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CLUB DER TOTEN DENKER
MARC AUREL Wie gehe ich mit Stress in der Arbeit um?
Die grössten Denker aller Zeiten beantworten Fragen unserer Gegenwart, übermittelt durch den Philosophen Christoph Quarch. anderen Gedanken!» Okay, den «Römer» erlass ich Diesmal: Der römische Kaiser Marc Aurel verrät sein Rezept für erfolgreiches euch, und den «Mann» könnt ihr von mir aus durch «Mensch» ersetzen – aber sonst sind diese Worte noch immer wahr und gültig: Liebe und Würde, denkt daran. Zeitmanagement. Ebenso wahr und gültig ist mein Vorschlag, was zu tun ist, um diese disziplinierte und konzentrierte Haltung auszubilden: «Das wird dir gelingen, wenn du jede Handlung so vollziehst, als ob es die letzte deines Lebens wäre, frei von jeder Planlosigkeit, frei von Leidenschaft, die dich dem gesunden Urteil der Vernunft Zeit ist ein kostbares und knappes Gut. Als ehemaliger entzieht, frei von Pose und Selbstliebe, frei von Unmut römischer Kaiser weiss ich, wovon ich rede. Das Impe über das Los, das dir das Schicksal zugedacht hat.» rium war riesig, die Kommunikationsmittel waren Ja, so einfach ist das: Räume deinen Kopf auf, und bescheiden, ich hatte zahlreiche Widersacher und war alles wird gut! noch dazu ständig auf Reisen oder führte Krieg gegen Vor allem würdet ihr dieses merkwürdige Thema die wilden Stämme nördlich der Donau. Arbeit über loswerden, das ihr WorkLifeBalance nennt – also die Arbeit – doch der Tag hatte genau wie heute nicht Frage, wie man das private und berufliche Leben ins mehr als 24 Stunden. Angesichts der Überfülle meiner Gleichgewicht bringen kann. Denn diese Frage stellt Pfichten und Aufgaben gab es nur ein Mittel, um sich gar nicht mehr, wenn ihr immer nur eure Arbeit nicht dem Wahnsinn zu verfallen: Disziplin. verrichten würdet: wohlgemerkt eure eigene, von euch
Oh, ich weiss sehr gut, dass Dis gewünschte Arbeit. Wenn du einfach ziplin in eurer Welt nicht gerade hoch im Kurs steht. Doch vielleicht «Vielleicht ist handeltest, ohne dich damit aufzuhalten, darüber zu lamentieren, dass ist ja gerade das euer Problem: dass ihr euch ablenken lasst und eure Zeit mit unnützem Zeug vertrödelt. ja das euer Problem: dass nun auch noch dieses oder jenes zu tun ist, dass dein fauler Adjutant dir schlecht zugearbeitet hat … Schluss damit, Was «unnützes Zeug» ist, wollt ihr wissen? Unnützes Zeug ist alles, was euch davon abhält, das zu tun, was ihr eure Zeit mit unnützem Zeug handle einfach! Greif zum mentalen Schwert und hau diese Gedankenkette durch. Zack, schon ist man wieder frei hier und jetzt zu tun ist – ohne einen Gedanken an irgendetwas anderes zu vertrödelt.» im Hier und Jetzt, ganz bei sich und nicht bei etwas, worauf man ohnedies verschwenden. Mein Gott, es gibt bei keinerlei Einfuss hat. euch Leute, die den lieben langen Arbeitstag ständig Gut, da die Zeit drängt, schliesse ich mit einem abgelenkt sind, mit ihren Mobiltelefonen spielen oder weiteren Zitat aus meinen Aufzeichnungen: «Wenn du rumtwittern. Hätte ich mit so etwas angefangen … dir an der gegenwärtigen Tätigkeit und der rechten ich wäre keine zwei Tage im Amt geblieben. Wahrhaftigkeit in Wort und Rede genügen lässt, dann
Nein, wenn man seine kostbare Lebenszeit mit wirst du glücklich leben. Es gibt niemanden, der dich geistigem Müll verplempert, braucht man sich nicht daran hindern könnte.» zu wundern, wenn man weder seine Arbeit noch sein Privatleben auf die Reihe bekommt. Glaubt mir: MARCUS AURELIUS ANTONINUS AUGUSTUS Disziplin ist das Geheimnis eines guten Lebens. Und (121–180) Konzentration ist das Geheimnis jedes erfolgreichen war zwischen 161 und 180 Kaiser des Römischen Reiches. Zeitmanagements. Seine Regierungszeit gilt als die letzte Blütezeit des Imperiums,
In meinen Aufzeichnungen fnde ich folgende gelang es ihm doch, in dem riesigen Reich inneren Frieden Notiz: «Trachte danach, die Aufgabe, die gerade vor und Zusammenhalt zu schaffen, obwohl dessen Grenzen dir liegt, mit gesammelter Kraft und in ernster, aber unverkrampfter Würde, in Liebe zu deinem Nächsten, fortwährend bedroht waren. Deshalb verbrachte er den Grossteil seiner Amtszeit im Feldlager, wo er auch seine von der stoischen Philosophie inspirierten «Selbstbetrachtungen» in innerer Freiheit und Gerechtigkeit als Römer und niederschrieb. Marc Aurel starb fernab von Rom in der Grenzals Mann zu erfüllen, und verschaff dir Ruhe von allen stadt Vindobona, heute bekannt unter dem Namen Wien.
Keep on Truckin’
Das MINT 400 in der kalifornischen MojaveWüste hat seit seiner Premiere 1968 schon viele Krisen überstanden. Aber es ist so wild und amerikanisch geblieben wie eh und je. Der britische Fotograf Gavin Bond hat das legendäre OffroadRennen voriges Jahr begleitet und erklärt uns seine Faszination, bevor es Anfang März wieder losgeht.
Bryce Menzies aus Arizona, zweifacher Gewinner des Mint 400, lässt es krachen, sein Truck verträgt Sprünge von bis zu 45 Metern. Die Renndistanz – daher der Name – beträgt vier Runden zu je 100 Meilen.
«Ich habe mich in das Mint 400 verliebt. Und so war bald klar, dass ich zurückkommen musste, um es zu fotograferen.»
Fotograf Gavin Bond über sein Verhältnis zum Mint 400
JUGEND, FORSCH
Pilot Seth Quintero aus Alabama wartet neben seinem UTV Pro N/A (Utility Terrain Vehicle, non-aspirated, soll heissen: ohne Turbo). 2019, mit 16, ging er als jüngster Mint-400-Sieger in die Geschichte ein.
RUHE VOR DEM STURM
Die Trucks in der Startaufstellung. «Die Teilnehmer wohnen im Buffalo Bill’s Resort & Casino», erzählt Bond. «Es kostet 18 Dollar die Nacht – normalerweise ein Hotel für Leute, die es nicht einmal bis nach Las Vegas schaffen.»
«Du kannst vermutlich nichts Amerikanischeres erleben als das Mint 400.»
PEDAL TO THE METAL
«Das ist der Start des Rennens», sagt Bond. «Hinter dem orangen Auto befand sich die Bühne, wo in der Nacht zuvor die Eagles of Death Metal aufspielten.»
BOXENGASSE BEREIT
«Ich bekam die Info, dass Bryce Menzies zum Tanken reinkommt, also rannte ich zur Box und machte das Foto von der Crew mit den Tankschläuchen. Aber das Auto hielt dann doch nicht an.»
Am Tag vor dem Rennen sind die Motorräder dran. «Zuerst fuhren sie im normalen Feld mit, was natürlich Wahnsinn war», sagt Veranstalter Matt Martelli. «1976 war das vorbei – aus Versicherungsgründen.»
«Es ist defnitiv eine Familienangelegenheit: Ein Typ fährt einen Laster, sein Sohn einen anderen, und die Tochter fährt auf dem Motorrad mit.»
Fotograf Gavin Bond über den familiären Charakter des Rennens
Bunt und schnell: Die Race Trucks der Mint 400 (rechts) brettern mit mehr als 100 km/h durch die Wüste.
«Es gibt keine Streckenbegrenzung in der Wüste, nur Flaggen. Plötzlich rast ein Auto auf dich zu, und es sieht nicht so aus, als wäre es unter Kontrolle. Dann musst du dich schnell in Sicherheit bringen. Es ist defnitiv gefährlich.»
Fotograf Gavin Bond über die Tücken seiner Arbeit
RISKANTE NÄHE
Joseph Jepson vom Diamond J Racing Team in seinem Buggy bei der Arbeit. «Ich fotografierte mit Teleobjektiv», erinnert sich Bond. «So war ich vermutlich näher dran, als ich sollte.»
BUNTER ABEND
«Der Typ unter dem Auto versucht, etwas zu reparieren. Die interessanten Farben auf dem Foto kommen von der Bühne, auf der die Preisverleihung stattfindet.»
Die Klasse der Buggys fährt mit identischen Autos, daher ist das Rennen sehr eng. Da ist natürlich besonderer Einsatz gefragt.
«Schrauben gehört dazu. Manche Autos kommen mit weghängenden Teilen zurück.»
Fotograf Gavin Bond über den beherzten Einsatz der Teilnehmer SO SEHEN SIEGER AUS
Ex-Gewinner Travis Chase (rechts) und sein Copilot Jacob Lauxen zeigen ihre FinisherMedaillen. Hier wird der olympische Gedanke gelebt: Jeder, der es bis ins Ziel schafft, ist ein Gewinner.
Das Mint 400 begann 1968 als ein PR-Stunt für die Hirschjagd des Hotels und Casinos The Mint in Las Vegas. Aber das wilde 644-Kilometer-Rennen durch die MojaveWüste, mit Start und Ziel nicht weit vom Glitzern der Glücksspiel-Metropole, verwandelte sich sehr bald in etwas viel Grösseres: The Great American Offroad Race.
«Das erste Mal war ich 2018 da», erzählt der britische Fotograf Gavin Bond. «Es war das 50-JahrJubiläum, aber ich wusste praktisch nichts über das Rennen. Mein Produzent in L.A. – ein Engländer namens Skinny – ist ein Freizeit-Benzinbruder. Er hat sich mit seinem Racing-Truck angemeldet, und ich bin mitgekommen. Ich habe mich in das Rennen verliebt, und so war bald klar, dass ich zurückkommen und das Mint 400 fotograferen musste.»
Genau das passierte Anfang März 2020. Bond konnte nicht ahnen, wie sehr sich die Welt danach verändern würde; zwölf Tage später sperrte alles zu.
Heute, ein Jahr danach, ist unser Alltag in vielerlei Hinsicht anders als zuvor. Aber das Mint 400 ist wider Erwarten zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass es gefährdet gewesen wäre: Zwei Jahrzehnte fand es überhaupt nicht statt. Als Jack Binion 1988 das Mint Hotel kaufte, stellte er das Rennen ein, weil er einen Imageschaden befürchtete. Erst 2008 erwarben die Brüder Matt und Joshua Martelli, bekannt geworden mit der Produktion der viralen Motorsport-Videos «Ken Block’s Gymkhana», die Rechte am Mint 400, auch wenn der Namensgeber, das Hotel und Casino, längst nicht mehr existierte.
Doch das Rennen hat das alles überlebt. Es hat die Zeit der Hollywood-Machos von Steve McQueen bis James Garner und die Geburtsstunde des GonzoJournalismus erlebt: Eine Reportage über die Veranstaltung für «Sports Illustrated» inspirierte Hunter S. Thompson zu seiner literarischen Ode an den Verlust des amerikanischen Traums: «Fear and Loathing in Las Vegas». «Du kannst vermutlich nichts Amerikanischeres erleben», meint Fotograf Bond. Er war ausgezogen, ein Sport-Event zu dokumentieren, und fand, ebenso wie Autor Thompson, etwas viel Faszinierenderes: die amerikanische Seele.
«Meine Songs sind dunkelgrün und himbeerrot»
Wenn Lea Lu singt, wird ihre Welt ganz bunt – denn jeder Klang ist für sie Farbe. Die Zürcherin sieht Töne. Und das gibt ihrer Musik einen einzigartigen Anstrich.
Interview SABRINA LUTTENBERGER Foto CLAUDIO STRÜBY
Wenn Lea Lu auf die dunkle Seite ihrer Seele wechselt – dorthin, wo es ein wenig düsterer zugeht –, sieht sie nicht schwarz, nein, sie hört dunkelgrün.
Für die Sängerin, 36, steht Dunkelgrün für F-Dur. Und zwar immer. Denn Lea Lu ist Synästhetikerin. Das heisst: Jeder Ton, jeder Akkord lässt vor ihrem inneren Auge eine bestimmte Farbe erklingen.
Nur einer von 20.000 Menschen, schätzen Experten wie der Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Uni Zürich, besitzt diese Gabe. Der russische Maler Wassily Kandinsky soll sie gehabt haben, US-Sängerin Lady Gaga und der Frontmann der britischen Popband Coldplay, Chris Martin, sehen Töne wie Lea Lu.
Neue Studien gehen davon aus, dass nahezu jeder Zwanzigste Töne sieht, viele davon, ohne sich dessen bewusst zu sein. Lange ahnte auch Lea Lu nichts von dieser besonderen Gabe, erst eine Doku über Synästhesie öffnete ihr die Augen. Dabei hatte sie sich schon als Sechsjährige mit ihrer persönlichen Skala durch den Geigen-Unterricht geschummelt: Statt der Noten merkte sie sich die Farbfolge, die sie sah, wenn ihr die Lehrerin ein Stück vorspielte.
