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RADIKAL NEUE THERAPIEN“

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LEBENS-TECHNIK

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„DIE VIRUSFORSCHUNG WIRD EXPLODIEREN“

Josef Penninger (57) zählt zu den renommiertesten Genetikern der Welt. Derzeit leitet der Forscher und Unternehmensgründer das Life Sciences Institute an der University of British Columbia.

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Interview: Stefan Schatz

business: COVID hat die Wissenschaft in den Fokus der Medien gerückt. Steigt das Interesse an medizinischer Forschung?

Josef Penninger: Das Interesse an der Wissenschaft ist merklich gestiegen, in Österreich ist die Arbeitssituation für junge Wissenschaftler aber oft schwierig. Doch in der Forschung – vor allem der Grundlagenforschung – zu arbeiten, kann eine spannende Herausforderung sein. In der Pandemie haben wir gesehen: Wenn wir uns auf ein Thema fokussieren, können schnell viele Lösungen gefunden werden – weil schon lange Grundlagenforschung auf diesem Gebiet betrieben wurde, das war zuvor ein eher vernachlässigter Forschungsbereich. Ich denke, dass die Virusforschung explodieren wird.

Sie haben selbst eine Reihe von hochinteressanten Unternehmen gegründet: Ist es für Start-ups im medizinisch-pharmazeutischen Bereich leichter geworden, Investoren zu finden?

Penninger: Ich habe schon immer Firmen gegründet, da ich als Mediziner meine Forschung für Menschen anwendbar machen will. Die Coronakrise hat die Aufmerksamkeit von Investoren in diese Richtung gelenkt. Etliche Biotechunternehmen haben unglaublich an Wert gewonnen, andere wichtige Bereiche bezüglich Biotechnologie oder Klimawandel kommen aber zu kurz. Der Vorteil bei Investitionen in Biotechunternehmen ist, dass der technologische Fortschritt und damit der Output dieser Unternehmen extrem vorangeschritten ist. Biotech ist sicherlich die Leittechnologie dieses Jahrhunderts.

Was werden aus Ihrer Sicht die interessantesten medizinischen Durchbrüche in der Zeit nach der Pandemie werden?

Penninger: Es ist toll, dass Wissenschaft endlich den Stellenwert bekommt, den sie verdient. Trotzdem wurde andere Forschung teilweise zurückgefahren, sogar klinische Krebsstudien oder Feldversuche – ein enormer Schaden für alle Betroffenen! Wir haben vor zwei Jahren ein Gen entdeckt, das schlank machen könnte – das ALK-Gen. Wir fragten uns: „Warum gibt es Leute, die essen können, was sie wollen, und dennoch nicht zunehmen?“ Evolution ist resilient und adaptiert sich an die gegebenen Umweltfaktoren, auch an Klimaänderungen. Ich versuche, die Welt mit den Augen der Evolution zu sehen und medizinische Probleme und Erfordernisse alternder Gesellschaften aus neuen Blickwinkeln zu studieren. Daher suchen wir nach Schlankheitsgenen, um Fetthaushalt und Zuckerkrankheit besser zu verstehen.

Kann die Forschung dazu beitragen, Krankheiten wie Krebs zu „besiegen“?

Penninger: Krebs wird es leider immer geben, trotz all unserer Fortschritte. Der Alterungsprozess bringt auch Erkrankungen wie Knochenschwund, Alzheimer oder Zuckerkrankheit mit sich. Schon vor einigen Jahren konnten wir – viele Wissenschaftler gemeinsam – einen Durchbruch mit den völlig neuen Ansätzen in der Krebsimmuntherapie erzielen. Früher war etwa ein metastasierendes Melanom tödlich – heute überleben bis zu 40 Prozent der Betroffenen. Ich selbst habe in den 90er-Jahren zu dem grundlegenden Verständnis dieser Immunaktivierung gegen Krebs beigetragen. Dass dies zu einem Paradigmenwechsel in der Krebstherapie führte, konnte von uns natürlich niemand ahnen.

Gegenwärtig arbeiten Sie mit dem Unternehmen Angios GmbH an der Möglichkeit, aus Stammzellen neue Adern zu züchten. Was steckt dahinter?

Penninger: Wir können heute nicht alle Folgen von Bewegungsmangel und Fehlernährung reparieren. Doch wir können die Genome von mehr oder weniger allen Lebewesen lesen und die biologische Zeit durch sogenannte induzierbare pluripotente Stammzellen (iPSC) zurückdrehen. Daraus können menschliche Organoide gezüchtet werden, die menschlichen Organen ähnlich sind. Meine Laborgruppe hat selbstorganisierende 3D-Organoide menschlicher Blutgefäße aus diesen Stammzellen entwickelt. In Versuchen konnten wir beweisen, dass in Mäuse transplantierte menschliche Blutgefäß-Organoide einen stabilen durchbluteten Gefäßbaum bilden. Langfristig hoffen wir, mit solchen Modellen Behandlungsmethoden für Krankheiten wie Diabetes zu finden. Um das voranzutreiben, habe ich die Biotech-Firma Angios gegründet (https://www.angios-bio.com/). Wir möchten radikal neue Therapien entwickeln und geschädigte Blutgefäße durch neue ersetzen, etwa bei Verbrennungen oder nicht heilenden Wunden.

