Servus in Stadt & Land 7/13

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Die Steirische

Zwischen Mythos & Moderne

E i nfac h

2

.

Gut .

Leben

Hochzeit im Wald

Auf den Spuren des Rehs

2

JuLi

07/2013 EUR 4,50 chf 7,00

S端sse Fr端chte frisch aus dem Garten

Der Urwald an der Donau

&

Ringen & Singen in den Nockbergen

&

Lavendelduft im Sausal

>


36

50

22

Inhalt 2013 Juli

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Küche

Wohnen

12 Spiegel der Alpen

50 Süße Früchtchen

36 Basteln mit Kindern

22 Königin der Verwandlung

56 Eine leichte Ochsentour

82 Abgetragen und aufgebaut

30 Großes Glück im Kleinen

64 Aus Omas Kochbuch

Momente der Ruhe und Besinnung an den Ufern unserer klaren Bergseen.

Hortensien erfreuen uns mit ihrem wundersamen Farbenspiel.

Zu Besuch in einem märchenhaften Garten in Henndorf am Wallersee.

Hübsche Rundungen und köstlicher Geschmack: Die Marille hat Saison.

Kurz oder gar nicht gegart: So schmeckt Rind im Sommer.

Ein traditionelles Rezept aus dem Burgenland: die Weinsuppe.

40 Blühende Beete ohne Durst

66 Zeit der Beeren

116 Der Duft des Sommers

74 Strahlend weiß

Gartengestaltung mit Kies und Stein.

Das Lavendelparadies inmitten südsteirischer Weingärten.

146 Wenn die Böcke springen

Sommerlicher Liebesrausch der Rehe.

4 Servus

Wir versüßen uns den Tag mit selbst gemachten Marmeladen.

Leicht, kühl und doch würzig: Wir kochen mit Frischkäse von Kuh, ­Ziege und Schaf.

Eine Baumscheibe und ein Bleistift – fertig ist unsere Sonnenuhr.

Wie ein uraltes Bauernhaus ins steirische Semriach übersiedelte und neu erstrahlte.

94 Ins Körberl klauben

Mit einer selbst gebastelten Weiden­ zistel macht die Beerenernte noch mehr Spaß.

96 Lichte Momente

Wir basteln Lampions fürs Sommer­ fest im Garten aus altem Zeitungs­ papier und Zweigen.

zusatzfotos Cover: laif, mauritius images

Natur & Garten


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74 146

Standards 106

fotos inhalt: katharina gossow, eisenhut & Mayer, michael reidinger, peter podpera, mauritius images, f1-online, imago

Land & Leute 102 Gürtel für Generationen

140 Es klappert die Mühle

106 Zsammgreifn – und los!

152 Die Donau und ihr Urwald

Zu Besuch bei der Federkielstickerin Elisabeth Holuschka-Abolis im Tiroler Unterinntal.

In den Kärntner Nockbergen ringen die Burschen auch, um den Mädchen zu imponieren.

122 Vollkommene Harmonie

Wie die Knöpferlharmonika sich in die Herzen der Menschen spielte.

In Hummelhausen, an der bayerischtirolerischen Grenze, werden noch traditionelle Wasserräder erzeugt.

In den europaweit einzigartigen Auen östlich von Wien haben die Menschen ihr Leben dem Fluss angepasst.

180 Mythos Wolfgangsee

Im ersten Jahrtausend nach Christi Geburt hieß das Gewässer im Salzkammergut noch Abersee. Dann kam Bischof Wolfgang von Regensburg.

132 Der mystische Berg Göll

Viele Legenden ranken sich um den heiligen Keltenberg zwischen Tennen­ gau und Berchtesgadener Land.

3 Vorwort 6 Leserbriefe, Altes Wissen 8 Mundart: Stachelbeere 10 Servus daheim 28 Schönes für draußen 38 Der Garten-Philosoph 44 Natur-Apotheke: Pfefferminze 46 Unser Garten, Mondkalender 70 Gutes von daheim: Eis vom Bauernhof

80 Schönes für die Küche 92 Fundstück: Eine Badehäusel-Etagere aus Kleiderhaken und Hasengitter

100 Schönes für drinnen 112 Michael Köhlmeier: Der Sägenfeiler

166 Jörg Steinleitner:

Silbertalers Traum

170 ServusTV:

Sehenswertes im Juli

176 Feste, Märkte, Veranstaltungen 186 Impressum, Ausblick, Adressen Titelfoto: Eisenhut & Mayer

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naturwunder

Spiegel der Alpen Einem Wanderer, der am Ufer eines Bergsees nicht zu Ruhe und Besinnung kommt, dem ist von Menschenhand nicht mehr zu helfen. Also genießen wir – und lauschen den Geschichten, die uns die klaren Wasser erzählen. Text: Peter Krobath

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Foto: your photo today

Die Zugspitze spiegelt sich im Seebensee in Tirol, am Ufer blüht der ­Almrausch. Hier auf 1.657 Meter Höhe können sich Wanderer auf Ab­ kühlung im 12 Grad kalten Wasser freuen, bevor sie ihre Tour zur Coburger Hütte fortsetzen.

