Servus in Stadt & Land 12/2011

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12/2011 &

in Stadt & Land

Im Bregenzerwald

P. b. b., GZ10Z038662M, Verlagspostamt 1140 Wien

Balkonkisteln  &  walnüsse  & Adventbrote  &  christbaumschmuck in handarbeit  &  wachsstöckln  &  fischotter

Juppen-Kunst aus dem Ländle

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E i nfac h

.

Gut .

Leben

Am Weihnachtstisch

Rezepte für die ganze Familie

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Dezember 12/2011

EUR 3,90 chf 6,50

Von Zapfen und rauen Nächten

besinnliche

Augenblicke Zu Gast am Dachstein

&

Der Schmied der Schweizergarde

&

Ein Bauernhof im Pinzgau

>


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Dezember

Natur & Garten 12 Im Schnee

Eine lyrisch-fotografische Liebeserklärung an Österreichs Winterlandschaften von Schriftsteller Peter Gruber.

22 Zapfen-Zier

Der winterliche Schmuck der Nadelbäume zaubert weihnachtliche Stimmung in den Garten.

36 Advent im Kisterl

So wird der Balkon festlich geschmückt.

134 Der fischende Marder

Schwimmer, Jäger, Schnüffler: ein erhellender Tauchgang zum Fischotter.

122

Küche 46 Harte Schale, feiner Kern

Walnüsse sind Botschafter des Glücks und verfeinern Mehlspeisen.

50 Groß kochen, fest essen

Traditionelle Rezepte für die Feiertage.

Wohnen 78 Ein Juwel im Pinzgau

Mit viel Geduld und Fantasie hauchte eine Familie aus Piesendorf einem uralten Gehöft neues Leben ein.

88 Fundstücke

Alte Schnapsflascherln schmücken einen Kranz.

62 Süßer die Brote nie munden Kloatzenbrot, Störi und Christstollen schmecken nicht nur gut, sie erzählen auch von alten Adventbräuchen.

90 Christkindl-Werkstatt

Bezaubernder Christbaumschmuck aus Stroh, Früchten, Papier und Lebkuchen.

68 Knuspriges Bauwerk

Ein selbstgemachtes Lebkuchenhaus.

70 Der Duft der Bohne

96 Schöner Schein

Wie man aus Bienenwachs dekorative Kerzen bastelt.

Johanna Wechselberger aus Wien röstet Kaffee noch selbst.

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zusatzfotos cover: Petra Rainer, eisenhut&mayer

Inhalt 2011

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Standards

fotos: alexi pelekanos, petra rainer, stefan knittel, eisenhut&mayer, imago

Land & Leute 102 Der Stolz der Wälderinnen Die Vorarlberger Juppe wird noch wie anno dazumal gefertigt.

122 Geschmiedet für eine kleine Ewigkeit

In Molln erzeugen zwei Brüder Harnische für die Schweizergarde.

130 Traunviertler Kunststückeln Hermine Aigner & ihre Wachsstöckln.

140 In der Rauchkuchl

Servus zu Besuch in der Gaststube von Theresia Bacher in Stuhlfelden.

148 Wunder der Heimat

Zu Gast in der Dachstein-Region.

Brauchtum 28 Rauch-Zeichen

Servus-Expertin Miriam Wiegele erklärt die mythologischen und medizinischen Wurzeln des Räucherns.

110 Die Saalfeldner Krippenschule

Die Figuren des legendären Xandi Schläffer faszinieren mit ihrer lebendigen Aura und sind Teil der Saalfeldner Identität.

116 Kripperl-Roas

Eine kleine Rundreise durch die Kulturgeschichte der alpenländischen Krippen. Plus: die schönsten Krippenmuseen in Österreich.

5 Editorial 10 Servus daheim 32 Schönes für draußen 34 Der Garten-Philosoph 40 Gartenpflege, Mondkalender 44 Natur-Apotheke: Johanniskraut 60 Aus Omas Kochbuch: Festtagssuppe 74 Schönes für die Küche 100 Schönes für daheim 118 Michael Köhlmeier: Der nicht schlafen kann

46 Servus im Bauernladen 1 162 Günther Schatzdorfer: Malga Coro 166 ServusTV im Dezember 170 Feste, Märkte & Veranstaltungen 172 Leben in alten Zeiten 178 Impressum, Ausblick, Adressen Coverfoto: Luis Steinkellner. Herzlichen Dank an: Familie Berger/Brandstätter, S ­ chlitzenalmhütte; Peter Pichler, Holzhackerstube, Planai; www.holzhacker.net

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Natur & Garten

Lech am Arlberg, Schafberg.


im Schnee

foto: mauritius

Wir sehen Bilder von magischer Schönheit. Wir lesen ein Märchen des steirischen Schriftstellers Peter Gruber. Wir atmen Natur. Eine Liebeserklärung an den Winter daheim.

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Abtenau, tiefverschneiter Obstgarten.


foto: imago

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Schneehirten fliehen im Wald wehen und treiben die Luft stäuben von Bäumen den Duft künden uns Stille gar bald

