Servus in Stadt & Land 04/2011

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Die Kasettl-Macherin Das große Ostermenü Festtagstracht aus Tirol

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E i nfac h

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Gut .

Leben

Rezepte aus fünf Regionen

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April 04/2011 EUR 3,90

Melodien des Frühlings

Lebendiges Brauchtum

Von Ratschenkindern, Palmbuschen und süssen unschuldslämmern

Der Schellenschmied vom Stanzertal

&

Zu Gast im Seewinkel

&

Der Schusterstein bei Grein

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April

Natur & Garten

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Küche

12 Die schönen Wilden

44 Gemüse des Monats

18 Augenweiden

48 Festliche Rezepte

Blühende Wildgehölze sind wahre Schmuckstücke im Garten.

Wir bauen ein lebendes Zelt aus Weidenruten.

20 Gefährte fürs Leben

Ein Blick ins vielfältige Gartenreich von Marianne Rusch im Waldviertel.

26 Melodien des Frühlings

Die Musik der heimischen Singvögel ist ein Wunderwerk der Natur.

36 Reiche Ernte

Ein Küchengarten wie damals.

8  Servus

Frisch aus dem Garten: Jetzt ist Rhabarber-Zeit.

So gut schmeckt Ostern.

58 Süße Unschuld

Ein Biskuit-Lamperl zum Nachbacken.

Wohnen 72 Alpine Fantasie

Der 400 Jahre alte Söllhof bei Hopfgarten wurde mit viel Gespür von Grund auf renoviert.

82 Dekoratives Fundstück

Ein Paravent aus alten Fensterläden.

84 Mahlzeit im Grünen

Frühlingsdekoration für den Esstisch.

60 Aus Omas Kochbuch

Der slowenische Smetani Struklj.

86 Malen mit Schalen

Österliche Tradition: So färbt man die Eier mit Zwiebelsud, Gräsern und Blüten.

64 Essbare Blüten

Wenn die Teller blühen: vier blumige Köstlichkeiten.

fotos cover: petra benovsky, vielen dank für´s ratschen an: lorenz, franziska & jakob, erich reismann, eisenhut & Mayer, corbis

Inhalt 2011

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44 98

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Standards

inhalt: imago, erich reismann, eisenhut&mayer, marco rossi, katharina gossow, petra benovsky

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Land & Leute 92 A fesch’s Gwandl

Das Kasettl ist die Unterinntaler Festtagstracht. Hildegard Wahrstätter weiß, wie man sie macht und trägt.

108 Der Ratschenmacher von St. Kathrein

Der Steirer Franz Ederer ist einer der Letzten, die dieses Handwerk pflegen.

120 Frisch von der Alpe

Ein Besuch bei Theresia Schneider, die im Ländle mit viel Zeit, Geduld und Kraft Bergkäse herstellt.

Brauchtum 98 Von Buschen, Besen und Bäumen

Lebendige Bräuche rund um den Palmsonntag mit all ihren regionalen Eigenheiten.

116 Der Klang der Schellen

Zu Gast im Tiroler Stanzertal: Walter Scherl, der letzte Schellenschmied Österreichs.

122 Unter dem Wind

Ein kulinarisch-kultureller Streifzug mit Paradeiserbauer Erich Stekovics durch den Seewinkel.

5 Editorial 10 Servus daheim 30 Gartenpflege, Mondkalender 32 Schönes für draußen 34 Der Garten-Philosoph 42 Natur-Apotheke: Die Birke 70 Schönes für die Küche 90 Schönes für daheim 112 Michael Köhlmeier: Der Schusterstein bei Grein

132 Bernhard Aichner:

Nachmittag mit Anna

136 ServusTV:

Sehenswertes im April

40 Feste, Märkte, Veranstaltungen 1 142 Das Leben in alten Zeiten 146 Impressum, Hersteller-Adressen

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Die schönen Wilden Felsenbirne, Dirndlstrauch und Schlehe sind wahre Schmuckstücke im Frühlingsgarten. Und schenken uns allerlei gesunde Köstlichkeiten. redaktion: Veronika Schubert, Alice Fernau

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FOTOs: mauritius

Natur & Garten


Gemeine Felsenbirne Ihre beerigen Früchte sind eine Wohltat für Mensch und Tier. Ob als Wildstrauchhecke oder Solitärpflanze – die Felsenbirne ist auch für kleine Gärten bestens geeignet. Und sie ist ein wahrer Tausendsassa! Nicht nur hinreißend für Auge und Nase, auch in Sachen Naschen und Heilen hat das wilde Strauchgewächs viel Gutes zu bieten. Im Frühling zaubern die zartweißen Blüten frische Leichtigkeit in den erwachenden Garten. Auch die ersten Insekten werden vom Duft der kleinen Blütensterne zu einem Festmahl angelockt. Trägt der wilde Obststrauch ab Ende Juni seine beerenartigen Früchte, kommen­ auch die Vögel auf den nahrhaften Geschmack – und wir in die Gänge: Aus den blauen Kügelchen, die stark an Heidelbeeren erinnern, lässt sich ein wohlschmeckender Likör oder köstliche Marmelade machen. Die kleinen Früchtchen sind reich an Vitaminen, Mineralien und Gerbstoffen, wirken sich positiv auf die Herzleistung aus, sollen den Blutdruck senken und lindern den Schmerz bei Hals- und Mundentzündungen. Übrigens: Die Felsenbirne ist auch in der zweiten Jahreshälfte eine Augenweide. Der Herbst verwandelt das Wildgehölz in ein Feuerwerk in knalligem Rotorange. ➻

Amelanchier ovalis

Die duftenden Sternblüten der Felsenbirne. Ab Juni trägt das Wildobstgehölz Früchte, die stark an Heidelbeeren erinnern.