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Zwei alpine Unterwasser­ paradiese für Taucher: der Gosausee auf 931 Metern­ im oberösterreichischen Salzkammergut und der Fernsteinsee auf 934 Metern­in Tirol (Foto unten).

altes, klares Wasser. Mehr Worte braucht ein Wanderer nicht, um einen Bergsee zu beschreiben. Kaltes, klares Wasser. Der Dichter hat natürlich mehr zu sagen. Besonders wenn er ein Naturfreund ist. Adalbert Stifter, jener Schriftsteller und Maler, der zu den bedeutendsten Autoren des Biedermeier zählt, beschreibt in seiner 1842 erschienenen Erzählung „Der Hochwald“ einen Bergsee, der inmitten einer ­urwüchsigen Landschaft liegt, aus nichts ­bestehend, wie Stifter schreibt, als tief schwarzer Erde, dem dunklen Totenbette tausendjähriger Vegetation, worauf viele einzelne Granitkugeln liegen, wie bleiche Schädel von ihrer Unter­lage sich abhebend, da sie vom ­Regen bloß­gelegt, gewaschen und rund ge­ rieben sind. (...) Keine Spur von Menschenhand, jungfräuliches Schweigen. Eine tiefe Ehrfurcht vor der Natur überkommt den Menschen bei Stifter, sobald er zu diesem märchenhaften See hinaufgestiegen ist. Ein gespanntes Tuch ohne eine einzige ­Falte liegt er weich zwischen dem harten Geklippe, gesäumt von einem dichten Fichtenbande, dunkel und ernst, daraus manch einzelner ­Urstamm den ästelosen Schaft emporstreckt, wie eine einzige altertümliche Säule. Wie eine versteinerte träne

Tagelang könnte man an seinen Ufern sitzen und verweilen, so der Dichter weiter, und kein Laut würde die Gedanken stören, als etwa der Fall einer Tannenfrucht oder der kurze Schrei eines Geiers. Ein unheimliches Naturauge, von dem aus gleichermaßen die Schöpfung ihn selbst betrachtet, erkennt Stifter in diesem zivilisationsfernen Sehnsuchtsort, ein unheimliches Naturauge, tief schwarz, überragt von der Stirne und Braue der Felsen, gesäumt von der Wimper dunkler Tannen, drin das Wasser regungslos, wie eine versteinerte Träne. Adalbert Stifter hat schon recht gesehen. Es ist das Wasser, das den Bergsee so besonders macht. Ein Wasser, dessen Klarheit und

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fotos: f1-online, mauritius images, imago

Der Duisitzkarsee in den ­Schladminger Tauern der Steiermark: Dieses ­Landschaftsjuwel auf 1.648 Meter Höhe kann von der Eschachalm aus in einer einstündigen ­Wanderung erreicht werden. Die Tour ist auch für Kinder geeignet.

Reinheit nicht nur Schöngeister am Ufer zum Schwärmen bringt. „Man fühlt sich wie auf einem anderen ­Planeten“, schreibt der Sporttaucher Herbert Frei über seine Erfahrungen unter Wasser am Berg. „Das gegenüberliegende Ufer ist zum Greifen nah, in der Ferne stehen Forellen in der Sonne, Lichtspiele am Grund gleichen dahinjagenden Irrwischen. Nichts ist normal, Erklärungen sind nicht möglich, das sind Re­alität gewordene Taucherträume.“ Zum Untertauchen im Alpenraum sind laut Experten Bergseen zwischen 800 und 1.100 Höhenmetern zu empfehlen. In diesen Lagen kann man Hechte, Rotaugen und Barsche, Bachforellen und Saiblinge, aber auch üppig gedeihende, meterhoch wachsende Algen oder versunkene Baumriesen finden, die

wie Mikadostäbchen übereinandergetürmt und durch die Natur konserviert oft schon seit Jahrhunderten im klaren Wasser liegen. So rein, dass man daraus trinken kann

Weiter oben wird die Unterwasserwelt immer karger. Eiskalt ist sie sowieso – weshalb Bergseetauchen auch glasklar nichts für Anfänger ist. Besonders durch Vereisung des Atemreglers, aber auch durch falsches Einschätzen der Dekompressionszeiten beim Auftauchen kommt es immer wieder zu gefährlichen Zwischenfällen. Ein Bergsee befindet sich nämlich nicht auf Meereshöhe. Also muss auch der Wasserdruck ein anderer sein als in Flachlandgewässern. Univ.-Prof. Dr. Martin Dokulil ist Limnologe, demnach ein Wissenschaftler, der sich

– entsprechend dem altgriechischen Wort für See – mit der Erforschung von Binnengewässern beschäftigt. Ja, bestätigt er gern und mit deutlich hörbarer Euphorie in der Stimme, ja, in den allermeisten Fällen sei das Wasser in Bergseen im Alpenraum so rein, dass man es ­gefahrlos trinken könne. „Wobei ich betonen muss, dass man trinkbar nicht mit Trinkwasserqualität verwechseln darf.“ Das Gütesiegel Trinkwasserqualität ist nach strengen Normen definiert, die ein Bergsee, selbst wenn sein Wasser keinerlei Gefahr für Leib und Leben birgt, nicht un­ bedingt erreichen muss. „Das ist ein Fehler, den viele Journalisten machen.“ Aber viele Fremdenverkehrsvereine offensichtlich auch. Und so ganz nebenbei gilt sowie- ➻

