud aus dem Tagesgeschäft der DJs und Produzenten nicht mehr weg zu denken. Egal ob ein schnelles Feedback von Künstlern aus der ganzen Welt gefragt ist, man dem Lieblingskünstler seinen neuen Track direkt zusenden oder einfach nur einen Mix für die Fans bereitstellen möchte, Soundcloud bietet dafür das passende Interface. Auch für Journalisten eröffnen sich neue Möglichkeiten: unsere Redaktion hat die Kommentarfunktion für das Strukturieren und Transkribieren von Interviews für sich entdeckt. www.soundcloud.com

whatpeopleplay 3.0 Die Status-Meldungen der Facebook DJProfile überschlugen sind, nachdem die digitale Musikplattform Whatpeopleplay ihren Relaunch bekannt gegeben hatte. Die Begeisterung über die Neustrukturierung der OnlineVertretung eines der größten Vertriebe für elektronische Musik war nicht zu bremsen. Die neue Seite ist durchdacht strukturiert und beinhaltet einen neuen Player, der direkt in die Hauptseite eingebunden wurde. hat Whatpeopleplay.com 3.0 auf Herz und Nieren getestet. Den ausführlichen Bericht dazu findet ihr in unserem Blog. www.whatpeopleplay.com


gran turismo In Zeiten in denen der Trend zum benzinsparenden funktionalen Auto geht, ist Gran Turismo genau das Richtige. Hier kann mit gutem Gewissen auf das virtuelle Gaspedal - immer und überall! - getreten werden. Denn erstmals ist die Rennspielreferenz nun auch für PSP/ PSPgo erhältlich. Mit dieser Version wird DAS Wettrennen mit dem Auto mobil und Tarek (K.I.Z.) hatte Recht... meine Rehaugen kleben an einer Stoßstange.

liferecorder Das Thema des Datenschutzes ist populär, sogar so populär, dass sich eine Partei alleine durch dieses definieren kann. Oft vergessen wird beim Kampf gegen die staatliche Datenspeicherung, aber die Sensibilisierung für individuelle Datenerfassung und Verbreitung. Kein gesellschaftliches Ereignis bleibt undokumentiert, auf Selbstdarstellungsportalen wie Facebook generieren inzwischen 300 Millionen Nutzer vertrauliche Daten von Dritten. Die Verfügbarkeit von Aufnahmegeräten wurde durch die Integration von Mikrofon und Kamera in Handys drastisch erhöht. Es gibt aber immer noch das unvorhersehbare Moment das nichtfestgehalten werden konnte, das soll nun aber auch der Vergangenheit angehören. Schon seit zehn Jahren arbeitet Microsoft an dem Projekt Senscam, das nun bald produktionfertig sein soll. Das kleine viereckige Gerät soll an einer Kette um den Hals gehangen werden und 24 Stunden lang jedes Gespräch, Photos im 2 Minutentakt und außerdem GPSKoordinaten der Umgebung speichern. Die Datenmenge dieses absoluten Gedächtnis könnten nur wenige durchsuchbar machen, z.B. Google.

sony psp go Sony Computer Entertainment lässt mal wieder keine Wünsche offen und hat nun am 1. Oktober 2009 die PSPgo, die jüngste Weiterentwicklung des Handheld-Entertainmentsystems, auf den Markt gebracht. Das System ist besonders empfehlenswert für diejenigen unter euch, die gerne Games und anderen Stuff aus dem Netz runterladen. Um das Teil mit möglichst viel davon volllzupacken, wurde das UMD-Laufwerk durch einen 16GB-Speicher ersetzt. Als Sahnehäubchen wird die PSPgo nicht nur viel leichter und kleiner, sondern überzeugt außerdem mit einem neuen durchdachten Design in Piano Black oder Pearl White. Ihr habt nun die Möglichkeit euch diesen Newcomer in die Hosentasche zu holen und für schlappe 249,95€ Spiele, Videos, Musik oder Fotos immer und überall dabei zu haben. PSP™go for it! Die ganze Welt in deinen Händen.

ps3 Spielekonsolenliebhaber hatten es sehnlichst erwartet und wurden nun am 1. September mit der neuen PlayStation 3 beglückt, die viele praktische Neuerungen aufweist. Nicht nur die gigantische 120-GB-Festplatte überzeugt, sondern auch das neue leichtere und schlankere Design. Und wer nun erwartet, dass das System auch um einiges teurer sein wird als das vorherige, irrt sich gewaltig! Sony Computer Entertainment senkt sogar den Kaufpreis auf gigantische 299,95€ und ermöglicht damit jedem hochauflösende Filme und Spiele auf Blu-ray Disc zu genießen. Und als wäre das nicht schon genug, wurde auch ökologisch mitgedacht und der Energieverbrauch auf zwei Drittel des Vorwertes reduziert. Wir raten euch also: Holt euch das Teil, ihr werdet’s nicht bereuen! www.playstation.de

red bull crashed ice Am 07.11.09 im Wellblechpalast Berlin Hohenschönhausen. 60 Teilnehmer (Eishockeyspieler oder Eisschnellläufer) die den Parcour (siehe Skizze) in einer möglichst schnellen Zeit durchlaufen. Die schnellsten Drei werden zum Final im Januar nach München eingeladen. www.redbull.de

mighty, magic, mighty, magic! Jaaaaaaaaaa! Apple‘s Mighty Mouse goes Magic! www.apple.com/magicmouse/ Layout Josephine Müller

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t-mobile extreme playground the street session Aufgepasst, Freunde des geschmackvollen Actionsports! Diesen Nikolaus heißt es nicht Schuhe raus, sondern an und ab zur Street Session der T-Mobile Extreme Playgrounds ins Velodrom. Auch dieses Jahr werden sich wieder die Besten der Besten aus BMX und Skateboarding die Hände schütteln und um den heißbegehrten Titel und das dicke Preisgeld kämpfen. In den Disziplinen Street und Vert werden euch die Rider mit ihren Tricks zum Ausrasten bringen. Bei den Skateboardern wird es um den höchsten aller SkateboardTitel gehen, denn in diesem Jahr können sich die Playgrounds mit dem Finale der gesamten World Cup Skateboarding Tour 2009 brüsten. Zu den heißerwarteten Teilnehmern gehören der kleine Mann aus Belgien, Axel Cruysberghs, welcher mit seinen 14 Jahren schon zu den ganz Großen zählt, Titelverteidiger Rodolfo Ramos (Brasilien), außerdem der beste Vert Skateborder der Welt, Pierre Luc Gagnon (Kanada), Showman und Rampensau Adam Dyet aus den USA und nicht zu vergessen Alex Mizurov, der als deutscher Top Favorit gilt. Bei den BMXern werden für uns der Zweitplatzierte der BMX Masters 2008 Francisco Zurita aus Chile und die Amerikaner Chad Kagy, räumte letztes Jahr bei den landeseigenen X-Games Silber ab, und Rob Darden, amtierender Sieger der Dirt Sessions, ihre wagemutigen Stunts performen. Und als wäre das nicht schon genug gibt’s auch soundtechnisch dick was auf die Ohren. Mit Deichkind und den Puppetmastaz wird euch eine fette Combo aus HipHop und Elektro geliefert und lässt das Ganze zu einem hammergeilen Event werden. Jetzt heißt es also nur noch Tickets sichern und Bon Voyage! www.t-mobile-playgrounds.de

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Carlsberg 24 HOURS Am Freitag den 16. Oktober war‘s mal wieder so weit: die zweite Carlsberg 24 HOURS Clubtour stand an. Also bereitete man sich schon einen Tag früher gründlichst darauf vor und verschlief die Uni um Kraft für die anstehende Tour von BBQ bis zum Breakfast Club zu tanken. Um 21.00 Uhr ging‘s dann los zum Rodeo Club in Mitte, wo wir uns mit lauter Musik von Princess Superstar, deren Interview du online unter www.proudmagazine.de findest und einer Menge Carlsberg Bier einstimmten. Gegen 0.00 Uhr zog die angeheiterte Partycrowd weiter zum Spindler und Klatt, wo wir mit fetten Bässen, stickiger Luft, sengender Hitze und schweißnassen Hemden begrüßt wurden. Hier wurde eiskalt bis in die späten Morgenstunden durchgetanzt. Da wir uns keinem Kreislaufkollaps hingeben wollten, schlürften wir fleißig kaltes Carlsberg Bier.

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report

Irgendwann halfen dann aber nicht einmal mehr die heißesten Girls oder kühlsten Drinks - da war dann einfach Schluss,Aus,Ende,Fix und Alle. Die Partynacht im Kopf schon lange abgehakt, wollte man sich auf den Nachhauseweg im strömenden Regen machen,den Abend ganz normal beenden, endlich zu Hause in‘s Bett fallen, erst einmal schlafen. Aber wart‘ mal, da war ja noch das Frühstück im Sage Restaurant in der Köpenicker. Also nix wie raus aus dem Club und in die nächste Location. Da war es, ein riesen Buffet, das keinen Wunsch offen ließ. Die Kombination mit loungigem House von Sergej Gorn, einfach super! Gesättigt, durchrockt, müde aber voll zufrieden ging‘s dann ab ins Bett nach einer wirklich, wirklich langen Nacht. www.carlsberg.de


Wolfgang Petry

Thomas D

Thomas D Wol f gang Pet r y Max Herre

Nena

singstar made in germany

Nena Max Herre

Wir haben drei Mädchen zum SingStar spielen eingeladen, weil wir leider nicht Campino sind und das Entertainment lieber dem beliebtesten Party-Spiel überlassen. Dabei darf die stylische PlayStation 3 natürlich nicht fehlen. Maskiert als Max Herre oder Thomas D greifen wir zu den Mikrofonen und geben unser Bestes, um unsere Gäste zu beeindrucken. „Mit Humor kann man Frauen am leichtesten verführen, denn die meisten Frauen lachen gerne, bevor sie anfangen zu küssen,“ sagt Jerry Lewis. Hinter einer Maske von Wolle Petry verstecke ich mich um nicht mein Gesicht zu verlieren, wenn ich „Bronze, Silber und Gold habe ich nie gewollt. Ich will nur dich nur dich allein,“ singe und Sarah Connor anhimmel. www.singstargame.com

Sarah Connor Itchyban report

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hatch kingdom In Berlin-Friedrichshain steht das erste und einzige Stickermuseum der Welt. proud traf den Macher des „Hatch“, Street Art Connaisseur Oli Baudach, um über Sticker, Skateboarding und Star Wars zu sprechen. Jede Subkultur hat ihre eigenen Rituale, Symbole und Orte. Für die Berliner Street Art Szene liegt einer dieser Orte in der Dirschauer Straße 16, wo Oli Baudach seit April 2008 fast 2000 Aufkleber aus seiner 20.000 Exemplare umfassenden Sammlung ausstellt. Hier ist der Eintritt frei, der Kaffee umsonst und der Vibe vom allerfeinsten. Hatch ist einen Besuch wert, Sohn. Wie fangen wir an? Vielleicht so: Wie kommt man auf die Idee ein Stickermuseum aufzumachen? Ich sammle schon seit Ewigkeiten Sticker. Nachdem ich 2000 nach Berlin gezogen bin, sind mir sofort die ganzen Street Art Aufkleber aufgefallen. Aufkleber sind meine Leidenschaft, und als ich gemerkt habe, dass es auf der ganzen Welt noch kein Stickermuseum 16

streets

gab, hab ich mich entschieden, das durchzuziehen. Neben dem Museum mach ich noch einen Sticker-Mailorder. Bist du selbst Künstler? Nee. Ich sehe meine Rolle als Kurator, als Archivar dieser Subkultur. Ich will dem Medium Sticker die Plattform geben, die es verdient. Viele Street Artists waren oder sind aktive Skateboarder. Vor dem Museum hattest du einen Skateshop…wie siehst du die Verbindung zwischen Street Art und Skateboarding? Ich denke, dass viele heutige Artists durch die Kreativität der Skateboard Kultur mit den ganzen Deck Graphics, Stickern, T-Shirt Motiven etc. seit den 70ern bis heute schon in jungen Jahren inspiriert wurden bzw. werden. Dadurch ist bei diesen Leuten der Zugang zum Kunst machen geebneter ist als bei Menschen mit einem anderen Background. Trotzdem kommt auch großartige Kunst aus anderen Ecken und Lebenswege. Ich habe den Eindruck, die Verbindung

zwischen Skateboarding und Street Art ist fast stärker als die sonst immer suggerierte Verbindung zwischen Graffiti und Street Art. Die Skateboard Deck-Graphics, also eine Inspirationsquelle der Urban Art, wurden von den Skatern selbst designed. Firmen wie Powell Peralta oder Santa Cruz bestanden aus Skatern, die viel Liebe in die Designs investiert haben und so Einfluss auf das Ästhetik-Verständnis der heutigen Künstler hatten. Aber es ist schwer, Street Art, Skateboarding und Hip-Hop sauber zu trennen, da gibt es viele Schnittmengen. Du hast ein Stickermuseum und einen Mailorder. Was denkst du über das Thema Kommerzialisierung von Street Art? Fakt ist, dass sich nichts und niemand der Kommerzialisierung erwehren kann, sie findet in jedem Gesellschaftsbereich statt. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Es ist nichts Verwerfliches daran, Geld mit einer Sache zu verdienen, die man liebt, sei es als Anwalt, Arzt oder eben


Künstler. Ein Problem wird es dann, wenn Künstler oder Brands damit zu weit gehen. Hast du ein positives oder ein negatives Beispiel dafür? Wie siehst du Shepard Fairey oder Banksy? Shepard Fairey und Banksy sind positive Beispiele, weil sie die Kultur geprägt haben, und weil sie trotz aller Kohle noch raus gehen und unterwegs sind. Darum geht es, unterwegs zu sein, und auf der Straße zu arbeiten. Ein negatives Beispiel ist der Adidas Urban Art Guide, wo kein Künstler gefragt wurde, sondern die Arbeiten einfach an sich gerissen wurden. Auch wenn Urban Artists ihre Kunst öffentlich machen – ich finde, allein aus Respekt ihrer Kunst gegenüber sollten sie bei jeglicher kommerzieller Nutzung gefragt werden. Und wenn das nicht möglich ist dann sollte doch wenigstens irgendeine Art von Honorierung der Kunstwelt zurückgegeben werden. Dein Museum scheint mir das perfekte Beispiel, wie eine Subkultur die zwangsläufige Kommerzialisierung selbst in die Hand nehmen und damit in die richtigen Bahnen lenken kann. Wenn wir darüber sprechen, dass Arbeiten den Künstlern entrissen werden: Was hältst du von Street Art Büchern? Auch das ist schwer zu pauschalisieren. Mich kotzen zum Beispiel die Street Art Postkarten an, die überall verkauft werden. Aber ich stehe gerade auch vor der Möglichkeit, ein Buch zu machen, und ich betreibe eine Webseite. Wenn ich das Buch mache, habe ich keine Möglichkeit, jeden einzelnen Künstler zu finden und zu beteiligen. Ich will die Arbeiten trotzdem zeigen, weil sie meine Stadt und meine Kultur zeigen. Aber gleichzeitig sollten die Einnahmen auch wieder zurück in die Szene fließen und die Kultur unterstützen. Ein anderes Beispiel zu dem Thema: Bei der JUST taking Pictures Vernissage wurde diskutiert, ob der Verkauf seiner Fotos auch eine Kommerzialisierung ist. Das halte ich für Quatsch. Lass ihn Geld machen, JUST gibt der Szene so viel! Er wird morgen sicher nicht im Hummer herumfahren.

