Servus in Stadt & Land - Bayern 7/13

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Hochzeit in Landshut

Die Geschichte einer Liebe

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E i nfac h

.

Gut .

Leben

Bocksprünge im Wald

Auf den Spuren des Rehs

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Juli

07/2013 EUR 3,90

Süsse Früchte frisch aus dem Garten

Der heilige Berg Göll

&

Klöppelspitze aus der Oberpfalz

&

Der gute Hirte vom Walberla

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Inhalt 2013 Juli

Küche

10 Spiegel der Alpen

46 Süße Früchtchen

18 Königin der Verwandlung

50 Eine leichte Ochsentour

Momente der Ruhe und Besinnung an den Ufern unserer klaren Bergseen.

Hortensien erfreuen uns mit ihrem wundersamen Farbenspiel.

Hübsche Rundungen und köstlicher Geschmack: Die Aprikose hat Saison.

Kurz oder gar nicht gegart: So schmeckt Rind im Sommer.

26 Zauberreich auf der Alm

58 Saure Kuddle

36 Blühende Beete ohne Durst

60 Zeit der Beeren

Zu Besuch bei den Gebrüdern Müller in ihrem lauschigen Garten im schwäbischen Oberwiesenbach.

Die richtige Gartengestaltung mit Kies und Stein für die heißen Trockenperioden.

Ein traditionelles schwäbisches Rezept aus Omas Kochbuch.

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32 Basteln mit Kindern

Eine Baumscheibe und ein Bleistift – fertig ist unsere lustige Sonnenuhr für den Garten.

76 Neues Haus im alten Stadl Wie zwei junge Paare mit ihren Ideen eine schon fast vergessene Scheune im Chiemgau aus dem Dornröschenschlaf holten.

86 Ins Körberl pflücken

Mit einem selbst gebastelten Weidenkörberl macht die Beerenernte noch mehr Spaß.

Wir versüßen uns den Tag mit selbst gemachten Marmeladen.

68 Strahlend weiß

88 Lichte Momente

128 Wenn die Böcke springen

Sommerlicher Liebesrausch der Rehe.

Wohnen

Leicht, kühl und doch würzig: Wir kochen mit Frischkäse von Kuh, ­Ziege & Schaf.

Wir basteln Lampions fürs Sommerfest im Garten aus altem Zeitungspapier und Zweigen.

zusatzfotos Cover: julia rotter, mauritius images

Natur & Garten


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Standards fotos inhalt: katharina gossow, eisenhut & Mayer, monika höfler, jörg koopmann, mauritius images, your photo today, imago

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Land & Leute 114 Pfandl aus Waldkirchen

Der Niederbayer Josef Kindermann fertigt in seiner Hammerschmiede Einzigartiges aus Eisen.

118 Der gute Hirte

Georg Distler zieht mit seinen Schafen über die kargen Hänge am Walberla. Ein glücklicher Mann.

124 Starke Stücke

Veronika Wurm macht eine Seife, die aus dem Moor der Ammergauer Alpen gewonnen wird.

134 Zu Gast rund um Seeg

Im südlichen Allgäu hat man einen wunderbaren Blick auf die Berge – umgeben von sattgrünen Wiesen, stillen Wäldern und Weihern.

Brauchtum 92 Ganz einfach Spitze

Sieglinde Prögler aus Tiefenbach lernte als eine der Letzten die Kunst des Klöppelns noch in der Oberpfälzer Schule.

96 Eine märchenhafte Liebe

Für Veronika Härtl und Ferdinand Schoßer wird ein Traum wahr: Sie sind das umjubelte Brautpaar bei der prachtvollen Landshuter Hochzeit.

106 Der mystische Berg Göll

Viele Legenden ranken sich um den heiligen Keltenberg zwischen Tennengau und Berchtesgadener Land.

158 Die Schiffer-Cathy

Die Rudermagd betörte einst am Königssee sogar den König.

3 Vorwort 6 Leserbriefe, Altes Wissen 7 Mundart: Stechmücke 8 Servus daheim 24 Schönes für draußen 34 Der Garten-Philosoph 40 Natur-Apotheke: Pfefferminze 42 Unser Garten, Mondkalender 64 Gutes von daheim: Mahonienlikör 74 Schönes für die Küche 84 Fundstück: Hübsches Anhängsel 90 Schönes für drinnen 102 Michael Köhlmeier:

Der schwarze Käfer

148 Jörg Steinleitner: Silbertalers Traum 152 ServusTV: Sehenswertes im Juli 156 Feste, Märkte, Veranstaltungen 162 Impressum, Ausblick, Adressen Titelfoto: Eisenhut & Mayer

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gartenbesuch

Zauberreich auf der Alm Josef Müller im schwäbischen Oberwiesenbach versteht es zu lustwandeln. Auf dem ehemaligen Bauernland der Eltern hat er gemeinsam mit seinem Bruder Willi einen ungewöhnlichen Park mit Cosmeen, Fingerhut und vielen Wildblumen geschaffen. Text: stephanie lahrtz Fotos: Nicole Lautner

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Ein Birnbaum (links) sowie ein von Wildrosen umrankter Zierapfelbaum samt Schneeball davor bilden das grüne Tor zur großen Wiese. Im ­Glashäuschen gedeihen Josef Müllers ­Tomaten, in den Töpfen davor Stechapfel und ein silbrig glänzendes Olivenbäumchen.

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illkommen, gehen wir gleich auf meine Alm“, begrüßt uns Josef Müller am Gartentor neben herrlichen Hortensienstau­ den mit üppigen Blütenbüscheln. Auf die Alm? Hier im schwäbischen Ober­ wiesenbach? Etwas erstaunt folgen wir dem im Ort nur mit dem alten Kinderspitznamen „Lektor“ gerufenen Hausherrn mit seinem Gärtnerhut vorbei an den Hortensien einen kleinen bewaldeten Hang hinauf. Und be­ treten einen Park, eine andere Welt. Hier „oben“ sind zwar keine Kühe, aber dafür ein sehr weitläufiges hügeliges Ge­ lände mit großer Wiese, umgeben von ganz unterschiedlichen Gartenbereichen. Schmale Rasenwege führen durch die langgezoge­ nen Blumenbeete, sodass man durch eine blühende Landschaft wandelt. Nach außen wird dieser Park von alten Eichen, Buchen, Birken und einigen Fichten begrenzt. Josef Müller lächelt ob unseres erstaun­ ten Blicks. Überraschung gelungen, keine Frage. Wir gehen durch eine Wiese mit alten Obstbäumen, links und rechts hüft­ hohe Phloxstauden in allen denkbaren Farb­ schattierungen von Weiß bis Violett, aber auch Rosenbüsche und eine spät blühende Strauchkastanie. die damen ständig im auge behalten

Am Rand der Wiese angekommen, schweift unser Blick bis zum anderen Ende. Jetzt im Juli wiegen sich dort Sonnenauge und Zinnie leicht im Wind. Überall ragen hohe gelbe Königskerzen aus den Beeten – und natür­ lich die Lieblingsblumen des Hausherrn, die Fingerhüte. Etwas anderes hat er dafür nicht so gern: zu viele starke rote Farben. „Denn die zie­ hen zu sehr die Aufmerksamkeit auf sich – gerade von weiter her – und verkürzen so die Sichtachsen“, erklärt er uns. „Da sind doch dezentere Rosatöne oder auch Gelb und zartes Blau viel schöner.“ Über den abgeblühten Pfingstrosen schwebt auf einmal ein zweiter Gärtnerhut. Er gehört Willi Müller, Josefs Bruder. Willi war früher Bauer. Seitdem er in Rente ist, werkelt er jeden Tag im weitläufigen Garten. „Sonst wäre diese viele Arbeit auch nicht zu bewältigen“, erklärt Josef Müller. ➻

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Die Sitzplätze schmückt Josef Müller gern mit ­saisontypischen Blumen aus den Beeten. Jetzt im Juli prangen lila Phlox, Goldrute, gelbe Rudbeckiakugeln und eine Gladiole in der Vase (Bild oben). ­Unten: Unter der langen Pergola sorgen Rankrosen, Hopfen und eine Kiwi für Schatten.


Vor allem die weiten Blicke wie hier vom Teich mit Seerosen bis hin zu der hohen gelben Königskerze und den Bäumen dahinter liebt der Hausherr an seinem Garten. Auf der Glockenblume (Bild rechts) nimmt ein Distelfalter Platz.

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„starke rote farben ­ziehen zu sehr die ­aufmerksamkeit auf sich. Sie verkürzen die Sichtachsen. Da sind doch dezentere­ ­Rosatöne oder auch Gelb und zartes Blau viel schöner.“

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Die zweifarbigen Cosmeen aus England verwachsen mit ihren weißen heimischen Schwestern. Rechts: Dank der Weinreben und der alten Steinmauer bleibt der Essplatz auch an heißen Sommertagen kühl.

Dunkelgrüne Bäume wie Eiben und Zypressen kontrastieren mit Phloxstauden. Links: Im ältesten Gartenbereich sonnt sich der schon etwas verwitterte Tonkopf.


Hier, zwischen Stockrosen, Buchskugeln und hohem Chinaschilf, sitzt Josef Müller gerne beim Tee am Teichrand und beobachtet Frösche und Libellen, Seerosenblüten und die aus dem Wasser ragenden sogenannten Tannenwedel.

Denn er selber arbeitet in Memmingen – zum Glück für den Garten in den letzten Jahren zwar in Teilzeit, aber er kann halt doch nicht ständig nach den geliebten ­Gewächsen schauen. „Ich muss Ihnen jetzt unbedingt meine Prinzessinnen zeigen“, sagt der Lektor und führt uns weiter zu den Duftwicken. Der Duft ist tatsächlich betörend. „Aber das hat auch seinen Preis“, seufzt der Gartenbesitzer: „Diese Damen muss man ständig im Auge behalten. Die sind wirk­lich anspruchsvoll.“ Auch andere Spezialitäten kultivieren die Brüder hier oben auf der Alm beim Kulmbach, die einst das Bauernland des ­elterlichen Betriebs war. Von einer Gartenreise nach England hat Josef Müller eine ganz besondere Cosmeensorte mitgebracht. Die steht jetzt im Gemüsegarten neben hoch rankenden bunten Bohnen. distelstauden für die schmetterlinge

Während wir die leicht eingerollten zweifarbigen rosa-violetten Blüten der Cosmea betrachten, kommt ein Schmetterling angeflattert und labt sich an der kleinen Schönheit.