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so: Der reinste Bergsee kann Probleme krie­ gen, wenn zu viele Kühe an seinen Rändern grasen. „Verzeihen Sie die Wortwahl, aber die machen dann hinein“, sagt der Professor. Haben wir verstanden. Danke für die Warnung. Bergseen und Hochgebirgsseen, die im Alpenraum üblicherweise ab 2.000 Meter so bezeichnet werden, seien extreme Ökosys­ teme, erklärt der Wissenschaftler. In großer Höhe gelegen, werden sie sich im Sommer nie so stark erwärmen wie Flachlandseen. Oft sind sie nährstoffarm, was die besonde­ re Klarheit des Wassers erklärt. Diese führt ­wiederum dazu, dass die UV-Strahlung in diesen Gewässern weitaus höher ist als im Tal. Fische sind in Hochgebirgsseen kaum

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vor­handen – und wenn, dann wurde der ­Natur kräftig nachgeholfen. In Österreich etwa ließ Kaiser Maximilian I., der wohl ein großer Feinschmecker gewesen sein muss, schon vor 500 Jahren Osttiroler Hochge­ birgsseen bis auf 2.500 Meter Seehöhe mit Bachforellen besetzen und befischen. Empfindlich auf Klimaveränderungen

Noch heute werden manche Bergseen regel­ mäßig nachbesetzt. Dr. Dokulil hält derlei Methoden für äußerst fragwürdig. Weil die Fische in diesen extremen Biotopen nur ­wenig Futter finden, wachsen sie nur sehr langsam, bleiben in der Regel klein, und Fortpflanzungsprobleme haben die Armen am Ende auch noch.

Seen, die oberhalb der Waldgrenze lie­ gen und grundsätzlich aus der Gletscher­ schmelze entstanden sind, nennt man alpi­ ne Seen. Man kann sie vom Äquator bis zu den Polen finden. Und ganz egal, ob sie nun in den nordameri­kanischen Rocky Mountains, in den südamerikanischen An­ den oder in den Alpen, in Norwegen auf 300 Metern über dem Meer oder im Hima­ laja-Gebiet auf 5.000 Höhenmetern liegen – sie alle sind weltweit vergleichbar und ­reagieren ähnlich empfindlich auf globale Umweltveränderungen. Wie wird sich die Klimaerwärmung auf diese Lebenswelten auswirken? Wie rea­ gieren Mikroorganismen, die viele Monate des Jahres unter einer meterdicken Eis­ ➻

fotos: imago, juniors bildarchiv

Der Schwarzsee auf der Turracher Höhe in Kärnten: ein lohnendes Ausflugsziel auf 1.840 Meter Höhe, dessen Name von seiner Schwarzfärbung herrührt. Sie wird durch den moorigen Boden und ein Anthrazit­vorkommen verursacht.


Der Zireiner See im Tiroler Rofangebirge. Einer alten Sage nach zieht „Das blaue Auge des Rofan“ auf 1.799 Meter Höhe jeden Wanderer in die Tiefe, der an seinem Ufer einschläft.

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Hoch oben in den Bergen, Da liegt ein schwarzer See, Umhaust von Elfen und Zwergen Und kalt wie Gletscherschnee. Da hab ich oft gesessen Und um mein Lieb geklagt, Das aber hat mich vergessen Und nicht nach mir gefragt. Max Haushofer (1840–1907)

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Hier wirft kein Fischer seine Angelschnur. Kein Nachen wird auf deinem Spiegel gleiten. Wie Chorgesang der feiernden Natur Rauscht nur der Wald in diesen Einsamkeiten. Heinrich Leuthold (1827–1879), aus: „Der Waldsee“

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Foto: f1-online

Nomen est omen: der Spiegelsee im ­ teirischen. Still und ruhig liegt er da S auf 1.862 Meter Seehöhe, eingebettet ­zwischen Schoberspitz und Gasselhöhe, erreichbar über den Reiteralm-Höhenweg. Und mit einem atemberaubenden Panoramablick auf das Dachsteinmassiv.


Der Drachensee im Mieminger Gebirge in Tirol: ein Naturwunder in 1.874 Meter Höhe. Der Heimat­dichter Ludwig Ganghofer lebte zwischen 1906 und 1918 in dieser Gegend.

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Einst kannt ich eine Seele, ernst, voll Ruh, Die sich der Welt verschloss mit sieben Siegeln, Die, rein und tief, geschaffen schien wie du, Nur um den Himmel in sich abzuspiegeln. Heinrich Leuthold, aus: „Der Waldsee“

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Saiblinge, Forellen und Äschen leben im Almsee auf 589 Meter. Streng ­genommen ist er gar kein Gebirgssee. Aber weil er so schön am nördlichen Ende des Toten Gebirges liegt, darf er in ­unserer Auswahl nicht fehlen.

gut zu

wissen

> Hochgebirgsseen sind eine Welt für sich: Nährstoffarm und mit extremen Be­ dingungen, bieten sie nur wenigen Arten, vor allem Mikroorganismen, eine Heimat. > Bergseen enthalten sehr kaltes Wasser. Aus diesem Grund und da auch vom Land her wenig Nahrung ins Wasser gelangt, kommen nur wenige Fische mit den schwie­ rigen Bedingungen zurecht. Häufig leben nur Seesaiblinge in den Seen, eine mit den Forellen verwandte Fischart. Dazu kommen unter nicht allzu schwierigen Bedingungen auch Bachforellen. > Der Schwarzreiter, eine Kümmerform des Saiblings, ist noch in Karseen über 2.000 Meter Seehöhe anzutreffen. > Infolge des veränderten Klimas schmel­ zen im Alpenraum die Gletscher. Im Moment verlieren sie zwei bis drei Prozent ihres Volu­ mens pro Jahr. Geht der Rückgang so weiter, werden Ende des 21. Jahrhunderts nur noch in großer Höhe vereinzelte Gletscherreste vorhanden sein. Aber während sich die ­Gletscher zurückziehen, bilden sich wieder neue Bergseen. > In Tiroler Bergseen hat ein Forscher­ team unter der Leitung von Dr. Ruben Somma­ruga Bakterien entdeckt, die mit dem Sahara-Staub gekommen und somit 2.500 Kilometer weit, etwa drei bis sieben Tage lang, geflogen sind. > Hochgebirgsseen im Himalaja-Gebiet gehören zu den transparentesten Gewäs­ sern der Welt. Der Gehalt an Inhaltsstoffen in einigen dieser Seen ist nur unwesentlich höher als in destilliertem Wasser.

