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LUKAS KLASCHINSKI

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STEFAN GLOWACZ

STEFAN GLOWACZ

Er ist der Jäger der verlorenen Gefühle: Der Psychologe sperrte sich drei Tage in Dunkelhaft, um sein Inneres komplett auszuleuchten. Wieso er seinen Emotionen so intensiv nachspürt? Weil sie uns verraten, wo’s langgeht, sagt er.

Du hast Höhenangst? Dann auf zur nächsten Steilwand – mit blindem Bergführer! Du magst nicht allein sein? Ab in die Klosterzelle! Psychologie­-Podcaster und Autor Florian Klaschinski begegnet seinen Ängsten, indem er ihnen, nun ja, ins Gesicht schreit. Damit steht er für eine neue Psychologengeneration, die ihr Wissen anhand eigener Erfahrungen vermitteln will. In Podcasts wie „Jakobs Weg – das Fitnessstudio für die Seele“ begeistert er eine wachsende Community. Seine These: „Gefühlsbereitschaft kann zu unserer größten Stärke werden, weil wir in ihr den Kompass unseres Lebens finde n.“ Zusammengefasst hat er sein Wissen nun in seinem Buch „Fühl dich ganz“ (Knaur Balance).

The Red Bulletin: Warum suchst du als Psychologe Extremerfahrungen?

Lukas Klaschinski: Theorie ist das eine, aber ich will alles selbst erfahren. Ich will an den dunkelsten Punkt der Erde gehen und spüren: Wie fühlt sich das an? Es ist ein wenig wie im Fußball: Du musst nicht unbedingt selbst Bundesliga gespielt haben, um ein guter Trainer zu sein – aber helfen tut es trotzdem.

Was ist der Nutzen dieser Erfahrungen?

Sie schaffen die Möglichkeit, unseren Gefühlen zu begegnen. Denn was wohnt einer neuen Erfahrung inne? Das Gefühl, dass wir nicht wissen, wie sie ausgeht. Da können Angst und Unsicherheit hochkommen, aber je mehr wir mit diesen Gefühlen in Kontakt treten, desto besser lernen wir, mit ihnen umzugehen.

Wie erkennt man, welche Erfahrung für einen richtig ist?

Man horcht in sich hinein: Was wollte ich lange machen, habe es aber noch nicht gemacht, weil ich Angst hatte, auch vor Reaktionen der anderen? Das muss jeder für sich entscheiden. In jedem Fall geht es darum, einem Gefühl der Unsicherheit zu begegnen. Das können auch vermeintliche Kleinigkeiten sein: etwa wenn man eine Person, die einem beim Bäcker aufgefallen ist, beim nächsten Mal anspricht und ihr seine Nummer gibt. Oft finden solche Erfahrungen im zwischenmenschlichen Bereich statt.

Was waren deine extremsten Erfahrungen?

Meine drei Tage in absoluter Dunkelheit. Die Außenwelt war plötzlich wie ausgelöscht, dieses Nichts hat mich mit all jenen Gefühlen und Erinnerungen konfrontiert, die zuvor noch wie in einer Schublade geschlummert hatten. In dieser Situation absoluter Stille bin ich dem Tiefsten in mir begegnet –und habe so den Weg zurück zu meinen Emotionen gefunden. Und genau die sagen mir, was im Leben richtig und was nicht richtig ist. Das ist wie ein inneres Navigationssystem. Und wenn du daran keine Anbindung mehr hast, führt das irgendwann zum Burnout.

Was, wenn wer fühlt, was für ihn richtig wäre, es aber nicht umsetzen kann?

Wir müssen uns die Frage stellen: Warum? Wenn wir das definieren, können wir den Weg gehen, den dieses Warum erfordert. Warum zum Beispiel möchte ich Sport machen? Weil ich damit ein positives Lebensgefühl verbinde. Weil ich weiß, dass ich so länger gesund und damit etwa auch länger Vater sein kann. Aber: Wir nehmen uns oft zu viel vor. Beim Segeln etwa reicht es schon, die Ruderpinne um ein Grad zu verändern, um eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Im Alltag müssen wir nur sagen: Was ist der kleinste Schritt, den ich heute gehen kann? Wenn wir es leicht anfangen, haben wir kleine Erfolgserlebnisse, die uns weiter motivieren.

Du empfiehlst in deinem Buch die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, kurz ACT. Worum geht es da?

Zu ACT gehören sechs Tools. Das beginnt mit der Akzeptanz der eigenen Gefühle, führt über die Fähigkeit, Distanz zu den eigenen Gedanken zu gewinnen, bis hin zu einem sogenannten „Vertrag mit mir selbst“. Dabei committe ich mich, meine eigenen Werte umzusetzen. Diese Methode vereint das Beste aus alten fernöstlichen Praktiken und modernen Techniken, sie ist wie ein Werkzeugkofer für den täglichen Gebrauch. Mit ihr können wir besser mit Hindernissen umgehen, führen eine bessere Beziehung zu uns selbst und zu anderen.

Und was hast du für die nähere Zukunft an Extremerfahrungen geplant?

Ziemlich sicher werde ich mit einer künftigen neuen Partnerin wieder eine Familie gründen. Ja, das ist eine Extremerfahrung – das weiß ich von der Geburt meiner ersten Tochter: Sie brachte mir bei, wieder mehr im Moment zu leben, mehr auf den Weg zu achten und nicht nur auf die Ziele zu schauen. Außerdem, und das ist das Wichtigste: Sie hat mein Herz geöffnet – für neue Gefühle.

Instagram: @lukas.klaschinski

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