The Red Bulletin 03/19 CHDE

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SCHWEIZ MÄRZ 2019, CHF 3.80

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

GEZA SCHOLTZ MIT DEM KITEBOARD DURCH DIE BERINGSEE BÖSE MÄDCHEN RING FREI FÜR LONDONS WRESTLERINNEN

EXKLUSIV So funktioniert der beste Skifahrer der Welt

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E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

ALLESGEBER MIT AN BORD RACHAEL SIGEE

Die Londoner Autorin besuchte für uns EVE Wrestling in ihrer Heimatstadt, wobei sie journa­ listische Distanz neu ­definierte: Sie beschrieb die schlagfertigen Power­­ frauen nicht nur, sie stieg auch selbst in den Ring. Der Bericht ab Seite 74.

ROBERT WUNSCH (COVER), PATRICIA WEISSKIRCHNER

BENE ROHLMANN

GANZ IN BLAU TOM SCHILLING

Zu unserem Fototermin kam der deutsche Filmstar Tom Schilling in ­seinem liebsten Outfit: in Massanzug mit Krawatte. Für gute Laune beim Shooting liess er seine Lieblingsmusik aus den Boxen schallen – unter ­anderem die des Kom­ ponisten Kurt Weill. Ab Seite 44.

SATZ DES MONATS

Wer zu hohe Erwartungen an sich stellt, zerbricht daran? Marcel Hirscher, österreichischer Superstar und Weltcup-Dominator, sieht das anders: «Für mich braucht Leistung immer wieder neuen Druck. Also mache ich mir den Druck selbst. Nur das macht mich besser als andere, nur das stellt mich zufrieden.» Das schonungslos ehrliche ­Interview mit dem Salzburger gibt’s ab Seite 34. Und dann haben wir gleich noch einen, der weiss, wie man den inneren Schweinehund überwindet: ExtremRadsportler Michael Strasser. Ab Seite 18 dokumentieren wir in einer Bildstrecke seine unmenschliche Velotour von Alaska nach Patagonien. Viel Spass beim Lesen! Die Redaktion

« Nach der ersten Woche dachte ich, mir springt die Kniescheibe heraus.» Biker Michael Strasser über den Beginn seiner Tour durch Amerika. PS: Er hielt weitere elf Wochen durch. Ab Seite 18.

FRISUR SITZT? MARCEL HIRSCHER

Hat man den weltbesten Skifahrer für einen mehrstündigen Foto-Shoot zur Verfügung hat, ist Perfektion geboten. Auch wenn Hirscher bei mancher Frisur-Korrektur ­eher wenig ­begeistert dreinsah … Das Resultat gibt’s ab Seite 34.

FRIEDENSSTIFTER G. W. F. HEGEL

Die Ideen des deutschen Philosophen – und anderer grosser Denker – haben bis heute Gültig­keit und können auch helfen, Streit mit Kollegen zu schlichten. Wie das geht? Ab Seite 58.

THE RED BULLETIN

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I N H A LT The Red Bulletin März 2018

COVERSTORY

FILM

44 D ER ÜBERPERFORMER

Marcel Hirscher über Siege, Burnouts und den Sinn des Lebens. Das Interview mit dem besten Skifahrer der Welt.

Filmstar Tom Schilling erklärt, wie er die Versagensangst be­ siegt: mit Hingabe.

REPORTAGE

52 U NGLAUBLICHE REISE

Ross Edgley umrundete als ­erster Schwimmer Gross­ britannien. Wir waren dabei.

REKORDFAHRT

18 Z WISCHEN WAHN UND WAHNSINN

RATGEBER

Wie Radfahrer Michael Strasser 84 Tage lang Wetter, Monotonie und inneren Ängsten trotzte.

58 WAS WÜRDE HEGEL TUN?

HOLLYWOOD

5-MINUTEN-COACH

Superstar Hugh Jackman im Interview über grosse Ziele und kleine Schwächen.

So nutzt du deine Neugier zum eigenen Vorteil.

28 SEX UND MEDITATION

EXTREM-SURFEN

30 ARCTIC ADVENTURE

Ein Zürcher will als erster Mensch die Beringsee überqueren – mit dem Kite.

MUSIK

32 SPANISCHES FEUER

Rosalía schickt sich an, 2019 die Charts zu stürmen. Und revolu­ tioniert dabei ein ganzes Genre.

6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE! 14 KOLUMNE

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15 FUNDSTÜCK 16 LIFE HACKS 42 I NNOVATOR

Dicke Luft im Büro? Grosse Philosophen wissen Rat.

64 B LEIB HUNGRIG IM KOPF!

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MICHAEL STRASSER 22.642 Kilometer in 84 Tagen: Michael Strassers Extremritt von Alaska nach Patagonien

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REPORTAGE

BENE ROHLMANN

34 MEISTER SEINES FACHS

66 AUF HAUCHDÜNNEM EIS

Zu Besuch bei den verwegenen Natureisläufern von Colorado.

FRAUEN-WRESTLING

SAMUEL RENNER, FELIX KRÜGER, SONY

74 K ÄMPFE WIE EIN MÄDCHEN

So intensiv geht es bei den Powerfrauen von EVE Wrestling zur Sache. Plus: Tipps für deinen ersten Kampf im Ring.

96 IMPRESSUM 98 PERFEKTER ABGANG

PHILOSOPHEN FÜR DEN ALLTAG. Pro­ blemlösung mit Hegel, Wittgenstein & Co.

THE RED BULLETIN


« Wir sind die WrestlingPlattform, die allen anderen auf den Sack geht.» EMILY READ, Leiterin von EVE Women’s Wrestling, zeigt vor, wie man sich respektvoll vermöbeln kann. Seite 74

guide

DEIN PROGRAMM

88 REISEN Surfen in Alaska: Hier kannst du kalbende Gletscher reiten. 92 GAMING Im Flugmodus: Das kann „Anthem“, das erste ­Gaming-Highlight 2019.

34 SCHIMPFEN FÜR DEN ERFOLG. Warum sich Marcel Hirscher auf der Piste selbst beflegelt. THE RED BULLETIN

32 FLAMENCO FÜR ALLE SINNE. Ihr Name: Rosalía. Ihre Berufung: Musik-Revolutionärin

93 ENTERTAINMENT Red Bull TV-Highlights, live und on demand 94 EVENTS Die wichtigsten Konzerte und Sportevents der kommenden Wochen

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GA L L E RY

Revelstoke, British Columbia, Kanada

BAISER-WETTER Eine Winterwelt als riesiges, fluffiges Baiser. Freerider Mark Abma schwingt in elastischer Hocke durch dieses unwirkliche Wunderland, taucht tief ein in die üppigen, watteweichen Schneepolster. Skifahren wird hier zum geradezu surrealen Trip, «deshalb ist das Revelstoke Resort einer meiner Favoriten». revelstokemountainresort.com

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THE RED BULLETIN


GRANT GUNDERSON

THE RED BULLETIN

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GA L L E RY

Miami, Florida, USA

FEUER-PROBE

Ein Comeback, das für Furore sorgte: Beim 20-Jahr-Jubiläum des legendären «Ultra ­Music Festival» feierte das DJ-Trio Swedish House Mafia eine triumphale Rückkehr (Bild). 2019 wird fast alles anders. Das ElektronikFestival übersiedelt auf die vor Miami ge­ legene Insel Virginia Key. Die Feuer-Probe: 29. bis 31. März.  ultramusicfestival.com

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THE RED BULLETIN


ALIVE COVERAGE

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GA L L E RY

El Colorado, Chile

IM BÜSSER-EIS

Der Mann, der sich da auf dem Bike durchs Eis kämpft, ist Max Kausch. Der Alpinist aus Argentinien hat bereits mehr als 80 Sechs­ tausender in den Anden bestiegen – Welt­ rekord. Hier fährt er Anden-wärts, leicht macht es ihm die Natur nicht. «Büssereis» heisst das Meer aus scharfen Schneespitzen. Wer stürzt, versteht, warum.  redbull.com

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THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN

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GABRIEL TARSO/RED BULL CONTENT POOL


ZAHL E N, B I TT E

Rekordjäger

SUPERHELDEN DER SUPERLATIVE Captain Marvel (Brie Larson) bekommt als erste Superheldin aus dem Marvel-Universum ihren eigenen Kinofilm – und eröffnet ein weiteres Kapitel des erfolgreichsten Franchise der Filmgeschichte.

40,8

Kilo wog die Rüstung, die Robert Downey Jr. im ersten «Iron Man»-Film trug.

9

Auftritte in Marvel-Filmen hatten bislang nur zwei Schauspieler: Robert Downey Jr. und Chris Evans.

35

Jahre waren Kinos in Saudi-Arabien verboten. Im April 2018 wurde das Gesetz aufgehoben. Der erste Film, der gezeigt wurde: «Black Panther».

80

Prozent Umsatzplus verzeichneten arabische Imbissbuden in L. A. nach dem Start von «The Avengers», in dem die Helden Schawarma snacken.

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2009

verriet Marvel-Mastermind Stan Lee, dass Michael Jackson den Verlag in den 1990ern hatte kaufen wollen, um selbst SpiderMan spielen zu können.

365.000.000

Dollar kostete die Produktion von «Avengers: Age of Ultron», was es zum zweitteuersten Film aller Zeiten macht, nach «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» (379 Mio. $).

30

Kilo nahm Chris Pratt in sechs Monaten ab, um Peter Quill in «Guardians of the Galaxy» zu spielen.

17.528.287.709

Dollar haben die Filme im Kino eingespielt. Der erfolgreichste der Serie, «Avengers: Infinity War», ist gleichzeitig der vierterfolgreichste Streifen aller Zeiten. Die Plätze davor belegen: «Avatar», «Titanic» und «Star Wars: Das Erwachen der Macht». THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

1972

hiess der Superheld Black Panther kurzzeitig Black Leopard, um nicht mit der US-Bürgerrechtspartei verwechselt zu werden.

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Helden verlieren im Laufe der Filme eine Hand. Als Hommage an «Star Wars», wo Darth Vader Luke Skywalker die Hand abhackt.

GETTY IMAGES, IMAGO, MARVEL STUDIO (3)

2563

Minuten (42:43 Stunden) würde es dauern, sich alle 20 MarvelFilme am Stück anzusehen.

2008

produzierte Marvel seinen ersten Film selbst. Davor hatte man die Rechte an seinen Comic-Helden an Hollywood-Studios vergeben.


THE NEW GENERATION HOTEL.


KO LUM NE

Thilo Mischke

BEGEGNUNGEN

er trockene Wind, der nur aus rotem Sand zu bestehen scheint, verklebt unsere Augen, als wir uns verabschieden. Ousmane zieht sich den fünf Meter langen Tuareg-Schal vom Kopf und gibt ihn mir. «Nimm», sagt er. «Damit du mich nicht vergisst, ein Souvenir», sagt er. Dann weint Ousmane, dann weine auch ich. Es ist ein Abschied ohne Wiedersehen, wir wissen das. Wir stehen am Eingang von Camp Castor, der Militärbasis für die UN-Truppen, im Hintergrund liegt die Stadt Gao, ein Nest im Norden Malis. Eine der ältesten Moscheen der Welt steht hier, früher kamen hierher Touristen, heute kommt nur noch der heisse Wind aus der Sahara. Es kommen die Menschen mit den Maschinengewehren, organisiert in Militärlagern, zu Tausenden. Die Gegner, sie kommen auf Pick-ups, und sie entführen, morden, ver­ gewaltigen und schmuggeln. Hier findet sich nicht mehr die Wiege der Menschheit, sondern der zurzeit Ousmane verspricht: ge­fährlichste UN-Einsatz. Islamisten Es wird schön in Mali, nicht gegen den Rest der Welt. Wir beide hören die Schüsse, gefährlich. Ich glaube, wir beide hören die Verzweiflung er will mir zeigen, wie die der Menschen in dieser Stadt.

Ousmane ist Journalist in Mali, er ist Vater, und er liebt Kekse, er kann Wasser nicht richtig aus einer Flasche trinken und mag am Huhn am liebsten das Knorpelige. «Das Leben ist traurig», sagt er mir. «Deswegen müssen wir für Heiterkeit sorgen.» Wir essen in Restaurants, die erst gesprengt, dann wiederaufgebaut wurden. Alte Männer, an Theken, aus Libyen, die mir erzählen, das warme Herz Afrikas, es liegt in Mali. Und ich sehe, wie Ousmane diese Sätze übersetzt, für mich, und ich weiss: Es schlägt in seiner Brust, das warme Herz Malis.

Hoffnung funktioniert.

Vierzehn Tage zuvor haben Ousmane und ich einander am Flughafen der Hauptstadt getroffen, in Bamako. Er hat die Zollbeamten bestochen, damit wir ohne Probleme unser Filmequipment ins Land bekommen, er hat uns Fahrer besorgt und gesagt: «Willkommen in Mali, dem schönsten Land Afrikas.» Wir haben gelacht und uns sofort verstanden, haben uns geherzt – und das ist sehr ungewöhnlich für mich, weil ich Menschen lieber die Hand gebe, als sie zu um­ armen. Wir waren uns sofort nah. Ousmane, der Gitarrenspieler, der Jazzmusiker, der Künstler unterstützt, der Muslim ist und die Freuden der Welt kennt, der das nicht Doppelmoral, sondern Leben nennt. Er zeigt mir seine 14

Aber es nützt alles nichts. Sein Land zerbricht vor aller Augen. Während wir in Gao Interviews mit der Bevölkerung führen, zerschneiden trockene Schüsse einer AK-47 die Luft. Wir müssen zurück, wir sind in Lebensgefahr. Zwei Araber sterben, mehrere Tage versinkt die Stadt in einem Bürgerkrieg. Ein Ausbruch, der immer wieder geschieht. Und Ousmane sagt zum Abschied: «Das ist nicht mein Land. Mein Land ist das schönste Afrikas.» Ich muss Ousmane in diese Stadt entlassen. Später schreibt er mir via Facebook. «Komm noch mal, wenn ­alles vorbei ist», sagt er. «Dann kann ich dir dieses Land richtig zeigen.» Sein Mut, seine Hoffnung sollen mir Vorbild sein. Er beeindruckt mich.

THE RED BULLETIN

THILO MISCHKE

Selten habe ich mich auf ein Land so vorbereitet. Habe einen Sicherheitskurs besucht, habe Waffen neben meinem Kopf abfeuern lassen, damit ich lerne, wie eine Entführung klingt. Wie sie sich anfühlt, kann man nicht lernen. Jeden Morgen habe ich das Auto nach Sprengfallen abgesucht. Und Ousmane, er hat immer gelacht. «Lass das doch», hat er gesagt. «Es ist hier nicht gefährlich.» Und dann hat er ernst aus dem Auto gestarrt, und ich wollte von ihm wissen, was los sei. Wenn wir nicht reden, dann versinkt er in Gedanken, ich spüre, seine Heimat, sie beschäftigt ihn. Oft flüstert er, dass er verfolgt wird, dass die Islamisten ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hätten. «Wer genau?», will ich wissen. «Boko Haram, ISIS, al-Qaida … Ich kann sie alle nicht mehr auseinanderhalten.»

BLAGOVESTA BAKARDJIEVA

D

Heimat, die ich besuche, weil sie ein Kriegsgebiet ist. Er verspricht mir, es wird schön und nicht gefährlich. Aber ich spüre, er will mir nicht sein Land zeigen, sondern wie Hoffnung funktioniert. Er ist ein Mensch, der im grössten Leid noch die Schönheit findet.

THILO MISCHKE

Er ist 200 Tage im Jahr unterwegs, Jetlag ist bei Korrespondent und Reisereporter Thilo Mischke (TVDokureihe «Uncovered») ein Dauerzustand. Auf seinen Expedi­tionen trifft der 37-jährige Berliner immer wieder Menschen, die ihn faszi­ nieren. Dieses Mal: Ousmane, der ihn lehrte, dass man selbst im Leid noch Schönheit finden kann.


F U ND ST Ü CK

Warhols Pinsel

HENRY LEUTWYLER, FRANCOIS LOCHON/GAMMA-RAPHO

SIEBEN AUF EINEN STREICH

Eine Devotionalie aus den 1980er-Jahren, als Andy Warhol mit Kult-Kumpels wie Keith ­Haring und Jean-Michel Basquiat arbeitete. Und vielleicht das Werkzeug grosser Werke. Offiziell sind auf Griff und Borsten dieses exakt 29,2 Zentimeter langen Pinsels Kleckse in mindestens sieben unterschiedlichen Acrylfarben zu sehen: Blau, Gelb, Grün, Rosa, Rot, Violett und Weiss. Dokumentiert wurden sie anlässlich einer Versteigerung bei Christie’s, wo das bunte KunstStück 4000 US-Dollar (ca. 4000 CHF) erzielte. Bunter Vogel mit  silber­grauem Haar: Andy Warhol (1928–1987) war ­Maler, Regisseur, Musikproduzent.

THE RED BULLETIN

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L IF E HACKS

Hilf dir selbst

SO PIMPST DU DEIN AUTO Pfiffige Tricks für deinen Alltag. Dieses Mal: warum dein Kopf die Reichweite des Funkschlüssels erweitert und wie du mit Katzenstreu ein Beschlagen der Autoscheiben verhinderst.

FÜR KALTE NÄCHTE

Verwandle deine Socke in einen Wassersauger

FÜR LANGE FAHRTEN

Mach dein Handy zum Navi Keine Halterung fürs Handy? Gummiband durch die Rillen der Lüftung fädeln und Telefon einspannen.

Nie mehr beschlagene Scheiben – dank alter Socken und Katzenstreu: Das Granulat speichert Feuchtigkeit aus der Luft und bindet es auf kleinem Raum.

1 Stülpe die Socke über eine Klebebandrolle, um das Einfüllen der Katzenstreu (bis zum oberen Rand) zu erleichtern.

FÜR EISIGE TAGE

Trickse die Kälte aus Desinfektionsmittel auf den Schlüssel geben, wenn das Türschloss am Auto zugefroren ist.

2 Socke abkleben und eine zweite Socke ­darüberstülpen, damit sicher nichts ausläuft.

FÜR VERGESSLICHE FAHRER

SASCHA BIERL

3 Socke über Nacht am Armaturenbrett lagern und morgens ohne Verzögerung losstarten.

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FLORIAN OBKIRCHER

Nutze dein Gehirn

Vergessen, wo dein Auto parkt? Press den Schlüssel beim Öffnen ans Kinn. Die Wassermoleküle im Gehirn verstärken die Reichweite des Funksignals.

THE RED BULLETIN


#REDBULLPLAYSTREETS

LIVE UM 20:00 UHR WWW.REDBULL.TV


Mit dem Rad von Alaska nach Patagonien: 22.642 Kilometer, 168.000 Höhenmeter, Hitze, Kälte, Wind, Einsamkeit. MICHAEL STRASSER und sein Extremritt im Windschatten des inneren Schweinehunds. Text CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO  Fotos CHRISTOPH WISSER UND SAMUEL RENNER Prudhoe Bay, Alaska

IN 84 TAGEN Ushuaia, Patagonien

Brachialer Roadtrip. Michael Strasser, 35, fuhr mit seinem Rad die Panamericana von Alaska bis nach Patagonien entlang: in 84 Tagen, 11 Stunden und 50 Minuten.

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Einsame Spitze auf der Strasse: Zärtlichkeiten spürt hier nur der Lenkeraufsatz, für Interaktion hält der Bordcomputer her.

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LEISTUNG Extremwerte einer Tour de Force zwi­ schen Hitze, Kälte und existenzieller Mindest­ geschwindigkeit.

94 KM/H Den Topspeed meiner Tour habe ich in Puebla, Mexiko, erreicht, auf einer brutal steilen Strasse. Ansonsten käme ich mit meinen 62 Kilo­ gramm niemals auf so eine Geschwindigkeit.

60 KM/H

Um im Verkehr von Santiago de Chile nicht buchstäblich ­unter die Räder zu kommen, musste ich den Geschwindig­ keitsunterschied zu den Autos so gering wie möglich halten. Also ging es mit 60 Sachen durch den Stadttunnel.

–4  °C

Daunenjacke, Daunenhand­ schuhe und Heizeinlagen haben den Start in den Tag in Pata­ gonien etwas erträglicher ge­ macht. Schlimmer als die Kälte war aber die Feuchtigkeit. Mehrmals täglich hiess es: raus aus der nassen, rein in die trockene Kleidung.

+51  °C

Eine Grenzerfahrung – nicht nur weil wir auf der Strasse von Texas nach Mexiko unterwegs waren. Zu extremer Hitze kam auch noch starker Gegenwind. Ich musste mehrere Stunden kämpfen, nicht zu kollabieren.


SO EIN DRECK!

27. JULI 2018, DALTON HIGHWAY, ALASKA

Diese Tour wird nicht sauber abgehen: So viel ist schon früh klar. Die Strassen hier sind Verbindungsstrecken zwischen Raffinerien, auf denen fast nur schwere Trucks ver­ kehren. Schotter und Matsch setzen mir und meinem Rad ebenso zu wie Steinschläge auf­ grund des Verkehrs.


NORD- UND MITTELAMERIKA

STEINIGE WEGE, MAHL MIT QUAL UND EINE ZEIT, DIE NOCH NICHT GEKOMMEN IST.

Achtung, Steinschlag! Trucks verwandeln Steine in scharfe Geschosse. Härtetest für meinen Helm.

BOXENSTOPP 5. AUGUST 2018, ALBERTA, KANADA

Shit happens: Eine über­ grosse Heftklammer auf der Strasse zwingt mich zum Schlauchtausch und kostet zwölf Minuten. Abnützungserscheinun­ gen am Rad sind täglich zu beheben. Für den Weltrekord ist ein ­Radwechsel nur bei Totalschaden erlaubt.

Achtung, Hitze! Bei 40 °C machte der Generator im Campervan schlapp. Ich nicht. Dank 8,5 Liter Flüssigkeit am Tag!