fotos: imago, herzlichen dank an die österreichische bundesforste AG

> Alle Hochgebirgsseen sind 10.000 bis 12.000 Jahre alt. Sie sind demnach relativ jung im Vergleich zu Seen in tiefer gelegenen Regionen.

decke verbringen, auf die Monate, in denen die UV-Strahlung verstärkt in jeden Winkel ihres Daseins dringt? Wie passen sich Organismen an Seen an, die durchs Abschmelzen der Gletscher neu entstanden sind? Welche Strategien entwickeln sie, um zu überleben? Und überhaupt: Wie machen sie das? Das sind die Fragen, auf die mit Dr. Ruben Sommaruga ein weiterer Experte Antworten sucht. Ortsspezifisch könne man sicher negative Auswirkungen feststellen, meint er, anderswo wiederum passen sich die Mikroorganismen an die veränderten Lebensformen an. Sie siedeln sich zum Beispiel tiefer an. Oder, wie der Limnologe von der Universität Inns-

bruck bei Forschungen in Hochgebirgsseen im Gebiet des Himalaja festgestellt hat, sie beginnen, selbständig Sonnenschutzmittel zu produzieren, und können auf diese Weise die entstandenen DNA-Schäden am eigenen Organismus lindern. Die weit gewanderten FüSSe abkühlen

Was das alles mit uns zu tun hat? Denken Sie an den nächsten Strandurlaub. Eventuell lässt sich der Sonnenbrand in Zukunft durch solche Forschungen verhindern. Wenn man Dr. Martin Dokulil am Ende des Gesprächs bittet, ob er sich nicht ein paar Momente lang aus der Welt nehmen und – dabei vollkommen entspannt, los­ gelassen und ohne jeglichen wissenschaft­

lichen Zusammen­hang – an den Begriff Bergsee denken möge, wenn er nur erzählen soll, was ihn in solchen Augenblicken intuitiv durch den Kopf läuft, dann tauchen Bilder auf, die gar nicht so weit vom eingangs erwähnten Adalbert Stifter weg sind. Kindheitserinnerungen und Wörter wie Erholung und Ästhetik tauchen auf, und am Ende wird der Limnologe von der Freude des Wanderers erzählen, der sechs Stunden am Berg unterwegs war und froh ist, wenn er die Schuhe ausziehen und die Füße ins kühle Nass stecken kann. „Da kommt dann endlich ein Bergsee, und man kann sogar daraus trinken“, sagt Dr. Dokulil. Kaltes, klares Wasser. Genau ­darum geht es. 3

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rezepte mit Tradition

Eine leichte Ochsentour

Es muss nicht immer Braten sein. Gerade im Juli, wenn wir selber in der Hitze schmoren, schmeckt Rind am besten kurz oder gleich gar nicht gegart. Und eine heiße Suppe gehört auch dazu. Die kühlt nämlich so schön … Redaktion: klaus kamolz & alexander rieder Fotos: Eisenhut & Mayer


Tirol

Rinderfiletsteaks mit ­Kapernbutter und Zucchini Rauchige Würze und der volle Geschmack gereiften Fleisches: Wir umwickeln das beste Stück vom Rind diesmal mit herzhaftem Bauchspeck. Aber wollen wir es noch blutig oder eher zartrosa? Um den Gargrad festzustellen, benützt man die eigene Hand. Ein innen fast rohes Filet reagiert auf Fingerdruck wie der weiche Daumenballen. Drückt man hingegen Daumen- und Ringfingerspitze zusammen, fühlt sich das an wie rosa (oder medium) gebratenes Fleisch.

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Steiermark

Tafelspitzsulz auf Rettichsalat Manche sind schon mit dem weißen Bett allein zufrieden, auf das wir unseren Küchenklassiker gelegt haben: Rettich, hauchdünn geschnitten, dazu nur Salz und ein kühles Bier. So einfach und gut kann der Sommer schmecken. Radi und Tafelspitz vertragen aber auch einen frischen steirischen Welschriesling wunderbar. Und noch ein Tipp: Sehr hübsch sieht der Rettich aus, wenn man ihn mit dem Radischneider zu feinen Spiralen kurbelt.

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Niederösterreich

Sommerliche Rindsuppe mit Zitronenbrot Nicht gleich erschrecken, wenn wir im Hochsommer mit einer heißen Suppe vorstellig werden. Warme Getränke, vor allem Tee, sind in südlichen Ländern weit verbreitet, wenn die Sonne ihre ganze Kraft entfaltet. Sie zaubern einen kühlenden Film auf die Haut und schonen den Energiehaushalt; Kaltes muss der Körper erst auf Temperatur bringen. Diese Suppe enthält auch noch wichtige Mineralstoffe – mit einem zitrusfrischen Markbrot also ein perfektes Sommeressen.

