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MEIN ERSTES MAL
ANDREAS GOLDBERGER
Ein kleiner Sprung für einen Buam, ein großer für den Sprungsport: der Skiflugweltmeister über seinen ersten Fünf-Meter-Hüpfer. Und über den ersten Sturz, der seinen Willen stärkte.
Den Spitznamen „Goldi“ hat er sich mehr als verdient: zwei Gesamtsiege bei der Vierschanzentournee, drei Siege im Gesamtweltcup, Skifugweltmeister. 1994, im slowenischen Planica, war Andreas Goldberger der erste Mensch, der über 200 Meter weit fog. Hier erzählt der heute 49-jährige Oberösterreicher von einem weitaus bescheideneren Sprung. Von seinem ersten nämlich. Der ging zirka fünf Meter weit – und war seiner Mama gar nicht recht. Trotzdem war es der Moment, der in ihm die Lust am Fliegen geweckt hat. Und ihn später dazu bewog, den Goldi Talente Cup ins Leben zu rufen. Um Kids, die nicht das Glück haben, in der Nähe einer Skisprungschanze aufzuwachsen, den Sport näherzubringen. Die nächsten „Schnuppertage“ fnden übrigens im Jänner statt (Termine auf redbull.at). „Aufgewachsen bin ich in Waldzell auf einem Bauernhof. Richtige Berge gibt es dort nicht. Als Kinder bauten meine Geschwister und ich auf dem Hügel hinterm Haus jeden Winter ein Schanzerl, auf dem wir nach der Schule das Springen übten. Das war nett, wurde uns aber bald langweilig. Denn bei uns im Ort gab es auch eine echte Skisprungschanze. Mein älterer Bruder Rudi wagte dort seinen ersten Sprung, als er in die Hauptschule kam – das war eine Mutprobe unter Freunden. Danach schwärmte er mir vor, wie lässig das war. Meine Mama aber war strikt dagegen, dass ihr siebenjähriger Bub mit Alpinskiern von einer richtigen Schanze hinunterspringt. Wir mussten sie also austricksen. Mein Bruder sagte, er brauche jemanden, der ihm die Schanze präpariert. Die Mama darauf: ‚Okay, mitkommen darf er, aber springen nicht.‘ Als sie uns dann von der Schanze abholte, traute sie ihren Augen nicht: Da stürzte sich doch glatt ein Zwerg den Anlauf hinunter. Eigentlich eine Frechheit
von Trainern und Eltern, dass sie so kleine Kinder springen lassen, dachte sie sich. Bis sie sah, dass ich das war. Ich weiß noch, wie irre es sich angefühlt hat, das erste Mal abzuheben. Es war nur ein Hüpferchen, fünf Meter vielleicht, aber es hat sich angefühlt, als wäre ich eine halbe Stunde in der Luft gewesen. Ich strahlte offenbar so sehr, dass sie mit mir und meinem Bruder gar nicht geschimpft hat. Sie erlaubte mir sogar, beim Verein anzufangen. Dort bekam ich zum ersten Mal eine richtige Sprungausrüstung. Das Problem war: Die kleinsten Sprungschuhe waren Größe 36 – zu groß für mich. Es hat mir dann in der Luft die Ski samt den Schuhen aus0:00 –36:51 Andreas Goldberger gezogen. Ein Sturz, von dem ich
Mein erstes Mal – der Podcast mich aber nicht unterkriegen ließ. Dass wir in unserem Ort eine Schanze hatten, war ein wahnsinniges Glück. Meine „Okay, mitkommen Familie hätte weder die Zeit noch die fnanziellen Mittel darf er, aber runter- gehabt, mich zum Training wospringen nicht!“ andershin zu bringen. Mit ziemlicher Sicherheit wäre ich kein
Mama Goldberger über die ersten Skispringer geworden. Deshalb Flugversuche des Goldadlers habe ich vor vierzehn Jahren auch den Goldi Talente Cup ins Leben gerufen. In fünf Bundesländern veranstalten wir Schnuppertage, bei denen Kids das Skispringen ausprobieren können. Über 2000 Kinder hatten wir schon dabei, einige springen heute im ÖSV-Kader.“
„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, in der Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit Andreas Goldberger, in der er auch erzählt, wie sich sein erster Sieg bei der Vierschanzentournee angefühlt hat, gibt’s im PodcastKanal von The Red Bulletin – auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast
SCHÜTZ DAS KLIMA. SCHLUCK FÜR SCHLUCK.
Der erste klimaneutrale Saft im Kühlregal.
Klimaneutral durch Einsparungen & Kompensation
Hohe Schule
Der Amerikaner Jimmy Chin brilliert nicht nur als Fotograf und Filmemacher, sondern auch als Abenteurer, Kletterer und Extremskifahrer. Diese Mehrfachbegabung beschert uns Bilder, die keiner sonst hinkriegen würde.
Text ANDREAS WOLLINGER
Frei wie die Vögel
Yosemite-Nationalpark, 2009
Jimmy Chin begann als Teenager im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien mit dem Klettern. 2009 kehrte er zurück, um die örtliche Kletterkultur zu dokumentieren. Im Bild: Basejumper nützen eine Granitwand zum Absprung.
Durch die Wand
YosemiteNationalpark, 2015
Im Jänner 2015 gelang es Kevin Jorgeson (vorne) und Tommy Caldwell erstmals, die 1000 Meter hohe „Dawn Wall“-Route am Granitfelsen El Capitan zu bezwingen, was vorher für unmöglich gehalten worden war. Jimmy Chin begleitete die beiden Pioniere auf ihrem 19 Tage langen Weg durch die Wand. Hier sehen wir sie in ihrem Hängezelt.
Eis-Eiliger
Mount Everest, 2004
Wenn sich ein Team aus Weltklasse-Bergsteigern anschickt, auf das Dach der Welt zu steigen, wird natürlich auch einer gebraucht, der angemessen ansprechendes Bildmaterial von der Expedition liefern kann. Dieser Auftrag sollte der erste von zwei Mount-EverestGipfelsiegen Jimmy Chins werden. Im Bild: Expeditionsteilnehmer David Breashears klettert über den Khumbu-Eisbruch.
Top of the World
New York City, 2016
Hier sehen wir Jamison Walsh, einen von zwei Spezialisten, die die jährliche Inspektion der Antenne an der Spitze des One World Trade Center durchführen dürfen. Jimmy Chin stand übrigens auf einer Leiter schräg über Walsh – er wählte allerdings eine Perspektive, die aussieht wie ein guter Zaubertrick.
Wüste Felstürme
Ennedi-Massiv, Tschad, 2010
Am südlichen Rand der Sahara haben Zeit und Wind skurrile Sandsteingebilde wie diesen Bogen in den Ennedi gestellt. Dass so etwas auf Kletterer unwiderstehlich wirken muss, versteht sich von selbst. James Pearson und Mark Synnott steigen auf, Jimmy Chin drückt ab.
Das höchste Ziel
Tibet, 2003
USSnowboarder Stephen Koch wollte die Seven Summits, die höchsten Berge aller Kontinente, mit dem Snowboard abfahren – hier klettert er auf einen Eisturm am RongbukGletscher auf der Nordseite des Everest. Später kamen er und Fotograf Chin in einer monströsen Lawine fast ums Leben. „Das erinnerte uns an das höchste Ziel jedes Kletterers“, sagt Chin, „nämlich: heil wieder heimzukommen.“
Es ist vollbracht
YosemiteNationalpark, 2017
Nach 3 Stunden und 56 Minuten hat der Amerikaner Alex Honnold das Unmögliche geschafft: Er hat die knapp 1000 Meter des Granitfelsens El Capitan ohne jede Sicherung (free solo) über die Route „Freerider“ bewältigt; Jimmy Chin hält den Augenblick des Triumphs fest. Chins Film über das Abenteuer, „Free Solo“, bekam 2019 einen Oscar.