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E

s war vor langer, langer Zeit. Im Gebirge­war es sehr kalt geworden. Eine weiße Decke sollte vor dem Frost schützen. Deshalb wurden die Trolle, die als Schneehirten arbeiteten, in einen tiefen Schlaf versetzt.­Sie träumten vom Winter. Die Schneehirten trugen Mäntelchen aus Kristall und warme Häubchen aus Moos. Winzige Flechtenschuhe bedeckten ihre Füßchen. Die kleinen Trolle schliefen und träumten so tief und fest wie niemals zuvor. Bis zum frühen Morgen, als über den Bergen­die Sonne erstrahlte. „Wacht auf, ihr Schneehirten!“, flüsterte eine Stimme. „Lasst es schneien. Schenkt dem Land eure Winterträume. Treibt sie durch die Lüfte. Breitet eine schützende Decke aus vielen tausenden Flocken aus. Aber achtet gut auf euch selbst. Bleibt niemals stehen! Geht immer weiter und weiter. Denn ihr seid so klein, dass ihr im Schnee steckenbleiben könnt. Ihr müsst immer weiterziehen. Wacht endlich auf, ihr Schneehirten!“ Die Trolle rieben sich die Augen. Dann ließen sie ihre Winterträume durch die Luft treiben. Und siehe, die Träume durchzogen bald die ganze Taghelle. Über dem Himmel zogen Wolken auf, begleitet von kräftigen Windstößen. Die Schneehirten schlugen Purzelbäume und kugelten kreuz und quer über die Länder und deren Gebirge. Immer wieder blickten sie zum Himmel. Die Wolken und der Wind vergnügten sich mit ihren Träumen. Plötzlich schwebte ein glitzernder Kristall durch die Luft, purzelte auf die Erde. Gleich darauf fiel ein zweiter, ein dritter und … die ersten Schneeflocken! Bald wurden es mehr und mehr. Es fielen so viele Flocken, dass niemand sie zu zählen vermochte. Alle wirkten wie strahlende Sterne. Keine Flocke sah der anderen ähnlich. Der Wind freute sich, weil sie so federleicht waren. Er spielte mit ihnen, wirbelte sie durch die Luft. Das Spiel gefiel den Schneehirten, denn Trolle sind lustige ­kleine Wesen! Mit voller Kraft ließen sie es aus ihren Winterträumen schneien. Ihre ➻

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Schneestille formt sich im Wald krönend um Wipfel und Baum senkend im friedlichen Flaum kündet uns Feuer gar bald

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Berchtesgadener Land, Watzmann.


foto: getty images



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Schneefeuer ­flammen im Wald brennen auf ­eisstarrer Flur flackern in ­schneetiefer Spur künden uns Helle gar bald

foto: getty images

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Ammergauer Alpen, Plansee.

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Schneehelle schimmert im Wald leuchtet in stockdunkler Nacht hält für uns Menschen jetzt Wacht kündet uns Frieden gar bald

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Passhöhe Gaberl, Stubalpe.


foto: mauritius

Freude war riesengroß. Sie tanzten mit dem Wind, liefen um die Wette, purzelten und tollten über Hänge und Wiesen. Sie stürzten sich in Wechten. Es war zugleich alles wunderbar weiß geworden. Der Winter war ins Land gezogen, über Berge, Täler und Länder.­Auch die Flüsse und Bäche erstarrten vor Kälte. Stille breitete sich aus. In diesem Zauber schnappten die Schneehirten völlig über! Ihre Freude ließ sie vergessen, dass sie immer weiterziehen mussten, um nicht irgendwo im Schnee steckenzubleiben. „So viel Übermut!“, knurrte der Wind. Die Schneehirten hörten ihn nicht. Erst als die weiße Decke so hoch wurde, dass die Schneehirten mit ihren Mäntelchen, Häubchen und Schuhen plötzlich steckenblieben, erkannten sie ihren Fehler. Sie waren zu übermütig geworden. Jetzt aber schien es für sie zu spät zu sein. Sie konnten keinen einzigen Schritt mehr machen. „In den Wald! In den Wald! Auch dort müsst ihr es schneien lassen. In den Wald! In den Wald!“, raunte der Wind ihnen zu. „Es ist nicht weit. Folgt mir!“, heulte er. Dann blies er kräftig in den Schnee. So kräftig, dass eine schmale Spur freigelegt wurde. Die Schneehirten eilten in dieser Spur vorwärts. Eifrig hasteten sie dahin. So lange, bis vor ihnen der Wald auftauchte. Erschöpft machten sie eine Pause. „Weiter! Weiter!“, peitschte der Wind. Mit letzter Kraft schleppten sich die kleinen­Schneehirten in den Wald. Bald legte­sich auch über Bäume und Wurzeln ein weißer Zauber. So wie überall dort, wo die Schneehirten hinkamen. Flocke um Flocke senkte sich zur Erde. Jetzt erkannten die Schneehirten, warum der Wind sie in den Wald getrieben hatte. Hier fanden sie Schutz vor den vielen Flocken. Sie schlüpften unter Schneehäuschen, die sich wie von Zauberhand um die Wurzeln formten. Von hier aus beobachteten die kleinen Trolle stolz das Winterbild, und so sah es auch der Mond, der neugierig alles beobachtet hatte. 3

Zum Autor: Peter Gruber wuchs auf dem elterlichen Bergbauernhof in Aich im oberen Ennstal auf. Der Romancier („Notgasse“) und Lyriker lebt im Winter in Wien und im Sommer­als Hirte einer kleinen Jungrinderherde auf einer Hochalm am Dachstein.

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Feiertagsrezepte

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gross kochen

Fest essen Wann, wenn nicht jetzt! Servus serviert vier traditionelle Gerichte für die Feiertage, bei denen man sich gern Zeit lassen darf. Beim Vorbereiten in der Küche und beim Genießen mit lieben Gästen an der weihnachtlichen Tafel. Redaktion: uschi korda, alexander rieder  Fotos: Eisenhut & Mayer

Kalbsstelze mit haus­ gemachten Bandnudeln Eine feine Kalbsstelze brät man daheim nur, wenn es etwas Feierliches zu zelebrieren gibt. Weihnachten ist prädestiniert dafür. Während das Fleisch 2 Stunden im Rohr ist, hat man genügend Zeit, um andere Dinge zu erledigen. Oder man wendet sich der Zubereitung von hausgemachten Nudeln zu. Ebenfalls als Beilage passen übrigens Kürbisspalten aus dem Ofen.


Saibling mit Gewürzreis Der Fisch gilt als Symbol Christi und wird traditionell am Heiligen Abend gegessen. Weit verbreitet ist der Weihnachtskarpfen, es darf aber auch einmal ein wunderbarer heimischer Saibling sein. Als Beilagen empfehlen wir Gewürzreis und Mangoldgemüse.

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die Spitzmarke

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Tiroler Sauerbraten Der Sauerbraten soll ursprünglich von Karl dem Großen im 9. Jahrhundert erfunden worden sein. Die Inspiration dafür wird aber Julius Cäsar zu­ gesprochen. Er brachte angeblich Amphoren, in denen sich in Wein eingelegtes Rindfleisch befand, über die Alpen in die neuen römischen Kolonien. Der Sauerbraten gilt zwar als deutsches Gericht, wird aber auch in Tirol an Festtagen gern zubereitet.