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Burgenland

Marinierte Rinderspieße mit Fenchel-Pfirsich-Salat und Glut-Erdäpfeln Ein bisschen Säure, ein bisschen Zucker – in Essig und Honig mariniert, werden diese Beiriedspieße auf dem Griller sicher butterzart. Und während sie, parfümiert vom Rauch der Holzkohle, garen, funkeln darunter silbrig die eingepackten Erdäpfel in der Glut. Bei so einem Sommer-Grillvergnügen gehört natürlich ein Salat dazu. Darf’s etwas süßlich oder einen Hauch bitter sein? Mit molligen gelben oder herben Weingartenpfirsichen lässt sich der Geschmack gut beeinflussen.

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Wien

Rindertatar mit knusprigen Erdäpfeln Dass die Tataren, das östliche Reitervolk, ihr Fleisch zwischen Sattel und Allerwertestem weich geritten haben, ist eine weit verbreitete Legende. Und weil feinstgehacktes (nicht faschiertes) ­Rinderfilet auch so herrlich mürbe ist, heißt es ­Tatar. Trotz des Namens ist Rindertatar eine ur­ österreichische Köstlichkeit, birgt es doch jene Würze, die auch Beuschel und Rindsroulade ver­ edelt: Kapern und Essiggurkerln. Und dazu, ganz wienerisch: frisch gebackene „Rohscheiben“.

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Rinderfiletsteaks mit Sommerliche Rindsuppe ­Kapernbutter und Zucchini mit Zitronenbrot Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 45 Minuten

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 2K Stunden

Für die Kapernbutter: 100 g Butter 30 g kleine Kapern 1 kleine Schalotte ½ TL abgeriebene Orangenschale 2 TL gehackte Gartenkräuter

4 Markknochen 500 g Rindsschulter 1 ungeschälte Zwiebel 2 Knoblauchzehen 1 walnussgroßes Stück Ingwer 60 g Karotte 60 g Pastinake 100 g Paradeiser 2 Champignons 1 paar Petersilstängel 1 TL Pfefferkörner Salz

Für das Zucchinigemüse: je 300 g grüne und gelbe Zucchini 1 gepresste Knoblauchzehe 5 EL Olivenöl, Saft von 1 Zitrone 1 EL gezupfter Thymian Für die Steaks: 1 Stück Lauch (25 cm) 4 Rinderfiletsteaks à 160 g 4 dünne Scheiben Bauchspeck Küchengarn, Salz, Pfeffer je 1 EL Öl und Butter Zubereitung 1. Für die Kapernbutter Butter cremig rüh­

ren. Kapern und Schalotte fein hacken und mit Orangenschale und Kräutern ­unter die Butter rühren. Kleine Kleckse auf Backpapier setzen und einfrieren. 2. Die Zucchini der Länge nach in 5 mm dünne Scheiben schneiden und mit Knoblauch, Olivenöl und Salz einreiben. Eine Grillpfanne erhitzen und die Zuc­ chini je 2 Minuten auf jeder Seite an­ braten. Mit Zitronensaft beträufeln, mit ­Thymian bestreuen und warm stellen. 3. Für die Steaks den Lauch längs halbieren und 4 breite Streifen ablösen. Lauchstrei­ fen 2 Minuten blanchieren, kalt abschre­ cken und auf Küchenpapier trocknen. 4. Steaks mit Speck und Lauch umwickeln und mit Küchengarn binden. Salzen, pfeffern und in Öl und Butter beidseitig, nicht zu heiß, je 3 bis 4 Minuten braten. 5. Die Steaks auf dem Zucchinigemüse ­anrichten und mit Kapernbutter belegt servieren.

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Für das Zitronenbrot: ½ TL abgeriebene Zitronenschale 1 EL Butter, Pfeffer 4 Schwarzbrotscheiben 1 EL Schnittlauch Zubereitung 1. Die Knochen mit kaltem Wasser abbrau­

sen und mit dem Fleisch in einen Topf geben. 3 Liter Wasser zufügen und zum Kochen bringen. Den aufsteigenden Schaum vollständig abschöpfen und die Suppe 1½ Stunden auf kleiner Flamme köcheln lassen. 2. Zwiebel halbieren und in einer Pfanne an den Schnittflächen ohne Fett dunkel­ braun rösten. 3. Knoblauchzehen mit der Schale halbie­ ren und Ingwer in Scheiben schneiden. Karotte, Pastinake, Paradeiser und Champignons in grobe Stücke schneiden. 4. Das Gemüse mit Petersilstängeln und Pfefferkörnern in die Suppe geben und weitere 30 bis 40 Minuten köcheln. 5. Ein Sieb auf einen leeren Topf setzen, ein sauberes, feuchtes Küchentuch drüber­ legen und die heiße Suppe behutsam durchseihen. Das Mark aus den Knochen drücken. Das Suppenfleisch kann für ­einen Salat oder eine Sulz weiterverwen­ det werden.

6. Zitronenschale und Butter mit einer Ga­

bel vermengen und auf die Brotscheiben streichen. Die Brotscheiben im Backrohr unter dem Grill knusprig rösten. 7. Die Rindsuppe mit Salz abschmecken und in Teller gießen. Das Rindermark mit Salz und Pfeffer bestreuen und mit Zitronenbrot und Schnittlauch zur Suppe servieren.