Jimmy Chin mit der Kamera und beim Klettern (u.): ein Vielfachtalent, das uns die unwegsamsten Gegenden der Welt näherbringt
DER FOTOGRAF JIMMY CHIN
Der heute 48-jährige Sohn chinesischer Flüchtlinge, geboren und aufgewachsen im US-Bundesstaat Minnesota, hatte schon früh einen starken Hang zum Abenteuer. „Ich habe einfach eine große Neugier in mir“, erklärt er, „den Drang, die Welt zu erforschen – und dabei mein kreatives Potenzial zu entdecken.“ Gut, kaum jemand lebt seinen Entdeckergeist so extrem aus wie Jimmy. Er hat ein paar der höchsten Berge in aller Welt bezwungen, darunter zwei Mal den Mount Everest. 2006 war er unter den ersten Amerikanern, die mit Skiern vom Dach der Welt abfuhren. Zwei Mal kam er unter einer Lawine fast ums Leben. Als Fotograf und Filmemacher stellt sich Jimmy Chin freilich mindestens so geschickt an wie als Kletterer, was ihn zu einem Geometer der entlegensten Weltgegenden machte. Und zum Oscar-Preisträger: Der Film „Free Solo“, bei dem er mit seiner Frau Elizabeth Chai Vasarhelyi Regie führte und der den USFreikletterer Alex Honnold bei dessen Husarenstück auf den El Capitan im Yosemite-Nationalpark begleitete, wurde 2019 als beste Dokumentation prämiert.
Alle Bilder aus dem Buch „There and Back: Photographs from the Edge“ von Jimmy Chin; erschienen 2021 im Verlag Ten Speed Press, einem Tochterunternehmen von Penguin Random House
Deborah Dyer
auch bekannt als Skin von Skunk Anansie, ChauvinistenAlbtraum, verraten von Johnny Rotten, geadelt von der Queen. 54 Jahre im Geist der Rebellion.
Text WILL LAVIN Foto TOM BARNES
Skin hat gute Laune. Das liegt daran, dass die 54-jährige Sängerin, mit bürgerlichem Namen Deborah Anne Dyer, nach 19 Monaten coronabedingter Trennung endlich wieder mit ihren Freunden von der Band Skunk Anansie vereint ist. Die vier Briten haben sich im Voltaire Road Recording Studio im Südwesten Londons eingefunden, um an neuen Songs zu arbeiten, die wohl in einem Album münden werden.
Mehr als 25 Jahre ist es her, dass Skunk Anansie Mitte der Neunziger im Zeitalter des Britpop gemeinsam mit Bands wie Blur oder Oasis ins Scheinwerferlicht traten. Von Anfang an waren es die extravagante, furchtlos-selbstbewusste Erscheinung und die androgyn anmutende Falsettstimme von Skin, die das Quartett unverwechselbar machten.
Ein Buch als Mutmacher
Dazu kam, dass Skin prinzipiell keinem Ärger ausweicht, wenn es darum geht, sich für benachteiligte Minderheiten einzusetzen. „Ich als Gesicht einer Rockband – das hat eine Menge Leute unangenehm berührt“, erinnert sie sich heute.
Wobei „unangenehm berührt“ eine höfliche Umschreibung ist für die Anfeindungen, denen Skin sich zuweilen ausgesetzt sah. Eine schwarze Frau, offen bisexuell, das war damals für manche Menschen eine unerträgliche Provokation. Doch davon ließ sich Skin nie einschüchtern. Sie nahm den Kampf auf und ging immer dorthin, wo es besonders wehtat; prangerte Rassismus, Sexismus oder Missbrauch an, wo immer sie konnte – unter anderem in ihren Songs.
Das rief zum Teil heftige Reaktionen hervor. In ihrer im Herbst des vorigen Jahres erschienenen Autobiografe „It Takes Blood and Guts“ („Es braucht Blut und Mut“) erinnert sich Skin mit Schrecken an eine Australien-Tour 1996 mit den Sex Pistols, bei der sie Neonazis im Publikum mit dem Hitlergruß empfngen und Sprechchöre anstimmten: „Runter von der Bühne, du schwarze Schlampe!“
Wie man zur Rebellin wird
Was sie damals aber fast noch mehr kränkte: dass Sex-Pistols-Frontmann Johnny Rotten zu alldem kein Wort verlor. „Ich glaube, dass auch das eine Art stiller Gewalt sein kann“, sagt Skin, und in diesem Augenblick leuchten ihre Augen auf wie Scheinwerfer. „Ohhh, das ist gut!“, ruft sie, begeistert von der poetischen Eingebung. „Schreib das auf“, sagt sie zu Schlagzeuger Mark Richardson, der schräg gegenüber am Mischpult sitzt.
Einerseits haben ihre trotzige Art und der Geist der Rebellion Skin zu einer Ikone gemacht, andererseits muss so eine Attitüde auf die Dauer ziemlich anstrengend sein, oder? Nein, sagt Skin, im Grunde habe sie sich immer nur selbst treu bleiben wollen. „Ich habe nie wirklich das Opfer gespielt. Ich denke, es ist besser, die Dinge positiv zu sehen. All diese Widrigkeiten waren schließlich mit ein Grund, warum die Band so erfolgreich sein konnte.“
Anbiedern bringt nichts
Überhaupt – Integrität und Authentizität sieht Skin als die wichtigsten Zutaten ihrer Karriere: „Sich einem Publikum oder den Kritikern anzubiedern, um Erfolg zu haben, bringt nichts, wenn du dann jemand sein musst, der du nicht bist“, meint sie. „Ganz ehrlich: Was ist Erfolg? Musik zu machen und sie zu veröffentlichen – das ist für mich Erfolg.“
Sogar das britische Königshaus weiß Skins Verdienste mittlerweile zu würdigen – sie wurde im Juni vergangenen Jahres als Offcer in den OBE aufgenommen – ein Ritterschlag der Queen. Sieht sie sich eigentlich selbst als Wegbereiterin für Diversität und Feminismus? „Rückblickend betrachtet sehen wir natürlich unseren Einfuss. Aber damals hatten wir keine Ahnung, da war es einfach nur verrückt, eine schwarze, lesbische Sängerin zu haben, die nicht sexy war und keine winzigen Outfts trug. Heute ist es cool, woke zu sein und sich für alles Schwarze, Schwule und Transsexuelle zu interessieren. Ich fnde das verdammt großartig. Also ja: Jetzt begreife ich, dass wir Wegbereiter waren.“
Nun muss Skin aber wieder ins Studio, um mit den Aufnahmen weiterzumachen. Sie macht keinerlei Anstalten, es etwas langsamer angehen zu lassen.
Hat sie je ans Aufhören gedacht? „Die Frage ist: Wann soll man aufhören? Und wie?“, sagt Skin mit einem unglaublich gewinnenden Lächeln. „Und außerdem: Warum sollte ich überhaupt aufhören?“
Die Tour von Skunk Anansie startet Anfang März in Polen; alle Live-Termine unter: skunkanansie.com
„Integrität – das ist der wichtigste Baustein einer Karriere.“
Pop-Ikone Skin, 54, beweist das seit mehr als einem Vierteljahrhundert.
Steffen Freund
hatte einen Job als aktiver Fußballer: Weltstars ausschalten. Jetzt bringt er uns zum Einschalten. Als Kommentator bei ServusTV. Eine Begegnung.
Interview HANNES KROPIK
Als Fußballer war Steffen Freund defensiver Mittelfeldspieler. Da hatte er die Aufgabe, die Spielgestaltung des Gegners möglichst effektiv zu stören. 1996 wurde er mit Deutschland Europameister. Mit Borussia Dortmund gewann der nunmehr 51-Jährige zwei deutsche Meistertitel sowie 1997 die Champions League und den Weltpokal. Seine viereinhalb Jahre bei Tottenham Hotspur führten ihn in die Hall of Fame des Londoner Spitzenklubs.
Heute ist Steffen Freund, der mit seiner Familie außerhalb von Berlin lebt, ein gefragter TV-Analytiker. Auf ServusTV bildet er – gemeinsam mit dem Norweger Jan Åge Fjørtoft – ein internationales ExpertenDuo, das den Zuschauern die UEFA Champions League näherbringt.
THE RED BULLETIN: Was nimmt man für sein weiteres Leben mit, wenn auf der Visitenkarte „Champions-League-Sieger“ steht?
sTEffEN fREUND: Man spürt, dass die eigene Karriere weit oben angekommen ist. Dass ich nach dem EM-Titel auch die Champions League gewinnen konnte, hat mich sehr glücklich gemacht – aber ich war nie der Typ Mensch, der nach Erfolgen zufrieden wurde. Zufriedenheit kann hinderlich sein. Das Schwierige ist, errungene Erfolge durch nachfolgende Leistungen zu bestätigen.
Die UEFA Champions League ist für jeden Fußballer das höchste Ziel auf Vereinsebene. Blöde Frage: Wie gewinnt man sie?