Familie: Rosengewächse (Rosaceae) Standort: gedeihen auf fast allen Gartenböden in voller Sonne und auch im lichten Schatten Pflege: anspruchslos, verträgt Trockenheit gut Pflanzung: wahlweise im Frühling oder Herbst in eine gut vorbereitete Pflanzgrube, als wurzelnackte Pflanze oder mit Ballen setzen Blütezeit: April

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dirndlstrauch Die Farbe der Sonne lockt die ersten Bienen des Jahres in den Garten. In Österreich nennt man ihn liebevoll Dirndlstrauch, Dirndling oder Dirndl. In der Schweiz heißt er auch Tierlibaum. Aber eigentlich ist er im deutschsprachigen Raum als Gelber Hartriegel oder Kornelkirsche bekannt. Mit seinen kleinen Blüten, die ab März in knallgelben Dolden die noch kahlen Zweige zieren, wirkt der Strauch als Farbtupfer im aufkeimenden Garten. Das freut auch hungrige Bienen, die sich am Cornus mas an Nektar und Pollen laben. Ein nahrhaftes Frühlingsfutter nach den langen Wintermonaten. Vor allem im niederösterreichischen Pielachtal prägen wild wachsende Dirndlsträucher die hügelige Landschaft. Seit jeher werden die Wildfrüchte hier ab Mitte August zu regionalen Köstlichkeiten verarbeitet: Likör oder Schnaps, Marmelade oder Gelee, Saft, Kompott oder sogar Wein lässt sich aus den kirschenartigen Beeren machen. Die Römer legten die säuerlichen Früchte wie Oliven ein. Und die mittelalterliche Kräuterfrau Hildegard von Bingen empfahl die Vitamin-C-reiche Kornelkirsche als wohltuenden Badezusatz. ➻

Cornus mas Familie: Hartriegelgewächse (Cornaceae) Standort: gedeihen gut auf feuchten, nährstoffreichen und kalkhaltigen Böden Pflege: anspruchslos, wärmeliebend; bei andauernder Trockenheit sind die Früchte etwas kleiner Pflanzung: wahlweise im Frühling oder Herbst in eine gut vorbereitete Pflanzgrube als wurzelnackte Pflanze oder mit Ballen setzen Blütezeit: März

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Die gelben Dolden des Dirndlstrauchs zaubern Wärme in den Frühlingsgarten. Später werden seine Früchte, die Kornelkirschen, vor allem im Pielachtal zu vitaminreichen Spezialitäten verarbeitet.


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FOTOS: flora press, imago


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schlehdorn Ein prachtvoller, störrischer Strauch, den schon Pfarrer Kneipp schätzte. Mit seinen zarten, leicht nach Mandeln duftenden Blüten ist der Schlehdorn, auch Hecken- oder Schwarzdorn genannt, im Frühjahr eine wahre Pracht. Seine Dornen und die stark in sich verwachsenen Zweige machen den Wildobststrauch allerdings zu einem recht störrischen Gesellen. Ein Umstand, der bei der Ernte zwar nicht gerade hilfreich ist, dafür aber Strauchbrütern wie der Schwanzmeise sicheren Schutz vor Nesträubern bietet. Die Früchte der Schlehe sehen wie Miniaturzwetschken aus und gelten ebenfalls als Steinobst. Allerdings sind sie in ihrer sauren Art geschmacklich weit weniger populär als ihre süßen Verwandten. Was die Heilwirkung der Schlehe betrifft, ist es um die blauen Früchte gleich besser bestellt: Schon Pfarrer Sebastian Kneipp schwor auf Schlehenblütentee als verdauungsregulierenden Magenverstärker und Blutreiniger. Die säuerlichen Beeren, aus denen Marmelade, Saft und Schnaps gemacht wird, sind reich an Vitamin C, jedoch erst nach dem ersten Frost genießbar. Dann heißt es aber geschwind ernten, sonst sind die Vögel schneller! 3 ServusTV-Tipp: „Gut gärtnern“, jeden Mittwoch im Magazin „Gut leben“ ab 18.30 Uhr.

FOTOs: imago, flora press

Prunus spinosa

Der blühende Schlehdorn schenkt ­Marienkäfern (links oben) und ­Schmetterlingen wie dem Tagpfauen­ auge frischen Nektar. Die Früchte sind sehr sauer, aber auch sehr gesund.

Familie: Rosengewächse (Rosaceae) Standort: nährstoffreiche, humose und lockere Böden; weit verbreitet in Tal- und Berglagen; sonnig bis halbschattig Pflege: anspruchslos, Vorkommen sogar zwischen Felsen und Schutthalden möglich Pflanzung: wahlweise im Frühling oder Herbst in eine gut vorbereitete Pflanzgrube, als wurzelnackte Pflanze oder mit Ballen setzen Blütezeit: März und April

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rezepte mit Tradition

So gut schmeckt Ostern

Einfach köstlich feiern: Mit diesen fünf kulinarischen Raritäten, die wir in den Bauernküchen unserer Heimat entdeckt haben. Redaktion: Andreas Oberndorfer Fotos: Eisenhut & Mayer Gekocht von: Alexander Rieder

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Waldviertel

Mohnkranzerl Das Waldviertel ist für seine Mohnvorkommen berühmt und auch dafür, dass man sich hier eher bodenständig verköstigt. Dementsprechend schlicht und typisch packt man hier ein rotes ­Osterei (übrigens: Das ursprüngliche Osterei war immer rot gefärbt und erinnerte damit an das von Christus vergossene Blut) in ein Kranzerl aus ­Hefeteig, das passenderweise ordentlich mit Mohn versehen wird.