die den Begriff ablehnen bzw. damit kokettieren, kein Street Artist zu sein. Mir geht Schubladendenken auch auf die Nerven. Aber in einer Schublade ist man nur dann, wenn man sich da reinstecken lässt. Ich halte die Beschäftigung, ob man nun Street Art macht oder nicht, für völlig überflüssig. Wenn die Künstler selbst nicht darauf eingehen würden, würde die Diskussion um den Begriff und seine angeblichen Attribute zusammenfallen. Letzte Frage: Auf welche 3 Websites gehst Du regelmäßig? Reclaimyourcity.net, hypebeast.com und starwars.com. StarWars.com ist der Wahnsinn, da gibt es ne Serie über Chad Vader, den kleinen Bruder von Darth Vader, der im Supermarkt arbeitet. Super. Hatch Stickermuseum Dirschauerstr. 16 10245 Berlin Mit – Fre: 13:00 – 19:00 Sa – So: 14:00 – 18:00

www.hatchkingdom.com Interview Lukas Kampfmann Layout Moritz Stellmacher

In eine ähnliche Richtung geht die Diskussion um den Begriff „Street Art“. Ich habe viele Künstler getroffen,

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a bottle of held vodka with tama sumo Tama Sumo war anfangs skeptisch, liess sie sich dann doch noch von einer Flasche naturtrüben Bio-Apfelsafts zum Interview umstimmen. Viertelstündlich, versicherte mir Richard, der auch zum Interview kommen sollte, dass er es auf jeden Fall noch pünktlich schaffen würde. Piep. Ich komm sobald ich in Berlin bin. Piep. hinauszuzögern. Piep. 250 km Autobahn. Piep. 140 left! Erste Frage, cheers? Cheers! Was hast du gemacht bevor du zum Auflegen gekommen bist? Ich habe mal vor langer Zeit Filmwissenschaft, Germanistik und Soziologie studiert. Irgendwann habe ich eine Festeinstellung bei einer Agentur bekommen und habe aufgehört zu studieren. Im Endeffekt bin ich froh, dass es sich so entwickelt hat. Wir auch. Cheers! Hast du Druck verspürt, den Panoramabarmix zu machen? Auf jeden Fall, aber letztendlich koche ich ja auch nur mit Wasser. In Berlin hast du ja Heimspiel. Cheers! Du spielst aber mittlerweile auch viel außerhalb. Bist du irgendwo schonmal mit deinem Sound ins Leere gelaufen oder wo war die Stimmung besonders toll? Das gab‘s auf jeden Fall, aber man verdrängt das ja auch aus Selbstschutz sehr schnell. Ein Positivbeispiel fällt mir aber sofort ein. in London spielte ich mit Prosumer zusammen. Wir wollten zum Warmup etwas Pingpong spielen bevor jeder sein eigenes Set brachte. Daraus sind irgendwie sechs Stunden geworden. Und keiner von uns hatte seine Peaktime-Platten gespielt. Die Leute sind schon auf die deepesten Sachen dermaßen ausgerastet, dass wir dachten wir können jetzt gar nicht mehr anziehen. In Berlin ist Deephouse zwar im Moment auch recht modern, aber irgendwann kommen die Leute dann doch an und wollen einen harten Sound. Wir lagen uns danach in den Armen und hätten heulen können über die positive Reaktion des Publikums. Soviel zum Positiven. Wo war es denn jetzt nicht so toll?

Ich hatte einen Gig mit Marcel Fengler in Hamburg. Ich war für Norman Nodge eingesprungen und hatte meine Houseplatten komplett zu Hause gelassen. Es fing damit an, dass jemand meinte, sich schon auf mein Set später zu freuen, dann würde es endlich housiger. Ich war nach Marcel Fengler und noch einem Live Act dran, der nicht gerade schmusig ist und wollte da einfach nahtlos anknüpfen. Nach der zweiten Platte kam der erste: „Du spielst so hart.“ Da ich mein Houseset aber nicht dabei hatte, konnte ich eh nichts machen. Augen zu und durch. Manchmal ist man eben der falsche DJ am falschen Ort. Wo kommt denn eigentlich dein Name her? Der Name ist eigentlich ein komplett bedeutungsloses Wortspiel nach ein paar Gläsern Sekt. Irgendwie fanden wir den Klang ganz schön und so war der Name geboren. Mit Sumoringen hat das aber gar nichts zu tun. Was sagst du denn zu der allgemeinen House-Euphorie momentan? Ich finde es schön, dass es wieder Tendenzen gibt, es zu mögen. Da muss ich lustigerweise DJ T. zitieren. Der hat das ganz gut auf den Punkt gebracht: das klingt wie Minimal mit ein paar Chords und dann nennt man es halt House. Wo soll es noch hingehen oder sagst du dir, dass es bisher auch geklappt hat, jetzt du an diesem Punkt angelangt bist, wo es so ruhig weitergehen kann, ohne sich mehr Gedanken zu machen. Das ist ganz süß, weil ich wirklich so funktioniere und ich glaube jedes Management-Seminar würde mich dafür an die Wand klatschen

Wie ist es denn zwischen Bar- und Clubatmosphäre. Du legst ja auch in der Möbel Olfe auf. Ja, ich liebe die Olfe. Ich habe da auch eine ganz lustige Geschichte aus der Olfe. Die ich dir aber leider nicht erzählen kann. – Doch, mach mal Lev. Doch natürlich. Wir schalten mal kurz aus. Nein, aber das hat schon hin und wieder mal einen Reiz. Weil es zum einen leiser ist. In einer Bar hast du mehr Hintergrundgeräusche und ich finde es manchmal schwieriger in der Atmosphäre aufzulegen als im Club, wenn du alle irgendwie noch reden hörst und und und… und außerdem kriegst du ja nicht wirklich Feedback, wie im Club. Den Laden finde ich trotzdem einfach toll. Jetzt möchte ich deine Geschichte hören! Das ist schon persönlich, aber jetzt habe ich das so groß angekündigt… na gut! Ich soff mich mit zwei Kindergartenfreunden über die Schlesische und Skalitzer bis zum Kotti und landete in der Möbel Olfe. Letztendlich knutschte ich mit beiden Freunden in der Möbel Olfe herum. Seitdem bin ich auch nicht mehr da gewesen. Später wurde ich von einem Bekannten spontan am Ufer angesprochen: Du bist doch der, der letztens in der Möbel Olfe so wild herumgeknutscht hat. Cheers! Vielen Dank fürs Interview! Und noch viel Spaß noch im Watergate! Das volle Interview gibts auf der Website. Read it! Interview Lev Nordstrom & Till Kolter Images Richard Kirschstein & Andrej Rüb

Soll ich dir auch noch etwas einschenken? Och, ich komme nochmal drauf zurück. Mir ist ja jetzt schon warm. Es klingelt. Richard! Hey Richard! Willst du einen Schluck Vodka? Cheers! Zum Glück ist das in Sepia, dann kommt das Rot nicht so durch.

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strasserauf part 02 Seit Oktober begleiten wir das electrisierende Start-up, welches mit seiner ungewöhnlichen Firmenphilosophie, den unkonventionellen Werbeaktionen und dem liebevollen Mitarbeiterumgang so sehr ähnelt, dass es uns ans Herz gewachsen ist und so hat uns strasserauf auf eine seiner Reisen in die weite Geschäftswelt mitgenommen. Denn der Start ist geglückt: seit ein paar Tagen gibt es strasserauf-Strom zu kaufen und wir sind einer der ersten Kunden. Wir nehmen diesmal unseren moralischen Zeigefinger runter und erzählen heute einfach eine Geschichte, die so typisch fürs Leben ist und viel zu selten dokumentiert wird. Eine Geschichte voll von haarigen Mädchen, für die man einen hohen Preis zahlen musste, eine Box, die total Kunst ist und von ökologischen Stoffbeuteln, die wir zusammen mit einer an junge Menschen in Mitte verschenkt haben. Voll von 20

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Überraschungen, Verbindungen und unerwarteten Ereignissen und vorallem mit glücklichem Ende. Wir standen eine halbe Stunde im Stau auf der Friedrichstraße, bis der Taxifahrer eine Lücke sah und rechts abbog. Wie für Taxifahrer in solchen Situationen üblich, bretterte er sofort los, vorbei an einem Luxushotel und zwei Menschen, die uns wild zuwunken. Ich drehte mich um und sah durch die Rückscheibe Verona Feldbusch und ihren Pleitegeier Franjo, die, immer kleiner werdend, etwas angepisst waren, nicht in meinem Taxi zu sitzen. Warum überhaupt Taxi, fragt Ihr Euch? Die S-Bahn Situation ließ uns diesmal keine andere Wahl. Wo bin ich (Lukas Kampfmann) denn hier wieder gelandet? Ich bin unterwegs mit strasserauf um keinen Schnick Schnack, sondern wahre Kunst zu kaufen. strasserauf hat wenig Zeit, aber dafür ein bisschen Geld für Kunst und wird an diesem Wochenende,

wie der Weihnachtsmann, ein paar aufstrebende Künstler dieser Stadt beglücken. Meine Rolle dabei? Knecht Ruprecht. I’m here to help. Unsere erste Station ist die Wilde Gallery in Mitte, wo uns Pisa73 höchstpersönlich seine Arbeiten zeigt. Pisa73 ist seit Jahren als Writer unterwegs und gehört zu den Urgesteinen der Berliner Urban Art Szene, auch wenn er selbst mit dem Begriff Urban Art wenig anfangen kann. Statt Schablonen flächig zu besprühen, nutzt er für seine neue Ausstellung sein Gefühl für die Dose und schafft mit einem feinen Sprühnebel Bilder, deren abstrakter Realismus dem üblichen Detailwettrüsten der Stencilszene ein monumentales Ende setzt. Am nächsten Tag treffen wir uns in der Wohnung von Christian Rothenhagen wieder. strasserauf möchte so gerne eine Box. Eine Box ist in diesem Falle eine dreidimensionale Abbildung der Essenz Berlins: Straßen, Häuser, Kopfsteinpflaster, Laternenpfähle,


Tram-Stromleitungen, Ampeln – die Leinwand unseres Alltags. Christian Rothenhagen ist deerBLN (Interview auf proudmagazine.de) und verleiht seiner Liebe zu Berlin in Kunstwerken Ausdruck, die auf der halben Welt zu sehen sind. Mit filigranen Zeichnungen und einem detailverliebten Blick auf seine Umgebung schafft er, was Paul Kalkbrenner mit seiner Musik macht: Den Geist dieser Stadt zu transportieren. Nach vier Tagen, neun Taxifahrten und elf Atelierbesuchen ist mein Teil an der Bescherung vollbracht. strasserauf verfing sich noch weitere Tage in zahllosen Galeriebesuchen, Künstlertreffen und Atelierbesichtigungen. Teil 2 - das Einstandsgeschenk Was habt ihr denn so geplant für den Marktstart? Einige Firmen werfen doch immer mit so schönen Gegenständen aus dem Mediamarkt oder aus dem Autohaus um sich. (Whoah) Wir wollen keine Waschmaschinen oder einen langweiligen Mittelklassewagen verschenken, bei dem Gedanken dreht sich unser Magen um. Wir möchten gerne hochwertige Kunst weggeben, das Geld, welches wir zur Verfügung haben, möglichst so einsetzen, dass es direkt beim Menschen ankommt und nicht bei einem Konzern, der iPods verkauft oder Milliarden Euro Subventionen vom Staat bekommt. Ist Kunst nicht irgendwie langweilig und nutzlos? Wir finden Kunst im eigentlichen Sinne wunderbar. Stell dir mal vor, dass bald in irgendwelchen Nicht-KunstfanatikerWG-Zimmern Werke im Wert von ein paar Tausend an der Wand hängen. Wir selber schauen uns so gerne Kunst an, und wenn wir uns dann für eins begeistert haben, gehen wir verlegen weg, weil wir es uns privat nicht leisten können. Und genau diese Kunstwerke wollten wir - auf die man ja sparen würde, wenn nicht 1000 andere Sachen wichtiger wären. Wir kommen übrigens zu den Gewinnern und meistens mit dem jeweiligen Künstler direkt vorbei, zum Überreichen und gemeinsam ein Bierchen trinken. Die ist Medienpartner der Illustrative, wir wollen schon seit

Ewigkeiten Stofftaschen bedrucken, zum Beispiel mit dem Hairy Children Portrait von Eric Sandberg! Zeig mal am Computer! - das Bild sieht doch irgendwie scheiße aus (zu mindestens gewöhnungsbedürftig). Naja, aber Kunst muss ja auch nicht immer schön sein. Obwohl... beim zweiten Mal hinschauen hat es ja irgendwie was... lass uns doch mal vorbeifahren in der Galerie und es angucken. Ja los, ich hab gerade ein Auto, dann sind wir fix da! (vor Ort) Man das sieht ja total geil aus - diese ganzen Schichten, die er da gemalt hat und so - total ästhetisch - kommt echt nicht so rüber im Druck, aber lass uns doch trotzdem das Bild nehmen und auf die Stoffbeutel von Euch drucken. Wir kaufen auch noch eins für die ersten Besucher von strasserauf.de Einfach verschenken? Nein, ich hab da einen sauguten Rätselmacher empfohlen bekommen, ihn gegoogled und dann bei xing angehauen, der bereits für die Süddeutsche und andere Zeitungen Rätsel entwickelt hat. Jochen heißt er. Zu einfach und ohne jeglichen Einsatz sollen die Schätze nicht verschenkt werden, ein wenig Auseinandersetzen mit uns, mit den Künstlern und mit electricitaet sollte schon sein.

