Servus in Stadt & Land 09/2011

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09/2011 &

in Stadt & Land

Aus Liebe zum Holz

Geborene Hüter

P. b. b., GZ10Z038662M, Verlagspostamt 1140 Wien

Wildobst  & Sprache der Wälder  &  Zwetschken  & Apfel-Rezepte  &  Getreidekunde  &  Veranden  &  Wachauer Tracht

Alte Boote am Traunsee Border Collies auf der Weide

E i nfac h

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.

Gut .

Leben

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September 09/2011

EUR 3,90 chf 7,50

Reiche ernte Zu Gast im Schilcherland

&

Die Ranggler vom Hundstoa

&

Die Myra von Muggendorf

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September

Natur & Garten 12 Wilde Freunde

Von Hetscherln, Aschperln und anderen wilden Früchten.

22 Flug in den Herbst

Wir bauen einen Drachen.

26 Wo Tradition neu erwacht

In einem weststeirischen Kellerstöckl lebt ein Grazer Ehepaar seinen Traum von Ursprünglichkeit.

36 Schicht für Schicht

So kompostiert man richtig.

126 Radar im Blut

Border Collies sind weniger verschmuste Haustiere, sondern vielmehr perfekte Arbeitstiere.

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Küche

Wohnen

48 Blaues Wunder

80 Ein Haus wie anno dazumal

52 Sündhaft gut

90 Kernige Schmuckstücke

60 Mama, bitte Ketchup!

96 Drinnen vorm Haus

Jetzt blitzen die Zwetschken reif und süß durch die Baumkronen und verheißen süßen Fruchtgeschmack.

Fünf Apfelgerichte, bei denen man ein bisschen das Paradies schmeckt.

Wie man die Lieblingswürze aller Kinder selbst macht.

62 Habe die Ähre!

Die besten Rezepte mit Weizen, Dinkel, Hirse und Co.

70 Schlehen-Renaissance

Das uralte Rosengewächs wird im Waldviertel wiederentdeckt.

Barbara Loidl und Alfred Wolsetschläger bauten in Traunkirchen in der Tradition von 1730.

So kann man mit Obstkernen fantasievoll dekorieren.

Auf den Spuren von Veranda und Lab’n, Porticus und Essgangl, Sommerbank und Pawlatsche.

zusatzFotos cover: ingo pertramer, marco rossi, fotos Inhalt: Getty images, erich reismann

Inhalt2011

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fotos Inhalt: eisenhut&mayer, ingo pertramer, philip platzer, marco rossi, elke bitter, katharina gossow

Standards 126

Land & Leute

Brauchtum

102 Ein fescher Janker

20 Die Sprache der Wälder

116 Die Geschichte einer Leidenschaft

106 Der Moar im Hemd

130 Herr Frauenschuh und die Rechen

122 Der Sack mit dem feinen Klang

Der Kalmuck ist fixer Bestandteil der Wachauer Winzertracht, hat sich aber modisch ein bisserl verselbständigt.

Wie historische Holzsegelboote den Menschen am Traunsee das Leben schwer- und schönmachen.

Der Spezialist fertigt im Salzburger Seenland feine Instrumente für Garten, Alm und Wiese.

136 Im Land des Schilchers Eine Reise über die Weinstraße von Ligist bis Eibiswald.

Der springende Punkt, der Purzelbaum und andere Sprachschätze haben ihre Wurzeln im Wald.

Nach einem 500 Jahre alten Brauch wird jedes Jahr zu Jakobi am Gipfel des Hundsteins im Pinzgau um den Titel des Hogmoars geranggelt.

Einst pfiffen die markanten Klänge des Dudelsacks durch die Alpentäler. Das traditionsreiche Volksmusik­ instrument wird heute noch im steirischen Trastal gebaut.

5 Vorwort 8 Leserbriefe 10 Servus daheim 34 Schönes für draußen 40 Der Garten-Philosoph 42 Gartenpflege 44 Mondkalender 46 Natur-Apotheke: Mariendistel 74 Aus Omas Kochbuch: Milzschnitte 76 Schönes für die Küche 88 Fundstück: Krickerl-Garderobe 94 Schönes für daheim 114 Michael Köhlmeier: Die Myra von Muggendorf 134 Servus im Bauernladen 146 Martin Amanshauser: Ahornblättrige Platane 150 ServusTV: Sehenswertes im September 154 Feste, Märkte, Veranstaltungen 156 Leben in alten Zeiten 162 Impressum, Ausblick Coverfoto: Eisenhut & Mayer

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Gartenbesuch

Nichts bleibt hier dem Zufall überlassen: Selbst ein ausgedientes Fahrrad leistet, wohlplatziert beim Frühstücksplatzerl unter der Mostbirne, schöne Dienste. Und auch die ans Kellerstöckl ­gebaute, überdachte Veranda (rechte Seite) ist üppig mit Wein umwachsen und gefällig dekoriert.

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Wo Tradition neu erwacht

Ein typisches weststeirisches Kellerstöckl, eingebettet in ein einzigartiges Gartenidyll. Hier lebt ein Grazer Ehepaar seinen Traum von Ursprünglichkeit. Text: BRIGITTE VALLAZZA Fotos: philip platzer

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Dieser Ort war der Hausherrin bestimmt – der bauernhof daneben ist ihr Heimathaus.

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n jedem Garten geschehen kleine Wunder. Einst wurde eine gelbe Rose ohne großes Tamtam in die Erde gesteckt – und heute wuchert hier ein üppiger Rosenstock, der Irene Prosinger und Hansjürgen Walter begrüßt, wenn sie am Wochenende heimkehren nach Bad Gams, um sich vom Berufsalltag zu erholen. Die Schnittblume hat einfach so Wurzeln geschlagen. „Wir nennen es das Rosenwunder“, erzählt die aparte Frau im steirischen Dirndl. „Wir haben mehrfach versucht, es nachzumachen, aber bis heute ist das nicht wirklich geglückt. Doch wir geben nicht auf.“ Wunder sind eben nicht planbar … Am Fuße des gelben „Rosenwunders“ wächst eine Reihe von Lavendelstauden, die mit ihrem zarten Violett eine perfekte farbliche Ergänzung zum kräftigen Gelb bilden und weiter in den Garten geleiten. „Eine Reise in die Provence hat uns dazu inspiriert“, sagt Irene, „aber das meiste im Garten kommt natürlich aus heimischem Boden.“ Frühling, Sommer, Herbst und Winter