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Gefüllte Ente mit Schwarzwurzeln Die Feiertage eignen sich hervorragend, um sich einmal an einen großen Entenbraten zu wagen. Für acht Personen braucht man allerdings zwei Enten. Sind sie einmal im Rohr, wird’s einfach. An die 2 ½ Stunden braten sie still vor sich hin und benötigen nur wenig Aufmerksamkeit. Als Beilage empfehlen wir einen Rote-RübenFenchel-Salat.


Zubereitung 1. Für die Stelze Knoblauchzehen pressen

Kalbsstelze mit haus­ gemachten Bandnudeln Zutaten für 8 Personen Arbeitsaufwand: ca. 4 Stunden 1 große Kalbsstelze, ca. 3 kg 2 Knoblauchzehen, 4 EL Öl 1 EL gehackter Rosmarin Salz, zerstoßene Pfefferkörner je 100 g Karotten, Gelbe Rüben und Petersilienwurzel 50 g Knollensellerie, 1 Knolle Knoblauch 500 g Schalotten je 2 EL Butter und Tomatenmark je 500 ml Weißwein und Rindsuppe etwas Maisstärke zum Binden Für die Bandnudeln: 300 g doppelgriffiges Mehl 2 Eier, 3 Eidotter je 1 EL kaltes Wasser und Öl ½ TL Salz Mehl zum Bestreuen 2 EL Butter für das Nudelwasser

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und mit 2 EL Öl verrühren. Gemeinsam mit Rosmarin, Salz und Pfeffer das Fleisch rundherum damit einreiben. Wurzelwerk schälen und würfeln. Knoblauchknolle halbieren, Schalotten schälen. 2. Backrohr auf 200 °C Umluft vorheizen. 3. Stelze in einem Bräter mit den restlichen 2 EL Öl von allen Seiten scharf anbraten, dann das Bratfett abgießen. Butter zum Fleisch geben, das Wurzelgemüse darin kräftig anrösten. Tomatenmark kurz mit­ schwitzen und mit Weißwein ablöschen. 4. Stelze im Backrohr ca. 20 Minuten lang braten, dann die Temperatur auf 150 °C senken. 250 ml Rindsuppe zugießen und den Bräter mit Alufolie abdecken. 2 Stunden lang braten, dabei öfter mit dem eigenen Bratensaft übergießen. 5. Schalotten, Knoblauchknolle und die restliche Rindsuppe in die Bratensauce geben, Stelze 1 Stunde fertig garen. 6. Für die Nudeln alle Zutaten zu einem fes­ ten, glatten Teig verkneten. In Klarsicht­ folie wickeln und 1 Stunde rasten lassen. 7. Nudelteig in 4 Teile schneiden und auf einer großen Fläche dünn ausrollen. Teigteile mit Mehl bestreuen, einrollen und quer mit einem scharfen Messer in 2 cm breite Streifen schneiden. Nudeln leicht antrocknen lassen und einen gro­ ßen Topf mit Wasser aufkochen. 8. Währendessen die Stelze aus dem Rohr nehmen, in Folie wickeln und warm stel­ len. Schalotten und Knoblauchknolle aus der Sauce nehmen. Knoblauchzehen aus der Knolle schütteln. Sauce durch ein Sieb passieren, mit Maisstärke binden. Ab­ schmecken, Schalotten und Knoblauch­ zehen wieder zugeben und erwärmen. 9. Bandnudeln in Salzwasser ca. 3 Minuten kochen. Butter im Nudelwasser schmel­ zen und die Nudeln abseihen. 10. Stelze in Scheiben schneiden, mit Scha­ lottensauce und Bandnudeln anrichten. Dazu passen Kürbisspalten aus dem Ofen.

Saibling mit Gewürzreis Zutaten für 8 Personen Arbeitsaufwand: ca. 1 ½ Stunden 4 Saiblinge à ca. 600 g je 4 Melissen- und Petersilienzweige Saft von 1 Zitrone 40 g flüssige Butter 4 EL Olivenöl Salz, Pfeffer 1 kg Mangold 500 ml Fischfond 150 g Sauerrahm Für den Reis: 100 g Zwiebel 2 EL Olivenöl 500 g Langkornreis 1 l Gemüsesuppe 3 Gewürznelken 2 Anissterne ½ TL Safran Zubereitung 1. Für den Reis Zwiebel fein hacken und in

Olivenöl 10 Minuten lang anschwitzen. Reis zugeben, kurz mitrösten und mit Gemüsesuppe aufgießen. Gewürznelken, Anissterne und Safran einrühren. Zuge­ deckt ca. 25 Minuten lang garen. 2. Backrohr auf 200 °C Umluft vorheizen. 3. Saiblinge auf ein Backblech legen, den Bauchraum mit Kräuterzweigen füllen. Mit Zitronensaft beträufeln, mit flüssiger Butter und Öl übergießen. Salzen, pfef­ fern, im Rohr 20 Minuten lang braten. 4. In der Zwischenzeit Mangold waschen und in grobe Stücke schneiden. Mit dem Fischfond in einen Topf geben und zu­ gedeckt 10 Minuten lang dünsten. Sauer­ rahm einrühren und abschmecken. 5. Saiblinge filetieren, auf dem Mangold anrichten, mit Gewürzreis servieren.


Gefüllte Ente mit Schwarzwurzeln

wurzeln zur Gänze damit bedecken, da­ mit sie sich nicht braun verfärben. 6. 1 Liter Wasser mit 250 ml Milch und et­ was Salz aufkochen. Schwarzwurzeln aus dem Zitronenwasser nehmen und im Milchwasser 15 Minuten lang kochen. Dann abseihen und abtropfen lassen. 7. Schalotten fein hacken und in Butter an­ schwitzen. 30 g Mehl einrühren und hell anrösten. Unter ständigem Rühren nach und nach die restliche Milch zugeben. Zitronenschale einmischen, 10 Minuten kochen, mit Salz und Muskatnuss ab­ schmecken. Schwarzwurzeln zugeben und 5 Minuten kochen. Zum Schluss Obers und Kräuter unterheben. 8. Enten zerteilen, mit allen Beilagen anrichten.