Ob die Farbe vor ihrem inneren Auge ihren Liedern einen besonderen Klang verleiht? Wir meinen ja, ihrer ersten Single «I Call You» gibt sie einen einzigartigen Anstrich, ihr heuer erscheinendes Album verspricht eine bunte Welt. Ein Happy End, mit einem dunkelgrünen Start in New York.
the red bulletin: Wenn du mit anderen Musik machst, kann es passieren, dass andere etwas richtig gut fnden, für dich aber die Farbkombination nicht funktioniert?
lea lu: Ja, das kommt wirklich vor. Wenn die Komposition toll ist, die Farben aber langweilig sind, beeinfusst das schon meine Wahrnehmung des Songs. Oder zum Beispiel F-Dur, das ist für mich immer dunkelgrün, ein bisschen düster. Es kann schon sein, dass ich dafür eher melancholischere Themen wähle. Auf der anderen Seite würde ich niemals einen traurigen Song in A-Dur schreiben. A-Dur ist himbeerrot, eine fröhliche Farbe!
Wie kann man sich das vorstellen, wenn du Musik nicht nur hörst, sondern siehst?
Es ist wie eine Farbebene, die immer da ist, also auch jetzt, wenn wir sprechen. Es gibt dieses Empfnden, das mehr im Inneren des Körpers stattfndet. Ich habe das nicht nur bei Tönen, sondern auch, wenn ich lese und Buchstaben sehe. Da sind dann aber nicht die Buchstaben farbig, sondern ich sehe die Farben. Bei der Musik ist das eben auch so: Es tauchen Farbnebel vor meinem inneren Auge auf. Jeder Akkord und jeder Ton hat in meinem Kopf eine bestimmte Farbe. Und das ist immer dieselbe.
Beeinfusst dich diese Fähigkeit auch in anderen Bereichen?
Mir hilft das dabei, mir Dinge zu merken. Also, ich hab schon als kleines Kind Geige gespielt, konnte aber keine Noten lesen. Die Geigenlehrerin wusste das aber nicht und hat mir das Notenblatt hingestellt. Ich hab sie dann gefragt: «Können Sie das bitte vorspielen?» Ich habe mir die Tonfolge farblich gemerkt und so getan, als ob ich die Noten lesen würde. Sie hat das sechs Jahre lang nicht gemerkt! (Lacht.)
Normalerweise würden wir jetzt über deinen New-York-Aufenthalt sprechen. Doch 2020 kam alles anders.
Ja, ich wäre von März bis September mit einem Auslandsstipendium der Stadt Zürich in New York gewesen. Der Traum jedes Künstlers! Ich bin am 9. März angereist und war am 17. März notgedrungen wieder zurück in der Schweiz. Das war ein Schock, wie sich die Pandemie so plötzlich entfacht hat.
Wie hast du die Zeit erlebt?
Zuerst hatte ich natürlich Angst, um meine Familie, meine Freunde, meine Gesundheit. Ich war wie in einer Schockstarre, bis ich erkannt habe, ich muss da wieder raus. Das habe ich geschafft, indem ich mir möglichst viele wissenschaftliche Informationen zu Covid-19 beschafft habe. Ich hab viel gelesen und mich mit Freunden aus Taiwan ausgetauscht, die bereits früh Erkenntnisse
«Ich musste raus aus der Schockstarre.»
Lea Lu, 36, kämpfte sich nach einem harten Jahr 2020 wieder zurück.
zum Virus hatten. Als die Angst weg war, war das Organisieren wichtig. Okay, was mache ich jetzt? Wie zum Teufel zahle ich meine Miete? Es ist Lockdown. Ich hab keine Konzerte, ich kann keinen Gesangsunterricht geben.
Zum weltweiten Ausnahmezustand kam also auch noch ein persönlicher?
Ja. Die Kulturbranche wurde von der Situation hart getroffen. Zum Glück gab es nach einigen Monaten Unterstützungsbeiträge von verschiedenen Institutionen. Um die erste Zeit zu überbrücken, habe ich mir Geld von Freunden geliehen. Sobald das Finanzielle vorerst geklärt war, hat sofort wieder das Kreieren begonnen. Das Leben kam wieder in Bewegung. Ich wollte schon sehr lange an meinem neuen Album arbeiten, deshalb bin ich ja auch nach New York gegangen.
Stattdessen hast du es bei dir daheim in Zürich aufgenommen. Wie war die Arbeit daran?
Als ich die Songs geschrieben hatte, habe ich einfach angefangen, die Musik mit meinem Schlagzeuger, mit dem ich mir den Proberaum teile, aufzunehmen – mit den Möglichkeiten, die wir zur Verfügung hatten. Und ich habe mir Bassspielen beigebracht. Weil ich … na ja, keinen
«I love the songs! I love your voice!»
Der kanadische Musiker Mocky war sofort bereit, Bass für Lea Lu zu spielen.
Bassisten in der Nähe hatte. (Lacht.) Es ging eigentlich ganz okay, aber dann ist mir plötzlich wieder Mocky in den Sinn gekommen. Ein kanadischer Musiker, der schon mit Jamie Lidell (britischer Sänger; Anm.) und Leslie Feist (kanadische Sängerin; Anm.) gearbeitet hat. Den wollte ich eigentlich in New York treffen. Ich hab mir gedacht, die Chance ist klein, aber ich frag einfach mal per Mail bei ihm an. Er hat zurückgeschrieben und war begeistert: «I love the songs! I love your voice! I would love to play on your album!» Er hat dann in Los Angeles die BassLinien eingespielt und uns geschickt. Das war so krass: Es hat sofort so geklungen, als ob wir schon lange eine Band wären! Ohne dass wir uns einmal getroffen haben.
Wenn man sich das Album anhört, wird man etwas von der Stimmung des letzten Jahres spüren?
Ich glaube, man wird darin ganz fest das Bedürfnis nach Austausch spüren. Das, was ich mir in dieser Zeit am meisten gewünscht habe. Wieder mit anderen Musikern spielen zu können. Für mich ist das Album auch eine Weiterführung meiner EP «Rabbit». Die war eine Soloproduktion, ein sehr einsames Stück Musik. Der nächste Schritt wäre gewesen, wieder in die Welt hinauszugehen. Dann kam Corona, und die Welt ging zu. Aber das Bedürfnis ist geblieben.
Wie bist du damit umgegangen?
Ich habe es so gelöst, wie es eben ging: zum Beispiel mit Mocky online. Als der Lockdown in der Schweiz zu Ende war, so Anfang Mai, konnte man sich auch wieder treffen und zusammen musizieren. Da haben wir das Proberaumstudio in ein Auto gepackt und in einer Alphütte wieder aufgebaut, und ich hab meine LieblingsJazzmusiker aus der Schweiz eingeladen. Also ich hab einfach nur angerufen, und sie sind alle gekommen. Das war ein wunderschönes Erlebnis. Deshalb heisst das Album auch «I Call You».
Dabei wolltest du als Kind auf keinen Fall Musikerin werden. Du hast angeblich gesagt, das sei dir viel zu anstrengend.
Das stimmt. Ich hab schon sehr früh Songs geschrieben. Das war das Natürlichste für mich. Ich sag immer, das war meine erste Sprache, meine Muttersprache. Die Welt, in der ich mich ausdrücken konnte. Musikerin werden war aber nie ein Berufswunsch oder Traum. Nicht, weil es anstrengend ist – mir war wohl schon immer bewusst, dass es einfach schwierig ist, Musikerin zu werden und davon zu leben. Deshalb habe ich auch mit einem Psychologiestudium begonnen. Da hatte ich in den Vorlesungen aber immer eine JazzNotensammlung mit. Eine Mitstudentin hat mich irgendwann einmal gestupst und meinte: «Ey, du bist wirklich im falschen Studium.» (Lacht.) Danach habe ich Jazz studiert.
Und kannst du auch Noten lesen? Ja, das hat auch noch funktioniert.
«Da ist diese Lust, zu laufen»
Seit einem Motorradunfall ist Marc Ristori, 39, von der Hüfte abwärts gelähmt. Seine Lebensfreude hat er deshalb nicht verloren – er fährt sogar wieder Motorrad.
Interview CHRISTINE VITEL
the red bulletin: Wir konnten es nicht glauben, als wir dich in einem Video auf einem Bike gesehen haben. Keine Angst zu stürzen?
marc ristori: Nicht wirklich, nein. Ich fahre ganz entspannt, und ein Sturz gehört einfach auch dazu.
Eine spezielle Vorrichtung am Motorrad gibt deinen Beinen Halt. Schaltest du mit der Hand?
Genau. Alles lässt sich über den Lenker bedienen: Gas, Bremse, Gänge. Es gibt zwei Knöpfe, einen zum Hoch- und einen zum Runterschalten.
Seit dem Unfall 2007 bist du vom Rumpf abwärts gelähmt. Erinnerst du dich an den Moment, der dein Leben schlagartig änderte?
Absolut. Der Unfall passierte aufgrund eines Fahrfehlers. Ich verlor die Kontrolle und kam nicht vom Motorrad runter. Ich bin mit dem Kopf aufgeschlagen – durch die Schockwelle kam es zu einer Fraktur im Bereich des fünften Rückenwirbels auf Höhe der Brustwirbelsäule. Ich lag auf dem Rücken und spürte meine Beine nicht. Mir war sofort klar, dass ich gelähmt war.
Wie lange hat es gedauert, bis du dein Schicksal akzeptiert hast?
Ich habe es sofort akzeptiert. Mein Ziel war, ein Maximum an Bewegung wiederzuerlangen, und von den Prophezeiungen, dass ich mich nie wieder bewegen würde können, wollte ich nichts hören. Wenn man plötzlich querschnittsgelähmt ist, bedeutet das nicht, dass man einfach so zu etwas anderem übergehen kann. Aber ich habe rasch gelernt, meine sitzende Position zu akzeptieren. Trotzdem bleibt es auch 13 Jahre nach dem Unfall noch ein heikles Thema.
Inwiefern?
Im Alltag wird man pausenlos mit seiner Behinderung konfrontiert. Morgens fühle ich mich wie jeder andere auch – nur, dass ich auf dem Stuhl sitze. Da ist diese Lust, zu laufen, die Lust, aufzustehen und zu rennen. Die Beeinträchtigung hat mich jedenfalls nicht davon abgehalten, aktiv zu sein. Ich betreibe Sport, ich habe schnell wieder angefangen zu arbeiten, ich komme viel herum… Es ist nicht so, dass ich meine Situation nicht akzeptiert hätte, unglücklich wäre oder zu wenig machen würde – aber verdammt, manchmal hätte ich einfach nur gern funktionierende Beine!
Wann hast du dich entschieden, wieder Motorrad zu fahren?
Nachdem ich Ricky James, den Motorradfahrer aus den USA, gesehen habe. Wenn du einmal Motorradfahrer bist, bist du immer Motorradfahrer. Dieses «Ex» für ehemalige Fahrer oder Sportler nervt mich, weil es so klingt, als wäre man nicht mehr fähig und als ob alles der Vergangenheit angehöre. Ich habe für mich entschieden, dass es nicht nur die Vergangenheit gibt. Heute muss ich nicht mehr regelmässig aufs Motorrad, aber wenn ich Lust habe, eine Runde mit meinen Kumpels zu drehen, dann kann ich das machen – das ist cool! Das gibt mir die Gelegenheit, in einen anderen Modus zu schalten.
Du hast die Charity-Organisation rforce8.com gegründet – mit welchem Ziel?
Vor dem Unfall war RFORCE8 der Name meines Motorrad-Teams. Ich wollte, dass er fortbesteht und etwas für die Gemeinschaft daraus machen. Heute sind unter RFORCE8 Motorradpiloten, BMX-Fahrer und Extremsportler vereint, die möglichst viele Leute inspirieren wollen. Wir verkaufen Klamotten und unterstützen Jugendprojekte.
Wirst du am Wings for Life World Run teilnehmen?
Ich war lang Botschafter und habe mit meinem früheren Bike-Kollegen Mat Rebeaud teilgenommen. Es würde mir Spass machen, wieder mitzumachen, weil mir die Stimmung gefällt und die Idee grossartig ist.
Es kann jeden treffen
Die Fakten zeigen, dass niemand vor einer Rückenmarksverletzung gefeit ist. Tatsächlich ist die Hälfte davon Resultat von Verkehrsunfällen, 24 Prozent sind auf Stürze zurückzuführen. Nur drei Prozent betreffen Extremsportler wie Marc Ristori. Um Geld für die Forschung zu sammeln, machen am 9. Mai 2021 wieder Tausende Menschen beim Wings for Life World Run mit, um so die Rückenmarksforschung zu unterstützen. Der gesamte Erlös fliesst in diese Forschung.
Alle Infos zum aktuellen Stand und zum Lauf: wingsforlifeworldrun.com
Marc Ristori verlässt seinen Rollstuhl zum Beispiel, um Motorrad zu fahren.
Einer muss ja aufräumen
Zum Teal-Team, mit dem David Hablützel an den Socken aus Ozeanplastik arbeitet, gehören auch preisgekrönte SportswearDesigner mit Sitz in Zürich. Sie alle sind leidenschaftliche Surfer und verstehen sich als Naturliebhaber, weshalb sie bemüht sind, «den Planeten aufzuräumen».
Schritt für Schritt: teal-project.com
Snowboarder David Hablützel: mit Socken die Welt retten
«Die Müll-Flut hat mich erschreckt»
Saubere Idee: Snowboarder David Hablützel, 24, produziert Sportsocken aus Plastik aus dem Ozean.
Interview WOLFGANG WIESER
the red bulletin: Du verkaufst mit Freunden Socken aus Ozeanplastik. Was verbindet einen Snowboarder mit dem Meer?
david hablützel: Es war eine Idee von Freunden. Für den Start des Teal Project auf Kickstarter (Plattform für die Crowd-Finanzierung innovativer Produkte, Anm.) habe ich sie im Marketing unterstützt. Schliesslich hat mich die Idee so begeistert, dass ich einfach dabei sein wollte. Weil ich auch gerne surfe, mich dem Ozean verbunden fühle – und mir bewusst wurde, wie sehr Plastik zu einem Problem geworden ist.