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Um ihn und um andere geflügelte Gartenbesucher bemüht sich Josef Müller besonders. So stehen immer wieder große Distelstauden oder Wilde Möhren in den Beeten. „Die habe ich mir von Schutthalden geholt“, erzählt uns der Gärtner. „Das sind zum einen wichtige Futterpflanzen für Insekten. Zum anderen möchte ich aber einen ländlichen Garten haben. Und dazu gehören auch solche oft als einfache Wildsorten unterschätzten Pflanzen.“ Und die Bienenstöcke, die neben der Wiese stehen. Zu einem ländlichen Garten gehören für Josef Müller natürlich auch Stockrosen. Davon gibt es hier in fast in jedem Beet mehrere Prachtexemplare. Jedes trumpft mit einer anderen Farbe auf. Zudem darf Rudbeckia, eine Verwandte des Sonnenhuts, nicht fehlen. Denn die braucht man für die Kräuterbuschen, die zu Mariä Himmelfahrt Mitte August gebunden werden. Als wir am Teich mit seinen weißen Seeund gelben Teichrosen angekommen sind, wo die Frösche von Blatt zu Blatt hüpfen, erzählt uns Josef Müller von den Anfängen seiner Gartenleidenschaft.

„Wie viele meiner Altersgenossen habe ich mich mit zwanzig für Zen-Philosophie interessiert. Da wollte ich dann natürlich auch einen Garten als Meditationsraum und für eine echte Teezeremonie haben.“ eine tasse tee beim gartenspaziergang

Wie gedacht, so getan. Josef Müller legte ein Areal im Schatten der vielen alten Bäume mit immergrünen Pflanzen wie dem Rhododendron und japanischen Ziergehölzen an. Die Leidenschaft für die Zen-Philosophie ließ nach, jene fürs Gärtnern aber wurde immer größer. Und das Gärtnern wurde mit der Zeit der optimale Ausgleich zum anstren­genden Berufsalltag. Heute ist der ursprüngliche Meditati­ onsgarten mit viel Efeu und Farn ziemlich verwildert. Aber seine ganz persönliche Teezeremonie hat sich Josef Müller dennoch seit damals erhalten. Wenn es die Zeit zulässt, geht er morgens mit einer Tasse Tee durch sein Reich. Er genießt und schaut gleichzeitig, was wo erledigt werden muss. Und das packt er dann in aller Ruhe nach der Tasse Tee an. 3


Links: Die Gebrüder Müller begutachten den alten Zaun am Steingarten. Wenn sie aufschauen, geht ihr Blick an rosa Malven vorbei zu den Südrabatten, deren Blumen von hier aus nur Farbtupfer sind.

der müller-Garten

Südrabatten

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S

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Südwald Cottagegarten

Stadl Teich mit Steingarten

geschmückter Sitzplatz

Bauernhaus Gemüsegarten

Venusachse

illustration: julia lammers

Staudengarten

Teegarten

bewaldeter Hang

Pergola

Mauerplatz

Gartenhäuschen

Apfelweg

Winterweg mit Waldrabatten

50 m

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rezepte mit Tradition

Ein Hoch dem Rind!

Wir treten an zum großen Schulterklopfen, wir huldigen der zarten Fleischkrone und gönnen uns das Beste vom Besten: ein gut gewürztes Stück Filet. So eine bayerische Ochsentour ist halt eine herzhafte Gschicht. Redaktion: christian teubner & alexander rieder Fotos: Eisenhut & Mayer


Ochsenflecken mit Schwammerln Ob dieses Rezept aus dem Bayerischen oder dem angrenzenden Böhmerwald stammt, ist nicht überliefert. Fest steht aber, dass die flachen Schnitzel köstlich schmecken – besonders mit frischen Steinpilzen. Die dünn geklopften „Flecken“ werden ähnlich zubereitet wie die französischen „Paillards“ aus der Kalbslende. Das ideale Stück für Ochsenflecken ist das Schulterfilet, das auch „falsches Filet“ genannt wird.

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Rinderfilet in Rote-Rüben-Sülze Das Rinderfilet wird in diesem Rezept ausnahmsweise gekocht. Zart bleibt es, weil es nach dem Garen in hauchdünne Scheiben geschnitten wird. Das geht besser, wenn man es gut kühlt, eventuell sogar anfrieren lässt. So kann auch das erdigsüßliche Aroma der Roten Rüben besser in das Fleisch eindringen.

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Bohnenfleisch Das Besondere an diesem Eintopf mit Rindfleisch, geräuchertem Bauchspeck und Bohnen ist ein Kräutlein. Wie schon der Name sagt, wird das Bohnenkraut vor allem zum Würzen von Hülsenfrüchten verwendet. Josefle oder Pfefferkraut heißt es auch, und schon die alten Griechen schrieben ihm heilende, aber auch aphrodisierende Wirkung zu. Weil es sehr kräftig schmeckt, wird es den Speisen meist als Zweig beigegeben und nach einer gewissen Zeit wieder entfernt.

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Böfflamod Dieser typisch bayerische Rinderschmorbraten – manchmal auch „Böfflamott“ geschrieben – hat französische Wurzeln. Mit den Soldaten Napo­ leons soll das Rezept für „Boeuf à la mode“ im 19. Jahrhundert ins Bayerische gelangt sein. Seither haben sich mehrere Varianten herausge­ bildet. In Frankreich wird mit Rotwein angegos­ sen, in Franken mit Weißwein. Die Zutaten Rind­ fleisch und Wurzelgemüse entsprechen aber immer noch dem Original.

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Münchner Kronfleisch Das Kronfleisch ist ein exzellentes und bei richtiger Behandlung zartes Siedestück und eine traditionelle Münchner Spezialität. Es handelt sich um die mit dem Zwerchfell verbundene „Fleischkrone“, die überaus preiswert ist und nicht mehr so recht in die moderne Fleischvermarktung passt. Das Kronfleisch sollte möglichst frisch in den Kochtopf – und so ist es heute fast nur in Metzgereien erhältlich, in denen noch selbst geschlachtet wird. Also vorbestellen und möglichst am selben Tag zubereiten.

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Ochsenflecken mit Schwammerln

Rinderfilet in Rote-Rüben-Sülze

Bohnenfleisch

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 1 Stunde

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 2 Stunden

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 2 Stunden

700 g Schulterfilet vom Rind ½ TL Thymian, fein gehackt Salz und frisch gemahlener Pfeffer

500 g Rinderfilet (aus der Mitte) 60 g Zwiebel je 70 g Gelbe Rüben, Staudensellerie und Lauch Salz und frisch gemahlener Pfeffer ¾ l Wasser

600 g Rindfleisch, am besten aus der Schulter 150 g kräftig geräucherter Bauchspeck 100 g Zwiebel 120 g Gelbe Rüben 100 g Knollensellerie 3 EL Pflanzenöl Salz und frisch gemahlener Pfeffer 1 Knoblauchzehe ¾ l Wasser 1 kg junge grüne Bohnen 1 Bund Bohnenkraut

60 g Schalotten 1 Knoblauchzehe 80 g Staudensellerie 40 g Butterschmalz 250 g Champignons (noch besser: Steinpilze) 1 EL gehackte Petersilie ½ TL gehackter Kümmel Salz und etwas schwarzer Pfeffer 50 g Butterschmalz V l Fleischbrühe Zubereitung 1. Das Schulterfilet in etwa 1 cm dicke

Scheiben schneiden und mit einem Fleischklopfer oder, noch besser, mit einem Plattiereisen dünn klopfen. 2. Mit Thymian, Salz und Pfeffer auf beiden Seiten würzen, übereinanderlegen und in Folie wickeln. 3. Für die Füllung Schalotten, Knoblauch und Staudensellerie ganz fein hacken. Im heißen Butterschmalz hell anschwitzen und die geputzten und in dünne Schei­ ben geschnittenen Pilze weich dünsten. Mit Petersilie, Kümmel, Salz und Pfeffer würzen. 4. Das Butterschmalz in einer entsprechend großen Pfanne erhitzen und die Fleisch­ scheiben bei guter Hitze nur kurz braten. 5. Die Fleischbrühe darübergießen und dann je zwei Fleischscheiben mit den Pil­ zen füllen und nochmals kurz erhitzen. 6. Geschmorte Tomaten und gestampfte Kartoffeln sind eine empfehlenswerte Beilage.

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500 g Rote Rüben (Rote Bete) ½ l Wasser Salz und Pfeffer ½ TL Kümmel 15 Blatt weiße Gelatine 6 cl Madeira Zubereitung 1. Das Rinderfilet in einen entsprechend

großen Topf legen. Zwiebel, Gelbe Rü­ ben, Staudensellerie und Lauch in gleich große Stücke schneiden und zum Fleisch geben. Würzen und mit dem Wasser übergießen. 2. Bei schwacher Hitze zugedeckt etwa 30 bis 40 Minuten köcheln. Das Fleisch her­ ausnehmen und gut kühlen. Die Brühe abseihen und beiseitestellen. 3. Die Roten Rüben waschen, schälen und in einem passenden Topf mit Wasser und Gewürzen weich kochen. Rüben heraus­ nehmen und Fond beiseitestellen. 4. Das Fleisch und die Roten Rüben in dünne Scheiben schneiden und in wech­ selnder Reihenfolge in Suppentellern anrichten. 5. Für die Sülze 15 Blatt weiße Gelatine in kaltem Wasser einweichen. 6. Die Fleischbrühe und den Rote-RübenFond in einem Topf aufkochen und auf ½ l reduzieren. Die Gelatine ausdrücken und in der Brühe auflösen, den Madeira zugeben und nachwürzen. 7. Die Flüssigkeit abkühlen lassen und lau­ warm auf Fleisch und Roten Rüben ver­ teilen. Zum Gelieren kühl stellen und mit Zwiebelringen und Kresse garnieren.