Selbstoptimierung wurde zum Trend. Wird es bald Pharmazeutika geben, die uns schlanker, intelligenter und fitter machen?

Penninger: Wir haben vieles durch Genetik gelernt und unser genetischer Bauplan ist in ständiger Interaktion mit unserer Umwelt. Sogar bei der Körpergröße, welche genetisch stark determiniert ist, sind

viele Gene beteiligt. Daher sind sogar so einfache Dinge derzeit kaum überwindbare Hürden. Das ist aber auch die Stärke von Evolution, Menschen oder Tiere so verschieden und variabel wie möglich zu machen. Altern und Sterben sind dabei ein essenzieller Teil. Altersforschung ist sehr interessant. Vor Kurzem wurden drei Milliarden Dollar in die neue Altersforschungsinitiative Altos investiert. Das sollte auch unsere bekannten und derzeit gelebten Modelle von Forschungsfinanzierung, die großteils obsolet und absurd sind, radikal ändern, zumindest hoffe ich das. Mein Mentor Georg Wick hat das erste österreichische Altersforschungsinstitut gegründet und ich leite das Advisory Board für eine französische Initiative, wie man es schaffen könnte, dass Menschen so lange wie möglich ein selbstständiges Leben führen. Es geht also nicht um Altersrekorde, sondern darum, wie man in Würde gesund und alt wird.

Wie wichtig sind digitale Hilfsmittel?

Penninger: Biomedizinische Forschung generiert enorme Datenmengen, die man lesen und interpretieren muss. Die digitalen Technologien sind daher in der medizinischen Forschung enorm wichtig. Vor allem auch bei der Behandlung von Patienten können wir heute viel mehr erreichen. Beispielsweise bietet IBM das Computerprogramm „Watson“ an. Es wertet bestehende Krankenakten aus und hilft bei der Auswahl von Behandlungsmethoden. Computer und AI helfen auch, Insulin viel besser einzustellen bei Diabetikern oder etwa Medikamentenwirkungen besser an bestimmte Populationen anzupassen. Das ist erst der Beginn dieser Revolution.

In der Pandemie hat die internationale Zusammenarbeit von Pharmaunternehmen überrascht. Ist diese Zusammenarbeit tatsächlich so unüblich oder ist das Aufgabengebiet mittlerweile so komplex, dass es ohne Kooperationen nicht mehr geht?

Penninger: Ich denke, das kommt auf den Forschungsbereich an. Am Life Sciences Institute (University of British Columbia), dessen Leitung ich zurzeit innehabe, haben wir zahlreiche Kooperationen, wie etwa mit der Harvard Medical School, dem IMBA in Wien oder der Chinese Academy of Sciences. Generell ist und war meine Philosophie immer, dass man zusammenarbeiten muss, besonders heute in einer hoch technologisierten Welt, in der man als einzelnes Labor oder Firma viele Sachen nicht mehr allein machen kann. Jedoch ist das System der Forschungsförderung noch immer veraltet und eigentlich ein „broken business model“ und die Anreize für Wissenschaft müssen sich ändern. Außerdem macht es viel mehr Spaß, wenn man etwas gemeinsam macht und junge Wissenschaftler fördert.

Zum Abschluss noch die unvermeidliche Frage: Wird COVID endemisch und holt man sich aus der Apotheke Medikamente dagegen wie gegen einen grippalen Infekt?

Penninger: Ja, das war von Anfang an klar. Nur hat die Politik nicht gut zugehört und plötzlich gab es zu viele Experten, die es schon immer besser wussten. Viren leben seit Hunderten Millionen von Jahren auf unserem Planeten – und zwar sehr erfolgreich. Es gibt so etwa 1,5 Millionen verschiedene Virenarten, von denen wir die meisten noch gar nicht kennen. In unseren Meeren leben zehnmal mehr Viruspartikel als alle anderen Lebewesen, inklusive Bakterien, und mehr als alle Planeten im Universum, soweit wir dies wissen. Und noch eine kleine Annahme: Wenn man alle Viruspartikel aneinanderlegen würde, käme man etwa 200.000 Lichtjahre weit! Eine faszinierende Welt, an deren Oberfläche wir erst kratzen. Was wir tun können, ist, durch unsere neuen Technologien krank machende Viren besser verstehen zu lernen und dann etwas dagegen zu tun. Das machen wir auch bei der JLP Health. Und ACE2, das ich mitentdeckt habe und an dem ich seit 24 Jahren arbeite, ist die Tür, die das SARS-CoV-2-Virus braucht, um uns zu infizieren. Diese Tür zu schließen, ist das Ziel fast aller Impfstoffwirkungen und vieler Medikamente, jedoch ändert sich das Virus, wie wir von Omikron wissen. Aber alle Varianten werden immer ACE2 als Tür verwenden. Dadurch haben wir eine Universalmedizin und Universalprävention gegen alle derzeitigen und zukünftigen SARS-CoV-2-Virusvarianten, nämlich ACE2 selber. Dadurch bricht die Infektionskette zusammen. Je früher man dies gibt, desto besser. Wir haben also eine Lösung, die man nur noch weiterentwickeln muss. ••

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