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„Eine Knacker ist eine Herausforderung, weil du mit ihr sorgsam und respektvoll umgehen musst.“ Max Stiegl weiß, dass die Wurst Einfühlungsvermögen braucht.
Hoch hinaus: Um die Knacker würdig zu präsentieren, greift Koch Max Stiegl im Hof seines Guts Purbach sogar zur langen Holzleiter.
Hereinspaziert: Blick in den Innenhof des Guts Purbach
Freundlich & einladend: im Restaurant von Max Stiegl
ZEIT FÜR ZÄRTLICHKEIT Starkoch Max Stiegl hat für Schmeckt die Knacker neu entdeckt – drei Rezepte, die mehr als Wurst sind
DU GLAUBST, dich verhört zu haben. Hast du aber nicht, wie dir sofort klar wird, wenn du erstaunt und ein wenig verständnislos in seine fröhlich funkelnden Augen blickst. Max Stiegl steht in der Küche seines Guts Purbach. Mit der selbst verständlichen Souveränität eines Chefkochs kontrolliert er jede einzelne Scheibe einer aufgeschnittenen Knacker. Einer seiner Mitarbeiter hat sie ihm gerade vorgelegt hat: Stimmt die Stärke, sind die Einschnitte tief genug? Keine Frage, natürlich ist alles perfekt. Und es gäbe keinerlei Unklarheiten, hätte der Koch, dessen guter Ruf weit über die Landesgrenzen reicht, nicht gerade folgenden Satz gesagt: „Eine Knacker braucht eine gewisse Zärtlichkeit.“ Zärtlichkeit? Eine Knacker? Ausgerechnet jene Wurst, derer wir seit Jahrzehnten als „Beamtenforelle“ spotten? Die in unseren Küchen bestenfalls ein Dasein als zwar durchaus beliebter, aber unspektakulärer Hungerstiller fristet?
NOCH EINMAL MIT GEFÜHL Max Stiegl versteht deinen fragenden Blick: „Die Knacker ist eine Herausforderung, weil du mit diesem Produkt sorgsam und respektvoll umgehen musst. Es muss dir bewusst sein, dass du sie nicht missbrauchen darfst.“ Einfach weil sich schon jemand genau überlegt hat, wie sie sein soll – ihre Struktur, ihr Geschmack, ihr ganzes Wesen, schwärmt Max Stiegl. „Sie ist sensibel – und sie verdient es, sensibel behandelt zu werden.“
Was das heißt, führt der Koch sogleich vor. Drei Rezepte hat er für „Schmeckt“ entwickelt: Beim Asiatischen Knackersalat spielt eine halbe Orange eine wichtige Rolle, bei der klaren Knackersuppe verströmt die Wurst via Teebeutel ein herrlich rauchiges Aroma, und im Duett mit den Calamari beweist sie, dass sogar Meer geht.
Umblättern und staunen …
FEINER ASIATISCHER KNACKERSALAT
Zutaten für 2 Portionen: Zubereitungszeit: ca.40 Minuten
• 300 g Puntarelle-Herzen, in kleine Segmente zerteilt • Saft von ½ Orange
Marinade: • 4 EL Sesamöl • 4 EL Reisessig • 2 EL Sojasauce • 1 Knoblauchzehe, zerdrückt • 30 g Ingwer (geschält), kleinwürfelig geschnitten • 2 EL Honig • 3 EL Yuzu oder 1–2 EL Zitronensaft und 1–2 EL Mandarinensaft
Reisgewürz: • 25 g Basmatireis • 1 kleine Chilischote, getrocknet • 10 g Ingwer (geschält), kleinwürfelig geschnitten
Kurkuma-Dip: • 1 EL Crème fraîche • 2 EL Misopaste • 1 EL Kurkumapulver • 2 cl Ingwersaft • Salz
Kräuteröl: • 2 EL Petersilienblätter • 1 EL Korianderblätter • ¹⁄ 8 l Olivenöl • Prise Salz Zubereitung:
1. 1 Liter Wasser mit Orangensaft aufkochen, Puntarelle-Stücke darin ca. 2 Minuten kochen, abseihen, kalt abschwemmen, gut abtropfen lassen, alle Zutaten der Marinade vermengen, mit den Puntarelle vermengen und ca.30 Minuten rasten lassen.