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Pinzgau

Lammkeule in Bergkräuterheu Das Lamm ist zu Ostern ebenso allgegenwärtig wie der Schinken, im Westen Österreichs aber schon länger verbreitet als im Osten. Es gibt ­ungezählte traditionelle Osterlamm-Rezepte. Je nachdem, auf welches Datum Ostern fällt, ist die Wahrscheinlichkeit größer oder kleiner, noch ­einer Milchlammkeule habhaft zu werden, die also von einem Lamm stammt, das nur Muttermilch zu sich genommen hat und noch kein Gras.

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Bayern

Ostersuppe Die Bayern lieben sie, ihre traditionelle Oster­ suppe. Vielleicht auch deshalb, weil sie eigentlich eine Fastenspeise ist, dabei aber köstlich schmeckt. Sie besteht im Wesentlichen aus Kerbel, unter den Kräutern der verlässlichste erste Frühlingsbote. Nach dem langen Winter sind die heilenden Wirkungen des Kräutleins – wie Entgiftung, Anregung von Leber- und Nieren­ funktion – gerade richtig für eine Frühlingskur.

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Kärnten

Reindling Bei jedem Kärntner Osteressen spielt er eine ­besondere Rolle: der Reindling. Es gibt viele Reindlingrezepte, zu Ostern ist er aber besonders ­herausgeputzt. Meist ähnelt er optisch dem Gugelhupf. Unterm Jahr wird er mit Butter und Marmelade verzehrt, zu Ostern mit Schinken. Zum Festessen wurde er, weil er aus dem seinerzeit teuersten aller Mehle hergestellt wird, jenem aus Weizen. Und seinen Namen „Reindling“ hat er, weil er in einer Tonrein herausgebacken wird. Zu Ostern ist es übrigens Brauch, dass der Godl, also der Taufpate, sein Patenkind mit einem Reindling überrascht, in dem eine Münze oder ein Osterei versteckt ist.


Weststeiermark

Osterkitz Die Steirer pflegen natürlich auch den Verzehr von Lamm, Hase und Schinken zu Ostern. Aus der Weststeiermark ist aber ein spezielles ­Ziegenkitz-Rezept überliefert. Hier wird das ­helle, bei u ­ nsachgemäßer Behandlung leicht zur Zähigkeit neigende Fleisch ganz langsam gebraten, fast schon geschmort, bis es butterweich im eigenen Saft auf den Tisch kommt. Als herb-pikanten K ­ ontrast reicht man im Schilcherland dazu ein ­Vogelbeerkompott.

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Verw Sie H enden Almk eu mit räute rn! Pinzgau Waldviertel

Mohnkranzerl Zutaten für 7 Stück Für den Teig: 1 Pkg. Germ 500 g glattes Mehl 60 g Staubzucker Salz 110 g Butter 1/4 l lauwarme Milch 2 Eidotter Für die Füllung: 200 g gemahlener Mohn 100 g zerlassene Butter 80 g Zucker 1 EL Vanillezucker 1/8 l heiße Milch, 1 EL Rum etwas Zimt und geriebene Zitronenschale Für die Garnitur: 1 Eidotter, mit 12 EL Milch verquirlt etwas Mohn zum Bestreuen Zubereitung 1. G erm zerbröseln, mit Mehl, Zucker und

Salz vermischen. Butter in lauwarmer Milch zergehen lassen. Alle Zutaten zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten. Mit einem Tuch bedecken, an einem war­ men Ort eine halbe Stunde rasten lassen. 2. F ür die Fülle alle Zutaten vermengen. Backrohr auf 200 °C Umluft vorheizen. 3. D en Hefeteig zu einer Rolle formen und in ca. 14 Stücke teilen. Rechtecke (ca. 15 cm lang und 4 bis 5 cm breit) auswalken, mit Mohnfülle 2 cm breit bestreichen und zu­ sammenschlagen. Den Teig rundherum festdrücken und zu einer Rolle formen. 4. J e 2 fingerdicke Rollen spiralenförmig umeinanderschlingen und dann zu einem Kranzerl formen. Kurz rasten lassen, mit Dottermilch bestreichen, mit Mohn be­ streuen und goldbraun backen. Backrohr auf 180 °C zurückschalten und ca. 20 Mi­ nuten weiterbacken. 5. N ach dem Backen ein gekochtes, gefärb­ tes Osterei in das noch warme Mohnkranzerl drücken.

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Lammkeule in Bergkräuterheu Zutaten für 4 bis 6 Personen 1 Lammkeule (ca. 1 1/2 –2 kg) grobes Salz aus der Mühle frisch gemahlener weißer oder schwarzer Pfeffer 4 EL Olivenöl frisch getrocknetes Bergheu (am besten mit wilden Wiesenkräutern direkt vom Bauern) Für die Marinade: 3 Knoblauchzehen 1 TL grobes Salz aus der Mühle 1 TL Majoran 1 TL Rosmarin 1 TL Thymian 4 Blätter Salbei 1 EL geriebene Zitronenschale 1/4 EL Olivenöl frisch gemahlener Pfeffer Für den Lammfond: 1 kg Parüren und kleingehackte Knochen vom Lamm Öl zum Braten Wurzelwerk 1 mittelgroße Zwiebel 1 TL Paradeismark 1/4 l kräftiger Weißwein 5 schwarze Pfefferkörner Zubereitung 1. L ammkeule parieren, waschen, gut tro­