Unser Finalgegner Juventus Turin war 1997 die beste Mannschaft der Welt. Ich erinnere mich, wie mein Kollege Jürgen Kohler vor dem Spiel trotzdem gesagt hat: „Kommt, wir holen uns den Pokal!“ Ich dachte: Was ist denn mit dem los? Aber er hatte natürlich recht: Du musst an dich selbst die höchsten Ansprüche stellen. Denn in einem Spiel kannst du jeden schlagen.
Heute sind Sie gefragter TVExperte. Inwiefern hilft Ihnen Ihre Vergangenheit als ehemaliger Weltklasse-Fußballer?
„Weltklasse“ haben jetzt Sie gesagt! Aber klar, das ist ein kleiner Vorteil für mich: Ich habe es selbst wirklich erlebt und kann meine Emotionen wahrhaftig wiedergeben. Ich bin sehr dankbar, dass ich in 17 Jahren als Prof so viel erleben durfte. Trotzdem habe ich nicht vergessen, woher ich komme: aus dem Osten, der armen Seite Deutschlands.
Als Aktiver galten Sie als unangenehmer Gegenspieler …
… aber ich war meist fair! Ich habe brenzlige Situationen sportlich zu lösen versucht. Meine Aufgabe war in der Regel, den gegnerischen Spielmacher auszuschalten, also Legenden wie Zinédine Zidane, Roberto Baggio oder Andreas Herzog. Ich habe es genossen, wenn ich dabei an meine Grenzen gehen musste.
Als TV-Experte nehmen Sie sich heute kein Blatt vor den Mund …
… ich verliere aber nie den Respekt vor Spielern oder Trainern. Ich setze bei den Zuschauern kein Basiswissen voraus. Meine Aufgabe als Experte ist es, das Gesehene so zu erklären, dass man es als Laie nachvollziehen kann und es am Ende einen Mehrwert für alle gibt. Gleichzeitig will ich die Zuschauer aber nicht mit theoretischem Wissen zuschütten.
Wie sind Sie als Aktiver mit Kritik umgegangen?
Ich habe sie mir am Anfang zu Herzen genommen – manchmal vielleicht sogar zu sehr. Aber letztendlich war berechtigte Kritik immer ein Schlüssel zum Erfolg. Aus Kritik entsteht Ehrgeiz. Und Energie!
Worum geht es im modernen Fußball – in einem Satz zusammengefasst?
Es geht um Flexibilität. Egal ob du als Mannschaft mehr in Ballbesitz bist oder nicht, egal ob in der Offensive oder in der Defensive: Du musst taktisch rasch reagieren können. Manche Entscheidungen musst du blitzschnell aus dem Bauch heraus treffen. Aber es müssen Entscheidungen sein, die du im Kopf schon längst vorbereitet hast.
Sie haben mit Ihrem Kollegen Jan Åge Fjørtoft eine Wette laufen: Sie behaupten, Manchester City gewinnt die aktuelle UEFA Champions League. Warum?
Ihre Ausgangssituation erinnert mich an unsere mit Borussia Dortmund: Wir waren – wie jetzt Manchester City – in den Jahren davor immer knapp dran am großen Erfolg. Du kommst dem Triumph immer näher – und wirst schlussendlich für deine Beharrlichkeit belohnt.
Alle Infos zur Fußball-Champions League auf ServusTV unter: servustv.com
„Klar wirst du kritisiert. Aber aus Kritik entsteht bei mir Ehrgeiz.“
TV-Experte Steffen Freund, 51, über Ärger als mögliche Energiequelle
Fabian „Bane“ Florin
prägt als Graffti-Künstler Städte auf der ganzen Welt mit seiner Street-Art. Wie er das schaffte? Mit einem Traum, der ihn aus 14 Jahren Sucht rettete.
Text STEFANIA TELESCA Foto LUKAS MAEDER
„Das Gefängnis war für mich wie ein 3-Sterne-Hotel. Ich hatte etwas zu essen, es war warm, und ich hatte eine Pause von der Straße.“ Fabian Florin, 38, sitzt an einem frühen Samstagmorgen in seinem Atelier in Chur und erzählt seine Geschichte. Seit der Haft vor mehr als zehn Jahren hat sich sein Leben grundlegend verändert. Seine Erinnerungen hingegen teilt er gern, auch wenn er dabei immer wieder innehalten muss. „Es ist eine Art Präventionsarbeit, die ich mache. Und wenn sie nur hilft, ein einziges Leben zu retten.“
Kurz und schmerzhaft: Mit vierzehn rutscht der Schweizer in die Drogensucht ab. Er konsumiert alles, was es auf der Straße gibt. Dann: Beschaffungskriminalität, Dealen, Überleben. „Bane“, wie sich der Künstler heute nennt, schläft regelmäßig in Tiefgaragen. Vierzehn Jahre lang ist die Sucht sein einziger Lebensinhalt.
Ungezählte Versuche eines Entzugs scheitern, immer wieder bringt ihn sein „Lifestyle“ hinter Gitter. Mit Ende zwanzig der Tiefpunkt: „Ich hatte wirklich keine Lust mehr auf dieses Leben. Dazu drohte mir eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren.“ Er entscheidet sich für eine Langzeittherapie. Zwei Monate dauert der harte Entzug, zwei Jahre die Therapie. Während dieser Zeit beginnt Fabian zu sprayen. Eine kleine Flamme brennt
Die Wende glückt, als er an einem Graffti-Contest teilnimmt und ihn gewinnt. „Ich erinnere mich gut an diesen Tag. Ich habe einen Fisch gesprayt“, sagt er lächelnd. Er wisse nicht einmal mehr, was der Preis war. „Der eigentliche Gewinn lag ganz woanders. Dieser Contest gab mir einen Lebensinhalt, eine Perspektive, ein Ziel.“ Er habe plötzlich daran geglaubt, etwas Großartiges erreichen zu können.
Schon als Teenager hatte er in einem Hip-Hop-Magazin die Welt der Grafftis entdeckt. „Das war das erste Mal in meinem Leben, dass mich etwas so faszinierte.“ Er sei schon immer ein Träumer gewesen. „Ich träumte davon, außerordentliche Sachen zu machen. Irgendwo in mir drin kannte ich schon das Leben, das ich heute führe.“ Auch während der Jahre der Sucht habe in ihm ein kleines „Flämmchen“ gebrannt, das nie erloschen sei: „Nenn es Hoffnung, nenn es Überlebenswille. Aber dieses Flämmchen hat es in diesem Moment geschafft, etwas auszulösen.“
Das Wichtigste im Leben sei es, Träume zu haben. „Ich habe einen für morgen, einen für nächste Woche, ich habe viele kleine und große Träume und hole mir auch immer neue.“ Seine Träume ersetzten die Leere, die nach dem Entzug entstand. „Ich fragte mich damals: Wer bin ich überhaupt?“ Die innere Leere zu füllen sei für alle Menschen wichtig. Gerade wenn man in einer schwierigen Lebenssituation steckt: „Wichtig ist, dass man Neues ausprobiert.“ Dafür müsse man zwingend raus aus der Komfortzone.
Bane hat vor drei Jahren das Street Art Festival Chur ins Leben gerufen und auch einen Analogfotografeverein gegründet. Inzwischen gehört er zu den erfolgreichsten Street-Art-Künstlern der Schweiz. Seit elf Jahren ist er selbständig und sprayt auf der ganzen Welt. Umsetzen kann er etwa 20 Prozent der Anfragen, die ihn erreichen. Bekommt er einen großen Auftrag, arbeitet er gerne mit anderen Künstlern zusammen: „Wir teilen uns die Gage und sind füreinander da.“
Bane verändert eine Stadt
Und was bedeutet der Künstlername „Bane“? Das, sagt Fabian, heißt „Fluch“. Er will niemals zu seinem früheren Leben zurück, aber auch niemals vergessen, woher er gekommen ist. Regelmäßig besucht er Schulen und erzählt von seinem Weg. Für die Drogenprävention – aber auch, um den Jungen zu zeigen, dass sie alles erreichen können.
Als wir mit Bane durch Chur spazieren, um seine Kunstwerke anzuschauen, wird er von allen Seiten angesprochen und angelächelt. Manche sagen Danke. Dafür, dass er der Stadt Chur Farbe gibt. Vermutlich aber auch, weil er mit seiner Geschichte viele berührt. „Damit habe ich nicht gerechnet. Ich wollte doch nur große Wände anmalen.“
Fabian „Bane“ Florins Murals zieren Wände in Europa, Asien und Nordafrika. Instagram: @fabian_bane_florin Weitere Infos unter: fabianflorin.ch
„Ich sprayte einen Fisch. Und mein Leben bekam wieder Sinn.“
Künstler Fabian „Bane“ Florin, 38, hier vor einem seiner Werke in Chur, über den Graffiti-Contest, der sein Leben veränderte
MIT FLÜGEL UND FLIEGE
Bernhard Speer, 38 (li.), und Christopher Seiler, 34, können auch Eleganz. Hier zu sehen beim Red BulletinFotoshooting in Wien.