Zutaten für 8 Personen Arbeitsaufwand: ca. 3 ½ Stunden 6 altbackene Semmeln, 3 Jungzwiebeln 3 Stangen Sellerie, 4 entkernte Äpfel 40 g Butter, 250 ml Milch, 4 Eier 2 EL gehacktes Selleriegrün, Salz, Pfeffer 2 Enten à ca. 2 ½ kg 250 ml Weißwein 250 ml Hühnersuppe Für die Schwarzwurzeln: 1 ½ kg Schwarzwurzeln 2 EL Mehl, Saft von 1 Zitrone 1 l Wasser, 1 l Milch, 100 g Schalotten 40 g Butter, 30 g Mehl geriebene Schale einer Biozitrone, Muskatnuss 200 ml geschlagenes Obers je 2 EL gehackte Petersilie und Minze Zubereitung 1. Semmeln in Würfel schneiden, in eine

große Schüssel geben. Jungzwiebeln, Selleriestangen und Äpfel kleinwürfelig schneiden, in Butter anschwitzen. Mit Semmel­­­­würfeln, Milch, Eiern und Selle­ riegrün vermischen, salzen und pfeffern. 2. Backrohr auf 200 °C Umluft vorheizen. 3. Enten mit Salz und Pfeffer einreiben. Mit der Semmelmasse füllen, mit Zahnsto­ chern und Küchengarn gut verschließen. 4. Auf ein tiefes Blech setzen und im Back­ rohr 20 Minuten lang braten. Dann die Temperatur auf 160 °C reduzieren. Wein und Suppe zugießen, weitere 1 ½ Stun­ den braten. Dabei öfter mit Sauce über­ gießen. Erst die letzte ½ Stunde die En­ ten ohne Übergießen knusprig braten. 5. Inzwischen Schwarzwurzeln unter flie­ ßendem Wasser abbürsten. Mit einem Spargelschäler schälen, in ca. 5 cm lange Stücke schneiden und in eine Schüssel geben. Sofort Mehl und Zitronensaft mit etwas Wasser verrühren, die Schwarz­

Tiroler Sauerbraten mit Brioche-Serviettenknödel Zutaten für 8 Personen Arbeitsaufwand: ca. 3 ½ Stunden Für die Marinade: 150 g Knollensellerie, 150 g Karotten 200 g Zwiebel, 100 g ­Petersilienwurzel 4 halbierte Knoblauchzehen 2 Lorbeerblätter, 1 kleiner Bund Petersilie 2 TL Pfefferkörner, 5 Wacholderbeeren 2 TL Lebkuchengewürz, 1 Stück Orangenschale 4 Dörrzwetschken 125 ml Apfelessig, 250 ml Weißwein Für den Braten: 2 kg Tafelspitz Salz, Pfeffer, scharfer Senf, 2 EL Rapsöl 2 EL Butter, 50 g geräucherter Bauchspeck 1 EL brauner Zucker, 250 ml Rindsfond 125 ml Obers, 4 EL Preiselbeermarmelade 80 g Sultaninen, 50 g geschälte Mandeln Für die Knödel: 600 g halbtrockenes Brioche (Milchweckerl) 150 ml warme Milch, Muskatnuss 4 verquirlte Eier, 150 g Sauerrahm 60 g flüssige Butter

Zubereitung 1. Wurzelgemüse und Zwiebel schälen, in

ca. 3 cm große Stücke schneiden. In ei­ nem Topf alle Zutaten für die Marinade kurz aufkochen und abkühlen lassen. 2. Tafelspitz in einen Topf legen, mit Mari­ nade übergießen. Gerade so viel Wasser zugießen, dass das Fleisch bedeckt ist. Mit einem Deckel verschließen und 24 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. 3. Fleisch aus der Marinade nehmen und mit Küchenpapier abtrocknen. Marinade abseihen, Flüssigkeit auffangen. Gemüse und Gewürze gut abtropfen lassen. 4. Backrohr auf 200 °C Umluft vorheizen. 5. Tafelspitz mit Salz, Pfeffer und Senf ein­ reiben. In einem Schmortopf Öl mit But­ ter erhitzen, Speck zugeben. Tafelspitz rundherum kräftig anbraten. Gemüse und Gewürze aus der Marinade zugeben und mit Zucker bestreuen. Im Backrohr ca. 20 Minuten lang braten. Mit Rinds­ fond und ½ Liter der Marinade ablöschen, Temperatur auf 160 °C reduzieren. Ca. 2 ½ Stunden schmoren lassen. Dabei öf­ ter mit Bratensaft übergießen, nach und nach die restliche Marinade zugießen. 6. Für die Knödel Brioche in ca. 3 cm Stücke schneiden. Milch mit Salz und Muskat­ nuss würzen, über die Briochewürfel gie­ ßen. Eier und Sauerrahm einmischen, zum Schluss flüssige Butter unterheben. 7. Zwei Küchenhangerln mit Wasser be­ feuchten. Masse darauf verteilen und einrollen. Die Enden mit Küchengarn fest zubinden. In einem Topf Wasser aufko­ chen, Serviettenknödel 25 Minuten lang unter dem Siedepunkt gar ziehen lassen. 8. Fleisch aus der Sauce heben, in Folie ein­ wickeln und warm halten. Sauce durch ein Sieb in einen Topf abseihen, Obers einrühren und 10 Minuten lang leicht einkochen. Preiselbeermarmelade, Sul­ taninen und Mandeln einrühren, die Sauce bei Bedarf mit Maizena binden. 9. Braten in Scheiben schneiden und in der Sauce erwärmen. Mit Serviettenknödeln und viel Sauce servieren.

ServusTV-Tipp: Zu Gast im Ikarus – Helena Rizzo und ihr Ehemann Daniel Redondo; 13. und 20. Dezember, jeweils 22 Uhr.