Doch manchmal kann ein Pflanzenliebhaber einfach nicht widerstehen, und so mussten ein paar wenige grüne Souvenirs aus dem Urlaub in südlichen Gefilden sein, wie eine Calla oder ein Hirschzungenfarn aus Italien. Aber auch der nahe Wald spendete Pflanzliches für eine Rabatte: Farne, Seidelbast und Lungenkraut, das in dieser Gegend seiner rot-blauen Färbung wegen „Hänsel und Gretel“ genannt wird. Dazu kommen Mohn und Fingerhut und im Frühling Maiglöckchen und Narzissen. Wo beginnt man zu schauen? Zuerst im Haus, oder doch im Garten? Hier ist alles mit viel Sorgfalt und Liebe zum Ursprüng­ lichen gestaltet, hier strahlt alles mit einer traditionell weinbäuerlichen Ästhetik. Vor sieben Jahren hat das Ehepaar Prosinger-Walter das kleine, etwa 300 Jahre alte Kellerstöckl inklusive Garten übernommen und mit Akribie bis ins kleinste Detail revitalisiert. Dieser Ort war ihnen anschei-

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Das Kellerstöckl wurde bis ins kleinste Detail revitalisiert. Oben wird gewohnt, der Keller gehört dem Wein und der Geselligkeit, der kleine Garten am Hang ist ein buntes Revier für Bauernblumen und zahlreiche Kräuter. Vor dem ebenfalls liebevoll renovierten Nebengebäude (Foto unten) lagert das Holz zum Heizen. „Neu“ ist nur die knorrige Bank aus Birkenzweigen, die von einer Königskerze besetzt wird.

nend bestimmt. Schließlich ist Irene zu i­hren Wurzeln zurückgekehrt: Der angrenzende Bauernhof ist ihr Heimathaus. „Zuerst konnten wir uns gar nicht vorstellen, jedes Wochenende hierher fahren zu müssen, aber ab dem Moment, als wir uns dafür entschieden haben, war es auf einmal ganz selbstverständlich“, erzählt die 39-Jährige. Es wurde so selbstverständlich, dass die beiden Grazer mittlerweile sogar die Winterwochenenden hier verbringen. Beim Herrichten des Freizeitnestes ging es vor allem um das Bewahren. Altes durfte zumindest annähernd so bleiben, wie es in vergangenen Tagen einmal war. Weil der an Tradition anscheinend wenig interessierte

Vormieter viel vom Ursprünglichen verändert hat und das Kleinod ein wenig heruntergekommen aussah, wurde zuerst einmal kräftig entrümpelt, „und die viele blaue Farbe, die gar nicht hierher passt, habe ich gleich einmal überpinselt. Aber man darf und soll sehen, dass dies ein altes Haus ist, schließlich erzählt es ja eine Geschichte“, sagt Irene. Diese Geschichte ist typisch für die Weststeiermark und geht so: Die Trauben aus dem Weingarten in Wildbachberg wurden im ­oberen, aus Holz gebauten Geschoß gepresst und dann unten im Keller in Fässern gelagert. Der Wein war allein für den Eigenbedarf des „Leitnerhofs“, der gleich nebenan ist. Später wurde ein Wohnraum angemauert.

Auch heute wird oben gewohnt, unten im Keller sind nach wie vor der Wein und die Geselligkeit zu Hause. Ein altes Weinfass dient einem großen Tisch als Basis, und wenn Gäste kommen, sorgen Kerzen für ein wenig Licht. Die Wohnfläche im Obergeschoß ist mit 55 Quadratmetern bescheiden und umfasst nicht mehr als eine Küche, ein kleines Bad und ein Wohnschlafzimmer. In der Küche, wo ein steirisches Brotkastl aus dem Biedermeier, eine alte Vitrine und viele Accessoires ursprüngliches Flair verbreiten, kocht Irene nur mit Holz auf einem Tischherd. „Da braucht man viel Gefühl, man muss das neu lernen, denn schnell ist die Hitze zu ➻

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„Wir hatten ein Jahr Arbeit, damit alles fast wieder so aussah wie vor 300 Jahren.“

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viel oder zu wenig“, erzählt sie und versetzt uns in eine längst vergangene Zeit zurück. Auch geheizt wird ausschließlich mit Holz, im kleinen Ofen im Wohnbereich, der ebenso liebevoll eingerichtet ist wie alles hier. Der Couchtisch und die dazugehörigen Hocker sind aus heimischen Baumstämmen selbstgefertigt. „Ein kaputter Baum bekommt so seine Wertschätzung und darf sich hier noch einmal präsentieren“, sagt Irene und macht damit deutlich, worum es ihr geht. Das Ausziehsofa im gemütlichen Landhausstil fügt sich harmonisch ein. Und auch im winzigen Bad treffen zeitgemäße Ansprüche auf Altes. Ein ausgedientes Eichenfass dient als Waschbecken, ein Fassreifen als Halterung für den Duschvorhang. Hüte von der Mama, Stiefel vom Papa

Die meisten Einrichtungsgegenstände und Dekorationsstücke im Haus kommen von Flohmärkten oder von Antiquitätenhändlern. Vieles aber auch aus der Familie, etwa Hüte von der Mama, handgemachte Arbeitsstiefel vom Papa, die Waschrumpel von der Oma, eine alte Reisetruhe aus dem Elternhaus sowie Teddys aus Kindheitstagen. Und handgewebtes Leinen von der Oma hat die Steirerin zu Vorhängen vernäht. Knapp ein Jahr hat es gedauert, bis das Kellerstöckl beinahe so aussah wie vor 300 Jahren. Und sogleich haben die beiden Stadtflüchtigen mit der Gestaltung des Gartens begonnen. Wie groß er ist, weiß Irene gar nicht, denn er fließt ohne Zaun ungezähmt in die Landschaft. Und so können auch die Katzen kommen und gehen. 13 sind es im Moment, aber das kann sich schnell ändern, schließlich sind auch herrenlose oder verletzte Tiere willkommen. Gleich beim „Rosenwunder“ steht ein kleines Nebengebäude, wo einst Schweineund Hühnerstall untergebracht waren. Es wurde ebenso liebevoll renoviert und diente zuerst dem Hausherrn als Fotolabor, wurde dann als Gästezimmer genutzt und ist heute das Atelier für Irene, die hier ihrem Hobby nachgeht. „Holzdesigns by Irene Prosinger“ sind derzeit vor allem Lampen aus naturge-

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Na feugue tie elis dolorero conullan volore te vulpute eugait non utpat. Iliquam illum del ip ent nit, core dolesen dreet, con venim nullam et la faccum iusto dolore