„DAS WIRD SEHR INTIM“
SEILER UND SPEER treten bei Red Bull Symphonic mit großem Orchester auf. Wir haben den Austropop-Stars Frack und Fliege verpasst und ein Interview geführt, das klassisch beginnt. Und nackt in einem Bach endet.
Interview WOLFGANG WIESER Fotos PETER RIGAUD
WIch hätt unter Klassik eher Mozart,
Beethoven und Schubert verstanden.
cHRIsTopHER: Nicht nur! Meine erste Berührung mit klassischer Musik hatte ich mit Disney-Filmen. Da sind sehr ir treffen Christopher Seiler und Bernhard viele klassische Elemente drin. Aber ich
Speer in der 230 Quadratmeter großen habe tatsächlich in meiner … (Greift „Prince of Wales“-Suite im Wiener Hotel nach seinem Handy, scrollt.) Ich bin so
Bristol – perfekt, um ihren klassischen ein iTunes-Käufer. Na, was kommt da?
Auftritt zu würdigen. Mit Christian Kolo- „100 Meisterwerke der Klassik“ habe novits, der seit Jahrzehnten Popgrößen ich da oben. „Also sprach Zarathustra“ mit Arrangements veredelt, werden die (von Richard Strauss, 1896; Anm.). beiden am 10. und 11. Februar ihren Hits BERNHaRD: Na bumm. ein völlig neues Look & Feel verpassen – cHRIsTopHER: So staple ich hoch, Oida. mit einem 60-köpfgen Orchester und BERNHaRD: Aber viel Mozart war da mit Chor treten sie im Wiener Konzert- jetzt auch noch nicht dabei. haus auf. Das Gespräch zur Premiere – cHRIsTopHER: O ja, die Serenade Nr.13 plus: noch mehr erste Male. in G-Dur („Eine kleine Nachtmusik“, 1787; Anm.). Geil, dass diese Stücke wirklich so heißen … „in G-Dur“. (Lacht.) Prolog BERNHaRD: „Principessa“ in E-Dur.
THE RED BULLETIN: Dem Bernhard hab ich’s schon erklärt. Die Grundidee ist, einfach über eure Konzerthaus-
Premiere und andere erste Male zu reden. Nicht über das erste Mal …
cHRIsTopHER sEILER: Ah, eh nicht, okay. Das wäre ziemlich peinlich.
BERNHaRD spEER: Das, glaube ich, ist praktisch immer peinlich.
Was ist das Schöne an Red Bull Symphonic?
cHRIsTopHER: Dass diese OrchesterArrangements aus dem Song noch mehr rausholen; Dinge, die man vorher gar nicht gehört hat. Und im Endeffekt kann man dasitzen und so tun, als wäre man der Übergescheite und der ärgste Künstler, und hat gar nichts dazu beigetragen.
Fortsetzung folgt …
THE RED BULLETIN: Seit heute früh krieg ich euren Hit „Principessa“ nicht mehr aus dem Kopf – für Red Bull Symphonic packt ihr eure Ohrwürmer in klassisches Gewand. Wann seid ihr das erste Mal mit klassischer Musik in Berührung gekommen?
BERNHaRD: Spät. Erst mit Filmmusik – vom Hans Zimmer zum Beispiel oder mit Trevor Rabins Musik von „Armageddon“ (Science-Fiction-Blockbuster mit Bruce Willis von 1998; Anm.).
Was holt das Orchester raus?
BERNHaRD: Etwas, das schon da, aber nicht zu hören war. cHRIsTopHER: Das betont es … BERNHaRD: … und gibt den wahren Charakter des Liedes preis. cHRIsTopHER: Und wir können uns ungefähr vorstellen, wie großartig das werden wird.
Haben sich die Lieder für euch tatsächlich verändert?
cHRIsTopHER: Nummern verändern sich sowieso mit der Zeit. „Ham kummst“ klingt für mich heute anders als vor sechs Jahren. Und wenn du die arrangementmäßig veränderst, ist klar, dass die anders klingen. In diesem Fall besser. Aber „Ham kummst“ ist keine Nummer, die ich daheim höre.
Entschuldige, dass ich lache. Du hörst deine eigene Nummer nicht mehr?
cHRIsTopHER: Natürlich nicht. Welcher Künstler hört seine eigenen Lieder? Das ist doch pervers.
Was ganz anderes: Wenn ihr euch einen Platz im Orchester aussuchen dürftet, welcher wäre das?
cHRIsTopHER: Ui, die Frage haben wir schon einmal gekriegt. BERNHaRD: Aber ich glaube nicht, dass eine gescheite Antwort gekommen ist, oder? cHRIsTopHER: Ja, die Antwort war nicht gescheit, weil ich habe gesagt: Catering. Und er hat gesagt: erste Geige. BERNHaRD: Ja.
Na, dann probieren wir es noch einmal. Immer noch die erste Geige?
BERNHaRD: Wenn ich jetzt wirklich so drüber nachdenke … cHRIsTopHER: Ich glaube, die Frage ist auf dein Wesen ausgelegt. BERNHaRD: Ach so … cHRIsTopHER: Es geht ja keiner davon aus, dass du jetzt Geige spielen kannst. BERNHaRD: Okay. Du hast übrigens gesagt, du würdest den Dirigenten machen. cHRIsTopHER: Habe ich das gesagt? BERNHaRD: Ja. Und da täte ich mich wahrscheinlich auch eher sehen.
Aber es dirigiert der Herr Kolonovits.
cHRIsTopHER: Gibt es einen Co-Dirigenten?
ROSENKAVALIERE?
Zumindest gefühlt. Der üppige Strauß ist Deko in der Suite im Hotel Bristol.
Marmor und Gold im Bad kann Seiler und Speer nicht anspornen. Vielmehr die Freiheit, das zu tun, was Spaß macht.
Ich habe noch keinen gesehen.
christopher: Er verlängert quasi das, was der Christian dirigiert, für die Leute weiter hinten.
Also Bernhard, du bist Co-Dirigent. Und was, Christopher, bist du jetzt?
christopher: Ich kann jetzt schwer sagen, der Co-Co-Dirigent. Keine Ahnung.
Cello?
christopher: Sehe ich für dich aus wie einer, der Cello spielt?
Nein, ich habe irgendwas gesagt.
christopher: Ich bin lieber der, der schreibt.
Müsst ihr beide euch für Red Bull Symphonic aus eurer Komfortzone rausbewegen?
christopher: Wir haben überhaupt keine Komfortzone. bernhard: Wir schwimmen … christopher: Wir haben es uns auf jegliche Art und Weise immer selbst schwerer gemacht, als es notwendig gewesen wäre. Und deswegen gibt es für uns keine Komfortzone, für uns ist immer Krieg. bernhard: Arg. (Lacht.)
Jetzt ist mir fast das Herz stehen geblieben. Was heißt das denn?
christopher: Na ja, man muss bedenken, wie wir angefangen haben – uns hat ja keiner was geschenkt. Also wir sind immer irgendwo angeeckt. bernhard: Und wir haben lernen müssen, jede Bühne zu bespielen. Von „Stadl“Auftritten bis zu den ganz großen Sachen.
Könnt ihr euch noch erinnern, wann ihr das erste Mal auf der Bühne gestanden seid?
bernhard: Ja, wir waren so eine kleine Rockband. Ich an der Gitarre und am Gesang, bei einem Straßenfest… Es war eine Katastrophe.
Christopher, wie war das bei dir? Dein erstes Mal auf der Bühne?
christopher: Das war defnitiv beim Schultheater, und ich habe den klassischen Österreicher gespielt. Ich erinnere mich gerne an diesen Franzosen neben mir – also an den, der den Franzosen gespielt hat. Der hat ein Baguette gehabt und einen Camembert, ist ja klar, nicht? bernhard: Croissant wäre auch noch gegangen. christopher: Ja, ja, aber ich bin froh, dass es nicht so war, denn ich habe irrsinnigen Hunger gehabt, und ich weiß noch, dass die Lehrerin dieses große Baguette nach der Vorstellung gebrochen hat, und jeder hat ein Stück Camembert gekriegt. Das war cool.
