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BILDUNGS-OFFENSIVE
NEUE IMPULSE IN LINZ
Der neue Campus der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz ist gleich in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes.
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Text: Robert Prazak • Foto: JKU
Die Studierenden tragen 3D-Brillen und blicken auf Knochen, Organe und Muskeln. Sie sitzen in einem dunklen Raum und sehen die riesigen Bilder in höchster Auflösung. Auf diese Weise können die zukünftigen Mediziner Scans des menschlichen Körpers virtuell erkunden und bekommen damit ganz neue Einblicke – es wird Anatomie sozusagen in einer anderen Dimension dargestellt. Wir befinden uns in dem JKU medSPACE in Linz, einer neuartigen Einrichtung für Medizinstudierende. Durch die Zusammenarbeit zwischen Johannes Kepler Universität Linz, Siemens und Ars Electronica wurde es möglich, dass solche neuen Technologien ab sofort für das Medizinstudium in Oberösterreich genutzt werden können. „Für Siemens Healthineers stellt der JKU medSPACE als Pionierprojekt einen Meilenstein in der Realisierung innovativer Lernkonzepte dar, und wir freuen uns, die Medizinische Fakultät auf diesem Weg unterstützen zu dürfen. Aber auch für die Anwendung innerhalb des Klinikalltags sehen wir großes Potenzial, mit Cinematic Anatomy die Zusammenarbeit in den interdisziplinären Teams zu verbessern“, sagt Wolfgang Heimsch, Leiter Customer Services bei Siemens Healthineers. Auch Horst Hörtner, Ars Electronica Futurelab Director, kommt ins Schwärmen: „Das Besondere an dieser ‚virtuellen Anatomie‘ ist, dass die Studierenden in ihren Lehrveranstaltungen Daten von Patientinnen und Patienten bearbeiten können, die mit den eigenen CT- und MRT-Geräten aufgenommen wurden – dargestellt in einer nie da gewesenen, fast fotografischen Qualität in 8K, in Stereografik und in Echtzeit navigierbar.“
Campus für alle
Dieser JKU medSPACE ist ein Teil des neuen Campus der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz (JKU), der im September vorigen Jahres offiziell eröffnet wurde. Vor dreieinhalb Jahren war mit dessen Bau begonnen worden; mehr als 105 Millionen Euro wurden investiert. Konkret besteht der neue Campus aus vier Bauteilen: Verwaltungsgebäude, Labor- und Forschungsgebäude, Lehrgebäude mit Aula,
CHRISTINE HABERLANDER, LHSTV. OÖ
Christine Haberlander
LHStv. OÖ: „Investitionen in die Gesundheit sind Standortinvestitionen.“
Franz Harnoncourt
Chef des Kepler Universitätsklinikums: schwärmt vom baulich markanten Leuchtturm.
105
Millionen Euro wurden in den Campus der Medizinischen Fakultät der JKU investiert und damit völlig neue Ausbildungskonzepte ermöglicht.
zwei Hörsälen und Seminarräumen sowie eine Bibliothek mit einem Lernzentrum. Zu der Infrastruktur des Campus zählt unter anderem auch eine Filiale der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Das Bankstellenkonzept sieht den verstärkten Einsatz digitaler Medien vor: Terminvereinbarungen zu einem persönlichen Beratungsgespräch können Kunden vor Ort über ein Tablet erledigen – unabhängig von Schalteröffnungszeiten. Neben dieser Bankstelle umfasst die Infrastruktur des neuen Campus etwa auch einen Supermarkt und eine Bäckerei – nicht nur Studierende sollen hier also die nötigen Einrichtungen für das tägliche Leben vorfinden. Es handle sich um einen „auch baulich markanten Leuchtturm und eine animierende Begegnungszone in der gemeinsamen Weiterentwicklung der Fakultät“, schwärmt Franz Harnoncourt, Chef des Kepler Universitätsklinikums, das sich gleich nebenan befindet. Wichtig für den Standort ist nämlich das Zusammenspiel zwischen Forschung, Lehre und gesundheitlicher Versorgung. Diese drei Kernaufgaben würden auch der gelebten Realität entsprechen, sagt Harnoncourt. Mit dem neuen Campus gibt es direkt am Gelände des Universitätsklinikums einen attraktiven Ort, an dem diese Aufgaben und die Inhalte des Universitätsklinikums auf einen Nenner gebracht werden. „Wenige Universitätskli-
MANCHE FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE WERDEN NUR IN LINZ ANGEBOTEN.
FRANZ HARNONCOURT, KEPLER UNIVERSITÄTSKLINIKUM
niken haben eine so kompakte Zusammenführung der verschiedenen Aufgaben.“ Das ergebe sich durch die „riesige Chance einer Neugründung und einer architektonischen Gestaltung“.