Hausherrin Irene Prosinger will alles der Tradition entsprechend: Bauernblumen wie die Bartnelke, die liebevoll eingerichtete Veranda, das fein geschlichtete Holz für den Herd in der Küche und ein Brunnen aus einem alten Holzstamm zeugen davon. Und in der Früh darf sie ruhig vom Hahn geweckt werden.

formtem Holz. An das Häuschen schließt eine Holzhütte an, wo wie früher das Holz zum Heizen aufbewahrt wird, fein­säuber­ lich geschlichtet. Die knorrige Bank aus Birkenzweigen, die vor dem Nebengebäude steht, wurde ­gemeinsam mit Freunden gefertigt und von ­einer Königskerze beschlagnahmt. Die mächtige Pflanze ist wild aufgegangen und wächst einfach durch die Sprossen der Sitz­ fläche. Der „Woaz“ (Steirisch für Mais), der den Dachvorsprung ziert, wird Jahr für Jahr erneuert, muss immer ordentlich und frisch sein. Das Verschönern und Dekorieren sind

Irenes Leidenschaft. „Da bin ich eine Per­ fektionistin. Alles muss harmonisch sein und der Tradition entsprechen“, sagt sie; und man sieht, dass hier jedes Stück sehr bewusst platziert ist und nichts zufällig geschieht. Vom Lärcherl und anderen Wundern

Auch wenn Irene nicht viel zum Herum­ sitzen kommt – „Aber die Arbeit ist für mich das Vergnügen!“ –, so spielt sich doch zumindest ein Teil des Lebens im Sommer draußen auf der ans Haus gebauten, über­ dachten Veranda ab. Sie ist mit der typi­

schen steirischen Weinsorte „Blaue Isabella“ umwachsen. Geschnitten wird der betagte Rebstock stets von „Meisterhand“. Wobei der Meister Irenes liebenswerter Bruder Fritz ist, der ihr immer mit Rat und Tat zur Seite steht. Ein alter, großer Holztisch zeigt Patina, viele Dekostücke aus vergangenen Tagen sorgen hier für eine gemütliche Atmosphä­ re. An die Veranda schließt ein Gemüse­ garten an, der noch ganz frisch ist und vor allem Steirisches bietet: Käferbohnen, ­Riesenkürbisse, steirische Ölkürbisse und Zierkürbisse. ➻

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Getreideküche

Habe die Ähre! Klein, aber oho: Getreidekörner sind gesund und spenden Energie. Und weil wir gerade jetzt aus dem Vollen schöpfen können, servieren wir ­Ihnen Rezepte mit Weizen, Dinkel, Hirse & Co. Redaktion: Uschi Korda Rezepte: Alexander Rieder Fotos: Eisenhut & Mayer


Marchfelder Weizen-Dinkel-pfanne mit Zucchini Zutaten für 4 Personen 100 g Weizenkörner 100 g Dinkelkörner 3 Schalotten 3 Knoblauchzehen 400 g grüne und gelbe Zucchini 150 g Cocktailparadeiser 1 TL edelsüßes Paprikapulver 3 EL Sonnenblumenöl 500 ml Gemüsesuppe Salz, Pfeffer 150 g Sauerrahm 2 EL gehackter Majoran und Zitronenmelisse

Zubereitung 1. Die Getreidekörner in einem Sieb waschen und über Nacht in Wasser einweichen. Dann überschüssiges Wasser abseihen und das Getreide in leicht gesalzenem Wasser mit kleiner Hitze weichkochen. Abseihen und quellen lassen. 2. Schalotten schälen und in Spalten schneiden. Knoblauch schälen und feinhacken. Zucchini und Paradeiser waschen. Zucchini in grobe Stücke schneiden, Paradeiser halbieren.

3. In einer großen Pfanne Öl erhitzen und die Schalotten darin glasig anschwitzen. Knoblauch und Zucchini kurz mitbraten, Paradeiser und Paprikapulver einmischen. Mit Gemüsesuppe aufgießen und das gekochte Getreide unterrühren. Etwa 10 bis 15 Minuten lang kochen lassen. 4. Mit Salz und Pfeffer kräftig würzen. Sauerrahm und Kräuter luftig unterrühren und sofort servieren.

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Mühlviertler Hirsebrei mit Birnen und Nüssen Zutaten für 4 Personen 150 g Naturhirse 800 ml Milch 1 kleine Zimtstange 1 Gewürznelke 1 Msp. geriebene Biozitronenschale 3 EL Honig 1 Prise Salz 2 EL gehackte, geröstete Haselnüsse Für die Birnen: 3 reife Birnen Saft von 1 Zitrone 2 EL Zucker 1 Prise echter Vanillezucker

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Zubereitung 1. Hirse in einem feinen Sieb mit Wasser abspülen. Milch mit Zimtstange und Gewürznelke 5 Minuten köcheln lassen. Gewürze entfernen, Zitronenschale, Hirse, Honig und Salz einrühren. 40 Minuten mit kleiner Hitze zu einem weichen Brei verkochen. 2. Die Birnen schälen und vierteln. Vom Kerngehäuse befreien und in Spalten schneiden. Zitronensaft mit Zucker und Vanillezucker erhitzen, die Birnenspalten zugeben und 5 Minuten schmoren. 3. Den Hirsebrei kalt oder warm mit den Birnen anrichten und mit Nüssen bestreuen.


Steirische Rollgerstelsuppe Zutaten für 4 Personen 150 g Rollgerste 10 g getrocknete Steinpilze 2 Zwiebeln 200 g Wurzelgemüse 2 Knoblauchzehen 60 g Räucherspeck 1 EL Butter 125 ml Weißwein 1 l Gemüsesuppe 2 Lorbeerblätter 200 g Erdäpfel Salz, Pfeffer Petersilie und Liebstöckel, gehackt

Zubereitung 1. Rollgerste 5 Stunden in reichlich Wasser einweichen. Abseihen, in Salzwasser weichkochen und in einem Sieb abtropfen lassen. 2. Steinpilze 20 Minuten lang in lauwarmem Wasser einweichen. Leicht ausdrücken und feinhacken. 3. Zwiebeln, Wurzelgemüse und Knoblauch schälen und mit Speck in kleine Würfel schneiden. 4. In einem Topf Butter mit Speckwürfeln aufschäumen. Das gesamte Gemüse und die g ­ ehackten Steinpilze zugeben, etwa 3 Minuten anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen, Suppe zugießen und die Lorbeerblätter zugeben.

5. Erdäpfel schälen und in grobe Stücke schneiden. Mit der Rollgerste in die Suppe geben und 20 ­Minuten köcheln. Zum Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken. 6. Rollgerstelsuppe anrichten, mit Petersilie und Liebstöckel garnieren.