Wenn eure ersten Auftritte nicht so prickelnd waren, wieso habt ihr trotzdem gewusst: Das ist meins, ich will auf der Bühne stehen?
bernhard: Na ja, ich muss hinzufügen, der Auftritt war ja für mich damals großartig. Und der Wunsch, auf der Bühne
BERNHARD SPEER, 38
Liebt …
… Zeit für sich zu haben. Zeit mit seiner Familie, seinen beiden Söhnen zu verbringen. Und einmotorige Flugzeuge: „In die Luft zu gehen hilft mir, am Boden zu bleiben.“
Freut sich …
… auf seine hausgemachte Late Night Show, die 2022 ausgestrahlt werden soll.
Bereut …
… nicht viel, weil jeder Schritt wichtig war – „auch wenn ein paar richtig dumme dabei waren.“
CHRISTOPHER SEILER, 34
Liebt …
… seine Familie und Freunde.
Hasst …
… Menschen, die auf Schwächere losgehen.
Freut sich …
auf sein Soloalbum, das 2022 erscheint. Und wählt dafür aus mehr als 60 selbst geschriebenen Songs.
Bereut …
… manches, was er inzwischen besser macht.
zu stehen, war so fest in meinem Kopf – also: Ich wollte das schon immer. Ich wollte auch immer, dass mich die Leute erkennen. Und ja, dieses Rockstar-Leben wollte ich auch.
Seid ihr heute, wenn ihr auf die Bühne geht, noch nervös?
christopher: Nein. Angespannt. Aber wenn du nicht angespannt bist, bist du kalt, dann bist du tot. Und dann wirst du auf der Bühne keine Leistung bringen.
Wie äußert sich diese Anspannung?
christopher: Man wird ein bisschen unruhig. Man weiß, jetzt muss gleich was passieren. Und deswegen macht das der Körper auch. Der sammelt die Energie – das gehört dazu. Nur so merkt man noch, dass es irgendwas bedeutet. Und es bedeutet noch immer sehr viel.
Macht die jeweilige Dimension der Bühne einen Unterschied?
christopher: Vom Handwerk her: ja. Je kleiner die Bühne, desto persönlicher wird es.
Was dürfen wir im Konzerthaus erwarten?
christopher: Das wird sehr intim. Das ist richtig, richtig schön dort. Auch die Energie und so. Das ist wirklich schön.
Woran habt ihr erkannt, dass ihr zusammenpasst?
christopher: Wir sind ja nicht zusammen.
Na ja, so ein bisserl halt.
bernhard: Das spürt man gleich. Und wir haben es in unserer Laufbahn gespürt, wenn es nicht gepasst hat.
Wie schreibt ihr eure Lieder?
bernhard: Man muss Bock haben, eine Melodie im Kopf haben. Ja, und dann tauschen wir uns halt aus. christopher: Man muss sagen, das letzte Mal haben wir vor zwei Jahren geschrieben, beim letzten Album. bernhard: Die vergangenen zwei Jahre haben wir sehr viel privates Leben leben dürfen.
Denkt man da über sein Leben nach?
christopher: Überhaupt nicht, man lebt sein Leben. Ich bin generell ein Mensch, der sich keine Sorgen macht.
Das heißt, du stehst auf und hast ein sonniges Gemüt?
christopher: Hm … nein. Wenn ich verkatert aufwache, dann habe ich sicher kein sonniges Gemüt.
Gut, aber das passiert ja nur selten.
christopher: In letzter Zeit tatsächlich, ja. Ist richtig. Weil ich auch keinen Grund mehr fnde, dass ich mich irgendwie wegschießen müsste.
Na, dann reden wir über „Ham kummst“. Was ist die Geschichte hinter dem Lied?
christopher: Nicht die, wo du mit dem Begriff „verkatert“ vermutlich hin-
wolltest. In der Geschichte geht es nicht um den Alkoholgenuss – es geht um Enttäuschungen, um Versprechungen, die nicht eingehalten wurden. Und es geht in Wirklichkeit um diesen Typen, der da im Rinnsal sitzt mit seinen komischen Zähnen. Er ist defnitiv der Schuldige, trotzdem tut er so auf Selbstmitleid. Und das machen solche Leute immer. So, da tu ich mir jetzt selber leid, bevor ich aufstehe, meine Eier in die Hand nehme und was ändere.
„Ham kummst“ war ein Riesenhit. Gab es eine Nummer-eins-Party?
christopher: Es gab eine Party im Gasometer zur Verleihung der Goldenen.
Wie ist die ausgegangen? So wie „Ham kummst“?
christopher: Vermutlich. Also wir waren zu der Zeit keine Kostverächter. Keine Ahnung, wir haben ja alles gemacht, was Gott verboten hat. bernhard: Vermutlich.
Was ist geiler, das erste Mal Gold oder das erste Mal Platin?
christopher: Gold. bernhard: Auf jeden Fall Gold, ja. christopher: Platin, das interessiert dich dann gar nicht mehr. bernhard: Es schaut auch nicht so schön aus. christopher: Die erste Goldene löst Emotionen aus. Alles, was danach kommt, nicht mehr. Darum ist das Thema „Das erste Mal“ ja so schön.
Was ist Erfolg? Ist das Unabhängigkeit? Ist das Freiheit? Ist das „Ich kann in der Früh aufwachen und muss mir keine Gedanken machen“?
bernhard: In der Reihenfolge, wie du es gerade gesagt hast. Das ist der Luxus, den wir leben. christopher: Ich glaube, der größte Luxus ist, dass ich keinem Beruf nachgehe, sondern einfach das mache, was ich kann. Das macht irrsinnige Freude.
Gibt es so was wie ein Erfolgsrezept, das ihr weitergeben würdet?
bernhard: Es gibt immer diese klassischen Sachen: Gib niemals auf, mach
NEUGIERIG?
Nein, hinter diesem Bild, das Christopher hier lüftet, steckt kein Tresor. Sondern nur Tapete.
immer weiter. Aber das haben auch schon viele gemacht. Und aus vielen ist auch nichts geworden. christopher: Ja, mach das, was dir Spaß macht. Ganz einfach. bernhard: Es ist schon wichtig, ein Ziel zu haben. Aber es darf nie dein Ziel sein, plötzlich Superstar zu sein. christopher: Nein. bernhard: Wenn du nur das im Fokus hast, dann verpasst du die Stationen, die es braucht, um dort hinzukommen.
Ihr habt gesagt, dass ein Grund für euren Erfolg war, dass ihr das Projekt am Anfang nicht ernst genommen habt.
christopher: Hm …
Stimmt das?
christopher: Nein, das war blöd ausgedrückt.
BERNHARD SPEER über seinen Lebensplan
bernhard: Das klingt so plump und dahergeredet und so – diese Aussagen kamen vielleicht aus einer gewissen Coolness heraus, weil wir nicht wirklich eine Antwort darauf gehabt haben. Aber wenn wir was gemacht haben, haben wir das natürlich ernst genommen. Wir haben das für uns gemacht, wir haben das leiwand gefunden.
Hat es jemals so etwas wie eine Krise gegeben? Wo ihr gedacht habt: „Puh, nein, ich will nicht mehr!“?
christopher: Ich glaube, solche Krisen gibt es immer wieder, aber nicht nur bei uns, sondern bei jedem Menschen.
Eh. Aber wir wollen jetzt keine Politikerantworten haben, sondern richtige.
christopher: Ich weiß, dass es welche gegeben hat, aber das waren sicherlich so viele. Das war keine Politikerantwort, das gehört dazu. bernhard: Aber wir haben viele Krisen überlebt.
Aber wir wollen doch konkret werden. Denkt doch einmal an die erste Krise?
christopher: Wenn wir jetzt von der Karriere ausgehen – die erste große Krise war sicherlich … Was war das? bernhard: Ich beschäftige mich nicht so mit unseren Krisen, dass ich es jetzt … christopher (lacht, macht Bernhard nach): „Ich beschäftige mich nicht so …“ Das ist eine Politikerantwort. bernhard: Nein, ich glaube, da wirst du aus uns keine Geschichte rauskitzeln. Weil das klingt ja wie eine Paartherapie. christopher: Reden wir lieber übers erste Mal. bernhard: Reden wir übers erste Mal.
Epilog
Also gut, reden wir übers erste Mal.
christopher: Kann ich dir erzählen. Ich habe das damals in meinem ersten Kabarettprogramm vor Tausenden von Leuten erzählt.