Zubereitung 1. Das Rindfleisch in Würfel von etwa 3 cm

Kantenlänge schneiden. 2. Den geräucherten Bauchspeck in klei­

nere Würfel von 1 cm Kantenlänge schneiden. 3. Die Zwiebel schälen und fein würfeln. Die Gelben Rüben und den Sellerie eben­ falls schälen und in Würfel von etwa 1 cm Kantenlänge schneiden. 4. Das Öl in einem großen Topf erhitzen und Fleisch, Speck und Gemüse darin bei starker Hitze anbraten. Mit Salz, Pfeffer und der geschälten und fein gehackten Knoblauchzehe würzen. Das Wasser zu­ gießen, die Hitze reduzieren und bei ge­ schlossenem Topf etwa 1 Stunde sanft köcheln. Das Fleisch sollte noch nicht ganz weich sein. 5. Die Bohnen waschen, trocknen, Enden und eventuelle Fäden entfernen und in etwa 3 bis 4 cm lange Stücke schneiden. Zusammen mit dem Bohnenkraut zu dem Fleisch geben und etwa 10 bis 15 Minuten bei schwacher Hitze garen. 6. Die Bohnen sollen nicht zu weich wer­ den. Das Bohnenkraut herausnehmen und wenn nötig den Eintopf nachwür­ zen. Mit Petersilienkartoffeln anrichten.


Münchner Kronfleisch

Böfflamod

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 1K Stunden

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 3K Stunden und 2 bis 3 Tage zum Beizen

120 g Zwiebel 100 g Gelbe Rüben 150 g Lauchstange 150 g Knollensellerie 80 g Petersilienwurzel 1 Lorbeerblatt 1 l Wasser oder Fleischbrühe 800 g Kronfleisch Salz und frisch gemahlener Pfeffer Zubereitung 1. Die Zwiebel schälen und halbieren. Das

übrige Gemüse waschen, schälen und in grobe Stücke schneiden. 2. In einem entsprechend großen Kochtopf das Gemüse mit Wasser (noch feiner wird’s mit Fleischbrühe) übergießen und aufkochen. 3. Bei mittlerer Hitze das Fleisch einlegen und langsam zum Kochen bringen, mit Salz und Pfeffer würzen und bei schwa­ cher Hitze etwa 30 Minuten mehr ziehen als kochen lassen. Das Fleisch sollte noch zart rosa sein. 4. In Portionen schneiden und mit der Brühe in tiefen Tellern mit dem Wurzel­ gemüse anrichten. 5. Mit Schnittlauchröllchen bestreuen. Tra­ ditionell werden dazu frische Laugenbre­ zen und geriebener Meerrettich serviert.

1 kg Rindfleisch aus der Schulter 150 g Zwiebeln je 80 g Gelbe Rüben, Knollensellerie und Lauch ½ l trockener Rotwein 1 l Wasser 6 Wacholderbeeren 3 Lorbeerblätter ½ TL weiße Pfefferkörner ½ TL Zucker (optional) 1 Kalbsfuß je 1 kleiner Zweig Thymian und Rosmarin Salz und frisch gemahlener Pfeffer Zubereitung 1. Das Fleisch unter fließendem kalten

Wasser abwaschen, trocken tupfen und zum Beizen in ein entsprechend großes Gefäß legen. 2. Zwiebeln, Gelbe Rüben, Sellerie und Lauch waschen und schälen und in mög­ lichst gleich große Stücke schneiden. 3. In einer Kasserolle Wasser und Wein und die zerdrückten Gewürze erhitzen, das Wurzelgemüse zugeben und einmal auf­ kochen. Diese Marinade lauwarm über das Fleisch gießen und im Kühlschrank zugedeckt 2 bis 3 Tage einziehen lassen. 4. Das Fleisch herausnehmen, abtrocknen und mit dem in Stücke gehackten Kalbs­ fuß in einem entsprechend großen Topf im heißen Butterschmalz rundum braun anbraten.

5. Die Hälfte der Beize zugießen, mit Kräu­

tern, Salz und Pfeffer (eventuell ½ TL Zucker) würzen und zugedeckt 2 bis 3 Stunden schmoren. Nach und nach die restliche Beize zugießen. 6. Die Sauce durch ein feines Sieb gießen und wenn nötig mit Salz und Pfeffer nachwürzen. 7. Das Fleisch in Scheiben schneiden und mit der Sauce und der gewünschten Bei­ lage (am besten Knödeln) anrichten. Dazu passt ein sommerlicher Gemüse­ salat, zum Beispiel mit Brokkoli und Gelben Rüben.

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hausbesuch

Neues Haus in altem Stadl Lange schlummerte im oberbayerischen Chiemgau eine alte Scheune im Dornröschenschlaf, bis junge Leute kamen. Jetzt leben hinter der verzierten Holzfassade gleich zwei Familien. Text: Kathrin Thoma-Bregar Fotos: josefine unterhauser

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Die beiden Doppelhaushälften betritt man von Osten her, morgens spiegelt sich die Sonne in den verglasten Tor­ einfahrten. Hundedame Chili hat im offenen Haus alles im Blick (links).

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enn Daniel Schierlitz am großen Esstisch in der offenen Küche sitzt und zum Kamin blickt, dann schaut er an einem hölzernen Stützbalken vorbei. In krakeliger Schrift ist dort die Jahreszahl 1877 eingeritzt. So alt ist der Pfeiler. Das Haus, das er stützt, ist sogar noch älter – und doch auch wieder nicht. Der Architekt, seine Frau sowie Schwägerin und Schwager haben einen alten Stadl mit sensibler Hand saniert und dort hinein ein modernes Doppelhaus gebaut. Haus-imHaus-Konzept sagt man dazu. Nach ihrem Traumdomizil haben die zwei Ehepaare nicht lange suchen müssen, es stand direkt vor ihrer Nase, ein Stück außerhalb­von Prutting am Simssee, umgeben von viel Wald und Wiese und sanften Hügeln. Christine und Elke, die beiden Schwestern, sind quasi um den Stadl herum auf­ gewachsen. Das elterliche Anwesen liegt gleich nebenan, und die Scheune war für die Mädchen früher immer ein wahres Paradies zum Spielen. Hier wuchsen die besten und süßesten Wilderdbeeren weit und breit, und hier konnte man sich auch wunderbar verstecken. Als der Stadl viele Jahre später zum Verkauf stand, wohnten der freiberufliche Architekt Daniel und Lehrerin Christine mit ihren Söhnen Xaver und Zeno in München. Elke Hamberger und ihr Mann Franz Xaver Kreupl, beide ebenfalls Architekten, lebten zu der Zeit noch mit den Eltern unter einem Dach. Die vier entschieden sich, die alte Scheune zu erwerben und ihr neues Leben einzu­hauchen.

Den Holzwurm auf Fastenkur geschickt

Mehr als nur ein paar Tage schlichen sie um das Gehöft, ließen im Kopf Pläne wachsen, studierten den Lichteinfall und saugten nebenbei die ganz besondere Atmosphäre auf. „Das ist der Vorteil bei einem Umbau“, erklärt Daniel Schierlitz, „dass das Gebäude schon dasteht, dass man reingehen und die räumliche Situation erfassen kann.“ So ein alter, offener Stall biete einem Architekten viele Möglichkeiten, sich auszutoben. „Bauernhäuser herzurichten ist dagegen viel aufwendiger, weil man auf die Statik Rücksicht nehmen muss und Wände nicht einfach versetzen kann.“ ➻

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Die wesentlichen Strukturen im Inneren des alten Stadls haben die Bauherren erhalten. Die alten hölzernen Stützbalken trennen die offene Küche optisch vom Essplatz ab.

Danny Schierlitz und seine Familie treffen sich am liebsten am großen Esstisch. Gesammelte Fundstücke finden sich überall (Mitte).


Der Tiroler Schrank ist ein Geschenk des Schwiegervaters. Sein Büro hat der Hausherr im Zwischengeschoß (Mitte), die Wohn­ ebenen verbindet eine freie Treppe (unten).

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Wellnessoase unterm Dach, Licht kommt von oben. Das Gebälk verläuft bei den Schierlitzs mitten über den Schlafzimmer­ boden (unten).

Gemeinsam entwickelten die Paare ihre Haus-im-Haus-Strategie. Denn eines war klar: Der aufwendig gezimmerte Bundwerkstadl aus dem Jahr 1842, einst ein unübersehbares Zeichen von Wohlstand, sollte genauso erhalten bleiben, wie er war, mit seiner Fassade, dem Dach und den zwei großen Tordurchfahrten im Osten und Westen. Das schrieb schon der Denkmalschutz so vor, ein Grund für viele Bauherren, die Finger davon zu lassen: Viel zu mühsam, zu aufwendig, zu viele Vorschriften, die es einzuhalten gilt. „Wir haben zwar auch ein Jahr warten müssen, bis die Behörde endlich grünes Licht gab, aber eigentlich war dann alles ganz unproblematisch“, sagt Daniel. Das lag wahrscheinlich auch daran, dass die beiden Familien weder etwas abreißen noch völlig neu bauen wollten. Die historische Holzhülle sollte möglichst unangetastet bleiben und im Inneren ein neues Doppelhaus über drei freie Etagen konventionell aufgemauert werden. „Wir hatten zuerst überlegt, in Holz weiterzubauen. Aber im alten Gebälk war der Wurm drin, und der hätte sich wahrscheinlich nur so auf das neue Holz gestürzt“, sagt Daniel. „Also haben wir uns für die massive und auch einfachere Bauweise entschieden.“ findlingssteine unter den stützen

Bei den Hamberger-Kreupls ist das Treppenhaus direkt über der Tenne. Die Stufen der Falt­ treppe werden durch einen Holm unterstützt.