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Lungauer Lammrücken mit Haferkruste, Karotten und Fisolen Zutaten für 4 Personen 700 g Tauernlammrücken mit Knochen Salz, Pfeffer 2 EL Olivenöl 100 g Hafermark 2 große Eier etwas Thymian und Petersilie, gehackt 80 g grobblättrige Haferflocken 1 EL Butter 300 ml Lammfond Für das Gemüse: 200 g junge Karotten 250 g gelbe und grüne Fisolen 1 EL Butter 1 EL gehacktes Bohnenkraut 1 Prise Zucker und Salz

Zubereitung 1. Lammrücken leicht salzen und pfeffern und in 1 EL Olivenöl von allen Seiten kurz scharf anbraten. 2. Backrohr auf 200 °C Umluft vorheizen. 3. Hafermark mit Ei und Kräutern glattrühren, salzen und pfeffern. Den Lammrücken mit dieser Paste dick bestreichen und in Haferflocken wälzen. 4. Restliches Olivenöl und Butter in einer ofenfesten Pfanne erhitzen und das Fleisch einlegen. Im Backrohr 20 bis 25 Minuten lang braten und dabei öfters mit dem eigenen Saft übergießen. 5. Herausnehmen, zudecken und 3 Minuten rasten lassen. Den Bratensatz mit Lammfond ablöschen und auf die Hälfte einreduzieren. 6. Karotten schälen (oder abreiben) und in Salzwasser knackig kochen. Fisolen in einem anderen Topf ebenfalls bissfest kochen und beide Gemüse in Eiswasser abschrecken. Zuletzt mit Bohnenkraut, Zucker und Salz kurz kräftig in Butter anrösten. 7. Lammrücken in Koteletts schneiden, mit Gemüse anrichten und mit Bratensauce übergießen.


Hausgemachte Tiroler Vinschgerl Zutaten für 10 kleine Vinschgerl 600 g Roggenmehl 300 g Weizenmehl 1 Pkg. Trockengerm 3 TL Fenchel, grob zerstoßen 3 TL Koriander, grob zerstoßen 1 TL Kümmel, grob zerstoßen 2 TL gemahlener Brotklee (Schabzigerklee) 150 g flüssiger Sauerteig vom Roggen 20 g feines Meersalz 1 TL Waldhonig 750 ml lauwarmes Wasser Roggenmehl zum Bestäuben

Zubereitung 1. Beide Mehlsorten mit Trockengerm und den Gewürzen mischen. Ein Drittel davon in einer Extraschüssel mit Sauerteig und 500 ml Wasser verrühren. 2. Mit der restlichen Mehlmischung, Salz, Honig und dem restlichen Wasser zu einem weichen, sehr klebrigen Teig verarbeiten. In eine Schüssel geben und mit einem feuchten Tuch bedeckt etwa 1 Stunde lang gehen lassen. 3. Aus dem weichen Teig mit einer Teigkarte 10 gleich große Stücke abstechen und in Roggenmehl wälzen und etwas flachdrücken.

4. Mehrere Backbleche mit Roggenmehl bestauben und die Vinschgerl mit genügend Abstand darauf verteilen. Ins kalte Backrohr schieben und dort 1 weitere Stunde gehen lassen. 5. Aus dem kalten Ofen nehmen und diesen auf 200 °C Ober- und Unterhitze vorheizen. 6. Die Bleche wieder in den Ofen schieben, eine halbe Tasse Wasser auf den Boden des Backrohrs schütten und sofort schließen. Die Vinschgerl 25 Minuten lang backen. Herausnehmen und auf einem Gitter auskühlen lassen. Tipp: Mit Schmalz und Schnittlauch bestreichen oder mit Schinkenspeck und Käse genießen.

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Deko-Ideen

Kernige Schmuckstücke Wahre Schönheit liegt im Inneren – das gilt auch ein bisschen für Zwetschken, Marillen und andere fruchtige Freunde. Servus zeigt, wie Sie mit Obstkernen fantasievoll dekorieren können. Redaktion: Alice Fernau  Fotos: alexi pelekanos  Styling: markus jagersberger

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verkettet

verbrämt

Linke Seite: Zuerst müssen alle Kerne sorgfältig mit heißem Wasser gewaschen und etwaige Fruchtfleischreste komplett entfernt werden. Für unsere Armbänder haben wir dann die durchbohrten Marillen– und Kirschkerne auf ein 2 mm starkes Rundgummiband gefädelt und anschließend gut verknotet. Die Melonenkerne wurden jedoch nicht mit dem Bohrer durchlöchert, sondern direkt mit einer dicken Nähnadel, die wir zuvor mit einem 0,5-mm-Fadengummi bestückt haben. Achtung: Fingerhut nicht vergessen!

Foto oben: Was sich mit altem Sackleinen nicht alles anstellen lässt! Wir haben daraus eine Wandtasche genäht und mit Melonenkernen munter drauflosdekoriert. Sie können wie wir Blümchen stilisieren und Leisten zeichnen – oder einfach selbst Muster kreieren. Fixiert werden die Kerne übrigens mit einem Pünktchen Heißkleber aus der Pistole.

Basteltipp: Die Kerne von Marillen, Kirschen und Zwetschken werden nicht umsonst Steine genannt. Sie sind extrem hart und schwer anzubohren. Also: Kerne in einem Schraubstock oder mit der Zange fixieren und dann erst mit einer ­Minibohrmaschine durchlöchern.

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verflochten Foto rechts: Für Gläser, heiße Töpfe oder ­einfach nur als herbstliche Tischdekoration ­eignen sich unsere selbstgebastelten ­Untersetzer aus Kirsch- und Marillenkernen. So wird’s gemacht: Kartonscheiben mit Zirkel vorzeichnen, Scheiben ausschneiden, aus ­Spagatschnüren Zöpfe flechten und damit die Ränder bekleben. Mit Heißkleber aus der Pistole den ­restlichen Karton bestreichen, die Kerne ­auflegen und fest aufdrücken.

verspielt Foto unten: Dieses filigrane Mobile aus Kirschund Marillenkernen ist so leicht, dass es sich schon beim kleinsten Windhauch bewegt. Die Kerne werden in beliebiger Anzahl und Länge auf einen Draht oder einen dünnen Spagat aufgefädelt und auf Weinrebenzweige gebunden; diese werden mehrmals umwickelt. Am besten passt unser Kunstwerk über das Bett – die sanften ­Bewegungen beruhigen das Gemüt.