Ich bitte darum. Erzähl’s mir noch einmal im kleinen Kreis.
christopher: Mein erstes Mal war am Feuerwehrfest in Wöllersdorf. bernhard: (Lacht.)
Jetzt wird es sehr konkret.
christopher: Feuerwehrfest Wöllersdorf. Hinter diesem Festgelände ist die Piesting. Das ist so ein Mittelding zwischen Fluss und Bach. Kleiner als die Donau, aber größer als ein Bacherl. Und da bin ich drinnen gelegen und die Dame halt auf mir drauf. Warum auch immer. Und ich weiß noch eines: Das war nicht schön. Weil hinter mir waren solche komischen Gsträucher. Und die haben Dornen gehabt. Und ich bin in der Früh blutig im Bett aufgewacht, und meine Mama hat gefragt: Was hast du gemacht?
Und was hat der Bub gesagt zur Mama?
christopher: Gar nichts. Ich habe innerlich geplärrt und wollt nur einen Kakao.
„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN PODCAST-SERIE, in der Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit Seiler und Speer gibt’s im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast
Red Bull Symphonic
Austropop trifft Klassik
Im Wiener Konzerthaus spielen Seiler und Speer mit Orchester und Chor ihre größten Hits in klassischem Gewand. Das Max Steiner Orchester wird dabei von Christian Kolonovits dirigiert.
Termine: 10. und 11. Februar. Alle Event-Infos: redbull.com/symphonic
Styling SAMMY ZAYED, Grooming NATHALIE RODRIGUEZ SEILER: Hemd LANVIN, Hose ETRO, Fliege TOM FORD, Schuhe VIVIENNE WESTWOOD SPEER: Smokinghemd YVES SAINT LAURENT, Smokinghose GIVENCHY, Frack WILVORST, Schuhe ADIDAS ORIGINALS
Lily ist so frei
LILY RICE macht mit ihrem Rollstuhl Rückwärtssalti. Warum? Weil sie diesen Sport von ganzem Herzen liebt. Und um uns zu zeigen, was Freiheit wirklich bedeutet.
Lily Rice, gerade einmal 17, ist bereits eine der bestimmenden Figuren im WCMX, dem RollstuhlMotocross. In England war sie die Erste in dem jungen Sport.
L
ily Rice saß am Rand einer Rampe in einem Skatepark in Cornwall, England, kurz geschorene, rosa gefärbte Haare unter dem Vollvisierhelm. Vor ihr gähnten vier Meter Tiefe, darunter Beton. Sie gab ihrem neongrünen Rollstuhl einen Schubs – und fel ins Leere.
Bis hierher war alles planmäßig gelaufen, es würde ein atemberaubender Stunt werden, diesmal für ein Fotoshooting. Die Bilder würden ein Hammer sein … doch plötzlich bemerkte sie: Da ist ihr wohl ein winzig kleiner Fehler passiert – sie hatte das Gewicht ein paar Millimeter zu weit nach vorn verlagert. Es blieb keine Zeit zur Korrektur – Lily Rice kippte im Flug hilflos nach vorn. Sie krachte mit dem Gesicht voran auf den Boden, der Rollstuhl knallte auf ihren Rücken, sie schlug sich Zähne aus, verletzte sich am Hals. Sie konnte nicht mehr schlucken, sich nicht bewegen. Sie stöhnte, röchelte. Es waren furchtbare, animalische Laute, die sie ausstieß.
Ihre beste Freundin kam angelaufen, die Skateboarderin Daisy da Gama Howells. „Ich war sicher, Lily ist schwer verletzt, vielleicht sogar tot“, sollte sie sich später an den Schrecken erinnern. „Diese Geräusche, die sie nach dem Unfall machte, werde ich nie vergessen.“
Lily war nicht tot, sie war bewusstlos. Dazwischen kam sie ein paar Sekunden lang zu Bewusstsein. Später sollte man sie fragen, woran sie dachte, in diesen kurzen wachen Momenten. „Wird meine Mutter mit mir schimpfen, weil ich keine Ellbogenschützer getragen habe? Solche Dinge schossen mir durch den Kopf“, erzählt sie von den bizarren Gedankengängen in dieser Ausnahmesituation.
Der Unfall liegt zwei Jahre zurück, Lily Rice war damals 15 Jahre alt. Wegen einer spastischen Lähmung sitzt sie seit ihrem zehnten Lebensjahr im Rollstuhl. Spastische Lähmung bedeutet, dass die Muskeln in ihren Beinen sehr schwach sind, aber wenn sie sich anstrengt, kann sie ein paar Schritte gehen, sich sogar allein eine Treppe raufarbeiten.
Wenn sie und ihre beste Freundin, Daisy da Gama Howells, heute von dem Tag vor zwei Jahren erzählen, lachen sie, auch während sie von Blut und dem Geröchel und der Todesangst reden. „Das ist unsere Art, damit umzugehen“, sagt Rice. Sie erinnert sich noch gut an die Fahrt im Krankenwagen. „Ich habe dagegen angekämpft, dass meine Augen zufallen – ich dachte, sonst sterbe ich.“ Nach den Operationen konnte Rice im Krankenhaus nur Hühnersuppe essen, wobei „essen“ wohl nicht ganz der richtige Ausdruck ist: Die Suppe musste ihr mit einer Kanüle in den Mund verabreicht werden.
Sobald sich die Nahrungsaufnahme wieder halbwegs normal gestaltete, ging sie wieder zur Schule. Nach einem Monat war sie zurück im Skatepark.
Es war schwierig, nach diesem Unfall wieder mit dem Sport zu beginnen. Ihr Körper war tatsächlich traumatisiert, und er erstarrte, wenn sie nur in die Nähe einer Rampe kam. Aber Rice gab
„Ich weiß nicht, wo ich ohne diesen Sport wäre. Er zeigt mir, wozu ich imstande bin.“
Lily Rice in ihrem Element: Enorme Zähigkeit, außergewöhnliches Talent und überbordende Lebensfreude sind ihre Markenzeichen.
Alles, was Räder hat, fliegt: Lily Rice und ihre beste Freundin, Skateboarderin Daisy da Gama Howells, fotografiert im Haverfordwest Skatepark im Südwesten von Wales
nicht auf. Sie begann mit einfachsten Übungen, ganz langsam, bis ihr Selbstvertrauen langsam zurückkam.
Gut möglich, dass Lily Rice ihre Zähigkeit, die Härte zu sich selbst und ihre überbordende Lebensenergie zu einem Teil ihrem Vater Mark verdankt. Er ist Sanitäter und Surfer. Von klein auf nahm er sie mit in die Natur, so als ob da gar nichts wäre mit ihren Beinen. Er ließ sie auf Bäume klettern, brachte ihr das Fahrradfahren bei und spielte mit ihr am Strand – obwohl sich schon früh die Krankheit bemerkbar machte und sie zum Gehen Schienen und Krücken brauchte.
Lilys spastische Lähmung verschlimmerte sich mit der Zeit. Als sie zehn Jahre alt war, reichten Schienen und Krücken nicht mehr – sie begann, einen Rollstuhl zu verwenden. Aber sie hasste den Gedanken, den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen zu müssen. Um ihn möglichst wenig zu sehen, verräumte sie ihn in eine Ecke ihres Zimmers.
Drei Jahre später – Lily war gerade dreizehn geworden – sah sie im Internet ein Video von Aaron Fotheringham. Und damit veränderte sich schlagartig ihre Beziehung zum Rollstuhl.
Aaron „Wheelz“ Fotheringham wurde in Los Angeles mit einer gespaltenen Wirbelsäule geboren, dem schweren Fall einer sogenannten Spina bifda. Sein älterer Bruder war ein begeisterter BMXFahrer. Die beiden verbrachten als Kinder viel Zeit miteinander, und als Aaron acht Jahre alt war, kam er auf die Idee, mit seinem Rollstuhl über eine BMXRampe zu fahren und Stunts zu probieren – Drehungen, Sprünge. Bald nahm er an BMXWettbewerben teil, die Videos von seinen Stunts gingen im Internet viral. 2006 schaffte er als erster Mensch überhaupt einen Rückwärtssalto im Rollstuhl. Zwei Jahre später tourte er mit dem „Nitro Circus“ um die Welt, der durchgeknallten ActionShow mit FreestyleMotocrossSuperstar Travis Pastrana. 2012 fuhr Fotheringham mit seinem Rollstuhl in Kalifornien über eine acht Meter hohe Megarampe und sprang dabei 21 Meter weit.