IN LETZTER SEKUNDE

18. AUGUST 2018, COAHUILA, MEXIKO

Während einer Pause am Strassenrand rammt uns ein Truck. Im letzten Moment springe ich in den Graben und über­ lebe. Mit meiner ge­ schockten Freundin und den anderen Teammit­ gliedern arbeite ich den Unfall auf. Fazit: Meine Zeit ist noch nicht ge­ kommen. Aber dieser «Warnschuss» macht uns alle vorsichtiger.

Achtung, Wildwechsel! Kühe oder auch Klapperschlangen zu sehen ist schön. Hungrige Hunde eher nicht.

ESSEN WIRD ZUR PLAGE 25. AUGUST 2018, CHIAPAS, MEXIKO

Gluthitze und völlige Erschöpfung machen ausreichende Nährstoff­ aufnahme zum täglichen Kampf. Mein Team ist um Abwechslung be­ müht, trotzdem muss ich mich zum Essen zwingen. 4500 Kalorien schaffe ich. Zu wenig.   23


«WARUM ICH MIR DAS ANTUE? WEIL ICH MEINE PERSÖNLICHEN GRENZEN VERSCHIEBEN MÖCHTE.»

GEGNER NR. 1: DER WIND 2. OKTOBER 2018, COQUIMBO, CHILE

Entlang der Küste Perus und Chiles bin ich ganz knapp vorm Aufgeben. Dauerwind und starke Böen haben mich mürbe gemacht. Kurz nach der Passage muss ich erst­ mals in meinem Leben aufgrund des Windes absteigen. Weiter­ fahren? Unmöglich! 24



Achtung, gefähr­ liches Gefälle! Bis zu 5300 Höhenmeter pro Tag, rasante Abfahrten, extreme Temperaturschwankungen. Aber: immerhin nicht eintönig.

SCHADEN UND HÖHERE GEWALT 5. SEPTEMBER 2018, CÓRDOBA, KOLUMBIEN

Nach dem Flug über den Tapón del Darién, ein sump­ figes, wegloses Teilstück in Panama, bin ich in Süd­ amerika. Die Verhältnisse sind wenig erquicklich: Schlaglöcher, Dauerregen, tropische Temperaturen. Und die Anstiege der Anden liegen noch vor mir.

SÜDAMERIKA

WENN ES AUF UND AB GEHT, GIBT’S HÖHEN UND TIEFEN.

Achtung, Windböen! Gegenwind und Spitzen von 100 km/h – hier stirbt mein Traum einer Fahrzeit von 80 Tagen.

AM ENDE DER WELT

16. OKTOBER 2018, USHUAIA, PATAGONIEN

Die letzten drei Wochen dominieren Wind, Regen, Kälte – eine prägende Phase. Umso stolzer bin ich auf meine mentale Leistung. Und natürlich auf meinen Weltrekord: 15 Tage schneller als der bisherige Rekordhalter. Eine neue Dimension.

BLACKOUT

5. OKTOBER 2018, BÍO BÍO, CHILE

Eine der grössten Her­ ausforderungen bei so einer so langen Tour ist es, bei aller Monotonie konzentriert zu bleiben. 74 Tage gelang mir das gut, dann ist es passiert: auf einem Reflektor­ streifen komme ich zu Sturz, mit Prellungen und Schürfwunden an Knie und Schulter aber noch glimpflich davon.

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Achtung, Eisglätte! Eisregen martert mein Gesicht. Auf der Strasse hilft gestreutes Salz.


SPUREN DER

Muskelabbau vom ersten, Schmerzen vom fünften Tag an, ausserdem wochen­lange Wahn­ vorstellungen: Das machen 22.642 Kilometer mit dir.

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VON EIS ZU EIS 8. OKTOBER 2018, LOS LAGOS, ARGENTINIEN

Ich habe meine Tour «Ice2Ice» getauft. So mild sich Alaska zeigte, so sehr wurde Argentinien diesem ­Namen gerecht – mit Graupelschauer auf dem Pass zwischen Chile und Argentinien.

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DER KOPF

Ich schwanke zwischen Stolz, das durchgestanden zu haben, und Demut, weil es grenzwertig war. Noch Wochen danach riss es mich immer wieder aus dem Schlaf – im Glauben, noch fahren zu müssen.  2

DER KÖRPER

Ich war von Anfang an katabol, habe also Muskeln abgebaut. Daher ist meine Hose in den letzten Tagen schon ordentlich an den Beinen geflattert. Zu viel Bewegung, zu wenig Essen.  3

DIE GELENKE

Nach der ersten Woche dachte ich, mir springt die Kniescheibe heraus. Doch der Körper gewöhnt sich an alle Belastungen. Am Ende ging es mir sogar besser als zu Beginn.  4

DER HINTERN

Voller Furunkel und Ekzeme, grauslich und wund. Die Schmerzen beim Sitzen hielten sich jedoch in Grenzen. Das Geheimnis: der passende Sattel und billige Babywindel-Schutzcreme.


In seinem neuen Film ein Visionär, privat stets fokussiert: Hugh Jackman, 50


HE RO ES

Hugh Jackman

SEX, MEDITATION UND FUTURISMUS

Der Hollywood-Star über grosse Ambitionen, kleine Schwächen und die hohe Kunst, seine Ziele im Auge zu behalten.

D

RÜDIGER STURM

ass er weiss, wie man seine Krallen erfolgreich ausfährt, hat Hugh Jackman sattsam bewiesen. Die Figur des Wolverine in der Marvel-Blockbuster-Reihe «X-Men» machte den heute fünfzigjährigen Australier weltberühmt. Die aktuell boomende KarriereFormel «Comic-Superheld = Hollywood-Superstar» war Jackman dennoch stets zu glatt, es zog ihn immer wieder auch ins Charakterfach. Zuletzt in dem vielbeachteten Biopic «The Front Runner» («Der Spitzenkandidat»), in dem er in die Rolle des US-Senators Gary Hart schlüpft. Der Mann wollte zweimal (1984, 1988) Präsident werden – und scheiterte zweimal. Für Jackman war die intensive Beschäftigung mit dem Polit-Visionär, der über eine angebliche Sexaffäre stolperte, trotzdem ein persönlicher Gewinn.

«Wenn du den Job als Politiker richtig machst, wirst du die meiste Zeit unpopulär sein.»

THE RED BULLETIN

the red bulletin: Gary Hart war ein Visionär, ein demokratischer ShootingStar. Sein grosses Ziel hat er schlussendlich aber verfehlt. Kann man von so einem Mann etwas lernen? hugh jackman: Auf jeden Fall. Eben weil er ein visionärer Politiker war und das auch lebte. Er sagte zu mir: «Ich versuchte stets, vorauszudenken. Grosse Politiker blicken in die Zukunft. Abraham Lincoln zum Beispiel sah eine Welt ohne Sklaverei vor sich – und er setzte den ersten Schritt zu ihrer Verwirklichung.» Im Allgemeinen neigt die Gesellschaft dazu, Vor­ denker erst im Nachhinein anzuerkennen. Tja, das liegt in der Natur der Sache. Ich hatte einmal ein Abendessen mit Shimon Peres, dem damaligen israelischen Präsidenten, und er erklärte mir Folgendes: «Alle glauben, dass ein Staatenlenker an der Spitze stehen muss. Aber das ist ein Irrtum. Du musst den Leuten voraus sein. Wenn du diesen Job richtig machst, dann wirst du die meiste Zeit unpopulär sein. Denn ein Grossteil der Menschen versteht nicht, was du machst. Wenn du führst, musst du ­Futurist sein.»

Aber wie überzeugt man Menschen von einem Ziel, ohne den Weg dorthin wirklich zu kennen? Wenn du die richtigen Ideen hast, musst du diese auf eine Weise kommunizieren, dass die Leute neugierig werden, dass sie sagen: «Okay, so eine Welt möchte ich sehen.» Du musst es ihnen schmackhaft machen: «Zerbrechen wir uns nicht den Kopf über unser jetziges Dasein, sondern schaffen wir diese neue Welt.» Setzen Sie auch bei Ihren persönlichen Zielen auf diese Erfolgsstrategie? In gewissem Sinne. Als Erstes frage ich mich: Worin liegt das eigentliche Ziel? Was ist meine Aufgabe? Dafür setze ich Prioritäten. Nummer eins ist meine Familie, dann kommt die ­Arbeit. Daraus folgt: Worauf muss ich mich konzentrieren, damit ich meine Pläne realisieren kann? Diese Fragen stelle ich mir tatsächlich fast jeden Tag. So bewahre ich meinen Fokus. Klingt fast wie ein Ritual? Ich praktiziere zweimal am Tag Transzendentale Medita­tion. Ich habe diese Technik entdeckt, als ich 24 war – und sie hat mein Leben verändert. Damit beruhige ich meinen Geist. Durch meinen Kopf rasen nun ­keine Gedanken der Sorte «Ich müsste, müsste, müsste, sollte, sollte, sollte …» mehr. Film-Homepage: sonypictures.com/ movies/thefrontrunner

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HE RO ES

Rittmeister des Eismeers: Der Zürcher Geza Scholtz will – mit seinem Bruder – als erster Mensch von Alaska nach Russland über die Beringstrasse kiten.

T

he red bulletin: Geza, die Bering­ strasse bedeutet: meterhohe Wellen, drei Grad kaltes Wasser und Wind, der dir die Backen ra­ siert. Warum muss man ge­ rade da mit einem Kite hin? geza scholtz: Ich muss es nicht, ich will es. Es ist ein grosses Abenteuer, für das wir viele Jahre arbeiten. Wir fahren da ja nicht einfach hin und kiten mal rüber. Allein um zum Startort zu kommen, gibt es tausend Probleme und Hin­ dernisse zu lösen und zu über­ winden. Aber genau das treibt uns an, das ist unser Ding.

Und dafür sucht ihr euch ausgerechnet die Meer­ enge zwischen Alaska und Sibirien aus? Du wirst 90 Kilometer oder rund sieben Stunden lang unter­ wegs sein … … immer vorausgesetzt, das Wetter schlägt nicht plötzlich gefährlich um. Der Reiz ist die Gefahr? Nein, es ist das Abenteuer. Jeder Mensch kommt als kleiner Abenteurer zur Welt. Allerdings leben wir in einer Gesellschaft, in der alles ­reguliert und kontrolliert ist. Es gibt nur sehr wenig Frei­

WELTREKORD IN DER ARKTIS

«Um die Beringsee mit dem Kite zu überqueren, brauchst du jahrelange Vorbereitung – und sehr viel Glück», sagt Geza.

Bei seinem Weltrekordversuch wird Geza Scholtz (Bild) von einem Beiboot be­ gleitet. Ein grosser Risikofaktor, so der 38-Jährige, sind die über der Beringsee plötzlich auftretenden Stürme: «Wenn es gefährlich wird, müssen wir uns von den Schirmen lösen und versuchen, an Bord des Bootes zu gelangen.»

Klingt nach kontrolliertem Kontrollverlust. Ohne Glück und gutes Wetter ist es nicht zu schaffen. Ich bin dabei ja schon zweimal ge­ scheitert. Das erste Mal, 2010, habe ich Russland bereits ge­ sehen, aber dann schlief der Wind ein. Wir warteten noch eine Stunde – meine Leute im Beiboot, ich und mein Bruder im eiskalten Wasser. Aber die Show war vorbei. Beim zweiten Versuch, 2011, war es lebensgefährlich … Mitten in der Beringstrasse kam ein Sturm auf: Bei Wind­ böen bis zu 35 Knoten (rund 64,8 km/h; Anm.) waren wir mit den 12-Quadratmeter-Kites komplett überpowert. Irre: 4-Meter-Wellen, du siehst nur Wasserwände. Dann kommst du wieder hoch, schaust dich kurz um, donnerst wieder run­ ter … Wir hatten keine Chance. Angst? Für Angst hast du keine Zeit. Du rufst die Bewegungsabläufe ab, die du trainiert hast. Versuch Nummer drei folgt im Juli 2019. Aufgeben ist also nicht deine Stärke? Nein. Grosse Dinge schafft man oft nicht beim ersten Mal. Scheitern heisst ja nicht, auf­ zugeben. Du weisst nie, wie lang der Weg ist, wenn du ein Abenteuer beginnst. Ich will ihn aber zu Ende gehen. Woher kommt der Aben­ teurer in euch? Unser Vater hat Expeditionen absolviert, und wir Kinder ­waren oft mit ihm unterwegs – das hat uns geprägt. Natur? Abenteuer? Für uns ganz ­normal. Wir wollen jedenfalls ­eines Tages auf dem Sterbebett sagen können: «Wir haben schon coole Sachen gemacht.» gezascholtz.com, @gezainzurich

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THE RED BULLETIN

JOHANNES KORNACHER

«  FÜR ANGST HABE ICH KEINE ZEIT»

raum. Doch genau dort, wo man nicht alle Elemente kon­ trollieren kann, entwickelt man sich weiter.

FABIAN (BANE) FLORIN/DP VIDEO PRODUCTION

Geza Scholtz


ÂŤKontrollverlust ist gut. Denn nur so entwickelst du dich weiter.Âť Geza Scholtz, Zahnarzt, Extrem-Kiter, Abenteurer


HE RO ES

Rosalía

A

m Anfang war «Despacito». Der Hit der puerto-ricanischen Künstler Luis Fonsi und Daddy Yankee stand 2017 in 46 Ländern auf Platz 1, bis heute ist es das auf YouTube am häufigsten aufgerufene Musikvideo (5,8 Milliarden Klicks). Von der M ­ usikpresse damals noch als One-HitWonder eingestuft, mauserten sich Latin-Pop und Reggaeton (Mix aus Hip-Hop und Pop mit lateinamerikanischen Rhythmen) zu den globalen MusikTrends 2018. Künstler wie Ozuna oder J Balvin liessen im vergangenen Jahr – zumindest was den Erfolg bei StreamingServices angeht – Popstars wie Katy Perry oder Justin Timberlake locker hinter sich. Ganz oben, auf den Schaum­kronen dieser Erfolgswelle, surft derzeit Rosalía. Mit ihrem zweiten Album «El mal querer», das im November 2018 erschien, gelang der 25-jährigen Katalanin ein ­erstaunliches Kunststück:

«Ich bin eine Flamenca, wenn auch auf meine ganz eigene Art.»

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Sie machte Flamenco cool. In ihren Songs kombiniert sie traditionelle Grundelemente des 250 Jahre alten andalu­ sischen Genres – gezupfte Akustikgitarre und Pitos (Fingerschnippen) – mit elektronischen Beats, experimentellen Synthesizer-Klängen und eingängigen Auto-Tune-Effekten. Dass Rosalía die knisternde Erotik des Fandango in ihren Musikvideos auch optisch ­artgerecht umzusetzen weiss, schadet der Sache natur­ gemäss nicht. Ein so frischer wie frecher Stilmix also, der in Rosalías Heimat schnell Flamenco-­ Traditionalisten auf den Plan rief: Vergeht sich da eine junge Sängerin an altem spanischem Kulturgut? Keinesfalls. Rosalía weiss genau, was sie tut. Sie hat Flamenco an der MusikUni in Barcelona studiert. Ein Fach, in dem pro Jahr nur ein Student aufgenommen wird. «Flamenco ist die Basis meiner Musik, und ich behandle die Tradition mit dem grössten Respekt», betont sie. «Ich bin eine Flamenca, wenn auch auf meine ganz eigene Art.» Die Single «Malamente» wurde Ende 2018 mit zwei Grammys ausgezeichnet, das zugehörige Album hatte sie kurz davor bei einem OpenAir-Spektakel in Madrid vor 11.000 Fans präsentiert. Die spanische Presse adelte sie umgehend als «Rihanna des

rosalia.com

DA WIRST DU ROSALÍA HEUER BEGEGNEN 2019 startet die Sängerin international voll durch:

MIT PHARRELL WILLIAMS

Der US-Starproduzent arbeitete an ihrem Song «Esto está encendido», der demnächst erscheinen soll.

MIT PEDRO ALMODÓVAR

An der Seite von Penélope Cruz spielt sie im nächsten Movie («Dolor y gloria») des Regiemeisters.

AM COACHELLA FESTIVAL

Am Trendsetter-Musikfest in der kalifornischen Wüste im April wird ihr Auftritt als Highlight gehandelt.

THE RED BULLETIN

MARCO PAYAN

Kompromisslos sinnlich: Die katalanische Sängerin revolutioniert das alte Genre Flamenco, ohne dessen traditionelle Wurzeln zu kappen. Ihr Sound geht ins Ohr – und international durch die Decke.

Flamenco» und als eine Künstlerin, die das ehrwürdige ­Genre revolutioniert und ­einem jungen, internationalen ­Publikum schmackhaft macht. Auch Kollegen wie Dua Lipa und Pharrell Williams haben sich bereits als Fans geoutet. Ob sie glaubt, dass sich ihre Musik wegen der globalen Aufmerksamkeit verändern wird? «Keinesfalls», sagt sie entschlossen. «Bislang habe ich mich beim Musikmachen stets auf meine Intuition verlassen. Keine künstlerischen Zugeständnisse. Und genau deshalb hat’s geklappt.»

SONY

DIE RIHANNA DES FLAMENCO


Seit ihrem 13. Lebensjahr ist Rosalía Vila Tobella, 25, FlamencoFan, nun gilt sie als ­Erneuerin des Genres.


Wenn’s * zach wird, bin ich am besten MARCEL HIRSCHER – Skiheld, Ehemann, Jungvater, Sohn, 29 Jahre alt – ganz persönlich: ein Gespräch über Ehrgeiz, den Rennmodus im Alltag, warum er auf der Piste manchmal wie ein Rohrspatz schimpft – und worin für ihn der Sinn des Lebens liegt. Interview MANUEL FUCHS Fotos FELIX KRÜGER

* Austriazismus für «zäh», «mühsam» oder «extrem hart» 34


«Ich bin einer, der reinbeisst.» Das legt den Schluss nahe: Der Typ ist auch ver­bissen. Ganz falsch.


T

he red bulletin: Es gibt einen Satz von dir, der so gar nicht nach dem Helden Marcel Hirscher klingt. Wollen wir damit beginnen? marcel hirscher: Gern. «Das Einzige, was ich habe, was noch nicht geteilt und geshart wird, ist mein Privatleben.» Klingt nach «Jetzt bin ich so berühmt, ich Armer, mir gehört mein Leben nicht mehr». Muss man Mitleid mit dem aktuell besten Skifahrer der Welt haben? Natürlich nicht. Aber es hat halt alles zwei Seiten im Leben. Auf der Vorder­ seite der Medaille: Da sind das Glück und das Privileg, sieben Jahre an der Spitze zu stehen. Meine Talente und mein Können sind ja auch Geschenke, für die ich dankbar bin und für die ich enorm viel Wertschätzung kriege – oft mehr, als ich verarbeiten kann. Und trotzdem gibt es die Kehrseite der Medaille, die schwer nachvollziehbar ist für jeden, der sie nicht kennt – und kennen tun sie nur ganz wenige. Wie schaut die Kehrseite der ­Medaille aus? Mit dem Erfolg steigt das Interesse der Öffentlichkeit. Viele halten genau das für erstrebenswert, weil wir im Medienzeitalter darauf gepolt sind. War bei mir genauso. Anfangs total aufregend, lustig, prickelnd fürs Ego – bis du irgendwann begreifst, dass ­deine Anonymität verlorengeht und du quasi Allgemeingut wirst. Es ent­ steht eine seltsame Parallelrealität: Du kennst eine gewisse Anzahl an Leuten persönlich, die du klar zuord­ nen kannst. Aber auf dich kommen immer mehr zu, als wären sie alte Bekannte, Leute, die du noch nie im Leben gesehen hast. Du selbst kennst keinen, dich aber kennt fast jeder. Sie sehen dich ständig in Medien und bauen eine Beziehung zu dir auf – ­davon weisst du aber nichts. Und du bist auf einmal mit einer für dich anonymen Masse ständig per du: grüsst, nickst, lächelst, antwortest. Überall und dauernd. 36

Und diese vielen sozialen Kontakte kosten dich mehr Energie, als sie dir Energie bringen? Das nicht, ich habe gern Kontakt zu Menschen – und, eh wie jeder, natür­ lich auch ein Bedürfnis nach Rückzug. Energie kostet, dass du plötzlich kaum noch für dich allein sein kannst, nur mehr in den eigenen vier Wänden oder im Ausland. Das ist wie in einem Grossraumbüro: super, weil kommu­ nikativ – aber zwischendurch gehen die Leute doch immer wieder raus, um ein wenig Privatsphäre zu haben. Anonymität in der Öffentlichkeit ist ja auch Privatsphäre. Über die Wiener Mariahilfer Strasse gehen, unerkannt, als einer unter vielen: Das spielt’s halt bei mir nicht mehr. Wenn ich Privat­ leben will, muss ich es eigens organi­ sieren – nicht nur meines, sondern auch das meiner Familie. Ich beschwe­ re mich darüber überhaupt nicht, das ist Teil des Jobs. Es ist nur sehr spezi­ ell auf Dauer, weil vieles, was für die meisten selbstverständlich ist, eben in meiner Situation nicht so ist. Der Grossteil unserer Leser wäre dennoch bereit, mit dir zu tauschen. Finanzielle Sorgen zum ­Beispiel werden in deinem Leben keine Rolle mehr spielen. Wenn ich nicht richtig blöd tu, dann nicht. Stimmt. Wie ist das, wenn man seinen Job macht, ohne dass Geld eine Rolle spielt? Das ist ein Gefühl, das nicht viele Leute kennen. Na ja, es fällt die Job-Motivation weg, die für viele Leute eine wesentliche ist. Also braucht’s in meinem Fall eine andere. Die zweitstärkste Motivation wäre: Freude haben an dem, was man tut. Als Grundmotivation? Es wäre ver­ lockend, jetzt einfach mit Ja zu ant­ worten, aber es wäre halt gelogen. Freude und Weltklasse passen oft nicht zusammen. Ich tu nur, was mich freut? Das funktioniert im Urlaub. Freude braucht auch Zeit und Musse. Am An­

fang der letzten Saison zum Beispiel, als ich mir den Knöchel gebrochen hatte, da war viel Freude, auch wenn mit der Fuss wehgetan hat. Weil es eine unverhoffte Auszeit war … Vor dieser Zwangspause hattest du nie Freude? Natürlich hat man Freude! An vielen Dingen im Rennfahrerleben, am Erfolg, das ist ja alles geil. Aber Freude als Antrieb, jeden Tag über die Grenzen zu gehen? Hollodaro, das Quälen, das macht so einen Spass? Nein. Wie konntest du die vergangene Saison trotz deines K ­ nöchelbruchs zu deiner erfolgreichsten machen? Nicht «trotz» – «wegen»! Die vergan­ gene Saison war, als wäre man noch einmal 18 Jahre alt. Gewinnen-Wollen statt Nicht-verlieren-Wollen, das war THE RED BULLETIN


Zeit zum R ­ eflektieren gibt es dann, wenn die Renn­saison vorbei ist. «Die ersten Wochen im Frühling fühle ich mich immer extrem befreit. Da bin ich echt gut drauf.»