Das Ergebnis des letzten Monat 1.000 Stofftaschen mit einem der Hairy Chrildren Portraits von Erik Sandberg bedruckt und während der Ausstellung zusammen mit jeweils einer verteilt. Inzwischen ist die ganze Stadt voll damit. Außerdem: 500 Teleidoskope als Special Edition. Wer mit offenen Augen herumläuft dürfte den einen oder anderen ehemaligen Illustrativebesucher mit einem Teleidoskop vor dem Auge sehen. Ein ganz wunderbares Bild, wenn auch der letzte Spießer ganz offensichtlich Spaß dabei

empfindet, die Welt durch die Dinger zu betrachten. Wir waren sicherlich nicht die einzigen, die tagelang damit herumgerannt sind. Kunst ist zwar kein Gebrauchsgegenstand, aber dafür etwas für die Seele. Wenn Du es schaffst die acht Rätselfragen auf der Webseite strasserauf.de zu lösen, kannst Du ein Bild für Deine Wand und ein Bild für das Büro von strasserauf auswählen. Am 6. Dezember kommt der Nikolaus. Das Karmann-Ghia Prinzip strasserauf funktioniert nach dem Prinzip VW Karmann-Ghia, bei dem 1955 Wilhelm Karmann auf die Idee kam, dem VW Käfer eine neue Karosserie zu verpassen, die einfach nur der Hit ist. Mit dem verlässlichen Käfer im inneren und Mr. Karmanns Lebensgefühl drumherum gehörte das Modell zu seiner Zeit mit 527.000 gebauten Karren zu den größten Fanobjekten von VW. Anstelle VW bei Wilhelm, hat strasserauf ein paar Ruhrpott Stadtwerke im Rücken, die dafür sorgen, dass das Fundament steht und der Laden problemlos läuft. Das Team um strasserauf bilden junge Menschen zwischen 20 und 38 Jahren und das merkt man an jeder Ecke. Die Mission: Eine Stromfirma aufbauen, die ihrem Lebensgefühl entspricht. Da wir heutzutage allerdings fast nur oberflächliche, ideenlose und sinnleere Firmenbotschaften gewohnt sind, ist es eine wahre Herausforderung, den Anspruch von strasserauf deutlich zu vermitteln. Die Garantie für verlässlichen Strom geben die Stadtwerke, die sich auskennen wenn es um das Liefern von electricitaet geht. Aber auch beim Umgang mit der Gesellschaft sind sie Vorbild, denn traditionell fließt hier ein Teil der Gewinne zurück in die Kommunen und Städte. Das strasserauf Team kann dabei seine Ideale ausleben und schauen, wie sie diese in Einklang mit Wirtschaftlichkeit und Bodenständigkeit bringen. Wichtigste Grundvorraussetzung für strasserauf. 100% erneuerbare Energien, 100% zuverlässiges Back-End, 100% Real. Offensichtlich bewegt sich viel in den ersten Wochen von strasserauf und noch viel mehr erwartet uns in den kommenden Monaten. Stay tuned. strasserauf.de Text Emin Mahrt & Sophie Senoner Layout Vinzent Britz report

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Voitek

Gregory

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into the woods Nach einem feschen Fotoshoot mit Haniball im Wald, treffe ich Grzegorz und Wojciech alias Gregory und Voitek alias Catz n Dogz vor dem Plattenladen Rotation am Rosenthaler Platz. Kurz darauf setzen wir uns in ein libanesisches Restaurant, machen uns drei Bier auf und beginnen den Chat. Auch am Tag darauf rieche ich noch das Gespräch an meinen Klamotten. Cheers guys, thanks for showing up. Thanks for the interview. I haven‘t asked any questions yet. Are you prepared? Yes, just wait a second. Let me get out my list. Just kidding. You are originally from Poland. How long have you been living in Berlin? For a bit more than a year. But we knew each other before. From school? No from the internet. We met in Stettin and Stettin is not such a big city. When we met I was about 17 and smoking a lot of joints and running through the cities with posters and making parties. That was a really fun period of my life. He was making parties, I was making parties and then we met through our friends. It was all really natural at the time. But slowly we are starting to feel a bit more pressure. The level of expectations is really high. What is the music scene in Poland like? Earlier there was a big scene for rave and techno parties with some commercial DJs also from Germany. Then it moved to the clubs and started the club culture. Right now it‘s starting to become more professional. We are starting our residency next week at a club called SQ III in Poznan. It‘s a really cool club. They‘ve already had some big names there like Troy Pierce, or John Digweed on a more commercial level, also Steve Bug. That‘s how we made our first connections with some people from Berlin. We invited them to our parties. We also went to Berlin a lot for buying vinyls, mostly at Hard Wax. Since Poland joined the European Union it has become easier for us to travel and also to get other influences from other countries. How popular were you in Poland before successfully releasing on international

labels such as Dirtybird of Get Physical? We weren‘t really popular. Polish people usually like stuff more that is popular outside of Poland. Usually stuff that is not so popular in Poland needs to become popular first outside of Poland before it will become popular back in Poland. For example Robert Kubicza, our best Formula 1 driver. He had to leave Poland because nobody was supporting him and then he became famous abroad. Or like Klose and Podolski, your best football players. But right now we are having the best parties in Poland. The people are amazing and we have great support. Has the worldwide crisis affected the club scene? The club scene all across Europe is struggling. Many things happened. But a lot of people have moved to Berlin. So you can play almost every day in Berlin. But not all over Europe like before. Parties in Poland right now are cool because people are absorbing the music differently than they do in some places here. Your music is strictly dancefloor isn‘t it? Not really. We are currently preparing an album and I think we will surprise a lot of people with it. Is there a change in direction? No, there is, wait. Why am speaking all the time. Grzegory, you explain. We decided to make some music that we like listening to. We‘ve been listening to a lot of Dubstep and Jazz and House. We are trying to bring it to another level. We want to have diverse styles. When will it be released? Maybe in May 2010. Right now we are finishing a remix request for Lunar City Express on Moon Harbour. We also have our own record label since three years. Channels Records.

So who is the cat and who is the dog here? I think that I am the dog. Because I generally trust people in the beginning and then I get burned. Grzegorz is always more distant in the beginning. And then he gets burned? No, cats don‘t burn. They always know what to do. They are more secure. And do you have pets? Voitek bought a dog, I bought a cat. And then we were thinking about the name and we thought of Catz n Dogz. And we think the name is really funny. And we are funny people. We like to make jokes. We don‘t have one big artistic view of things. We are having fun. We can come up with other funny names like Petcast or Pets Gone Wild. We are entertainers. What about fashion? Are you into fashion at all? Yeah we like fashion. We like to go shopping a lot. We buy almost all our clothes abroad. Not in Germany, not in Stettin. But when we go to San Francisco all the money we earn from playing we go and spend for clothes. And the clothes you are wearing in the shoot? Are they your clothes? No, those are from Haniball. He dressed us. But some of the clothes and ideas were also ours. He prepared some nice stuff. We were outside. The idea was to do the shoot in a more wild environment. We were actually barefoot in some of the pictures. And smoking cigarettes. Yeah. Are you learning German? I‘m going to school, yes. Gut. Thank you for the interview. Let‘s go pay our beers. Where‘s the guy? Or we could just run. Polish style!

What‘s your favorite album at the moment? Definitely the album from 2562. It‘s so amazing. It‘s like a collection of Dustep and some Detroit House and even like Prodigy and old Photek stuff. It‘s like the feeling I used to get when listening to electronic music for the first time. That‘s also what we are trying to do, to produce those trembles.

Interview Lev Nordstrom

Catz N‘ Dogz Grzegorz Demiañczuk & Wojciech Tarañczuk Techno DJs / Produzenten Polen Layout Vinzent Britz

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Voitek Sacco Drykorn Polo Nike

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Gregory

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Concept, Styling, Production Haniball Saliba Photo Robert Klebenow Hair and Make up Stephan Maikowski Vielen Dank an das Dj Team Catz n Dogz

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maximi maximise Weil erstens Ansichten sich ändern, und zweitens ich das darf (“Wenn der Vorhang fällt“, Quadratur des Kreises). Was unterscheidet dich 1996 und 2009? Was unterscheidet mich 1996 und 2009? Was soll ich sagen? Alles mögliche, 13 Jahre. Ich bin natürlich einmal älter, Vater und in einer anderen Lebenssituation. Ich finde, dass das nicht zu vergleichen ist. Es ist das gleiche Leben und der gleiche Mensch aber ich bin an einem anderen Punkt. Setzt du dich auch musikalisch mit anderen Themen auseinander? Ich glaube, dass man sich in verschiedenen Lebensphasen mit unterschiedlichen Dingen auseinander setzt. Na klar beschäftigen mich andere Dinge, was aber nicht heißt, dass die Themen die mich damals beschäftigt haben mich nicht mehr beschäftigen. Es ist diverser geworden und andere Sachen sind in den Vordergrund gerückt. 1996 war ich Anfang zwanzig, hatte gerade meinen Zivildienst fertig, war mit der Band unterwegs, war im Studio und hab angefangen die erste Platte, Quadratur des Kreises zu machen. Wir waren eine Clique, total unbeschwert. Das war der Anfang des Berufsmusikertums, eine ganz andere Zeit. 28

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Was ist dir persönlich das Wichtigste an deinem neuen Album ? Ich hab das gemacht, was ich zu dem Zeitpunkt machen konnte und wollte. Dadurch ist es ganz nah an mir dran. Ich denke, ich habe alle Filter runter gerissen. Ich hab was gemacht, womit ich zufrieden und glücklich bin. Das Album transportiert Emotionen die ich hab und hatte, die ich ausdrücken konnte und wollte. Hattest du zu Beginn der Albumproduktion konkrete Vorstellungen in welche Richtung du musikalisch gehen willst? Ja, die Vorstellung war allerdings erstmal breiter gefächert. Ich hab ähnliche Musik gemacht wie die, die jetzt drauf ist und die dann wieder auseinander geschnitten, Beats mit Samon Kawamura dazu gemacht und auch mal eine Rapstrophe geschrieben. Erst hing das Album irgendwo zwischen Folk, Soul, und Rap und dann hat sich das eine musikalische Gefühl durchgesetzt. Ich hab gemerkt, dass die Gesangssachen für mich besser funktionieren und mehr die Geschichten transportieren, die ich erzählen will. Ich wollte was machen, was homogen, was Eins ist. Etwas, das als Album funktioniert und nicht wieder so eine Kraut und Rüben Platte.

Warum hast du dich für Mario Lombardo als Grafiker entschieden? Eine gemeinsame Freundin hat ihn empfohlen. Wir haben uns getroffen und haben uns gleich super verstanden. Ich hab mir seine Arbeiten angeguckt und gemerkt, dass es viele Parallelen gibt und er einfach versteht was ich mag und was ich will. Vor Allem mag ich sehr was er macht. Er ist ein sehr formaler, sehr gerader, schlichter, total stilsicherer Grafiker. Ich halte ihn für einen ganz Großen. Ist das Album ein Schritt, sich mehr auf deine eigenen Emotionen zu konzentrieren, statt auf die Außenwelt? Das war auf jeden Fall der Prozess. Es war, was es war: Ich saß zu hause und hab probiert Songs zu machen. Ich hab in mich reingehört, geguckt was an Emotionen da ist, wie ich das transportieren und daraus Lyrik machen kann. Brauchtest du den musikalischen Wandel, um persönlicher zu schreiben? Die Art von Gesang, Folk, Soul eignen sich gut, um diese Gefühle zu transportieren. Erstmal bin ich Musiker und dann Texter. Ich hab erstmal Musik gemacht, die mich angesprochen hat und die die Emotionen hatte, die ich


gespürt hab. Dann hab ich angefangen darauf zu schreiben. Emotion, Musik und Text sind für mich eine Einheit. Das entsteht aber in einer bestimmten Reihenfolge: Die Musik entsteht aus einer Emotion, die dann wiederum eine Emotion vorgibt, die dann von Texten bebildert oder konkretisiert wird. War es schwer für dich, überhaupt so persönlich zu werden? Ja, erstmal schon. Aber dann hab ich aber gemerkt, dass es die Musik ist, die ich selbst von anderen Musikern hören will. Die Musik, wo mir jemand was erzählt und jemand auch emotional ist, gefällt mir am Besten. Außerdem war es das vorherrschende Gefühl in meinem Leben. Ich kann nichts anderes machen, als das was ich bin und was ich fühle. Alles andere wäre für mich zu übergestülpt und aufgesetzt gewesen. Es ist natürlich auch eine Entscheidung sich davon frei zu machen, was Außen ist und sich darauf zu fokussieren, was mit einem selbst ist. Das war ein guter Schritt. Es wird oft die Frage gestellt, warum ich jetzt in einem anderen Genre bin: Dadurch das Rap sehr viel damit zu tun hat sich abzugrenzen und während man schreibt schon das Außen, die Reaktoren und die Kritik im Blick zu haben. Das jetzt war für mich mit dem neuen Song überhaupt nicht so. Muss man den Inhalt schon verarbeitet haben, um ihn veröffentlichen zu können? Unterschiedlich. Das ist nicht für jeden Song so. Manche Sachen fühlt man ganz unmittelbar und dann fällt einem ein Bild dazu ein. Während andere Sachen schon oft eine Weile her sind

und man sich das Gefühl zurückholt. Dann braucht man den Abstand, um überhaupt nochmal reingehen zu können. Oft ist es ja so, dass wenn ein Gefühl ganz akut ist, dass man nicht wahnsinnig kreativ sein kann, weil es einen eher erschlägt. Man kann die Situation dann nicht greifen, weil es einfach zu viel ist. Eben schwammig. Auf dem Album sind es ein, zwei Songs, wo die Emotion wirklich simultan zum Song lief, zumindest in den Ansätzen. Viele Sachen sind aber über einen Zeitraum entstanden, mit dem Gefühl, dass man auch mal einen Schritt raustreten und sich das von außen angucken kann. Ist „Ein geschenkter Tag“ deine ideale Illusion? Erstmal ist es die Vorstellung von absoluter Gerechtigkeit: Was du gibst ist, was du kriegst. Das Kantsche Prinzip, also das humanistischste aller Prinzipien. „Ein geschenkter Tag“ ist ein Tag an dem jeder sich sein Leben selbst gestaltet und die Vorstellung, dass für jeden das Richtige passiert. Es ist auch eine Sehnsucht und eine Utopie, die alle feiern. Ist es für dich schwierig immer wieder mit Freundeskreis in Verbindung gebracht zu werden? Ich hab gar kein Problem, damit in Verbindung gebracht zu werden. Das ist ein Teil meiner Geschichte. Ich find‘s aber schwierig, wenn man halt der Rapper ist. Es gibt so viele Leute, die sich nicht damit befassen und dann steht das Ding erstmal da. Diese Leute haben auch keine Lust ihr Bild zu revidieren oder zu erweitern. Wenn ich jemanden treffe und der fängt

an mit: „Ey jo! Jo jo...“, dann ist das anstrengend. HipHop ist dann so und so und die Typen, die das machen, die kiffen alle und sagen den ganzen Tag „Jo“. Das hat mit mir und meinem Leben nicht viel zu tun. Ich würde gerne ein bisschen differenzierter wahrgenommen werden. Es kommt ja oft, dass du dich verändert hast und: „Max ist nicht mehr real.“? Ich glaube, es gibt es nichts, was ich gemacht habe, das so real ist wie diese Platte. Was nicht heißt, das die Dinge damals nicht echt waren. Aber, das war auch deine Einstiegsfrage, ich denke, dass jeder Mensch sich verändert und wächst. Ich glaube, dass die Entwicklung, die ich gemacht habe sehr stringent und kohärent ist. Diese Platte beinhaltet alles,was ich bin und war. Den Weg auf dem ich mich befinde ohne, dass es ein Abkehren, Umkehren oder Negieren ist von dem was davor war. Ich glaube,dass die Leute die mich gut kennen und die Leute die meinen mich verfolgt zu haben, das auch sehen können. Worauf bist du stolz? Auf meine Kinder. www.maxherre.com Text & Layout Denise Ankel Max (Maximilian) Herre (* 1973 in Stuttgart) Rapper, Popsänger, Musiker, Produzent In Berlin am 22.11.09 im Babylon chat