2. Reisgewürz: Reis in einer beschichteten Pfanne unter ständigem Rühren hellbraun anrösten, auskühlen lassen, Chili und Ingwer zugeben und alles fein mörsern.
3. Kurkuma-Dip: alle Zutaten zu einem cremigen Dip verrühren.
4. Kräuteröl: Beide Kräutersorten grob hacken, mit Öl sehr fein pürieren und etwas salzen; Öl eventuell noch durch einen Papier-Kaffeefilter abseihen, damit nur das klare Öl übrigbleibt.
5. Geschälte Knacker in sehr dünne Scheiben schneiden und wie ein Carpaccio auf Tellern anrichten; marinierte Puntarelle darauf verteilen, mit dem Reisgewürz bestreuen und mit 1– 2 EL Kräuteröl beträufeln. Kurkuma-Dip dazu servieren.
Tipp: Die grünen Blätter der Puntarelle in kleine Stücke zupfen, in heißem Öl kurz frittieren, auf Küchenkrepp
Stets zur Hand: feines Grünzeug als idealer Begleiter zur Knacker
gut abtropfen lassen und Salat damit dekorieren. Zusätzlich kann man den Asiatischen Knackersalat mit Streifen von eingelegtem schwarzem Rettich noch verfeinern.
Radatz-Tipp
Anstatt Puntarelle, einer leicht bitter schmeckenden Chicorée-Variante, kann man vor allem im Frühling die gleiche Menge geschnittener Stücke grünen Spargels verwenden und etwas klein geschnittene Frühlingszwiebel zugeben.
Die Stäbchen liegen bereit: Für authentischen Asia-Genuss darf die hauchdünn geschnittene Knacker gerne mit Stäbchen gegessen werden.
Wenn die gegrillten Knacker per Teebeutel in der Suppe versenkt werden, verströmen sie feine Raucharomen.
KLARE KNACKERSUPPE
Zutaten für 6 Portionen: Zubereitungszeit: ca. 2 Stunden (inklusive Kochzeit)
• 2 Knacker • 2 große Karotten, geschält • 2 große Gelbe Rüben, geschält • 1 Huhn, küchenfertig • 1 Zwiebel, geschält • 20 g frischer Ingwer, geschält • 2 Wacholderbeeren • 17 weiße Pfefferkörner • 1 Flasche Weißwein (750 ml), z.B. Grüner Veltliner • 4 cl Sojasauce
• 4 leere Teebeutel • 8 Wacholderbeeren • 8 Blättchen Liebstöckl
Gefühlvoll schneidet Max Stiegl jede einzelne Knacker an.
Zubereitung:
1. Knacker schälen, in ca. 1 cm dicke Scheiben schneiden, auf den heißen Grill legen und beidseitig eher dunkel grillen, damit sie ein gutes, rauchiges Aroma abgeben.
2. Aus Karotten und den Gelben Rüben mit einem kleinen Kugelausstecher kleine Kugeln ausstechen; zur Weiterverarbeitung beiseitegeben.
3. Huhn halbieren, die vom Ausstechen übriggebliebenen Karotten und Rüben mit der Hälfte der gegrillten Knacker in einen Topf geben, mit Wein und 3 Liter kaltem Wasser auffüllen, Zwiebel halbieren, Ingwer in Scheiben schneiden, beides mit den Wacholderbeeren und Pfefferkörnern zugeben; alles einmal aufkochen und bei geringer Hitze ca. 1 ½ Stunden ganz leicht köcheln bzw. ziehen lassen.
4. Ausgestochene Rübenkugeln in Salzwasser ca. 2 – 3 Minuten kochen lassen, abseihen und kalt abschwemmen.
5. Suppe vorsichtig durch ein engmaschiges Sieb abseihen; Suppe auf ca. 1 ½ Liter Flüssigkeit einkochen lassen. Suppe mit Sojasauce abschmecken, Gemüsekugeln zugeben und kurz ziehen lassen.