Tafelspitzsulz auf Rettichsalat

Marinierte Rinderspieße Rindertatar mit mit Fenchel-Pfirsich-Salat knusprigen Erdäpfeln

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 50 Minuten und 2 Stunden Kühlzeit

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 50 Minuten und 2 Stunden Marinierzeit

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 30 Minuten

200 g gekochter Tafelspitz (ohne Fettrand) je 20 g Karotte, hellgrüner Stangensellerie und Petersilwurzel, 20 g fein gehackte Essiggurkerln

500 g kleine Erdäpfel in der Schale 500 g Beiried 2 rote Zwiebeln 3 EL Rotweinessig 6 EL Rapsöl 1 TL Honig 1 TL gestoßener Pfeffer ½ TL gestoßene Koriandersamen 1 EL gehackte Petersilie und Liebstöckl Salz

500 g Rinderfilet von der Filetspitze 3 kleine Essiggurkerln 2 TL kleine Kapern 2 Sardellenfilets 1 EL gehackte Kräuselpetersilie 1 TL Ketchup 1 TL französischer Senf 2 EL Olivenöl 1 Msp. Paprikapulver 1 Spritzer Tabascosauce Salz, Pfeffer 4 Eidotter 1 kleine Zwiebel, sehr fein gehackt 1 EL Petersilie 500 g große mehlige Erdäpfel Öl zum Backen

Für die Sulz: 5 Blatt Gelatine 250 ml Rindsuppe ohne Fettaugen 1 EL Apfelessig, Salz, Zucker, Muskat Für den Rettichsalat: 300 g weißer Rettich 2 EL Apfelessig ½ TL Honig 5 EL Sonnenblumenöl Salz, Pfeffer 1 EL Kresse, 1 fester Steinpilz oder 2 Champignons Zubereitung 1. Tafelspitz in 1 cm große Würfel schnei­

den. Gemüse schälen, in kleine Würfel schneiden und in Salzwasser 2 Minuten kochen. Eiskalt abschrecken. 2. Gelatine in kaltem Wasser einweichen und die Rindsuppe erwärmen. Die gut ausgedrückte Gelatine in der Suppe auf­ lösen und mit Essig, Salz, Zucker und Muskat abschmecken. 3. In 4 kleine Metallförmchen die gesulzte Suppe je 1 cm hoch eingießen und im Kühlschrank stocken lassen. 4. Fleisch, Gemüse und Gurkerln in die Förmchen geben, mit Suppe bedecken und 2 Stunden kalt stellen. 5. Den Rettich schälen, in hauchdünne Scheiben hobeln oder schneiden und auf den Tellern verteilen. 6. Essig mit Honig, Öl, Salz und Pfeffer ver­ rühren und über den Rettich träufeln. 7. Die Sulzförmchen kurz bis unter den Rand in heißes Wasser tauchen und die Sulzen auf den Rettichsalat stürzen. 8. Das Gericht mit Kresse bestreuen und den Steinpilz drüberhobeln.

Für den Salat: 1 Fenchelknolle 4 Pfirsiche 1 EL gehackte Haselnüsse Saft einer Zitrone 1 TL brauner Zucker 3 EL Rotweinessig 5 EL Traubenkernöl Salz, Pfeffer Zubereitung 1. Die Erdäpfel einzeln in Alufolie wickeln

und in die heiße Glut des Grills werfen (oder im Backofen bei 220 °C Umluft 30 bis 40 Minuten backen). 2. Das Beiried in 2 cm große Stücke schnei­ den. Die Zwiebeln in je 6 Spalten schnei­ den und in Schichten teilen. Das Fleisch abwechselnd mit den Zwiebeln auf Holz­ spieße stecken und nebeneinander in eine tiefe rechteckige Form legen. 3. Essig, Öl, Honig, Pfeffer, Koriander und Kräuter verrühren und über die Spieße gießen. Die Rinderspieße 2 Stunden marinieren. 4. Fenchelknolle in feine Streifen und Pfir­ siche in schmale Spalten schneiden. Mit Nüssen, Zitronensaft, Zucker, Rotwein­ essig, Öl, Salz und Pfeffer durchmischen. 5. Die Fleischspieße auf den heißen Grill ­legen und 3 bis 4 Minuten kräftig grillen. 6. Die Rinderspieße auf dem Salat anrich­ ten und mit Glut-Erdäpfeln servieren.

Zubereitung 1. Das Rinderfilet mit einem schweren, sehr

scharfen Messer fein hacken. 2. Essiggurkerln, Kapern und Sardellen­

filets ebenfalls klein hacken und mit Fleisch, Petersilie, Ketchup, Senf, Oliven­ öl, Paprika, Tabasco, Salz und Pfeffer vermengen. 3. Das Rindertatar mithilfe eines runden Keksausstechers auf Teller setzen. Mit ­einem Teelöffel auf das Tatar eine Mulde drücken und je einen Dotter darauf glei­ ten lassen. 4. Mit je einem Häufchen Zwiebelwürfel, Petersilie, Salz und Pfeffer garnieren. 5. Erdäpfel schälen, in sehr dünne Scheiben schneiden oder hobeln und in heißem Fett goldbraun backen. Noch heiß mit ­etwas Salz bestreuen und zum Rinder­ tatar reichen.