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dizzee bee Dizzee Rascal ist 25 Jahre alt. Dizzee hat mehr Geld als ich und wahrscheinlich auch mehr Frauen. Und Dizzee Rascal hat eben ein neues Album veröffentlicht, Tongue ‘n Cheek. Ich habe bisher noch gar nichts veröffentlicht außer „strictly confidential stuff“. Ins Universal Gebäude soll ich, dem Hauptquartier. Beeilen soll ich mich, Dizzee ist müde. Ich auch, ich bin auch müde. Egal, ich beeil mich. Es geht los. Mein Mund ist so trocken. Tongue ‘n Cheek sind eins. Can I get a glass of water? Are you American. Yeah, I‘m American. Ah you‘re actually American. Because the other dude wasn‘t American, he was German, right? What, the journalist who just left? Yeah, you know him? No. Because in Europe you get a lot of people that sound American. That pisses me off. Me too. On my way here I was trying to calculate, according to the number of albums you‘ve released, how many interviews you must have already given throughout your career. More interviews than songs, that‘s for sure. A lot of time wasted. It‘s all good. Is it? Yeah, wicked. That‘s a necessary part of it all man. And you are in your early twenties? I just turned 25. Do you still see yourself as a rascal? Can you still identify yourself with that name? The name is too big now to even think about a name change. Something like, The Artist Formerly Known As Dizzee Rascal, no. I think Tongue ‚n‘ Cheek is more rascal than Boy In The Corner. What was the idea behind Tongue ‚n‘ Cheek? I wanted to make an album like Snoop Dogg‘s Doggy Style. I mean not the same style, but an album that gets the party going. Uptempo, upbeat music that would counter the economic times as well. I didn‘t want to make music

that would be like the soundtrack to the doom of gloom or something. But I still wanted to reflect it. So there are tracks on the album that talk about these issues over tracks you can bounce to. Has life gotten easier for you with success? I wouldn‘t say life has gotten easier. It‘s probably become harder because I have to work harder and do more. I‘ve been around the world and maybe I‘ve gotten a little bit more tolerant. And I‘ve gotten into different music. When I was a kid I didn‘t like House music or Electro or any of that stuff too much. But now I‘ve been around an environment like Ibiza, where I‘ve seen it, where I‘ve seen that it‘s good, where I‘ve seen the reaction it has and I got to absorb it and enjoy it. I actually don‘t really do that much partying. But during the making of the album I made sure that I actually went out and tried to have a bit of fun. It‘s supposed to be a fun album. Around the time of your first album, people considered you strictly Grime. And ever since I feel you‘ve been experimenting and seeking to overcome certain stylistic boundaries. But the crazy thing is that, what people called Grime was just me experimenting and trying not to be put in a category. And then they put me in the category. People say Fix Up, Look Sharp, that‘s Grime. No it‘s not. Run DMC did the same thing and that wasn‘t called Grime. How hard is it for you to discipline yourself? I don‘t have too many problems in disciplining myself. Every now and then I think I‘m going off the rails. But I‘m quick to put myself in check. Quick, very quick. Because I try not to take what I‘m doing for granted. This album was about relaxing as well, just enjoying it more. Putting a lot of good things in my life. I thought it would be better than just talking about the negative aspects of my life. Which you‘ve already done. Exactly. Are you an only child or do you have siblings? I‘m an only child. Do you have conversations with yourself? Is that how you notice that Graphic Bianca Heinrichs

you have things that you need to say? You become really self-aware. You spend a lot of time on your own. How do you feel about going from being considered more of an underground artist to somebody who has just released another album that seems like it will work so well commercially? I feel because that‘s what I intended to do and it‘s worked. It‘s not easy. I make it look easy, but it‘s not. You obviously do a lot of travelling. Do you really get to appreciate the places you visited? Sometimes it‘s just like a blur. Everything starts looking the same. Was there one place you‘ve visited that impressed you the most? There‘s loads of places, but I think going to America for the first time, that blew my mind. I‘d never seen any place like that. The first city I went to was L.A. Yeah that place will leave an impression on you. I think what blew me away was the variety. How about the differences in accent, Brittish vs. American? People didn‘t know what the f*** I was saying. Just ordering food and stuff like that. They thought I was Australian or Jamaican. English was the last thing they thought I was. I assume you are going to keep producing? Yeah, whatever it takes to get the perfect song. I don‘t have to make the perfect album. I‘m just having fun with it. I‘m getting different audiences and learning. I learn about people through the music as well. It‘s my life, I love it! Interview Lev Nordstrom Dizzee spielt am 14.11.2009 im Astra. Wir verlosen 3x2 Tickets + CD. Grab it! Dizzee Rascal * 1. November 1985 in East London bürgerlich Dylan Mills britischer GrimeMusiker La Robotique: rbtq.de

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cobra killer Seit fast 12 Jahren stehen Gina V. D´Orio und Annika Line Trost alias Cobra Killer gemeinsam auf der Bühne. Ihre Musik lässt sich nur schwer in ein Genre einordnen aber eins ist sie mit Sicherheit: Gegen jede Konvention. Ihr neues Album „Uppers Und Downers“ steht seit kurzem in den Regalen. Wir haben sie in Berlin Kreuzberg getroffen um mit ihnen, über ihre Musik, schwedische Gardinen und Highheels zu sprechen. Vier Jahre ist es her seit eurem letzten Longplayer. Warum hat das so gottverdammt lange gedauert? Annika: Wir können uns nicht so wie andere, zwingen Musik zu machen, auch wenn wir mal kein Bock haben . Wir sind wahrscheinlich einfach nicht so diszipliniert. Gina: In dem Moment, in dem wir uns zwingen müssen, irgendwelche Zeiträume einzuhalten, dauert alles noch viel länger. Anika: Wir machen nicht nur Punkrock Musik, sondern machen das auch unter Punkrock Umständen. Live spielt ihr ausschließlich mit Samplern, sozusagen als Bandersatz. Wie habt ihr euch dazu entschieden auf Musiker zu verzichten? Annika: Wir haben beide lange Zeit in „traditionellen“ Bands gespielt und es war immer einer dabei, der schlechte Vibes rüber gebracht hat. Gina: Für uns sind zwei Leute das Maximum. Und wir können ja nicht zu zweit alle Instrumente spielen. Annika: Wie viel Zeit ich verkatert in irgend welchen Übungsräumen auf Gitarristen gewartet habe. Und wenn die dann zwei Stunden später endlich auftauchten, mussten erstmal die Saiten aufgezogen werden. Hey jetzt mal nichts gegen Gitarristen hier! Gina: Spielst du Gitarre? Gelegentlich! Annika: Sorry nicht das du uns falsch verstehst. Wir lieben ja Gitarristen. Die Gastmusiker auf unserer Platte sind ja auch größtenteils welche. Wo ihr es gerade erwähnt. Auf „Uppers And Downers“ wurdet ihr ja echt von namhaften Künstlern unterstützt. Wer war alles dabei? Annika: J. Mascis von Dinosor Jr.,

Thurston Moore von Sonic Youth, die Prinzen und Jon Spencer von der Blues Explosion. Gina: Außerdem war Thomas Wedler noch dabei. Das ist der Drummer von Nick Cave. Gibt es einen Künstler mit dem ihr unbedingt mal zusammen arbeiten wollt? Gina: Buster Rhymes! Oder Eminem. Annika: Also Gina und Eminem an einem Tisch, dass könnte ich mir nicht so richtig vorstellen. Gina: Doch ich glaube, das würde sich gut verstehen. Annika: Oder ein Duett von Ozzy Osbourne und Missi Eliot. Das wärs doch. Was macht ihr wenn ihr mal nicht auf der Bühne oder im Studio steht? Annika: Wir haben zusammen mit Tati Duval und der französischen Designerin Kevin, Ohrringe designed – also Kevin hat das Design gemacht, Tati Duval stellt sie her und wir sind sozusagen die Paten der Teile. Und zwar sind das Ohrringe in Form von Highheels. Ein roter und ein schwarzer. Gina: Das Gute ist, dass wenn mal ein Absatz abbricht, ist das nicht so schlimm. Außerdem wollen wir demnächst ein Buch veröffentlichen. Worum geht’s ? Gina: Das wird ein Rock and Roll Roman in dem wir den Staat Schweden verklagen. Die haben uns aus irgendwelchen Sabotage Gründen ins Gefängnis gesteckt und schon allein um das aufzuarbeiten haben wir uns gedacht, schreiben wir ein Buch. Annika: Bis heute ist uns übrigens nicht ganz klar was eigentlich der Grund für die Verhaftung war. Das war genau wie bei der Sendung „24“. Umringt von unzähligen Einsatzkräften. Schweden gilt sonst immer als super liberal aber das ist totaler Unsinn. Annika du hast einen Sohn. Sind Familienleben, Rock and Roll und Musikerleben vereinbar? Annika: Wenn Kinder gezeugt werden, egal in welchem Berufszweig, passiert das ja durch eine Art Rock and Roll Aktion im Bett. Gina: Oder in der Küche. Annika: Für mich ist ein Kind eine ganz normale Reaktion auf so ein Leben. Und grade wenn er uns begleitet gibt es so viele Situationen, beim Soundcheck

oder in Wartehallen, wo man viel Zeit für einander hat. Dieses klassische Familienleben wo der Vater Angestellter der Scheringgruppe ist und die Mutter darauf achtet, dass die Kissen zu Hause grade liegen funktioniert natürlich so nicht. Aber wenn man das nicht unbedingt anstrebt, dann kann man das ganz gut hinkriegen. Was hat es mit dem Webcast auf sich den ihr gemacht habt? Gina: In dem Fliegenden Neubauten Studio, wo auch das neue Album aufgenommen wurde, haben wir über das Internet eine dreistündige LiveÜbertragung ausgestrahlt. Dadurch konnten wir mit allen Fans weltweit direkt in Kontakt treten. Annika: Wir wollten ein bisschen sein wie „Wetten Dass“. Halt wie eine Sendung. Eigentlich hatten wir auch keinen richtigen Plan, was wir da machen. Wir wussten gar nicht, dass wir so ein Abend gestaltendes Programm moderieren können. Also wenn jemand seinen 50. Geburtstag feiert und jemand braucht, der das leitet... Gina: Wir können durch die Tombola führen. Annika: Und so einen Webcast werden wir auf jeden Fall demnächst noch mal machen. Halt mit anderen Künstlern die wir dann wieder ins Studio einladen. Nun noch ein letzter Tip an die Leser: Wie lässt sich eure Musik, wenn nicht live, am besten geniessen? Annika: Ich persönlich höre am liebsten Musik beim Duschen. Das ist super. Also, ich empfehle dabei zu duschen. Vielen Dank, ihr seit befreit. cobra-killer.org Interview Antonio Rilling Layout Vinzent Britz

Cobra Killer (Gina V. D‘Orio und Annika Line Trost) Berliner Elektro Punk/Garage-Duo Gegründet: 1998 chat

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james duncan friday night sessions le systeme records

horacio horacio is back again ep cynosure

resoe magnolie ep baum

Nach den vergangenen Jahren auf dem zweiten Floor ist House inzwischen wieder auf den Mainfloors zu hören. Behauptet man zumindestens. Doch ist das tatsächlich House und wie viel Soul steckt wirklich in den Produktionen? Wie bei den meisten Trends üblich, bietet eine Umschwungphase die Gelegenheit für Trittbrettfahrer den langersehnten billigen Hit zu landen. Kaum hat sich der erste frische Wind gelegt, machen sich die ersten fauligen Gerüche von Stagnation und Nachahmertum bemerkbar. Die Meister und Pioniere haben sich längst aus dem Staub gemacht und überlassen das Feld den Aasfressern. „House is a feeling“, sagt man. Aber was erzeugt dieses Gefühl namens „House“ in uns? Wie fühlt es sich an? Mit den Antworten ließen sich ganze Bücher füllen. Am Ende wäre man genauso schlau wie vorher. James Duncan gibt mit seiner „Friday Night Sessions“ EP auf Le Systeme Records eine wesentlich gehaltvollere Antwort. Die drei Tracks sind einfach durchnummeriert, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Track A1, offensichtlich der Aufhänger der Platte, erhebt sich mit stolzem Haupt unterhalb der 120 BPM Marke. Das Vintage-Flirren eines alten StreicherSamples, überlagerte Claps und ein entferntes, metallenes Rasseln halten das Stück zusammen. Vielleicht keine direkte Antwort, aber auf jeden Fall ein Hinweis, was House nicht braucht: überflüssige Elemente oder Effekte. Es braucht nicht einmal Geschwindigkeit. Mit Track B1 lässt sich eine weitere Tatsache abstecken. House lebt von Disco und kann noch viel langsamer. Die Erleuchtung bringt B2: House ist dreckig! Unpunktierte, über sich selber stolpernde Rhythmen und Melodien, die uns im ständigen Wechsel fallen lassen und wieder auffangen. House ist stürzen und trotzdem weitertanzen müssen.

Das kanadische Label Cynosure ist das, was man in DJ-Kreisen eine Bank nennt. Oder, um es mit den Worten eines Jahrmarktschreiers zu sagen: „Jedes Los, ein Treffer“. Von düsterem Sweatbox-Techno bis zu optimistischem House à la Brett Johnson – Betreiber Mike Shannon veröffentlicht das, was ihm gefällt und das gefällt den DJs. Mit Schrot wird aber trotzdem nicht geschossen. Die Auswahl der Releases erfolgt sorgfältig. Nur alle paar Monate ist mit einer Veröffentlichung zu rechnen. Für die nächste Platte wurde das italienische Duo Horacio unter Vertrag genommen. Das Portfolio ihrer Soloprojekte Massi DL und Padice umfasst bereits Labels wie Frankie, Meerestief, Soma und Trapez. Nach ihrem erfolgreichen Debut auf Raum... Musik vor einigen Monaten, legen sie mit „Horacio is back again“ nun ordentlich nach. Das Vinyl umfasst zwei Tracks, die sich zwischen House und Techno bewegen. Die A-Seite „Durango“ setzt genau dort an, wo die Genregrenzen verschwimmen. Ein paradoxes Zusammenspiel von Nervösität und Gelassenheit gibt diesem Multifunktionswerkzeug den nötigen Grip, um in jeder Situation die passende Lösung anzubieten. Mein Track des Monats! Die Titelnummer „Horacio is back“ ist dagegen wieder eindeutig der Houseecke zuzuordnen. Eine schöne Produktion, aber in der neu aufkeimenden Masse der Houseproduktionen etwas zu berechenbar. Dass der letzte Track nicht auf Vinyl gepresst worden ist, ist wirklich schade. Snare-Stakatos, KDJ Snippets und dubby Delays - auf „El canto de la Mujer Barbuda“ ist so roh wie es sein muss. Egal ob digital oder analog, auf dieser Bank ist unser Geld noch sicher.