Im einstigen Getreidekasten hat Familie K ­ reupl ihr Badezimmer eingebaut. Der Fußboden ist nicht gefliest, die Badewanne ruht auf einem hölzernen Podest.

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Am Stadl selbst sind nur die Dachsparren neu, sie waren an einigen Stellen zu dünn, und außerdem ging es nass durch. Die Pfetten, also die waagrechten Träger des Dachs, konnten alle bleiben. Der ganze Umbau dauerte rund zwei Jahre. In seiner Wohnhälfte machte Daniel vieles selber. Vor allem in den ersten Monaten nahm sich der Bauherr jede Menge Zeit für sein Haus. Zum Beispiel ruhten alle tragenden Stützen der Scheune auf großen Findlingssteinen. Sie mussten einzeln mit Betonfundamenten unterfangen werden. „Ich habe gemauert, gezimmert, gemalt und gebastelt“, erinnert sich der Architekt. „Der ganze Stadl ist ja nicht rechtwinklig, es ist alles etwas verzogen und schief.“ Allein das Verputzen zog sich fast vier Wochen in die Länge. „Da arbeitet man den lieben langen Tag und sieht am Abend eigentlich nichts davon, weiß aber ganz genau, was noch vor einem liegt. Das war ➻


Hell sollte es werden in ihrem StadlHaus, und deswegen setzten die Bauherren dem Dachfirst einen meterlangen, verglasten Sattel auf. Der Denkmalschutz war damit einverstanden.

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In die Scheunendurchfahrten wurden Glastüren eingesetzt, im Westen schließen die Terrassen an. Ruheplätze gibt es ums Haus herum jede Menge, wie hier vor den Türen des Getreidekastens. In der Sonne heizt sich die dunkle Holzfassade schnell auf.

hart“, gibt Daniel zu. Den Gedanken, nie fertig zu werden, hatte er aber zu keiner Zeit. „Ich habe ja aus Erfahrung gewusst, was auf uns zukommt.“ Damit sich Christine, die einzige NichtFachfrau im Quartett, besser vorstellen konnte, wie sich die unterschiedlichen Wohneinheiten in ihrer Doppelhaushälfte einmal darstellen werden, legte ihr Mann unterm Bauen immer wieder alte Bretter in dem offenen Gebäude aus. Ganz ohne Eingriff in den Stadl ging es aber nicht. Weil es sich fensterlos nun einmal nicht gut wohnt, nahmen die Bauherren einfach einige senkrechte Balken weg und setzten in die Mauer dahinter Fenster. Eine kleine, aber harmonische Veränderung. „Das nimmt man von außen kaum

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wahr. Denn die Fenster greifen das Format der Fassadenbretter auf. Wir haben nicht einfach irgendwo Löcher reingeschnitten“, sagt Daniel Schierlitz. das alte noch sehen und fühlen können

Ähnlich verhält es sich mit dem meterlangen gläsernen Sattel, der auf dem Dachfirst thront. Einzelne Dachflächenfenster hätten zu viel Unruhe erzeugt. So dominiert im Zusammenspiel mit den verglasten Tordurchfahrten im Hausinneren vor allem eines: viel Licht. Der besondere, offene Charakter des Doppelhauses wird noch verstärkt. Man sollte das Alte noch sehen und fühlen. Das war die Kernidee des Sanierungskonzepts. Daniel Schierlitz: „Aber ich schnitz nicht alles nach und tue so, als

ob das Neue auch alt wäre.“ Für ihn ist der Kontrast das Spannende. „Was neu ist, kann auch als solches erkennbar sein“, ist Daniels Devise. Dafür bekam der Boden ein Kleid aus alten Brettern verpasst, aber nur aus jenen Brettern, die zuvor aus dem Stadl ausgebaut und in Handarbeit aufgearbeitet wurden. Teilweise stammten die Bretter von der ehemaligen Wandverkleidung, teils vom Boden­belag der alten Einfahrten. „Die Balken waren allerdings nicht ge­ rade und sehr dick, wir mussten sie aufschneiden und flach hobeln“, schildert Daniel­Schierlitz. Unter den Holzdielen fand er während der Sanierung als Zeugnis einer unbekannten Vorgeschichte einen alten Wehrmachtshelm und eine belgische Pistole.


Der Stadl von 1842 präsentiert sich heute als ein Haus im Haus. Die Südseite schmückt eine reich verzierte Giebelverkleidung (unten). Die Fenster sitzen in den Mauern des Hauses – hinter der Holzfassade (unten rechts). Aus Holz ist auch die Terrasse (rechts), drumherum blüht die bunte Wiese.

Die vielen kleinen Fundstücke und Ob­ jekte, die man heute im Haus bewundern kann, stammen von den Reisen des Schwie­ gervaters. Es sind Figuren aus dem Hima­ laya, Teppiche aus der Türkei, Vasen aus Indien, Pferdeskulpturen aus China und ein einfacher Bauernschrank aus Tirol, eigent­ lich ganz untypisch und viel zu schlicht für die Alpenregion. „Deswegen wollte er ihn auch loswerden“, erzählt Daniel schmun­ zelnd, „und meine Frau wollte ihn unbe­ dingt deswegen haben.“ bewusst auf einen garten verzichtet

Am schönsten und zentralsten Platz im Haus steht aber der große Esstisch. Hier trifft sich Familie Schierlitz. Von hier möch­ ten Gäste am liebsten gar nicht mehr aufste-

hen. Und auch Findelhündin Chili verteidigt ihren runden roten Sessel jederzeit mit einem leisen Knurren. Die hohen Räume machen es möglich, dass ein Holzgrundofen rund drei Viertel der Wohnfläche beheizt. Den Rest bedient ein klassischer Ölbrenner. Die verglasten Tore bringen bei Sonnen­ schein zusätzlichen Wärmegewinn. Außer natürlich an der Nordseite, aber das ist dem Charakter und dem Denkmalschutz geschuldet. Bei schönem Wetter könne er sogar im Winter kurzärmelig dort speisen, sagt Dani­ el Schierlitz und sieht dabei sehr zufrieden aus. Würde er den Stadl heute nochmal kau­ fen und wieder zu renovieren beginnen, er

würde sicher nichts Grundlegendes anders machen. „Es passt alles.“ Vom Esstisch geht man ein paar Schritte durch das verglaste Tor und steht auf einer schlichten Holzterrasse mit grandioser Aus­ sicht. Die Nachbarhäuser gen Süden sind so weit weg, dass man sie fast nicht sieht, der Blick ist unverbaut und bleibt es auch, denn die große Wiese vor der Terrasse haben die Bauherren damals mitgekauft. Einen kultivierten Garten gibt es nicht, darauf wurde bewusst verzichtet. Kater Katzo findet das offensichtlich ganz hervorragend und streift durchs hohe, saftig grüne Gras. Fast schaut es aus, als würde er Verstecken spielen. Genauso wie die beiden Schwestern damals. 3

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lebendige geschichte

Vroni, 20, und Ferdi, 21, das Brautpaar der Landshuter Hochzeit. An seinem Arm die Stickerei: „In Ehren liebt sie mir.“ Unter ihrer Krone ein Seidentuch, das in der Kirche ihre Tränen verbirgt.


Festlicher Einzug in Landshut, Hochzeitsgäste wie anno 1475. Die mittelalterliche Altstadt ist geschmückt, eine Fürstin grüßt huldvoll, ihre „Pagin“ trägt lächelnd ihre Schleppe. Fenster werden zu begehrten Tribünen.

Einfach

märchenhaft

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Es war einmal ein junger Herzog, der heiratete eine Königstochter. Die Hochzeit war in Landshut, und das Fest war so schön, dass es niemals ganz enden soll. Alle vier Jahre wird es aufs Neue gefeiert. Willkommen zur Märchenhochzeit 2013. Text: CHRISTOPH THOMA Fotos: JULIA ROTTER & angelika Jakob

erzoglicher Herold hoch zu Ross, Fanfarenbläser. Edeldamen, die Tausende von duftenden Blüten streuen. Kinder, ­Küchenmägde, Kriegsknechte mit überlangen Spießen. Banner- und Wappenträger. 400 Pferde, Ritter in schimmernder Rüstung, der Kaiser mit Zepter und Krone. Schellenklimpernd der Hofnarr, sein Gewand in schreiendem Rot. Geistliche Würdenträger mit Krummstab und Mitra, adelige Gäste in Samt und Seide. Acht Schecken, prächtig herausgeputzt, vor dem goldenen, hochrädrigen Reisewagen der geborenen Königin von Polen. Eng an ihrer Seite der junge Herzog Georg auf dem Weg zur Kirche von St. Martin, wo der Erzbischof von Salzburg das Paar

trauen wird. Zum Wohl von Christenheit und Reich, wie Albrecht Achilles es kommentierte, der Markgraf von Brandenburg. So war das anno 1475 zu Landshut an der Isar. Und so ist es jetzt wieder – in diesen Wochen. Wer ist diesmal die fremde reiche Braut?

Alle vier Jahre wird das historische Ereignis nachgespielt, die berühmte „Landshuter Hochzeit“, die, wie es offiziell heißt, „prächtigste Fürstenhochzeit im 15. Jahrhundert“. Aber was bedeutet das schon, die Hochzeit wird „nachgespielt“, nein, das gibt nicht wirklich wieder, was tatsächlich geschieht. Die ganze Stadt heiratet, 2.500 Leute machen aktiv mit, in den Gewändern und Rollen

von damals. Und alles ist buchstäblich haargenau nachgebildet, nach alten Bildern und Skizzen; keine Kette am Hals, keine Schnalle am Schuh, die Zufall wäre. Die Landshuter selbst nennen das weithin beachtete Spektakel nicht etwa Schauspiel oder Historienspiel, sondern noch ­anspruchsvoller: Dokumentarspiel. Und mittendrin die beiden jungen Landshuter, die für vier Wochen das Brautpaar sind. Sie, die Braut: Veronika „Vroni“ Härtl, bezaubernde 20, Abitur am Hans-CarossaGymnasium, zwei Semester Studium, Philosophie und Kulturwissenschaften an der Uni Regensburg. Ab Herbst will sie einen Studienplatz für Soziale Arbeit oder ➻

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Was glänzte schöner: das gold oder die Liebe?