Die Knackwurstscheiben werden gegrillt und in Teebeutel gepackt.
6. Restliche gegrillte Knacker mit je zwei Wacholderbeeren und den Liebstöcklblättchen in die Teebeutel füllen und in die heiße Suppe geben; ca. 5 Minuten ziehen lassen. Suppe dann mit den Gemüsekugeln in Suppenschalen anrichten und heiß servieren.
Radatz-Tipp Für die schnelle Variante: fertige Radatz-Hühnersuppe mit Sojasauce und Ingwerscheiben aufkochen, gefüllte „Knackerbeutelchen“ darin 5 Minuten ziehen lassen.
CALAMARI-KNACKER
Zutaten für 2 Portionen: Zubereitungszeit: ca.1 Stunde
• 2 Schalotten, geschält • 1 Flasche Weißwein (750 ml), z.B. Chardonnay • 6 Pfefferkörner, bunt • 25 g frische Estragonstängel • 250 g Calamari, geputzt • 100 ml Obers • 100 g Butter • Salz • 2 cl Pernod
• 12 Knacker • 2 gut reife Tomaten • 4 – 6 EL Minzeblättchen, gezupft
Max Stiegl führt im burgenländischen Purbach das für seine exquisite Küche gefeierte Gut Purbach, inklusive Weingut und Zimmervermietung. gutpurbach.at
Zubereitung:
1. Schalotten kleinwürfelig schneiden, mit Wein, Pfefferkörnern und ganzem Estragon auf ca.250ml Flüssigkeit einkochen lassen.
2. Knacker schälen, in 1 cm dicke Scheiben schneiden, Tomaten ebenfalls in 1 cm dicke Scheiben schneiden und beides beidseitig grillen. Tipp: Tomaten und Knacker separat in hitzebeständige Formen legen und im Rohr auf Grillfunktion 6–8 Minuten grillen.
3. Calamari halbieren oder in große Stücke schneiden und in kochendem Salzwasser 1–2 Minuten blanchieren; abseihen.
4. Estragon aus der Reduktion nehmen, Obers zugeben, Sauce einmal aufkochen und Calamari reingeben, etwas salzen, kalte Butterflocken unterrühren und mit Pernod verfeinern; Sauce nicht mehr aufkochen!
Tipp: Sollte die Sauce etwas zu dick sein, etwas Hühnersuppe oder Wein beigeben.
5. Calamari mit Sauce, gegrillten heißen Knackern und Tomatenscheiben in Suppenschalen anrichten und mit reichlich Minzeblättchen bestreuen.
Franz Feichtinger weiß, warum.
Dienstjahre: 42 Jahre Knacker-Gericht: am liebsten kalt, mit Brot oder Semmeln und natürlich Senf Abteilung: Füllerei
Worauf es ankommt: „Eine heikle Aufgabe“, sagt Franz Feichtinger, „die Gefühl verlangt.“ Warum? Weil eine Knacker platzen kann, wenn sie zu prall gefüllt wird. Und weil sie Falten wirft, wenn sie zu sparsam gefüllt wurde.
Wie alles begonnen hat: Seit mehr als 42 Jahren ist Franz bei Radatz. Vorbelastet durch seinen älteren Bruder, der wie er Fleischer gelernt hat. Er erinnert sich noch gut an seine Anfänge und daran, dass er schon am ersten Tag in der Füllerei war.
Was man wissen muss: Bei den Naturdärmen, in die die Wurstmasse gefüllt wird, handelt es sich um Rinderkranzdärme, die gewendet und sorgfältig gereinigt werden, bevor man sie befüllt. Danach wird die Knacker abgebunden – früher mit Spagat, heute per Hand-Klippautomat. Nächste Station ist die Selcherei, wo sie 20 Minuten geräuchert (und so ihre typische Farbe erhält) und dann eine Stunde gebrüht wird. Letzter Schritt: eine Dusche mit zehn Grad kaltem Leitungswasser.
Was nicht verraten wird: Die Knacker wird nach einem gut gehüteten Hausrezept unseres Seniorchefs hergestellt.