Hattest du ein Schlüsselerlebnis?
Die Strände in Indonesien sind enorm schön, aber wenn die Flut kommt, siehst du mit Entsetzen das viele Plastik und den Müll. Das hat mich aufgeweckt, um nicht zu sagen: aufgeschreckt.
Wo wird euer Plastik aus dem Meer gefischt?
Es stammt aus dem Mittelmeer und dem Atlantik vor Spanien. Fischer sammeln es ein, es wird gereinigt und zu Garn verarbeitet.
Welche Ideen waren bei der Kreation der Socken entscheidend?
Wir wollten ein Produkt schaffen, das bei überschaubarer Komplexität möglichst viele Menschen erreichen kann.
War für euch von Anfang an klar, dass es Ozeanplastik sein muss?
Nein, nicht unbedingt. Anfangs haben wir auch andere nachhaltige Materialien in Betracht gezogen. Letztendlich hat uns aber das Garn aus Ozeanplastik überzeugt, weil dabei der Wertschöpfungsprozess unmittelbar mit dem Schutz der Umwelt verknüpft ist.
Warum sind diese Socken besser als andere?
Obwohl wir recycelte Rohstoffe verwenden, stehen unsere Garne ihren konventionellen Konkurrenten in puncto Qualität in nichts nach. Hinsichtlich der Performance und Haltbarkeit der Socken gehen wir keine Kompromisse ein, obwohl wir bis zu 77 Prozent recycelte Rohstoffe verwenden.
Was zeichnet das Design aus?
Unsere Socken sind schlicht und funktionell, kräftige Farben und tonale Abstufungen sorgen für einen stylischen, zeitlosen Look. Ausserdem war uns wichtig, eine gewisse Universalität zu bewahren und nicht für jede Sportart eine neue Socke anzubieten. Wir sind überzeugt, dass eine gute Sportsocke für eine ganze Reihe von Einsatzmöglichkeiten geeignet sein sollte.
Früher haben sie anderen Bergsteigern zu Gipfelsiegen verholfen, jetzt stehen die Sherpas einmal selbst im Rampenlicht: Der Nepalese NIMS PURJA hat alle Achttausender der Welt in Rekordzeit bestiegen. Und das war erst der Anfang.
Text TOM GUISE und MATT RAY Fotos SANDRO BAEBLER
Der 116.000HöhenmeterMann
Nims Purja, 38, beim Red Bulletin-Fotoshooting am Mont Blanc. Er hat 2019 alle 14 Achttausender der Erde innert sechs Monaten und sechs Tagen bestiegen. Zuvor hatte dieser Rekord bei fast acht Jahren gelegen.
2017 unternahm eine Gruppe von Gurkhas – Angehörige einer Elite-Truppe der britischen Armee, die aus nepalesisch-indischen Soldaten besteht – eine Expedition auf den Mount Everest. Für das militärische Relikt aus der britischen Kolonialzeit war es eine Pilgerreise von grosser Bedeutung: Sie sollte 200 Jahre Treue der Gurkhas zur britischen Krone feiern. 2015, zum eigentlichen Datum des Jubiläums, musste die Expedition abgebrochen werden: Das verheerende Erdbeben, das damals halb Nepal zerstörte, löste auf dem Everest eine Lawine aus, die das Basislager unter sich begrub. Jetzt, zwei Jahre später, stand die Expedition neuerlich vor dem Scheitern: Unsichere Wetterbedingungen hatten es in diesem Jahr unmöglich gemacht, Fixseile auf der Route zum Gipfel zu montieren. Also konnte auch niemand hinaufklettern.
«Ich dachte nur: Wow!», erzählt Nirmal «Nims» Purja, damals Teil des GurkhaKletterteams. «Unser Ruf war in Gefahr. Jeder denkt, Gurkhas sind die Tapfersten der Tapferen. Und dass der Everest in unserem Hinterhof steht. Ausserdem: Wann würden wir je wieder die Chance haben, um das Geld der britischen Steuerzahler da hinaufzusteigen? Also entschied ich mich, ein Team anzuführen, das die Fixseile anbringen würde.»
Als das Gerücht von diesem Plan im Camp die Runde machte, war die häufgste Reaktion: Hat der Typ eine Ahnung, was er tut? «Niemand wusste, wer ich bin», erinnert sich Purja. «Also führte ich 13 Expeditionsmitglieder zum Gipfel – es war das erste Team, das das in diesem Jahr von der Südseite aus schaffte. Als wir nach Kathmandu zurückkamen, haben wir eine Woche lang gefeiert.»
Klingt verwegen? Schon, aber es geht noch weiter. Nims Purja: «Dann kletterte ich noch einmal auf den Everest, und danach stieg ich auf den Lhotse und den Makalu (viert- und fünfthöchster Berg der Welt; Anm.) – alles in fünf Tagen, mit jeweils zwei Tagen Party dazwischen.»
Heute wissen defnitiv alle, wer Nims Purja ist. Voriges Jahr hat er alle 14 Achttausender dieser Welt in Rekordzeit bezwungen. Der alte Rekord stand bei sieben Jahren, zehn Monaten und sechs Tagen. Purja plante für ihre Besteigung sieben Monate ein. Er schaffte es dann in sechs Monaten und sechs Tagen, was den Elitesoldaten ins Rampenlicht einer breiten Öffentlichkeit katapultierte.
Es bescherte ihm freilich auch harsche Kritik von alpinen Puristen – hauptsächlich für die Verwendung von Flaschensauerstoff und die Benützung von Hubschraubern zwischen den Basislagern. «Ich habe den Sauerstoff nur ganz oben genommen, beim letzten Anstieg», ver-
Nims Purja, der Gurkha, 2002
Nach der erfolgreichen Ausbildung zum Elite-Soldaten der British Army in England. «Mein Vater war ein Gurkha, meine Brüder waren Gurkhas. In der nepalesischen Community wird das sehr respektiert.»
teidigt sich Purja. «Und was die Helikopter anlangt, kann ich nur sagen: Das mag für Nepal stimmen, aber in Pakistan habe ich keine Hubschrauber eingesetzt. Dort bin ich von Basislager zu Basislager gelaufen. 23 Tage für alle fünf Gipfel, mein Freund! Ich habe kein Problem mit Kritikern. Wenn irgendjemand meinen Rekord bricht, dann bin ich der Erste, der ihm gratuliert. Aber es redet sich leicht, wenn man es nicht tun muss!»
Er denkt kurz nach, dann fügt er hinzu: «Bitte schreib, dass Nims das mit einem Lächeln gesagt hat, okay?» Wir sitzen in einem Hotelzimmer am Fuss des Mont Blanc, wo Purja seinen Urlaub verbringt. Der Mann strahlt mit der Sonne um die Wette. Er ist so muskulös, wie man sich das vorgestellt hat, aber ein bisschen kleiner – eins siebzig.
Den EntdeckerSchnauzbart, den er voriges Jahr bei seiner «Project Possible»Tour trug, hat er abrasiert. Darunter kommt ein Bubengesicht zum Vorschein, das ihn viel jünger macht. «Ich bin 38», sagt er. «Oder, um ganz ehrlich zu sein: Ich weiss nicht, wie alt ich bin. Ich feiere auch meinen Geburtstag nie, weil ich der Ansicht bin, Alter ist Einstellungssache. Wenn du denkst, dass du alt wirst, hast du gleich eine Entschuldigung.» Ein verblüffendes Selbstverständnis. Aber bloss eine von vielen Überraschungen, die den Mythos Nims Purja prägen.
Nur ein Beispiel: Es heisst, dass nepalesische Kletterer davon proftieren, dass sie in grosser Höhe aufwachsen. «Ich komme aus Chitwan», klärt Purja auf. «Das ist der fachste und wärmste Teil Nepals, fast auf Meeresniveau. Wir waren eine wirklich arme Familie und lebten in einem kleinen Haus mit Hühnern nebenan. Ich hatte nicht einmal FlipFlops. Das änderte sich, als meine zwei Brüder zu den Gurkhas kamen.»
Annapurna, April 2019
Der mit 8091 Metern zehnthöchste Gipfel der Welt gilt auch als einer der gefährlichsten. Lawinengefahr zwang Purjas Team, über die selten benützte «Dutch Rib»-Route (im Bild) aufzusteigen.
Um ihrem Bruder ein besseres Leben zu ermöglichen, schickten ihn die Geschwister ins Internat, wo aus ihm ein exzellenter Schüler wurde. «Ich war immer unter den besten fünf», erzählt Purja, «ich hätte auch der Beste sein können, aber ich zog es vor, mit einer Zwei-Stunden-Prüfung in einer Stunde fertig zu sein, damit ich als Erster das Klassenzimmer verlassen konnte. Aber ich wollte weder Arzt noch Ingenieur werden. Ich sah zwei Möglichkeiten: Eine war, der Robin Hood von Nepal zu werden, um die Reichen, die keine Steuern zahlen, rauszuschmeissen und das Geld den Armen zu geben.» Er entschied sich für Option Nummer zwei: die Gurkhas.
«Zu meiner Zeit haben sich 32.000 Nepalesen beworben, nur 320 von ihnen wurden aufgenommen. Ich fng mit fünfzehn zu trainieren an: Ich stand um drei Uhr früh auf, rannte 25 Kilometer mit Gewichten an den Beinen. Um fünf Uhr war ich zurück im Bett. Ich schaffte die Aufnahme bei den Gurkhas beim zweiten Versuch.» Auf seine Zeit in der Armee ist Purja sehr stolz: 2002 kam er zu den Gurkhas, übersiedelte in ihr Trainingscenter in England. 2009 wechselte er zur Spezialeinheit «Special Boat Service», kurz: SBS – er ist der einzige Gurkha, dem das jemals gelang.
Details? Alles streng geheim: «Was ich sagen kann, ist, dass ich angeschossen wurde und dass ich bei einigen der heikelsten Operationen der Welt dabei war.»
Doch zurück zum Bergsteigen. Nims Purjas aussergewöhnlichstes Talent besteht in seiner unglaublichen Fähigkeit zur Regeneration: Normalerweise dauert es Wochen, bevor sich der Körper – zum Beispiel in einem Basislager – an den niedrigen Luftdruck in grosser Höhe gewöhnt hat. Während dieser Zeit steigt der Wert des Hämoglobins im Blut an – jenes
«Ich wollte der Welt zeigen, was möglich ist, wenn du Geist, Herz und Seele in ein Projekt hineinwirfst.»
Purja hat in diesem Sommer am Mont Blanc Speedflying gelernt, die auffrisierte Variante des Gleitschirmfliegens. Das wird in Zukunft seine Abstiege deutlich beschleunigen.
«Ich liebe, was ich tue, aus tiefstem Herzen. Und ich habe so viel Spass, dass ich nie müde werde. Auf einem Achttausender werde ich erst lebendig.»
Gasherbrum II, 18. Juli 2019
«ICH TRAGE MEINE FAMILIE IMMER BEI MIR»
Vier Tage bevor Nims Purja sein «Project Possible» startete, unterzog er sich der letzten Sitzung für ein Stück Körperkunst, das jetzt seinen Rücken schmückt. Die Arbeit zeigt die 14 Berge seiner Tour – vom kleinsten, dem 8027 Meter hohen Shishapangma ganz unten, bis zum Mount Everest (8848 m), der bis hinauf zum Nacken reicht. Aber es ist kein herkömmliches Tattoo. Das Werk, in vier Sitzungen von der Londoner TattooKünstlerin Valerie Vargas gestochen, enthält nämlich den genetischen Code von Purjas Angehörigen. Das entsprechende Verfahren wurde 2016 von ExNavySEAL Boyd Renner und seinem Geschäftspartner Patrick Duffy patentiert: «Everence» verarbeitet DNA – in Purjas Fall waren es Haare von Eltern, Geschwistern und seiner Frau – zu einem medizinischen Polymer in Form eines Pulvers, das mit Tätowierfarbe vermischt werden kann. Diese Tinte wurde verwendet, um die Gebetsfahnen auf Purjas Rücken herzustellen.
Proteins, das in den roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport sorgt.
Nur so, dachte man bis vor kurzem, kann der Aufstieg auf einen Achttausender gelingen; und danach braucht der Bergsteiger Wochen, um sich von der Strapaze zu erholen. Als Nims Purja 2019 von Everest, Lhotse und Makalu zurückkehrte – ein Teil seiner «Project Possible»-Tour –, hatte er für die drei Gipfel 48 Stunden und 30 Minuten gebraucht.
«Meine Regenerationszeit ist tatsächlich sehr kurz», sagt Purja zu dem medizinisch kaum erklärbaren Phänomen, «aber für mich ist auch das eine Frage der Einstellung. Ich liebe, was ich tue, aus tiefstem Herzen. Und ich habe so viel Spass dabei, dass die ganze Müdigkeit verschwindet. Ein Achttausender? Das ist ein Ort, an dem ich erst lebendig werde. Das ist mein Spielplatz.»
Dabei hat er erst im Alter von 29 Jahren das erste Mal Steigeisen angeschnallt. Der erste Berg, den er bestieg, war der 6119 Meter hohe Ostgipfel des Lobuche im Jahr 2012, davor hatte er keinerlei Bergsteiger-Erfahrung gehabt. Zwei Jahre später bezwang er mit dem Dhaulagiri seinen ersten Achttausender und entdeckte dabei seine verblüffende Fähigkeit, in grossen Höhen aufzublühen. «Ich kletterte da in 14 Tagen ohne jede Akklimatisation hinauf», erzählt er.