Verstehe ich nicht. Ich probier’s anders. Du bist ja sehr gut in deinem Job als Journalist. Und? Und weil du gut bist, lassen sie dich immer mehr Interviews machen, stimmt’s? Fad wird mir nicht. Genau. Mit jedem guten Interview wird es insgesamt mehr. Deine 24 Stunden, die werden nicht mehr. Also wird deine Regenerationszeit immer weniger. Na ja, man könnte auch nein sagen … Und: Sagst du das? Eben. Ich auch nicht. Ich tu, was zu tun ist – und das Skifahren, das ist nur noch ein Eckerl von meinem Job.

Du selber kennst keinen, dich aber kennt fast jeder. Deine Anonymität geht verloren. der Spirit vom 18-jährigen Hirscher – mit der Erfahrung, mit dem Können und mit dem Körper des 28-jährigen. Natürlich war die Verletzung richtig schmerzhaft und der Weg zurück voller Rückschläge. Es war eine brutale Phase. Zehn Ärzte haben mitgeredet, jeder hat etwas anderes gesagt. Auf dieser Basis triffst du medizinische Entscheidungen, die über Gesundheit und Karriere entscheiden. Schon zach. Trotzdem hat sich diese Zeit im Kopf wie Urlaub angefühlt. THE RED BULLETIN

Weil du wegen der Verletzung nicht gewinnen musstest? Ich habe nicht gewinnen können. Es war nach der Verletzung unmöglich, zu gewinnen. Ausgeschlossen. Für mich befreiend. Aber du hast ja dann gewonnen. (Lacht.) … ja, eh, dann war ich wieder zurück im wirklichen Leben. Es ist bekannt, mit welchem Aufwand du für deine Siege arbeitest. Das heisst aber – nach all dem, was du gerade gesagt hast – auch: Du strebst mit aller Kraft etwas an, was dich am Ende belastet? Aufpassen, da muss man jetzt ganz genau differenzieren! Der Sieg als solcher belastet natürlich nicht, eher die Konsequenzen des oftmaligen Siegens.

Daran wird sich nichts ändern. Warum fährst du überhaupt noch, wenn es dich belastet? Du könntest dein Familienleben geniessen … Weil ich das Rennfahren und das ­Training, die ganze Schinderei als Sportler und als Wettkämpfer wirklich liebe. Weil es klass ist, wenn man etwas richtig gut kann, auf einem Niveau, wo wenige andere hinschnuppern können. Weil gewinnen wirklich ein super Gefühl ist. Aber für all das musst du halt auch für ein paar Jahre den Preis zahlen. Das ist nur fair. Warum verwendest du das Wort «muss»? Warum nicht «will»? Ein Marcel Hirscher muss ja schon ­lange nix mehr. Hmmm. Weil ich muss, was ich will? Oder umgekehrt? Vielleicht, weil ich einfach so geprägt bin und früh gelernt hab, dass es nix geschenkt gibt für den Erfolg? Das sind gute Fragen. Wie sehen denn die Antworten aus? Ich bin mir nicht sicher. Und ich find’s auch nicht schlimm, wenn man sagt: Um etwas zu erreichen, muss ich halt reinhackeln.   37


Schimpfen hilft. Oft schreie ich mich selber an, damit ich noch mehr Gas geben kann. Gut, dass wir auf der Rennpiste nicht mithören können. «Teilweise schimpfe ich die ganze Strecke mit mir selbst.»


Da ist so eine Müdigkeit, die geht nicht mehr richtig weg.

Deine Motivation ist nicht das Geld, nicht die Freude am Tun. Der Ruhm kann es auch nicht mehr sein … … eher im Gegenteil! (Lacht.) … und dein Vermächtnis als Ski­ fahrer scheint auch längst gesichert. Was ist der Antrieb, um vier Uhr früh aufzustehen, damit du recht­ zeitig oben am Gletscher bist? Wahrscheinlich wirklich das Müssen. Dieses «Ich muss» bringt mich weiter. Diesem «Ich muss» verdanke ich sehr viel … Hmmm. Für mich braucht Leistung Druck. Freude allein baut nicht genug Druck auf. Du performst auch besser, wenn du weisst: Jetzt gilt’s, der Text muss morgen um sechs Uhr in der Früh fertig sein. Ja, aber nur weil der Organismus Stresshormone freisetzt. Das ist auf Dauer nicht gesund. Es gibt ja positiven und negativen Stress … Ich mache mir bewusst Druck. War immer schon so. Ich bin am besten, wenn’s zach wird, und am allerbesten, wenn’s unmöglich wird. Das gilt nicht nur fürs Skifahren. Ich habe immer für alles gekämpft in meinem Leben. Schon in der Schule beim Völkerballspielen. Ich war nie der Grösste, nie der Stärkste, nie der Schlauste, nie der Sportlichste. Aber der …? … Ehrgeizigste. Dazu stehe ich. Ehr­ geiz ist ein strapaziertes Wort, fast verpönt. Ohne Ehrgeiz bringst du halt ausser Couchliegen nichts zusammen. Dass es mir wurscht ist, wenn ich was nicht z’samm’bring, das hab ich nie können. Und wieso «Mensch ärgere Dich nicht» so heisst, hab ich schon als Kind nicht verstanden (lacht). Und wie holst du dir den Druck, den du brauchst? Das ist schwierig zu beschreiben. Ist wie so ein Schalter in mir, den ich um­ lege: Ich nenne das den Race-Modus.

Schon mal von Flow gehört? Dem Zustand höchster Konzentration, in dem alles ganz leicht geht? Hör mir auf mit Flow. Das ist wie mit Freude und Glück: Das sind keine Dauerzustände, das sind Momente. Ich ziehe mich nicht in Freude für ein Training um, von dem ich schon weiss, dass es wehtun wird. Dieser Race-Modus, der pusht, treibt mich und trägt mich durch – auch den ­einen Schritt über mein Limit hinaus. Der Schritt macht den Unterschied. Weil: Den können nicht viele gehen. Du gehst also in jedem Training über dein Limit hinaus? Sicher. Es gibt eine natürliche Sperre,­­ aber da kannst du noch drüber. 60 ­Sekunden Burpees oder Kasten­ sprünge in Kniehöhe: 125 Wieder­ holungen, und du bist dem Kollaps näher als allem anderen. Was bringt es dir, dich in den Kollaps­bereich zu zwingen? Es geht nicht um den Kollaps. Es geht darum, die Grenze zu verschieben. Alles unter Kollapsgrenze ist Komfort­ zone (lacht). Im Sommer zum Beispiel powere ich mich beim Motocross-­ Fahren aus. Ich dreh meine Runden, denke, ich fahr schon am letzten Zacken. Plötzlich ein anderer hinter mir. Ich bin eh schon zehn Runden gefahren, Plansoll erfüllt, ich könnte es gut sein lassen. Tu ich nicht! Ich mach ein Rennen draus, obwohl ich schon so fertig bin. Ich geb nicht auf. Vollgas! Und irgendwann muss er auf­ geben. Dann habe ich einen Moment der Freude, aber davor ist weder Flow noch Freude (lacht). Dass irgendein Ehrgeizling, den du nicht kennst, erschöpft über seinem Motorradlenker hängt und aufgibt, das bringt dir Freude? Nein! Ich habe eine Freude, dass ich mich selber überwunden habe. Das ist etwas Archaisches. Vielleicht ver­ steht man es im Extremen nur, wenn man so eine Rennfahrernatur hat. Womöglich hat eh jeder Anteile da­

von, und bei manchen sind sie stärker ausgeprägt. Der Drang zum Besseren bringt uns weiter, auch insgesamt, als Menschheit. Aber man muss ja die Evolution nicht im Alleingang vorantreiben. Diese Unerbittlichkeit dir selbst gegenüber: Perlt die wirklich so an dir ab? Nein, tut sie nicht. Natürlich hinter­ lässt das mit der Zeit Spuren. Seit meinem WM-Titel 2013 merke ich: Da ist so eine Müdigkeit, die ganze Zeit, die geht nicht mehr richtig weg. Redest du von einer Art Burnout? Das ist ein medizinischer Fachbegriff. Meine Müdigkeit ist der innere Wider­ stand, den ich immer wieder aufs Neue überwinden muss. Mit «Trara, ich fahre nur für die Gaudi!» über­ winde ich ihn nicht. Wenn ich nur tu, was mich keine Überwindung kostet, gibt’s den Rennläufer Marcel Hirscher nicht. Fix nicht. Was mich antreibt, das ist diese tägliche Überwindung. Funktioniert. Seit zehn Jahren. Aber die Müdigkeit wird nicht ­weniger? Nein. Hast du eine Idee, wie ich sie kleiner kriege? (Lacht.) Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: nur mehr das ­machen, was Spass macht, viel­ leicht? Kostet ­einen Bruchteil der Kraft und setzt neue Energien frei. Ich wiederhole mich auch: Wenn ich nur mehr mache, was Spass macht, muss ich die Karriere sofort beenden. Ich bin ja Teil eines Systems, zu einem sehr hohen Grad fremdbestimmt, ein Tool, das funktionieren muss. Aber Marcel Hirscher ist der König der Skiwelt. Wenn ich versuche, die Dinge im Drumherum zu ändern, so, wie ich sie für richtiger halten würde, geht die Energie dorthin statt ins Renn­ fahren. Dann kannst du den Renn­ läufer Marcel Hirscher vergessen.   39


Was kommt nach dem Skifahren? Wie definiert man Erfolg als Vater? Reicht es auch, nur gut und nicht der Beste zu sein? Die Antworten werden sich finden.

Doch! Nein! Du giltst als bester Skifahrer aller ­Zeiten, kannst Sachen, die kein Rennläufer vor dir konnte. Nehmen wir nur den Kombinations-Slalom in Pyeong­chang: Ausgerechnet während deines Laufs war unterhalb der Knie Schneesturm. Sicht: gleich null. Jeder andere hätte eingefädelt. Du bist Olympiasieger geworden. Wie kannst du Sachen wie einen Schneesturm ausschalten? Einen Schneesturm ausschalten, das kann ich nicht. Da überschätzt du mich (lacht). Es ist dieser Renn-Modus. Da schaltet sich eine Turbine dazu in mir. «Was? Ihr schickt mich bei Olympia in diese Windhose?!», hab ich mir im Lauf gedacht. Dann rennt alles nur noch automatisch ab. Schimpfen, schnaufen, pushen. Statt dich auf die Fahrt um olym­ pisches Gold zu konzentrieren, hast du auf der Piste geschimpft wie ein Rohrspatz? (Lacht.) Ja. Schimpfen hilft, oft schreie ich mich selber an, damit der Zündfunke meine Zusatz-PS aktiviert und ich noch mehr Gas gebe. Vor ­allem wenn ich arge Fehler mache wie in Madonna di Campiglio heuer im zweiten Durchgang … … als du schon im Schnee gelegen bist. Auch so ein irres Rennen. ­Normalerweise ist ein Lauf nach einem solchen Fehler zu Ende. Du hast gewonnen. Den kompletten Steilhang hab ich so arg mit mir geschimpft. Echt nicht jugendfrei! Aber dann, wenn der Race-Modus aktiviert ist, werde ich um zehn Prozent schneller als normalerweise. Anders hätte ich nicht gewonnen dort. 40

Du hast einmal erzählt, dass du nach einem Rennen nachts so mit den Zähnen knirschst, dass dir in der Früh der Kiefer wehtut. Wie viel Energie k ­ osten diese 60, 70, 80 Sekunden eines Laufs? So viel, dass du bei minus 30 Grad komplett durch­geschwitzt bist und Sternchen siehst. Wir haben einmal den Laktatwert gemessen. Über 20. Das erreichen sonst nur 400-Meter-Sprinter. Genau das taugt mir. Fahren, trainieren, die körperlichen und mentalen Grenzen ausloten und verschieben. Geil! Diese Art von Energie werde ich, so glaube ich, immer haben. Das Drumherum, die Termine, die dauernde Verfügbarkeit, das ist für mich die grössere Herausforderung. Und es ist mittlerweile fast ein grösserer Erfolg für mich, wenn in diesem Bereich etwas weitergeht als im sportlichen. Zum Beispiel? Dass meine Leute und ich in der ­kommenden Saison in jedem Rennort im gleichen Hotel wohnen können. Dass die Hotels keine Jugend­ herbergen sind. Du musst dir Gedanken darüber machen, wo du an Rennorten schläfst? Na sicher. Weltcup, da geht es im Alltag vor allem um Sachen wie: Dass das Zimmer so sauber ist, dass du nicht krank wirst, wenn dein Immunsystem vom Reise- und Rennstress angepeckt ist. Dass du ein Zimmer hast, das nicht auf eine Partymeile rausgeht. Wir fahren dort Rennen, wo andere Leute Urlaub machen. Zu einer Zeit, in der die Hotels das meiste Geld verdienen können. Wir haben halt den FIS-Deal, dass wir pauschal rund 100 Franken pro Nacht zahlen – auch in einem Hotel, in dem die Nacht normal das Zehnfache kostet, und in der Saison, während der der Hotelier das Zimmer dreimal verkaufen könnte. Klar, dass wir da nicht die wichtigsten Gäste sind. Das muss man aus deren

Sicht verstehen. So kommt es, dass du auch ausserhalb der Piste um vieles kämpfen musst. Schauen, dass du ein Essen kriegst, das für einen Leistungssportler passt. Dass du nicht dreimal in einer Woche in ein anderes Hotel umziehen musst. Es geht ja nicht um goldene Wasserhähne. Es geht um ein professionelles Umfeld auf allen E ­ benen. Man gilt schnell als Diva, wenn man sagt: Ich bin Hochleistungssportler, ich möchte mich gesund ernähren und gut schlafen. Lass uns noch das Thema Speed-­ Bewerbe ansprechen. Irgendwie liebäugelst du damit, irgendwie nicht. Wieso dieser Zwiespalt? Ich wäre ein Anfänger, minus zehn Jahre Erfahrung. Alles auf null. Der Aufwand, das aufzuholen, wäre Wahnsinn. Dagegen ist das, was wir jetzt machen, ein Lercherl. Und natürlich ist da auch der Gedanke: Ich bin gesund. Wenn ich mit 35 noch fit sein will, also fit mit meinem Anspruch, fitter als jeder andere 35-Jährige, darf ich nicht auf die Abfahrt gehen. Früher oder später ist etwas in deinem­ Körper zerrissen, gebrochen, zertrümmert, in eine andere Richtung verdreht und wird nie mehr so, wie es einmal war. Aber reizvoll ist es trotzdem, oder? Ja.
 Hat man als Skifahrer deiner Liga Angst auf einer Abfahrt? Ich auf jeden Fall.

STYLING: JOHANNA BOUVIER, GROOMING: INA MAURER, LOCATION: PANZERHALLE SALZBURG

Wenn du sagst, du willst A, passiert doch A. Der Skisport ist von Marcel Hirscher abhängiger als Marcel ­Hirscher vom Skisport. Nein.

So richtig? Also nicht nur Respekt? So richtig, ja. Schon die Besichtigung ist ein Horror. Da passt oft ein ganzer Slalom zwischen zwei Tore. Das Springen ist echt heftig! 30 Meter weit mit einer Motocross-Maschine springen? Kein Problem, lustig. Mit Skiern 30 Meter weit springen? Puh. Ich muss das immer intuitiv machen, weil bei mir ja oft fast ein Jahr zwi­ schen meinen Speed-Einsätzen liegt. Wie es richtig geht, habe ich methodisch nie gelernt. THE RED BULLETIN


Du hast einmal über deine Mega-­ Vorsprünge gesagt: «Wenn man aus jeder Kurve ein, zwei Hundertstel mitnimmt, summiert sich das bei 120 Toren im Riesentorlauf.» Auf einmal klingen 1,2 Sekunden Vorsprung danach, als hätte man aus ­einem trockenen Geschirrtuch noch einen Tropfen raus­ gepresst. Gar kein so schlechter Vergleich. Und wie schafft man das? Man muss an der Laufruhe arbeiten. Was ist Laufruhe? Wenn bei einem Auto die Stossdämp­ fer richtig eingestellt sind, kannst du mit 101 km/h übers Schlagloch fahren. Sind die nicht richtig ein­ gestellt, gehen nur 100. Und so ist es halt mit dem Skifahren auch. Diese Stossdämpfer, die sind das, was man Set-up nennt. Diese Millimeter, die keiner ­versteht. Diese Zehntelmillimeter, die nur ­wenige verstehen.

HEROES MARCEL HIRSCHER

MENSC HEN ABSEITS DES ALLTÄGLIC HEN

2019

EUR 4,20 CHF 5,40

MEIN MAGAZIN.

VON MIR. ÜBER MICH. FÜR EUCH.

HEROES EDITION #1

001-0118_TRBHero-Hirscher_Cover 1

06.11.2018 18:07:15

THE RED BULLETIN HEROES EDITION: MARCEL HIRSCHER Das Interview in Original-Länge und verblüffende Einblicke in die Welt des Skistars – in diesem Magazin. Zu kaufen im Fachhandel oder online: getredbulletin.com/marcel THE RED BULLETIN

Ich glaube, mein Sinn des Lebens für die nächsten Jahre ist am 6. Oktober auf die Welt gekommen.

Wer versteht sie zum Beispiel? Der Papa. Die Serviceleute in unserem Team, früher war das der Edi Unter­ berger, jetzt ist es der Graggi (Thomas Graggaber, aktueller Service-Mann im Team Hirscher; Anm. d. Red.). Das sind Superleute, die Allerbesten – aber schon auch arme Hund’, weil sie mit dem Papa und mir dauernd über diese Zehntelillimeter diskutieren müssen (lacht). Einmal ganz generell gefragt: Was ist für dich der Sinn des Lebens? (Schliesst die Augen und denkt lange nach.) Der Sinn des Lebens? Ist Ent­ wicklung. Für mich jedenfalls. Was ist er aktuell? Ich schau ihm seit 6. Oktober jeden Tag in die Augen und beim Wachsen zu. marcelhirscher.at

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INNOVATOR

START- U PS PIONIER , UND GEN E IALE IDEEN

EcoGarden

Fish & Grips Glashaus meets Aquarium: Ein Miniatur-Ökosystem bringt nachhaltigen Lebensmittelanbau ins Wohnzimmer.

WECHSEL­SEITIGES SYSTEM Die Pflanzen filtern auf natürliche Weise das Wasser für die Fische …

M

it seinem EcoGarden will der Schwede Hamza Qadoumi mehr als nur ein Statement setzen. Tatsächlich will er den Lebensmittelanbau nachhaltig revolutionieren. Denn eines ist für ihn klar: Auf unserem Planeten steht die steigende Lebensmittelnachfrage einer wachsenden Bevölkerung den rasant schrumpfenden Flächen an fruchtbarem Ackerboden gegenüber. Man muss kein Genie sein, um zu erkennen: Diese Rechnung wird sich auf Dauer nicht ausgehen.

DER GRÜNDER Hamza Qadoumi, 24, EcoGarden-Erfinder und Lehrassistent am Stockholmer Institut für Technologie

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… und die Fische liefern mit ihren Ausscheidungen Nährstoffe für die Pflanzen.

THE RED BULLETIN


Diese nachhaltige Methode des Lebensmittelanbaus heisst Aquaponik und wurde bereits im alten Ägypten und von den Azteken angewandt. Das Prinzip ist simpel: Die Fische werden (per App) gefüttert, die Ausscheidungen der Fische versorgen die Pflanzen mit Nährstoffen, wobei die Pflanzen wiederum den Lebensraum der Fische filtern und reinigen. Mit seinem EcoGarden will der 24-jährige ChemieIngenieur den nachhaltigen Anbau von Nutzpflanzen für alle zugänglich machen. «Wir gehen extrem ineffizient mit unseren Ressourcen um, weil wir den Bezug zu Pflanzen und dem Anbau von Lebensmitteln verloren haben», erklärt er. Ab März sind die ersten Exemplare des EcoGardens erhältlich. ecobloom.se

THE RED BULLETIN

Die All-Bottle: Eine abnehmbare Kappe und ein Spezialdeckel sollen «erdiges» Trinkvergnügen ermöglichen.

SKIKURS FINDEN LEICHT GEMACHT CheckYeti durchsucht und vergleicht 6000 Wintersportangebote in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Italien, samt Online-Buchung deines Skilehrers. Auch im Programm: Rafting und Paragleiten. checkyeti.com

Vostok Space Beer

Houston, wir haben ein Problem weniger Ein Bierchen für Weltraum-Touristen? Wegen der Schwerelosigkeit eine echte Challenge. Australische Experten sind der Lösung nahe.

INDIVIDUELLE UND INTELLIGENTE SKI Siegfried Rumpfhuber liefert mit Original+ massgeschneiderte Ski. Möglich macht es ein dank künstlicher Intelligenz selbstlernendes Programm. Auf Basis von Angaben über Fahrkönnen und Vorlieben entstehen in Salzburg indivuelle Brettln. original.plus

N

LEA WIESER

Mit der App steuert man die Fischfütterung und tauscht sich online mit anderen EcoGärtnern aus.