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verziert Foto oben: Ein hübscher Wandbehang aus Zwetschken-, Marillen-, Melonen- und Kirschkernen. Aufgefädelt auf dünnen Blumendraht, werden die Kerne in unterschiedlichen Höhen auf ein Korbweidenzweiglein gebunden; dieses wird mehrmals umwickelt. Das Schmuckstück macht sich ausgezeichnet an kahlen Wänden oder schlichten Haustüren.

verschlungen Foto links: Auch Servietten brauchen Halt und Zuneigung. Ähnlich wie unsere Armbänder werden die Kerne (hier von Melone, Kirsche und Marille) auf einen dünnen Spagat aufgefädelt und einfach um die schon zusammengerollten Servietten gebunden. Am besten eignen sich Stoff- oder Leinenservietten.

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Alte segelyachten

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Leidenschaft die geschichte einer

Von einer Liebe jenseits der Vernunft: Wie historische Holzsegelboote den Menschen am Traunsee das Leben schwer- und schönmachen. Text: Stefan Wagner  Fotos: Ingo Pertramer

Franz Eisl und seine wunderschöne „Kismet“ auf dem Traunsee, im Hintergrund das Seeschloss Ort. Warum der in der Bildmitte zu ­sehende Erlakogel im Volksmund „Schlafende Griechin“ genannt wird, erkennt man mit ein klein wenig Fantasie …

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An Bord der „Kismet“: Der Gmundner Franz Eisl musste eine kleine List anwenden, um dem Segelschulbesitzer die 1940 gebaute Yacht abkaufen zu können.

ur ein paar Stunden hat der Sonntagnachmittag gestern gebraucht, um die Temperaturen aus den Dreißigern unter zwanzig zu schrauben. Die kalte Luft ist mit Pauken und Trompeten am Traunsee eingezogen, Windstärke sieben, es hat ordentlich gekracht. Wenn der Sommer hier stolpert, dann mit großer Geste. Aber das Salzkammergut findet zuverlässig zurück in die Idylle. Am Montagmorgen verkräuseln die Traunseewellen wieder im Kies vorm Union Yacht Club Traunsee, ein einsamer Schwan zupft sein Gefieder zurecht. Man muss genauer hinschauen, um Spuren des Überfalls von gestern zu entdecken: Gerade eine der vertauten Yachten in der Bucht vor dem Club hat ihr Vorsegel dem Wetter geopfert, es hängt wie eine löchrige Zahnreihe aus Leintüchern am Vorstag. Rechts unverrückt das Seeschloss Ort, am gegenüberliegenden Ufer Grünberg, Traunstein und die „Schlafende Griechin“ Erlakogel. Der Club wurde 1888 am schönsten Fleckchen des Traunsees gegründet. „Malerwinkel“ haben ihn die sommerfrischenden Künstler und Intellektuellen aus Wien genannt, weil der Traunsee nirgends schöner aussieht als von hier. Rudy Simek ist Besitzer der „Skidbladnir“, Baujahr 1906 und damit die älteste Segelyacht auf dem Traunsee. Rudy war heute Früh der Erste im Club, besorgt und nicht ganz ausgeschlafen: Wenn die Nacht poltert und pfeift und deine große Liebe mit ihren 105 Jahren alleine draußen liegt, hast du entweder kein Herz oder eine unruhige Nacht.

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Die Sorgen waren freilich unbegründet, die „Skidbladnir“ hat dem Wetter tapfer getrotzt, gerade ein bisschen Wasser war auszuschöpfen. Jetzt lehnt Rudy Simek erleichtert im dicken Polsterfauteuil des Clubhauses. Simek, mit seinem rauschenden Vollbart, der Schubertbrille und den Stoffschuhen ginge er auch als Hamburger Seebär durch, hat Zeit, erst mittags kommt der für das Salzkammergut typische Nordostwind, den sie hier am Traunsee Niederwind nennen. Also erzählt Simek von seinem Leben und dem der „Skidbladnir“, wobei die beiden Biografien

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Sie war ein Wrack in einem schupfen. Doch der Student verliebte sich unsterblich …

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seit 1974 nicht mehr scharf zu trennen sind. Er hat sie damals als 20-jähriger Student gesehen, „am Wolfgangsee in einem Schupfen, ein Wrack. Aber der Bug, diese einzigartige Form, die wurde schon 1908 gar nicht mehr gebaut, es war Liebe auf den ersten Blick, ich hab gewusst, ich muss sie haben.“ korrespondierende gefäSSe

Der Gmundner Simek ging nach Wien, arbeitete als Religionslehrer, um sich das Geld für Kauf und Renovierung des Boots zusammenzusparen. Als er das Geld beinanderhatte, begann die Arbeit. Simek verbrachte ganze Sommer im Schupfen, noch jetzt verwendet er „ein Sommer gute Arbeit“ als Maßeinheit dafür, was bei einem Schiff zu tun ist. Holzsegelboote sind das große Thema in Rudy Simeks Leben: Er dissertierte über die Schiffe der Wikinger, die er bewundert: „Sie haben Holz nie gesägt, nur gespalten!“ Er besucht in seiner Freizeit Zimmerei- und Bootsbauerkurse. Er besorgte sich je ein massives Stück Mahahoni und Akazie, mit deren Holz er die nötigen Reparaturen an seiner „Skidbladnir“ bestreitet, Span für Span. Bedarf an Reparaturen besteht so gut wie immer in jeder vorstellbaren Dimension, Arbeits- und Segelzeit stehen bei Holzbooten in einem Verhältnis jenseits jeder Vernunft. „Ein guter Sommer kommt auf vielleicht 50 Segelstunden“, sagt Rudy. Und er meint damit einen Sommer, der drei ziemlich lückenlose Monate Aufenthalt in Gmunden umfasst und ziemlich lückenlos dem Boot gewidmet ist. „Ein Holzboot lebt“, sagt er, „auch nach mehr als hundert Jahren noch.“ Er meint