Dennoch ist selbst er nicht gegen die Effekte der sogenannten «Todeszone» oberhalb von 8000 Metern gefeit, wie er bei seiner Erstbesteigung des Mount Everest 2016 merkte. «Ich ging mit meiner Ausrüstung und dem Sauerstoff zum Basiscamp. Normal brauchen die Leute für so was sechs Wochen. Ich machte es in fünf Tagen», erinnert er sich. «Als Gebirgsjäger beim SBS wusste ich natürlich, dass das viel zu schnell war, aber mir ging es gut. Doch dann bekam ich
Everest, 2017
Nims Purja als Mitglied der «Gurkha 200»-Expedition auf dem Weg zum Gipfel des Mount Everest. «Das Wetter war brutal», erinnert er sich, «aber aufzugeben war keine Option.»
ein Lungenödem. Das war wie Ertrinken. Doch noch mehr schmerzte mich die Erkenntnis, dass ich das mit meiner Erfahrung hätte vermeiden können. Aber du weisst halt erst, wo deine Grenzen sind, wenn du sie überschreitest.»
Ein kühner Zugang, gewiss, aber Purja sieht das differenziert: «Freilich mag das vielen Leuten waghalsig erscheinen. Selbst in der Spezialeinheit war ich bekannt für meine Risikobereitschaft, aber das Risiko ist nicht für alle gleich. Ich könnte zum Beispiel nicht BASE-jumpen. Du lebst im Moment, aber das heisst nicht, dass du keine Risikobewertung vornimmst. Es ist ein schmaler Grat zwischen mutig und dumm – im Moment zu leben und dabei zu sterben. Ich will eine ganz lange Zeit im Moment leben.»
Als Purja 2018 zum Leiter der SBS-Abteilung «Kriegsführung in extremen Kältegebieten» ernannt wurde, wandte er sich mit einer Bitte an seinen Kommandanten. «Ich sagte: ‹Weil das jetzt mein Job ist und ich noch so viel Urlaub habe, möchte ich mir gern 18 Tage freinehmen und auf die fünf höchsten Berge der Welt klettern. Das bringt auch was für die Einheit.› Zuerst waren meine Vorgesetzten begeistert, doch dann sagten sie: ‹Dieses Risiko kannst du nicht eingehen.› Ich sagte: ‹gut›, und beschloss zu kündigen.»
Es war keine leichte Entscheidung. «Ich war in meiner Familie der Alleinverdiener. Jeden Monat schickte ich Geld von meinem Gehalt direkt nach Hause an meine Eltern. Mein Vater lag halbseitig gelähmt im Spital, meine Mutter lebte in einem Zimmer in Kathmandu, um bei ihm zu sein. Mein Bruder rief mich an: ‹Du bist jetzt so nahe an deiner Pension, warum willst du das opfern?› Er war wütend und hat zwei Monate kein Wort mit mir gesprochen.»
Inzwischen drohte auch Purjas ehrgeiziger Plan – er hatte das Vorhaben, alle 14 Achttausender in Rekordzeit zu besteigen, mittlerweile «Project Possible» getauft – an der Realität zu zerschellen. «Ein Freund, der sich um die Finanzierung kümmern sollte, sagte: ‹Es tut mir leid, aber ich habe überhaupt kein Geld zusammenbekommen, obwohl ich es sieben Monate lang versucht habe.› Mir blieben gerade einmal zwei Monate, um 750.000 Pfund (fast 900.000 Franken; Anm.) aufzutreiben. Es war hart, die potenziellen Sponsoren anzubetteln. Zwar bekam ich 1000 Pfund da, 5000 dort, aber es war nicht genug. Niemand glaubte an meine Vision. Einige sagten: ‹Wenn Sie so ein Teufelskletterer sind, warum haben wir dann noch nie etwas von Ihnen gehört?› Und ich sagte darauf: ‹Weil ich in einer Spezialeinheit war.›
Also verpfändete ich mein Haus. Ich bekam 60.000 Pfund und legte 10.000 davon zur Seite, damit ich die Hypothek würde bedienen können, falls etwas passieren sollte. Ich startete das Projekt also mit knapp sieben Prozent der Summe, die dafür nötig war. Eines Tages kamen mir im Auto die Tränen. Ich weine sonst nie, aber da konnte ich nicht aufhören. Der einzige Gedanke, zu dem ich fähig war, lautete: Warum tue ich mir das an? Es war so schmerzhaft. Aber es ging nicht um mich. Ich machte das für ein höheres Ziel.»
Wenn du dich auf eine Mission in dieser Grössenordnung einlässt, dann brauchst du ein höheres Ziel, sagt Purja. «Wenn es nur darum gegangen wäre, einen Rekord zu brechen, dann hätte ich gesagt: Der Rekord steht bei fast acht Jahren; ich mache es in sieben. Aber ich wollte mehr. Ich wollte der Welt zeigen, was alles möglich ist, wenn du deinen ganzen Geist, dein Herz und deine Seele
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PURJAS PACKLISTE
Was der Gipfelstürmer auf seinem Erfolgsweg dabeihatte (im Uhrzeigersinn, oben links beginnend).
1. Thermosflasche, Inhalt: 1 Liter.
«Ich habe keine anderen Wasserflaschen bei mir, ich nehme heisses Wasser, um Schnee zu schmelzen. So mache ich zwei Liter aus einem und spare Gewicht.»
2. Eisgerät Black Diamond Cobra
aus Carbon. «Sehr leicht und vielseitig einsetzbar. Er wird zur Führungsarbeit auf technisch schwierigen Kletterrouten verwendet und hilft, Stürze zu bremsen.» 3. Baseballkappe. «Weil du deinen Kopf gegen die Sonne schützen musst.» 4. Sonnenbrillen (nicht im Bild)
5. Daunenanzug ThruDark (nach
Mass gefertigt). «Entworfen von zwei Freunden bei der Spezialeinheit; das ist bereits die dritte Generation von GipfelAnzügen, die ich benütze. Er hält Temperaturen bis zu minus 40 Grad Celsius stand.»
6. Beanie-Haube 7. 40 Meter leichtgewichtiges und wasserabweisendes Alpin-Seil 8. Ein Paar Steigeisen
9. Ein Seesack «für meine komplette ExpeditionsAusrüstung».
10. Leichtgewichts-Klettergurt
«mit all meiner KletterAusrüstung: zwei Eisschrauben und ein Rettungssystem inklusive MiniSteigklemme (zum Aufsteigen am Seil), Sicherungsgerät (um einen nachkommenden Bergsteiger zu sichern), Bandschlinge und PrusikSchlinge» (ein Stück fester Schnur, das beim Abseilen als Selbstsicherung ans Hauptseil geknotet wird).
11. Dicke Socken 12. Drei Schichten von Hand-
schuhen. «Arbeitshandschuhe und grosse Gipfelhandschuhe».
13. Schichten von Unterwäsche
14. Expeditionsschuhe. «Weisst du, warum sie schwarz sind? Weil ich bei dieser Marke vorstellig wurde und um Unterstützung bat – und sie sagten nein. Also habe ich ihr Logo mit einem Filzstift übermalt.» 15. Rucksack. «Ich habe den Nims 120 (Fassungsvermögen 120 Liter) mit Osprey entworfen. Es ist der ultimative Rucksack für Bergsteiger: leichtes Material, klein und kompakt, aber es passt viel hinein – schliesslich müssen wir das Zelt, den Sauerstoff und all das mitschleppen.»
«Wenn jemand meinen Rekord bricht, werde ich der Erste sein, der gratuliert.»
Purjas neue Mission: «Ich werde meine Kraft und meinen wachsenden Einfluss nutzen, um die Menschen auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen.»
in ein Projekt hineinwirfst. Und ich wollte die Aufmerksamkeit auf die nepalesischen Kletterer lenken. Während der letzten hundert Jahre standen wir immer nur im Hintergrund, doch das Klettern in grössten Höhen ist unser Revier. Ich hatte das Gefühl, da etwas unternehmen zu müssen. Das war es, was mir die Energie gegeben hat, das durchzustehen.»
Purja ist kein Sherpa im ethnischen Sinn, aber er identifziert sich mit dem Begriff, wenn er für Nepalesen verwendet wird, die in der KletterSzene arbeiten. Sein Team besteht ausschliesslich aus nepalesischen Bergsteigern. Sie sind in seinem Windschatten ebenfalls zu Stars geworden – etwa Mingma David Sherpa, der nun mit 31 Jahren der jüngste Kletterer ist, der alle 14 Achttausender bezwungen hat. «Er ist meine rechte Hand», schwärmt Purja, «einer der stärksten Sherpas, die ich je gesehen habe.» Die Mannschaft hat dem Chef mittlerweile einen neuen Namen verpasst. Liebevoll nennen sie ihn «Nimsdai» – die zweite Silbe dai heisst in Nepal so viel wie «älterer Bruder». Diesen Vornamen verwendet Purja jetzt offziell, er steht auch auf seinem neuen Buch: «Beyond Possible: One Soldier, Fourteen Peaks – My Life in the Death Zone» (Jenseits des Möglichen: ein Soldat, vierzehn Gipfel – Mein Leben in der Todeszone).
Am 23. April 2019 erreichte das Team von Project Possible den Gipfel seines ersten Achttausenders – den der Annapurna in Nepal, die als tödlichster Berg der Welt gilt. Beim Abstieg erfuhr Purja, dass ein anderer Kletterer, der Arzt Chin Wui Chin aus Singapur, in Schwierigkeiten geraten war. Er hatte in einer Höhe von 7500 Metern sein Team verloren. Daraufhin unterbrach Purja die Mission, um gemeinsam mit zwei anderen aus der Seilschaft nochmals hinaufzusteigen und den Bergsteiger aus seiner Notlage zu bergen (bedauerlicherweise erlag Chin zwei Tage danach im Spital seinen Verletzungen).
Zwei Tage später, am Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde, machten sie noch einmal einen Umweg, um zwei weitere Bergsteiger zu retten. Diese Geschichten machten weltweit Schlagzeilen, ganz zu schweigen von dem berühmten Foto, das Nims Purja am Mount Everest schoss und das eine unfassbare Schlange von Kletterern zeigt, die sich vor dem Gipfel gebildet hat.
«Als ich mich regelmässig aus den Bergen gemeldet habe», erinnert sich Purja, «begannen die Leute auch für meine Mission zu spenden.» Noch entscheidender: Sponsorengelder begannen ebenfalls zu sprudeln – endlich glaubten auch die Geldgeber an Purjas Vision.
Wenn er je Zweifel am Erfolg seiner Mission verspürt hat, dann war das am K2, dem mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Welt. Die Bedingungen waren so schlecht, dass sogar Purjas nepalesische Kollegen meinten, es sei wohl unmöglich, den Gipfel zu erreichen. «Da dachte ich: Oh Mann, kann ich das schaffen? Doch in dieser Situation erinnerte ich mich an das Auswahlverfahren für das SBS: 200 Soldaten wollten in diese Spezialeinheit – alle glaubten von sich, dass sie die Besten seien, aber nur vier schafften es. Würdest du den 196 Gescheiterten zuhören, würdest du es wohl kaum versuchen.»
Purja entschied also, den Anstieg zum K2Gipfel mit jeweils zwei Mitgliedern seines Teams zu versuchen. «Ich sagte: ‹Wenn wir es beim ersten Versuch nicht schaffen, dann kommen wir wieder runter. Ihr zwei ruht euch dann aus, und ich mache mit zwei anderen einen weiteren Anlauf.› So haben wir insgesamt sechs Versuche, bevor ich anfange, übers Aufgeben nachzudenken.»
Der Gipfelsturm klappte schon beim ersten Versuch. Am 24. Juli 2019 stand Purja mit seinen beiden Teamkameraden am Gipfel des K2.
Wenn Nims Purja, der für seine Leistungen inzwischen zum Mitglied des Order of the British Empire ernannt wurde (MBE), am Mont Blanc Ferien macht, darf man das wörtlich verstehen: Der mit 4808 Metern höchste Berg der Alpen ist für ihn nicht mehr als ein Spaziergang. Er hat diesen Sommer dazu genutzt, Fliegen zu lernen. Präziser: Er lernte Speedfying, die auffrisierte Variante des Gleitschirmfiegens. Man benutzt dafür einen kleinen und leichten Schirm, der einfach zu transportieren ist und sich deshalb bei ExtremBergsteigern zunehmender Beliebtheit erfreut. «Du kommst damit ganz schnell und mit Stil vom Gipfel runter und kannst auf direktem Weg zum nächsten Berg fiegen», erklärt Purja fröhlich. Man ahnt: Der Mann ist immer mit Vollgas unterwegs, das ist seine Idee von Spass. Dazu passt auch, dass er HardrockFan ist, am liebsten mag er AC/DC («Im SBSHubschrauber habe ich immer volle Pulle ‹Thunderstruck› im Kopfhörer gehabt»).
So lässig Purja auch scheinen mag, wenn es um seine Leistungen und Fähigkeiten geht, so ernst nimmt er seine Ziele. Eines ist erst vor kurzem dazugekommen: der Kampf gegen den Klimawandel. «Ich hatte nie daran geglaubt», sagt er. «Aber als ich 2014 auf den Ama Dablam geklettert bin, hatten wir in Camp 1 genug Schnee zum Schmelzen und Kochen. Als ich 2018 wieder dort war, mussten wir gallonenweise Wasser vom Basecamp dort hinaufschleppen. Da erkannte ich: Oh mein Gott, dieser Wahnsinn passiert ja wirklich!»
Purja weiter: «Wir alle sind Teil dieser Katastrophe. Ich werde meine Kraft und meinen wachsenden Einfuss dazu nutzen, um die Menschen davon zu überzeugen. Ich glaube, wir haben noch die nächsten zwei Jahrzehnte Zeit, um das Problem zu lösen.»
