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HAZEN AUDEL
zieht es als Survival-Trainer in die entlegensten Winkel der Welt. Doch was der TV-Star auf seinen Reisen eigentlich sucht, sind Momente der Menschlichkeit.
Text RÜDIGER STURM
Der Überlebenskünstler befndet sich in einer Ausnahmesituation: Für gewöhnlich schlägt sich der USamerikanische Survival-Trainer auf seinen Expeditionen auf der ganzen Welt durch die Wildnis, nun sitzt er im klimatisierten Hotel vor einem Zoom-Bildschirm und gibt ein Interview, „und das ist ganz schön anstrengend“. Denn seine Ausnahmesituation ist die Zivilisation.
Für gewöhnlich durchquert der 48-jährige Biologe unerforschte Regenwälder. Lebt bei abgeschiedenen Stämmen auf den SalomonInseln. Trotzt Taifunen und sengender Hitze, Schlangen, Ratten oder Feuerameisen. Oder er sucht (nicht nur zu Ostern) nach Krokodileiern in Papua-Neuguinea. All das präsentiert er dann in verschiedensten TV-Formaten. Als „Superheld“ sieht sich der Mann mit der Zwischendestination Hotelcouch aber nicht, ganz im Gegenteil. „Eigentlich kann es mir jeder nachmachen.“
Wenn die Natur zu sprechen beginnt
Eigentlich? Oder wirklich? Die wichtigste Voraussetzung dafür sei freilich, „zu lernen“, sagt Audel. Das war auch seine eigene Erkenntnis, als er mit 19 Jahren auf seinem ersten Trip durch den Dschungel Ecuadors wanderte: „Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur Campingerfahrungen und ein paar Bücher gelesen, und ich machte viele Fehler. Aber ich lernte etwas Entscheidendes: Du musst die Einheimischen fragen. Zum Beispiel hatte ich damals eine lebensgefährliche Entzündung am Bein, und eine Frau zeigte mir die richtigen Heilpfanzen. Wenn du bereit bist, ständig neue Erfahrungen zu sammeln, dann spricht die Natur mit dir.“
Und das so deutlich, dass Audel mittlerweile gar keine speziellen Trainingsprogramme mehr benötigt. Denn auch daheim, in der 217.000-Einwohner-Stadt Spokane im US-Bundesstaat Washington, ist er ständig aktiv: „Da bin ich dann vom Bäumepfanzen und Gartenarbeiten außer Atem“, sagt er. Natürlich ist er sich im Klaren darüber, dass er jenseits seiner umzäunten Natur jederzeit als Abendmahlzeit eines Raubtiers enden könnte.
Die Relativität der Gefährlichkeit
Aber diese Gefahr relativiert er: Als er von seinem ersten Trip durch die Wildnis in die USA zurückkehrte, traf er seine Freunde aus der Highschool wieder. Darunter auch das Mädchen, mit dem er früher einmal ausgegangen war. Sie hatte mittlerweile einen neuen Freund und fuhr mit ihrer Clique zu einer Tanzveranstaltung. Unterwegs hatten die Jugendlichen einen Unfall, bei dem Audels Nachfolger ein Auge verlor und einer der Jungen starb. „Die Welt ist überall gefährlich. Und ich werde lieber von einem Jaguar aufgefressen als von einem Auto überfahren“, sagt Audel. Als „extrem neugieriger Mensch“ will er unbedingt bestimmte Tiere sehen, einen Riesenameisenbären zum Beispiel: „Ich verfolge dieses Ziel mit einer absoluten Hyperkonzentration und denke nicht mehr daran, wie ich leide. Abgesehen davon bin ich eine Kämpfernatur.“ Und da das nun einmal nicht jeder ist, stellen ihm die ganz normalen Überlebenskünstler des Büroalltags oft Fragen wie: Was tun, wenn man in der Wildnis strandet, etwa als Überlebender eines Flugzeugabsturzes?
Zwischen innerer Wärme und Aircondition
Da lautet das Audel-Prinzip: „Sich warm halten, das ist das eine. Dann versuchen, an Trinkwasser zu kommen. Aber das Wichtigste ist die Einstellung. Wenn wir in eine Stresssituation geraten, die wir noch nicht kennen, glauben wir, wir müssen sterben. Aber wir können viel mehr schaffen, als wir uns zutrauen, unsere Leistungsgrenze ist viel höher, als wir vermuten.“
Die wichtigste Erkenntnis des Hazen Audel dreht sich aber nicht um psychische und physische Fitness. „Ich habe gelernt: Die Menschen in den entlegensten Weltgegenden respektieren einander. In unserer Welt dagegen versucht jeder, den starken Mann zu markieren. Wir leben in unserer einsamen Blase und misstrauen einander. Doch eigentlich sind wir hier, um Gemeinschaft und Nächstenliebe zu erleben“, sagt er.
Doch jetzt muss er weiter. Ein klimatisiertes Hotel bedeutet mehr menschliche Wärme, als er verträgt.