damit nicht nur den natürlichen Zerfallsprozess: Als die „Skidbladnir“ vor ein paar Jahren über Nacht beschloss, auf Grund zu gehen, am Morgen nur ein kleines Stück Mast aus dem Traunsee lugte, ruderte Rudy Simeks kleiner Sohn eilig hinaus, er war damals neun. Ein Mann wollte den Buben stoppen, „du darfst da nicht alleine raus, zu gefährlich!“, der Kleine aber baute sich auf und sagte mit einem Ernst, zu dem nur ein Neunjähriger mit einer großen Mission fähig ist: „Wenn ein Familienmitglied in Problemen ist, darf man es nicht alleine lassen.“ Rudy Simek erzählt die Anekdote gern, weil sie das Verhältnis, das man zu einem Holzboot hat, ganz gut erklärt: Es ist auch Sportgerät, ja, auch. Vielmehr ist es Lebensbegleiter, oft Lebensmittelpunkt, ein bisschen Lebensinhalt, „Familienmitglied, das hat der Bub schon richtig formuliert“. Ein Holzboot fordert Zeit und Geld in korrespondierenden Gefäßen. Wer dreifacher Vater ist, mit dem Gehalt eines nach Bonn auspendelnden Universitätsprofessors für mittelalterliche nordische Literatur, braucht viel, viel Zeit. Und er braucht eine verständnisvolle Familie. Wenn zum Beispiel die Entscheidung zwischen einer neuen Küche für den Haushalt und einem aufwendigeren Beschlag fürs Boot zu fällen ist, werden Prioritäten abgewogen. „Bei Regattaseglern wäre vielleicht klar, dass sie die Ersatzteile fürs Boot schnell brauchen. Aber mein Boot ist hundert Jahre alt – das heißt, wenn die Küche wirklich wichtig ist, können Beschläge, zum Beispiel, durchaus auch einmal ein Jahr warten“, sagt Rudy Simek. Freilich vergisst er nicht, das Wort „wirklich“ entsprechend zu betonen. Schwimmende Joghurtbecher

Bis Anfang der 1960er-Jahre wurden Segelboote so gut wie ausschließlich aus Holz gebaut, dann tauchten die ersten Kunststoffboote auf, wie heute vor allem aus Polyester gefertigt. Mittlerweile sind Holzboote bestaunte Oldtimer. „Wenn ich für jedes Foto, das sie von der ,Skidbladnirʻ gemacht haben, einen Schilling gekriegt hätte, wäre ich ein reicher Mann“, sagt Rudy Simek und lacht. Holzsegler sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie können stundenlang fachsimpeln: über die Charaktere verschiedener Hölzer – die Nachricht, dass irgendwo der Stamm eines seltenen Holzes aufgetaucht ist, wird als Sensation gehandelt –, über in irgendeinem Fachmagazin entdeckte Bilder alter Boote, über den Alltag im Laufrad gegen die Zeit. Und manchmal, in einem Nebensatz, sprechen sie neckisch über jene Boote, die arztkittelweiß auf dem See gleißen, „schwimmende Joghurtbecher“, sagt ➻

Rudy Simek ist Universitätsprofessor für mittelalterliche nordische Literatur. Seine liebevoll gepflegte „Skidbladnir“ (auf der linken Seite im kleinen Schwarz-Weiß-Bild zu sehen) ist als Jahrgang 1906 die älteste Segelyacht auf dem Traunsee. Das Vorsegel ist noch aus Baumwolle gefertigt, das moderne Hauptsegel passte Simek natürlich farblich an.

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der eine, „­Plastikbomber“ der andere, „KloG’länder-Boote“ ein Dritter. Er meint damit die ebenso praktischen wie robusten Kunststoffyachten mit Toilette an Bord und einer akkurat als Reling gespannten Schutzleine. Holzsegelboote stehen selten zum Verkauf. Wenn doch, werden sie widerwillig weitergegeben, aus Alters- oder Krankheitsgründen – und einem ungeschriebenen Gesetz folgend nur auf einen anderen See, denn „wenn du jeden Tag das Boot sehen musst, das früher dir gehört hat, das bricht dir das Herz“, sagt Franz Eisl. Der geborene Gmundner ist im Hauptberuf Entwickler formschöner Gebrauchsgegenstände und Betreiber der kleinen, feinen Accessoire-Boutique „Stillsegler“ am Ufer des Traunsees. Eisls Geschäft liegt in Sichtweite des Yachtclubs und seiner davor liegenden „Kismet“, einer reinrassigen 30-m²-Rennyacht des raren Bootstyps Europadreißiger, 1940 von der berühmten Werft Abeking & Rasmussen in Bremen gebaut. Weich in der welle

Hannes Haitzinger, gerade einmal 34 Jahre alt und schon ein virtuoser Spezialist für Holzboote, bei der Arbeit in seiner Werkstatt am Attersee. Er führt den Betrieb in vierter Generation.

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Die „Kismet“ steht mit ihren 71 Jahren prachtvoll da, schnell, schlank, kräftig wie ein junges Rennpferd und elegant, als hätte sie gestern noch mit Alain Delon und Romy Schneider an der Côte d’Azur gedreht. Eisls Boot gilt als das schönste auf dem Traunsee. Er schwärmt davon, wie sich ein Holzboot segelt, „es liegt so weich in der Welle“, ein Plastikboot macht tak-tak-tak-tak, sagt er, weil es sich gegen s’ Wasser stemmt, er knallt den Daumenballen der rechten gegen die hohle Fläche der linken Hand, tak-tak-taktak. Ein Holzboot hingegen fährt mit dem Wasser, er streicht den Daumenballen durch die Handfläche, flap-flap-flap. Es greift sich anders an, sagt er, und es riecht anders. „Du erkennst mit geschlossenen Augen, ob du auf einem Holz- oder einem Plastikboot bist.“ Auch Eisl verliebte sich jung in die „Kismet“, das Boot war in der Segelschule im Einsatz, in der er in den Ferien arbeitete. Eines Tages stand sie zum Verkauf. Eisl musste das Schiff Interessenten vorführen – was er auch tat, aber, sapperlot, ausgerechnet bei den Probefahrten hatte sich die „Kismet“ so lange von ihrer bockigsten Seite gezeigt, bis ein Interessent nach dem anderen abgesagt hatte und der Kaufpreis auf zumindest theoretisch erreichbares Niveau gefallen war. Eisl nahm dem Besitzer das Versprechen ab, das Boot in seiner Abwesenheit nicht zu verkaufen, fuhr nach Deutschland, verbrachte zwei Monate in Schichtdiensten am Fließband der BMW-Fabrik. Dann kehrte er zurück nach Gmunden, die fehlenden Tausender auf den Kaufpreis von 70.000 Schilling lieh er sich ir-


kleine bootskunde Die Klasse, zu der ein Boot gehört, ist an einem Zeichen auf dem Segel zu erkennen:

Lee

Mast

Luv

Segel Backbord

Steuerbord

Baum

segelzeichen S D E L 5,5 BB11 40 30 N M J Z O D NK X

klasse Sonderklasse Drachen Europadreißiger L-Boot 5,5er Borge Bringsvaerd 11 40er-Schärenkreuzer 30er-Schärenkreuzer 10-m2-Rennjolle 15-m2-Rennjolle 20-m2-Rennjolle 22-m2-Rennjolle Olympiajolle 35-m2-Rennklasse Nordischer Kreuzer Ausgleicher Hansa-Jolle