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selbst gemacht

Lichte Momente

Gelesene Zeitungen sind doch viel zu schade für den Mist. Wir haben aus altem Papier Lichtgestalten fürs Gartenfest gebastelt. Redaktion: Alice Fernau Fotos: Katharina Gossow Dekoration: Michaela Gabler

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schöne worte Linke Seite: Für unsere Lampions reißen wir zuerst Zeitungspapier in Streifen. Schmale für die kleinen, breitere für die großen Lichtkugeln. Luftballons in verschiedenen Größen aufblasen, mit Tapetenkleister bestreichen, die Streifen kreuz und quer darüberlegen. Dann noch eine Schicht Kleister und Papier darüberlegen und die künftigen Papierleuchten über Nacht zum Trocknen aufhängen. Zum Schluss die Ballons zerstechen, Gummireste herausschälen, Öffnungen in die Bälle schneiden. Glas mit Teelicht hineinstellen und mit Draht am Baum befestigen. Diese Seite: Die leuchtenden Zylinder haben wir aus frischen Weidenzweigen geflochten und mit Zeitungspapierstreifen verwoben. Kerze im Glas reinstellen – fertig ist die Lichtgestalt.

Servus  97


Handwerk


Ein Gürtel für Generationen

Federkielsticken ist Männersache, sagt man. Doch Elisabeth Holuschka-Abolis hat erfolgreich mit dieser Tradition ­gebrochen. Ein Werkstattbesuch im Tiroler Unterinntal.

D

Leder und Federn sind die Grundlagen von ­Elisabeth Holuschkas Arbeit. In ihrer Werkstatt in ­Wattens ­entstehen präch­ tige Ranzen (breite und kunstvoll b ­ estickte Gürtel nach alten Vorbildern) sowie moderne, schmälere Ent­ sprechungen, wie hier im Bild mit Gürtelschnallen.

Text: silvia pfaffenwimmer Fotos: marco rossi

a könnten S’ mich foltern, und ich tät’s nicht verraten“, sagt Elisabeth Holuschka-Abolis mit einem Augenzwinkern, zückt ihr scharfes Messer und wendet den Besuchern wieder den Rücken zu. Mit einem ener­gischen Schnitt trennt sie ein weiteres Pfauenauge vom Kiel. Etliche der prächtig schillernden Federn bedecken bereits den Tisch, doch die 44-Jährige hat keinen Blick dafür. Ihr Augenmerk gilt einzig dem Federkiel, den sie nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit in feine Streifen spaltet. „Das Schneiden ist ein Riesengeheimnis, das zeigt dir niemand“, sagt Elisabeth. Sie selbst habe fast zwei Jahre gebraucht, um die Technik zu erlernen. Immer wieder habe sie erforscht, probiert und nachgefragt und sei dabei von alteingesessenen Federkiel­ stickern mehr als einmal vor die Tür gesetzt worden. „Die nehmen’s lieber mit ins Grab, als dir zu sagen, wie’s geht“. Heute gehört die Ranzenstickerin selbst zu den Geheimniskrämerinnen. Elisabeth war 13, als sie das erste Mal mit diesem Handwerk in Berührung kam. Ihr Vater hatte sie und ihre sieben Geschwister auf die Idee gebracht. „Der Papa hat g’sagt: ‚Wär doch schön, wenn wir für unsere Küah schöne bestickte Glockenriemen hätten.‘“ Ein Sattler aus dem Ort half bei den ersten Versuchen, und schon bald beherrschten die Sticknovizen die grund­ legenden sechs Sticharten.

„Damals haben wir mit billigem Leder gearbeitet, ’s war ja wurscht“, sagt Elisabeth. Heute kommt ihr so etwas freilich nicht mehr unter die Nadel. Für ihre Ranzen verwendet sie ausschließlich geschmeidiges Leder aus dem Rinderhals, das durch seinen hohen Fettanteil angenehm zu sticken und später auch angenehm zu tragen ist. Die Häute besorgt sie sich selbst bei der Gerberei ihres Vertrauens. Wie oft sie dort schon vorstellig geworden ist und wie viele Ranzen sie bis heute genäht hat, weiß sie nicht mehr. Hunderte seien es gewesen, so viel ist sicher. Familienmitglieder, Freunde, Verwandte und Musikerkollegen ihres Mannes waren die Ersten, die damit ausstaffiert wurden. Nebenbei bildete sich Elisabeth fort, besuchte Stickkurse und Sattler, ehe sie sich vor fünf Jahren dazu entschloss, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Männer tun sich oft leichter

Gemeinsam mit ihrem Bruder Gerhard und ihrer Freundin Irene hält sie seither auch selbst Kurse und weiht Interessierte in die Kunst des Federkielstickens ein. Bürgermeister und Bauern, Justizbeamte und Handarbeitslehrerinnen – kaum ein Berufsstand, der bei Elisabeth noch nicht die Schulbank gedrückt hat. „Frauen tun sich oft schwerer, weil sie vom Nähen vorbelastet sind. Denn damit hat das Ranzensticken rein gar nichts zu tun.“ Zudem hätten ➻

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Vom Spalten der Kiele über das Zeichnen des Motivs bis zum Sticken mit Federkiel und Ahle sind es viele Arbeitsschritte. Zuallererst nimmt Elisabeth aber einmal Maß – gern auch bei Ehemann Christian,­ der als Kopf eines volkstümlichen Musiktrios gleichzeitig bester Werbeträger ist.