ckentupfen. Mit Salz und Pfeffer würzen. 2. F ür die Marinade Knoblauchzehen im

Mörser mit dem Salz zerstoßen. Kräuter und geriebene Zitronenschale zugeben und zu einer Paste mörsern. Das Olivenöl zugeben, mit Pfeffer würzen und alles gut vermischen. Die vorbereitete Lammkeule gleichmäßig damit einstreichen. 3. M indestens 12 Stunden, am besten über Nacht, zugedeckt im Kühlschrank mari­ nieren lassen. 4. F ür den Fond die Parüren und Knochen in sehr hitzebeständigem Öl scharf an­ braten und im vorgeheizten Backrohr bei 180 °C ca. 10 Minuten bräunen lassen, dabei gelegentlich wenden. Das grob

geschnittene Wurzelwerk und die Zwie­ bel beigeben, weitere 10 Minuten im Rohr lassen. 5. A us dem Ofen nehmen, Paradeismark kurz mitrösten, mit Wein ablöschen. Pfeffer­körner zugeben, mit 3 l Wasser aufgießen. Aufkochen lassen, den aufstei­ genden Schaum abschöpfen, dann bei sehr geringer Hitze 4 bis 5 Stunden zie­ hen lassen. 6. F ond durch ein Tuch abseihen, auf die Hälfte einreduzieren und auskühlen lassen. 7. A m nächsten Tag das Fett vom Fond ab­ schöpfen. Olivenöl in einem Bräter erhit­ zen und die Lammkeule von allen Seiten gut anbraten. Aus dem Bräter nehmen und beiseitestellen. 8. D en Boden des Bratgefäßes mit dem frischen, mit Wasser befeuchteten Heu bedecken. Die Lammkeule daraufsetzen und vollständig im Heu einbetten. Das Fleisch im vorgeheizten Backrohr mit Niedertemperatur bei Ober- und Unterhitze mit 90 °C je nach Gewicht 5 bis 6 Stunden braten. Während des Bratens im­ mer wieder wenden und mit Lammfond übergießen. 9. H erausnehmen, 10 Minuten rasten lassen und in Scheiben schneiden. Den Saft dickflüssig einkochen und die Lamm­ scheiben darin anrichten.


Bayern

Kärnten

Weststeiermark

Ostersuppe

Reindling

Osterkitz

Zutaten für 6 Personen 1 mittelgroße Zwiebel 250 g Kerbel 60 g Butter 40 g Mehl ca. 1,4 l kräftiger Aufguss aus Kräutern (Petersilie, Thymian, Kerbel, Schnittlauch) 6 EL Obers 3 EL Zitronensaft Salz, Pfeffer, 1 Prise Muskatnuss 3 Scheiben Brot (eventuell Vollkorntoast)

Zutaten für 6 Personen Für den Teig: 250 ml lauwarme Milch 50 g Zucker 1 Würfel frische Germ 500 g Weizenmehl (universal) 2 Eidotter 50 g flüssige Butter 1 1/2 TL Salz flüssige Butter zum Bestreichen

Zutaten für 6 Personen Für das Vogelbeerkompott: 1 kg tiefgefrorene Vogelbeeren 1 kg Zucker Wasser

Zubereitung

1. Zwiebel schälen und fein hacken. Kerbel

waschen, putzen, dabei größere Stiele entfernen, trockenschütteln. 2. E ine Handvoll Kerbelblättchen beiseitelegen und den Rest grob hacken. 3. 40 g Butter in einem Topf zerlassen, Zwie­ bel 3 Minuten darin dünsten. Mehl dar­ überstäuben und unter Rühren weitere 3 Minuten hellbraun andünsten. Mit Kräuterbrühe ablöschen, Kerbelblättchen zugeben, einmal aufkochen und bei kleiner Hitze 8 bis 10 Minuten köcheln lassen. 4. D ie Suppe mit einem Stabmixer pürieren und durch ein feines Sieb in einen zwei­ ten Topf abgießen. Obers und Zitronen­ saft unterrühren. Die Suppe mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken. 5. B rot oder Vollkorntoast in kleine Würfel schneiden. In einer beschichteten Pfanne die restliche Butter (20 g) erhitzen, Brot­ würfel darin unter Rühren anrösten. 6. Die Kerbelsuppe mit den beiseitegelegten Kerbelblättchen und Brotwürfeln anrichten.

Für die Füllung: 2 Esslöffel Zimt 150 g Zucker 150 g grob geriebene Haselnüsse 150 g Rosinen Zubereitung

1. F ür den Teig zuerst das Dampfl zuberei­

ten: Milch, Zucker und Germ mischen und anschließend kurz gehen lassen, bis sich das Volumen etwa verdoppelt hat. Weizenmehl auf die Arbeitsfläche geben und in der Mitte eine Grube bilden. 2. D as Dampfl und die Eidotter hineinschütten. Mit der flüssigen Butter und dem Salz gut durchkneten, bis der Teig geschmeidig und glatt ist. 3. I n eine Schüssel geben, zudecken und an einem warmen Ort 45 Minuten rasten lassen. 4. D en Teig ausrollen und mit flüssiger But­ ter bestreichen. Mit Zimt, Zucker, Nüssen und Rosinen füllen. Danach einrollen und in eine befettete Form füllen. 5. Z udecken und nochmals 15 Minuten gehen lassen. 6. A nschließend im Backrohr bei 200 °C ca. 45 bis 50 Minuten backen.