Das Schöne an Dubtechno ist, dass der Begriff „Zeit“ in seiner Welt nicht existiert. Er altert auch nicht. Weniger im Sinne ewiger Jugend, sondern eher wie etwas, das in der Hochzeit seiner Reife konserviert wurde, um auf Ewigkeit in Edelmütigkeit zu strahlen. Tausende Gedanken werden frei beim Genuss der Musik. Die Muskeln entspannen sich und lassen die Energie weiter fließen. Manche sagen dazu Altherren-Techno oder gar langweilig. Was Mark Ernestus und Moritz von Oswald 1996 ins Rollen brachten, veränderte das Bewusstsein einer ganzen Produzentengeneration. Mehr als eine Dekade später, ist die Faszination für Dubtechno ungebrochen. Die Technowelt erlebt derzeit eine Renaissance dieser Stilrichtung. Baum Records, das Dubtechno und Minimal Label des Kopenhagener Produzenten Resoe, gibt es seit zwei Jahren. Bislang erschienenen die EPs „Buchenholz“, „Eichenholz“, „Sommerlinde“, „Weide“ und „Eibenstock“. Der Mischwald bietet Schutz vor Schädlingen und einen gesunden Nährboden für neue Vegetationen. Auf der sechsten Platte des naturverbundenen Labels hat Resoe selbst den Spaten in die Hand genommen und mit der „Magnolie“ EP ein Exotikum gepflanzt. „Cosmic Blast“ auf der Vorderseite gibt mit seiner subtilen, zittrigen Bassline erst beim zweiten Hinhören sein Geheimnis preis. Auf der Rückseite erklingt das Ganze nochmal im Remix des BerghainResidents Norman Nodge. Dieser startet vermeintlich ruhiger, beweist dann aber mit langsam anschwillenden Hihats, dass das Genre auch clubtauglich sein kann. Der zweite Track „Dusty Grounds“ erinnert an Lucianos Meisterwerk „Octagonal“. Besser als jeder Botanische Garten.

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sven weisemann xine wandering

silicone soul language of the soul soma quality recordings

6th borough project miss world delusions of grandeur

Nach dem Interview in der letzten Oktober Ausgabe ist nun auch endlich Sven Weisemanns Album „Xine“ bei uns eingetrudelt. Die schwarz-weißen Regentropfen auf dem Cover spiegeln meine Stimmung perfekt wieder. Der Regen hat aufgehört. Einzelne Tropfen auf dem Fensterbrett glitzern feucht von der Fassadenbeleuchtung gegenüber. In weiser Erkenntnis, dass das herbstliche Trauern um den vergangenen Sommer keinen Sinn hat, schließe ich das Fenster, drehe das Thermostat auf die oberste Stufe und vergrabe mich unter einem Berg aus Bettdecken. Die ersten Weisemann Klavier-Akkorde ziehen mich sofort in eine andere Welt. Eine Hochebene von saftigem Grün erstreckt sich bis zum Horizont. Langsam zeichne ich mit dem Finger die sanften Konturen einzelner Hügel am Horizont nach. Während über mir die Zugvögel ihre letzten Flugformationen für die Reise planen, schaue ich über den Rand der Klippe rechts von mir. Trotz des hohen Wellengangs wirkt das Meer friedlich und ausgeglichen. Die Gischt benetzt meine Lippen mit einem salzigen Film. Im pfeifenden Wind wäre es eigentlich angebracht sich in eine Nische zu kauern, um seine Körperwärme nicht zu verlieren. Doch es ist gar nicht nicht kalt. Von einem fernen Donnerkrachen überrascht, öffne ich die Augen. Die Bilder verblassen und hinterlassen eine wehleidige Zufriedenheit. „Xine“ ist ein melancholisches Album. Von und für Menschen mit Herz. Menschen, die auch die weinende Seite in sich akzeptieren und dabei noch herzlich lachen können. Weisemann hält uns vor Augen, dass Traurigkeit und Fröhlichkeit keine Feinde sind. Sie sind unzertrennliche Brüder, die uns helfen das Leben besser zu meistern. Uralte Türen werden aufgestoßen und verschaffen uns Zutritt zu den Phantasiewelten unserer vergessenen Kindheit. Gänsehaut.

Fans verschwurbelter Afterhourklänge aufgemerkt! Ist die Party mal wieder etwas ausgeartet? Die Sonne schon längst wieder aufgegangen und trotzdem wollt ihr nicht ins Bett? Es ist einfach noch zu schön mit neuen oder alten liebgewonnenen Bekanntschaften zusammen zu sitzen, um über den Sinn und Zweck von effektiven Mikroorganismen zu diskutieren und mehr über den Einfluss der Mondzyklen auf das Wachstum der Graubundwurzel zu erfahren. Keiner hat mehr die Kraft zu tanzen, aber so ganz kann man sich dann doch nicht von der Bassdrum loslösen. Die neue Silicone Soul auf Soma Quality Recordings ist dafür genau das Richtige. „Language Of The Soul“ geht mit Nichten auf die Zwölf. Zum entspannten mit dem Fuß wippen lässt man sich letztendlich doch überreden, während der letzte Schluck Schnaps brüderlich geteilt wird. Angemessen zur wattigen Wahrnehmungsverschiebung jenseits des toten Punktes haucht uns das Original mit gefilterter Frauenstimme das Lied vom Morgengrauen ins Ohr. Der Remix von Sei A ist genau das, was im Volksmund als verspult oder eben verschwurbelt bezeichnet werden kann. Eine Polyrhythmie aus Glucksern, Trommeln und Klatschen, die so gegeneinander verschoben sind, dass leichte Taumeleien entstehen. Der Grundschlag bewahrt unser letztes bisschen Gleichgewicht. Nivek Tsoy‘s Interpretation ist keineswegs aufmischender, rhythmisch, aber deutlich angespitzter mit einer schmackhaften Bassline. Den Vogel schießt aber Beat Pharmacy aka Brendon Möller ab. Sonst hält er sich eigentlich eher zurück. Diesmal drückt er richtig auf die Tube. Ein Haufen Acidgezwitscher und ein Quäntchen 8-Bit Melancholie untermauern einen Technotrack der Güteklasse A. Die tägliche Portion Soma ist gesichert.

Dieses Label hat schon etwas mysteriöses an sich. Auch unser täglicher Freund und Helfer, die Suchmaschine, gibt Informationen zu „Delusions Of Grandeur“ nur sehr bruchstückhaft Preis. Den angezeigten Informationen zufolge handelt es sich um das neue Label des englischen Deephouse-Produzenten und Freerange-Gründers Jamie Odell alias Jimpster. Die MyspaceSeite hat genau 5 Freunde, die angegebene Internetadresse ist nur eine Weiterleitung. Mein Mitbewohner machte mich auf Delusions Of Grandeur aufmerksam. Die Platten scheinen ein Glück nicht limitiert zu sein, denn es ließen sich noch alle 4 bisherigen Veröffentlichungen problemlos besorgen. Das ArtistRooster besteht soweit aus Craig Smith & The Revenge, John Daly, Alpha Child, Franc Spangler, Zepp001 und Tucillo. Obwohl keine Platte der anderen ähnelt, beleuchtet jede auf eigene Weise den musikalischen Umbruch der Mid-Siebziger bis Mid-Achtziger – besonders deren Tragweite in Bezug auf die spätere Entwicklung von House Musik. Von Funk bis Cosmic Disco, jede der Nummern, hat diesen besonderen leicht angestaubten Charme. Für die fünfte EP des jungen Labels treten nun erneut Craig Smith & The Revenge als 6th Borough Project an mit der Absicht den Siegeszug der „pitched down house revolution“ fortzuführen. Um den Masterplan energisch durchzusetzen wurden Soultourist für den Remix engagiert. Das Schweizer Produzentenkollektiv ist mit seinen neueren Produktionen auf Drumpoet Community und Ornaments derzeit aus keiner gut sortierten Plattenkiste wegzudenken. Ihr Remix zu „Miss World“ hat das Potential der erste Konsenzhit auf Delusions Of Grandeur zu werden.

Layout Josephine Müller

Text Uwe Krass

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mathias kaden studio 10 vakant

Studio 54, ja das waren noch Zeiten, die ich persönlich nur vom gleichnamigen Film her kenne. Aber Disco ist heute im weitesten Sinne Disco House und sämtliche Studios eher wohlgemeinte Ateliers. Hinter Studio 10 verbirgt sich jedoch ein verführerisches und verruchtes Uhrwerk im strikten elektronischen Sinne, Studio hin oder her. Diese mystische Energiequelle platziert man am besten in die freie Natur in der sie ihre volle Wirkung und tribale Klangeskraft entfalten kann. Und dann kann es eigentlich losgehen. Kinder, auf zum Barbecue! Steppedistepstep durch die Steppe. Und das ist es doch, was uns beim tanzen soviel Freude bereitet, die Freiheit die eigenen Schritte zu setzen. Einer vor dem anderen, don’t stop! Morgen sind wir in Japan. Kawaba featuring Tomomi Ukumori, ein unfassbar hypnotisches Hörbild und die Reise ist noch nicht zuende. Mit zielstrebigem Tanzschritt geht es zurück zu den Wurzeln, zurück zum kleinsten gemeinsamen Nenner von Tanzfläche und Atelier, ab ins Studio. 10 Finger hoch. It’s time to move!

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Text Lev Nordstrom

v.a. compiled by me raabenstein XVI reflections on classical music point music / decca / universal

Manche werfen der klassischen Musik vor, sie sei zu phantastisch und pompös. Manche werfen der elektronischen Musik vor, sie sei zu pompös und phantastisch. Manche haben manchmal eben eine Meinung. Andere auch. Manchmal ist es Jacke wie Hose, dasselbe in grün. Manchmal auch anders. Auf XVI Reflections On Classical Music demonstriert nonine recordings Labelbesitzer me raabenstein, alias slowcream, eine phenomenale Fertigkeit bei der Plattenauswahl. Sechzehn Künstler der elektronischen Neuzeit - teils klassischen teils elektronischen Ursprungs - treffen sich zu einer musikalischen Reflektion und symphonischen Sythese. Bilder einer Ausstellung revisited. Spürbar seriöse Spielereien in Spitze. Delikate Melodien experimentierfreudig aneinandergefrickelt und in mystischen Sound(t)räumen zerlegt. Dazu gehören die farbenprächtigen Elfenbeintastenwelten eines Philipp Glass ebenso wie der melancholische Einfallsreichtum eines Francesco Tristano, Piano-Interpretationen einer grenzenlosen Aussagekraft. Auch Ryuichi Sakamoto, Gas, Murcof und Lawrence gehören zu denjenigen, die sich Gedanken gemacht haben. Gedanken über Manches und Anderes und über eine gemeinsame Schnittmenge. Klassische Musik macht zu nachdenklich. Elektronische Musik ist zu unnatürlich. Hör doch einfach mal hin. Nicht traurig sein. Diese Platte ist fantastisch.

waxolutionists we paint colors sunshine enterprises

Wien ist nicht als HipHop-Hochburg bekannt. Die letzte HipHop Platte aus Wien legte ich mir im Jahre 1998 zu. Eine feine Platte von den Aphrodelics mit dem vielversprechenden Titel On The Rise. Doch nach dem vermeintlichen Aufstieg kam noch nicht einmal der Fall. Dafür kamen Peter Kruder und sein Kollege Richard Dorfmeister um die Ecke, tauchten Wien in ein rauchiges DowntempoLicht und wurden quasi zu dub-igen Vorreitern einer Generation von Loungelizards und Chinchillern. Was weiter passiert ist, weiß ich nicht. Und dann erreicht mich We Paint Colors von den Waxolutionists. HipHop und Wien haben noch eine gemeinsame Zukunft. Bunt oida! Farbenfroher HipHop, reichlich Beats aus Loops, Cuts und Samples, Features mit DJ Vadim, Flowin’ Immo, Rusty Redenbacher und Frank Nitty von Frank N Dank und und und. Eine Ode. I make sure everything remains raw! Hard times call for high times, heisst es bei Steel Remains. So ist es. Downtempo times call for Uptempo times. DJ Buzz, The Bionic Kid und DJ Zuzee - alias Waxolutionists - produzieren hier eine dermaßen entspannte HipHopScheibe, man könnte meinen sie hätten mit Kruder & Dorfmeister noch einen geraucht. Denn inmitten von wortgewaltigen amerikanischen MCGastauftritten tauchen immer wieder schillernde Instrumentaltracks auf, gefüllt mit drallen Turntable-Ideen und kreativen Produktionsergüssen. Ein zuversichtliches Nicken nach Wien. Props an die Nachbarn. We like paint.


vertico‘s puppets Amrei Hofstätter aka Vertico’s Puppets lebt seit 2007 in Berlin, arbeitet als freie Grafikerin, illustriert und schreibt für das spanische Kunst und Design-Magazin Belio. Ihre letzte Ausstellung fand im Oktober dieses Jahres in der Friedrichshainer Galerie Box32 statt, in deren Rahmen auch eine Kollektion mit ihren Designs verkauft wird. Ihre meist komplett digital erstellten Arbeiten sind abstrakte und geometrische Halluzinationen einer Welt, in der sich meist weibliche Charaktere mit Formen und Objekten inspiriert von klassischem Origami vermischen. Dadurch entstehenden surreale Hybriden, deren existenzieller Sinn vermeintlich aus nichts anderem zu bestehen scheint als der letzendlichen totalen Auffaltung und Abstraktion. Fernöstliche Ästhetik, Rituale, Magie und fast schon esoterisch-religiös anmutende Symbolik und Ikonografie konfrontiert den Betrachter mit einer komplexen und nicht immer einfach aufzuschlüsselnden Thematik. Auf den ersten Blick begibt man sich in ein idyllisches, fast schon kindliches Szenario, nur um bei genauerer Betrachtung Themen wie Schmerz, Traumata und Selbstmutilation zu entdecken, die sich letzendlich in einer einzig existenziellen Problemstellung bündeln: dem Wunsch nach Transformation in Gegenüberstellung mit der Angst vor dem Scheitern, der totalen Auflösung und damit Auslöschung.

Amrei sieht sich dabei schwer von der Freud’schen Psychoanalyse und der Existenz des “Unheimlichen” beeinflußt, einem Konzept, welches heutzutage als “Uncanny Valley Effect” in der Kybernetik Anwendung findet. Dieser Zustand beschreibt die stark ablehnende Reaktion eines Menschen gegenüber einer artifiziellen Kreatur, genau in dem Moment in dem die Schwelle zwischen artifiziell und menschlich überschritten wird. “Ich möchte die Betrachter in eine ähnliche Gefühlswelt bringen”, sagt sie dazu. “An den Moment, in dem meine Arbeiten nicht mehr nur “ich” sind, sondern beginnt, “sie” zu sein, wenn plötzlich ein interessanter Moment eintritt, an dem sie etwas bisher unterdrücktes in sich selbst wiederfinden. Das kann eine Erinnerung sein, der Hauch eines Gefühls, eines triebhaften Wunsches. In jedem Fall sollen die Betrachter meiner Bilder nicht über mich nachdenken, sondern über sich selbst. Die Geschlechterrollen sollen dabei verwischen, die klischeehaft “weiblichen” Farben sind dabei nichts anderes als Ablenkungsmanöver. Ich mag keine Klischees. Ich mag es, den Betrachter zu überraschen, ihm zu Zeigen, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.” verticospuppets.com Text Sophie Senoner

Amrei Hofstätter Geb.: Erdingen / München freie Grafikerin/ Illustratorin in Berlin

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Was isst du privat?