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Basteln mit Kindern

Schöner Schein

Es duftet, es macht die Haut weich – und es ist kinderleicht zu verarbeiten. Bienenwachs, zu Kerzen gerollt und mit Zutaten aus der Natur dekoriert, macht kleinen Kunsthandwerkern große Freude. Redaktion: Alice Fernau  Fotos: Alexi Pelekanos  BastelAnleitung: maryam yeganehfar

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as Bienenwachs alles kann. Kleine Skulpturen, Masken und Amulette fertigte man daraus schon in der Antike, in mittelalterli­ chen Klöstern schrieben Schüler und Lehrer auf wächsernen Tafeln, und auch für frühzeitliche Wecker war es das Basismaterial: Dazu wurden Metallstücke in genau berechneten Abständen ins Kerzen­ wachs eingelassen. Beim Abbrennen fiel ein Trumm nach dem ande­ ren in eine Blechschale – und jeder wusste, was es geschlagen hatte. Und natürlich werden aus Bienenwachs seit vielen Generationen schöne Kerzen für die Adventzeit gerollt. Eine einfache, unterhalt­ same Bastelübung, bei der die ganze Familie ihrer Kreativität freien

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Lauf lassen kann. Schließlich geht’s nicht nur ums möglichst straffe Rollen der Wabenplatten, sondern auch um fantasievolle Verzierun­ gen, die sich ganz ohne chemische Hilfsmittel anbringen lassen. Womit wir schon bei den wertvollen Inhaltsstoffen von Bienen­ wachs wären: Es wirkt antibiotisch und wird daher auch als Grund­ stoff für allerlei medizinische sowie kosmetische Salben verwendet. Und wenn beim fröhlichen Kerzenrollen ein paar Stücke übrigblei­ ben, so kann man sie bei der nächsten Verkühlung verwenden: dazu einfach die Bienenwachsplatten auf die Brust legen. Das wärmt und lindert Erkrankungen der unteren Atemwege. ➻


Ein Kunstwerk, das alle Sinne bezaubert: selbstgerollte Bienenwachskerzen, mit 足Nelken und Strohsternen best端ckt. Und damit der Tisch nicht angepatzt wird, haben wir alles in einer Holzschale angerichtet.


handarbeit

Kunststückeln aus Wachs Früher spendeten sie Licht in der guten Stube und in der Kirche. Dann wurden kleine Pretiosen zum Verschenken draus, bevor sie in Vergessenheit g ­ erieten. Nur mehr wenige wissen um die Kunst der Herstellung von Wachsstöckln. Eine davon ist Hermine Aigner aus dem Traunviertel. Text: Uschi Korda  Fotos: Philipp Horak


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ie Seele“, sagt Hermine Aigner, „des is’ bei mir ein festes Holzstöckl. An­dere nehmen Styropor dafür.“ Auf dieses N ­ iveau würde sich die Altbäuerin aus Kirchdorf in Oberösterreich sicher nie begeben. So eine Seele sollte schon Gewicht und Substanz haben, immerhin ist sie das Zentrum eines Wachsstöckls. Vor allem von einem in der Urform, so wie es schon im 12. Jahrhundert urkund­lich erwähnt wurde. Bis zur Erfindung der Glühbirne spendeten die gedrehten Wachsschnüre das wertvolle Licht, das bäuerliche Stuben und vor allem Gebetbücher erleuchtete. Früher hätten sich die Bäuerinnen die Gebrauchswachsstöckln zum Kirchgang in den Kittel gesteckt, sagt Hermine Aigner, „und mit Handwärme aufdraht, des hat oft g’feiglt“. Also nicht geklappt, denn die oberste Reihe musste vorsichtig von einer Kante zur anderen vom Stöckl gelöst und gerade aufgerichtet werden, dabei ist sie gern gebrochen. Das Stöckl wurde dann angezündet, als eine Art Lampe auf die Kirchbank gestellt, und man konnte kommod im Gebetbuch lesen. Ein Wachsstöckl als Dankeschön

So kostbar sei es gewesen damals das Wachs, sagt Hermine Aigner, dass die Wachs­stöckeln alsbald als Geschenk von großer Wertschätzung zeugten – oder Dank ausdrückten. Wie bei den Knechten, die zu Lichtmess am 2. Februar die Mägde mit einem Wachsstöckl bedachten, weil sie ihnen das ganze Jahr über das Stroh in den Betten aufschüttelten. Tat eine Magd das ordentlich, wurde das Wachsstöckl für sie gut sichtbar oben aufs Bett gelegt. War sie, nun ja, etwas schlampert, versteckte der Knecht es ganz tief im Stroh. Und wenn er sie liebte, hatte es die Form eines Herzens. Der einstige Gebrauchsgegenstand hatte sich nämlich im Laufe der Zeit zum prunkvollen Zierstück weiterentwickelt, das nicht mehr angezündet, sondern in den Vitrinen der bäuerlichen Stuben zur Schau gestellt wurde. Man schenkte die Stöckln zur Taufe, Kommunion, Firmung und zur Hochzeit; bei unverheirateten Töchtern waren sie ➻

Auf das wächserne Renaissancekreuz ist Hermine Aigner besonders stolz (o.). Für Weihnachten werden die Stöckln mit Christkindln verziert (u.).

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So sah ein Wachsstöckl in seiner Urform aus (li. o.). Für Gebetbücher werden die Wachsschnüre um ein Holzstöckl gewickelt. Rechts: ein pracht­voller Mitra-Stock mit Jesuskind.

sogar ein wesentlicher Teil der Mitgift: je mehr Stöckln, umso besser die Partie. ­Beliebt sind vor allem die Formen von Gebetbüchern, Hufeisen und der Mitra, der ­Papstkrone, gewesen, sagt Hermine Aigner. Leider gebe es aber kaum Aufzeichnun­gen, daher habe sie sich zu Beginn alles erst mühsam zusammensuchen müssen. Am Anfang war akribische Tüftelei

Es war mehr ein Zufall, der die Bäuerin, bei der wir einen gewissen Hang zur Akribie vermuten dürfen, 1987 auf ihr Hobby brachte, in dem sie längst eine Meisterin ist. Für einen Basar der ortsansässigen Goldhaubengruppe suchte man noch etwas Außergewöhnliches. Hinterglasmalerei machte ja schon ein jeder, sagt Hermine Aigner, und irgendwer brachte die Wachsstöckln ins Spiel, die schon nahezu ausgestorben wa-