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Soziale Dienste an Schulen belegen. Er, der Bräutigam: Ferdinand „Ferdi“ Schoßer, hoffnungsvolle 21, Abitur am MaristenGymnasium in Furth, studiert in Regensburg Architektur; schon sein Großvater Rudolf Wohlgemuth war Architekt, er hat den Turnierplatz geplant und das Zeughaus gebaut, in dem u. a. die Kostüme für das Dokumentarspiel lagern. Natürlich sind beide in Landshut geboren, das ist die Voraussetzung für die geheime Wahl durch die Vorstandschaft des Vereins „Die Förderer“. Ein halbes Jahr haben Vroni und Ferdi geübt, das Schreiten mit Schleppe und Schnabelschuhen, das gar zierliche Hüpfen beim mittelalterlichen Tanz. Ein bisschen Bammel vor den großen Auftritten hat Vroni schon, zumal sie im Damensitz reiten muss: „Ich hoffe nur, dass ich nicht vom Pferd plumpse, hochelegant in meinem goldenen Kleid!“ Irgendwie liegt beiden, die sich schon seit den Zeiten im Sandkasten kennen, die Landshuter Hochzeit im Blut. Trauung nach der „Hochzeit“

Fürstlicher Kleiderschrank, im Zeughaus des Vereins „Die Förderer“. Weiß-blaue Rauten für die Münchner Linie des Herrscherhauses, links Hut und Kragen, heute Hermelin-Imitat. Ganz oben: Zofen legen der Braut die rote Tanzrobe an. Rechts: Männer hatten keine Scheu vor Schmuck. Herzog mit prachtvoller Schließe, dem Herzog-Georgs-Orden auf der stolzen Brust.

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Vronis Mutter, Sabine Härtl, gehört zur Landshuter Hofkapelle, die die „Musik zu der Fürstenhochzeit macht“. Vater Stefan, Gymnasiallehrer für Deutsch und Latein, ist zweiter Vorsitzender des Vereins „Die Förderer“. Großvater Hans Walch gründete 1965 die Landshuter Hofmusik. Also, die Härtls, die haben’s mit dem guten Ton. Auch die Familie des Bräutigams zählt zur Landshuter Hochzeitsdynastie. Ferdis Mutter Ursi führt Regie bei der „Fechtschule“ auf der Burg, 1985 war Ursi die Braut. Großmutter Monika leitete viele Jahre die Nähstube des Fördervereins, 1962 war sie die Braut. Und erst Ferdis Urgroßeltern: Sie waren 1930 Braut und Bräutigam. In der Chronik des Landshuter Festes sind sie einen ganz besonderen Eintrag wert. Bis heute sind sie das einzige Brautpaar der Landshuter Hochzeit, das im wahren Leben tatsächlich geheiratet hat. Sie haben es nie bereut. Natürlich weiß nicht jeder so genau, wie das damals war mit der historischen Hoch-


Goldner Glanz. Es ging nicht nur um Schönheit, es ging auch um Pracht und Macht. Details: Tasche am Hochzeitskleid, Brautschuhe. Das Brautpaar 2013 mit Buchskranz vor Burg Trausnitz, einst Regierungssitz des Fürsten.

zeit. Es gab das wittelsbachische Teilherzogtum Bayern-Landshut. Im ausgehenden 15. Jahrhundert, an der Schwelle zur Neuzeit, regierte Georg bereits im Alter von 20 Jahren mit. Er wollte Hochzeit feiern, es ging um Einfluss, um Macht. Seine Braut war Jadwiga „Hedwig“ ­Jagiellonka, holde 18, Prinzessin aus Krakau. Ihr Vater war Kasimir, König von Polen, ihre Mutter Elisabeth von Habsburg. Bräutigam Georg, genannt Georg der Reiche, sandte seine Leute aus. Sie kauften in Köln und Straßburg Ringe, Becher, Anstecknadeln, Kreuze als Geschenke für besonders wichtige Gäste. Des Herzogs Einkäufer kamen aus Venedig mit gewaltigen

Ladungen kostbarster Seide, edelstem Samt. In der Burg warteten schon Dutzende von Näherinnen (Nadlerinnen), die vorzugs­ weise aus den Hoffarben Braun, Grau, Weiß prächtige Festgewänder schneiderten. „Wie es meine eltern befohlen haben“

Wie die Braut mit ihrer Familie damals Einzug hielt, das beschrieb Chronist und Klosterschreiber Hans Seybold so: Es hatte aber die Königin 16 Frauen und Jungfrauen, auch etliche der trefflichsten Herren aus Polen, Litauen und Russland, aus dem Tatarenland und anderen Ländern bei sich, die ihrerseits wieder 1.200 Reisige und Wagenpferde und etwa 100 Wagen mit sich

führten. Die Königin war mit perlenbesetztem Kleid köstlich geschmückt. Er ließ seiner Prinzessin als Morgengabe ein goldenes Schächtelchen mit einem kostbaren Halsband überreichen. Und er ließ ausrichten, dass dies aus Liebe und Freundschaft geschehe. Ein polnischer Gast übersetzte, und die Braut ließ dem jungen Regenten übermitteln, dass sie das Geschenk annehme, in großer Lieb und Freundschaft. Und: Sie wolle alles für ihn, den Herrn Gemahl, tun, so, wie es meine lieben Eltern befohlen haben. Erst unmittelbar vor der Vermählung sahen sich Braut und Bräutigam – damals nicht ungewöhnlich – zum allerersten Mal. ➻

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Aber dann: Sechs Tage und Nächte dau­ erte das Fest. Seine Kaiserliche Hoheit Friedrich III. (1415–1493) aus dem Hause Habsburg führte die Braut zum Altar. Er führte sie auch zum ersten Tanz. Allerhöchste Fürsten geleiteten das jung­ vermählte Paar zum „Beilager“. Ein Chro­ nist: Das Bett war sehr mit kostbaren goldenen Stücken behangen und die Decke auch, desgleichen die Pfühle und Kissen! Der Chro­ nist erwähnt nicht, ob das Paar in der Hoch­ zeitsnacht einen Dolmetscher brauchte oder ob es auf dessen Dienste verzichtete. „In Ehren liebt sie mir“

Um solche Ereignisse ranken sich natürlich Legenden. In diesem Fall darf man jedoch sicher sein, dass das, was wir heute über die Hochzeit wissen, weder ausgeschmückt noch einer kühnen Phantasie entsprungen ist. Es war ein pompöses Ereignis, das größ­ te des Abendlandes. Es glitzerte und fun­ kelte so viel Gold und so viel Geschmeide – da ist das Brautpaar bei der Hochzeitszeremonie fast zurückhaltend gekleidet. Ferdi, der aktuelle Bräutigam, trägt, ­genau wie damals der junge Herzog, graue Beinlinge (also anliegende Hosen), ein wei­ ßes Leinenhemd, das hinten am Hals gebun­ den wird. Darüber ein braunes Wams aus Samt. Einen roten Hut mit goldener Borte

gut zu

wissen Fanfarenstöße aus Businen. Sie verkünden die Ankunft des Brautpaares auf der Wiesmahd. Junge Ritter treten zu Wettkämpfen an, wetteifern um die Gunst der Zuschauer. Oben die Burg – damals Kulisse, heute Kulisse. Es ändert sich eben doch nicht alles. Auch damals war das „Volk“ dabei, man trank zünftig aus Kupferbechern, rief: „Hoch lebe das Fürstenpaar!“

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Von Freitag, 28. Juni, bis Sonntag, 21. Juli, wird die Landshuter Hochzeit zum 40. Mal aufgeführt. Drei Wochen und vier Wochenenden lang heißt es: Eine Stadt spielt Mittelalter. Resttickets für Tribünenplätze beim Festzug, bei der Musik zu des Fürsten Hochzeit, für Reiter- und Ritterspiele, Fest- und Tanzspiel, Laudate Dominum, oder Nächtlichen Mummenschanz gibt’s beim Verkehrsverein Landshut: www.landshuter-hochzeit-tickets.de. Dort ist auch eine Tauschbörse eingerichtet. Servus-Tipp: Auch ohne Eintrittskarten lohnt sich die Anreise. Den Hochzeitszug, viermal jeweils am Sonntag um 14 Uhr, kann man abseits der Tribünen kostenlos erleben. Gratis sind Treffpunkt Altstadt und Treffpunkt Burg. Für 2,50 Euro erhält man Zutritt zum Zehrund Lagerplatz und genießt das mittelalterliche Flair vor der Kulisse von Martinsturm und Burg im historischen Biergarten.


Festzug in der Altstadt. Lange vor der Designermode, aber mindestens so mondän und elegant. Oben: ein Falkner mit dem Spezialhandschuh. Und: Blüten, Buchsbaum. Gold stand wie eh und je für Reichtum, aber Buchsbaum stand für Wertvolleres: für Glück.

und Federbusch. Schwarze Schnabelschuhe, wie sie höfische Mode waren. Am Ärmel des Wamses ist – wie damals – wörtlich eingestickt: In Ehren liebt sie mir. Sein zweiter Anzug ist für das Tanzspiel: Hemd und Beinlinge sind schwarz. Hut und Gürtel sind mit Perlen besetzt und passen zum roten Tanzkleid der Prinzessin. Als Schmuck trägt der junge Herzog den HerzogGeorgs-Orden, eine damals besonders begehrte und kostbare Auszeichnung, sowie einen prächtigen mit Rubinen und Perlen besetzten Gürtel mit Dolch. Und Vroni trägt das Brautkleid von 1475, das heißt, eine Nachbildung: ein Gewand aus Golddamast mit üppigen Stickereien,

Perlenbändern an den Ärmeln. Im rot ab­ gesetzten Kragen verspricht eine Stickerei: Lieb und Leide, das teil ich samt dir. Das Kleid ist unten mit einem breiten Band aus Hermelinfell bordiert. Dazu ist am Gürtel eine im Stil des Brautkleides genähte gol­ dene Tasche mit rotem Muster. Im Zopf der Braut schimmern Perlen. Auf ihrem anmutigen Haupt trägt die ge­ borene Königin von Polen eine goldene Krone, die in unseren Zeiten ein Landshuter Juwelier nach historischem Vorbild gefertigt hat. Im Märchen würde es jetzt heißen: Und sie lebten glücklich und zufrieden, bis …

Die Wahrheit ist so: Die echte Königstochter Hedwig stirbt nach 26 Jahren Ehe in Burghausen mit 44. Der echte Herzog stirbt als Witwer in Ingolstadt, auf dem Weg zur Kur, mit 48 Jahren. Einen männlichen Erben hat er nicht, Tochter Elisabeth übernimmt in stürmischen Zeiten. Was uns das sagt, ist ganz simpel: Es gibt weniger prunkvolle Hochzeiten, die aber mehr und längeres Glück bringen. 3

ServusTV-Tipp. Am Sonntag, dem 14. 7., werden zwei Live-Berichte ab 12.40 Uhr gezeigt; am Samstag, dem 20. 7., sind ab 16.05 Uhr die Reiter- und Ritterspiele zu sehen.