IN ALLER KÜRZE COOLE START- UPS FÜR DIE SKIPISTE

Mehr Inspiration für ­ ukunftsmacher gibt es Z im aktuellen INNOVATOR. Infos und Abo unter: ­redbulletininnovator.com

ECOBLOOM.SE/DAVID LAGERHOLM

Hier kommt Qadoumis EcoGarden, eine Kombination aus Miniatur-Glashaus und Aquarium, ins Spiel: Aufgrund der Symbiose von Fischen und Pflanzen entsteht ein sich selbst versorgendes, intelli­ gentes Mini-Ökosystem fürs Wohnzimmer. So können das ganze Jahr über Kräuter und Keimlinge wie Basilikum und Kresse auch ohne fruchtbaren Boden biologisch zu Hause angebaut werden. Dabei wird der EcoGarden bequem aus der Ferne via App gesteuert.

icht für diese Welt: Das Vostok Space Beer ist für All-Touristen gedacht, die es auch in der Schwerelosigkeit zischen lassen wollen. Das klingt einfacher, als es ist. Denn bei null Gravitation bedarf es erstens einer besonderen Weltall-Bottle und zweitens eines speziell entwickelten Biers. Daran arbeiten die Braumeister der australischen 4 Pines Brewing Company aktuell mit den Technikern von Sabre Astronautics. Sabre-CEO Dr. Jason Held: «Wir haben die

Kraftstoff­tank-Tech­nologie modifiziert, um Bier aus der Flasche trinken zu können – wie hier auf der Erde.» Knifflig für die Brauer: Im All schwillt die Zunge an, was den Geschmackssinn verändert. Dazu kommt, dass ­kohlensäurebedingte Rülpser im Weltraum ganz zu ­unterlassen sind (weil die Flüssigkeit nach oben will). Diese Probleme sind bereits gelöst. Offen ist, wie wir ­A lkohol im All vertragen. vostokspacebeer.com

Wissenstransfer: Kraftstofftanks als Inspiration für die Flaschentechnik

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TOM SCHILLING

GIBT ALLES. ODER NICHTS.

Der Filmstar erklärt, warum er sich auf jeden Film jahrelang vorbereiten möchte, wie er Versagens­angst mit Hingabe bezwingt und weshalb er nicht reich werden will.

STYLING: SOO-HI SONG/SHOTVIEW, MAKE-UP & HAARE: CHRISTA RAQUÉ

Text DAVID MAYER  Fotos NORMAN KONRAD

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THE RED BULLETIN


Alles muss sitzen: Perfektionist Schilling trägt am liebsten Dreiteiler mit Krawatte.


the red bulletin: Tom, für eine ­kleine Nebenrolle als Pianist mit nur fünf Drehtagen hast du ein halbes Jahr täglich Klavier geübt. Hätte es nicht jeder zweite Tag auch getan? tom schilling: Ich frage mich eher: Wäre ich besser gewesen, wenn ich einen Monat länger jeden Tag geübt hätte? Und die Antwort ist: Ja, natürlich! Man kann sich gar nicht genug vorbereiten.

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icht so viel nachdenken, einfach mal machen – lautet ein beliebtes Motto unserer Tage. Und Tom Schilling kann nichts damit anfangen. In Zeiten, in denen Start-ups innerhalb von Stunden erste Prototypen ihrer Ideen entwickeln und Business-Coaches propagieren, achtzig Prozent Einsatz seien genug, übt der 36-Jährige ein halbes Jahr lang jeden Tag Klavier – für fünf Drehtage in einer kleinen Rolle als Pianist. Während andere Schauspieler bis zu fünf Filme pro Jahr drehen, beschränkt sich Schilling auf zwei. Und der Unterschied ist spürbar. Als draufgängerischer Internatsschüler in «Crazy», als melancholisch durch Berlin streifender Uni-Abbrecher in «Oh Boy» oder als verrohender Wehrmachtssoldat in «Unsere Mütter, unsere Väter»: Tom Schilling gelingt, was nur wenige schaffen – er spielt sich nicht selbst. So versunken scheint er in seinen Rollen, dass der ­Zuschauer den Menschen Tom Schilling nicht mehr wahrnimmt, sondern nur noch die Figur. Zum Cover-Shooting für The Red Bulletin in einem Studio nahe der Sonnen­ allee in Berlin-Neukölln kommt Tom Schilling in seinem Standard-Look: massgeschneiderter Dreiteiler (in diesem Fall dunkelblau mit rötlichen Nadelstreifen von Rooks & Rocks aus Hamburg) mit Krawatte. Nein, mit Nachlässigkeit kann dieser Mann wirklich nichts anfangen.

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Hätten die Zuschauer den Unterschied zwischen sechs und sieben Monaten Vorbereitung bemerkt? Ich glaube schon. Aber um die geht es mir erst mal weniger. Zunächst muss ich mir die Rolle selbst abnehmen. Und da hilft tatsächlich jede Stunde Vorbereitung. Je mehr Facetten einer Figur ich kenne, desto grösser mein Selbstbewusstsein. Wenn es nach mir geht, hätte ich für die Pianistenrolle ein Jahr lang jeden Tag geübt. Ich bin in diesem Perfektionismus gefangen, gleichzeitig ist er mein grösster Antrieb. Woher kommt dieser Drang? Aus dem Grundgefühl, nicht zu genügen. Meine grösste Angst besteht darin, dass jemand erkennt, dass ich eigentlich kein guter Schauspieler bin. Jetzt kokettierst du. Überhaupt nicht. Beim Schauspielen geht es um die perfekte Illusion, und da reicht eine Unsicherheit, und du siehst hinter die Fassade und merkst: Der ist das gar nicht.

«Ich bin in meinem Perfektionismus gefangen. Zugleich ist er mein grösster Antrieb.»

THE RED BULLETIN


So was von bereit: Dank exzessiver Vorbereitung reagiert Schilling selbst auf Unfälle gelassen. THE RED BULLETIN

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Blick fĂźrs Detail: Beim Drehbuch-Check achtet Schilling besonders auf die Szenenbeschreibungen.


«Mein wichtigstes Ziel ist es, Filme zu drehen, für die ich mich nicht schämen muss.» Mit Filmen wie «Oh Boy» oder «Unsere Mütter, unsere Väter» hast du Millionen Zuschauer erreicht und Auszeich­ nungen wie den Deutschen Filmpreis gewonnen. Hilft das deinem Selbst­ bewusstsein nicht? Einerseits schon, andererseits bedeutet es auch grossen Druck, solche Erfolge zu wiederholen. Am schlimmsten war die Zeit nach «Crazy» …

Und wie beurteilst du das? Es muss etwas Einzigartiges geben, das ich der Rolle geben kann – eine besondere­ Perspektive oder einen persönlichen Bezug. In «Werk ohne Autor» spiele ich einen Maler. Als Kind habe ich selbst viel gezeichnet und lange von einer Karriere als Maler geträumt – das konnte ich ein­ fliessen lassen. Wenn mich ein Regisseur für eine Rolle als Actionheld verpflichten­ wollte, weil ich vielleicht gerade angesagt bin, würde ich immer sagen: Der und der kann das doch viel besser. … und auf viel Geld verzichten. Das ist mir egal. Ich habe das grosse Privi­ leg, genug Geld zu verdienen, um alle wichtigen Entscheidungen meines Lebens finanziell unabhängig treffen zu können. Abgesehen davon will ich bewusst nicht reich werden, dazu fehlt mir auch der Drive. Wenn mir jemand 200.000 Euro

für einen Werbespot bietet, werde ich nicht schwach, nur weil ich mir dann ein Boot kaufen könnte. Andere Schauspieler drehen vier bis fünf Filme pro Jahr, du im Schnitt zwei. Schränkst du dich nicht auch künst­ lerisch ein? Nein, je weniger ich drehe, desto mehr Zeit habe ich ja, die Filme bewusst aus­ zusuchen und mich auf sie vorzubereiten. Für mich ist das schönste Kompliment, wenn jemand sagt, ich gehe blind in deine Filme, denn wenn du mitspielst, müssen sie gut sein. Das ist eine Verpflichtung, nicht wahllos durch die Gegend zu drehen, sondern meine Vita sauber zu halten. Worauf achtest du noch bei der Aus­ wahl deiner Jobs? Damit ich das Beste aus mir herausholen kann, brauche ich einen Regisseur und

… deinem ersten grossen Kino-Hit, da warst du gerade 18 Jahre alt. Auf einmal dachten alle: «Der ist ja voll gut, ein super Typ.» Die Sache ist nur: Jeder findet eine Neuentdeckung toll. Als Mario Götze seine ersten Tore geschossen hat, waren auch alle Fussballfans eupho­ risch. Aber nach einem grossen Erfolg die neuen Erwartungen zu erfüllen ist viel schwerer. Du kannst dich ja nicht noch mal derartig steigern. Auf einmal be­ kommst du Angst, deinen Status wieder zu verlieren. Und dieser Angst begegne ich eben mit meinem Perfektionismus. Wie gehst du vor, um das Niveau nach grossen Erfolgen zu halten? Strategisch. Du solltest genau wissen, was du kannst, und Bedingungen suchen, die dir erlauben, das auch zu leisten. Konkret, bitte. Das geht bei der Auswahl der Rolle los. Ich nehme eine Rolle nur an, wenn ich glaube, dass niemand besser für sie ­ge­eignet ist als ich.

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Strecken aus Überzeugung: Nach gelungenen Filmen das Niveau halten – dieses Ziel treibt Schilling an.

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Und wie gewinnst du dann den Regisseur für dich? Castings sollen ja nicht gerade deine Stärke sein. Wenn ich eine Rolle unbedingt spielen will, ist es besonders schlimm. Dann spüre ich ja etwas in der Geschichte, habe ein Verständnis für ihre Welt entwickelt – aber das kann ich in dieser Prüfungs­ situation nicht abrufen, weil ich dafür das hundertprozentige Vertrauen und die Unterstützung des Regisseurs brauche. Aber hier ist ja das Gegenteil der Fall: Der Regisseur beurteilt, ob ich gut genug bin – da verkrampfe ich sofort, bin komplett in mich gekehrt. Ich bin darauf angewiesen, dass Regisseure unabhängig von meiner Performance etwas in mir entdecken. Ehrlich gesagt glaube ich aber auch, dass Castings der falsche Ansatz sind.

WENN DAS LEBEN DIE SPUR WECHSELT

In «Die Goldfische» spielt Tom Schilling einen Banker, der im Rollstuhl landet.

Schnelle Autos, steile Karriere, sehr viel Geld: Oliver führt das Bilderbuchleben eines Bankers, doch dann rast er in eine Leitplanke und trägt eine Querschnittslähmung davon. Eine WG mit behinderten Menschen soll ihn auf seinen neuen Alltag vorbereiten, doch Oliver hat andere Pläne: Mit seinen Betreuern (Jella Haase und Kida Khodr Ramadan) und Mitbewohnern (u. a. Birgit Minichmayr, Axel Stein) plant er eine Reise in die Schweiz – zur Rettung seines Schwarzgelds. Filmstart: 21. März

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«Mein Körper merkt sich alles, was er erlebt hat – das gibt mir beim Drehen Sicherheit.» Was schlägst du vor? Als sich der Schauspieler Tim Roth aus Nervosität weigerte, bei Quentin Taran­ tino für «Reservoir Dogs» vorzusprechen, ging Tarantino mit ihm in einer Bar etwas trinken. Dort verstanden sich die beiden so gut, dass Roth nach ein paar Drinks alle Szenen vorspielte und die Rolle ­bekam. Drinks statt Casting? Gemeinsam etwas essen und trinken zu gehen und herauszufinden, ob man auf der gleichen Wellenlänge liegt, halte ich auf jeden Fall für eine sinnvolle Alter­ native, ja. Nachdem du das Drehbuch zu «Oh Boy» gelesen hattest, hast du dem Regisseur Jan-Ole Gerster mit der Hand einen fünfseitigen Brief geschrieben. Darin habe ich ihm genau erklärt, war­ um mich das Drehbuch fasziniert und ich unbedingt mitspielen will. Für mich gibt es nichts, was eine Dringlichkeit besser verkörpert als ein handgeschriebener Brief. Und am Ende hat’s dann ja auch geklappt. Du bereitest dich auf jeden Film mindestens vier Monate vor. Wie genau gehst du dabei vor? Zuerst lerne ich den kompletten Text aus­ wendig. Bei schnellen Dialogen auch die Texte meines Gegenübers. Dann ergründe ich das Leben meiner Figur. In meinem neuen Film «Die Goldfische» spiele ich einen karrieregeilen Banker, der nach einem Unfall im Rollstuhl landet. Also bin ich wochenlang mit dem Rollstuhl durch Berlin gefahren. Um die Handgriffe

zu beherrschen, vor allem aber um zu ­erfahren, wie sich das Leben anfühlt, wenn dein Kopf im Alltag auf Hüfthöhe deiner Mitmenschen ist oder wenn du beim Aussteigen aus dem Bus auf den Fahrer angewiesen bist. Auch mit dem Abführen von Urin durch den Katheter habe ich mich beschäftigt. Das kommt im Film gar nicht vor, aber im Alltag von Querschnittsgelähmten ist es ein besonders belastendes Detail, also gehört es für mich zum Verständnis der Rolle, zu wissen, wie viel Anstrengung und Scham dieses Thema bedeutet. Du hast mal gesagt, dass du vieles von dem Gelernten direkt wieder vergisst. Ja, aber mein Körper merkt sich alles, was er erlebt hat. Und dieser Unterbau bietet mir eine grosse Sicherheit und trägt mich durch den Film. In einem Podcast hast du mal gesagt: «Tolle Kunst entsteht, wenn es um ­Leben und Tod geht.» Das war natürlich überspitzt. Aber ich glaube fest daran, dass man Hingabe ­spüren kann. Und wenn eine Rolle exis­ tenzielle Bedeutung für dich hat, zieht das die Zuschauer in den Bann. Als Perfektionist stellst du selbst die höchsten Erwartungen an dich. Spielen die Erwartungen der Zuschauer da überhaupt eine Rolle für dich? Zunächst ist es tatsächlich wichtiger, dass ich den Film selbst mag. Wenn das so ist, kommt er aber meistens auch beim Publikum gut an – das ist natürlich der Idealzustand. Und wenn dich jemand für einen Film lobt, mit dem du selbst unzufrieden bist? Dann ist mir das total peinlich, und ich möchte das nicht hören. Bei allem Per­ fektionismus: Mein wichtigstes Ziel ist es, in Filmen zu spielen, für die ich mich nicht schäme – und das ist auf Dauer schwierig genug. Einblicke in Sets, Bandproben und Events gibt Schilling auf Instagram: @tomschilling_official

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JÜRGEN OLCZYK/SONY PICTURES ENTERTAINMENT DEUTSCHLAND GMBH/WIEDEMANN & BERG FILM GMBH & CO.KG

ein Team, die jeweils hohe Ansprüche an sich stellen. Deswegen achte ich bei Dreh­ büchern besonders auf vermeintliche Nebensachen wie Szenenbeschreibungen. Wenn da viel Liebe zum Detail drinsteckt, ist das ein gutes Zeichen.


Mitunter abwesend: Auch bewusste Auszeiten zum Nachdenken zählen für Schilling zur Vor­ bereitung eines Films. THE RED BULLETIN

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FREISCHWIMMER


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Volle Kraft voraus: Ross Edgley vor der Küste von Plymouth bei seinem Great British Swim im Juni 2018

ROSS EDGLEY umrundete als erster Schwimmer Grossbritannien. Er benötigte dafür 157 Tage, mehr als zwei Millionen Kalorien und die seelische Unterstützung eines freundlichen Zwergwals. Text JESSICA HOLLAND

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scheidung ganz rational: Wenn er jetzt die Etappe unterbricht und sich im Begleit-Katamaran verarzten lässt, verpasst er das Zeitfenster, in der die Gezeiten die Passage schwimmbar machen. Er müsste sich noch einmal mitten in der Nacht hier absetzen lassen, um weiterzuschwimmen. Nicht sehr verlockend. Darum schwimmt er noch zwei Stunden lang weiter, ehe er ins Boot steigt und dort vor Erschöpfung zusammenbricht. Zeit zum Durchatmen? Fehlanzeige. Edgley muss essen und schlafen, ehe die nächste Flut kommt. «Stellt den Wecker», sagt er. «In sechs Stunden geht’s weiter.» Edgley denkt jetzt, an diesem Tiefpunkt seiner Reise, die ganze Zeit an Margate. In diesem Küstenstädtchen in Kent begann seine Tortur, und hier wird sie – wenn alles gut geht – auch wieder enden. Alles, was der Athlet aus Lincolnshire dafür tun muss, ist, 2884 Kilometer weit rund um das britische Festland zu schwimmen, ohne zwischendurch ein einziges Mal Land zu betreten. Es wäre die längste Strecke, die je ein Schwimmer im Meer zurückgelegt hat. Doch warum will ein gut situierter 33-Jähriger mit Familie und Freundin, mit einem Abschluss in Sportwissenschaft und beruflichem Erfolg (kürzlich ist sein Ratgeber «The World’s Fittest Book» erschienen) fünf Monate lang abwechselnd Sechs-StundenSchichten im eiskalten Meer oder in einer engen, feuchten, kalten, schaukelnden Kabine verbringen? Das hat zum Teil mit seiner Familie zu tun: Sein Vater ist Tennistrainer, der eine Gross­vater lief Marathons, der andere war beim Militär. Daheim sprach man oft über legendäre britische Entdecker wie George Mallory, Ernest Shackleton und den Kanalschwimmer Matthew Webb, die zu Edgleys Helden wurden. Und dann interessiert er sich auch noch für Sportpsychologie und Sportsoziologie – und da ganz besonders für die Frage, wozu der menschliche Körper fähig ist und welche Grenzen man durch gezieltes Training und richtige Ernährung verschieben kann. Also spielte er im Nationalteam Wasserball, lief einen Marathon, während er dabei ein Auto zog, und ab­ solvierte einen «Tree-athlon» – einen Triathlon, bei dem er einen 45 Kilogramm schweren Baum trug. Warum denn das, Ross? THE RED BULLETIN

OLAF PIGNATARO/RED BULL CONTENT POOL

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oss Edgley streckt den Kopf aus den eisigen Atlantikwellen vor der Ostküste Schottlands und ruft nach seinem Support-Team. Er ist gerade dabei, Grossbritannien in fünf ­Monaten schwimmend zu um­ runden, die Hälfte der Strecke liegt hinter ihm, portioniert in SechsStunden-Etappen und gleich lange Schlafpausen an Bord eines Katamarans. Im Moment versucht er, sich an einem der tückischsten Strudel der Welt vorbeizupressen, ohne von ihm verschluckt zu werden. In den zweieinhalb Monaten, die hinter ihm liegen, hatte Edgley genug Zeit, um sich an eine Menge Dinge zu gewöhnen – zum Beispiel: Wundbrand, Bänderrisse, Geschwüre. An die offene Wunde am Hals, aufgerieben durch den bei jedem einzelnen Schwimmtempo scheuernden Neoprenanzug. An die bleierne Müdigkeit, die nicht mehr weggehen will, an die Schmerzen, vor allem jene auf der Zunge, von der sich die Haut infolge des permanenten Kontakts mit Salz­wasser löst. Aber dieser brennende Schmerz in seinem Gesicht – der fühlt sich irgendwie dann doch ein wenig schlimmer an als alles andere. «Alter, das brennt», sagt er zu Taz, einem seiner drei Crewmitglieder. «Ja», ruft Taz zurück, der Edgley von einem aufblasbaren Motorboot aus im Auge behält, «weil du dieses Ding noch immer im Gesicht hast!» Um Edgleys Schwimmbrille hat sich der Tentakel einer Löwenqualle gewickelt. Der leiseste Kontakt mit der Qualle fühlt sich an wie ein elektrischer Schlag, und diese hier lutscht fast genüsslich an seiner Stirn und seiner Wange. Edgley atmet tief durch. Dann wickelt er die Qualle vom Kopf und will die Brille wieder aufsetzen. Doch mit einem Mal ist die Brille undicht. Vielleicht der Verschluss? Nein, alles korrekt. Erst jetzt bemerkt er, dass die Brille nicht mehr passt, weil sein Gesicht grotesk angeschwollen ist. Andere Menschen wären jetzt am Weg ins Krankenhaus, doch Edgley löst das Problem auf seine Art: Er setzt die Brille an die Stelle, an die sie soll, und prügelt sie zurück an ihre Position. Purer Durchhalte-Instinkt eines durch und durch entschlossenen Extremsportlers? Nur zu 50 Prozent. Der andere Teil seines Gehirns begründet die Ent-


«In deinem Kopf herrscht Krieg. Doch du darfst der Müdigkeit nie nachgeben.»


«Mir gefiel das Wortspiel so.» Die zunehmend unbarmherzigeren Herausforde­ rungen, denen sich Ross Edgley stellte, scheinen auf den ersten Blick so gar nicht zu der lockeren Art des ansteckend gut gelaunten Muskelmanns mit dem Krausebart zu passen, der sich bevorzugt über sich selbst lustig macht. Blickt man aber ein wenig genauer hin, bekommt sogar seine gute Laune zielgerichteten Sinn: Sie hilft bei der Optimierung der eigenen Performance. «Meine Stresshormone beeinflussen Entzündungen und das Immunsystem», sagt er, «150 Tage miese Laune zu haben würde mich unnötig bremsen.» Manchmal, sagt er, habe er sich beim Schwimmen selbst seine Lieblingswitze erzählt, «und ich habe dabei tief hinunter in die Irische See gelacht». In weniger spassigen Momenten – etwa bei der Begegnung mit der Qualle am Rand eines lebens­ gefährlichen Strudels – orientierte sich Edgley am Leitsatz seiner Freunde von den Royal Marines: «Wenn dein Kopf denkt, es geht nicht mehr, hat dein Akku immer noch gute 40 Prozent.»