Denn wenn Nims Purja auf seinen AchttausenderExpeditionen eines gelernt hat, dann das: «Es gibt für jedes Problem eine Lösung.»
«Kletterer aus Nepal standen die letzten 100 Jahre im Hintergrund. Ich wollte die Aufmerksamkeit auf sie lenken.»
Purjas Buch «Beyond Possible: One Soldier, Fourteen Peaks – My Life in the Death Zone» ist bereits erschienen. Nimsdai.com; Instagram: @nimsdai
EXTREM – ABER MIT KÖPFCHEN
Ueli Kestenholz geht eigene Wege –privat wie als Sportler. Warum man auch als Erfolgsmensch offen für Neues bleiben sollte, erklärt er uns bei einem Speedride-Stunt.
Wie man ihn bezeichnen soll? Ueli Kestenholz gerät kurz ins Grübeln. Der Begriff «Extremsportler» passt ihm nicht; lieber hat er es, wenn man ihn «Outdoor-Athlet» nennt. Freilich kennt ihn alle Welt als Schweizer Snowboard-Pionier, der an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen Medaillen gesammelt hat. Dass er sich seither neu erfunden hat und heute spektakuläre Film- und Fotoprojekte realisiert, zum Board auch gern Freeride-Ski, Speedride- und Gleitschirm einpackt und andere Sportbegeisterte in seine Welt entführt, ist typisch für ihn. Denn Ueli Kestenholz ist keiner, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht. Im Gegenteil: Der Berner sucht die Herausforderung und möchte ausgetretene Pfade so oft wie möglich vermeiden.
Seinen eigenen Weg gehen
– diese Philosophie zieht sich wie ein roter Faden durch seine Vita. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs in der alpinen Snowboard-Szene
OFFROAD – IN DER NATUR UND IM ALLTAG
Ueli Kestenholz mit seinem Mazda CX-5
POWDER-LOVE
Naturfreak Ueli Kestenholz auf eigenen Pfaden
hörte er auf, weil für ihn die Ausrichtung nicht mehr stimmte. Und um mehr Mitspracherecht für Athleten zu erreichen, scheute er auch die Konfrontation mit dem Verband nicht. «Ich höre immer auf mein Bauchgefühl, damit bin ich bislang gut gefahren», sagt der 45-Jährige. Er sei überzeugt davon, dass man Herausforderungen als Chancen sehen und Neues wagen sollte. Auf diese Weise entdeckte er auch das Speedriding für sich – eine Variante des Gleitschirmfliegens mit Ski, bei der enorm hohe Geschwindigkeiten erreicht werden können.
Draufgänger, aber auch Planer
Für eine Speedride-Aktion fahren wir mit ihm in die BerninapassRegion unweit der schweizerischitalienischen Grenze. Abseits der grossen Massen findet er die Ruhe und die richtigen Bedingungen für seine Stunts. Für alle Fälle packt der Naturfreak zu Hause auch
Tourenski, das Snowboard und den Gleitschirm in seinen Mazda CX-5. «Platz hat das Auto schliesslich genug, und ich möchte für alle Fälle ausgerüstet sein», lacht er. Dank dem Allradantrieb seines Mazda CX-5 meistert er die schneebedeckten Strassen ohne Mühe, und auch bei den vielen kurvigen Passstrassen kann das Kompakt-SUV seine Qualitäten ausspielen. «Der Mazda CX-5 hat sich als treuer Begleiter bewährt», sagt Kestenholz. Zumal der dynamische Offroader auch für einen Abenteurer wie ihn jede Menge sportlichen Fahrspass garantiert – und mit einem zeitlos eleganten Design punktet.
Dann weiss ich: Es funktioniert
Halbe Sachen kommen für den Thuner auch bei seinem Sprung nicht infrage. Der Familienmensch mag im Sport ein Draufgänger sein, seine Aktionen jedoch sind bis ins letzte Detail durchdacht. Vor allem die Windverhältnisse sind entscheidend; schliesslich will er möglichst knapp über seinen Mazda CX-5 fliegen und darf mit seinem Schirm keine Bäume touchieren. «Ein gewisses Risiko ist immer dabei, aber man kann dieses Risiko auch steuern», sagt er lächelnd. Er plane seine Aktionen immer akribisch im Voraus und achte darauf, dass sämtliche Puzzleteile zusammenpassen. «Es gibt immer einen ‹point of no return›. Aber wenn ich mich einmal entscheide, diesen Punkt zu überschreiten, weiss ich: Es wird funktionieren.»
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Abheben und einfach sein – mit den Armen steuert Noé den Flug.
Ich kann
Zuerst katapultiert ihn eine Schanze zwölf bis fünfzehn Meter in die Luft, dann muss er eine harte Landung durchstehen. In den drei Sekunden dazwischen fühlt sich NOÉ ROTH, 20, in seinem Element. Trotz seiner Jugend gilt er als einer der
besten Ski-Akrobaten der Welt. Text HANNES KROPIK Fotos GIAN PAUL LOZZA
fliegen
D
er Laie traut seinen Augen nicht, der Connaisseur schnalzt mit der Zunge. Man muss schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, welchen Trick der Skiakrobat in den Himmel zaubert. Ein Sprung etwa, den das Regelbuch als «Full-Double-Full-Full» kennt, besteht aus einem Salto mit einer Schraube (Full), der fiessend in einen Salto mit DoppelSchraube (Double-Full) und einen weiteren Salto mit Einfach-Schraube (Full) übergeht.
Also drei gestreckte Rotationen um die Körper-Querachse, kombiniert mit vier Rotationen um die Längsachse. Siebenmal 360 Grad, gesamt 2520 Grad. In knapp drei Sekunden. Gefolgt von einer Landung, so hart wie nach einem Sprung aus dem dritten Stock. «Für mich», sagt Noé Roth, «fühlt es sich einfach wunderschön an. Ich fiege.»
Noé Roth aus der Zuger Gemeinde Baar ist der neue Aerials-Überfieger. Im vergangenen Winter krönte er sich – im Alter von 19 Jahren – als erster Schweizer Athlet seit Sandro Wirth 1983 zum Weltcupsieger; schon im Jahr davor hatte er an der WM in Park City in Utah Gold im Team und Einzel-Bronze gewonnen.
Und das in einer Sportart, in der Routine ein ganz wesentliches Moment ist – doch der Juniorenweltmeister von 2018 scheint die (noch) mangelnde Erfahrung durch seine perfekten Gene für diesen Sport zu kompensieren: Mutter Colette Brand gewann 1996 den Aerials-Gesamtweltcup, feierte 13 Weltcupsiege und triumphierte 1992 bei den Olympischen Spielen (wo Aerials allerdings nur als Demonstrations-Wettkampf ausgetragen wurde); Vater Michel «Misch» Roth gewann als Aktiver zwei Weltcupspringen und ist seit 1991 Cheftrainer des Schweizer Aerials-Nationalteams.
Der Papa und Coach in Personalunion weiss natürlich genau, was den 180 Zentimeter grossen und 68 Kilogramm leichten Junior auszeichnet: «Noé hat das Gefühl, fiegen zu können. Er besitzt ein unglaubliches Lagegefühl in der Luft, er spürt sehr schnell und sehr exakt, wie viel Rotation er hat. Dieses Gespür bringen nur ganz wenige Sportler mit. Deshalb sehen bei ihm selbst äusserst komplexe Sprünge nie schwierig aus.»
Die Basis für die spielerische Leichtigkeit, mit der Noé Rotation an Rotation reiht, wurde lange vor Beginn der schulischen Laufbahn gelegt. «Weil meine Mama vormittags arbeiten musste, bin ich immer mit meinem Papa zum Training mitgefahren», erzählt Noé.
Dort, in der Wassersprunganlage «Jumpin» in Mettmenstetten, hatte es ihm besonders das Trampolin angetan: «Ich konnte schon sehr früh Salti springen und dadurch mein Fluggefühl entwickeln.»
Mit sechs Jahren begann Noé zusätzlich, seine Fähigkeiten im Turnverein zu schärfen. «Es hat mir immer riesigen Spass gemacht, und das hat sich bis heute nicht geändert. Vor Wettkämpfen bin ich nicht besonders nervös, sondern freue mich darauf, mich mit anderen messen zu dürfen.»
SCHWUNGVOLL Sieht alles ganz leicht aus, aber Noé hat unglaublich viel Zeit in seine Fähigkeiten investiert.
Seine erste Trophäe gewann Noé bereits als Kind – ohne überhaupt an einem Wettkampf teilgenommen zu haben: «Ich war damals sechs, vielleicht sieben Jahre alt und wie jeden Tag im Sommer mit meinem Vater an der Wasserschanze. Meine früheste Erinnerung an diesen Sport ist, wie ich zum ersten Mal über die kleine Schanze fahre. Daneben hat eine Gruppe gerade einen Wettkampf abgehalten, wer den coolsten Sprung zeigt. Sie haben mich, den kleinen Jungen, offenbar gesehen und mir danach einen riesigen Pokal überreicht. An das Gefühl beim Sprung kann ich mich zwar nicht mehr erinnern, aber dass ich einen Pokal gewonnen habe, hat mir gefallen. Er hat immer noch seinen Ehrenplatz in meiner Trophäensammlung.»
Vater Michel Roth kann sich ganz genau an die Anfänge seines Sohnes erinnern. «Wir haben ihn zwar gefördert, aber nie gedrängt. Er wollte einfach von sich aus springen und nachmachen, was er bei den Erwachsenen gesehen hat. Noé hat sich als Kind sehr viele Sprünge selbst beigebracht, indem er Bewegungsabläufe einfach ausprobiert hat. Er konnte sehr früh Dinge, die andere Kinder in diesem Alter nicht konnten – zum Beispiel den Doppelsalto am Trampolin oder Schrauben in unterschiedlichsten Variationen.»
Natürlich ist ein Verletzungsrisiko nie restlos auszuschliessen, dennoch hatte der ehemalige Weltklasse-Athlet nie wirklich Angst um seinen Buben: «Im Gegenteil. Ich war extrem stolz! Ich fand das cool. Seine Begeisterung hat auch in mir eine grosse Freude ausgelöst, denn es war ja mein Sport, mein Leben. Ich lebe in dieser Welt, seit ich sechzehn bin, und habe selbst nie etwas anderes gemacht. Allerdings war ich nie so gut, wie er es jetzt schon ist.»
Die Besorgnis Aussenstehender kann der Nationalcoach nachvollziehen, will die Gefahren aber richtig eingeordnet wissen: «Natürlich sieht das, was wir machen, extrem aus. Aber wir sind keine wilden Hunde. Wilde Hunde springen nicht lange. Noé ist alles andere als ein Draufgänger. Er hat unglaublich viel Zeit und Anstrengung in seine Fähigkeiten investiert. Du springst ja nicht sofort einen Dreifachsalto mit drei Schrauben, sondern fügst wie bei einem Puzzle immer ein weiteres Teil zum Gesamtbild hinzu.»
Wie ein Katapult
Noé Roth erklärt die Grundlagen eines Sports, in dem er hoch hinauswill.
Noé 2019 bei der WM in Park City, Utah: Gold im Team, Bronze im Einzel
Aerials ist seit 1994 olympisch. Die erste Goldmedaille gewann der Zuger Andreas Schönbächler; bei den Damen krönte Evelyne Leu ihre Karriere 2006 mit dem Olympiasieg, Noé Roths Mutter Colette Brand sprang 1998 zur Bronzemedaille.
Die Skiakrobatik zählt – neben Moguls, Big Air, Halfpipe und Slopestyle – zu den fünf Geschicklichkeitsdisziplinen, die unter dem Begriff Freestyle Skiing zusammengefasst werden. Gesprungen werden dürfen nur im Regelbuch definierte Kombinationen aus Salti, Drehungen und Grätschen.
Sie sind mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden versehen und werden von fünf Punkterichtern nach den Kriterien Air, Form und Landing bewertet.
«Bei Wettbewerben stehen je nach Anzahl der geplanten Salti unterschiedliche Schanzen zur Verfügung», erklärt Noé. «Für den Dreifachsalto brauchst du eine Anfahrtsgeschwindigkeit von 65 bis über 70 km/h, die Rampe zieht steil hinauf und hat beim Absprung einen Radius von genau 71 Grad.»
Anders als Skispringer drücken sich die Skiakrobaten aber nicht kraftvoll vom Schanzentisch ab: «Es reicht, einfach drüberzufahren. Wir werden so dynamisch hinauskatapultiert, dass wir einen Luftstand von 12 bis 15 Metern erreichen.»
Auf Stöcke wird verzichtet, die nicht taillierten Ski sind eine Spezialanfertigung auf Carbonbasis, 150 Zentimeter lang und (ohne Bindung) pro Latte lediglich 900 Gramm leicht.
Wachs ist – anders als im alpinen Rennlauf – kein wesentlicher Faktor, «und die Ski haben praktisch keine Kanten, weil wir ja nur geradeaus fahren und das Risiko des Verkantens minimieren wollen».
Die Rotationen werden erst nach dem Absprung eingeleitet und mithilfe der Arme gesteuert. Der Blick ist dabei nach Möglichkeit immer auf jenen Bereich gerichtet, in dem etwa drei Sekunden nach dem Absprung die Landung erfolgen soll. Sprünge wie den dreifachen Salto mit drei Schrauben, kurz «FullFullFull» genannt, «kann man so richtig geniessen», sagt Noé Roth, «weil du ab dem ersten Salto praktisch immer den Boden siehst. Wenn du einem Salto eine zweite oder gar dritte Schraube hinzufügst, wird es schwieriger. Du siehst nicht, wo du bist, und musst auf dein Gefühl vertrauen.»