Studentisches Leben im Zentrum
Von den Rahmenbedingungen wie am neuen Campus könnten viele andere Universitäten nur träumen, meint auch Christine Haberlander, Landeshauptmann-Stellvertreterin von Oberösterreich und unter anderem für den Gesundheitsbereich zuständig. „Eine Investition in die Gesundheit ist eine Investition in den Standort. Das haben wir jetzt immer wieder gesehen.“ Die Medizinische Fakultät ziehe Studierende an und die dort ausgebildeten jungen Mediziner sichern dauerhaft die Gesundheitsversorgung – im Krankenhaus und im niedergelassenen Bereich. Eine Besonderheit des neuen Medizin-Hotspots in Linz ist zudem die Lage direkt in der Stadt. Das sei eine wichtige Bereicherung der oberösterreichischen Hauptstadt, meint Harnoncourt. „Der Med Campus bildet mit dem Platz zwischen den Gebäuden ein innerstädtisches Ensemble, das studentisches Leben und innerstädtische Betriebsamkeit verbindet.“ Und der Weg zum Universitätsklinikum wird dadurch im besten Wortsinn auch gleich gelegt. Dass weiche Faktoren für Gesundheit, Ausbildung und Lehre durchaus wichtig sind, bestätigt JKU-Rektor Meinhard Lukas, denn neben der modernen technischen Ausstattung sei der neue Campus ein „Ort zum Wohlfühlen“. Dem Architekten Peter Lorenz sei es gelungen, einen Campus zu schaffen, der über reine Funktionalität hinausgeht. „Ein inspirierendes Umfeld für Forschung und Studierende entsteht nicht nur durch die architektonischen Annehmlichkeiten, sondern auch durch das gute Betreuungsverhältnis und die Open-Door-Policy, die unsere Lehrenden seit jeher pflegen“, erläutert Lukas.
DIE PANDEMIE HAT DIE WICHTIGKEIT VERNETZTER FORSCHUNG GEZEIGT.
MEINHARD LUKAS, REKTOR JKU
Der neue Campus ist der jüngste Schritt für Linz als Standort für die Ausbildung von Medizinern. Im Oktober 2014 wurde die Medizinische Fakultät der Linzer Universität gegründet. Doch wie kann sich diese Medizinausbildung von anderen Einrichtungen dieser Art abheben? Mit dem Humanmedizinstudium im Bachelor-Master-System will die Johannes Kepler Universität einen neuen Weg in der Medizinausbildung gehen, erläutert Rektor Lukas. „Durch die modulare und organzentrierte Lehre werden unsere Studierenden nahe an den Bedürfnissen der Patienten ausgebildet.“ Und er verweist auf Forschungsschwerpunkte, die es nur hier gibt, zum Beispiel klinische Altersforschung und Versorgungsforschung. Es wird derzeit an insgesamt 66 Instituten und Abteilungen der JKU im medizinischen oder medizinnahen Bereich geforscht. Nicht zuletzt die Coronapandemie hat gezeigt, wie wichtig die Forschung für die Menschheit ist. Daher ist ein Impuls für Wissenschaft und Forschung jetzt besonders wichtig. „Die Pandemie und die rasche Entwicklung hochwirksamer Impfstoffe haben aufgezeigt, wie entscheidend vernetzte Forschung für uns alle ist“, sagt Lukas. Und Christine Haberlander meint, dass die Medizinische Fakultät kein Elfenbeinturm der Wissenschaft sein soll. „Ziel ist es, medizinische Forschungsergebnisse direkt zu den Patienten zu bringen. Hier geht es um Medizin, die beim Menschen ankommt.“ Eine wichtige Rolle spielen aber auch die Unternehmen: Rund um Wissenschaft und Forschung gibt es ein großes wirtschaftliches Potenzial. „Auch das müssen wir in Oberösterreich nutzen.“ Der neue Campus soll aber nicht nur für Lehre, Forschung und Gesundheitsversorgung ein zentraler Treffpunkt sein, sondern auch für die Medizintechnikbranche – diese wird für Oberösterreich immer wichtiger. ••
Forschung in Linz
Forschung ist zentraler Bestandteil der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität in Linz. Derzeit stehen Forschern im Zentrum für Medizinische Forschung rund 1.500 Quadratmeter Laborfläche zur Verfügung. Acht Forschungsgruppen und eine sogenannte Core Facility (Molekularbiologie und Next Generation Sequencing) sind bereits aktiv oder werden gerade aufgebaut. Zu den aktuellen Forschungsthemen zählen unter anderem Netzhautimplantate oder eine Spritze gegen Herzinfarkt. „Mit unseren Forschungsförderungsprogrammen Clinician Scientist Program und Advanced Clinician Scientist Program geben wir unseren Medizinern Raum und Zeit, ihre wissenschaftliche Tätigkeit mit der klinischen Laufbahn vereinbaren zu können“, betont JKURektor Meinhard Lukas.