Für den Braten: 2 Schlögel vom Ziegenkitz Salz, Pfeffer Raps- oder Olivenöl 1/4 l Schilcher Für das Erdäpfelgratin: ca. 750 g speckige Erdäpfel 1/4 l Sauerrahm 2 Eier, Salz, etwas Muskatnuss Zubereitung

1. F ür das Kompott die Vogelbeeren mit

Zucker – nach Geschmack die Zucker­ menge für ein pikanteres Ergebnis ent­ sprechend reduzieren – und etwa 1/3 l Wasser aufkochen. Langsam erkalten und mehrere Tage lang durchziehen lassen. 2. K itzschlögel parieren, mit Salz und Pfef­ fer würzen. In einem Bräter in Öl scharf anbraten und mit Schilcher ablöschen. 3. B ei 140 °C im Backrohr zwei Stunden lang garen. Dabei gelegentlich mit dem eigenen Saft übergießen. 4. D ie Erdäpfel in dünne Scheiben hobeln. 5. S auerrahm (beim Originalrezept wird der von der frischen Milch abgeschöpfte Rahm verwendet) mit den Eiern verrüh­ ren, salzen, eventuell mit etwas Muskat­ nuss würzen. Mit den Erdäpfelscheiben vermengen und in ein Steingutgefäß füllen. 6. C a. 1 1/4 Stunden nach dem Kitz ins Rohr stellen und 45 Minuten mitgaren, bis die Erdäpfel weich sind. ServusTV-Tipp: „Zu Gast im Ikarus“. Dieses Mal: der Schweizer Spitzenkoch Daniel Humm, 19. April 2011, 22.35 Uhr.

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osterTradition

Malen mit Schalen Früher wurden Ostereier am Gründonnerstag mit natürlichem Zwiebelschalensud gefärbt. Als Muster dienten Gräser, Kräuter und Blumen aus dem Garten.

Text: Alice Fernau Fotos: Katharina Gossow

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er Gründonnerstag, auch Antlasst­ ag genannt, hat bei den österlichen Bräuchen gleich mehrfach eine Bedeutung. Eier, die an diesem Tag gelegt wurden, gelten als glücksbringend und sollen Unheil abwehren. Sie werden speziell für die Speisenweihe verwendet und dann am Ostersonntag gegessen. Aus diesem Grund wurden auch traditionell die Ostereier am Gründonnerstag gefärbt. Berichte über rot gefärbte Eier reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, bemalte und verzierte Eier gibt es seit dem 16. Jahrhundert. Zum Eierfärben hatte man nur natürliche Mittel zur Verfügung, doch die Palette war groß. Es wurde immer ein Kochsud verwendet, zum Beispiel von Roten Rüben, Baumrinden, Heidelbeerkompott und auch Kaffee. Am beliebtesten jedoch war der Zwiebelschalensud. Die Technik, Eier mit Gräsern, Kräutern und Blumen zu verzieren, ist ein bisschen in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, allein das Sammeln der Zutaten ist ein Vergnügen. Schön machen sich Kleeblätter und Gänseblümchen. Am besten kleine Blüten suchen und auf keinen Fall Blätter und Blumen mit pelzigen oder haarigen Oberflächen wählen. Nicht geeignet sind Usambara-Veilchen, da die Farbe unter die Blüten kriecht. Falls es witterungsbedingt keine Blümchen gibt, keinesfalls getrocknete verwenden, sondern auf Topfpflanzen zurückgreifen. ➻

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Ostern, wenn der Lenz erwacht, jubelt jedes Kind und lacht. Denn zu dieses Tages Feier gibt es bunte Ostereier. (altes Volksgut, Verfasser unbekannt)

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Eierfärben nach alter Tradition

Das braucht man: Eine ordentliche Portion Zwiebelschalen, weiße Eier, alte Strumpfhosen zum Zerschneiden, Bindfaden, kleine Blüten, Gräser, Kleeblätter

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So wird’s gemacht: In einem Topf eine gute Handvoll Zwiebelschalen aufkochen. Die Strumpfhosen in ca. 15 x 15 Zentimeter große Quadrate schneiden (ungefähr die Größe eines Papiertaschentuchs). In die Mitte der Quadrate ein Muster aus Gräsern und Blüten legen. Das noch rohe Ei auf das Muster geben, das

Strumpfquadrat darüber zusammenfalten und festbinden. In den Zwiebelsud geben und 10 bis 15 Minuten kochen. Eier herausnehmen und aus dem Strumpf nehmen. Auf der vom Zwiebelsud rotbraun gefärbten Oberfläche zeichnen sich jetzt die Gräser und Blüten als Muster ab, teilweise färben auch die Blüten etwas ab.



tiroler Tracht

A fesch’s Gwandl Es wurde und es wird bis ­heute nur zu ganz bestimmten feierlichen Anlässen hervorgeholt: Das Kasettl vulgo Röcklgwand ist die Unterinntaler Festtagstracht, ­deren kunstvolle Anfertigung nur mehr wenige beherrschen. Text: Uschi Korda Fotos: Erich Reismann