IM FREIEN FALL
Das sieht nur so halsbrecherisch aus. Noé weiss zu jeder Zeit, was er tut.
Noé wohnt noch bei seinen Eltern. Seine Freizeit verbringt er am «Jumpin»Trainingsgelände und geht am Bungeegerät in die Luft. Wenn es ihn nach sportlicher Ablenkung gelüstet, surft er im Wavepool in Luzern oder hüpft mit seinem Skateboard in der Miniramp herum. Und natürlich kann er – auch wenn seine Disziplin ohne Schwünge auskommt – richtig gut Ski fahren. Die Frage nach anderen Hobbys, anderen Themen, die ihn wirklich interessieren, lässt Noé lang innehalten. Die Antwort fällt knapp und bestimmt aus: «Sport. Ja, Sport ist mein Leben.»
Und so ist es kein Wunder, dass der Bewegungsfanatiker für jede Art von Bürotätigkeit denkbar ungeeignet ist. Seine Kaufmannslehre beendete Noé auf nachdrücklichen Wunsch bereits im Alter von 17 Jahren: «Ich wollte das ja von Anfang an nicht machen. Aber als Sportler hast du wenig Alternativen für eine Ausbildung neben dem Training. Nach einem Jahr war mir aber endgültig klar, dass ich nicht den ganzen Tag drinnen am Computer hocken und irgendwelche Statistiken bearbeiten kann.»
Dabei hatte es Noé mit seiner Lehrstelle bei der Similasan AG, Hersteller von homöopathischen Arzneimitteln, eigentlich sehr gut getroffen. Deren CEO Urs Lehmann war nicht nur Skirennläufer und 1993 AbfahrtsWeltmeister, sondern ist als Präsident des Schweizer Skiverbandes auch der Chef von Noés Trainervater – und mit Conny Kissling verheiratet, die als Kollegin von Noés Mutter zwischen 1983 und 1992 zehnmal in Serie den Gesamtweltcup der FreestyleSkifahrerinnen gewann.
«Ja, unsere Familien sind befreundet, deshalb haben wir gemeinsam diskutiert und den bestmöglichen Weg gefunden», sagt Michel Roth, der die Entscheidung seines Sohnes zum Abbruch der Lehre nicht uneingeschränkt begrüsst.
Andererseits: «Bis jetzt hat noch jeder Athlet, den ich trainiert habe, gute Möglichkeiten für das Leben nach der Karriere gefunden. Dennoch haben wir gemeinsam beschlossen, dass Noé einen Teil seiner Einnahmen auf die hohe Kante legen muss, um sich später eine Ausbildung fnanzieren zu können.»
GUTE GENE Noé mit seinem Vater und Trainer Michel – man ist perfekt aufeinander eingestellt.
Aktuell steht jedoch die sportliche Weiterentwicklung im Vordergrund. 2018 durfte Noé mit knapp 17 Jahren als einer der jüngsten Schweizer Athleten bei seinen ersten Olympischen Winterspielen in Korea Erfahrungen sammeln.
Nach dem hervorragenden 16. Rang beim Debüt sind die Vorzeichen für Peking 2022 andere: Auch wenn sich der regierende Weltcupsieger nicht früh in eine Favoritenrolle drängen lassen will, weiss er doch um sein Potenzial.
Denn schon im Sommer arbeitete er intensiv an jenem Sprung, der aktuell als schwierigster im Skizirkus gilt und der den respekteinfössenden Namen «Hurricane» trägt: Beim diesem FullTripleFullFull wirbelt der Athlet mit acht Rotationen durch die Luft, wobei allein der zweite Salto von drei Schrauben akzentuiert wird. «Im Sommer auf der Wasserschanze kann er den Sprung bereits», sagt Cheftrainer Michel Roth, «auf Schnee werden wir ihn aber erst in der kommenden Olympiasaison im Wettkampf zeigen.»
Noé freut sich auf die Herausforderung: «Die zusätzliche Schraube macht den Sprung natürlich schwieriger. Der Absprung muss perfekt sein, und du hast in der Luft noch weniger Zeit. Es kommt also ganz wesentlich auf das richtige Timing an.» Und auf die Gewissheit, fiegen zu können.
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Berührende Melodien So klingt der Mensch
Ein Gerät namens «Touch Me» macht unseren Körper zum Instrument – der Name deutet schon an, dass die Musik hier eher Nebensache ist.
Das Ding, das jeden Menschen zum Klangkörper macht, erinnert an ein Mini-Skateboard. Tatsächlich ist es ein Midi-Controller, mit dem sich Körperteile in Instrumente verwandeln lassen: der Hals zum Beispiel in eine Flöte, der Arm in ein Klavier, der Bauch in eine Gitarre. Alles, was dazu nötig ist, sind eine Computer-Verbindung (ganz einfach per USB-Kabel) und ein zweiter Mensch. Musiker und Designer Sasha Pas, Entwickler von «Touch Me», hatte bei der Erfndung nicht nur Musik im Sinn. Viel wichtiger war ihm die Bedeutung von Berührungen für das menschliche Wohlbefnden: «Wir haben in diesem Jahr eine Reihe von Interviews mit Psychologen, Therapeuten und Pädagogen gemacht, um noch mehr darüber zu erfahren. Heraus kam, dass wir Menschen sehr anpassungsfähig sind, aber ohne Berührungen nicht leben können.»
Und deshalb funktioniert «Touch Me» auch am besten zu zweit. Beide halten je eines der zwei Enden des mit dem Computer verbundenen Geräts in einer Hand, die andere Hand spielt Melodien auf dem Körper des Partners (hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt). «Touch Me» misst den Widerstand zwischen den Kontaktbereichen und sendet das Ergebnis
Musik aus dem Bauch, aber wirklich: «Touch Me» macht aus dem Körper ein Instrument.
als Midi-Signal an den Computer. Mit der Intensität des Drucks können die Töne verändert werden. Zusätzliche Modifkationen sind am Computer möglich (zum Beispiel mit Apples «Garage Band»).
«Touch Me» eignet sich natürlich nicht nur für Hausmusik. Sasha Pas: «Als wir Fremde noch ohne Sorge berühren konnten, haben wir bis zu fünfzig Menschen verbunden, sie sozusagen als soziales Instrument gespielt.» Nachsatz: «In der aktuellen Situation denken die Menschen – glaube ich – mehr denn je über Berührungen nach.»
«Touch Me» wird voraussichtlich ab Mitte Februar ausgeliefert, der Preis wird bei rund 75 Euro liegen.
playtronica.com
Ein Gerät, das Menschen verbindet: Die Töne entstehen durch Berührungen.
Bunt ist die Hoffnung
Der Performancekünstler NICK CAVE, 62, aus Missouri ist mit seinen schrillen Ganzkörperkostümen, sogenannten Soundsuits, zum Weltstar geworden. Seine Arbeiten regen zum Nachdenken an, indem sie mit Vorurteilen spielen. Und verleihen schwergewichtigen Themen ungeahnte Leichtigkeit.
Redaktion FLORIAN OBKIRCHER
Pelzig bunter Aktivismus: Tanz in den farbenfrohen «Soundsuits» des Künstlers Nick Cave
Nick Cave, 62, schwarz und homosexuell. Sein Ziel: Alter, Hautfarbe und Geschlecht sollen nicht länger von Bedeutung sein.
«Ich zeige Bilder, die wir gerne ignorieren, aber nicht ignorieren können.»
Es ist immer dasselbe mit Nick Cave. Kommt man mit seiner Kunst in Berührung, verwandelt man sich vom Erwachsenen in ein staunendes Kind. Seine unglaublichen Fantasiewelten lassen keine andere Reaktion zu als weit aufgerissene Augen und heruntergeklappte Kinnladen: Wir bekommen es mit kreischbunten Yetis zu tun oder mit Wesen, deren Körper aus tausenden Knöpfen bestehen und statt Gesichtern Abakusse haben. «Die meisten Leute sind erst einmal fasziniert von der Grösse und der positiven Stimmung, die herrscht», meint Cave. Er ist nicht nur Stoffbildhauer und Künstler, sondern hat auch eine Tanzausbildung und inszeniert seine Werke gern wie afrikanische Bantu Rituale – mit Trommeln, Tanz und Lebensfreude. «Aber sobald sie genauer hinsehen, wird ihnen klar: Oh Mist, das ist gar nicht so hübsch, wie es auf den ersten Blick scheint.»
Doch dann ist es meist schon zu spät: Gefangen in Nick Caves fein gesponnenem Gedankennetz kann sich der Betrachter dem Grauen, das hinter dem fröhlichen Überschwang lauert, nur noch schwer entziehen.
Caves jüngste Ausstellung «Until», die von September 2020 bis Januar 2021 auf 2200 Quadratmetern im The Momentary Museum in Bentonville im USBundesstaat Arkansas zu sehen war, ist da keine Ausnahme.
Rund 16.000 AluminiumWindspiele liess der 62Jährige an der Decke aufhängen. Ganz egal wohin der Blick fel – überall Funkeln, Glitzern, Regenbogenfarben. Eine surreal schöne, fast schon hypnotisierende Kulisse, hätte man nicht mittendrin ein paar weniger beschauliche und sehr realistische Dinge entdeckt: Windspiele in Form von Pistolen, Patronenkugeln und Tränen etwa. Es ist Caves faszinierende Art, sich mit Waffengewalt, Ungleichbehandlung und Polizeibrutalität auseinanderzusetzen.
Schwer verdaulichen Themen eine Art Leichtigkeit zu verpassen, Schönes mit Hässlichem zu verbinden – das ist der rote Faden, der sich durch alle Arbeiten des Künstlers zieht. Cave nennt das «Verstecken & Enthüllen» und sagt: «Ich schaffe positive Traumwelten und durchbreche sie mit Dingen, mit denen wir – und insbesondere ich als schwarzer Mann in den USA – jeden Tag konfrontiert werden. Ich zeige Bilder, die wir gern ignorieren, aber die wir in Wahrheit nicht ignorieren können.»
Subtile Gesellschaftskritik, mit der Nick Cave, aufgewachsen mit sieben Brüdern und einer alleinerziehenden Mutter unter schwierigen fnanziellen Bedingungen in Missouri, zu einem der angesehensten zeitgenössischen Künstler der Welt wurde.
Caves Arbeiten wirken auf den ersten Blick wie leichte Kost, weshalb er mit ihnen auch die Massen erreicht. Sie sind in den wichtigsten Museen und Galerien
Im Galopp in das New Yorker Grand Central Terminal: In jedem Pferde-Soundanzug stecken zwei Menschen. Die Frage: Wie bewegen wir uns als Team in der Welt?
Für seine Mission verlässt Nick Cave immer öfter Ateliers und Galerien, also die traditionellen Kunsträume.
der Welt ausgestellt. Seine Skulpturen werden für 150.000 US-Dollar aufwärts gehandelt, das Musik-Powerpaar Jay-Z und Beyoncé zählt zu den erklärten Sammlern, und Caves Galerist Jack Shainman meint: «Wenn die Leute beginnen, nach Autogrammen deines Künstlers zu fragen, dann weisst du: Das ist jetzt eine andere Liga.»
Angefangen hat Caves Karriere allerdings in aller Stille – 1992, auf einer Parkbank in Chicago, jener Stadt, in der er jetzt wohnt. Die Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King bei einer Verkehrskontrolle fast zu Tode geprügelt hatten, waren gerade freigesprochen worden. Ein Aufschrei der Empörung hallte durch die USA – und Cave grübelte im Park der Frage nach: «Wie kann ich in einem Land existieren, das mich wegen meiner Hautfarbe als Bedrohung sieht?»
Das Gefühl, fehl am Platz zu sein, lenkt seine Aufmerksamkeit auf Zweige am Boden. Sie sind, überlegt er, abgetrennt vom Baum und doch ein Teil des Ganzen. Jeder hat eine eigene Form. Nick Cave sammelt die Zweige ein und bringt sie heim – ohne zu wissen, was genau er damit machen würde.
Das Ergebnis ist schliesslich sein erster «Soundsuit». Eine tragbare GanzkörperInstallation, die schliesslich zu seinem Markenzeichen wird. Mehr als fünfhundert solcher Fantasiekostüme hat Cave seither geschaffen.
Die bereits eingangs erwähnten Yetis und die Knopf-Wesen gehören zu ihnen. Manche Entwürfe sind drei Meter hoch. Soundsuits heissen sie, weil sie auch Geräusche von sich geben – abhängig von den Materialien, aus denen sie hergestellt sind. Sie rascheln, knarzen, klappern.
Und das Wichtigste: «Sobald du in einen Soundsuit schlüpfst, bist du von deiner Umwelt abgeschirmt.» Hautfarbe, Geschlecht, Alter, sozialer Status – all das sei dann nicht länger relevant, erklärt Cave die Idee hinter den Anzügen. Er fertigt sie aus Fundstücken vom Flohmarkt, Bast, Drähten oder sogar menschlichem Haar.
Die Soundsuits sind für ihn ein Statement gegen Diskriminierung. Betrachter können vorurteilsfrei auf die Menschen zugehen, die in den Kostümen stecken. Sie verhindern Schubladendenken. Und auch die Menschen in den Anzügen können sich frei und ungehemmt bewegen.