Was würdest du machen, wenn es keine Nudeln gäbe?

Was ist das ideale Getränk für ein Sushi-Menü?

Welche Küche schätzt du besonders?

An allen Ecken wird gemogelt und geschummelt. Der Dönermann ist in Wirklichkeit ein Iraner, der Pizzamann ein Spanier und den Schweinebraten kriegst du vom Polen serviert. Im SUSURU ist das noch anders. Eine japanische Nudelbar mit waschechten Japanern. Mit eigens entwickelten Rezepten auf traditioneller Basis, wie dem schwarzen Sesampudding und Kinderstäbchen, die durch ein Gummiband zusammengehalten werden. Zufälligerweise haben wir als Zeichnerin die japanische Künstlerin SHOXXX erwischt. www.susuru.de 38

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www.shoxxxboxxx.com

Was würdest du niemals essen?


noodle vs. sushi bar Was würdest du niemals essen?

Wer sowohl den Bundespresseball mit rund 19000 Stück Sushi belieferte, als auch das Catering beim Dreh von „Operation Walküre“ machte, der weist vielleicht kein politisch klares Statement auf, hat aber anscheinend jede Menge Ahnung von Fisch. sagt, alle Fische wollen bumsen, nur nicht Flipper, der hat Tripper und bedankt sich bei Papa Nô für die Zeichenkunst! www.papa-no.de Was isst du privat?

Was würdest du machen, wenn es keine Fische gäbe?

Was ist das ideale Getränk für ein Sushi-Menü? Welche Küche schätzt du besonders?

Interview Andrej Rüb

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gran turismo

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gran turismo Es gibt vielleicht kein Bild was sich in den letzen Jahren so geändert hat. Der Computernerd mit dicker Brille, Pickeln und verkümmerten Jungenkörper ist zu einem Job in den Medien geworden, den alle haben wollen. traf den sympatischen Produzenten Yamauchi Kazunori von Gran Turismo® und fragte ihn über Autos aus. Das Rennspiel erreichte bisher mehr als 57 Millionen verkaufte Spiele. Was ist die größte Herausforderung, wenn man ein Auto nachbilden will? Autos sind für mich das schönste aller Industrieprodukte. Wer ein Auto besitzt, der kennt es auch bis in die kleinsten Details, die uns gar nicht auffallen würden. Es stell für mich die größte Schwierigkeit dar, die Einzelheiten nachzubilden, die man auf den ersten Blick nicht wahrnimmt. Wie viele Autos haben Sie selbst? Wann hat Ihre Autoleidenschaft begonnen und wann haben Sie das erste Mal gemerkt: Ich würde gerne mal ein Spiel entwickeln? Im Moment besitze ich sechs Autos. Dass ich beruflich gerne etwas mit Autos zu tun haben wollte, wurde mir vor etwa 15 Jahren klar. Als ich zum ersten Mal die Chance bekam, ein Spiel zu entwickeln, da hatte ich auch sofort den Wunsch, ein Spiel mit meinen geliebten Autos zu erschaffen. Wann haben Sie Ihren Führerschein gemacht und wie war Ihre erste Fahrstunde? Ich habe meinen Führerschein ziemlich spät gemacht, erst mit 24. Das erste Auto, das ich gefahren bin, war ein uralter Toyota Corolla. Bis dahin hatte ich ein bestimmtes Bild vom Autofahren im Kopf gehabt und war sehr überrascht, dass die Realität doch ganz anders aussah. Wenn Sie selbst in einem eher schnellen Wagen fahren, gab es da schon Momente, wo Sie gemerkt haben, dass es an die Grenzen Ihres fahrerischen Könnens kommt? Oh, das passiert mir in letzter Zeit ganz häufig. Bisher wurde ich immer sicherer, je öfter ich gefahren bin. In letzter Zeit merke ich aber immer öfter, dass es eine Grenze gibt, jenseits der ich keine Kontrolle mehr habe, und das ist schon ein bisschen ärgerlich.

Was das Spiel angeht, ist das für Sie auch so die Messlatte, die Fahreigenschaften im Spiel zu bewerten, Ihre eigene Erfahrung im Auto? Bei der Entwicklung eines Spiels geht es natürlich überwiegend um die reine Fahrphysik, die sehr gründlich umgesetzt werden will, aber die eigene Erfahrung beim Autofahren verbessert die Fahreigenschaften auf jeden Fall zusätzlich. Als Sie das erste Mal in Deutschland Auto gefahren sind, sei es auf der Autobahn oder auf einer Rennstrecke, was ist Ihnen da aufgefallen? Etwas, was anders als in Japan war? Also, auf der Autobahn war natürlich zunächst einmal die Durchschnittsgeschwindigkeit sehr hoch. Und dann ist mir aufgefallen, dass jeder Fahrer auf die Fahrzeuge um ihn herum achtet. Alle fahren immer so. (Zeigt etwas?) Das ist in Japan ganz anders. In Japan fährt man eher so wie in Amerika, alle hintereinander, und jeder achtet fast nur auf den Vordermann. Der Autostrom ist wie ein Fluss. In Deutschland fährt man viel aufmerksamer, geht mal vom Gas, dann überholt man wieder, die Fahrweise ist viel dynamischer. Das ist ein grundlegender Unterschied zur japanischen Fahrweise. Ich weiß, dass man in Japan alle drei oder vier Jahre seinen Führerschein neu machen muss oder an Seminaren teilnehmen muss. Müssen Sie da auch hingehen und was ist Ihr Kommentar dazu? Lästig finde ich das. Ist es Ihnen schon mal passiert, dass Sie auf dem Heimweg im Auto saßen und sich im Spiel gefühlt haben? Und was ist dann passiert? Auf dem täglichen Arbeitsweg passiert mir das natürlich nicht, aber als ich neulich im Nissan GT-R im Regen auf dem Nürburgring gefahren bin, wusste ich plötzlich tatsächlich nicht mehr, ob ich im Spiel bin oder wirklich Auto fahre. Sind Sie selbst ein schneller Autofahrer? Ja. Sie sind ja ein Mann mit vielen Titeln. Können Sie uns sagen, wie ein

normaler Arbeitstag aussieht oder was die Arbeitsteilung ist? Und welche Arbeit machen Sie am liebsten? Normalerweise bin ich den ganzen Tag im Polyphony-Studio und gehe zwischen den verschiedenen Teilen des Spiels – Rendering der Autos, Modellierung der Rennstrecken, Fahrphysik, da gibt es ganz verschiedene – von Team zu Team, halte Meetings ab und so etwas. Ich verlasse das Studio fast nie. Wie klärt man ab oder kann sich sicher sein, dass irgendwie so dieser emotionale Part hinter all der Technik nicht verloren geht? Jeder Mitarbeiter von Polyphony arbeitet bei der Entwicklung an kleinen Details. Das ist natürlich meist eine eher nüchterne Arbeit. Ich glaube, für den User entsteht gerade daraus auf natürliche Weise diese schwer zu beschreibende Leidenschaft. Der einzelne Mitarbeiter kann diese Leidenschaft nicht ins Spiel übertragen, sondern sie erwächst aus der gemeinsamen Anstrengung. Das beschränkt sich nicht nur auf Spiele; auch bei Fahrrädern oder Geschirr oder beliebigen anderen Dingen ist es so, dass man etwas, was mit großer Präzision hergestellt wurde, schon beim Ansehen oder Anfassen erkennt. Wenn Sie selber ins Auto steigen, inwiefern beeinflusst das Spiel Ihre eigene Fahrweise? Fahren Sie schneller oder kann man da irgendwie etwas dazu sagen? Ich habe im Prinzip durch Gran Turismo fahren gelernt. Die Fähigkeiten, die ich im Spiel erworben habe, setze ich auch beim richtigen Autofahren ein. Welche Persönlichkeit würden Sie gern mal treffen, einen Menschen oder auch einen Charakter? Na ja, als Spieleentwickler habe ich natürlich die ganze Zeit mit dem Autosport zu tun. In diesem Bereich würde ich zum Beispiel gerne mal Michael Schumacher kennenlernen. Design Moritz Stellmacher Kazunori Yamauchi President of Polyphony Digital Inc. and Game Producer Born in Chiba, Japan

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evolution music - god is a djane Wie kommt man auf die Idee eine Booking Agentur für DJanes aufzubauen? Das war purer Zufall und nicht geplant. Ich war als Eventfotograf und Reporter für diverse DJ und Club Magazine Ende der 90er fast jedes Wochenende in Clubs und auf Festivals unterwegs. Ich habe im Laufe der Jahre alle Festivals besucht und lernte so DJs und Veranstalter persönlich kennen. Eines Tages fragte mich einer dieser DJs, die ich regelmäßig traf, ob ich ihm nicht helfen könnte ein Booking zu organisieren, da ich so viele Leute in der Szene kannte. Nach einer Woche war das Booking perfekt und ich verdiente ein paar Euro und so begann alles ganz langsam. Heute zählen wir uns zu einer Agentur die sich auf weibliche DJs, Musikerinnen und Tänzerinnen spezialisiert hat.

das nur beschleunigt. Andererseits ist dieses Business in den letzten 10 Jahren immer professioneller geworden und es überleben nur die, die sich an den Markt und die Anfragen anpassen.

Warum bist du weltweit so erfolgreich - liegt es an der freizügigen Präsentation der DJanes? Der Erfolg kommt nicht über Nacht, erst recht nicht im DJ und Musik-Business. Das hat sich vor allem in den letzten drei Jahren extrem verschärft. Dazu trägt die aktuelle Weltwirtschaftskrise auch bei. Ich kann heute sagen, dass unsere DJs auf allen 5 Kontinenten regelmäßig auftreten, da unsere Künstler ihren Job gut machen, sich gut verkaufen und das spricht sich halt dann rum. Sonst würde es mich nicht mehr geben. Es gibt viele DJs und Agenturen, die im Laufe der letzten Jahren verschwunden sind.

Gilt für dich immer Sex-Sales? Dieser Bonus, den man den Frauen nachsagt, stimme ich heute nicht mehr zu. Es gibt heute viel mehr DJanes als Anfang der Jahrtausendwende und das hat dazu geführt, dass sich immer mehr Qualität, Musik, Show und Technik durchsetzen. Viele Frauen die darauf setzen als Topless DJane oder Model beworben zu werden, sind wieder verschwunden oder in der Masse untergegangen. Welcher Gast will schon eine Barbie, die keine Übergänge hinbekommt oder musikalisch am Publikum vorbeispielt? Wer will einen DJ, der am Laptop einen vorgefertigten Mix abspielen lässt?

Wie kommt es, dass die größten Clubs der Welt heiße Mädels, weltklasse DJs vorziehen. Das halte ich für ein Gerücht, sonst wäre ich heute Millionär und würde von den Bahamas aus die Agentur leiten. Der Trend ist sogar noch dahin gegangen, dass vor allem die größten Clubs und Event Veranstalter nur noch mit der Weltliga arbeiten, weil sie sonst ihre Läden nicht mehr füllen könnten. In meinen Augen langfristig der falsche Weg, weil sich dadurch die Anfrage auf diese limitierte Zahl von Künstlern konzentriert, die Gagen immer weiter steigen und es sich am Ende gar nicht mehr lohnt sie zu buchen, weil sie nur noch drauf zahlen. Deshalb sind in den letzten Jahren viele Clubs und Veranstalter verschwunden, die Weltwirtschaftskrise und die Abhängigkeit von Sponsoren haben

Bekommst du manchmal harte Kritik? Jeder bekommt Kritik zu spüren wenn der Erfolg ausbleibt, etwas versäumt wurde oder ein Künstler mal einen schlechten Tag hat, das gilt aber für das ganze Musikgeschäft egal ob als Band, Musiker, DJ oder Tänzer sind.

Alles andere nennt man Neid. Leute nehmen einen solange nicht ernst, solange man ihn nicht kennt oder von ihm hört, daran arbeiten wir jeden Tag. Was ist deiner Meinung nach der größte Unterschied zu deiner Booking Agentur gegenüber den klassischen DJ Booking Agenturen. Es gibt da gar keinen Unterschied. Jeder hat seine Künstler, seine Kunden, seinen Musikbereich. Wir haben halt keine richtigen Megastars wie viele andere Agenturen, die oft 2-4 Künstler als Aushängeschilder haben.

Haben deine Mädels DJ-technisch etwas drauf? Wenn du ansprechen willst ob Sie cutten, loopings machen und scratchen können wie die DMC Weltmeister, dann nein. Ich lege bei meinen Mädels heute Wert das sie sehr gut mixen können, egal mit welcher Übergangstechnik, die Effekte an Mischpulten beherrschen und einsetzen. Sie selbst nützen in ihren Sets regelmäßig Loop und Scratcheffekte, wobei ich anmerken will dass, das dem Publikum egal ist, solange die Musik stimmt und sie nicht hörbar bei den Übergängen Fehler machen.

Kommt es vor, dass dich Leute nicht ernst nehmen? Viele finden die Fotos und Präsentation der DJans skurril. Wer sieht nicht gerne eine hübsche Frau? Wenn man sich Flyer, Poster und Programme vieler Clubs und Discotheken ansieht, wird man immer hübsche Frauen finden also stimmt diese Aussage so nicht. Solange die Qualität und die Mädels immer das maximale aus sich herausholen und ihre Arbeit gut machen, hat niemand ein Recht über Andere zu urteilen. Der sollte es erst einmal besser machen. Layout Moritz Stellmacher

God is a DJane, richtig? Nenn uns doch zum Abschluss ein paar Statistiken zu deinem Erfolg. Von Erfolg will ich heute noch nicht reden, davon sind wir noch weit entfernt. Wir konnten aber in den letzten 3 Jahren einiges mit dem Brand erreichen. Aktuell sind wir auf dem Cover des Piste-Magazines in Norddeutschland, das hat so selten ein Club Brand geschafft. • 2 Mix Compilations Vol. 1 (22. August 2008); Vol. 2 (14.06.2009) • 1 Single GIAD feat Luiza F. - Airguitar (VÖ 14.08.2009) • über 15 weltweite Radioshows in diversen Internetradios • erster GirlsTruck der Loveparadegeschichte 2007 in Essen, 2008 erneut in Dortmund dabei • Filme in Zusammenarbeit mit www.im1.tv (Start 07.09.2009) • über 90 internationale Events/ Nächte seit 2007 in 25 Ländern und 4 Kontinenten Am 21.11. feiern wir in Flame - Parchim unser größtes Event mit mehreren DJanes, weiblicher E-Gitarre, E-Violine, Saxophon, Tänzerinnen in großen Kugeln mit einer große Pyro und Feuershow.

www.evolutionmusic.net facebook.com/godisadjane Anton Rigel CEO Evolutionmusic DJane & Event Agentur, Live Acts und Künstler

Interview Emin Mahrt

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tokyo Die Türen der U2 am Bahnhof Alexanderplatz schließen sich. Ein letztes Mal schaue ich in die Gesichtsneurosen meiner Heimatstadt. Auf der Schönhause Allee begegnet mir ein stereotypischer Rayban-Träger mit asynchroner FrühNeunziger Frisur und Heroinhosen. Ich lasse den klassischen Prenzl-Wichser, Hassobjekt aller Urberliner, hinter mir und blicke auf das, was vor mir liegt. Vier Jahre habe ich den Besuch bei meinem japanischen Freund Gen vor mir hergeschoben. Nun ist es endlich soweit. Japan, ich komme!

mir die Gewissheit: hier werden wir uns in den nächsten Wochen prächtig amüsieren. In Japan ist das Überbringen von Gastgeschenken ein ungeschriebenes Gesetz. Ich überreiche ihm meine Mitbringsel: drei Packungen Jaavanse Jongsen Tabak, ein Shirt von Radio Skateboards, zehn Packungen diverser Haribo Produkte und zwei Flaschen Augustiner. Im Laufe des Monats werden Teile des Weingummis als Gastgeschenke an weitere Freunde abgezogen werden. Notiz an mich: das nächste Mal 30 Packungen einfliegen!