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rster Schritt zum Weitermachen: in den ­Körper hineinhorchen. Ergibt die Bestands­ aufnahme etwa «blutender Hals, tiefe Wunde am Sprung­gelenk, dröhnende Kopfschmer­ zen» – das nur als Beispiel, um Ross’ Alltag während des «Great British Swim» zu dokumentieren –, wird zunächst ein Fragen­katalog abgehakt: Ist etwas davon lebensbedrohlich? Nein. Wird irgendetwas davon bleibende Schäden ver­ ursachen? Sieht nicht so aus. Wird die Schwimmleistung heute optimal sein? Bestimmt nicht. Aber eineinhalb Kilometer schwimmen, das geht trotzdem? Ja. «Und das heisst dann», sagt Edgley, «ab ins Wasser!» Das Wichtigste ist, sagt er, dass man der Müdigkeit niemals nachgeben darf – «niemals auch nur eine Sekunde. Auch nicht, wenn in deinem Kopf Krieg ist. Auch nicht, wenn dein Körper danach schreit, an Land zu gehen, ein heisses Bad zu nehmen und die Füsse hochzulegen.» Er hat sich angewöhnt, alle Anzeichen von Müdig­ keit so konsequent zu ignorieren, dass er sie gar nicht mehr richtig mitbekommt. Damit balanciert er zwar auf dem schmalen Grat zwischen Dummheit und Heldentum, zwischen 56

gesundem Menschenverstand und Unterkühlung, Nierenversagen und totalem körperlichen und geis­ tigen Zusammenbruch. Doch er tut es aus einem Grund, der für ihn sinnvoll ist: So überwindet er den ebenso schmalen Grat zwischen Erfolg und Misserfolg. Die letzte Meile seiner Reise absolvierte Edgley am 4. November 2018 gemeinsam mit 300 Hobby­ schwimmern. «Das war unbeschreiblich», sagt er eine Woche später beim Gespräch mit The Red Bulletin in London. Sein Bart ist jetzt wieder getrimmt, und er futtert eine Riesenportion Pasta. «Ich hatte abwechselnd Gänsehaut, einen Grinser auf den Lippen und Tränen in den Augen. Alles, was ich so lange an Emotionen unterdrückt hatte, schwappte in diesen Momenten an die Oberfläche.» An Land fiel er als Erstes kopfüber in den Sand, weil seine Beine nicht mehr daran gewöhnt waren, sein Gewicht zu tragen. Doch er hatte etwas geschafft, was vor ihm noch keinem gelungen war. Und wurde zu Recht wie ein Held begrüsst. Mit etwas Abstand kann er nun auch andere Höhe­ punkte seiner strapaziösen Reise würdigen – etwa den Tag, an dem er an der Ostküste Schottlands von ein paar Fischerfamilien mit Whisky versorgt wurde. Serviert wurde die Stärkung von einer Frau, die mit frisch gebackenem Kuchen auf dem Kopf zu seinem Boot hinausschwamm und beim Schwimmen von Delfinen, Robben und einem sechs Meter langen Rie­ senhai begleitet wurde. «Der Great British Swim war das mit Abstand Krasseste, was ich je getan habe», sagt er. Er weiss, wie die Abenteuer seiner Helden endeten: Shackle­ ton erlitt im Alter von 47 Jahren in der Antarktis einen tödlichen Herzinfarkt; Mallory war knapp 38, als er 1924 von einer Everest-Expedition nicht mehr zurückkam; und Captain Matthew Webb, der 1875 den Ärmelkanal in einem wollenen Badeanzug durch­

HARVEY GIBSON/RED BULL CONTENT POOL

«Die letzte Meile war unbeschreiblich. Alles, was ich so lange unterdrückt hatte, schwappte hoch.»

Da war ihm noch zum Lachen zumute: Edgley beim Start am 1. Juni im Margate Harbour THE RED BULLETIN


Zwischen den sechsstündigen Schwimmeinheiten konnte Edgley im Begleitboot pausieren.

Der Rekord in Zahlen 2884 KILOMETER Gesamtlänge (entspricht rund 85 Ärmelkanal-Passagen oder 57.680 Längen in einem olympischen Becken) 157 TAGE (fast 23 Wochen) auf See

18,1 NAUTISCHE MEILEN (ca. 33,5 km) längstes Einzel-Teilstück 15,9 KM/H Höchstgeschwindigkeit beim Schwimmen, flutbegünstigt

15.000 KALORIEN Energieverbrauch pro Tag

52 BEGEGNUNGEN 11 Zwergwale 1 Riesenhai (6 Meter lang) 1 Schule Delfine 1 Kolonie Papageientaucher 2 Adler 6 Seeotter 30 Seehunde

2,36 MIO. KALORIEN Gesamtenergieverbrauch (entspricht 4682 Big Macs)

5 ROLLEN Gafferband zum Fixieren aufgerissener Haut

314 DOSEN RED BULL getrunken

3 KILOGRAMM Vaseline zur Behandlung von Scheuerstellen

610 BANANEN gegessen

37-MAL von Quallen verbrannt

40.000 Schwimmzüge pro Tag 6.280.000 Schwimmzüge gesamt

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schwommen hatte, ertrank 35-jährig in den Stromschnellen am Fusse der Niagarafälle. Man hat somit auch eine Ahnung, warum sich Edgley freundlich, aber bestimmt dagegen verwehrt, als «nächster Captain Webb» bezeichnet zu werden. Doch wieso nimmt er Monate der Isolation, der Selbstausbeutung, der Gefahr auf sich? Für die Menschen, die er damit inspiriert, aus ihrer Komfortzone zu kommen? «Das reicht nicht als Motivation», sagt er und erzählt von dem Tag, der all die Mühen wert war. «Es war irgendwo im Bristol-Kanal. Ein Zwergwal tauchte auf und schwamm neben mir her. Ich wusste zuerst nicht, warum. Dann dämmerte es mir: Er hielt mich für eine verletzte Robbe, die er beschützen wollte. Er begleitete mich so lange, bis ich flacheres Wasser erreicht hatte. Diese Erfahrung allein war jede einzelne Quallenverbrennung wert.» In diesem Moment spielte nichts anderes mehr eine Rolle – nicht der Wunsch, einen Rekord auf­ zustellen, nicht die Aussicht auf die nächste SechsStunden-Schicht im eiskalten Salzwasser. «Irgendwann», sagt er, «wird mich mein Körper all diese Erfahrungen nicht mehr machen lassen. Aber dann will ich zurückblicken und sagen können: ‹Ich habe mein Leben voll ausgekostet.›» rossedgley.com

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ALLTAGSPROBLEME?

Wie dir Philosophen helfen können Grosse Denker wie Platon, Hegel oder Nietzsche haben uns die Welt erklärt. Aber können sie sich bitte mal um die wirklich wichtigen Dinge kümmern? Bestseller-Autor Christoph Quarch erklärt, wie du private und berufliche Sorgen mit dem Wissen der alten Meister in den Griff kriegst. Text MARC BAUMANN  Illustrationen BENE ROHLMANN

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PLATON

HEGEL

SENECA

(ca. 428 – ca. 347 v. Chr.) Philosophen sollten die Welt regieren. Dachte Platon. Die Welt sah es anders: Sein Lehrer Sokrates wurde von Politikern zum Tod verurteilt, Platon versuchte, drei Tyrannen zu weisen Staatslenkern umzuerziehen, und wurde zum Dank als Sklave verkauft.

(1770  – 1831) Schlimm am Hochbegabt-Sein ist, dass einen keiner versteht. Hegels Anhänger teilten sich nach dessen Tod in zwei Lager: Linkshegelianer wie Karl Marx deuteten ihn anders als Rechtshegelianer, von denen ­einige dem Faschismus nahestanden.

(ca. 1 – 65 n. Chr.) Kränklich, verbannt, am Ende zum Selbstmord gezwungen, der erst im dritten Versuch klappte. Senecas Leben möchte man nicht haben. Nur gut, dass er Stoiker war. Deren Philosophie: durch emotionale Selbstbeherrschung sein Los akzeptieren.

NIETZSCHE

WITTGENSTEIN

(1844  – 1900) Friedrich Nietzsche hatte von seinen Erkenntnissen selbst am wenigsten. Seinen späten Ruhm? Bekam er nicht mit, weil er die letzten zwölf Jahre seines Lebens geisteskrank war. Und was seinen berühmten Ausspruch «Gott ist tot» angeht: Die Mutter b ­ egrub ihn nach christlicher Tradition.

(1889  – 1951) Ludwig Wittgenstein arbeitete nach seiner «Logisch-philosophischen Abhandlung» an einer Volksschule in einem Bergdorf. Bis er einem Elfjährigen mit einem Buch so auf den Kopf schlug, dass der ­ohnmächtig wurde. Danach lehrte Wittgenstein in Cambridge.

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1 LIEBES-­ KUMMER? PLATON spendet Trost Der Namensgeber der «platonischen Liebe» hat sich in seinem Werk oft dem Eros gewidmet. Und Herzschmerz war vor 2400 Jahren auch nicht weniger schlimm.

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eshalb nun behaupte ich, dass jeder­ mann den Eros ehren müsse, und ich selber ehre seine Kunst und übe sie vor allen und empfehle sie allen.» Das schreibt Platon vor über 2400 Jahren in seinem in Dialogform verfassten Werk «Das Trinkgelage». Hier bekennt sich der grosse griechische Philo­ soph unumwunden zum Verliebtsein; denn nichts anderes bedeutet «Eros» auf Griechisch. Sich verlieben, so die Weisheit Platons, ist etwas, was wir auf jeden Fall begrüssen sollten. Sogar wenn wir unglücklich verliebt sind und Liebeskummer spüren. Was wir von Platon lernen können, ist mit anderen Worten: Liebes­ kummer ist nicht schlimm. Wie kann man so etwas behaupten? Nur dann, wenn man be­ griffen hat, was es mit dem Eros auf sich hat. Wenn man verstanden hat, dass die Liebe nicht dafür da ist, unsere egoistischen Bedürfnisse zu ­befriedigen oder uns ins Unglück zu stürzen, THE RED BULLETIN

GEHEIMTIPP: KÄMMEN GEGEN KUMMER

Zwölf Prozent der spanischen Frauen lindern ihren Herz­ schmerz durch einen Besuch beim Friseur.

Darauf vertrauen auch sieben Prozent der italienischen Männer – Topwerte in Europa. QUELLE: EDARLING

wenn wir nicht bekommen, was wir wollen. Sondern dass die Liebe ein Geschenk des Him­ mels ist, das uns widerfährt, wenn wir uns dafür empfänglich zeigen. «Eros ist ein grosser Geist», lässt Platon seine Leser wissen, «der uns ergreift und hinreisst.» Verliebte kennen das. Sie fühlen sich beflügelt und ermutigt, Grosses zu leisten. Dafür ist es Platon zufolge am Ende völlig egal, ob sie glück­ lich oder unglücklich verliebt sind. Auch ein Eros, der nicht bekommt, was er begehrt, ist pure Energie. Die Lebenskunst, die Platon lehrt, besteht nun darin, zu verstehen, wofür uns die Liebe geschenkt wurde: damit wir lebendig sind. Mit Lachen und Weinen. Liebeskummer ist um Welten besser als die öde Coolness derer, die sich von nichts und niemanden berühren lassen. Wer nie verlassen wurde, hat nicht er­ fahren, wie sich Leben anfühlt.   59


2 STREIT MIT DEN KOLLEGEN? HEGEL dient als Mediator Mit einem Satz, der mit «Ich finde aber …!» beginnt, beendet man selten Meinungsverschiedenheiten. Viel besser ist da doch: «Hegel sagt aber …»

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eorg Wilhelm Friedrich Hegel kannte sich mit Zankereien aus. Nicht nur, weil er Schwabe war und wie viele seiner Landsleute das Disputieren grundsätzlich liebte. Hegel lebte zudem in einer Zeit des Schlachtenlärms und der Kriege, in der alle Welt darum stritt, wie es nach der grossen Revolution von 1789 in Europa weitergehen sollte. Und da kam nun dieser Hegel und sagte in seiner «Phänomenologie des Geistes»: «Das Wahre ist das Ganze.» Bei einem Streit kann weder der eine für sich die ganze Wahrheit in Anspruch nehmen noch der andere – ein Schuh wird erst dann daraus, wenn man beides zusammennimmt. Aber nicht, indem man Meinung A und Meinung B einfach nebeneinander stehen oder gelten lässt. Das wäre in Hegels Augen wohl eher ein fauler Kom­ promiss. Nein, eine philosophisch begründete Streitkultur sieht so aus, dass man beide Posi­

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JE HÖHER DIE POSITION, DESTO STILLER DER TAG

35 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer klagen über ständig dicke Luft im Büro.

Besser, man ist Führungskraft. Von diesen sehen sich nämlich nur 14 Prozent von ständigem Streit belastet. QUELLE: KARRIERE.AT

tionen miteinander vermittelt, aus These und Antithese als Drittes eine Synthese erzeugt. Die ist dann das Ganze – und weil da die Wahrheit liegt, ist man gut beraten, sich im Falle eines Streites dieser Dynamik anzuvertrauen. Darum solle man einem Streit in der Arbeit­ nicht ausweichen. Denn in der Spannung von These und Antithese steckt für Hegel die Ener­ gie, die überhaupt erst Neuerungen und Ver­ änderungen in die Welt bringt und uns näher an die Wahrheit gelangen lässt. Das wird aber nur gelingen, wenn man den Mut und den W ­ illen zur Verständigung aufbringt. Wenn man die Grösse hat, die These des anderen anzuerkennen, und eine klare Gegenthese formuliert – um dann gemeinsam nach einer Synthese zu fahnden. Was ganz etwas anderes ist, als seine Meinung durchzusetzen. Wer im Streit nur s­ eine Sicht durchzusetzen versucht, verspielt die Chance auf Wahrheit und Fortschritt.

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3 NEID DURCH INSTAGRAM? SENECA macht genügsam Der römische Stoiker hat uns Weisheiten hinterlassen, die als Postings jede Menge Likes bekommen würden.

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ie alle echten Philosophen würde Seneca mit einer Gegenfrage antworten: Wie entsteht Neid? Die Antwort: Man sieht, dass es anderen besser geht. Das war zur Zeit des römischen Kaisers Nero, als Seneca lebte, nicht anders als heute. Heute allerdings steigert Instagram diese Neidgefühle ins Masslose, weil wir dort nur Bilder des vermeintlich guten Lebens posten: Reisen, teure Anschaffungen, besonders schöne Selfies. Da hilft Seneca, denn der wusste schon vor knapp 2000 Jahren: Nicht die anderen sind der Grund dafür, dass du neidisch bist. Den Neid gebierst du selbst – durch dein Denken. «Der Geist», sagt Seneca, «ist der Herr über sein Schicksal: Er kann sowohl Ursache seines Glücks als auch seines Unglücks sein.» Es ist also das eigene Mindset, wie man heute so schön sagt, das unser Neidgefühl besiegen kann. Und wie? Hör auf, dich selbst nach Kriterien THE RED BULLETIN

DER GRAM MIT INSTAGRAM

Instagram macht einem die eigenen vier Wände schlecht: Eine Befragung von 1500 Briten, die Instagram als Inspiration für Inneneinrichtung nutzen, ergab, dass fast 90 Prozent ihre Unzufriedenheit mit ihrem Zuhause auf ­Instagram zurückführen, wo sie vermeintlich schönere Wohnungen anderer Menschen sehen. QUELLE: ORIGIN

zu beurteilen, die nicht deine eigenen sind, sondern dir von der Werbung, von Influencern, von Medien oder wem immer aufgeschwatzt wurden. Lass dich nicht von künstlich produzierten Idealen manipulieren, die irgendjemand ersonnen hat, um seine eigenen politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen. Willst du dich vom Neid befreien, würde Seneca wohl sagen, dann suche dir die richtigen Kriterien, nach denen du dein Leben und das Leben ­anderer beurteilst. Und wo findet man die? Auch da hilft Seneca. «Ich halte mich an die Natur», sagt er. «Die Natur hat uns zu beidem geschaffen, zur Betrachtung der Welt und zum Handeln.» Ins Jahr 2019 übersetzt: Wenn ein Bekannter auf Instagram Fotos seiner Tiefschneeabfahrten postet, ist das kein Grund, im Büro vor Neid zu zerfliessen, sondern eine Ortsmarkierung für den nächsten freien Tag mit Neuschnee.   61


4 STILLSTAND IM BERUF? NIETZSCHE hält dir die Karriereleiter Sich einen so eindrucksvollen Schnauzbart wie der Denker wachsen zu lassen wäre die eine Möglichkeit. Die bessere: vom Übermenschen lernen.

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anz oben, wenn er in den Bergen des Oberengadin seine ausgedehnten Spaziergänge unternahm, war Nietzsche am kreativsten. Dabei kam ihm die Idee zu seinem Hauptwerk «Also sprach Zarathustra», einem 1883 erschienenen philosophischen Roman. Darin beschreibt Nietzsche «den Übermenschen». Der hat den Mut und die Kraft, über sich hinauszuwachsen, ist einer, «der den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinaus wirft». Klingt nach Steve Jobs und den vielen Gründern des Silicon Valley. Und wie kriegt man so eine Karriere hin? Zarathustra antwortet mit einer Frage: «Kannst du dir dein Böses und dein Gutes geben und deinen Willen darüber aufhängen wie ein Gesetz?» Das sei es, was den wahren, freien Menschen auszeichne: den Übermenschen. Aber der «Weg des Schaffenden» führt nicht nur in die Höhe – sondern ebenso in die Einsamkeit: 62

ZUM ERFOLG VERDAMMT

30 Prozent der Deutschen wünschen sich, Erfolg würde von der Gesellschaft nicht so hoch gewichtet.

Bis es aber so weit ist, hätten 20 Prozent der Deutschen gern, dass Erfolg einfacher zu erreichen wäre. QUELLE: LINKEDIN

«Du zwingst viele, über dich umzulernen. Du gehst über sie hinaus, aber je höher du steigst, umso kleiner sieht dich das Auge des Neides. Am meisten aber wird der Fliegende gehasst.» Wer nach oben will, so Nietzsche, muss das aushalten. Grosser Erfolg fordert grosse Opfer: sich selbst. «Verbrennen musst du dich wollen in deiner eigenen Flamme: Wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist?» Selbst Asche werden ist übrigens etwas anderes, als Asche verdienen zu wollen. Nietzsche mahnt: Wer nur Geld im Sinn hat, wird zum «letzten Menschen», der «alles klein macht» und wie ein «Erdfloh» unaustilgbar ist. Wenn der sich einbildet zu fliegen, dann nicht, weil er zum Übermenschen geworden ist, sondern zu einer giftigen «Fliege des Marktes», die Nietzsche verachtete.

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5 WHATSAPPWAHNSINN? WITTGENSTEIN sorgt für Ruhe in der Familiengruppe Der gebürtige Wiener hätte deine WhatsApp-süchtige Verwandtschaft schon mit dem ersten Satz zerlegt – wenn er ihn denn ausspräche.

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achen wir es kurz. Am Ende seines «Tractatus logico-philosophicus» aus dem Jahre 1918 notierte Ludwig Wittgenstein: «Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.» Diesen Satz zu beherzigen dürfte nicht nur Ihrer WhatsApp-Gruppe guttun, sondern der gesamten Kommunikation innerhalb von sozialen Netzwerken. Wittgenstein hatte in seinem berühmten Text den Versuch unternommen, die Reichweite von Sprache und Denken auszuloten. Sein Anliegen formulierte er im Vorwort: «Das Buch will dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr – nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken.» Und er führte es aus, indem er zunächst feststellte, dass das Denken sich in Sätzen

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HANDY IN DER HAND. WARUM? IRRELEVANT! Erstaunlich viele Menschen tragen ihr Smartphone in der Hand, selbst wenn sie es nicht ­benutzen. Wissenschaftler be­ obachteten 3000 Passanten in sechs Stadtteilen von Chicago:

33,3 Prozent der Frauen und 19,7 Prozent der Männer trugen das Handy ohne Anlass herum. Am seltensten hatten ­Paare das Handy in der Hand. QUELLE: UNIVERSITY OF ILLINOIS

­ itteilt, die ihrerseits von dreierlei Art sein m ­können: sinnvoll, sinnlos oder unsinnig. Wobei ihm als sinnvolle Sätze nur solche galten, die ­einen Sachverhalt oder eine Tatsache ab­ bilden. Und nun fragen wir uns: Wie viele der Sätze, die über WhatsApp laufen (nicht nur in Ihrer ­Familiengruppe) halten diesem Kriterium stand? Zehn Prozent? Oder noch weniger? Egal. Wittgenstein jedenfalls war der Auffassung, dass sinnlose oder unsinnige Sätze nicht der Mühe wert sind, ausgesprochen – oder, sogar noch zeitaufwendiger: ins Smartphone getippt zu werden. Würde man sich seine Auffassung zu eigen machen, der Datenfluss würde auf wohltuende Weise nachlassen. Und man hätte plötzlich wieder mehr Zeit zum Leben – etwa um es schweigend zu geniessen.   63


5 -M I NU TE N -C OACH

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01:59 SO WECKST UN N UTZT D D U NEUGIER

Bleib hungrig im Kopf! Kämpfe gegen die Bequemlichkeit, verlass deine Social-Media-Filterblase und trau dich, Backflips zu springen. Ein 5-Minuten-Coaching für mehr Erfolg im Job: Wirtschaftspsychologe Tomas ChamorroPremuzic über die verkannte Bedeutung von Neugier. 00:18

Mach den Sprint zum Marathon Die ersten drei Jahre im Beruf kreativ zu bleiben, ist einfach; nach dreissig Jahren immer noch Lust auf Neues zu haben, ist hingegen hohe Kunst. Der erste Rat ist so einfach wie wirkungs­ voll: einen Beruf suchen, der genug Spannung für ein ganzes Leben bietet. Nicht nur auf das Geld schauen, son­ dern auch auf die langfristige Heraus­ forderung. Was wird einen in fünf, zehn oder gar zwanzig Jahren noch inter­ essieren und begeistern? Gibt es einen Zusatzabschluss, der es später mal er­ möglicht, im Ausland zu arbeiten? Gegen Langeweile hilft auch: ein Chef, der selbst nicht aufgehört hat, neu­ gierig zu sein. Klar, nicht jeder kann für lebenslustige Milliardäre aus dem Silicon Valley arbeiten, aber beim Bewerbungs­ gespräch merkt man schon, ob beim künftigen Vorgesetzten noch Leiden­ schaft für seine Arbeit da ist. Es gibt immer Möglichkeiten, sich auf gute Art herauszufordern: neue Projekte starten, Fortbildungen anregen, notfalls auch nur einen Chor gründen oder eine Lauf­ gruppe. Und ganz wichtig: eine gesunde Portion Skepsis behalten und seinen Job regelmässig ehrlich h ­ interfragen.