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ufrecht steht sie da, die Hildegard Wahrstätter aus Kirchberg in Tirol. Leise baumeln die goldenen Quasteln am schwarzen Hut, die Blumenstickerei am Kasettl glänzt mit ihren Augen um die Wette. Der Blick ist fest auf die Kamera gerichtet, Hildegard weiß, dass sie was darstellt in ihrer Festtagstracht. Und ihr Mann, der Andi? Der hat sich unauffällig in die Szenerie geschmuggelt und strahlt im Hintergrund voller Stolz übers ganze Gesicht. Hätte er sich nicht schon vor Jahren in seine Hildegard verliebt, es hätte ihn jetzt auf der Stelle der Liebesblitz getroffen. „A fesch’s Dirndl!“, rutscht es ihm spontan raus. Und er meint damit seine Frau, nicht das Gewand, das sie trägt. Sag niemals Dirndl dazu, hat uns Hildegard Wahrstätter schon zuvor gewarnt. Denn ein Dirndl könne jeder tragen, das sei ja heutzutage eine ­Modeerscheinung. Ein Kasettl aber, das ist eine richtige Tracht, und die steht nur den Unterinntaler Bäuerinnen und deren Nachfahren zu. Gut, Hildegard ist keine Bäuerin, aber sie ist eine der wenigen, die heute noch ein Kasettl schneidern können. „Eigentlich heißt es ja Röcklgwand“, erklärt Hildegard, da es kein Kleid sei, sondern aus meh­reren Teilen bestehe: einem Rock, einem Oberteil – dem Kasettl –, einer Schürze und einem Tuch. Dazu kommen noch ein Hut, ein Beutel und Schmuck. Mindestens eine halbe Stunde brauche man schon, bis das Gewand akkurat sitze, sagt Hildegard. ➻

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So ein Kasettl besticht mit lauter liebevollen Details (li.). Klar, es soll ja auch für die Ewigkeit halten. Trachtenschneiderin Hilde­gard Wahrstätter hat sich ihres vor 20 Jahren genäht. „Im Frühjahr“, sagt sie, „ist es immer wieder spannend, ob man noch reinpasst.“ Wir sehen, 2011 ist es sich ausgegangen.

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Schließlich werden die einzelnen Teile mit vielen kleinen Haken zusammengehalten. Andere Schneiderinnen würden bereits Klettverschlüsse zwecks Erleichterung beim Anziehen ein­nähen, nicht so die Brixentalerin. Nur ein kleines Detail, aber ein wichtiges, wenn man sich der Tradition verbunden fühlt. Die Kropfkette zeigt den Reichtum

„Bei meinen Kasettln darfst halt grad kan Unfrieden mit dei’m Mann haben, weil der muaß dia do einihelfen.“ Ein schelmischer Blick zum Andi, und wir verstehen: Die Hildegard ist bis jetzt noch immer picobello in ihrer Tracht aufgetreten. Und das mindestens sechsmal im Jahr. Getragen wird die Festtagstracht auf alle Fälle am Weißen Sonntag (dem ersten Sonntag nach Fronleichnam), am Pfingstsonntag, zu Fronleichnam, an Mariä Him­melfahrt, zum Erntedankfest und zu Mariä Empfängnis. Und dann noch nach Gegebenheit bei Hochzeiten und Begräbnissen. Traditionellerweise trägt die Unterinntalerin ihr Röcklgwand das erste Mal bei ihrer Hochzeit, mit weißem Tuch, weißer Schürze und weißen Ärmeln. Mancherorts, wie im Brixental, dürfen auch ledige Frauen ein Kasettl anlegen, allerdings ohne Hut, da weiß man gleich, wer noch zu haben ist. Wie es um den Reichtum der Bäuerinnen

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Der Schmuck und der Hut sind meist Erbstücke, die innerhalb der Familien weitergegeben werden.

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bestellt war, konnte man früher an der Kropfkette ­erkennen. Je mehr einzelne Kettchen daran be­festigt waren, desto mehr Geld war im Haus. Umso größer war dann allerdings auch die kostbare Schließe, die das Schmuckstück vorne am Hals zusammenhielt. Manche sollen, so wird erzählt, ihren Kopf gar nicht mehr senken haben können. Eine stolze Haltung hat sich daraus jedenfalls notgedrungen ergeben. Die Schmuckstücke – dazu gehört noch eine Uhr an einer Kette, die am Busen verstaut wird – sind genauso wie der Hut zumeist Erbstücke, die in der etwa 200-jährigen Tradition des Kasettls innerhalb der Familien weitergegeben wurden. Während die Schmuckstücke heute noch von Spe­ zialisten hergestellt werden, ist es um den Hut nicht so gut bestellt. Eine einzige Hutmacherin ist


Wie die Tracht getragen wird, dafür gibt es natürlich ein paar Vorschriften. Ledige zum Beispiel dürfen keinen Hut tragen. Und für Verheiratete wie Hildegard (li.) gilt: Man muss die Krempe beim Blick nach oben sehen können. Frau Maria (u.) ist die Letzte, die mit einer „Adler“-Nähmaschine und per Hand die Trachtenmotive auf Kasettln und Hutbänder sticken kann.

Hildegard in der Gegend bekannt, die das noch kann. Und die sei leider schon etwas betagt. Ihren Hut hat Hildegard von der Großtante übernommen, er wurde vor 150 Jahren noch mit Hand goldbestickt. Die neueren Modelle sind nur mehr mit Goldborten verziert. Sogar die Falten sind handarbeit

Sechs bis sieben Kasettln pro Jahr schneidert Hildegard in ihrer kleinen Werkstatt. Auf Bestellung und nur für diejenigen, denen es auch zusteht. „Zuagroaste“ brauchen sich da gar keine Hoffnung zu machen. Über 50 Prozent des Gewandes, schätzt Hildegard, entstehen in reiner Handarbeit. Selbst die Falten der Schürze zieht sie per Hand, auch der Rock wird ohne Maschine gestiftelt. Ihre Königsdisziplin aber, sagt Hildegard, sei der gesmokte Ärmel. Unsereins kennt so etwas ja nur von den Prinzessinnenkleidern in Kinder­ büchern, in natura sieht das noch ungleich prachtvoller aus. Zwei Tage brauche sie für einen Ärmel, erzählt Hildegard, während sie mit der Maschine zunächst feine Säumchen schnurgerade und in gleichem Abstand parallel nebeneinander rattert. Nur mit Augenmaß – und man kann sich vorstellen, wie viel Übung da dahintersteckt. Die Säumchen werden dann per Hand so zusammengefasst, dass hunderte kleine Rauten entstehen. In ➻