Cave mag mit seinen Arbeiten Risse in der Gesellschaft aufzeigen – sein Ziel ist es aber auch, sie zu kitten und die Menschen zusammenzubringen. 2013 liess er zu diesem Zweck dreissig lebensgrosse Pferdefguren in Manhattans Bahnhof, dem Grand Central Terminal, galoppieren. «In den Pferde-Soundsuits steckten jeweils zwei Menschen», erklärt Cave. «Sie mussten zusammenarbeiten, um die Figur zu bewegen. Darum geht’s auch im grossen Ganzen: wie wir uns als Team in der Welt bewegen.» 2018 produzierte Cave in einer ehemaligen Ausbildungshalle der US-Armee in New York eine Show, bei der die Besucher eingeladen waren, mitzutanzen. «Wie können wir Angst und Frustration auf nonverbale Art loswerden? Das war die zentrale Frage», sagt Cave. «Ich habe zu diesem Zweck ein Behördengebäude zu einem Tanzsaal gemacht.»
Im Jahr darauf organisierte er in Boston die erste «Parade der Freude» – eine Prozession, die, angeführt von 75 lokalen Künstlern, die unterschiedlichen Communitys der Stadt näher zusammenbringen sollte.
Für seine Mission verlässt Cave immer öfter die traditionellen Kunsträume. «Das Atelier ist eine Sache. Aber man darf nie vergessen: Da draussen ist auch noch eine Welt.»
Nick Cave ist ein Optimist, der an das Gute, an Veränderung und an die Kraft des Dialogs glaubt. Doch wie viele andere sah er im vergangenen Jahr seine positive Grundeinstellung massiv auf die Probe gestellt. Als im Frühjahr die Pandemie ausbrach, veröffentlichte er eine Videoreihe namens «Cultural Stimulus», in der überdimensionierte Smileys die Hauptrolle spielten – der Tod von George Floyd durch Polizeigewalt im Mai 2020 war dann nicht mehr so leicht wegzulächeln.
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion riefen Cave und sein Lebenspartner Bob Faust – er ist ebenfalls Künstler – das Projekt «Versöhnung» («Amends») ins Leben. Sie luden Nachbarn, Freunde und lokale Persönlichkeiten ein, die Schaufenster von Caves Galerie in Chicago mit «Briefen an die Welt» zu tapezieren. In diesen Botschaften sollten die Teilnehmer zum Thema Rassismus und ihrer Rolle darin refektieren.
Cave ist davon überzeugt, dass eine gespaltene Gesellschaft nur mit Ehrlichkeit und der Bereitschaft zum Dialog wiedervereint werden kann. «Ich zwinge mich immer, strategisch zu denken. Mein Publikum und ich mögen aus unterschiedlichen Welten stammen, und wir mögen unterschiedliche politische Ansichten haben», sagt er. «aber wir arbeiten zusammen, weil wir in meinen Projekten alle Partner werden.»
Derzeit tüftelt Cave an einer Serie namens «A·mal·gams» – Bronzestatuen, die mitunter auch als «Soundsuits 2.0» bezeichnet werden. Eine der Skulpturen zeigt eine sitzende Person – Oberkörper, Arme und Beine sind mit Blumen übersät. Anstelle eines Kopfs wächst ein Baum, in dessen Ästen Keramikvögel sitzen.
«A·mal·gams» ist Nick Caves Antwort auf eine brandaktuelle Debatte: Wer oder was soll in Zukunft auf den Podesten jener Denkmäler stehen, die noch vor kurzem an Menschen erinnerten, die von der Sklaverei proftiert haben – und die im Zuge der Black-Lives-MatterBewegung gestürzt wurden? Wie können wir diese Statuen, die an Zeiten voller Hass und Leid gemahnen, in Symbole der Hoffnung umwandeln?
«Mein Vorschlag ist ein Lebensbaum», sagt Cave. «In Bäumen fnden Vögel aller Art zusammen und bauen ihre Nester.» Für Cave sind die Bronzeskulpturen eine natürliche Weiterentwicklung seiner Arbeit. «Das meiste spielt sich doch sowieso im Kopf ab. Ich wünsche mir, dass der Betrachter der Statuen sich fragt: ‹Was fühle ich? Wie würde ich mich damit bewegen?› Sich seine Neugierde zu erhalten ist wichtig. Für mich geht es immer ums Träumen. Und darum, sich vorzustellen, wie eine gute Zukunft aussehen könnte.»
Neue Denkmäler braucht das Land: Nick Caves Lebensbaum ist ein Hybrid aus Pflanze und Mensch, mit Keramikvögeln in den Zweigen.
Dieser Anzug ist aus Tausenden von Plastikknöpfen gefertigt, als Gesichtsschutz dient ein Abakus vom Flohmarkt.
Lebensretter unter Wasser
Eine Gruppe junger Südsee-Franzosen rund um den 21-jährigen Titouan Bernicot hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollen die bedrohten Korallenriffe dieser Erde retten. Den Anfang machen die CORAL GARDENERS daheim: Sie reparieren das Riff um die Insel Mo’orea.
Text ANDREAS WOLLINGER Fotos RYAN BORNE
Korallengärtner an der «Intensivstation» vor der Südpazifikinsel Mo’orea: An diesen Unterwassertischen werden die gesammelten Korallenfragmente aufgepäppelt.
Gruppenbild der «Coral Gardeners»: Die Organisation wurde 2017 von Titouan Bernicot (Bildmitte, mit hochgestrecktem Arm) gegründet. Mittlerweile versuchen 15 Vollzeitangestellte, die Aufmerksamkeit der Welt auf die bedrohten Korallenriffe zu lenken.
Titouan Bernicot ist in einer Weltgegend zu Hause, die in den Träumen der meisten Menschen einen fxen Platz hat: Er wohnt auf Mo’orea, der kleinen Schwester Tahitis, auf den sogenannten Gesellschaftsinseln inmitten des Pazifschen Ozeans. Mo’orea ist eine der schönsten Inseln der Südsee in Französisch-Polynesien – überschaubare 11 mal 19 Kilometer gross, knapp 17.000 Einwohner. Hier herrscht ganzjährig Sommer mit Temperaturen um die 28 Grad Celsius.
Die meisten seiner 21 Jahre hat Bernicot im oder auf dem Wasser verbracht, beim Surfen, Tauchen und Schwimmen. Man sollte meinen: Einer wie er sollte sich keine Sorgen machen. Und sich schon gar nicht beschweren können.
Und doch ist beides der Fall: Titouan Bernicot ist Gründer und Kopf der «Coral Gardeners», einer 2017 entstandenen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Aufmerksamkeit der Welt auf ein stark bedrohtes Ökosystem zu lenken – die Korallenriffe. 2015 sei es gewesen, erinnert sich Titouan Bernicot, da habe er beim Surfen mit seinen Freunden eine erschreckende Entdeckung gemacht: Das farbenprächtige Korallenriff, das Mo’orea umgibt, war von einem Tag auf den anderen komplett weiss geworden. Er habe verstehen wollen, was da passiert ist, erzählt er. Nach einer kleinen Recherche sei ihm klar geworden, dass er Augenzeuge einer Naturkatastrophe war.
Die Fakten, kurz und schmerzhaft: Die Hälfte aller Korallenriffe weltweit sind bedroht, mindestens 30 Prozent sind allein in den letzten 40 Jahren verschwunden. Die Gründe dafür sind Überfschung, industrielle Verschmutzung
Prominenter Unterstützer: Freediving-Legende Guillaume Néry verbringt inzwischen regelmässig ein halbes Jahr auf Mo’orea, um den Gärtnern bei ihrer Arbeit zu helfen.
«Mit unseren Filmen und Fotos versuchen wir der Allgemeinheit zu zeigen, was die Meere bedeuten.»
Das Korallenriff, das die Südseeinsel Mo’orea umgibt, ist schwer beschädigt: 40 Prozent der Korallen hier sind bereits Opfer des zu warmen Wassers geworden.
Die Vielfalt der Korallen in Französisch-Polynesien ist einzigartig: 194 von den rund tausend weltweit bekannten Arten kommen hier vor. Die fantasievollen Kalkgebilde sind das Werk von Polypen, die zur Gruppe der Nesseltiere gehören und auf den Riffen in Kolonien zusammenleben.
des Wassers und – vor allem – der Klimawandel, der zur Erwärmung der Ozeane und deren Übersäuerung führt.
Letztgenannter ist auch für die gefürchtete Korallenbleiche verantwortlich – jenes Phänomen, das Titouan Bernicot aufgefallen war. Der Vorgang, der ihr zugrunde liegt, ist ziemlich dramatisch und erklärt zugleich das Wesen der Korallen. Die fantasievollen Gebilde aus Kalk sind dem Stoffwechsel von Kleinstlebewesen zu verdanken, die zur Gruppe der Nesseltiere gehören. Diese Polypen ernähren sich entweder durch das Filtrieren von Mikroplankton oder, wenn von diesen Nährstoffen nicht genug vorhanden ist, von den Ausscheidungen von Mikroalgen, sogenannten Zooxanthellen, die mit den Nesseltieren seit 400 Millionen Jahren symbiotisch zusammenleben – sie verleihen den Korallen auch deren Farbenpracht. U nd jetzt das Problem: Ab einer bestimmten Wassertemperatur (zirka 28 Grad) produzieren die Zooxanthellen Giftstoffe, die ihren Mitbewohnern, den Polypen, gar nicht schmecken. Diese schmeissen daraufhin ihre Nahrungslieferanten raus – damit erbleichen die Korallen, ihre Bewohner verhungern kurze Zeit später. 2016, ein Jahr nach Bernicots Beobachtung, erwischte es das grösste Riff der Welt, das Great Barrier Reef an der Westküste Australiens: 90 Prozent dieses gigantischen ozeanischen Bauwerks wurden von der Korallenbleiche heimgesucht.
Niemand weiss besser als Bernicot, was es für die Erde bedeutet, sollten die Korallenriffe einmal tatsächlich verschwinden; wenn nichts zu ihrer Rettung geschieht, befürchten Experten, könnte es schon 2050 so weit sein. Die Riffe sind die Heimat von einem Viertel aller Meeresbewohner. Sie schützen die Küsten durch ihre Funktion als Wellenbrecher. Sie sind die Lungen der Ozeane – wie Bäume verwandeln die Zooxanthellen Kohlendioxid mittels Photosynthese in Sauerstoff und geben uns so buchstäblich Luft zum Atmen. Und: Weltweit leben ungefähr eine halbe Milliarde Menschen direkt oder indirekt von ihnen. «Die Korallenriffe», das weiss SüdseeFranzose Titouan aus eigener Erfahrung, «haben mir alles im Leben
«Wenn nichts geschieht, sind die Korallenriffe im Jahr 2050 verschwunden.»
Taiano Teiho an seinem Arbeitsplatz: An diesen Seilen können sich die Korallen erholen und wachsen, bis sie stark genug sind, um am Riff ausgepflanzt zu werden. Von da an entwickeln sie sich rasant: Normalerweise sind sie nach nur einem Monat bereits doppelt so gross.
gegeben: von den Fischen, die wir gegessen haben, bis zu den Wellen, auf denen wir surfen konnten.»
Vor drei Jahren hat er dann die «Coral Gardeners», die Korallengärtner, gegründet – die Organisation setzt sich seither für die Rettung dieses marinen Ökosystems ein. Erstens, indem sie möglichst viele Menschen auf die Notlage der Korallenriffe aufmerksam macht und sie zur aktiven Unterstützung inspiriert. So kann man etwa auf der Website der «Coral Gardeners» für umgerechnet 27 Franken eine Koralle adoptieren, ihr einen Namen geben und ihr – dafür sorgen die Gärtner – beim Wachsen zuschauen.
Und zweitens haben sie eine Methode entwickelt, mit der sie das Riff rund um Mo’orea wieder aufpäppeln wollen. Erst sammeln Bernicot und seine Leute abgebrochene Stücke des Riffs ein, die im seichten Wasser um die Insel zu fnden sind. Diese «Fragmente der Hoffnung» werden gereinigt, auf Bambusstöckchen geklebt und auf in rund zwei Meter Tiefe in strömungsarmen Bereichen aufgestellte Tische gepfanzt – «Intensivstationen», auf denen die Korallen die Chance auf ein zweites Leben bekommen. Mindestens einen Monat – so lange brauchen die Korallen, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen – sollen sie sich dort regenerieren und wachsen, bis sie kräftig genug sind, um auf beschädigte oder tote Riffe verpfanzt werden zu können.
Es ist eine mühselige und langwierige Arbeit, wie Taiano Teiho, 22, einer der Korallengärtner, erklärt. Die Koralle wird in ein zuvor gebohrtes Loch gesetzt, in dem sie sich festhalten kann, und an drei Stellen mit Unterwasserbeton stabilisiert. «So erwecken wir das tote Riff nach und nach wieder zum Leben», ist sich Taiano
Arbeit am Riff: Damit die Koralle gut haftet, wird sie mit Unterwasserbeton aus dem Spritzbeutel stabilisiert. Die Taucher arbeiten mit Apnoe-Technik – das heisst: Sie halten die Luft an.
Teiho sicher. In der Folge beobachten und dokumentieren die Korallengärtner die Entwicklung ihrer Schützlinge – und gewinnen so wertvolle Informationen für die weitere Arbeit. So wollen sie etwa herausfnden, welche Korallenarten weniger empfndlich auf höhere Wassertemperaturen oder Übersäuerung re-
agieren. Mittelfristig ist eine Ausweitung der Zuchtstationen auch auf andere bedrohte Riffe in aller Welt geplant.
Bis zur Rettung der Korallenriffe dieser Erde ist es noch ein ganz weiter Weg. Aber über erste Erfolge können sich die Korallengärtner schon freuen: Ihre Instagram-Community zählt inzwischen gut eine halbe Million Follower; die Organisation beschäftigt 15 Vollzeitangestellte, die seit 2017 rund 15.000 Korallen verpfanzt haben. Zudem hat die Initiative prominente Unterstützer gefunden – etwa den legendären Freediver Guillaume Néry, 38. Der französische Weltmeister im Apnoe-Tauchen verbringt nun regelmässig ein halbes Jahr auf Mo’orea, um den Korallengärtnern tatkräftig unter die Arme zu greifen – zumal die sich dazu entschieden haben, ihre Arbeit unter Wasser ohne Taucherausrüstung zu erledigen.