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ren. „Da is’ eh nix dabei, haben s’ g’sagt“, so Hermine Aigner und lächelt ein vielsagendes „Ja eh“ hintendran. Viel Lehrgeld habe sie gezahlt, sowohl in echtem Geld als auch in Zeit. Von Museum zu Museum sei sie damals gepilgert und habe die alten Motive abfotografiert, um sie dann zu Hause nachzumachen. In der Nacht natürlich, wenn die Kinder im Bett und die Tiere versorgt waren. Oft bis zwei Uhr morgens, aber um sechs ist sie dann immer pünktlich zu ihren 300 Säuen in den Stall gegangen. Sogar mit einem Chemiker hat sie sich zusammengesetzt, weil sich das Bienenwachs aus der hauseigenen Imkerei nicht gut vergolden ließ, sondern immer oxydierte. Heute mischt sie sich das Wachs zum Verzieren selbst, die Wachsschnüre werden nach ihren Vorgaben von einem Wachszieher in Bayern angefertigt. In Elfenbein und Altrosa, das sind ihre liebsten Grundfarben. Die Seele also, die wird zunächst in Seidenpapier verpackt, dann werden feinsäuberlich die Wachsschnüre drum herum-

gewickelt. Damit sie sich gescheit legen lassen, müssen sie geschmeidig sein und leicht erwärmt werden. Dafür hat sich Hermine Aigner eine alte Ferkellampe in ihrer kleinen Werkstatt installiert. „Zach und langsam is’ scho’ “, sagt sie, aber das sei ja jetzt modern, das mit dem Entschleunigen. In der Arbeit kann man sich verlieren

Ist die Grundform einmal gelegt, geht es ans Verzieren, und da zeigt sich die wahre Kunst jeder Wachsstöcklmacherin. Sämt­ liche Elemente wie Blüten, Blätter, Kreuze und Figuren sind aus Wachs, mit gefärbtem oder vergoldetem Wachs bemalt und werden mit einer dünnen Wachsschicht aufgeklebt. „Des muaß ma gspürn, wo ma wos hinsetzt“, sagt Hermine Aigner, das müsse quasi von innen kommen. Man kann es richtig fühlen, dass sich bei ihr das einstige Hobby zur Leidenschaft ausgewachsen hat – zu etwas, das einem auch in schweren Zeiten, in denen das familiäre Gefüge ins Wanken gerät – wie durch den


Die feinen Blümchen kann man nur mit einer ­Schneidfeder anstechen (o. li.). Die antiken ­Messingstempel zum Ausstanzen der kleinen Formen hat Hermine Aigner in einer aufge­lassenen Wachszieherei ergattert (u. li.). Die ­vielen Einzel­ teilchen setzt sie sorgsam zusammen. Ohne Zitterer und in der Nacht.

plötzlichen Tod ihres Ehemannes vor elf Jahren –, eine Art geordneter Sicherheit gibt. Es ist eine langsame Arbeit, die viel Konzentration erfordert. Eine Arbeit, bei der man gar nicht zum Nachdenken kommt, in der man sich ganz und gar verlieren kann. Alte kreuze und Messingstempel

fotos: xxxxxxx

Liebevoll hält Hermine Aigner jetzt ein ­kleines Renaissancekreuz in Händen, schätzt kurz ab, wo die Mitte des Wachsstöckls ist, um es dann allein mit Augenmaß an der einzig richtigen Stelle zu fixieren. Dieses Kreuz gehört zu den Besonderheiten in ihrer Sammlung. Es stammt von einem ­alten Gebetbuch aus Bad Hall, das eine Bekannte für sie entdeckt hat. Hermine Aigner hat einen Abdruck davon genommen und mithilfe ­einer Silikonschablone vervielfältigt. ­Praktisch sei das heute, sagt sie, und „wenn s’ des früher scho’ g’habt hätten, hätten s’ es a g’nommen“. Was man auf jeden Fall vor 150 Jahren hatte, waren Messingstempel, mit denen man die zarten Verzierelemente aus dün­­nen Wachsplatten ausstanzte. Davon besitzt Hermine Aigner eine kleine Sammlung, und zwar aus Fügung, wie sie sagt. Eine Freundin hätte im Radio von der Auflösung einer alten Wachszieherei in Salzburg gehört, und sie sei sofort hingefahren. Angesichts der edlen, feinziselierten Teile habe sie einfach nicht widerstehen können, sagt sie beinahe entschuldigend, weil dafür immerhin 2.000 Euro zu berappen waren. Heute sind die prächtig verzierten Wachsstöckln, die einst in Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Bayern in jedem Bauernhaus zu finden waren, wieder ein beliebtes Geschenk. Sie habe den Boom richtig gespürt, sagt Hermine Aigner, die sogar die Schachteln mit den Papierspitzen selbst anfertigt. Kleine Pretiosen, die zu Weihnachten vor allem in Form von Gebetbüchern verschenkt werden. Um die 30 Euro kosten sie bei Hermine Aigner, aber dafür kann man sicher sein, dass auch eine feste Seele drinnen steckt. 3

Zur Person: Hermine Aigner erreicht man unter Tel. +43/664/447 09 16 oder per E-Mail: honig.aigner@direkt.at.

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brauchtum

Xandi Schläffer mit einer seiner Krippen (ca. 1980).

Die Saalfeldner Krippenschule P

Zwischen den Hohen Tauern und dem Steinernen Meer wird eine t­ raditionsreiche Kunst gepflegt: Die Krippen des legendären Xandi Schläffer faszinieren mit ihrer lebendigen Aura – und sind Teil der S ­ aalfeldner Identität. Text: Andeas oberndorfer  Fotos: michael reidinger

eter Peroutka sitzt in seiner kleinen Werkstatt am Rand von Saalfelden und rich­tet seine Siebensachen zusammen. Auf die kleine Kochplatte links neben der papierenen Arbeitsunterlage stellt er einen Topf mit Leim, der bald zu köcheln beginnt. Auf der rechten Seite ordnet er zierliche Werkzeuge an: selbstgebaute Ministichel, Pinzetten, kleine Zangen. Vor die Arbeitsfläche platziert er zugeschnittene Stoffstücke, weiße, runde Gipsmodel mit eigenartigen Vertiefungen, kleine Holzblöcke, Drahtstücke, ein Wollknäuel und ein Brett mit unzähligen Köpfen und Gesichtern, alle auf dicken Drähten aufgespießt. Es könnte einem fast ein bisschen unheimlich werden bei diesem Arrangement, wenn man nicht wüsste, dass es einem katholischen Zweck dient. Peter Peroutka fertigt hier die Figuren für seine nächste große Krippe, die einer der Höhepunkte in einer Ausstellung des Salzburger Heimatwerks sein soll. Und er demonstriert uns dabei die legendäre Schläffer-Technik. Dafür braucht er kei­ nerlei Schnitzwerkzeug.