Ruder

Steven Pirat

Rumpf Heck

Bug

Kiel

Finn Korsar

gendwie zusammen. Gemeinsam mit seinem Bruder sanierte er in mühevoller Kleinarbeit die „Kismet“ zu jener Perle, die sie heute ist. Segelt Rudy Simek eine Regatta, hält er Sicherheitsabstand zu den anderen Booten, um die wohlbehaltene Heimkehr seiner „Skidbladnir“ nicht zu gefährden. Simek hat die Geschichte seines Boots penibel recherchiert und sieht seine oberste Aufgabe darin, es zu erhalten und der nächsten Generation weiterzugeben. „Sie wird mich ja überleben“, sagt der 57-Jährige. Einen schützenden ­Epoxydharzanstrich am Unterboden hat er nur zugelassen, weil klar war, dass dieser wieder spurlos entfernt werden kann.

illustration: heri irawan

Holz verstehen

Segelt Franz Eisl eine Regatta, duellieren sich sportlicher Ehrgeiz und Besitzerliebe auf Augenhöhe, lediglich aus dem Getümmel des Starts hält er sich heraus, es gibt ja so viele Narrische, die nicht schauen. Und während Simek fast jeden Handgriff an seinem Boot selbst übernimmt, lässt Eisl auch professionelle Hände an die „Kismet“. „Aber dafür musst du unendlich viel Vertrauen haben“, sagt er. Das nötige Vertrauen hat Eisl zu ­Hannes Haitzinger, virtuoser Bootsbauer am Attersee in vierter Generation, gerade 34 Jahre alt. In dessen Werkstatt steht ein Boot von 1902 aufgebockt, ein Kunde hat es am Bodensee gekauft. Auf den ersten Blick sah es gut aus,

aber als sie den Unterboden überprüft ­haben, „haben wir mit dem Finger durchs Holz gebohrt, so verfault war alles“, erzählt Haitzinger. Jetzt suchen sie das Boot Quadratzentimeter für Quadratzentimeter nach ­kaputten Stellen ab, höhlen aus, flicken, setzen neues Holz ein, hobeln es millimetergenau zurecht, bis die Fingerkuppen auch bei geschlossenen Augen keinen Spalt mehr finden. Die Praxis des Berufs zwingt Haitzinger zum Kompromiss zwischen dem, was der Kunde zu zahlen bereit oder in der Lage ist, und dem, „wie die Arbeit eigentlich gemacht gehört“. Manchmal verheimlicht er Arbeitsstunden, „weil das könnte ja sowieso keiner zahlen. Und Holzbootbesitzer sind sowieso alle Idealisten.“ Sind Holzbootbesitzer Oldtimerfahrer zu Wasser? Haitzinger nickt zögernd, „mit dem Unterschied, dass es keine Ersatzteile gibt“. Das heißt: Wenn was kaputt wird, ist jeder Ersatzteil in Handarbeit maßzufertigen. „Man muss das Holz verstehen“, sagt Hannes Haitzinger, wenn man ihn fragt, was das Wichtigste an seiner Arbeit ist, und dann schimpft er über die Maßlosigkeit der Menschen, wie sie Wälder schneller abholzen, als diese nachwachsen können, wie sie edles Holz mit beiden Händen für niedere Zwecke vergeuden, solange es da ist. Manche Hölzer für den Schiffbau werden mittlerweile zu Goldpreisen ­gehandelt, denn

nur langsam gewachsene Hölzer sind geeignet. Und für kein Geld der Welt lässt sich Holz zwingen, schnell langsam zu wachsen. Niederwind atmen

Jetzt ist der Niederwind am Traunsee angesprungen. Er schwächelt zwar ein bisschen, weil für einen ordentlichen Niederwind die Sonne die Berge rund um den See aufheizen muss wie in einem Saunaofen, je heißer die Felsen, desto kräftiger ziehen sie die Luft aus der kühleren Ebene. Aber für die klug kons­truierten Oldtimer reicht auch der Schwachwind eines nicht ganz so sonnigen Tages, Rudy Simek ist schon draußen auf dem See. Franz Eisl takelt noch auf. Bald gleitet auch die „Kismet“ langsam hinaus Richtung Traunstein, am Seeschloss vorbei, dann greift der Wind ins Segel, eine kleine Bö genügt, und die „Kismet“, ganz Rennpferd, bläht ihre Nüstern. Eisl legt sie in den Wind, die Wellen klatschen in weichem Stakkato gegen den Bug, hohles Echo aus dem Bauch des Boots, es riecht nach glattpoliertem Holz, nach Sommersee und frisch gewaschenem Wind, Wasser spritzt ins Boot, der hölzerne Mast knistert und kracht, das Segel ächzt. Die „­Kismet“ atmet Niederwind. 3 Web-Tipp: Auf www.kukyg.at, der Seite des Vereins k. u. k. Yachtgeschwader, finden Sie viele Infos zu historischen Segelbooten.

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handwerkskunst

Der Sack mit dem ­ feinen lang

Einst pfiffen die markanten Töne auch durch die Alpentäler, heute ist dieses traditionsreiche Volksmusikinstrument bei uns fast vergessen. Im steirischen Trastal feiert der Dudelsack fröhliche Urständ. Text: Miriam Damev Fotos: Elke Bitter

V

iele glauben, Dudelsäcke sind etwas Urschottisches“, sagt Stefan Widhalm, „dabei stammt der lederne Luftsack mit Spiel- und Bordunpfeifen aus Kleinasien. Im Mittelalter war er über ganz Europa und vor allem auch bei uns im Alpenraum verbreitet, seine Blütezeit erlebte er im 17. und 18. Jahrhundert.“ Stefan Widhalm ist Instrumentenbauer. Er fertigt Dudelsäcke in Handarbeit. Eine Kunst, die in Österreich um 1900 ausstarb, nachdem in der Volksmusik die Geigen ihren Part übernommen hatten. Dabei soll schon Kaiser Nero auf einem Dudelsack gespielt haben. Und auch in der Bibel haben Sackpfeifen Erwähnung gefunden. „Den letzten Dudelsackspieler“, sagt Stefan Widhalm, „soll es in den 1930er-Jahren im Mühlviertel gegeben haben.“ Zwetschke, Birne oder Flieder

