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Wir baden im Wald
Im Blickpunkt
Auftanken, abschalten
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WIR BADEN IM WALD.
Der Wald liefert nicht nur Holz, ihm wird auch eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Aus Japan kommt die sogenannte Praxis des Waldbadens. Was das ist, erklärt uns Waldbaden-Trainer Michael Haider aus Waldhausen im Strudengau.
Herr Haider, ganz salopp gefragt: Warum kann man beim Waldbaden nicht einfach von Spazierengehen reden? Wo liegt der tiefergehende Unterschied?
Wenn Sie im Wald spazieren gehen, bewegen Sie sich ungefähr mit 5 km/h vorwärts, beim Waldbaden reduzieren wir diese Geschwindigkeit auf 1 km/h und weniger. Bei meinen Standardeinheiten von ca. drei bis vier Stunden Dauer legen wir meist keine drei Kilometer zurück. Ein wesentlicher Unterschied zu Spazierengehen, Joggen oder Mountainbiken.
Die Beziehung Mensch und Wald ist seit Urzeiten eine enge. Wie kann man die Wechselwirkungen zwischen Bäumen und Menschen beschreiben?
Die evolutionäre Entwicklung des Menschen verlief über Millionen von Jahren in Koexistenz mit den Bäumen und im Wald. Wenn man zum Beispiel die Verästelungen der Bronchien betrachtet, ist eine frappante Ähnlichkeit mit der Krone eines Laubbaumes augenscheinlich. Wir haben uns gemeinsam mit den Bäumen und dem Wald entwickelt. Leider ist durch die industrielle Revolution und die damit einhergehende Urbanisierung diese Verbindung mit der Natur bei den meisten verloren gegangen. In unserem Unterbewusstsein ist sie aber sehr wohl noch „abgespeichert“ und kann beim Waldbaden reaktiviert werden.
Waldbaden bedeutet demnach mehr als „Wellness“. Man sagt, im Wald steige die Zahl der Killerzellen und das Immunsystem verbessere sich, schreiben die Wissenschaftler. Blutdruck, Kortisol und Puls würden sinken – „schon nach einer Stunde im Wald“. Wie lauten Ihre Erfahrungen damit?
Aus meiner ganz persönlichen Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich mittlerweile medizinische Laborwerte wie ein gesunder Zehnjähriger habe! Leider habe ich mit meinen 53 Jahren einige Abnützungen des Bewegungsapparats, die mich in meiner Mobilität einschränken. Aber anhand vieler Beispiele von Teilneh-
merinnen und Teilnehmern kann ich das jedenfalls bestätigen. Viele sind, nachdem sie regelmäßige Auszeiten im Wald einplanen, im positiven Sinn nicht mehr wiederzuerkennen.
Viele von uns verbinden mit dem Thema Wald schöne Erlebnisse. Baumhaus bauen in der Kindheit, Schwammerlsuchen oder lange Spaziergänge. Allein dadurch gibt es schon eine gewisse positive Konditionierung beim Menschen. Wie kann man auch im Anschluss von einer Wald-Session profitieren?
bzw. verströmen und wir diese besser wahrnehmen. Aber auch Laubbäume produzieren und kommunizieren über Botenstoffe, die wir einatmen. Und ein frischer Birkenhain im Frühling hat einen anderen Effekt als eine dunkle, moVOM WALDBADEN KANN MAN notone Fichtenkultur. Also jede Baumge-
TAGELANG ZEHREN. sellschaft wirkt unterschiedlich, gesund ist Wald aber in jedem Fall! Michael Haider, Zertifizierter Waldbaden-Trainer in Waldhausen im Strudengau Waldbaden hat auch viel mit
Achtsamkeit zu tun – einem Trend, der ja in vielen Lebenslagen einen regelrechten Siegeszug hingelegt hat. Haben Sie Einsteigertipps oder Achtsamkeitsübungen für unsere Leser*innen?
Nachdem Waldbaden neben möglichen medizinischen Effekten wie Immunsystem stärken, Genesung unterstützen, Bluthochdruck und Zucker senken, unter anderem auch den Stressabbau fördert und Schlafstörungen lindert, zehrt man noch Tage danach von den positiven Effekten. Es braucht dazu auch gar nicht immer unberührte Wälder, schon in städtischen Parks oder an der Peripherie unserer Städte finden sich ruhige, bewaldete Plätze und Ecken, wo man sich täglich oder mehrmals wöchentlich eine kleine „Waldauszeit“ gönnen kann und somit die Wirkung verlängert. Bei meinen Waldbadeeinheiten betreten wir den Wald immer ganz bewusst, man kann sich das wie eine imaginäre Schwelle vorstellen. Und wir grüßen aus Respekt vor den Geschöpfen der Natur und den Bewohnern des Waldes. Wenn man sich dann einen ruhigen und angenehmen Platz sucht und einfach die Augen schließt und je 20 Minuten nur auf die Geräusche hört und/ oder die Düfte und Gerüche auf sich wirken lässt, ist ein Anfang für einen rücksichtsvollen und achtsamen Umgang mit der Natur und dem Wald gemacht.
Die Japaner, wo Waldbaden seinen Ursprung hat, gehen davon aus, dass ein Aufenthalt im Wald auch einen präventiven, also vorbeugenden Einfluss auf die Gesundheit habe. Spielt es dabei eine Rolle, wie der Wald beschaffen ist? Hat Waldbaden in einem reinen Fichtenwald dieselbe Wirkung wie der Aufenthalt in einem alten Mischwald?
Tipp: Der Einstieg ins Waldbaden
Zum Waldbaden gibt es mittlerweile zahlreiche Bücher, die einen guten Einblick in das Thema geben und aufzeigen, wie man Gelassenheit und Wohlbefinden steigern kann. Man kann es aber natürlich auch geführt mit dem Experten erleben und zum Beispiel ein paar Stunden mit Michael Haider verbringen. Unter www.wald-sinn.at finden Sie dazu mehr Informationen.
Noch eine abschließende Frage: Haben Sie einen Lieblingsbaum und wenn ja, was fasziniert Sie an ihm?
Ja, den habe ich tatsächlich. Es handelt sich um eine alte, verkrüppelte Buche auf einem Felsen. Sie trotzt über Jahrzehnte allen Widrigkeiten! Ein Symbol für Durchsetzungskraft, Überlebenswillen und Genügsamkeit.
Grundsätzlich ja, wobei Nadelbäume besonders wirksame Terpene produzieren