Wer ein Kind bleibt, macht Karriere

Triff dich mit Menschen, die du nie triffst

Adrenalinjunkies und Rebellen haben nicht den besten Ruf in Personal­ abteilungen. Aber das wird sich ändern. Weil Menschen, die etwa beim Sport viel riskieren, jenseits des Mainstreams leben und Regeln hinterfragen, meist auch sehr neugierige Menschen sind. Wie wichtig Neugier als Charakterzug für den Beruf ist, haben viele Firmen noch gar nicht verstanden, sie vertrauen auf Erfahrung, Anpassung und Fleiss. Wissenschaftler und Unternehmen wie Google, Amazon und Tesla hingegen haben die Neugier schon längst als Schlüsselqualifikation erkannt. Wenn künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt revolutioniert, braucht man möglichst furchtlose Mitarbeiter, die dazu bereit sind, altes Wissen über den Haufen zu werfen. Dabei ist der Schritt nach vorn gewissermassen auch ein Schritt zurück: Denn neugierig waren wir alle mal, als Kinder. Aber schon mit 25 Jahren verliert unser Gehirn an Leistungskraft und Kreativität. Neugier kann diesen Prozess aufhalten.

Neugierig zu sein kostet Zeit – etwa wenn man auf Ausstellungen, in Ge­ sprächen oder auf Reisen neue Inspira­ tion sucht. Aber woher nimmt man die Zeit? Die simple Antwort: von dort, wo man sie im Alltag liegen lässt. Einfach mal ­tracken, wie lange man am Smart­ phone unnütz die Timelines rauf- und runterscrollt. Das sind schnell einige Stunden pro Woche. In dieser Zeit 03:07 könnte man etwa Leute treffen, die ­einem in der eigenen Handy-Filter­ blase auf Twitter, Facebook und Ins­ tagram nie begegnen. Wer fremde Meinungen und neue Standpunkte zulässt – auch irritierende oder provozierende –, entdeckt mehr Wer ein Team oder gleich ein ganzes von der Welt, als ihm der Mark-Zucker­ berg-Algorithmus zu zeigen bereit ist. Unternehmen führt, muss nicht nur Ebenso horizonterweiternd: die selbst neugierig bleiben, sondern auch Komfortzone der eigenen Talente ver­ den Rest der Truppe motivieren können. lassen, also den Bereich, in dem man Der einfache Weg: Menschen einstellen, ohnehin gut oder erfahren ist – und die von Haus aus ein hohes Neugier-­ dorthin gehen, wo es unangenehm Level haben. Doch Vorsicht: Sehr neu­ gierige Menschen neigen dazu, sich wird, wo man als Rookie wieder bei rasch zu langweilen, lassen sich leichter null starten muss.

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THE RED BULLETIN

MARK BAUMANN

Die beste Mail der Woche


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Begeisterung wirkt ansteckend Aufwendige Fortbildungen, eine den Horizont erweiternde Reise, ein Versuchsballon als Projekt (das freilich auch scheitern dürfen muss): All das kostet viel Geld – und rentiert sich trotz­ dem, auch für den Arbeitgeber. Es gibt leider kein Patentrezept, wie man seine Firma dazu bekommt, einem dieses Vertrauen (und Geld) zu geben. In jedem­Fall erklärt man es aber besser von ­Angesicht zu Angesicht als via E-Mail. Im Gespräch zeigt sich nämlich die ­eigene Begeisterung. Den Satz «Ich will mehr erleben» sollte man dennoch vermeiden, weil er wie «Ich langweile mich» klingen kann. Also dem Vorgesetzten zunächst einmal deutlich machen, dass man den Job mag – und dass der Wunsch, Neues zu entdecken, ein klares Ziel hat: besser in seinem Beruf zu sein. Wenn keine Trainingsprogramme vorhanden sind, hilft vielleicht schon ein Ausflug in eine andere Abteilung oder andere Filiale – oder zumindest das Mittag­essen mit Kol­ legen aus anderen Konzernbereichen. Wer bei solchen Gelegenheiten positiv auffällt, hat auch bessere Karten für ein erneutes Anklopfen beim Chef.

05:00 Tomas Chamorro-Premuzic ist Wirtschaftspsychologe, Autor und Professor an der Columbia-Universität.

ablenken und überschreiten manchmal zu viele Grenzen. Entscheidend ist eine gute Balance aus Abenteuerlust und Vernunft. Am besten lebt man es als Chef vor: selbst Neues wagen und Herausforderungen suchen. Neugier lässt sich schon mit einer einfachen E-Mail am Montagmorgen anregen, die von einem spannenden

neuen Buch berichtet, einem Film, den man inspirierend fand, einer Studie, die neue Wege geht. Google rühmt sich damit, seinen Leuten einen Tag dafür freizuräumen, neue Dinge zu entdecken. Es muss ja nicht gleich ein ganzer Tag sein, aber Mitarbeiter sollten zumindest einige Zeitfenster haben, um ihre Neugier auszuleben.

04:12 THE RED BULLETIN

Tomas Chamorro-Premuzic ist Teil des Expertenteams hinter Red Bull Wingfinder, einem neuartigen Test. Durch Beantworten simpler Fragen erhältst du eine Analyse deiner beruflichen Stärken sowie einen Coaching-Plan mit Strategien, sie noch zu optimieren. Jetzt testen: wingfinder.com

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Drohnen-Aufnahmen von bizarren Eisformationen. Linke Seite: Laura K ­ ottlowski aus Denver entdeckte vor einigen Jahren das Wunder des Wild Ice.

Im beschaulichen Gunnison, Colorado, sucht eine Crew radikaler Natureisläufer nach dem ultimativen Kick: Hält die perfekt glatte, hauchdünne, glasklare Eisschicht – oder nicht? Text HEATHER BALOGH ROCHFORT  Fotos MARISA JARAE & DAVE KOZLOWSKI

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zu schweben, einer der Schattenrisse dreht sogar Pirouetten, tänzelt leicht wie eine Gazelle übers Eis. Fasziniert beobachte ich, wie einer der Eisläufer mit einem einzigen Abstoss fünf Meter weit gleitet, ehe er Tempo verliert. Er braucht keine zehn Schritte, um eine ganze Fussballfeldlänge zwischen uns zu überwinden. Bei mir angekommen, muss Dave Kozlowski, ein hiesiger Landschaftsfotograf, den die Leute «Koz» rufen, nicht einmal schneller atmen. «Willst du mit raus?», fragt er und deutet auf die Schwimmweste, die ich noch immer in der Hand halte. «Dann zieh die besser an. Das Eis da draussen ist ziemlich dünn, und wir wollen ja nicht, dass du uns verlorengehst.» Wir sind mitten im Revier der Wild Ice Skater – ­jener Eisläufer, für die nur hauchdünnes Natureis ­gutes Eis ist. Das Risiko ist für sie Ermessenssache, das THE RED BULLETIN

DAVE KOZLOWSKI

B

evor ich die Tür meines Subaru aufstosse, mache ich mich bereit für den Kälteschock, der mich erwartet. Es ist acht Uhr früh, ein unerwartet sonniger Novembermorgen, und das Thermometer am Armaturenbrett meines Wagens zeigt minus zwölf Grad. Draussen fährt mir der Frost scharf in die Nasenlöcher. Ich stolpere hinunter zum Strand, bepackt mit Schwimmweste und Campingstuhl. Der Rezeptionist meines Hotels fand das vorhin ziemlich witzig. «Sie wollen wohl ’ne Runde schwimmen?», hatte er mir beim Salzstreuen am vereisten Eingangsportal nachgerufen. Jetzt stehe ich bei der Blue-Mesa-Talsperre westlich von Gunnison, Colorado, und mustere den Horizont. Zuerst sehe ich nur die gleissende Sonne und die Dunstwolken meines eigenen Atems in der eisigen Kälte. Aber dann entdecke ich vier winzige Silhouetten in der Mitte des Sees. Wie verzaubert scheinen sie auf der unwirklich glatten Oberfläche


In Gunnison leuchtet das Schwarzeis in den dunkelsten ­Tönen und in allen Regenbogenfarben.

Grundkonzept ihrer Leidenschaft von entwaffnender Schlichtheit: so schnell wie möglich rauf aufs Eis, sobald es friert, und zwar ehe ein Stäubchen Schnee die unberührte Perfektion beeinträchtigt. Denn in diesem Zustand ist das Eis nicht nur makellos. Es ist auch elastisch, es lebt, reagiert auf jede Bewegung. «Schmeiss-sofort-deinen-Job-hin-Eis» nennt das Chris Haas. Er ist der Besitzer des örtlichen Ski & BikeShops und sagt: «Du wirst nirgends glattere Natur­ eisflächen finden, schon gar nicht in solch herrlicher Umgebung. Wenn es friert, musst du sofort los, egal was es sonst zu tun gebe. Da gibt es kein Halten.» Warum alles so schnell gehen muss, erklärt die Wissenschaft. Vor allem dank der absurd niedrigen Durchschnittstemperaturen sind die Verhältnisse in Gunnison ideal für die Bildung von Natureis. Mit dem Glatteis am Hotelportal von vorhin hat dieses besondere Material aber nichts zu tun. Es ist Schwarzeis: THE RED BULLETIN

Seine gefrorenen Kristalle wachsen von der Ober­ fläche eines ruhigen Sees oder anderen Gewässers säulenförmig in die Tiefe. Dabei entstehen Luftblasen, die an der Oberfläche eine stabile, glasklare Schicht erzeugen. Manchmal – etwa in der Mitte des Stausees – wirkt das Eis schwarz, weil das darunter liegende Wasser das gesamte einfallende Licht absorbiert. Am Rand, in flacheren Flüssen und Teichen kann es dagegen in allen Farben strahlen. «Wir probierten es einmal auf dem Antero Lake in der Nähe von Fairplay, dort sah das Eis knallrot aus»,

«‹SCHMEISS-SOFORT-DEINEN-JOB-HINEIS› IST UNBERÜHRT, PERFEKT GLATT, OHNE EIN STÄUBCHEN SCHNEE.»   69


«WENN DU EINBRICHST, GLAUBST DU, DASS DEIN HERZ STEHENBLEIBT UND SICH DEIN GEHIRN ABSCHALTET.» sagt Haas, der dem wilden Eis seit 1984 hinterherjagt. «Es dauerte nicht lang, bis wir bemerkten, dass das Eis an sich glasklar war. Es war der rote Lehmschlamm auf dem Grund des Gewässers, den wir ganz deutlich sehen konnten – wie durch eine Glasscheibe.» Anders als zu erwarten wäre, ist Natureis relativ sicher – solange man weiss, was man tut. Die dreidimensionale Spannungsverteilung stellt man sich am besten wie bei einer Bogenkonstruktion vor. Biegt sich das dünne Eis unter dem Gewicht des Eisläufers, beginnt es sphärisch leiernd zu singen. Wenn das Eis dick genug ist, gleicht die umliegende Fläche den zusätzlichen Druck aus, indem es die Spannung verstärkt. Je dünner das Eis ist, desto ­nervöser und kreischender klingt es – dann ist Vorsicht geboten. Doch wie dünn ist zu dünn? Das ist Geschmackssache. Die Jungs aus Gunnison wagen sich aufs Eis, sobald es viereinhalb bis sechseinhalb Zentimeter dick ist. Dickeres Eis ist für sie Zeitverschwendung – es ist dann schon so alt, dass die Witterung die unberührte Oberfläche beeinträchtigt hat. Sie bewegen sich buchstäblich auf dünnem Eis: Weniger als viereinhalb Zentimeter lassen dich ­ziemlich sicher baden gehen. Tom Pulaski, ein weiterer Gunnison-Skater mit langjähriger Natureis-Erfahrung, ist im Ort als ­Spezialist für eisige Tauchgänge bekannt. Als ich ihn frage, wie oft er schon eingebrochen ist, zuckt er die Achseln: «Zwanzig-, vielleicht dreissigmal.» Er hat irgendwann aufgehört zu zählen. Er trainiert sein Bewusstsein absichtlich darauf, in lebensgefährlichem Kälteschock handlungsfähig 70

zu bleiben. «Wenn du einbrichst, glaubst du einen Moment lang, dass dein Herz stehenbleibt und sich dein Gehirn abschaltet. Aber du musst dich zwingen, die Kontrolle zu behalten und rational zu denken», sagt er, als wir uns im behelfsmässigen Basecamp aus Campingstühlen unterhalten. «Je öfter ich diese Erfahrung mache, desto besser verstehe ich meine körperlichen und geistigen Reaktionen in so einer Stresssituation. Und desto besser kann ich dann natürlich auch im Ernstfall reagieren.» Pulaski könnte längst schon Ehrenmitglied im Enten-­Club sein, aber er hat aufgehört, die Aufnäher zu sammeln. «Jeder, der einbricht, bekommt als Verdienstabzeichen einen Enten-Aufnäher», erklärt Western-Pilates-Besitzer Kenny Marks den Insiderwitz. Ist dieser Aufnäher ein Ehrenzeichen oder eine Spottmedaille, Kenny? «Ich bin mir nicht ganz sicher», sagt er. «Vielleicht beides?» Chris’ Frau Barb Haas, eine pensionierte Lehrerin, hat es trotz 35-jähriger Natureis-Erfahrung noch zu keinem einzigen Enten-Aufnäher gebracht. Doch irgendwann, da ist auch sie sicher, kommt für jeden das erste Mal. Tattoo-Künstlerin Gail Levins zum Beispiel, bereits seit 1994 Teil der Szene, ist erst seit ein paar Jahren mit einer Ente dekoriert. Und das kam so: Nach einer unschönen Trennung wollte sie am 32 Kilometer langen Blue-Mesa-Stausee den Kopf frei­bekommen, sich 70, 80 Kilometer lang auf Speed Skates auspowern. Ihr rationales Ich hatte zwar an die Sicherheitsausrüstung gedacht, an Schwimm­ weste, Eispickel und 30-Meter-Seil. Doch in ihrem Inneren ging es drunter und drüber: «Ich zog voll durch. Tempo 30, 35. Meine Gefühle waren so verletzt, ich wollte etwas Extremes erleben», sagt Levins. Sie lief schneller, jeder Schritt ein Pulsschlag mehr. Kratzte Linien in die glasklare Schicht über dem Wasser, während sie weg vom Ufer auf immer dün­ ne­res Eis jagte, wie auf der Flucht vor ihren inneren Dämonen. Und ohne der Laser-Symphonie, die unter THE RED BULLETIN

LAURA KOTTLOWSKI, DAVE KOZLOWSKI

Der erfahrene Skater Tom Pulaski taucht für unser Foto freiwillig ab. Sein Hund hält skeptisch Wache.


Auf der spiegelglatten Oberfläche legen Skater die Länge eines Fussballfeldes in weniger als zehn Schritten zurück.


«WIR WOLLTEN NICHT, DASS DIE GANZE WELT VON UNSEREM EIS ERFÄHRT. DAS WAR UNSER KLEINES GEHEIMNIS.»

Springt vor Glück im kitschig-schönen Sonnenuntergang: Ex-Eiskunstläuferin Laura Kottlowski

einmal zur ganzen Länge aus. Und dann – endlich – bekam sie das Seil zu packen und konnte sich auf festen Boden retten lassen. Der Schüttelfrost setzte erst Stunden später ein, zu Hause, als der Adrenalin­ spiegel sank und ihr bewusst wurde: Sie war dem Tod nur ganz knapp von der Kufe gesprungen. Lebensgefährliche Momente wie diese sind nicht Alltag in Gunnison. Aber sie kommen vor, und die Einheimischen nehmen sie extrem ernst. Darum geht heute niemand mehr ohne Sicherheitsrüstung aufs Eis. Aus Selbstschutz. Aber auch, weil man damit im Ernstfall Freunden das Leben retten kann. Ganz so geordnet wie in Schweden hingegen will man es aber auch wieder nicht angehen. Dort sind Eispickel beim Natureislaufen behördlich vorgeschrie­ ben, und auf Tour geht man normalerweise mit einem professionellen Guide, der die Eistiefe regelmässig mit einem Bohrer zu überprüfen hat. Die Gunnison-Crew ist dagegen so etwas wie das Wildwest-Gegenstück zur korrekten europäischen Verwandtschaft. Statt Löcher zu bohren, wirft man hier lieber Steine. Das Testprinzip ist ebenso einfach wie eindeutig: Auf unsicherem Gebiet verteilen sich zwei, drei Skater mit faustgrossen Steinen und werfen sie aufs Eis. Springt der Stein auf, kann man das Eis betreten.

MARISA JARAE, DAVE KOZLOWSKI

ihren Kufen zur drohenden Zwölftonoper anschwoll, auch nur irgendeine Beachtung zu schenken. Dann ging alles ganz schnell: ein Knacken – und dann nur noch messerscharfe Eisscherben und läh­ mend kalte Dunkelheit. «Zuerst wollte ich mithilfe des Eispickels zurück aufs Eis robben, aber bei jeder Bewegung explodierten die Platten rund um mich förmlich», erinnert sich Levins. «Es war, als würde ich auf Glasscherben klet­ tern, und all die scharfen Kanten rissen mir Unter­ arme und Oberschenkel auf. Irgendwann gab ich auf und begriff: Ich bin im Arsch.» Levins hatte die Kardinalregel verletzt, niemals ­allein raus aufs Eis zu gehen. Doch was sie nicht wuss­ te: Sie war – zum Glück – nicht ganz allein. Pulaski hatte sie vom anderen Ende des Stausees aus im ­Wasser verschwinden sehen und war herbeigerannt, um sie zu retten. Der Haken: Vor ihm zersprang das Eis in tausend Stücke. Also warf er Levins sein Seil zu. Verfehlte sie einmal, zweimal. Rollte es noch


Skater werfen Steine dieser Grösse, um die Eisdecke zu testen. Prallt der Stein ab, kannst du loslegen.

Bleibt er stecken, muss man noch einen Tag warten. Bricht er durch: Nichts wie weg! In den Anfangstagen informierte man sich im Ort per Telefonkette über frisches Eis. Doch seit Barb Haas 2012 die Facebook-Gruppe «Ice is a Love Story» gegründet hat, geht alles viel schneller. Haas ist eine gute Seele, die ihr Wissen gern mit anderen teilt. Gut finden das nicht alle. «Die Facebook-Öffentlichkeit hat die Crew auseinandergerissen», sagt Levins. «Die Dynamik hat sich völlig verändert.» Denn nun kommen immer mehr Neue zum Blue Mesa – vor allem Skifahrer aus dem nahegelegenen

Crested Butte, die bei schlechter Schneelage nach alternativen Abenteuern suchen. Das ärgert die Eis-Pioniere. «Wir wollten nicht, dass die ganze Welt von unserem Eis erfährt», sagt Levins. «Das war unser kleines Geheimnis. Jetzt fallen Banden von Hockey­skatern mit Musikboxen ein.» Wer sich der Natur gegenüber respektvoll benimmt, wird von den Puristen dennoch in den engsten Kreis aufgenommen. Laura Kottlowski zum Beispiel, eine Ex-Eiskunstläuferin aus Denver, darf regelmässig in einem Privatquartier der Crew ­übernachten. Und Alex Banas, ein Skiführer aus ­Crested Butte, schwärmt förmlich von der Gastfreundschaft der einheimischen Skater. Die Gefahr, dass Gunnison überrannt wird, ist über­ schaubar. Gunnison liegt zwar mitten in Colorado, aber abseits aller Durchfahrtsrouten. Die Skitouristen, die nach Crested Butt wollen, nehmen einen anderen Weg. Und für die High Society im noblen Telluride ist Gunnison keine zweieinhalb­stündige Autofahrt wert. Nein, wer sich in diese staubige Cowboystadt verirrt, muss es wirklich wollen. Wer aber hierherpasst, verliebt sich meist auf den ersten Blick. Und bleibt dann nicht selten für immer. Doch hat diese Idylle Bestand? Je mehr Menschen den Zauber des Natureislaufens entdecken, desto wahrscheinlicher wird früher oder später ein Unfall passieren, bei dem sich jemand ernstlich verletzt – oder gar noch Schlimmeres passiert. «Dann blühen uns auch strikte Regeln wie in Schweden», befürchtet Levins, «wo staatliche Auf­seher jedem eine Geldstrafe aufbrummen, der das Eis betritt, wenn es nach Meinung der Behörden zu dünn ist. Das würde ich aber lieber selber entscheiden.» Gut möglich, dass seine Befürchtungen berechtigt sind. Das Blue Mesa Reservoir, Heimat der Eis-Crew von Gunnison, wird von der staatlichen Curecanti National Recreation Area verwaltet. Und die würde bei gefährlichen Zwischenfällen sicher einen genaueren Blick riskieren. Während draussen am Stausee inzwischen ein Dutzend wilder Skater zu einer Kakophonie «Star Wars»-artiger Eis-Sounds seine Bahnen zieht, stolpern zwei junge Frauen am Ufer entlang, hanteln sich an Mülltonnen voran und taumeln dann hinaus aufs Eis. Auf die Frage, wie sie vom Wild-Ice-Skaten gehört ­haben, schauen sie sich gegenseitig an, bevor sie fragen: «Was ist das?» Eine Woche später veranstaltet die Gunnison-­ Crew eine Trauerfeier für ein kürzlich (auf natürliche Weise) verstorbenes Mitglied. Sie tun es auf ihre Art: mit einem Mitternachts-Eislauf-Ausflug auf den Blue-Mesa-Stausee. Im Mondlicht schimmern Eiskristalle, und Schatten tanzen über ihre Gesichter, während sie beim Eislaufen Geschichten über ihren alten Freund erzählen. Zwischendurch wärmen sie sich am Lagerfeuer die Hände, ehe es für eine zweite Runde hinaus aufs Eis geht. Zwei Tage später rollt ein Schneesturm über die Stadt und bedeckt Häuser und See unter einer dicken weissen Watteschicht. Es wird ein gutes Skijahr, der Schnee fällt dicht und regelmässig. Es scheint, als hätte die Natureis-Saison in diesem Jahr nur zwei Tage gedauert. Gut, dass die Gunnison-Crew sie genützt hat.   73


Wie eine Gruppe britischer Riot Girls das Frauen-Wrestling neu erfand. Wie man einander respektvoll vermöbelt. Und warum Schwitzkästen bei der Selbstbefreiung helfen.