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wunder der heimat

Ein Panorama wie auf einer Postkarte: Im Schatten des Säulings (2.047 m) und des Tegelbergs (1.881 m, links im Bild) liegt Schloss Neuschwanstein. König Ludwigs Märchenschloss ist der Besucher­magnet im Ostallgäu.

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Erste Reihe Alpenloge Einen einzigartigen Blick auf die Berge hat man im Südlichen Allgäu. Hier liegt das Städtchen Seeg, umgeben von Wiesen, Weihern und Mooren. Mit Kühen, die im satten Grün grasen, und Kindern, die im Dorfbrunnen baden. Text: gero günther Fotos: Jörg koopmann

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Johann Lipp holt in seiner Hofkäserei am Ortsrand von Rückholz die Käselaibe aus der Salzlake. Seinen Käse stellt der kämpferische Senn aus silagefreier Rohmilch ­seiner eigenen Kühe her. „Nur ein guter Rohstoff gibt eine gute Milch“, sagt er.

eit hat sie es nicht, die Milch. Schließlich ist die Käserei Lipp eine Hofkäserei, und da stehen die Lieferanten ausgeruht rund um das Haus herum. 26 Kühe hält Johann Lipp auf seinem Hof, der etwas außerhalb von Rückholz liegt, mitten im welligen Grün des Ostallgäuer Voralpenlandes. Gemütlich rupfen die Wiederkäuer an fetten Gräsern, schlagen mit dem Schwanz nach Fliegen und genießen es, dass das Fichtenwäldchen neben ihrer hügeligen Weide ­einen langen Schatten wirft. Es ist dem Braun- und Fleckvieh ein bisschen zu heiß an diesem Sommerwochenende, aber da geht es den Rindern nicht anders als uns Menschen. Zum Glück gibt es überall Seen, Weiher und Bäche, in die man hüpfen kann. Bäche, die sich in Schlangenlinien durch die Landschaft winden mit torfigem Wasser, das schäumt wie Weizenbier. Die Region Südliches Allgäu, die nahe der österreichischen Grenze im Ostallgäu liegt, ist eine Welt aus Wäldern, Wiesen und Kapellen. Perfekt für einen ruhigen Sonnentag oder für Spaziergänge über grüne Wiesen und durch dunkle Moore, über Hängebrücken und Viehgatter. Und wer Lust auf eine Brotzeit hat, kann sich bei der Hofkäserei Lipp eindecken. Was sich nicht nur in kulinarischer Hinsicht lohnt. Denn einen schöneren Blick als die Lipps und ihre glückliche Kühe kann man kaum haben, und das liegt daran, dass der Abstand zu den Bergen ge­nau richtig ist. Nicht zu weit und nicht zu nah. Von Rückholz, Seeg oder Roßhaupten sieht man die Gipfelkette mit dem Grünten, Aggenstein, Säuling und der Hochplatte wie eine ausklappbare Panoramapostkarte vor sich. Nicht umsonst schmückt sich die Region mit der Bezeichnung „Königsloge vor den Alpen“. Geschäftstüchtig, eigensinnig und freiheitsliebend

Es riecht nach Gras und Mist, die Kirchenglocken läuten und Traktoren knattern über die Wiesen. Eine wunderschöne Gegend, die nach wie vor von der Milchwirtschaft geprägt ist. Leicht haben es die Bauern auch hier nicht. „Jedes Jahr hört irgendwer auf“, sagt Johann Lipp, „und viele müssen noch anderweitig arbeiten.“ Johann Lipp hat jahrelang in einer großen Molkerei ­gearbeitet, ehe er seiner eigenen Wege ging. Damals war er auch noch Akkordeonspieler im Trachtenverein, doch dafür hat er längst keine Zeit mehr. Vor elf Jahren eröffnete der kämpferische Allgäuer eine Käserei samt Hofladen. Zehn Sorten stellt er her: Weich­ käse, Bergkäse und Käse mit Kräutern und Gewürzen; alle aus silagefreier Milch. „Qualität und Vielfalt sind unsere Stärken sowie die Tatsache, dass bei uns alles aus einer Hand kommt. Ich brauch keine künstlichen Zusätze“, ­erklärt er und stößt die gepressten Laibe unter ohren- ➻


Langsam fließt die Lobach hinter Seeg vorbei. Im Ortsteil Burk stand im Hochmittelalter der Sitz der ­Herren von Seeg.

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Der Luimooser Weiher ist einer von vielen Moorweihern rund um den Ort Seeg. Man kann hier herrlich ­baden, muss aber damit rechnen, dass das Handtuch auf den torfigen Wiesen ziemlich feucht wird.

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betäubendem Lärm aus den Formen. „Früher haben sie den Käse ja auch ohne so was gemacht.“ Johann Lipp ist stolz darauf, dass sein Betrieb ganz ohne Transportwege auskommt. Die Milch muss nicht in Tankwagen gepumpt werden, sondern wird gleich vor Ort verarbeitet. Und fast alles, was in den Regalen heranreift, verkauft seine Frau Andrea gleich im Hofladen. Während der Saison kann man bei Familie Lipp sogar Raclette essen, dafür haben sie im ersten Stock eigens einen Gastraum eingerichtet. Dazu bietet Johann Lipp Führungen durch seine kleine Käserei an; kurz: Er ist inzwischen ein richtiger Vermarktungsprofi geworden. Verbiegen lässt er sich aber trotzdem nicht. Geschäftstüchtig, eigensinnig und freiheitsliebend ist dieser Senn – allesamt Charakteristika, die den Allgäuer gemeinhin auszeichnen. Querdenker gab und gibt es viele hier. Auch der KäsePionier Carl Hirnbein war einer von ihnen. „Vor dem Hirnbein war das Allgäu ein Armenhaus“, erklärt Johann Lipp. Carl Hirnbein, 1807 als Sohn eines wohlhabenden Großbauern zur Welt gekommen, wurde mithilfe seiner Agrarreformen zum mächtigsten und größten Grundbesitzer im Allgäu. In einer Zeit, als die Region in einer tiefen Krise steckte und der weit verbreitete Flachsanbau längst keine Profite mehr abwarf, begann er mit der groß angelegten Produktion von Käse und schuf damit das grüne Allgäu, wie wir es heute kennen. In früheren Jahrhunderten wurde in der Gegend freilich auch Getreide angebaut, sonst gäbe es ja im Weiler ­Sigratsbold wohl kaum die Tannenmühle, die seit elf Generationen im Besitz derselben Familie ist. Ein stattliches Häuserensemble umfasst diese uralte Mühle, fast herrschaftlich mutet sie an.

Oben: Auf einem alten ­­Mühlstein sind die wichtigsten ­Daten um die Entstehung der Tannenmühle in Sigratsbold eingraviert. Rechts: Wolfgang Reichart an der Abfüllanlage in der Tannenmühle. Das Weizenmehl ist hochwertig, weil es nicht industriell standardisiert ist. Unten: Beim Trachtenfest der Lobachtaler zeigt die Jugend des Trachtenvereins, was sie kann. Nachwuchs gibt es genug.

den Reicharts goat’s id schlecht

„Ich hab mich nie gefragt, ob ich etwas anderes machen will als Müller“, sagt Wolfgang Reichart, der heute nicht nur hochwertiges Weizen-, Dinkel- und Roggenmehl mahlt, sondern auch Kraftfutter. Außerdem erzeugt die Mühle Strom, der ins Netz eingespeist wird, und einen kleinen Laden gibt es auch noch. Idyllisch in einer Senke im Lobachtal liegt die Tannenmühle, umgeben von einem Weiler, der gerade mal 24 Einwohner hat. Zum Anwesen gehören ein Kanal, das Wehr, Wiesen und Wald und eine eigene Kapelle, die jüngst neu ausgeweißelt wurde und jetzt alles überstrahlt. An heißen Sommertagen ist es hier drinnen außerdem schön kühl. Den Reicharts „goat’s id schlecht“, meint Wolfgang Reichart über sich und die Seinen, und man merkt ihm ­seine Zufriedenheit an. Ohne dass er es mit Nachdruck verfolgt hat, sind inzwischen auch seine Söhne in den erfolgreichen Betrieb eingestiegen. „Wir beliefern nur ganz kleine Bäckereien“, erzählt der gewitzte Müller. „Unser Mehl ist sehr hochwertig und nicht so standardisiert wie das, was die Großen brauchen.“ Weg vom Standard will auch Hans-Georg Kaufmann. Der Hotelier aus Roßhaupten hat das Landgasthaus sei­­ner Eltern modernisiert und dabei ganz auf traditionelle Allgäuer Baumaterialien gesetzt: Lehmputz, rohe Fichte, Filz. Der Aufzug ist mit altem Stadelholz ausgekleidet, die ­Sauna hat eine Decke aus Korbgeflecht. Innovativ? ➻

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Links: SchuhmachermeisterUrgestein Ulrich Kleber ­kümmert sich seit vielen Jahrzehnten um das Schuhwerk der Menschen in der Gegend. Unten: Gut gelaunte Damen des Lobachtaler Trachten­ vereins nähen an ihrer histo­ rischen Festtracht aus der ­Biedermeierzeit. Besonders aufwendig sind die Wellen­ rüschen an der Schürze.

