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MARTIN REHRL

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AFSANAS REISE

AFSANAS REISE

hat sich gegen alle Widerstände für die Kunst entschieden. Der 24-jährige Salzburger Maschinenbauer schweißt riesige Stahlskulpturen – um die Welt ein wenig besser zu machen.

Text LARA RITTER Foto PHILIPP HORAK

Martin Rehrl sitzt mit weißem Hemd und geordnetem Bürstenhaarschnitt in einem Glaskubus und grinst in die Computerkamera. Extrem stressig war es heute, sagt er – rechtzeitig vor den Bildschirm geschafft hat er es trotzdem. Er ist aus dem Salzburger Waldbad Anif herbeigeeilt, wo eine Skulptur für seine kommende Unterwasserausstellung „Aquaria“ probehalber versenkt wurde.

Dabei blieb der Lkw, der die Figur in den Badesee befördern sollte, stecken. Die Bilanz – ein beschädigtes Fahrzeug und eine Skulptur auf dem Trockenen – hat Rehrl aber nicht seine gute Laune verdorben. Im Gegenteil: „Jeden interessiert das Schlechte. Aber wenn man positiv gestimmt durchs Leben geht, kann man mehr erreichen.“ Mit „man“ meint Martin wohl auch sich selbst, denn durch seinen Optimismus hat er schon viele Hürden überwunden.

Hirsch & Hirscher

Angefangen hat alles mit einer Hirschkopfskulptur für Marcel Hirscher. Mit neunzehn fertigte Martin die Metallskulptur, packte sie ins Auto und fuhr nach Annaberg. Die Idee: den Bürgermeister davon zu überzeugen, sie Hirscher zu dessen sechstem Sieg im Gesamtweltcup zu schenken. Der Plan ging auf, der Hirschkopf landete in den Händen von Österreichs bekanntestem Skisportler, und der Medienrummel bei der Geschenkübergabe zog erste Auftraggeber an. In der HTL konnte Martin mit seiner Kunst aber nicht überzeugen, denn die „im Hof kiffenden Mediendesign-Kollegen“ waren für seine Maschinenbau-Professoren der Beweis für die Zukunftslosigkeit des Künstlerberufs, so Martin.

Auch seine Schulkollegen rieten ihm, keine Zeit zu verschwenden. Aber der Gedanke, Skulpturen für die Ewigkeit zu schaffen, bannte ihn. „Dass ich meine Gefühle in Form von Skulpturen darstellen kann, die es in tausend Jahren noch geben wird, fasziniert mich“, sagt er.

Rammstein & Mozart

„Es gibt mir viel, wenn meine Kunst Menschen bewegt und sie glücklicher macht.“ Dabei ist Kunst für Martin nicht nur das Endprodukt in Form einer Skulptur, sondern auch eine Linse, durch die er sein Leben anders betrachtet. „Jede Person, die ich kennenlerne, und jede Erfahrung, die ich sammle, fließt in meine Werke ein“, sagt er. „Der Alltag gehört zum Künstlerischen dazu.“ In der Werkstatt taucht Martin dann aus dem Alltag in eine Art „FlowZustand“ ab, begleitet von einem Soundtrack, der von Rammstein bis Mozart fast alles beinhaltet.

Leiten lässt er sich nicht von einer fixen Idee, sondern von Impulsen, wobei er instinktiv in die Höhe ging und immer monumentalere Skulpturen gestaltete. Auch die Aufträge wurden größer, als er sich nach seinem Abschluss selbständig machte und die Arbeitsstätte vom Keller der Eltern in ein Atelier im Salzburger Golling verlagerte. Innerhalb von zwei Monaten fertigte er dort für einen Kunden aus Oberösterreich einen lebensgroßen Stahllöwen an, heute arbeitet er unter anderem im Auftrag von Prominenz wie Motocross-Ass Matthias Walkner.

Hände & Hoffnung

Mitte Juni hat Martin mit seiner neun Meter riesigen Skulptur „Unitatis“ eine Reise nach Luxemburg angetreten, in den kommenden zehn Jahren soll sie jährlich in einer neuen Stadt gezeigt werden. Das Werk in Form zweier einander umfassender Hände gestaltete er anlässlich der Corona-Pandemie als Zeichen des Zusammenhalts. „Egal in welcher Krise, zusammen ist mehr möglich“, sagt er, „das wollte ich auf die einfachste Art und Weise darstellen.“ In den Bau steckte er monatelang unermüdlichen Arbeitseifer, machte sogar mit einer Augenverletzung weiter. „Da habe ich gemerkt, das ist meine Bestimmung“, sagt er. „Ich könnte mich sonst in nichts so reinhängen.“

Und das, obwohl ein Salzburger Kunstbeirat ihm empfahl, „die Skulptur wieder einzuschmelzen“, und verhinderte, dass sie in der Stadt aufgestellt werde. Aber dank dem engagierten Einsatz von Freunden, Bekannten und Unterstützern fand „Unitatis“ einen Platz vor dem Salzburger ORF-Zentrum.

So wird Martins Botschaft nun doch verbreitet, durch den Zusammenhalt, den er selbst erlebt hat. „Freunde sagen mir, dass ich mich durch das Projekt extrem verändert habe. Ich schaue anders auf vieles und schätze andere Leute mehr als früher.“ Und so wurde der Positivist vom Dienst schon sehr bald belohnt: Schon beim zweiten Anlauf klappte die Versenkung seiner Skulptur im Badeteich von Anif.

Instagram: rehrl_metallart Die Vernissage zu „Aquaria“ findet am 14. Juli um 18:30 Uhr im Waldbad Anif statt, die Ausstellung dauert bis Ende August.

„Eine Skulptur kann Gefühle für tausend Jahre erhalten. Das fasziniert mich.“

Martin Rehrl, 24, über seinen Antrieb jenseits von Maschinenbau

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