Narita Ariport. Japanischer Boden unter meinen Füßen. Gen und seine Freundin Ryo (nicht Rio!) warten am Ausgang auf mich. 100 Euro werden in Yen umgetauscht und schon befinden wir uns mit Ryos Wagen auf dem Highway Richtung Tokyo. Nach einer Stunde kommt die Skyline von Downtown Tokyo in Sichtweite. Mein Herz rast, endlich bin ich am Ziel.

Schon am ersten Tag meiner Reise beschließe ich, das nächste Mal ein Aufnahmegerät einzupacken. Einige Geräusche hier sind so ungewohnt, dass ich sie gerne meinen Musikerfreunden zur Verwertung mitgebracht hätte. Das erste Geräusch, was ich kennen und lieben lerne ist das Balzgeräusch der japanischen Zikade (Semi). Es klingt weniger nach Insekt, sondern eher nach einer Horde betrunkener Gremmlins, die sich gegenseitig Witze erzählen. Dass so kleine Lebewesen so einen

Gens Apartment ist geräumiger als erwartet. Der Blick auf seine beiden Technics Plattenspieler verschafft 44

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Mordskrach machen können, war mir bis dato auch nicht bewusst. Auch die Zivilisationsgeräusche erscheinen mir fremdartig. In Restaurants und Supermärkten artet der Eintritt eines neuen Kunden nicht selten in Begrüßungssprechchöre aus. Japanische Supermärkte und Shopping Areas habe eine Faszination des Grauens. Überall herrscht ein wahnwitziges Geschrei. Die Kassiererinnen sind offensichtlich nach der Höhe ihrer Stimmlage eingestellt worden. Der zweistöckige Supermarkt um die Ecke hat einen extra Angestellten, der die Kunden an der Fahrstuhltür begrüßt. Auch der Sicherheitsmann vor der Tür nimmt seinen Job sehr ernst. Er sorgt dafür, dass alle Fahrräder ordnungsgemäß abgestellt werden und die Blumen vor dem Laden genug Wasser haben. Videobildschirme und blinkende Werbetafeln soweit das Auge reicht. Die Bilder kennt man aus dem Fernsehen, aber das Gesamtbild und vor allem die Geräuschkulisse dieser Gegenden könnte nichtmal eine 360 Grad Kamera erfassen. Das wohl bekannteste


Bild von Tokyo ist die Kreuzung in Shibuya, dem Mekka des japanischen Konsumterrorismus. Im 2-Minuten-Takt schalten sämtliche Fußgängerampeln auf grün. Die Gewalt der aufeinander zuströmenden Menschenmassen erinnert an Braveheart. Zur Stoßzeit passieren diesen Punkt bestimmt 1000 Menschen pro Minute. Berlin wirkt dagegen wie eine Kleinstadt. In Shibuya mache ich meinen erste Erfahrung mit den hiesigen Plattenläden. Wer sagt Vinyl sei tot, war wohl noch nie in Japan. Meine Lieblingsläden sind das Technique und Disc Union in Shibuya. Neue Platten kosten zwischen acht und zwölf Euro also in etwa so wie in Berlin. Was Tokyo für Vinyllovers so spannend macht, ist die gigantische Auswahl an gut erhaltender und alphabetisch sortierter Second Hand Ware. Die wichtigsten House und Techno Labels haben ihre eigenen Fächer in der Gebrauchtabteilung. So macht Stöbern Spaß. Das einzige Manko ist das Vorhören der Platten. Bei Disc Union kann man immer nur diejenigen Platten anhören, die mit einem speziellen

Aufkleber versehen sind, so dass man manche Platten auch mal blind kaufen muss. Außerdem darf jeder Kunde nur zwei Stück auf einmal hören. Danach muss man sich wieder hinten anstellen. Es gibt nur einen einzigen Plattenspieler pro Laden. Gen muss auf dem Heimweg noch etwas erledigen. Ich fahre also das erste Mal in meinem Leben alleine mit der Tokyoter Metro. „Es ist ganz einfach. Steig einfach in Shimo Kitazawa um. Von dort nimmst du die Odakyu Line in die entgegengesetzte Richtung zu Shinjuku.“, gibt Gen mir noch mit auf den Weg. Leider gibt er mir nicht mit auf den Weg, dass es von ein und derselben Linie Local-, SemiLocal-, Express- und Semi-ExpressZüge gibt, die unterschiedlich häufig halten. Wie es das Schicksal so will, handelt es sich beim einfahrenden Zug um die „Express“ Variante. Bevor ich begreifen kann wie mir geschieht, befinde ich mich schon außerhalb des Stadtgebiets. Natürlich habe ich mir meine Basisstation Chitose Funabash nicht vorher aufgeschrieben, so etwas machen schließlich nur Spießer. Auf mein fotografisches Gedächtnis ist

schließlich immer Verlass. Leider ist mein Gedächtnis auf Berliner U-Bahnplänen trainiert worden und versagt bei Linien mit mehr als 60 Stationen kläglich. Ich frage also einen Jungen in meinem Alter, wie ich nach Funabashi komme. Der Ort steht in meinem Notizbuch, in Zusammenhang mit Gens Adresse. Er scheint mich nicht zu verstehen und deutet auf eine Station auf dem lokalen Fahrplan. Ein Glück reicht mein Erinnerungsvermögen aus, um garantiert nicht in Frage kommende Bahnhöfe auszuschließen. Was ich zu dem Zeitpunkt nämlich noch nicht weiß, ist dass Funabashi ein Ortsteil einer 2 Stunden entfernten Präfektur ist. Irgendwann finde ich doch noch meine Station. Erschöpft, aber doch froh die erste richtige Prüfung gemeistert zu haben, komme ich mit einer Stunde Verzögerung zu Hause an. Nach zwei Tagen Schnupperkurs „Tokyo für Anfänger“ fahre ich für eine Woche in die Berge außerhalb der Stadt in die Präfektur Kanagawa. Yoshito, ein begabter Mundharmonikaspieler und Sohn eines ehemaligen Pantomimespielers, lädt einmal pro feature

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Jahr alle seine Künstlerfreunde zu einem Treffen ein. In der Probehalle des einstigen Zirkus kommen Musiker, Artisten und andere Lebenskünstler zusammen, um sich gegenseitig mit ihrer Kunst zu begeistern. Meine Strategie, mich nicht als der letzte Nichtsnutz zu outen, ist es, mich dort als (Laptop-)DJ zu verkaufen. Das klappt auch ganz gut, sie können gar nicht genug davon bekommen: nach zwanzig Minuten meiner künstlerischen Darbietung werde ich um Aufhören gebeten – die Nachbarn müssten schon sehr früh ins Bett – lautet der fadenscheinige Grund. Abends betrinken wir uns immer auf der Veranda mit Sake, Bier und Shochu und spielen lustige Spiele wie „Wir malen uns Gesichter auf den Bauch“ oder „Wer Fremdwörter benutzt, muss trinken“. Angeblich vertrage ich von den Anwesenden am meisten Alkohol. Ich bin zwar anderer Meinung, nehme die Rolle aber lächelnd an uns lasse mein Glas mit neuem Schnapps füllen. Mit steigendem Alkoholpegel sinken auch die Sprachbarrieren. Wir lallen uns mit Händen und Füßen gegenseitig zu wie gut japanischer Sake und deutsches Bier doch seien und vergleichen esskulturelle Unterschiede. Tagsüber vertreibt man sich die Zeit mit 46

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Jonglage, Seiltanzen oder sonstigem Gegaukel – fast wie zu Hause. Ab und an gibt es ein paar private Vorstellungen. Die beeindruckendste Präsentation liefert der Feuertänzer Yuki. Der ehemalige Büroangestellte hat seinen Beruf vor zwei Jahren an den Nagel gehängt und spielt seitdem mit dem Feuer. Normalerweise wende ich mich bei Feuerartisten aus Prinzip ab – besonders wenn sie mit Ketten arbeiten. Mein Kontakt mit Feuerspielern beschränkte sich bisher allerdings auf bekiffte Alleskönnenwoller. Die eine Hälfte von ihnen ist zwar routiniert mit dem Umgang der Ketten, lässt sich aber nicht neues einfallen und ruht sich auf der Tatsache aus, dass Feuer sowieso immer Leute zieht. Die andere Hälfte hat es sich in ihrem Spanienurlaub am Strand zeigen lassen und verheddert sich nach drei Umdrehungen hoffnungslos. Yukis Auftritt dagegen ist unverbraucht und originell. Mit gezielt langsamen Bewegungen und einer beeindruckenden Körperspannung lässt er die Kugeln über sich und unsere Köpfe kreisen. Ich ahne so langsam wie die Idee zu den Dragonball-Comics entstanden sein mag. Als Teil der großen Abschlusspräsentation ziehen 15

Japaner und ein als Laptop-DJ getarnter Berliner mit 500 Küchengummis in einen Kleinwagen durch den Garten. Thomas Gottschalk hätte seine helle Freude daran. Später schenkt mir ein buddhistischer Hiphop-Mönch im Suff seine neon-orangene Arbeitsjacke. Der Trip in die Berge hat sich definitiv gelohnt. Wieder zurück in Tokyo stellt Gen mir die reizende Tänzerin Aya vor. Sie hat fünf Jahre in Berlin gelebt, behauptet aber ihr Deutsch sei schlecht. Alles nur ‚fishing for compliments‘. Ihr Deutsch ist gut und süß akzentuiert. Aya ist das letzte fehlende Mitglied in meiner Tokyo Gang. Durch Aya lerne ich außerdem eine weitere wichtige japanische Vokabel: kawaii - süß. Wir treffen sie im Combine Café, einer angesagten Bar im Stadtteil Nakamekro. Yohei, einer der Gründer des Combine Café kenne ich aus Berlin. Er ist vor einem halben Jahr dort hin gezogen. Zufälligerweise ist Yohei zur selben Zeit in Tokyo. Eigentlich soll sein Flug nach Berlin noch am selben Abend gehen. Diesen verpasst er aber, so dass er uns zwei Tage später in den Club „Air“ mitnimmt. Es ist ein Montag Abend. Selbst in Technocity Berlin geht da eher selten die Post richtig ab. Ich bin also sehr


gespannt was Tokyo so an einem Montag zu bieten hat. Das „Air“ liegt unter der Erde. Der Eingang ist über ein Restaurant zu erreichen. Na das hört sich doch schon mal nach Heimat an. Das Bier wird in Dosen serviert, für Nostalgiker wie mich eine sehr willkommene Überraschung. Die Dosen kann man sich in den Clubs am Automaten ziehen. Nie wieder Bargedrängel, hier ist das Paradies! Der DJ beginnt sein Set mit Len Faki Ravesignalen. Etwas verstört über den Sound, hatte ich doch von Japan etwas deeperes erwartet, lasse ich meine Augen über das euphorisierte Publikum gleiten. Mein Blick fällt auf einen Tänzer, der sich offensichtlich gerade bereit für einige Moves macht. Noch bevor ich eine Spekulation darüber machen kann was er plant, hüpft er auf einer Hand durch die jubelnde Menge. Dass ich jemals Len Faki und Breakdance in einem Wort sagen werde, hätte ich mir nie träumen lassen. Sowas will ich in Berlin auch sehen. Das Technoset driftet langsam in Richtung House, erst noch subtil, dann mit Vocals. Zum Schluß läuft „This Sweet Love“ von James Yuill im Prins Thomas Edit. Die Musik ist inzwischen merklich leiser geworden. Den Merkspruch „Dont forget to go

home“ braucht man hier nicht, die Clubs sorgen schon dafür, dass die Leute nach Hause gehen. Ich höre ein Klackern, das mir wohl bei der Lautstärke vorher nicht aufgefallen ist. Der Geräuschverursacher ist ein adrett gekleideter Stepptänzer. Wahrscheinlich war er den ganzen Abend da und hat sich zu Ravesignalen und Vocalhouse die Seele aus dem Leib gesteppt. Berliner Veranstalter sollten ab sofort alle Stepptänzer und Breakdancer umsonst hereinlassen. Wir schleppen uns taumelnd zum nächsten Taxi. 40 Euro und eine Magenentleerung später erreichen wir Gens Wohnung im Morgengrauen. Die restliche Zeit meines Urlaubs verbringe ich hauptsächlich mit kleinen Alltagsabenteuern. Bahn fahren, Platten schoppen, Essen und Schlafen. Ich bin die Sprachbarriere leid und besorge mir ein englisches JapanischLehrbuch. Fotograf Gen fliegt für einige Tage für ein Shooting in die USA. Währenddessen kümmern sich meine Traumfrauen Ryo und Aya um mich und helfen dabei mein Touristensoll zu erfüllen: die Besichtigung des Asakusa Tempels, ein Ausflug nach Kamakura und den Besuch einer japanischen Videospielhölle, eine Unterrichtsstunde in Ayas Contemporary Dance Class –

uns wird nie langweilig. „Je später der Urlaub desto teuerer die Tage“, lautet ein Spruch, den ich mir gerade ausgedacht habe. Die YenMünzen, die ich Anfangs noch dreimal gewendet habe, bevor ich sie ausgab haben sich unmerklich in Tausender Scheine verwandelt. Hier ist es eine Ska-Jan, so nennt man die japanischen Baseballjacken mit den kitschigen Motiven, dort ein japanisches Kellog‘s Shirt. Am letzen Tag hebe ich extra nochmal etwas ab, um japanische Grundlebensmittel zu kaufen: Thunfischpulver, Thunfischflocken, Seegraspulver, Miso, Mayonnaise, Okonomiyaki-Sauce und Wasabi in doppelt und dreifacher Ausführung. Den Rucksack voll mit Lebensmitteln sage ich Lebewohl. Ich vermisse meine Tokyo Gang jetzt schon und freue mich auf den Besuch von Aya und Ryo im Frühjahr. Und so mein Geldbeutel will, werde ich nächstes Jahr wieder kommen. Matane - Bis später! Text & Images Uwe Krass Graphic Amrei Hofstätter

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Postproduction Vinzent Britz

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Images Ida Westheuser

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Papageno und seine Posse sind in Berlin, am 25.11.2009 in der Arena. Grab 2x2 Tickets!