Was Fotheringham tat, hatte, als er anfng, noch keinen Namen. Man nannte es „Wheelchair Motocross“, kurz WCMX. 2015 fanden im Alliance Skatepark in Grand Prairie, Texas, die allerersten Weltmeisterschaften im WCMX statt; auch Skateboarder und BMXFahrer mit verschiedenen Behinderungen nahmen teil. Fotheringham holte Gold – wie bei jeder WM seither.
Lily Rice steckte ihren Vater mit ihrer Begeisterung für Fotheringham und seine Videos an. Die Tochter eines seiner Freunde hatte auch gerade mit dem Skaten begonnen, die Väter stellten den Kontakt zwischen den Mädchen her. Lily Rice und Daisy da Gama Howells trafen sich im Skatepark. Am Anfang war es für viele der anderen Skater noch ungewohnt, jemanden in einem Rollstuhl über die Rampen fahren zu sehen. Doch schon bald war Rice ein fester Teil der Community im Skaterpark.
An einem JuliAbend dieses Jahres hängen Rice und da Gama Howells wie so oft im Skatepark ab. Zu hören sind die typischen SkateparkGeräusche: Musik aus mit Stickern verzierten Lautsprechern, das Rollen der Hartgummiräder auf Beton, Anfeuerungen, Jubel, Abklatschen. Einer der vielen Skater im Park an dem Abend ist der Postbote Craig Brown, ein Freund von Lilys Vater, Mark. Er fährt über die Skatebowl, scherzt mit Kindern, feuert Rice an, als sie gerade über eine steile Passage fährt.
Ein paar Stunden später sitzt Brown auf seinem Skateboard. „Die Atmosphäre im Skatepark ist komplett inklusiv“, sagt er. Woran das liegt? „Ich denke, wir Skater sind hier auf eine gewisse Art zu Hause. Außerhalb dieses Parks fühlen wir uns alle ein bisschen verloren. Wir gehören irgendwie zusammen. Wir
unterstützen einander, sind füreinander da. So sollte es doch überall sein, oder?“
Schon als Lily Rice das erste Mal über eine Minirampe fuhr, wusste sie, dass WCMX ihr Sport ist. Sie schrieb Fotheringham eine Nachricht auf Instagram, er schickte ihr einen seiner gebrauchten WCMX-Stühle. Später traf sie ihn persönlich, als er mit dem Nitro Circus nach Großbritannien kam. „Es war der Wahnsinn, jemandem persönlich zu begegnen, den man so oft im Internet gesehen hat“, sagt Lily. „Ihn live skaten zu sehen war einfach das Größte.“
Die beiden blieben in Kontakt und nahmen vor der Pandemie gemeinsam bei einigen Wettbewerben in den USA teil. „Lilys Entwicklung ist unfassbar“, lobt Fotheringham. Tatsächlich hat sie besonderes Talent: Schon nach sieben Monaten gelang ihr ein Rückwärtssalto – als erster Frau in Großbritannien.
Das Training für das Kunststück war hart: Stundenlang sprang sie mit ihrem Rollstuhl in eine mit Schaumstoff ausgepolsterte Grube. Später trainierte sie auf einer weichen, federnden Rampe. Irgendwann schaffte sie es, nach der Drehung auf den Rädern zu landen und weiter über die Rampe zu fahren.
Der gelungene Rückwärtssalto machte Rice in Großbritannien zu einer kleinen Berühmtheit: Sie spielte in Musikvideos mit, schloss Werbeverträge ab, reiste zu Meisterschaften. Der schottische Schauspieler James McAvoy, der in den „X-Men“-Filmen einen Rollstuhlfahrer spielt, spendete 5000 Pfund für einen maßgeschneiderten Rollstuhl. Später lief er Rice zufällig auf einem Flughafen in L.A. über den Weg und lud sie zur Premiere des neuen „X-Men“-Films ein. Rice erinnert sich, wie unwirklich der Abend war: „Ich traf Katy Perry auf dem Klo und machte Selfes mit Jennifer Lawrence und Orlando Bloom.“
Obwohl seit ihrem schweren Unfall erst wenige Monate vergangen waren, gewann Rice 2019 die WCMX World Championships. Nebenbei bemühte sie sich um den Aufbau der WCMX-Szene in Großbritannien. Sie ermutigte junge Rollstuhlfahrer, ebenfalls mit dem Sport zu beginnen, veranstaltete den ersten WCMX-Jam in Northamptonshire.
Auch die neunjährige Imogen Ashwell-Lewis, die wegen einer vom Großhirn ausgehenden Lähmung im Rollstuhl sitzt, war dabei. Genau wie Rice war auch Ashwell-Lewis sofort begeistert von dem Sport. Bei den anderen Sportarten, die sie davor probiert hatte, waren Menschen mit Behinderung von Menschen ohne Behinderung getrennt. Hier ist das anders: Rollstuhlfahrer fahren gemeinsam mit anderen Skatern über die gleichen Rampen. Keine Barrieren, keine Vorurteile.
Imogen probiert einen besonders wilden Sprung – sie stürzt, fällt aus ihrem Rollstuhl. Sofort kommen einige Skater angelaufen, um ihr zu helfen. Aber sie bleibt ganz ruhig: „Alles gut! Helft mir bitte einfach zurück in den Rollstuhl. Ich will’s noch einmal probieren.“
Rice weiß, dass sie das Leben von Kindern wie Imogen Ashwell-Lewis verändern kann. Und sie nimmt diese Möglichkeit sehr ernst. Sie geht in Schulen, um über WCMX zu erzählen und darüber, was der Sport auch für das Zusammenleben bedeutet. Sie gibt Tipps, wie Skateparks zugänglicher für Rollstuhlfahrer gemacht werden können. Arbeitet mit einem Produzenten an Rollstühlen, die für das Fahren auf der Rampe besser geeignet sind.
Als sie mit dem Sport begann, war sie die einzige WCMX-Fahrerin in Großbritannien – heute umfasst die Community ungefähr fünfzig Leute.
Rice möchte auch durchsetzen, dass WCMX eine Disziplin bei den Paralympischen Spielen wird. 2021 in Tokio waren Skateboarden und BMX erstmals Teil der Olympischen Spiele. Es wäre also nur logisch, eine ähnliche Disziplin bei den Paralympics einzuführen. Laut Rice ist es eventuell schon in Paris 2024 so weit; spätestens aber 2028 in Los Angeles – der Stadt, in der das Skateboarden seinen Anfang genommen hat. Das genaue Regulativ muss noch festgelegt werden, aber es ist gut möglich, dass wir Athletinnen wie Rice und Ashwell-Lewis schon bald bei den Paralympics sehen.
Lily Rice trainiert hart: Sie verbringt Stunden im Skatepark, fährt an freien Tagen zu besonderen Skate-Spots in ganz England, fiegt für Wettbewerbe nach Amerika. Aber es ist nicht die Sehnsucht nach Erfolg oder Anerkennung, die Rice antreibt. Sie liebt den Sport einfach von ganzem Herzen. „Er tut mir gut – nicht nur körperlich. Mir hat es mental sehr geholfen, zu sehen, wozu ich imstande bin“, sagt sie. „Ich weiß gar nicht, wo ich ohne WCMX wäre.“
Lily Rice springt eine Stunde lang für The Red Bulletin in eine mit Schaumstoff gefüllte Grube und macht dabei Rückwärtssalti, wieder und wieder, unermüdlich, bis das Foto endlich perfekt passt.
Als sie danach die Knieschoner abnimmt, sagt sie: „Hier fühle ich mich ganz frei. Im Skatepark sagt dir niemand, was du tun musst oder wie du sein sollst. Ich kann meine Gefühle mit meinen Bewegungen ausdrücken. Die anderen Skater motivieren mich, mein Bestes zu geben und dabei ich selbst zu sein. Hier gehöre ich her.“
Lily im Skatepark: Rollstuhlfahrer benützen die gleichen Rampen wie alle anderen.
„Im Skatepark fühle ich mich ganz frei. Da sagt dir keiner, wie du sein musst.“
Die Macht der Nacht
Street-Partys, Champagner-Duschen, 15 Millionen Menschen: Der nigerianische Fotograf ANDREW ESIEBO dokumentiert seit neun Jahren das vibrierende Nachtleben seiner Heimat Lagos. Ein Insider-Report aus der Welthauptstadt des Afrobeat.