Männer oft das bessere Augenmaß, erzählt Elisabeth von ihren Erfahrungen. Bei ihr sieht es dagegen kinderleicht aus, wenn sie die Ahle führt. Mit dieser werden kleine Schlitze in das Leder gestochen, durch die später der Federkiel geführt wird. Welches Motiv den Ranzen zieren wird, ­bestimmen Tradition, Brauchtum und Kun­ dengeschmack. Beliebt sind die eigenen Ini­ tialen, Lebensbäume, Wappen, Lyren und alle Arten angestammter Alpenfauna: Hir­ sche oder der Tiroler Adler etwa. Bekennt­ nisse zur geliebten Heimat werden ebenso festgehalten wie ein gesticktes „Lebe wohl!“ Nur selten, sagt Elisabeth, würde sie ­einem Kunden einen Wunsch abschlagen, und nur dann, wenn dieser gar zu ausge­ fallen ist oder ihr irgendwie unpassend

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e­ rscheint. Doch einem ihrer zahlreichen Neffen habe sie auch schon einmal ein „It’s cool, man!“ auf den Ranzen gestickt. Obli­ gat ist dagegen die Jahreszahl. Schließlich ist ein schön gemachter Ranzen ein gefragtes Erbstück und nachfolgende Generationen möchten gern wissen, wie viele Jahre sie da um die Leibesmitte tragen. Der laufende hund als königsdisziplin

Steht das Motiv fest, wird es mit Pauspapier oder freihändig auf Plattl, Gurt, Fischl und Lasche übertragen. Aus diesen vier Teilen setzt sich ein Ranzen zusammen, wobei es freilich auch hier Ausnahmen gibt: Der Gür­ tel für die Schützen zum Beispiel, der auch nicht Ranzen, sondern Fatsche oder Binde genannt wird, kommt ohne Plattl aus und

ist mit sechzehn Zentimetern auch um eini­ ges breiter als ein normaler Ranzen. Wie immer das Motiv auch aussieht – ­gestickt wird es stets mit den gleichen sechs Grundstichen: Kettlstich, Einlegestich, Plattlstich, Hahnentritt, „Stiagalen“ und dem „Laufenden Hund“. Letzterer ist beson­ ders schwierig auszuführen und quasi die Königsdisziplin unter den Stichen. „Auf der Heimfahrt von einem Kurs hat uns einmal eine Polizeistreife angehalten. ‚Jetzt hamma Sie!‘ hat der Polizist gesagt und mich nach dem ersten Schrecken gefragt: ‚Sagn S’: Wia geht nua amoi der Lafade Hund?‘“, erzählt Elisabeth und muss bei der Erinnerung dar­ an noch heute schallend lachen. Auch bei ihren Kursen gehe es recht lus­ tig zu, doch spätestens beim ersten Stich


Einem Ranzen kann das Alter nichts anhaben – ganz im Gegenteil: Mit den Jahren wird er nicht nur geschmeidiger, sondern auch immer schöner.

würden alle verstummen. „Da musst dich konzentrieren, denn das Leder verzeiht nichts. Wenn du ein Loch hineinstichst, ist ein Loch drin.“ Beim Sticken selbst ist ebenfalls höchste Aufmerksamkeit nötig: Biegt man den an sich elastischen Federkiel in die falsche Richtung, bricht er und fasert aus. Die Handschrift der Stickerin

Elisabeth passieren derlei Dinge nicht mehr. Zwischen 130 und 150 Federkiele „verstickt“ sie in einem Ranzen, fehlerfrei versteht sich. Und in ihrer ganz persönlichen Handschrift, denn: „Sticken ist wie Schreiben. Das schaut bei jedem anders aus.“ Schützen, Musikanten und Schuhplattler zählen zu den Kunden der Ranzensticke­rei Holuschka-Abolis, aber auch private Trach-

tenträger decken sich hier ein. Das mag auch daran liegen, dass der Einfraubetrieb den Erfordernissen der Zeit Rechnung trägt. Für junge Leute etwa, die weniger Geld ausgeben können oder wollen, bietet Elisabeth auch mit Kunststofffäden bestickte Ranzen an. Die hätten zudem den Vorteil, wesentlich unempfindlicher zu sein und Jugendtorheiten besser wegzustecken. Die Machart ist so oder so gleich. Nachdem alle Teile bestickt sind, werden sie mit Karton verstärkt, auf der Innenseite mit weichem Nappaleder gefüttert, gesäumt und mit einer Schnalle versehen. Die be­findet sich heute – anders als früher – oft seitlich und nicht am Rücken. Denn dort stört sie nicht beim oft ausdauernden Sitzen im Wirtshaus. Auch anderen Zugeständnissen an die Be-

quemlichkeit kommt Elisabeth gern nach und passt etwa die Weite an, wenn der Ranzen einmal gar zu sehr zwickt. Damit sollte einem langen Ranzenleben eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Ein paar Falten, ein paar Flecken, überhaupt ein wenig Patina tun dem schönen Stück nur gut. Und Elisabeth kann sich neuen Werken und neuen Schülern widmen. Sicher gibt es noch viele, die wissen wollen, wie der „Lafade Hund“ läuft. 3

Ranzenstickerei Elisabeth Holuschka-Abolis Rettlsteinerweg 58, 6112 Wattens, Tel.:+43/650/577 77 00, www.kreuzbichler.at

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Foto: Eisenhut & Mayer

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