Traditionell? Beides! „Bodenständig möchten wir sein, aber nicht bieder“, sagt der Juniorchef und grinst: „Ge­ hoben, aber kein Krawattenhotel.“ Dazu wäre der Mann mit dem rotblonden Haarschopf und den munteren Bubenaugen gar nicht der Typ. Er mag einfache Dinge, und die dürfen ruhig Gebrauchsspuren aufweisen: „Sachen mit Charakter halt.“ Auch in der Küche setzt der verschmitzte Roßhauptener auf Regionalität. Und so gibt es bei den Kaufmanns nicht nur Fisch und Wild aus der Umgebung, sondern auch einfache Gerichte wie Kraut­ krapfen, Ziegernudeln oder Allgäuer Gröschtl. „Bei uns werden auch Reste verwertet.“ So war das schon immer im sparsamen Schwaben, so soll es bleiben. Kleine, traditionelle Strukturen machen den Reiz der Region aus. Vielerorts gibt es in der Gegend noch Betriebe, die seit Jahrhunderten in Familienbesitz sind. Seit fünf ­Generationen etwa wird in der Luimoosmühle Holz gesägt. Fast jeder Bauer hier hat seinen Wald, meist gerade genug für den Eigenbedarf an Brenn- und Bauholz. Kleine Baum­ inseln stehen mitten auf dem Weideland, viele von ihnen fast undurchdringbar dicht gewachsen. Ihr Holz bringen die umliegenden Landwirte bei Mat­ thias Roth vorbei, der die Stämme in den Bach rollen und in die Sägerei treiben lässt. Ein paar Maschinen stehen ­parat, um Bretter und Balken zu schneiden. Einen Haufen Brennholz, aber auch Latten, Dach- und Bauholz verkauft er. „Ein Bauer hat immer was zu richten“, sagt der Prag­ matiker Roth. Bis vor kurzem hat noch die 86-jährige Tante mit angepackt, wenn’s zu viel wurde, jetzt erledigt Matthi­ as Roth die Arbeit mit seiner Frau und seinen Buben. Dazu muss er sich auch noch um 50 Tiere und eine stattliche Alpe kümmern. Abkühlen im Weiher, Wildbach oder Dorfbrunnen

Überall werkeln hier die Allgäuer sommers fleißig vor sich hin. Da sitzt ein Kind auf dem Traktor, dort jätet eine alte Frau ihren Garten, und im Ausschank der Alpe Beichelstein helfen gerade zwei freche Schülerinnen aus. Zwischendurch bleibt aber allen genügend Zeit, um sich im kühlen Nass zu erfrischen. Die Lipps baden am liebsten im Grundweiher mit seinen Seerosen, Familie Roth kann zwischen Luimoosweiher und Schwaltenweiher wählen, andere springen mit Anlauf in einen Wildbach oder setzen sich in den nächstbesten Dorfbrunnen. Sol­len sich die Leute bei den Königsschlössern doch die Beine in den Bauch stehen, hier lässt man sie lieber im Wasser baumeln. Zum Beispiel im stattlichen Schwaltenweiher. Hier gibt es ein richtiges Strandbad, auch Kioske und jede Menge Liegefläche. Rundherum wird gepicknickt und gepaddelt, gespielt und geschwommen. Vorzugsweise in südlicher Richtung, denn dann hält man direkt auf die Berge zu. Der Seeger Schuhmachermeister Ulrich Kleber kommt seit acht Jahrzehnten regelmäßig an den Schwaltenweiher. Bis vor zehn Jahren stellte der 86-Jährige Bergschuhe und Haferl in seiner gemütlichen Werkstatt her, heute führt er nur noch Reparaturen aus. „Damals“, erzählt er, „haben wir die Bergschuh noch genagelt, da gab es keine Profilsohlen.“ Gewandert ist er selbst gern und viel. Das Bergsteigen lässt „der Motor inzwischen nicht mehr zu“, deshalb trifft man Ulrich Kleber im Sommer fast täglich am Schwalten­ ➻


Ganz oben: Der Weg zwischen dem Luimoos- und dem Trollweiher ist umsäumt von saftig-grünen Wiesen. Oben: Matthias Roth betreibt in fünfter Generation die Sägerei an der Luimoosmühle. Rechts: Westlich von Rückholz führt ein schmaler Steg über die Wertach, ein beliebter Ort für Spaziergänger und Familien. Dass das Brücklein so schön schwankt, gefällt besonders den Kindern.

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Einen schöneren Blick als die Familie Lipp und ihre Kühe kann man kaum haben. der Abstand zu den Bergen ist hier genau richtig.

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Ein Anblick, der so vielerorten leider selten geworden ist: friedlich grasende Milchkühe auf fetten ­Weiden. Hier auf den ­Wiesen rund um Seeg sorgen sie glücklicherweise noch für eine natürliche Milchproduktion.

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weiher. Ganz Seeg kennt den Mann und freut sich, dass der einzige Schuhmacher zwischen Füssen und Marktober­ dorf immer noch so fit ist. In unmittelbarer Nähe von Klebers Werkstatt findet ­unter schattigen Bäumen das Fest des Trachtenvereins D’Lobachtaler Seeg statt. Seit 1921 gibt es den Verein, über Nachwuchsprobleme kann sich hier keiner beklagen. Ein junges Trio namens „Spitzbuaba“ spielt auf, trachtig geklei­ dete Kinder tanzen auf der Bühne, es wird geschmaust und getrunken. Der Andrang ist groß, die Bierbänke reichen kaum aus, und in einer Garage nebenan kann man für we­ nig Geld selbstgebackene Kuchen kaufen. „Das Vereins­ leben ist in der ganzen Region überaus lebendig“, sagt Vor­ stand Franz Fichtl. Die Lobachtaler etwa treffen sich jede Woche zur Tanzprobe. Bald wird ein Teil der Trachtlerfrauen noch prächtiger als bisher gewandet sein. Seit Monaten schneidert ein fröh­ liches Dutzend unter ihnen an einer historischen Tracht aus der Biedermeierzeit. Hunderte von Arbeitsstunden wurden bereits in die Wellenrüschen, Kellerfalten, blasengereihten Ärmel, Borten und Hauben investiert. Streng sind die Re­ geln, nach denen eine historische Tracht gefertigt werden muss, weniger streng ist die Atmosphäre im Vereinsheim. Es wird gelacht und geschwatzt, Nähen macht offenbar gute Laune. Beim Vereinsfest am Mühlrad haben die Kinder längst ihre weißen Strümpfe ausgezogen und halten die Füße ➻

Oben: Hedwig Langhof ­kümmert sich leidenschaftlich um die Pflege der Allgäuer Hochmoore und Streuwiesen. Interessierte führt sie gerne in die verwunschenen Moor­ wälder auf der Lobacher Viehweide. Rechts: Auf dem Hof der ­Familie Lipp in Rückholz ­wartet eine Ziege auf die Rückkehr der Urlaubsgäste. Unten: Hans-Georg Kaufmann am Stammtisch seines Hotels in Roßhaupten.

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Unterwegs mit dem Rückholzer Käser Johann Lipp

Einfach abtauchen Über Weiden und Streuwiesen zu den schönsten Weihern des Voralpenlandes. Seeg liegt gemeinsam mit seinen Nachbargemeinden Rückholz, Hopferau, Roßhaupten und Lengenwang eingebettet in hügeliges Gelände mit großen Weideflächen, Mooren, Seen und Weihern. 1958 wurde die Gemeinde als Erholungsort anerkannt. Einst war Seeg die bevölkerungsstärkste Landpfarrei des Bistums Augsburg. Die Einwohnerzahlen wurden jedoch im Dreißigjährigen Krieg stark dezimiert. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 kam der Ort zu Bayern. Nicht weniger als 83 Prozent aller landwirtschaft­ lichen Betriebe halten Milchvieh. Der durchschnittliche Milchbauer hat 28 Kühe auf der Wiese stehen. Also ist die Milchwirtschaft das prägende Element in dieser Region.

2. Hängesteg über die Wertach Johann Lipp möchte diesen ruhigen Platz an der Wertach nordwestlich von Rückholz besonders Familien ans Herz legen. Man kann hier wandern, picknicken und am Wasser spielen. Weil der Steg ganz herrlich schwankt, ist die Gaudi für Kinder garantiert. Parkplätze gibt es bei den Weilern/Orten Stadels im Westen oder Geigers/Kaltenbrunn auf der östlichen Seite der Wertach. 3. Weiher, Weiher, Weiher Rund um Seeg gibt es eine große Auswahl an Weihern. Wer es gerne ruhig mag, liegt am Luimooser Weiher oder am benachbarten Trollweiher richtig. Der größte und populärste ist der Schwaltenweiher mit seinem Strandbad samt Volleyballplatz und Bootsverleih. Angelegt wurde der Schwaltenweiher vom Habsburger Kaiser Maximilian I. im Jahre 1514 zur Fischzucht und als Jagdrevier für Wasservögel. 4. Alles, was man braucht „Einen Beutel rosa Pilze, bitte“, verlangt die junge Kundin. Wie bitte? „Rosa Pilze“ sind Süßigkeiten, und davon hat der Tante-Emma-Laden im Zentrum von Seeg eine große Auswahl anzubieten. Katzenzungen etwa, Brausepulver und Esspapier in Form