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einer Regelmäßigkeit, bei der selbst geometrische Zeichner vor Neid erblassen würden. Ebenso versiert geht Frau Maria in der Stickerei Hirschmann in Hopfgarten an den Stoff. Sie ist die Letzte, die die überlieferten Muster auf ein Kasettl per Hand sticken kann. Nur Mithilfe einer uralten „Adler“-Stickmaschine, für die wir nicht einmal mehr die Bedienungsanleitung finden. Die braucht Maria sowieso nicht, nur gute Augen. Denn tradi­ tionellerweise darf das schwarze Oberteil nur mit schwarzen Blüten und Eichenblättern verziert werden. Dazu kommen noch kleine Pailletten und Perlen – in Schwarz, versteht sich. Maria, die neben Hildegard Wahrstätter sämtliche Trachtenschneiderinnen im Umkreis mit ihren hochwertigen Stickereien beliefert, hat ihr Handwerk vor 35 Jahren von der Seniorchefin bei Hirschmann gelernt. Aus reinem Interesse und mit unendlich viel Geduld. In ein paar Jahren wird Maria in Pension gehen. „Ich würd’s schon weitergeben“, sagt sie, „aber es interessiert sich niemand mehr dafür.“ Zu viel Zeitaufwand. Daher werden die Kasettln in Zukunft wohl nur mehr computergesteuert von Maschinen bestickt. Mit perfekten Kanten und Rundungen, ja, aber vermutlich mit weniger Charakter. Die perfektion der unperfektheit

Auch Hildegard Wahrstätter liebt die Spannung des Handgefertigten. Die präzise Aneinanderreihung von Stichen, perfekt in ihrer Unperfektheit, aber niemals so glatt und langweilig, wie sie Computerprogramme produzieren. 120 Stunden brauche sie mindestens für eine Tracht, sagt sie, und da sind die Stunden von Frau Maria noch gar nicht dabei. Ein Arbeitsaufwand, den ihr nie jemand bezahlen könne. Bis zu 2.500 Euro muss man allein für ein Röcklgwand hinlegen; mit den restlichen Utensilien kommt man, so man sie nicht erbt, auf 7.000 Euro. Minimum. Trotzdem, sagen beide Damen unisono, ist in den letzten fünf Jahren die Nachfrage gestiegen. Vielleicht, weil man wieder mehr die guten Seiten von Traditionen entdeckt und sie nicht als verstaubt in die Ecke stellt. Vielleicht auch, weil man erkannt hat, dass modern nicht gleichzeitig auch besser bedeutet. Vielleicht aber auch, weil man genug vom glatten Einheitsbrei hat und Handgemachtes mehr den Charme der Individualität verströmt. Und damit Aufmerksamkeit auf sich zieht. Oder, wie es Hildegard Wahrstätter trocken ausdrückt: „Den Rückenteil vom Kasettl musst auf alle Fälle schön hinkriegen. In der Kirchenbank hab’n die Leut nämlich die meiste Zeit zum Schaugn.“ 3 Trachtenschneiderei Hildegard Wahrstätter, 6365 Kirchberg in Tirol, Tel.: +43/5357/38 03, E-Mail: hgwahrstaetter@hotmail.com.

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Sind die einzelnen Teile von Frau Maria bestickt, kommen sie zurück zu Hildegard Wahrstätter, die sie in hoher Schneiderkunst zur Tracht fertigt. Ihre Spezialität: der gesmokte Ärmel (Mi.). Fixe Bestandteile sind Kropf­kette, Brosche, eine Kette, an der hinterm K ­ asettl versteckt eine Uhr dranhängt, und der goldbestickte schwarze Hut (li. u.).

Die Kasettl-Tracht Der Rock Aus schwarzem Stoff (Schurwolle), endet dreifingerbreit über dem Knöchel. War früher aus Spargründen gerade geschnitten. Wird heute aus mehreren Bahnen gefertigt, damit er schön schwingt.

meinen auch, es sei von „Korsett“ abgeleitet. Wird mit prachtvollen Seidenstickereien in Blumenmustern bestickt.

Samtbänder hinten sind bestickt, am Nacken zu einer Schleife genäht und sollen 15 Zentimeter über dem Rocksaum enden.

Das Tuch Wird unter dem Kasettl statt einer Bluse getragen und am Rock befestigt. Davon hat man mehrere, bei der Hochzeit muss ein weißes, bei einem Begräbnis ein schwarzes getragen werden.

Die Schürze Ist aus Seidenbrokat und muss gleich lang wie der Rock sein. Der Spalt hinten soll so breit sein wie die Haarspange, mit der man die Haare aufsteckt. Schürzen hat man mehrere, Farbe und Blumenmuster bleiben dem Geschmack der Trägerin überlassen. Aber auch hier gilt: Bei der Hochzeit muss sie weiß sein, bei einer Beerdigung schwarz.