Kämpf EVE OFwie ein DESTRUCTION MÄDCHEN Text RACHAEL SIGEE  Fotos DAN WILTON 74


Akademie-Trainerin Rhia O’Reilly (links) zeigt Sierra Loxton im EVE-Ring, wie man mit Schmackes auf die Matte knallt.


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in Samstagnachmittag in der Resistance Gallery in Bethnal Green, East London. An diesem Abend werden Kay Lee Ray und Viper einander durch den Wrestling-­ Ring prügeln. Aber jetzt sitzen die beiden friedlich auf der Matte im Ring und spielen «Vier gewinnt». Direkt neben ihnen: ein in Lametta gehüllter Mops namens Bubba und eine ­improvisierte Frisier­ station mit Trockenhaube, an der die ­anderen Mädels zum Lockenwickeln Schlange stehen. Fünf Stunden später brüllen zwei­ hundert Fans in der ausverkauften Halle auf Kay Lee Ray und Viper ein. Die beiden stürmen von gegenüberliegenden Eck­ pfosten aufeinander los, lassen sich aus den Seilen schnalzen, knallen einander mit Schwung auf die Matte (auf der – autsch! – noch immer die «Vier gewinnt»-­ Chips herumliegen). Bei einem von Rays herzhaften Fusstritten fliegen Vipers ­falsche Wimpern in hohem Bogen davon. Ja, die beiden sind beste Freundinnen.

Heute ist Fight-Night bei EVE, der f­ eministischsten, punkigsten, buntesten Wrestling-Vereinigung der Welt. Das Besondere an EVE: Bei ihren fast immer ausverkauften Shows kämpfen ausschliesslich Frauen. Die Rede ist hier nicht von den knapp geschürzten Bikini-Mädchen, die in herkömmlichen Wrestling-Shows als Pausenfüller dienen. Sondern von echten Powerfrauen. Emily Read, Gründern und Leiterin von EVE, ist eine von ihnen. Am Anfang jeder Show tritt sie mit ­ihrem neonpinken Iro auf die Bühne und verkündet: «Die erste Regel unserer geheimen Girl-Gang ist: Erzähl jedem von unserer geheimen Girl-Gang!» Noch wichtiger ist Read eine andere Regel, die sie sofort nachschiebt: «Null Toleranz für Hate Speech!» Denn EVE ist – auch wenn das am ­ersten Blick ein wenig anders aussehen mag – vor allem eines: ein Safe Space für Frauen. Die Wrestlerinnen mögen sich im Ring, angefeuert von einer kläffenden

Grosses Finale: Zoe Lucas aus Portsmouth (vorn) muss sich Laura di Matteo geschlagen geben.

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«EVE ist die Wrestling-­ Plattform, die allen anderen auf den Sack geht.» Gründerin Emily Read (rechts)


«Wir erzählen auf der Bühne Geschichten, die die Leute zum Lachen oder Heulen bringen.» Oben: Wrestling ist für Leah Owens eine Familienangelegenheit – auch ihre eineiige Zwillingsschwester Kasey ist dabei. Unten: So sieht ein wahrer EVE-Fan aus.

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«Du hilfst Leuten, den Alltag hinter sich zu lassen. Das ist die coolste Sache der Welt.» Oben: Dave Coulson ist einer von vielen EVE-Hardcore-Fans, die an diesem Samstag in der Resistance Gallery mitfeiern. Unten: Für die australische Fighterin Charli Evans ist Wrestling ein e eigene Kunstform.

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Menge, gegenseitig grün und blau schlagen. Doch das tun sie mit einer klaren, ­inspirierenden Botschaft von Empowerment, Inklusivität und gegenseitigem ­Respekt. Wer gewinnt, ist für die Fans zweitrangig. Findet es einen Kampf richtig gut, schreit das ganze Publikum im Chor: «Bei-de Frau-en, bei-de Frau-en!»

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evor hier jemand auf falsche ­Gedanken kommt: Das Spektakel im Ring ist trotz dieser freund­ lichen Grundwerte kein bisschen weniger dreckig als jenes der männlichen Kollegen. Der Eröffnungskampf von Rhia O’Reilly und Sierra Loxton endet mit ­einer wüsten Rauferei im Zuschauerraum, nachdem die beiden Konkurrentinnen in­ einander verkeilt durch die Seile aus dem Ring gestürzt sind. Und für den Hauptkampf der Nacht müssen die Fans sogar hinaus auf die Strasse, wo die amtierende EVE-Championess Charlie Morgan und ihre Gegnerin Kasey Owens die Prügelei fortsetzen. Für Owens’ eineiige Zwillingsschwester Leah ganz normal: «Du musst auch im Publikum auf alles gefasst sein. Das alles ist ein Riesentheater, in dem die ganze Verrücktheit unserer Welt Platz hat, Trauer, Glück, jedes Gefühl, das du dir vorstellen kannst. Man kann das nicht erklären, man muss das selbst gesehen haben.» Drastische Rollen sind für dieses Stück von grosser Bedeutung: Jetta verkörpert die «Prinzessin Diana des britischen Wrestlings», betritt den Ring zu Carly ­Simons «Nobody Does It Better» und ­animiert das Publikum zum Mitsingen. Zoe Lucas gibt die zickige Highschool-­ Bitch, beim Einzug flankieren sie zwei Schlägertypen mit furchteinflössendem Blick. Und Charli Evans markiert die ­jähzornige Regelbrecherin: Nach ihrer Niederlage gegen Addy Star (im zivilen Leben Realschullehrerin) schubst sie den Schiedsrichter zur Seite und attackiert ihre Widersacherin so «brutal», dass diese – so will es das geplant Script – von der Bühne getragen werden muss. Die meisten dieser Frauen waren von klein auf Wrestling-Fans und stolperten schliesslich aus Neugier oder über Freunde in eine der Trainingsschulen. «Wrestlen ist eine eigene Kunstform», sagt Evans, 24, Profi-Wrestlerin aus Cen­ tral Coast in der Nähe von Sydney, Aus­ tralien. «Wir spielen Theater, wir erzählen auf der Bühne Geschichten, die die Leute zum Lachen oder zum Heulen bringen. Du weckst in den Leuten echte Gefühle und hilfst ihnen, für ein paar Momente ihren Alltag hinter sich zu lassen. Für mich ist das die coolste Sache der Welt.» 80

Voller Einsatz: Der Kampf zwischen Charlie Morgan (aufrecht) und Kasey Owens (leicht in Bedrängnis) zog sich bis hinaus auf die Strasse.


Bei den besten Kämpfen skandiert das Publikum: «Bei-de Frau-en!»


Lichter aus: Kay Lee Ray (rechts) und Viper schlugen sich gegenseitig k. o.


«Die erste Regel unserer geheimen Girl-Gang ist: Erzähl jedem von unserer geheimen Girl-Gang!»

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Überlebenstipps für dein erstes Mal im Ring Als unsere Autorin Rachael Sigee (unten im Bild rechts mit Cydoni Trusste) in der EVE Academy eine Probestunde nahm, ahnte sie nicht, dass ihr eine Prüfung auf Herz und Nieren bevorstand.

1. Such dir eine(n) ­erfahrene(n) Partner(in) Wrestling ist Teamwork: Der er­ fahrenere Partner sorgt dafür, dass auch der Newcomer cool aussieht.

2. Lass dich nicht einschüchtern

Die Leute mögen furchterregend aussehen. Aber sie sind über jede(n) froh, der/die ihre Leidenschaft teilt. Und können es kaum erwarten, bis du gut genug bist, dass sie dich ­bedenkenlos in eine Boston Crab (einen ziemlich unangenehmen Pro‑Haltegriff) quetschen dürfen.

3. Kämpfe mit Hirn

Wrestlen ist auch harte Kopfarbeit. Während des Kampfes musst du voll konzentriert sein. Dabei geht es nicht nur um die korrekte Ausfüh­ rung der Moves, sondern auch um die perfekte Position dafür – das Publikum soll schliesslich immer dein Gesicht sehen. Stell dir Wrest­ ling in Sachen Choreografie, Team­

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work und Show-Faktor wie eine ultra-anstrengende Tanzstunde vor, in der du permanent Haue kassierst.

4. Verkauf dich gut

Die meisten Aktiven betrachten Wrestling als Kunstform und nicht als Sportart. Wichtigster Kniff: Benommenheit kurz vor dem K. o. vorspielen können – obwohl du in Wahrheit jeden Move unter Kontrolle hast.

5. Schrammen gehören dazu

Auch wenn Storylines und Bewe­ gungsabläufe eintrainiert sind, sind alle Moves verdammt echt. Am Tag nach dem Training wer­ den dir Stellen wehtun, die du an dir noch gar nicht gekannt hast – und du wirst voller blauer Fle­ cken sein, bevor du von der Matte runter bist. Aber du kannst mit Recht sagen: «Du solltest erst den/die andere(n) sehen.» THE RED BULLETIN


Noch cooler ist nur, was das Wrestlen mit den Protagonistinnen selbst macht: «In den letzten acht Jahren bin ich als Performerin und als Person unglaublich gereift», sagt die in Belfast geborene Rhia O’Reilly, 33, die für eine Wohltätigkeits­ organisation arbeitet, wenn sie gerade nicht im Ring steht. «Ich war früher ­nervös und schüchtern, aber mittler­ weile kann ich richtig mit dem Publikum spielen. Mit dem Selbstvertrauen im Ring ist auch mein Selbstvertrauen im Alltagsleben gewachsen. Ich gehe jetzt Risiken ein, die ich mir früher niemals zugetraut hätte.» Die Anziehungskraft von EVE wirkt ­inzwischen weit über Grossbritanniens Grenzen hinaus. Heute Abend zählen auch Australierinnen und Kanadierinnen zum Line-up, beim Training schauen ­regelmässig Frauen aus Neuseeland, Deutschland, den USA und aus Japan vorbei, wo eine besonders grosse Frauen-­ Wrestling-Szene existiert. Das Erfolgsgeheimnis? «Ungeduld», sagt EVE-Gründerin Read. «Die Leute ­sagen immer, man muss den Dingen Zeit geben. Aber das ist Unsinn. Dinge passie­ ren, wenn man sie macht. Gutes Frauen­ wrestling entsteht nicht durch Warten. Wir haben uns einfach gute Wrestlerinnen geschnappt und in eine Wrestling-Show gesteckt.» Gemeinsam mit ihrem Mann Dan ­setzte Read diese ausgeklügelte Strategie erstmals 2009 um. Die Show fand im klei­ nen Rahmen statt, das Ziel dahinter war aber schon damals ehrgeizig: «Wir wollen Frauen dabei helfen, Heldinnen zu werden und über sich selbst hinaus­zuwach­sen. Seit damals sind wir die Wrestling-­ Plattform, die allen anderen auf den Sack geht.» Der Bedarf war offenbar gross: Frauen­ kämpfe hatten bis vor zehn Jahren nur im Rahmenprogramm der Mainstream-­ Events stattgefunden – als Lückenfüller zwischen den «echten» Kämpfen, um den Zuschauern ein paar Minuten Zeit für eine Pinkel­pause zu ermöglichen. Mittlerweile haben sich die Dinge ­geändert. Vor kurzem veranstaltete der Marktführer WWE (World Wrestling ­Entertainment Inc.) seinen ersten rein weiblichen Pay-per-View-Event. Das Verdienst dafür gebührt nicht ­allein der Lobby-Arbeit von EVE, sondern auch dem Netflix-Hit «GLOW», bei dem sich eine Gruppe arbeitsloser Schauspie­ lerinnen als Wrestlerinnen neu erfindet. Inzwischen ist nicht nur Kate Nash – die in der Serie die Britannica spielt – Stamm­ gast bei den Kämpfen, sondern auch viele Hardcore-Fans der Serie. Kyle aus Denver THE RED BULLETIN

«Bei EVE können wir Wrestlerinnen sein, nicht bloss ein sexy Aufputz.» ist heute zum ersten Mal dabei: «Ich habe noch nie so viele toughe Frauen in einem Raum gesehen», sagt sie. «Jedes einzelne Match war ein Knaller.» Neueinsteigerin Laura aus London hat sich in den Stiegenaufgang hinein­ gequetscht und sieht kaum bis zum Ring. Doch auch sie ist begeistert: «‹GLOW› hat mich einfach inspiriert», überbrüllt sie den Lärm der Menge, «eigentlich wollte ich das Wrestlen sogar selbst auspro­ bieren. Aber seit ich weiss, wie gut diese Kämpferinnen sind, verschiebe ich das noch ein bisschen. Ich glaube, ich brauche vorher noch ein paar Muskeln.» Sollte es Laura auf einen Versuch an­ kommen lassen, ist die EVE Academy die richtige Adresse dafür. Sie wird von Rhia O’Reilly geführt, die schon bei der aller­ ersten EVE-Show dabei war und seitdem quasi zum Inventar zählt. Am Sonntag­ morgen ist die Resistance Gallery nach der Party vom Vorabend wieder blitz­ blank: Alles glänzt und funkelt, der Laut­ stärkepegel der Musik steht auf 11, und rund zwanzig Frauen trainieren auf den Matten Vorwärts- und Rückwärtsrollen, während Limp Bizkits «Rollin’» aus den Lautsprechern wummert. Alle paar Minuten brüllt entweder O’Reilly oder ihr Co-Trainer, der Ex-Wrestler und Stunt­ man Greg Burridge: «Welchen Tag haben wir?» Dann gehen alle Hände hoch und jede brüllt zurück: «EVE Sunday!»

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eim Training darf jede mit­ machen, die sich selbst als Frau sieht. Das Durchschnittsalter liegt zwischen 18 und 35, das Leistungslevel reicht von der An­fängerin bis zur erfahrenen Amateur-Kämpferin. Das Hobby scheint süchtig zu machen: «Etliche kamen nur hierher, weil sie ‹GLOW› gesehen hatten, und hatten keine Ahnung, worauf sie sich einlassen», sagt O’Reilly, «aber nach sechs Monaten sind sie noch immer dabei.» Vielleicht hat das ja mit der besonderen Atmosphäre in ­dieser Trainingsschule zu tun: Gemein­ schaftsgefühl, gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung stehen an erster Stelle. «Das hier ist eine Trainingsschule», sagt O’Reilly, «aber es ist auch ein Raum, in dem sich Frauen sicher fühlen können.

Hier dürfen sie Lärm machen und Dinge tun, die sie sich draussen nicht erlauben.» Diese Grundsätze machten die EVE Academy zur weltgrössten Frauen-Wrest­ ling-Trainingseinrichtung. Becki Ashton und Winona Makanji sind heute Morgen mit dem Zug aus ­Nottingham angereist, um zu trainieren. «Hier ist es egal, wie viele Kilo man hat, wie fit man ist oder wie man sich an­ zieht», sagt Ashton. Makanji wusste schon nach dem Probetraining im Dezember, dass sie Teil der EVE-Show sein will. «Es war genial, der beste Tag meines ­Lebens», sagt sie. Ein Wrestling-Talent, das sich bereits für den Ring in einer der Nachwuchs-­ Shows namens «SHEVOLUTION» quali­ fiziert hat, ist Cydoni Trusste, die unter dem N ­ amen Psycho Dyke Rebel Kinney kämpft. Trusste war schon zehn Jahre lang Wrestlerin gewesen, ehe sie bei EVE eine neue Heimat fand, «weil wir hier Wrestlerinnen sein können und nicht bloss sexy Aufputz.» Am besten gefällt ihr, dass EVE her­ kömmliche Normen sprengt: «Wir haben eine lesbische Championess. Und wir ­haben Leute wie mich.» Dabei zieht sie den Ausschnitt ihres T-Shirts herunter und gibt den Blick auf den fetten «QUEER»-­ Schriftzug frei, den sie sich quer über die Brust tätowieren liess. Die angesprochene lesbische Cham­ pioness ist Charlie Morgan, EVEs haus­ gemachter Star, für den «ein Kindestraum wahr geworden ist», als sie den Vertrag mit dem britischen Zweig des WWE unter­ schrieb. Die 26-Jährige aus Norwich – Motto: «Be#brave. Be#you. Be#fearless» – ist seit acht Jahren Wrestlerin, und ihr Coming-out im EVE-Ring war für sie ­«einer der schönsten Momente meiner Karriere». Für sie war eine Plattform wie EVE überfällig: «Alle Welt macht sich viel zu viele Gedanken darüber, was die Leute denken könnten. Darum finde ich es gut, dass sich EVE für Dinge stark macht, ­hinter denen nicht so viele andere ­stehen», sagt Morgan. Wer einen EVE-Event besuchen will, sollte allerdings hart im Nehmen sein. Auch als Zuschauer kann man durchaus den einen oder anderen Tritt abbekom­ men – wenn zum Beispiel eine Wrestlerin über die Seile fliegt (ein Stammgast trug in der vergangenen Saison sogar eine ­Gehirnerschütterung davon). Wer sich bis vorn durchkämpft, bekommt dafür auch Kekse. Denn das ist typisch EVE: Ein Arm nimmt dich in den Schwitzkasten, der ­andere gibt dir eine fette Umarmung. evewrestling.com

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guide Dein Programm

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Fliegen wie Iron Man: alles zum neuesten Gaming-Hit „Anthem“.

Dein Fernsehprogramm mit den Schwerpunkten Sport und Kultur.

Freestyle-Spektakel, Breakdance-Show und weitere Top-Termine.

DER RITT DEINES LEBENS

SCOTT DICKERSON

Kyle Hofseth surft im eisigen Wasser Alaskas – dank kalbender Gletscher. Wie auch du zu den Wellen kommst? Bitte umblättern!

THE RED BULLETIN

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Reisen

Jetzt zählt’s: Ein riesiger Eisbrocken bricht aus dem Gletscher, gross genug, um eine Welle zu erzeugen.

SURFEN AM GEFRIERPUNKT

SO REITEST DU DAS GLETSCHER-KALB Kalbende Gletscher sind der Albtraum aller NordmeerKapitäne. Nur Alaskas Extrem-Surfer suchen bewusst ihre Nähe. Kyle Hofseth ist einer von ihnen. Er erklärt, warum.

D

a ist es endlich, das ohren­ betäubende Grollen, die ­Explosion purer Energie. Ich muss d ­ iese Welle kriegen. Nichts sonst zählt. Den ganzen Tag habe ich gegen die Unterkühlung an­ gekämpft, jetzt ist mir die Kälte egal. Ich bewege mich schneller

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voran als je zuvor. Tief in der Kehle dieses Fjords steckt ein gewaltiger, ächzender Gletscher. Sein Eis ragt meterdick aus dem Meerwasser, und gerade ist ein hausgrosses Stück davon herausgebrochen. Auf genau diesen Moment habe ich gewartet.

Surfer und Reisejournalist Kyle Hofseth in seinem Element

THE RED BULLETIN


guide

REISETIPPS

AM ENDE DER WELT

Kyle Hofseth verrät, was Alaska zum ­ultimativen, äh, Hotspot für abenteuerlustige ­Surfer macht und warum man dafür eine ­etwas andere Packliste braucht. Alaskas Tidenküste misst 55.000 Kilometer. Die besten Surf-Bedingungen herrschen im Frühjahr (April) und Herbst (September).

Objekt der Begierde: eine ein Grad Celsius frische Flutwelle

ALASKA

USA

Kanada

Anchorage Homer Kenai-Fjorde

EXPLORE HOME BASE Scott Dickersons Reisebüro «Ocean Swell Ventures» hat seinen Sitz in Homer, einem malerischen Fischerdorf mit rund 5700 Einwohnern. Die Gletscher der Kenai ­Mountains kann man bereits vom Hafen aus sehen.

SCOTT DICKERSON, GETTY IMAGES (MAP)

Hofseth und Dickerson erkunden mit der «M/V Milo» die Kenai-Fjorde.

Ich paddle wie verrückt genau auf das Ergebnis dieser Explosion zu: eine perfekt geformte, eis­ durchsetzte Welle. Am Kamm dre­ he ich das Brett. Ich pflüge durch Eisbrocken hindurch, ein Platz­ regen aus golfballgrossen Hagel­ körnern geht auf mich nieder. Jetzt trägt mich die Welle mit, der Ride meines Lebens beginnt. Mein Adrenalin geht durch die Decke. Ich surfe die Welle 100 Meter lang, ehe sie an einer Schotterbank bricht und an Land brandet. Ich bin hin und weg. Dieses Gletschermonster in Alas­ kas Kenai-Fjorden ist so gross, dass es sein eigenes Mikroklima hat, und es zieht sich durch das

THE RED BULLETIN

«Nimm ein Surfboard, das kaputtgehen darf.» ganze Kenai-Gebirge. Doch hier, an diesem abgelegenen Ort, kommt es mir vor, als wäre dieser Gletscher in seiner stillen Erhaben­ heit allein für mich gemacht. Da­ bei bin ich gar nicht allein hier. Ich ziehe die Kapuze meines Neopren­anzugs vom Kopf und höre, dass mir Scott Dickerson vom Boot aus zuruft, wie genial die Aufnahmen meiner Fahrt ge­ worden sind. Dickerson ist Boss

DER TRIP Von ihrem Heimathafen aus steuert die «M/V Milo» den Golf von Alaska, die Kenai-Fjorde und die Aleuten-Inseln an, die sich in Richtung Russland erstrecken. Die Küste ist zerklüftet, am Ufer leben Bären und Elche. Orcas, ­Buckelwale und Otter sind zwischen den Inseln und ­Kanälen ein häufiger Anblick.