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von überdimensionierten Geldscheinen beispielsweise. Aber auch Schnaps gibt es hier, Gumpoldskirchner Qualitätswein und jede Menge frisches Obst. Im Großen und Ganzen bekommt man „Beim Faller“ alles, was man für den Haushalt braucht, ­einen Schwatz und ein Lächeln gibt es gratis dazu. Beim Faller, Hauptstraße 56, 87637 Seeg 5. Rokokojuwel in Seeg Eine der bedeutendsten Rokokokirchen Bayerns ist St. Ulrich in Seeg. Das auch als „kleine Wies“ bezeichnete Gotteshaus wurde vom Ostallgäuer Baumeister Johann Jakob Herkomer entworfen und 1725 geweiht. Die Fresken und Malereien stammen von den beiden deutschen Barockmalern Balthasar Riepp und Johann Baptist Enderle. Das detailreiche Hauptfresko zeigt das Getümmel in der Seeschlacht von Lepanto, bei der sich das christliche Europa gegen die Türken verteidigte. 6. Ein Schuhmacher wie anno dazumal Ulrich Kleber repariert Schuhe mit Liebe und Sorgfalt. Weggeworfen wird hier so schnell nichts, einige Maschinen in der Werkstatt des 86-Jährigen sind fast schon Museumsstücke. Manche Mitbürger vermuten, dass auch Herrn Klebers Preise aus einem anderen Jahrzehnt stammen. Schuhwerkstatt Ulrich Kleber, Talstraße 11, 87637 Seeg-Lobach, Tel.: 08634/17 45

7. Ein Ort der Stille 1647 wurde die St.-Rochus-Kapelle auf einer An­ höhe außerhalb der Ortschaft Seeg erbaut. An die tausend Tote hatte die Stadt davor in den Pestjahren 1628 und 1635 zu beklagen, gleich danach wurde Seeg von den Kaiserlichen angesteckt und brannte fast vollständig nieder. Heute steht das kleine weiße Kirchlein ganz allein da, umgeben von einem Kranz aus Bäumen. Ein Ort der Stille. Die Route zur Kirche bekommt man bei der ­Touristen-Info: Hauptstraße 33, 87637 Seeg, Tel.: 08364/98 30 33, E-Mail: info@seeg.de 8. Das Moor entdecken Im Allgäu findet sich eine der wertvollsten Moorlandschaften Mitteleuropas. Dem Schutz und der Pflege dieser Gebiete hat sich der Zweckverband Allgäuer Moorallianz (www.moorallianz.de) verschrieben. Mithilfe von ausgebildeten Moor-Erlebnisführern will man Kenntnisse über die Feucht­ gebiete vermitteln. Hedwig Langhof aus Seeg ist führt ihre Gäste mit größter Leidenschaft und bewundernswerter Energie über Streuwiesen ins Hochmoor auf der Lobacher Viehweide. Von der 71-Jährigen kann man ganz nebenbei auch etwas über die alte Allgäuer Küche lernen: Küchle mit Beeren oder Sauerrahm, Hasenohren, Strauben und Bröselsuppe. Moorführungen über die Touristen-Info, siehe Punkt 7.

illustration: andreas posselt

1. Mit der Milch von den eigenen Kühen Auf einem Einzelgehöft außerhalb von Rückholz ­befindet sich Johann Lipps Käserei. Der Allgäuer bietet mit hoher Qualität und großer Auswahl den industriellen Herstellern die Stirn. In dem Familienbetrieb wird nur Milch von den eigenen Kühen verkäst. Diese wird nicht erhitzt, denn Johann Lipp stellt ausschließlich Rohmilchkäse her. Informationen über Raclette-Essen und Käsereiführungen kann man auf der Internetseite nachschlagen. Wer beim Käser urlauben möchte, kann sich im ­angeschlossenen Ferienhaus einmieten. Es gibt Platz für insgesamt zwölf Personen, dazu einen Spielplatz, Streicheltiere und ein Wassertretbecken. Der Hofladen ist Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9 bis 12 Uhr und 17 bis 19 Uhr geöffnet. Hofkäserei Lipp, Stelle 1, 87494 Rückholz, Tel.: 08369/361, www.hofkaeserei-lipp.de


9. Seit 600 Jahren Müller 1424 wurde die Mühle in Sigratsbold als Lehen des Augsburger Stiftes gegründet. Seither befindet sie sich im Besitz der Familie Reichart. Verarbeitet werden hier Weizen, Roggen und Dinkel aus der Buchloer und Landsberger Gegend. Im unmittelbaren Umland wird schon lange kein Getreide mehr angebaut. Im Hofladen kann man Spätzlemehl, Dinkelnudeln oder Müsli kaufen. Tannenmühle, Sigratsbold 4, 87663 Lengenwang, Tel.: 08364/16 64 10. Typisch Allgäuerisch 1966 eröffneten Johann und Wilhelmine Kaufmann, die Eltern des heutigen Inhabers, ihr Hotel in Roßhaupten. Die 250 Jahre alten Holzdecken in der Gaststube besorgte sich Johann Kaufmann in Tirol. Als Sohn Hans-Georg 2003 den Betrieb modernisierte, ließ er die alten Holzdecken bestehen. Neu ist ein Anbau aus naturnahen Materialien wie Lehm, Holz, Filz und den verwitterten Latten eines alten Stadels. Es entstand ein helles Urlaubshotel mit korbgedeckter Sauna und einem Schwimmbad. Typisch Allgäuerisch und doch eine große Ausnahme in der Region. Auch im Restaurant setzt der Hote­ lier und Koch Akzente. Neben feiner Küche gibt es auf der Karte typisch Allgäuerisches wie Krautkrapfen, Ziegernudeln, Gröschtl oder Maultaschen. Hotel Kaufmann, Füssener Straße 44, 87672 Roßhaupten, Tel.: 08367/91 23-0, www.hotel-kaufmann.de 11. Ferien auf dem Bauernhof Ländlicher geht es kaum. Wer sich in Lotte Hofers Bauernhof am Rand von Albisried einmietet, be­gibt sich auf eine Zeitreise. Ihre „kleinen Zimmerle“ hat die ehemalige Bäuerin so eingerichtet, wie das ­früher üblich war: Heiligenbilder, bemalte Möbel, Puzzlebilder von Bergen und Tieren. Nicht jedermanns Geschmack, aber höchst authentisch. Aus den Fenstern hat man einen herrlichen Blick auf Weiden und Berge. Hinter dem Haus stehen Ponys, vor dem Haus plätschert ein Bach. Dazu verkauft Lotte Hofer Gestricktes und Gehäkeltes, das sie und ihre Bekannten selbst herstellen: bunte Strümpfe, Mützen und Babykleider, deren Erlös an eine Kinder­ krebsklinik gespendet wird. Ferienhof Lotte, Albisried 30, 87663 Lengenwang, Tel.: 08364/15 53 12. Auf der Alm … „Chrischtoff“, rufen die beiden Mädchen unisono in die Lautsprecheranlage und meinen damit, dass der Christoph jetzt seinen bestellten Wurstsalat an der Theke abholen könne. „An Guada“, wünschen Lena und Moni, als ein Radfahrer auftaucht, und lachen dabei fröhlich. Der Mann hat sich ge­ rade die steile Straße zur Alm heraufgequält und jetzt einen gesegneten Appetit. Seit 1550 gibt es die Alpe, umgebaut wurde das Wirtshaus zuletzt im Jahr 1989. 54 Hektar Weidefläche gehören zur Alpe und ein paar Ziegen, die gern auch mal auf die Tische springen. Geöffnet: Montag bis Sonntag ab 11 Uhr, Beichelstein 1, 87637 Seeg, Tel.: 08364/397

An heißen Tagen springt man zur Abkühlung gerne einmal in den Dorfbrunnen. So wie die ­ Kleinen hier in Heimen.

in den Bach. Eine Affenhitze ist das heute! Drüben in Burk treibt ein besorgter Bauer sogar die Kühe in den Stall zurück. Sogar beim Spazierengehen sucht man den Schatten. In den Wäldern der Lobacher Viehweide beispielsweise, wo Hedwig Langhof zu Moor-Erlebnistouren einlädt. eine verwunschene, stille welt

Die engagierte Dame bringt soeben den Boden zum Wippen, um ihre Wanderschuhe bildet sich eine Pfütze. Mit beiden Beinen steht die 71-Jährige in einem alten Torfstich und federt auf und ab. „Schwingrasen hat das bei uns geheißen“, sagt die Allgäuerin. Es herrscht Halblicht hier im Hochmoor. Eine verwunschene, stille Welt im Schatten der Fichten, die den äußeren Ring des Wäldchens bilden. Innen, wo es richtig feucht wird, können nur noch Moorkiefern wachsen, Moose und fleischfressende Pflanzen. „Schaut, hier gibt es noch jede Menge Sonnentau“, erklärt Hedwig Langhof. Mit großer Begeisterung kämpft sie sich durch das Dickicht, findet seltene Schmetterlinge und Gräser; ganz nebenbei erklärt sie, wie wichtig die Moore als Kohlenstoffspeicher für unser Klima sind. Als Kind wurde sie mit ihren Geschwistern und den Nachbarskindern zum Beerensammeln in die Moore geschickt. Heidelbeeren, Rausch-, Preisel- und Moosbeeren gab es hier. Auch den Torfabbau hat sie noch gut in Erin­ nerung. Seinerzeit, in den 1960er-Jahren, hat man auf­ gehört, mit scharfen Spaten Torf zu stechen, in jüngster Zeit aber wird der große ökologische Wert von Mooren und Streuwiesen wiederentdeckt. „An da Brunnakresse kosch du sehn, dass das Wasser sauba ischt“, sagt Hedwig Langhof und schreitet mit schnellen Schritten über die Wiesen, hüpft über Gräben, bückt sich, um Pflanzen zu erklären. Mädesüß, Augentrost, Weidenröschen. Und schon geht es weiter. Sapperlot, ist diese Frau auf Zack! Gestern war sie noch mal schnell auf dem Aggenstein – Hitze hin oder her. Der Gipfel scheint im blauen Himmel zu schwimmen, zum Greifen nah. „Herrlich oder?“, meint Hedwig Langhof. Die Alpenloge hält eben, was sie verspricht. Jetzt aber schnell ab in den nächsten Weiher! 3

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