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Saalfelden am Steinernen Meer ist eine schmucke Stadt im Pinzgauer Saalachtal. 16.000 Einwohner, Verkehrsknotenpunkt, Heimat von Österreichs einziger Einsiedelei sowie eines der wichtigsten Jazzfestivals der Welt und zweier Hauptschulen. – Spätestens hier wird es für uns interessant. Denn alle Saalfeldner Haushalte, in denen Absolventen der Hauptschule am Bahnhof wohnen oder gewohnt haben, besitzen ein bedeutsames Schmuckstück: eine Saalfeldner Hauskrippe. Ein Kleinhäusler schreibt Geschichte

Die „Saalfeldner Krippe“, entworfen in den 1960er-Jahren von Alexander Schläffer, dürfte der schönste gemeinsame Nenner der Saalfeldner sein. In der Hauptschule am Bahnhof wird sie seit Generationen von allen Schülern der dritten und vierten Klassen nachgebaut. Die Drittklassler basteln die Figuren, um im nächsten Jahr dann die ganze Krippe zu vollenden. Das gehört hier zum Schulabschluss. Aber nicht nur deshalb ist die Saalfeldner Krippe etwas Besonderes. Ihr Erfinder, von den Einheimischen noch fast 30 Jahre nach seinem Tod liebevoll

„Xandi“ genannt, hat sich nachhaltig in die Annalen der Stadt eingeschrieben. Seine Arbeit bildet bis heute die Grundlage für ein lebendiges Brauchtum, das kaum wo so gepflegt wird wie hier. Die ersten Markierungen setzte Schläffer schon 1923, und sie hatten bereits mit Krippen zu tun. Der 1899 geborene Sohn einer kleinhäuslerischen Färberfamilie hatte seine Jugendjahre als Helfer im Elternhaus und dann an der Front verbracht. Wieder zurück­ gekehrt, erlebte er ein eigenartiges Phänomen, das in der Chronik der „Krippenfreunde in Saalfelden“ festgehalten wurde: 1923 begann in seiner Heimat ein großer Ausverkauf alten ländlichen Hausrats. Dieser wurde von Spekulanten in der Inflationszeit mit billigem Geld aufge- und mit großem Gewinn ins Ausland weiterverkauft. Als plötzlich auch nach alten Krippen gesucht wurde, trat der junge Xandi Schläffer auf den Plan. Er recherchierte akribisch in der engeren Umgebung von Saalfelden und konnte mit aufwendiger Überzeugungsarbeit die meisten alten Stücke in der Gegend zu einer Sammlung vereinen, sodass sie dem ➻


Die Große Saalfeldner Heimatkrippe von 1964 (oben und links unten). Rechts unten: Schläffer-Schüler Peter Peroutka stellt eine Kastenkrippe fertig.


Mit teils selbstgefertigten Werkzeugen werden aus der Knetmasse die Glieder geformt; die Kleidungsstücke werden durch heißen Leim gezogen und abgestreift, bevor sie den Krippenfiguren „angezogen“ werden.

Verkauf entgingen. Die 1. Pinzgauer Krippenausstellung, von 2. bis 9. Dezember 1923 im Gasthof Bacher, war ein unglaublicher Publikumserfolg und gleichermaßen die Initialzündung für eines der wunderbarsten Phänomene der alpenländischen Volkskultur: Die Krippenpflege wurde geradezu zu ­einem Teil der Identität der Saalfeldner – und ganz besonders des Xandi Schläffer. Seine zivile Existenz war, wie man heute sagen würde, immer prekär. Er war bei ei­ner Plakatfirma angestellt, hatte eine kleine Landwirtschaft mit Ziegen und Hühnern und pflegte Obstbäume. Das war für ihn aber der weitaus uninteressantere Teil seines Alltags, zu bürgerlichem Wohlstand kam er damit nie. Eigentlich war er seit jener Ausstellung Sammler und Gestalter von Krippen. Pinzgau statt Bethlehem

Zunächst bezog Schläffer noch Figuren für klassische „orientalische“ Krippen von einer befreundeten Familie, aber bald fand er zu den sogenannten „Heimatkrippen“, die im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden und das biblische Geschehen der Geburt Christi in die Region ihrer Her- und Aufstellung verlegten. Folglich ist der Stall einer Schläffer’schen Krippe nicht ein typisch bethlehemitischer, sondern der eines Pinzgauer Bauernhauses mit dem entsprechenden Personal. Nur die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland werden im orientali-

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schen Prunkgewand dargestellt. Und in einer Schläffer-Krippe stehen statt Ochs und Esel jede Menge Schafe in der detailreich ausgestalteten Landschaft. Als Xandi Schläffer 1984 starb, hat er seiner Heimat nicht nur eine Tradition, eine Technik und unzählige Krippen hinterlassen, sondern auch ein Heimatmuseum im Schloss Ritzen, in dem die Besucher heute eine der weltweit bedeutendsten Krippensammlungen bestaunen können. Die Geheimnisse des Meisters