Text und Fotos ANDREW ESIEBO
SEHEN UND GESEHEN WERDEN
„Diese Frau ist mir auf einer Party im Lagos-IslandViertel aufgefallen. Gegen Ende jedes Jahres veranstalten die Einwohner dort Block-Partys, auf denen ziemlich laut Rockmusik gespielt wird. Die Stimmung ist immer energiegeladen, weil sich jeder seinen Platz in der Masse erkämpfen will. Normalerweise versuche ich, für meine Fotomotive unsichtbar zu sein, aber diese Frau wollte gesehen werden, auch wenn sie Augenkontakt vermied.“
„Ich will von Nigerias lebendiger Kultur erzählen“
Andrew Esiebo, 43, heute ein international angesehener Fotograf, stammt aus Lagos und lernte sein Handwerk, als er vor mehr als zwanzig Jahren damit anfing, Menschen in seinem Wohnviertel auf Film festzuhalten. „Lagos ist berüchtigt für Kriminalität“, sagt Esiebo. „Geschichten über Lagos behandeln immer dieses Thema. Selten erzählen internationale Medien über die lebendige Kultur und das Nachtleben.“ Esiebo begann die Partyszene 2013 zu dokumentieren. „Ich wurde auf die Kraft von DJs und Afrobeat aufmerksam“, sagt er. „Mit dem Wechsel zur Demokratie (1999, nach Jahrzehnten einer Militärdiktatur; Anm.) boomte die Wirtschaft, und die Leute hatten mehr Geld. Ein Weg, den neuen Wohlstand auszudrücken, waren Partys.“ Esiebos Fotos zeigen auch die rasante Entwicklung der nigerianischen Gesellschaft. „Es gibt eine wachsende Mittelklasse, wenngleich das Streben nach mehr Lebensqualität zu großer Ungleichheit geführt hat. Aber alle wollen das Gleiche. Sogar Typen ohne Geld wollen Champagner trinken.“ Die Coronapandemie hat die Partyszene in Lagos viel weniger getroffen, als man annehmen möchte. „Klar, so lebendig ist das Nachtleben nicht mehr wie vor 2020. Aber zum Erliegen gekommen ist es keineswegs.“
Mehr Reportagen aus Afrika: andrewesiebo.com
SCHAMPUS FÜR ALLE!
„Wir trinken ziemlich viel Champagner hier in Nigeria. 2016 war Lagos nach Paris die Stadt mit dem zweithöchsten Konsum weltweit. Bei Partys gibt es Menschen, die sich bis zum Schluss an einer Schampusflasche festhalten, auch wenn sie längst leer ist. Den Typ auf dem Foto rechts habe ich in Ikeja fotografiert – das ist nicht wirklich ein armes Viertel, es zählt aber auch nicht zu den reichsten Gegenden. Je teurer der Schampus ist, den du kaufst, desto besser ist der Platz, den du im VIP-Bereich bekommst. Ich habe herausgefunden, dass die Leute eher bei Arbeiter- und Mittelklasse-Festen zu so einem Verhalten neigen, weil sie sich auf diese Art aufwerten. Sie wollen wie die großen Jungs sein. Bei den Reichen hingegen wird bei weitem nicht so viel getrunken.“
DRAUSSEN VOR DER TÜR
„Das ist der Eingang zum Club und Restaurant Spice Route in der wohlhabenden Gegend von Victoria Island. Ich habe dieses Foto gemacht, weil ich die Tür mochte – ihr Ethno-Design zeigt die in Lagos gängige Ästhetik. Außerdem wollte ich die Türsteher im Bild festhalten. Früher gab es sie nur in gehobenen Clubs, aber jetzt sind Türkontrollen fast überall zu finden. Sie sind typisch für die Partys der Stadt.“
FRAUEN EROBERN EINE MACHO-ZONE
„Einmal im Jahr findet Jimmy’s Jump Off statt – ein Fest, das die nigerianische Hip-Hop-Szene feiert. Bevor das Genre Afrobeat explodierte, waren Reggae und Hip-Hop die beliebtesten Musikstile hier, und zu dieser Zeit hat sich DJ Jimmy Jatt einen Namen gemacht. Jetzt führt er den Spirit mit dieser Party fort. Dieses Foto zeigt DJ Nana. Das ist mir wichtig, weil die DJ-Szene in Nigeria ein ziemliches Macho-Ding ist; da gibt es kaum Frauen – von den Top-DJs sind nicht mehr als vier oder fünf weiblich. Ich wollte zeigen, dass Frauen jetzt diese Domäne erobern.“
DIE WÜRZE DES LEBENS
„Diese Buddha-Statue steht im Mittelpunkt des Spice Route Asian Restaurant and Bar auf Victoria Island, einem wohlhabenden Viertel von Lagos. Die Attraktion dieses Abends war allerdings nicht asiatische Kontemplation, sondern DJ Obi, einer der berühmteren seiner Profession in Nigeria, links oben im Bild. Obinna Levi Ajuonuma, wie der heute 36-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt, hat in den USA studiert und wurde bei den Nigeria Entertainment Awards 2011 zum besten DJ der Welt gekürt.“
EIN FAST ECHTES VERSACE-OUTFIT
„Dieses Foto illustriert den Traum vom sozialen Aufstieg. Das T-Shirt des Mannes schaut irgendwie nach Versace aus, aber man kann es auf den ersten Blick als Fake erkennen. Obwohl: Er trägt es mit Selbstbewusstsein. Einerseits lieben die Leute Versace, aber es ist zu teuer. Also bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu Kopien zu greifen. Andererseits verkünden Blick und Körpersprache, dass er das T-Shirt mit einem Stolz trägt, als wäre es echt.“
RAUCHZEICHEN AUS AMERIKA
„Zigarren sind auf den Straßen von Lagos nicht wirklich verbreitet, aber die Leute rauchen sie, weil sie nach dem streben, was sie im Fernsehen und bei Hip-Hop-Idolen sehen. Wenn Stars wie Jay-Z und andere Zigarren paffen, dann wollen es ihnen in Lagos alle nachmachen. Für mich erzählt dieses Bild deshalb nicht nur vom Konsum auf Partys, sondern auch davon, wie sich die Leute sozial neu erfinden.“
PARTY-FIEBER AUF DER INSEL
„Dieses Foto entstand auf Ilashe Island – einer Gegend, die berühmt ist für ihre Strandhäuser. Luxusmarken sponsern hier High-End-Partys, in diesem Fall ein Cognac-Fabrikant. Das Event hieß ‚All White Privilege Party‘. Der Dresscode lautete: ganz in Weiß. Es war mit Sicherheit keine Veranstaltung für arme Leute. Ich wollte die Tanzenden porträtieren und die Spannungen zwischen ihnen zeigen.“
PARTYSANEN
„Diese beiden Frauen auf der ‚Jimmy’s Jump Off‘-Party waren Zwillinge, und es sah aus, als trügen sie eine Party-Uniform. Das gleiche Outfit, die High Heels – ihr Stil war einzigartig. Die Leute in Lagos lieben es, sich so zu kleiden, mit kräftigen Farben und auffälligen Accessoires, aber ich habe noch nie zwei von der völlig gleichen Sorte nebeneinander gesehen.“
HOCHZEITEN IM GELDREGEN
„Ich mache normalerweise keine Hochzeitsfotos, aber ich wollte diesen Bereich für mein Projekt erforschen. Nigerianische Hochzeiten sind riesig und super überdrüber, und was wir auf dem Bild oben sehen, ist ein gutes Beispiel dafür. Es zeigt, wie die Gäste mit Musik und Tanz in Ekstase geraten. Sie tragen traditionelle nigerianische Kleidung, wie es bei Hochzeiten und in der Kirche üblich ist. Einige Unternehmen lassen so was an Freitagen auch im Büro zu. Freitag ist der Tag, um kulturelle Identitäten zu zeigen.“ „Bei Hochzeitsfesten in Nigeria ist es Brauch, große Mengen Papiergeld über die gesamte Tanzfläche zu verstreuen (Foto unten). Damit wollen die Menschen ihren Reichtum ausdrücken. Jeder, der zu einer Hochzeit eingeladen ist, kann das tun. Ärgerlicherweise versucht die Regierung gerade, das gesetzlich zu verbieten – sie behauptet, das würde die Währung entwerten. Dieses Foto zeigt einen kleinen Ausschnitt dessen, was auf Hochzeiten im ganzen Land geschieht. Manchmal ist die ganze Tanzfläche mit Geld bedeckt.“
ERLEBEN, WAS INSPIRIERT
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FOTO: GREGOR KUNTSCHER // ASA12
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