«Wir haben unseren Traum zum Beruf gemacht», sagt Taiano Teiho. Und er fügt lachend hinzu: «Es gibt Schlimmeres, als im Meer zu arbeiten, Korallen zu pfanzen und der Welt von unserer und der Geschichte des Korallenriffs zu erzählen.»
GEHEIMWAFFE
Die kalifornische Star-Streamerin ANNE MUNITION, 30, wird ihrem martialischen Namen gerecht: Sie lässt OnlineMobbern keine Chance und schlägt sie mit ihrer Nettigkeit.
Text CHRISTINE FENNESSEY Fotos JOSH CAMPBELL
S
chon als Kind konnte sie nie genug Aufmerksamkeit bekommen. Ein «kleiner Möchtegern-Rockstar» sei sie gewesen, das jüngste, aber lauteste von drei Kindern. Mit dreizehn habe sie jede Bühne erklommen, um bei «open mic»-Veranstaltungen Applaus zu ernten.
Aufmerksamkeit und Applaus hat Anne Munition jetzt, mit dreissig, mehr als genug: Die Kalifornierin ist eine der berühmteren Streamer auf der GamerPlattform Twitch (natürlich heisst sie nicht wirklich Anne Munition, der schwer bewaffnete Kampfname soll ihre wahre Identität schützen). 2014, ohnehin gelangweilt vom Job als Grafkdesignerin, entdeckte sie Twitch als mögliche Karriereleiter. Im Juni startete Anne Munition ihren ersten eigenen Stream, und seit Mitte 2015 ist sie Vollzeit-Streamerin. Heute hat sie mehr als 600.000 Follower und eine Partnerschaft mit Red Bull Gaming. Mehr noch: Sie nutzt ihre Popularität, um darüber zu sprechen, wie wir alle online ein bisschen netter sein könnten. the red bulletin: Du hast ein Tattoo von Sonne, Mond und Sternen, das dich und deine Geschwister repräsentieren soll – was davon bist du?
anne munition: Ich bin natürlich der Star – das spielt mit der RockstarAttitüde meines Lebens.
War dieses Motiv deine Idee?
Nein, die stammt von meiner Mutter: Sie hat anstelle unserer Namen immer Sonne, Mond und Sterne auf unsere Weihnachtspakete gezeichnet. Sie sagte, wir seien ihr Universum.
Deine Mutter hat dir auch eine Nintendo-Konsole geschenkt, als du sieben warst. Was genau hat dich am Spielen fasziniert?
Ich mag es, Puzzles zu legen. Ich glaube, was mich wirklich reingezogen hat, war, dass es in Videogames immer darum ging, ein Problem zu lösen.
Du warst elf, als du zum ersten Mal mit Online-Mobbing zu tun hattest. Hat dich das nicht abgeschreckt?
Wenn du online spielst, musst du immer mit Leuten zurechtkommen, die nicht sehr nett sind. Ich war einfach dickköpfg, ausserdem war ich schon als Kind eine
Über 600.000 Fans folgen Anne Munition, wenn sie auf Twitch streamt. Warum? «Ich kann ziemlich unterhaltsam sein.»
Besserwisserin. Wenn Leute Sachen geschrieben haben, die mich vom Spielen abhalten sollten, war das für mich eher eine Herausforderung. So in der Art: «Okay, du willst nicht, dass ich das tue? Dann mache ich es erst recht.»
Als du zum ersten Mal auf Twitch warst: Was fandest du so spannend daran, anderen Leuten beim Spielen zuzuschauen?
Du musst dir nur Folgendes vorstellen: Da ist jemand online, der richtig gut in etwas ist, das du selbst gern machst. Du kannst mit ihm dein Hobby trainieren, du kannst ihm Fragen dazu stellen, und er antwortet in Echtzeit. Ich arbeitete damals Vollzeit, also hatte ich keine Zeit, selbst zu spielen, aber ich liebte diese Games. Also habe ich anderen beim Spielen zugeschaut und mit ihnen mitgelebt.
Was hat dich dazu ermutigt, einen eigenen Stream zu starten?
Ich glaube, du kommst da nicht rein, indem du denkst: «Ich werde beim Streamen Erfolg haben.» Du denkst: «Das ist interessant, und ich möchte es versuchen.» Es stellte sich heraus, dass die Leute dachten, dass ich lustig bin. Das ist etwas, worauf ich stolz bin. Ich glaube, ich kann ziemlich unterhaltsam sein.
Dazu hast du ein Umfeld aufgebaut, das für seine Nettigkeit bekannt ist.
Ich streame jetzt seit sechs Jahren, und ich war immer ziemlich konsequent in dem Bestreben, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der Menschen sich wohlfühlen können. Stell dir vor, du gehst jeden Tag zur Arbeit und hasst alle Kollegen, oder die Kollegen sind gemein zu dir. Damit will ich nichts zu tun haben. Die Leute sagen, ich hätte eine der nettesten Communitys bei Twitch, und darauf bin ich stolz.
Du hast einmal gesagt, es wird gemeinhin unterschätzt, wie schlimm es für Frauen ist, online ausgegrenzt zu werden. Wie schlimm ist es denn?
Die Leute suchen alles, was dich von anderen unterscheidet, und trampeln dann darauf herum. Ich bin sicher, dass Sportler und andere Berühmtheiten das Gleiche durchmachen, aber die haben ja auch nicht jeden Tag direkten Kontakt mit ihren Fans. Wir Streamer versuchen ja, zum Publikum auf unseren Kanälen und im Chat eine Beziehung aufzubauen, deshalb sind vermutlich auch die Verletzungen tiefer. Die Wirkung, die all das auf meine Psyche hatte, war ziemlich arg. Es ist schwierig, die positiven Seiten des
RASEND REICH WERDEN?
«Alle, die meinen, Streamen sei leicht verdientes Geld, sehen nicht den ganzen Hass, dem du dabei ausgeliefert bist», sagt Streamerin Anne Munition.
Jobs zu sehen, wenn du ständig dieser negativen Kraft ausgesetzt bist. Eine ganze Reihe von Leuten sagt: «Na gut, du lebst vom Videospielen – das ist leicht verdientes Geld.» Die sehen den ganzen Hass nicht, dem du dabei ausgesetzt bist.
Wie hat sich das psychisch ausgewirkt?
Ich wurde extrem paranoid, was meine Privatsphäre anlangt. Ausserdem glaubst du, dass du deinen Wert an bestimmten Zahlen messen kannst – schliesslich bestimmt die Anzahl der Abonnenten dein Einkommen, die Zahl deiner Zuschauer ist für das Ranking auf der Website verantwortlich. Diese Zahlen gehen rauf und runter, und manchmal zieht das deinen Selbstwert mit runter. Da ist immer diese Angst, dass es nur mehr runtergeht und dass du dir dann einen anderen Job suchen musst. Darüber hinaus ist da die Paranoia vor Angriffen anderer Streamer. Manchmal suchen sie dich auf, weil sie wissen, dass du ein gutes Publikum hast. Mitunter haben sie sich über gute Freunde von mir eingeschlichen, nur um an mich ranzukommen. Dann weiss ich nicht mehr, wem ich trauen kann. Ich weiss nicht mehr, wer wirklich mein Freund sein will und wer nur an meinem Channel interessiert ist.
Was machst du, um sicherzustellen, dass dein Stream ein netter Ort ist?
Ich glaube, eine Menge Streamer haben Angst davor, mit ihrem Publikum zu streng zu sein, die Leute zeitweise zu verjagen oder überhaupt von ihrem Channel zu verbannen. Ich hingegen bin da ziemlich skrupellos, weil ich keine Leute tolerieren will, die mich oder andere respektlos behandeln. Auch wenn jemand schon lange Zuschauer ist: Wenn er damit anfängt, garstige Dinge zu sagen, ist er weg.
Kannst du uns vom Stress einer Vollzeit-Streamerin erzählen?
Am Anfang habe ich acht bis zehn Stunden nonstop gestreamt. Das kann ich jetzt nicht mehr. Jetzt mache ich zwei VierStundenSchichten mit zwei Stunden Pause dazwischen – es ist nicht gesund, so lang zu sitzen. Dann gehe ich mit meinem Hund raus oder so. Das ist keine einfache Entscheidung, denn wenn du deinen Stream unterbrichst, sind auch die Zuschauer weg. Sogar wenn du zwischendurch aufs Klo gehst, verlierst du Leute. Es ist, wie wenn du ein LiveKonzert gibst. Da kannst du auch nicht sagen: «Also, ich muss jetzt dringend aufs Klo.» Wenn du im Rampenlicht bleiben willst, musst du das aushalten.
Was machst du in Sachen Fitness und Ernährung, um mehr auszuhalten und eine bessere Streamerin zu werden?
Früher hatte ich einen Personal Trainer, da war ich wahrscheinlich besser in Form als jemals zuvor. Ich habe mir eine Rudermaschine gekauft. Ich benutze sie immer noch, aber nicht so oft, wie ich sollte. Ernährung ist für Streamer ein schwieriges Thema. Wenn du zehn Stunden am Streamen bist, ist es das Einfachste, Essen telefonisch zu bestellen – aber das ist oft nicht das Gesündeste. Ich arbeite daran, mich gesünder zu ernähren. Ich möchte versuchen, Mahlzeiten vorzubereiten, die man dann in die Mikrowelle schieben kann. Also: schnelles Essen, ohne Fast Food zu sein.
Wann hast du entschieden, deinen wahren Namen nicht zu verraten?
Ich war mit diesem Usernamen schon unterwegs, bevor ich noch wusste, was Streaming ist – ich habe schon auf der Xbox Anne Munition geheissen.
Was hat dich zu diesem Namen inspiriert?
Roller Derby (eine sehr amerikanische Sportart, die auf Rollschuhen ausgetragen wird; Anm.). In diesem Sport verwenden sie wirklich super Namen. Ich versuchte, einen Namen zu fnden, der vom Stil her vergleichbar ist, und weil ich ein grosser Fan von EgoShootern bin, foss das ebenfalls mit ein. Es funktioniert ausserdem als Vor und Nachname. Die Leute sprechen mich auf Veranstaltungen an: «Ist dein Nachname wirklich Munition?» Darauf ich: «Ja klar!» Die Wahrheit ist: Mein wirklicher Name ist ziemlich einzigartig. Und deshalb so gefährlich, weil es so leicht ist, mehr über mich zu fnden. Wenn du den Leuten drei Teile eines Puzzles gibst, dann fnden sie auch alles andere heraus.
Warum ist es dir so wichtig, deine Identität zu schützen?
Ich glaube, OnlinePersönlichkeiten, aber auch normale InternetUser sollten sich mehr über Datenschutz und Social Engineering (Online-Trickbetrug, um an sensible Daten zu gelangen; Anm.) informieren. Sie können deinen Wohnort fnden, deine Telefonnummer, die Adressen deiner Familie und deiner Verwandten. Du weisst nie, ob jemand, der ganz normal wirkt, das auch ist. Bei einem persönlichen Treffen kannst du gewisse Zeichen erkennen, speziell als junge Frau. Online geht das nicht. Es ist schwierig, intuitiv abzuschätzen, ob jemand gute Absichten hat. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich Menschen, die vielleicht nur neugierig sind, anschnauze, wenn sie fragen: «Oh, wo bist du aufgewachsen?» Und ich so: «Warum? Warum willst du das wissen?» Das ist auf meine Paranoia zurückzuführen.
ZIEL IM BLICK
«Ich war schon als Kind eine Besserwisserin», sagt Anne. Das erklärt ihre Hartnäckigkeit. Andererseits hast du deinen Beziehungsstatus mit deiner Community geteilt. Wie beurteilst du, was geteilt werden kann und was nicht?
Das hängt davon ab, wer fragt. Und ob ich glaube, dass jemand bestimmte Informationen für andere Zwecke missbrauchen kann. Ich habe da eine rote Flagge in meinem Gehirn, die immer dann auftaucht, wenn ich das Gefühl habe, jemand fragt nach einem Detail, das weder meinen Channel interessanter macht noch sonstwie relevant ist.
Fällt es dir manchmal schwer, zwischen deinen beiden Identitäten hin- und herzuschalten?
Ja. Manchmal vergesse ich, wie ich wirklich heisse. Einmal hab ich fast eine Mail an meine Mutter mit Anne Munition unterschrieben, weil ich das von meinen anderen Mails so gewohnt bin.
Wie geht es dir in dieser Zeit des «Social Distancing»?
Na ja, die Tatsache, dass die Messen, die ich normalerweise besuche, zu Recht abgesagt worden sind, und all die Bleibdaheim-Einschränkungen haben meine mentale Gesundheit schon erheblich beschädigt. Was das Streamen psychisch zum Teil so schwierig macht, ist der Umstand, dass du mit einer lautstarken Minderheit von «vergifteten» Leuten leben musst, die sich in der Anonymität des Internets stark fühlen. Messen zu besuchen ist das komplette Gegenteil davon – dort triffst du hauptsächlich Menschen, die ehrlich begeistert sind, dir zu begegnen. Diese Leute sind wirklich nett. Das stärkt mein Selbstvertrauen enorm, das sonst jeden Tag kleine Schläge einstecken muss. Andererseits hatte ich in letzter Zeit mit einer Menge Leuten zu tun, die sich bei mir für mein konstantes Streamen in der Zeit der Quarantäne bedankt haben – das hätte ihnen im Sperrfeuer der schlechten Nachrichten eine kleine Atempause verschafft.
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