Die hiesigen Krippen sehen allerdings nicht nur deshalb anders aus als die typischen, ­geschnitzten Tiroler Weihnachtsszenerien. Das liegt daran, dass sie nicht geschnitzt sind. Schläffer hat nämlich auch eine spe­ zielle Krippenbautechnik eingeführt. Zurück zu Schläffers Schüler Peter Peroutka: Der stellt zunächst eine fast weiße, kittartige Masse her. Die Originalrezeptur ist zwar ein Betriebsgeheimnis, dem Vernehmen nach besteht sie aber zu zwei Dritteln aus „Wiener Weiß“ (Kreide) und zu einem Drittel aus Roggenmehl, gebunden mit weißem Leim. Diese Masse drückt er in die mit Öl ausgestrichenen Vertiefungen der Gipsmodeln. Und siehe da, es entstehen Unterarme mit Händen und Unterschenkel mit Füßen dran. Die Gesichter für die rund 12 cm hohen Hirten, Bauern, Engel oder Mägde liegen, wie erwähnt, schon bereit. Sie wurden auf

dieselbe Art hergestellt. In die fertigen Gliedmaßen werden nun Drahtstücke, diese wiederum in kleine Holzkorpusse gesteckt, die den Rumpf der Figuren geben. Diese Skelette werden schließlich auf eine ebenfalls aus der weichen Modelliermasse bestehende Unterstandsplatte aufgesetzt. Nach der mehrstündigen Trocknung taucht der Krippenbauer einen feinen Pinsel in den vor sich hin köchelnden Leim. „In Unken beispielsweise nehmen sie Tapetenkleister, die Schläffer-Figuren werden mit Knochenleim gemacht“, sagt Peroutka und streicht die Drahtarme sowie -beine damit ein, um sie dann mit einem grauen Woll­ faden fein zu umwickeln. Der bildet das Fleisch auf den „Knochen“. Nach einer weiteren kurzen Trockenphase folgt der letzte und schwierigste Teil des Prozesses: die individuelle und „modische“ Ausgestaltung. Der MusterSchüler

Streng genommen sind allerdings die Be­ griffe „individuell“ und „Gestaltung“ irreführend. Die Model für Gesichter, Hände und Füße der Figuren wurden alle von ­Xandi Schläffer entwickelt und seither nicht ver­ändert, heute gebaute Krippenfiguren ­sehen also weitgehend genauso aus wie jene vor 30 Jahren. Sogar die ausgefeilten Schnitte für das Gewand der Figuren sind von Schläffer vorgegeben, nur die (Baumwoll-)Stoffe können variiert werden. ➻


fotos: xxxxxxx

Mit einem feinen Pinsel vollendet Peter Peroutka die Figuren. Fotos oben: Die Model für die Gesichter stammen noch von Xandi Schläffer. Arme und Beine werden mit Wollfäden umwickelt. Darüber werden kunstvoll die win­zigen Kleidungsstücke arrangiert. Besonders aufwendig ist die Gestaltung des Fells der Schläffer’schen Schafe.


Die Krippe von Peter Peroutka (links) wird für eine Ausstellung im Salzburger Heimatwerk gebaut. Rechts: die typische Saalfeldner Hauskrippe.

Das Gewand ist das wesentliche äußere Merkmal der Schläffer’schen Krippenge­ stalten, jenes, das sie gegenüber den geschnitzten Krippen auszeichnet. Es macht sie dynamischer und weicher im Umriss, sie wirken natürlicher und sind variabler. Die einfachen, aber ausgetüftelten Schnitte werden im köchelnden dünnflüssigen Leim getränkt, mit einer Pinzette abgestreift und den Holzdrahtpuppen dann angezogen. Dafür braucht’s die gleiche Pinzette, sehr gute Feinmotorik, viel Geduld und Sinn für naturalistische Details. Über all das gebietet Peter Peroutka in souveräner Manier. Er bekleidet den Hirten mit einer grünen Hose, einem rotkarierten Hemd und einer braunen Jacke, dann klebt er auf die Hemdbrust den ledernen Quersteg eines Hosenträgers und setzt der Figur einen Hut auf. Zum Schluss färbt er mit einem feinen Pinsel Augen und Mund, verleiht der Hirtennase einen leichten Rosaton und gibt in drei Durchgängen dem Hut ein verwittertes Aussehen. Fertig, perfekt. Peter Peroutka ist einer der letzten Virtuosen aus der Schläffer-Schule. Der gebürtige Wiener kam 1964 in den Pinzgau. Sehr

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bald entdeckte er die hiesige Krippenkultur, ließ sich von ihr faszinieren und vom Altmeister selbst in die Kunst einweihen. Später wuchs er selbst in die Rolle, diese Kunst behutsam weiterzuentwickeln und auch Interessierten zu vermitteln. Immer gleich und immer anders

Was das Besondere an dieser Technik ist? „Einerseits werden immer die Figuren vom Xandi verwendet, das macht die Gestaltung einfacher. Andererseits kann man aber ihre Haltung durch die Drahtglieder unendlich abwandeln und mit dem Gewand auch noch zusätzlich animieren. Sie schauen immer ein bisschen anders aus, viel individueller als bei anderen Methoden.“ Nicht nur die Figuren, auch die Ställe und Landschaften, in denen die Bauern, Mägde und Hirten ihr weihnachtliches Leben führen, sind unendlich variabel. Deren Her­ stellung geht natürlich ebenso auf den Saalfeldner Altmeister zurück. Astfreie Bretter werden für die Vorderseite und die Seiten­ teile gebraucht, aus denen man Fenster und Türen ausgeschnitten und dann wieder hinterlegt hat. Die Fenster werden mit schwar-

zem Farbpapier und einer Klarsichtfolie ­kaschiert und sehen aus wie aus Glas. Unglaublich viele Details, vom Grashalm bis zur Dachschindel, müssen ergänzt werden, auch die Schläffer’sche Kreide-Mehl-Leim-Masse kommt dabei ausführlich zum Einsatz. Wie viel Zeit ihn eine Krippe kostet, kann Peter Peroutka gar nicht sagen. „Der Aufwand ist natürlich unterschiedlich. Aber wenn Sie diese Hauskrippe anschauen“, er weist auf eine keineswegs große, dafür aber sehr kleinteilige Kastenkrippe, „da hab ich sicherlich hundert Stunden allein für das Malen gebraucht.“ Auftraggeber müssen sich jedenfalls sehr rechtzeitig bei ihm einstellen. Sonst ist er womöglich auf seiner Harley schon in die Berge unterwegs, um diese in Ruhe zu bewandern – was er sehr gerne tut, wenn Zeit dafür ist. 3

Servus-Tipp: Im Pinzgauer Heimatmuseum im Schloss Ritzen kann man Schläffer’sche und unzählige andere Krippen bewundern und sie sich von Museumsleiter Klaus Linzmaier oder Kuratorin Andrea Dillinger erläutern lassen. www.museum-saalfelden.at


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