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let‘s freak out together Charisma Bruckmann bringt Farbe in unsere Welt. Bunt, schrill und verspielt ist nicht nur ihre Mode, sondern auch sie selbst. Wenn Charisma als Dr. Bling nicht gerade das Berliner Feierpublikum schminkt, dann glitzert sie liebevoll ihre selbstgenähte, selbstbestickte und selbstbemalte Mode für Damen ab sechs, und lässt damit Herzen höher schlagen. Die aktuelle Kollektion „Heidi goes Disko“ ist im Rahmen ihres Diploms Images Leonard Bessemer

„Little Miss Bling“- Kleidung, die Spaß macht.

bei der internationalen Modeschule Esmod entstanden. Heidi ist ein wissbegieriges, munteres, kleines Mädchen, das aus den Bergen nach Berlin kommt und, beeinflusst durch Individuen der Großstadt, ihre Tracht diskotauglich verändert. Farben, Licht und Tanzen kommen zur Naturverbundenheit und dem freien Lebensgefühl der Berge hinzu. Auf die Straße gehen, anstatt zu Hause zu sitzen!

Make-up Yelena Friemer

Text Ida Westheuser

www.littlemissbling.de

Wie kamst Du auf die Idee, Kinder in Diskooutfits zu stecken? Ich denke, der Weg zum Glück ist der freie Ausdruck der Individualität, für Menschen jeden Alters. Tanzen ist nicht nur für Erwachsene ein Ausdrucksmittel. Es macht Kinder glücklich, und glückliche Kinder bedeuten Generation für Generation eine bessere Welt. Natürlich geht ein Kind nicht in einen Club, ich mache Alltagskleidung. Das ganze Grau-in-Grau auf den Strassen nervt mich. Und wie sieht die aus? Es ist ein schriller, kontrastreicher Trachten-Glitzer-Mix, der Heidis zwei Welten vereint. Glitzer trifft auf Lederhose! Liebevolle Details, wie Pailletten und Stickereien sind überall zu finden, zum Beispiel in Form von Eichenblättern und Pilzen. Ziege Schnucki bleibt Begleiter. Die Stoffe sind alle in Handarbeit zum Funkeln gebracht. Meine Kleidung regt Mädchen an in ihr eigenes Märchen einzutauchen und inspiriert dadurch auch Erwachsene, denn die können meistens noch viel mehr von Kindern lernen, als umgekehrt. Spackt einfach ab und nehmt euch nicht immer so ernst! Damit bist Du ja in der Modewelt ziemlich einzigartig. Was hältst Du denn von dem Rest? Allgemein finde ich natürlich, dass sich Leute viel zu schüchtern und verhalten kleiden. Immer nur Schwarz, Jeans und T-Shirt, Ton-in-Ton, das langweilt mich und ich verstehe es nicht. Es muss doch nicht immer alles zusammen passen, man sollte einfach tragen, was einem gefällt und damit die komischen Maßstäbe abschaffen. Ein anderer großer Punkt ist natürlich die Art, wie Kleidung gefertigt wird. Gespritzte Baumwolle, Kinderarbeit, das darf alles nicht sein. Ich finde auch, wegen der unfairen Tierhaltung darf man keinen Pelz oder Leder tragen. Es ist nicht richtig, dass Tiere leiden, nur weil Menschen schick sein wollen. Ich will mit meiner Mode und meiner umweltverbundenen Philosophie zu einer schöneren Welt und einer schöneren Zukunft beitragen. Und wo gibt es die Schätze zu kaufen? Die Sachen gibt es auf Anfrage zu kaufen, entweder im Ajola in der Falckensteinstrasse, oder über meine Website littlemissbling.de!

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Sacco Sessun Trousers Drykorn Shirt Sessun Shoes Scholl

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robust romance Styling. Concept. Production

Haniball Saliba haniballsaliba.de

Photographer

Phillipp Boegle philippboegle.de

Hair and Make up

Laura Maubach

Model

Jessica Canje megamodels.com

Postproduction

Vinzent Britz vinzentbritz.de

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Cardigan Sessun Shirt Drykorn Hotpant Sessun

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Cardigan Markus Lupfer Shirt Fred Perry Skirt Bagatelle Urban Outfitters

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Dress Urban Outfitters Jacket Sessun Belt Drykorn Shoes Scholl

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Sacco Tiger of Sweden Shirt Markus Lupfer Trousers Sessun Boots Scholl

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Pullover Markus Lupfer Shirt Fred Perry Skirt Sessun

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White Knight 2008, 100x90cm

eckart hahn

Madonna, 2009, 80x60cm

Eckart Hahn ist ein gegenständlich malender Künstler, der stilistisch dem Surrealismus nahe zu sein scheint. Malerisch erforscht er archetypische Bilder und kollektiven Momente und versucht sie in Übereinstimmung zu bringen. Hahn nennt dies „Bilder auf die Kippe“ stellen. Mit einer Abstraktion der Merkmale von Gegenständen und Geschehen auf inhaltlicher Ebene, füllt er alte Themen mit neuem Sinn und malt uns in seinem Werk ein gesellschaftliches Traumtagebuch. Folgend, im Gespräch mit geäußerte Gedanken zu den abgebildeten Bildern.

man heute ja überall sieht. Beauty ist aus dem Gedanken entstanden, die uns täglich begleitenden Bilder von Explosion und Zerstörung eine m System zuzuordnen, oder eher einer Art Spezies, in der all die Merkmale enthalten sind die wir auch in unserer Gattung Mensch erkennen. Wenn man die Ästhetik und Faszination von so etwas, wie der Destruktion nicht anerkennt, wird man auch nie in irgend einer konstruktiven Weise darüber nachdenken können. Es geht einfach um eine vorbehaltlose Betrachtung der Dinge. Auch in der Zerstörung liegt eine Verwandlung, wie beim Feuerwerk.

Tütenmännchen: Ausgangsidee war, etwas zum abgedroschenen Thema Porno im weitesten Sinne zu machen, der alte Hut, Pornoästhetik. Da hab ich zunächst Menschen als Tüten dargestellt, auch wegen der Distanz. Im Nachhinein ist dann etwas sehr Intimes daraus geworden. Ich bin ganz erstaunt gewesen, wie diese Müllsäcke in den etwas sonderbaren Arrangements Würde und Ästhetik gewonnen haben. Das, was ich da gespürt habe, habe ich dann mit verschiedenen Themen durchdekliniert. So die Heiligenfigur oder die Madonna, wo Tüten als Metapher für etwas dienen, was verschwunden ist, aber trotzdem tief in uns eine Größe besitzt.

La Famille La Famille ist ein klassisches Familienbild aus dem 19 Jahrhundert. Es ist das Zeichen einer Struktur. Solche Manifeste sind in Auflösung begriffen. Früher war das irgendwie klar, man hat geheiratet, die Frau ist zu Hause geblieben, man hat Kinder gehabt und fertig. Das ist heute alles verschwunden. Das sind alles Dinge, die man neu erfinden muss. Im Prinzip ist das Verbrennen alter Vorstellungen auch eine Art Befreiung, wenngleich manchmal auch schmerzhaft. Unsere Zeit ist so, dass man sehr viel über sich selber wissen muss, um entscheiden zu können. Denn man kann sich heute sehr wenig an den Vorgaben der Tradition ausrichten. Wir alle haben generell eine Sehnsucht nach großen Bildern - wir wollen einfach die große Liebe finden, eine Heimat haben, irgendwo geerdet sein und

Beauty Bei dem Bild Beauty hab ich mir im Internet Explosionen angeschaut, die

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Mater 2009, 60x50cm

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trotzdem sind wir weit davon entfernt, das ganz genau benennen zu können. Snowing: Ich war im Baumarkt und da standen diese Tannenbäume herum. Eigentlich war gleich dieses Bild mit der Farbe da. Ich hab also hier im Atelier dann einen Eimer Dispersionsfarbe darüber gekippt, das ist ja irgendwie eine fast verzweifelte Geste, weiße Weihnachten herzustellen. Da geht es weniger um das Weihnachtsfest und Christus Geburt, viel mehr um ein großes Klischee: nämlich weiße Weihnachten. Weihnachten bedeutet für uns alle Behaglichkeit und Vertrautheit. So einen kollektiv großen Moment aufzugreifen und eben mit meinen Mitteln darzustellen, beschäftigt mich, vor allem die künstlich Herstellung davon. Interview Moritz Stellmacher

Eckart Hahn, Intimate Play, 06.11.2009 – 09.01.2010 Vernissage: Freitag, 06.11., 19-22 Uhr Galerie WAGNER + PARTNER Karl-Marx-Allee 87 10243 Berlin www.galerie-wagner-partner.com Öffnungszeiten: Di - Sa 12-18 h U5 - Strausberger Platz


Beauty, 2008, Acryl auf Leinwand 170x190cm

Eckart Hahn, Courtesy Galerie WAGNER + PARTNER, Berlin

focus artist

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La Familia, 2008, Acryl auf Leinwand, 170x120cm 64 

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Snowing, 2009, Acryl auf Leinwand, 50x40cm

Eckart Hahn, Courtesy Galerie WAGNER + PARTNER, Berlin

focus artist

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last word Wir sitzen Sonntagmorgen im Café, neben uns lachen Mädchen, wie wir, zum wiederholtesten Male über Morgenlatte, und es ist gut, denn wir sind jung und haben noch viel Zeit. Vielleicht, überlegen wir, tut es Berlin gut, dass Hertha momentan so verdammt schlecht spielt, weil sich sowieso schon alle einen auf die Stadt herunterholen. Das, was Deutschland braucht sind endlich wieder gute Tatorts. Neben uns reden Berliner über Zugezogene und leider kennen wir ihre Argumente viel zu gut und schämen uns, denn es erinnert stark an den lächerlichen Ausländerhass irgendwelcher Brandenburger Proleten. Eigentlich macht es nicht so viel, dass Bar und Rechenzentrum nicht mehr sind und dass im Watergate sogar der Zigarettenautomat prollig geworden ist. Denn Ritter B. war fast wie früher. Muss es eigentlich in jedem Lied um Liebe gehen? Und warum habe ich noch mal mit dem Rauchen aufgehört? Wir wandern von Neurosen zu Depressionen und spüren die drohende Vermittesierung von Kreuzberg nach Neukölln. Plötzlich steht auf dem Verkaufsschild des neugemachten Imbiss Pommes für Eins Fünfzig, Soße 15 Cent extra. Und ich wusste die ganze Zeit, dass sie sich nicht bei einem Euro halten können, aber man muss sich klar machen, nun sind es 3 Mark Dreißig und ich weiß, ich werde meiner Mutter immer ähnlicher, weil ich immer noch in DM umrechne, und irgendwie auch alt, denn ich kann nicht mehr zwei Tage hintereinander durchmachen. Eisiger Wind um uns herum und die erste Frage ist: Darf man eigentlich Pelz tragen? Weil der doch eh schon 40 Jahre tot ist... Dann fahren wir abends U-Bahn und die zweite Frage ist, warum es in ihnen keine Mülleimer gibt. Uns sitzt ein Mädchen gegenüber mit langen Fingernägeln, hohen Schuhen an und Grenze Untergewicht. Und man kann doch dann weder arbeiten, noch gehen, geschweige denn gut denken und so etwas kann sich nur ein Nazi ausgedacht haben. Ich weiß, man muss auch jede erschlagen, die den Leihservice für Designertaschen benutzt. Mehr Türsteherinnen, Pokerplayerinnen und Musikredakteurinnen, ohne an alles ein -innen anhängen zu müssen. Und dann wäre die dritte Frage, ob wir Mädchen nur Kostenerhaltung oder nicht auch Gewinnerzielung wollen (siehe ökonomischen Prinzip, BWL I). Nein, keiner will so sein wie Agyness Deyn. Wir wissen noch nicht einmal wie ihr Name ausgesprochen wird und echte Männer wollen Frauen mit Pos, wo man Fahrräder abstellen kann. Vielleicht ist die einzige Lösung, dass wir zu einem Geschlecht zusammen wachsen. Dann rechne ich aus, dass bei 87 % der Arbeitenden männlich und über 95 % brünett sind. Und ich weiß nicht, was der größere Rassismus ist. Aber Blonde wählen eh FDP. Zurück vom Arbeitsleben in‘s Studium gleicht nicht einem Rückschritt. Es ist eher wie Ferien: die Tage werden geplant, alles erklärt, der Status definiert. Ich muss nicht selbstständig sein, beeindrucken oder meine Identität suchen. Vielleicht ist es Missmanagement, dass die Briefboten in Neukölln überall die vier Treppen hoch laufen, anstatt dass unten Briefkästen eingebaut werden. Aber es ist auch herrlich romantisch und jeden Tag erwarte ich den Brief vom Bafögamt und wenn man da anruft, dann kann es doch nicht sein, dass übergewichtige Frauen mit hinauswachsenden Dauerwellen, Beamtenausbildung und perversen Tierwitzen an den Wänden so dreist zu mir am Telefon sind! Frech ist auch, dass man das Rückgeld für Briefmarken in verfickten 5 Cent Briefmarken zurück kriegt. Und ich verfluche dieses bescheuerte Kleingeld, weil es eh keiner braucht, denn nichts mehr nur einen einzigen Cent wert ist. Nachts update ich mein Foto bei Facebook, und ich chatte mit meinem Ehemaligen, meiner besten Freundin, der Fotografin, mit meinem einen Chef, schreibe eine Mail an meinem Onkel. Und liege zufrieden im Bett, erfüllt von all den Begegnungen, die ich heute gemacht, ohne je Wohnung und Laptop verlassen zu haben. Was passiert um mich herum? Menschen rennen in Beziehungen und stürmen wieder heraus, sind getrennt, schlafen mit anderen, flirten mit den besten Freunden und schmeißen sich dann wieder in die Arme des Ex zurück. Hat es mit meinem persönlichen urbaner Beziehungsmythos zu tun, der mich die klassischen Dates vermissen lässt? Und was soll eigentlich diese WINDOWS-MAC-KACK-KONKURRENZ-SCHEIß, der mich nicht meine FührerscheintheorieCD öffnen lässt? Die Grenze zwischen schwulen Heteromann und sensiblen Liebhaber ist verflucht schmal. Und wenn Schwule nicht so verdammt spießig wären, würden sie auch endlich auf Frauen stehen. Was sagt eigentlich meine Glücksnuss zu mir? If something doesn‘t work do something different. Text Sophie Senoner

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