Der gebürtige Wiener hat sich auf den Bau von heimischen Sackpfeifen spezialisiert, und die, erklärt er sogleich, haben nur wenig mit dem schottischen Dudelsack zu tun, der erschreckend laut sein kann. „Hümmelchen und Dudey klingen im Vergleich zu den schrillen Great Highland Bagpipes sanft und lieblich. Sie können daher getrost auch drinnen gespielt werden, ohne dass die Ohren schmerzen.“

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In seiner Werkstatt, die in einem wunderschönen alten Bauernhaus im obersteirischen Trastal untergebracht ist, dreht sich alles rund ums Holz. Für seine Instrumente verwendet Stefan Widhalm hauptsächlich heimische Hölzer: Zwetschke, Birne oder Flieder. Auf Wunsch kommt auch afrikanisches Grenadill-Holz oder Ebenholz zum Einsatz, das sei aber sehr selten und entsprechend teuer. Wo geschroppt wird, fallen Späne

Stefan Widhalm legt die Länge für die Pfeife fest und schneidet den unbehandelten Holzblock zurecht. Nach dem Zuschneiden muss das Holz gedrechselt werden. „Schroppen heißt das“, sagt er und deutet mit der Hand an, Abstand zu nehmen. Es ist jetzt laut in der Werkstatt, überall fliegen Späne, es duftet nach Moos und Wald. Der Meister bohrt ein Loch nach dem anderen in die Melodiepfeife – Millimeterarbeit: Wenn hier etwas schiefgeht, war alles umsonst. Zwischen 30 und 100 Arbeitsstunden benötigt Widhalm für die Fertigung eines Dudelsacks, weil die Einzelteile zwischen dem Imprägnieren, Bohren und Drechseln immer wieder ruhen müssen. Die Leidenschaft für Musik entstand schon in seiner Kindheit. Als kleiner Bub lernte er Cello und Klarinette, später ➻


Die Instrumente aus dem Trastal gibt es ausschließlich auf Bestellung. Eile und Hast lohnen sich nicht – mindestens ein Jahr dauert es, bis der Dudelsack abholbereit ist. Jedes Stück ist ein Unikat und wird vom Rohrblatt bis zum Luftsack maßgefertigt.

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Am liebsten spielt Stefan Widhalm im Freien. Schließlich erzeugt die Sackpfeife ein intensives Klang­ erlebnis. Bewundern kann man bei ihm auch eine spanische Gaita und einen tschechischen Bock (re.).

besuchte er das Musikgymnasium in Wien. Weil er nach der Matura für den „klassischen“ Instrumentenbau in Wien keine Lehrstelle fand, ging er zuerst an die Fachschule für Kunsthandwerk nach Hallstatt und später zu einem Dudelsackbauer nach Deutschland. Zurück in Wien, eröffnete er eine Dudelsackwerkstatt – die erste überhaupt – in der Liechtensteinstraße. Das war 1994. Heute ist er längst nicht mehr der einzige Dudelsackbauer in Österreich, den stolzen Namen „Erste Österreichische Dudelsackwerkstätte“ hat er jedoch beibehalten.

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Für den Sack, der dem Instrument den Namen gibt, verwendet Stefan Widhalm Rindsleder. Möglichst naturbelassen muss es sein, damit es gut atmen kann. Wichtig ist, dass das Material dicht ist, denn die Luft darf nur durch die Pfeifen entweichen, und gleichzeitig feuchtigkeitsdurchlässig, damit sich im Inneren kein Schimmel bildet. Heute und vor 200 Jahren

„Ich habe schon Sackpfeifen gesehen, die aus einem Autoschlauch oder Gore-Tex gefertigt waren“, wundert er sich und lässt eine zähflüssige, übelriechende Masse in

den Sack hineinfließen. „Aus Glycerin und Knochenleim, das dichtet das Leder ab.“ Zum Schluss werden die Rohre am Ledersack fixiert. Stefan Widhalm behandelt den Faden zuerst mit Schusterpech und wickelt ihn dann um Leder und Holz. „Heute werden wesentlich bessere Dudelsäcke gebaut als vor 200 Jahren“, sagt er. „Dank neuer Materialien und Techniken sind sie wendiger und spielbarer.“ Bei seiner Arbeit ging es Stefan ­Widhalm stets darum, die Instrumente bis weit über ihre technischen Grenzen hinaus zu erforschen. Andere begnügen sich mit dem Ins-


Stefan Widhalm in seiner Werkstatt, die in einem wunderschönen alten Bauernhaus untergebracht ist. Hier entstehen die neuen Sackpfeifen, hier restauriert er auch alte Instrumente.

trumentenbau, Stefan Widhalm ­beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren mit Klang und Spielweise der Instrumente. Das Ergebnis sind Dudelsäcke mit bestechender Klangqualität und Tonstabilität. Wenn das Holz zu singen beginnt

Die Instrumente aus dem Trastal gibt es ausschließlich auf Bestellung. Sie sind kunstvoll verziert, jedes Stück ist ein Unikat und vom Rohrblatt bis zum Luftsack maßgefertigt. Je nach Modell und Ausarbeitung kostet ein Dudelsack aus der Steiermark zwischen 800 und 3.000 Euro.

Zufrieden begutachtet Stefan Widhalm jetzt das fertige Instrument und klemmt sich den Luftsack unter den Arm. Resolut bläst er zwei-, dreimal in die Bordunpfeife, schon ist er da, der intensive Dauerton, über dem nun eine virtuose Melodie erklingt. „So ein Dauerton hat’s in sich. Da sind Spannung und Kraft dahinter“, sagt der Meister. Auf diesen Augenblick hat er lange gewartet: wenn das Instrument zum Leben erweckt wird, wenn aus dem Holz ein Ton kommt und es anfängt zu singen. Ein Weilchen bleibt das kostbare Stück noch bei seinem Meister. Das Schwierigste,

sagt Stefan Widhalm, sei das Einspielen des Rohrblatts aus Schilfrohr. Weil sich die Tonhöhe durch die Atemfeuchtigkeit leicht verändert, muss man es so lange einspielen, bis das Rohrblatt exakt auf die Pfeife passt. „Eine heikle Angelegenheit, die bis zu zwei Wochen dauern kann.“ Gut Ding braucht eben Weile. 3

Erste Österreichische Dudelsackwerkstätte: Stefan Widhalm, Steinbruchweg 4, 8793 ­Hafning, www.dudelsackwerkstatt.at

fotos: xxxxxxx

Stefan Widhalm bei der ­Arbeit: Nach dem Zuschneiden wird das Holz gedrechselt – „Schroppen heißt das“. Dann bekommt die Pfeife das Loch für die Luftzufuhr. Wenn das Rohrblatt festsitzt, werden die Rohre am Ledersack fixiert.

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