GLETSCHERSURFEN 4 TIPPS FÜR DEN UMGANG MIT EISWELLEN 1. Bring eine geräumige, robuste Coffin-SurfboardBag mit. Sie wird dir am Strand gute Dienste leisten – du kannst dich drin mit heissem Kaffee aus der Thermoskanne und einer Wärmflasche aufwärmen. 2. Ein Motorradhelm ist eine gute Investition. Schütz deinen Kopf – es ist viel Eis im Wasser.

3. Apropos Eis im Wasser: Ich habe alle meine Bretter zerstört. Nimm ein älteres, das kaputt werden darf. 4. Nimm einen Neoprenanzug, der mindestens 5 mm dick ist. Und Booties und Handschuhe mit 7 mm. Das Wasser hatte 1 °C, und der eisige Wind vom ­Gletscher kühlt dich ­zusätzlich aus.

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Reisen

guide

SCHIFF AHOI

WELLENJAGD AUF DER «MILO»

Die «M/V Milo» ging zwar schon 1966 als Lachsfischerboot mit Dieselmotor in Pension. Ein paar surfverrückte Einheimische haben sie aber 2009 zu einem Forschungsschiff umgebaut. DIE FAKTEN ZUR «M/V MILO» Länge 17,68 m

Kabinen 2

Hauptmotor 380 PS

Equipment 4 m RIB (Schlauchboot), Angelausrüstung

Crew 5 oder 6 Passagiere, 1 Skipper

Reisegeschwindigkeit 8 Knoten (14,8 km/h)

ROCK THE BOAT UNTER DECK Umkleide- und Trockenmöglichkeit im umgebauten Fischraum. Schlafkojen mit Surf-Charakter unterhalb der Wasserlinie im Rumpf. Tipp: Begleite Kapitän oder Crew zur Mitternachtswache am Ruder und beobachte, wie ein Sonnenuntergang in nur 30 Minuten zu einem ­Sonnenaufgang wird. AN DECK Geniess die heisse Aussendusche: Steck den Handbrause­ kopf in deinen Neoprenanzug, leg dich auf das Deck und füll ihn voll. Bald hast du deinen ganz persönlichen Whirlpool. Perfekt nach einer Surf-Session in eisigem Wasser!

Gut versorgt: Die Kühltruhen der «M/V Milo» sind für die einwöchigen Trips mit Wild und Gemüse gefüllt.

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von «Surf Alaska» und Kapitän der «M/V Milo», eines fast 18 Meter langen ehemaligen Fischerboots, das zu einem Forschungsschiff umgebaut wurde. Dickerson ist in der Küstenstadt Homer stationiert, zentral in der Bucht des Golfs von Alaska ge­ legen. Es gibt niemanden auf der Welt, der das Surf-Potenzial von Nordamerikas längster Küste so akribisch erforscht, dokumentiert und fotografiert hat wie er. Bevor ich hierherkam, habe ich seine ­Fotos gesehen: Sie zeigen Aben­ teurer, die Wellen aller Art reiten, hinter ihnen atemberaubende Berge, kristallklares blaues Eis, Alaskas raue Urgewalt. Jeder seiner Trips hat etwas von jenem puren Entdeckertum, das in überfüllten, etablierten Surf-Spots verlorenging. Heute gilt das noch mehr als sonst: Zum ersten Mal ist Dickerson allein des­ halb hier draussen, um Gletscher­ wellen zu surfen – also Flutwellen, die allein durch wegbrechendes Eis des Gletschers entstehen. Dass die Sache nur halb so spassig ist, wie sie klingt, zeigten schon seine Instruktionen in der Nacht meiner Ankunft in Alaska. Zuerst bekam ich einen alten Motorradhelm, dann einen guten Rat: «Schnapp

dir ein Board, das kaputtgehen kann. Denn wir werden Eisbergen begegnen.» Zusätzlicher Kitzel: Hier draus­ sen gibt es weder Handyempfang noch menschliche Siedlungen, Letztere fehlen oft über hunderte von Kilometern. So viel zum ­Sicherheitsnetz. Das Wichtigste ist jetzt, Ort und Grösse der heraus­ brechenden Eisbrocken vorherzu­ sagen. Ein Eisblock von der Grösse eines Einfamilienhauses kann eine Zwei-Meter-Welle erzeugen. Darum müssen wir dauernd auf der Hut sein: Wo könnte sich ein Eisblock lösen? Und wie schnell können wir vor Ort sein? Unsere Woche auf der «M/V Milo» ver­ sorgt uns mit unvergesslichen Surf-Erinnerungen und vielen fett- und proteinreichen Mahl­ zeiten (Butter, Speck, fangfrischer Fisch) zur Kompensation der ­Kalorien, die wir im 1 °C kalten Wasser verbrennen. Wir schlafen kurz, erkunden stattdessen den Fjord im alaskischen Sommer­ licht. Beim Surfen fühlen wir ­diese jahrtausendealte Energie, die durch das zerbrechende Eis frei wird, mit jeder Faser. Lust, selbst Alaskas wilde Küste auf der «M/V Milo» zu erkunden? Hier entlang: oceanswellventures.com

THE RED BULLETIN

SCOTT DICKERSON

Fang des Tages: Frischer als auf der «M/V Milo» kann Heilbutt nicht sein.


MELDE DICH

JETZT AN

WIR LAUFEN FÜR ALLE, DIE NICHT LAUFEN KÖNNEN IN ZUG ODER MIT DER APP

5. MAI 2019 – 13:00 UHR 100% DER STARTGELDER FLIESSEN IN DIE RÜCKENMARKSFORSCHUNG

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Gaming

guide

5

Probier alle aus Alle vier Javelin-Kampfanzüge verfügen über Waffen, die den Gegner erst bewegungsunfähig machen, ehe du ihn ausschal‑ test. Wie, bleibt dir überlassen. «Anthem»: auf­ regende Kämpfe

Integriere in deine Combo z. B. eine Lenkgranate. Diese teilt sich in kleinere Geschosse auf, die den nächsten Gegner ansteuern.

INSIDE THE GAME

DRESSCODE FÜR ACTIONHELDEN «Anthem» ist das erste Gaming-Highlight 2019. Dank genialer Kampfanzüge, die jedem Superkräfte verleihen.

3

Teile richtig aus

D

Das Beste daran, dass deine Gegner noch paralysiert sind: Du kannst selbst die härtesten unter ihnen mit einer Combo, einer Mehrfach-Attacke, ­ausschalten. Feuer frei!

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DER ENTWICKLER

JON WARNER

Game Director von «Anthem»

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Fixier dein Ziel

FLUGSTUNDE

ATTACKE IM ANZUG

Fünf Profi-Tipps für den Ranger Javelin

Begib dich aus der Schuss­linie des Feindes. Zieh deinen Schockkolben, der mit einer vollen Ladung Energie deine Gegner bewegungs­ unfähig macht.

Bevor er «Mass Effect 3» entwickelte, war Jon ­Warner bei Disney und ­Microsoft und arbeitete als Analyst für das US‑­ Militär. «Diese Erfah­ rungen kommen jetzt ‹Anthem› ­zugute. Ich ­kenne mich mit schweren Geschützen und Angriffs­ taktiken aus und konnte bei Disney und Pixar von den besten Geschichten­ erzählern lernen.» SELBER SPIELEN «Anthem» ist ab 22. 2. im Handel erhältlich – für PS4, Xbox One und PC. anthem.ea.de

THE RED BULLETIN

CHRISTINA LOCK

Springe über den Kopf deines Gegners und gehe in die Schwebeposition. Bleib dabei hinter deinen Feinden, bereit zum Angriff.

TOM GUISE

Gewinne die Oberhand

BIOWARE

ie «Hymne» (Anthem) ist eine alte, mächtige Technologie, mit deren Hilfe die Götter die Welt erschaffen haben. Doch ihr Werk blieb unvollendet, und die Hymne verdarb all jene, die ihre Kraft für sich nutzen wollten. Daher ist der Planet nun von gigantischen Bestien besiedelt – und die Menschheit kämpft um ihr Überleben. So weit der Hintergrund zum Game «Anthem», bei dem du mit bis zu vier Spielern im Team agierst. Der wahre Hype geht jedoch weder von der umfassenden Spielewelt noch von der Story, sondern ganz klar von den sogenannten Javelin-Kampfanzügen aus. Diese handgefertigten Rüstungen – insgesamt gibt es vier Varianten mit individualisierbaren Fea­tures – verleihen jedem Spieler übermenschliche Kräfte. «Die Javelins sind eine gelebte Machtfantasie. Damit kann jeder plötzlich die heroischsten Dinge tun», schwärmt Game Director Jonathan Warner. «Im Gegensatz zu herkömmlichen Actionspielen bist du viel mobiler, kannst über dem Gegner schweben und ihn von oben attackieren.»

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Nutze dein Arsenal


Entertainment

AARON BLATT/RED BULL CONTENT POOL, ALI BHARMAL/RED BULL CONTENT POOL, @WORLD/RED BULL CONTENT POOL

GANZ NACH OBEN

Snowboard-Weltklasse in den USA, ein Rap-­ Aufsteiger aus Indien und die Rallye-WM zu Gast in Mexikos Bergen: Red Bull TV geht auf Weltreise.

guide

Ausgewählte Musik und ­inspi­rierende ­Interviews. Unsere aktuelle Empfehlung:

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US-Freestyler Ben Ferguson bei einem Air-to-Fakie

Februar bis 2. März   LIVE

BURTON US OPEN

Die Snowboard-Elite trifft sich wie jedes Jahr in Vail, Colorado, zum sportlichen Höhepunkt der ­Saison: den 37. Burton US Open Snowboarding Championships. Die Superstars von heute treffen in den Slopestyle- und Halfpipe-Events aufeinander. Die Superstars von morgen sieht man im Halfpipe-­ Junior-Jam, wo sich die spannendsten Talente bis 14 Jahre im Wettkampf stellen.

19

März   ON

Red Bull TV ist deine g ­ lobale digitale Destination für Entertainment abseits des Alltäglichen, empfangbar rund um die Uhr an jedem Ort der Welt. Geh auf redbull.tv, hol dir die App oder connecte dich via Smart-TV. Alle Infos: redbull.tv

THE RED BULLETIN

14 März  ON AIR

DEMAND

DIVINE

SO SIEHST DU RED BULL TV ÜBERALL

OMAR S PRESENTS WFXHE

Indiens Hip-Hop-Szene gewinnt weltweit immer mehr Ansehen. ­«Divine» erzählt die faszinierende Geschichte eines lo­kalen Stars: die des Mumbai-Rappers ­Vivian Fernandes alias Divine.

8

bis 10. März   LIVE

RALLYE MEXIKO

Die dritte Station im World-Rally-Championship-Kalender birgt Herausforderungen en masse, vor allem die Hochland-Sonderprüfungen durch die Sierra de Lobos und die Sierra de Guanajuato.

Omar S beherrscht die gesamte SoundPalette von tief und emotional bis hart und minimalistisch. Seine «raw and dirty» House-Tracks, die er als White Labels auf FXHE Records herausgibt, inspirieren DJs. Mit seiner Arbeit zollt der mysteriöse Mann aus Detroit dem ­Jackin’ Chicago House und dem Motor City Techno Tribut, in seiner monatlichen Mit­ ter­nachts-Show spielt der Drag-Racing-Fan Highlights aus seiner enormen Sammlung.

AUFDREHEN: REDBULLRADIO.COM

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Events

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bis 31. März

XTREME VERBIER

Auf dem Bec des Rosses (3223 Meter über dem Meeres­ spiegel) treffen Ende März die besten Freeskier dieses Planeten aufeinander – um den Welt­meis­ ter zu küren. Der Berg in Verbier gilt mit einem Gefälle von bis zu 60 Prozent als eine der härtesten Challenges für Freeskier – was nicht nur den Athleten Adrenalin­ schübe beschert, sondern auch die Fans am Plateau «Col des ­Gentianes» mitfiebern lässt. Bec des Rosses, Verbier; freerideworldtour.com

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In der närrischen Zeit wird Bellinzona von der Hauptstadt des Tessins zur Metropole der Narren. Seit 156 Jahren wird hier vom Schmutzigen Donners­ tag bis zum Fastnachtsdienstag ­ge­feiert wie sonst kaum wo – der ­Karneval in Bellinzona ist der dritt­ grösste des Landes: mit DJs, Partys und ­Umzügen. Bellinzona; rabadan.ch

7

bis 17. März Genfer ­Autosalon Wenn der Automobilsalon am ­7. März startet, öffnet sich Freunden feiner Mobilität ein Paradies. Zu sehen werden mehr als 900 Fahrzeuge sein, darunter 150 Welt- und Europa­ premieren. Neu in diesem Jahr: Aussteller aus dem Bereich vernetzter Mobilität und der Elektronik-Branche. Mehr als 660.000 Besucher werden ­erwartet. Palexpo, Genf; gims.swiss

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bis 26. März Groove ’n’  Move Festival Zwölf Tage steht Genf im ­Zeichen des ­Festivals Groove ’n’ Move – wo den unter­ schiedlichen Ausprägungen von Hip-Hop Raum gegeben wird: mit Battles, Kursen und Konfer­enzen. Auch dabei: die Schweizer DJs Digit und ­Joniboy sowie A ­ lyien (FRA). verschiedene Locations, Genf; groove-n-move.ch

März Red Bull Music Gondeli Ein Konzert in ungewöhnlich intimem Rahmen: Beim Red Bull Music Gondeli treten sechs Künstler in einer Seilbahn-Gondel auf. So nah kommt man den Musikern sonst kaum. Ins­ gesamt sind drei Termine geplant: Den Auf­ takt macht ein Konzert in Champéry – Region Dents du Midi – im wunderschönen Val d’Illiez. Wer die Künstler live erleben will – detaillierte Infos und Live-Stream gibt es auf: redbullmusic.com/gondeli

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THE RED BULLETIN

ALAN SAHIN/RED BULL CONTENT POOL, M4MUSIC, FREERIDEWORLDTOUR/JEREMY BERNARD

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Februar bis 5. März Rabadan ­Bellinzona


guide

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bis 16. März

M4MUSIC

Drei Tage ganz im Zeichen neuer Musik. Beim m4music-Festival ­treffen Talente auf etablierte Künstler – ein wunderbarer Schmelz­ tiegel gegenseitiger Inspiration. Bereits fix mit dabei: das Genfer Duo Cyril Cyril und der erst 19-jährige Rapper Monet 192 aus St. Gallen (1,5 Mil­lionen YouTube-Klicks für «Tout le jour»). Die grosse ­Abräumerin der Demotape Clinic 2018, Jessiquoi (Bild), bekannt für schrille Outfits und kräftigen Elektropop, kommt als Ehrengast. Zürich & Lausanne; m4music.ch

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Gewinne Tickets für die JBL Snow Party! Drei Tage, Europas höchstes Skigebiet und viele unglaubliche Künstler. Mit ein bisschen Glück feierst du bald als einer von 250 VIP-Gästen epische Partys in Val Thorens, Frankreich!

POWDER-FUN & PARTY VON 4. BIS 7. APRIL Als Gewinner * wartet dieses Package auf dich:

MITMACHEN UND GEWINNEN Schick uns einfach eine Mail an: jbl@redbulletin.com mit dem Betreff «JBL Snow Party» unter Angabe deines Geburtsjahres, und verrate uns, warum du dabei sein willst.

JBL

Durch die Teilnahme am Gewinnspiel bin ich mit den auf https://bit.ly/2T4EkD3 angeführten Teilnahmebedingungen einverstanden. Einsendeschluss: 12. März 2019.

2 Eintrittskarten zur JBL Snow Party Zwei Hin- und Rückflugtickets in der Economy-Class vom/zum Abflug-/Rückflughafen ** und Flughafentransfer zum/vom Hotel 3 Übernachtungen (all-inclusive) im DZ im Hotel Club Med Val Thorens Sensations Verpflegung für bestimmte Veranstaltungen Skiausleihe vom 5. bis zum 7. April 2019 Anreisetag ist der 4. April 2019. Weitere Infos zur Veranstaltung und zum Programm findest du auf www.jbl.at/jblsnowparty ***

* Mindestalter: 18 Jahre. **Abflughafen ist jener, der dem Wohnsitz des Gewinners am nächsten gelegen ist; der Zielflughafen in Genf/Schweiz oder Lyon/Frankreich wird vom Sponsor festgelegt. Für den Fall, dass ein Flug aufgrund des Wohnortes des Gewinners nicht durchführbar ist, bestimmt der Sponsor nach eigenem Ermessen eine andere Reiseform. ***Auf der Homepage angeführte Gewinnspielmodalitäten und Teilnahmebedingungen gelten nicht für das hier ausgelobte Gewinnspiel.


IMPRESSUM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell ­erscheint The Red Bulletin in sieben Ländern. Die Titelstory der französischen Aus­ gabe widmet sich dem Team Vitality, Frankreichs besten E-Sport-Gamern. Auch für Nicht-­ Zocker inspirierend! Mehr Storys abseits des Alltäglichen gibt’s auf: redbulletin.com

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Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteure Waltraud Hable, Andreas Rottenschlager Creative Director Erik Turek Art Directors Kasimir Reimann (Stv. CD), Miles English, Tara Thompson Head of Photography Fritz Schuster Deputy Head of Photography Marion Batty Photo Director Rudi Übelhör Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Freie Mitarbeiter Jakob Hübner, Werner Jessner, Alex Lisetz, Stefan Wagner Grafik Marion Bernert-Thomann, Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Susie Forman, Ellen Haas, Eva Kerschbaum, Tahira Mirza Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Head of Media Sales International Peter Strutz Head of Commercial & Publishing Management Stefan Ebner Publishing Management Sara Varming (Ltg.), Magdalena Bonecker, Manuela Gesslbauer, Melissa Stutz, Mia Wienerberger Communication Christoph Rietner Head of Creative Markus Kietreiber Creative Solutions Eva Locker (Ltg.), Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier Anzeigendisposition Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung Veronika Felder Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter O. Sádaba, Friedrich Indich, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Maximilian Kment, Josef Mühlbacher Office Management Yvonne Tremmel (Ltg.), Alexander Peham MIT-Experte Michael Thaler Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser (Vertrieb), Yoldaş Yarar (Abo) Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Strasse 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Strasse 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 General Manager & Publisher Andreas Kornhofer Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

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P RO M OT I O N

must-haves

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1 ENTWICKELT, UM ZU PERFORMEN

Als Partner von Red Bull Playstreets unterstützt ­Jabra das Event mit seinen einzigartigen Produkten. Das X Mic ist ein bluetooth Microphone, das entwickelt wurde, um unter extremen Bedingungen die beste ­Tonqualität zu garantieren. Die Jabra Elite Active 65t sorgen für ein einwandfreies Sound­erlebnis unter anderem beim Sport – mit einer ­Akkuleistung von bis zu 15 Stunden. jabra.com

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2 SCRAPPER 115

Mit herausragendem Feedback und Erfolg in seiner ersten Saison ist der preisgekrönte SCOTT Scrapper 115 zum Benchmark im Ski-Quiver geworden. Unter Einsatz von SCOTTs Kons­ truktion aus Carbon-/Holzkern kombiniert der Scrapper 115 all die Zutaten eines Siegers: in jedem Gelände leistungsstark und extrem stabil, dabei aber leicht und wendig, wenn nötig. scott-sports.ch

5 3 DILLYSOCKS – WE LOVE COLORS

Designt in der Schweiz und produziert in Portugal. Dank dem hohen Anteil an gekämmter Bio-Baumwolle bieten die farbenfrohen ­DillySocks optimalen Tragekomfort. Produziert werden die Liebhaberstücke von ­einem portugiesischen ­Familienunternehmen. In enger Zusammenarbeit entstehen farbige und gemusterte Modelle für jeden Geschmack und Typ. dillysocks.com

4 HAPPYPOWDER – TROPICAL TREND

Neu mit zwei magnetischen Linsen, 100 % UV-Schutz, die eine polarisiert und somit perfekt bei Sonnenschein, die andere mit violetter Beschichtung, was die Sicht bei schwachem Licht erhöht. Also: Komfort und Sichtbarkeit bei jedem Wetter. Happypowder bedeutet nicht nur revolutionäres Design, die Liebe zum Detail führt auch zu einem Produkt von unübertroffener Verlässlichkeit und Leistung. happypowder.com

5 MIDO MULTIFORT CHRONOMETER 1

Die 1934 ins Leben gerufene Kollektion Multifort hat von Beginn an Funktionalität und Ästhetik verbunden. Das im Multifort Chronometer 1, dem jüngsten Mitglied dieser Familie, verbaute Kaliber 80 Si ist ein Uhrwerk auf dem neusten Stand der Technik. Dieser Zeitnehmer ist der ideale Kompagnon ­aller, die in Sachen Stil und Technologie keine Kom­ promisse machen. midowatches.com

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Zieh Leine! An einem normalen Montag flattern hier nur Tücher und Kleider im Wind, an diesem flog dazu noch Alex Mason durch die Luft: Inmitten der Wäscheleinen in Istanbuls Viertel Eminönü spannte der Slackline-Star seine Seile und hob ab. Video unter: redbull.com

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 10. März 2019 98

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NURI YILMAZER/RED BULL CONTENT POOL

DAVID MAYER

Perfekter Abgang


WELCHE FLÜÜÜGEL DÜRFEN‘S SEIN?

CH-BIO-004 EU/NICHT-EU Landwirtschaft


T F A R K M U RA

is -Erlebn D a s RS n t e d e in Augm . y t li a e R -App ClipThis den. rla herunte

NEW KODIAQ Dieser High-Performance-SUV mit 240 PS und einem Drehmoment von 500 Newtonmetern beschleunigt auch Ihren Puls. Der intelligente 4x4-Antrieb und modernste Assistenzsysteme sorgen dafür, dass Sie diese Kraft jederzeit sicher im Griff haben. Dank seiner Luxusausstattung, neuester Konnektivitätstechnologie und dem grössten Platzangebot des Segments lässt er keine Wünsche offen. ŠKODA. Made for Switzerland. KODIAQ RS 2.0 l Bi-TDI 4x4, 240 PS, 7-Gang DSG, 6.4 l/100 km (Benzinäquivalent 7.3 l/100 km), 167 g CO2/km (137 g Ø Neuwagen), 28 g CO2/km Energie-Bereitst., Kat.: F


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