Das Kasettl Ist wie der Rock aus feinster, schwarzer Schurwolle. Hat vermutlich wegen des rechteckigen Ausschnitts seinen Namen. Manche

Der Hut Ist ein gerader Hut aus Seidenfilz mit zwei Goldquasten. Ist entweder mit echter Goldstickerei oder einer Goldborte verziert. Die

Die Accessoires Eine Kropfkette mit prachtvoller Schließe: An der Anzahl der Ketten konnte man früher den Reichtum der Bäuerin erkennen. Außerdem: eine Brosche für das Tuch; eine Haarspange, da man für den Hut die Haare aufstecken muss; eine Uhr mit Kette, die ins Kasettl gesteckt wird (das Tragen von Armbanduhren ist nicht erlaubt); ausschließlich schwarze Strümpfe und glatte, eher flache schwarze Lederschuhe; ein Beutel, zur Kasettl-Tracht passend bestickt. Und ganz wichtig: eine Blume, die mit Rosmarinzweiglein in den Ausschnitt gesteckt wird.

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Brauchtum

Lungauer Tradition: Altbauer Franz Rotschopf bringt mit dem Feitl Weidenzweige in Form, daneben sein Sohn mit frischen Palmkätzchen und einem fertig geschmückten Palmbesen für Burschen.

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A

Von ­Buschen, ­Besen und Bäumen Wer in diesen Tagen mit offenen Augen durchs Land reist, der kann sie entdecken: die lebendigen Bräuche rund um den Palmsonntag – und die vielen regionalen Eigenheiten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Text: tobias micke  Fotos: Petra Benovsky

ls Jesus am Palmsonntag hinter seinen Jüngern in Jerusalem einritt, warf ihm die jubelnde Menge Palmzweige vor die Hufe seines Esels und rief: „Heil dem König von Israel!“ Schon damals muss das ein seltsamer Anblick gewesen sein. Nicht wegen der Palmzweige – einem König damit den Weg zu bereiten war in der Antike nicht nur in Israel üblich –, sondern wegen des Reittiers, das der Mann aus Nazareth gewählt hatte. Einem König stünde ein stolzes Pferd zu und kein kleinwüchsiges mausfarbenes Langohr. Aber die Szene ist bei Johannes so überliefert. Und sie hat Symbolkraft. Denn das Eselfohlen stand für Frieden und Gewaltlosigkeit. Auf einem Esel zog man nicht in den Krieg. Symbole des Lebens

Bei den Palmsonntagsprozessionen der vergangenen zwei Jahrtausende war es aber in unseren Breiten deutlich einfacher, einen Esel aufzutreiben, als echte Palmzweige. Dies vor allem zu einer Jahreszeit, in der die Kälte in den Bergen ihren Griff erst langsam wieder lockert. Frostsichere Alternativen waren gefragt. Mit Immergrün war man auf der sicheren Seite. Deshalb kommen in den meisten Palmsträußen Wacholder, Buchsund duftender Segenbaum vor. Warum ausgerechnet die gar nicht palmenhaften kuschelgrauen Weidenkätzchen zur wichtigsten Zutat aller Palmgebinde wurden, ist nicht schlüssig überliefert. Vielleicht, weil sich diese ebenso schön streicheln lassen wie das weiche Maulfell eines Eselfohlens? Sicher ist nur, dass sich Weidenkätzchen schon in mittelalterlichen Prozessionsdarstellungen finden. Wie die Palme in der Antike, steht auch die Weide für Leben. Wo sie gedeiht, fließt Wasser, und sie ist eine der ersten Pflanzen, die den Bienen im Frühling als Nahrungsquelle dienen. Reist man in der Fastenzeit durch den Alpenraum und fragt nach, wo Palmsonntagsbräuche lebendig geblieben sind, ist schnell klar: Palmkätzchen gehören überall dazu. Aber Palmbuschen, Palmbesen, Palmstöcke, Palmbäume sowie die Bräuche und Geschichten, die sich um sie ranken, unterscheiden sich nicht nur in Details. ➻

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Altbauer Franz (links) bei der Arbeit: „Das ist Männersache. Vielleicht, dass früher einmal der Moaknecht das Binden ­übernommen hat.“ Franz junior holt ­derweil Nachschub aus luftiger Höhe. Rechts: Im Lungau sorgt Krepppapier für Farbtupfer, einst waren es bemalte Späne.

Lungau, Salzburg

Auf zur Kür von Palmkönig und Palmesel

E

in recht schneidiger Wind geht heute über die Anhöhe zwischen Plirschwald und St. Margarethen im Lungau. Altbauer Franz Rotschopf hat es sich in der Sonne an einer geschützten Stelle mit Blick aufs Ain­ eck gemütlich gemacht und löst mit seinem Feitl die Rinde von einem Büschel Weiden­ zweigen. Die Kälte kann den wettererprobten Fingern des 75-Jährigen nichts anhaben, der winddichte Loden wärmt wie eh und je. Neben der Scheune dampft ein Kübel mit heißem Wasser, in dem geschälte Eschenzweige eingeweicht werden. Eschensprosse sind zäh, aber damit sie den Buschen auch halten, ohne zu splittern oder zu brechen, müssen sie geklopft und vorsichtig von Hand gegengleich verdreht werden. Das macht sie weich und faserig. Derweil besorgt Franz junior Nachschub von der Koppel. Für die schönsten Kätzchen klettert er vom Dach des Schuppens

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weit hinauf in die Weidenkrone. Das sieht gefährlich aus, aber an der Art, wie sich der Bauer mit den Füßen in den schwankenden Stangenwald spreizt, um beide Hände frei zu haben, sieht man auch, dass er das beileibe nicht zum ersten Mal tut. zur belohnung gibt es ein rotes ei

„Bei uns“, erzählt Großvater Franz, der jedes Jahr für zehn Enkel Buschen (für Dirndln) und Besen (für Burschen) bindet, „ist des a Männerarbeit. Vielleicht, dass früher amal der Moaknecht statt dem Bauern das Binden übernommen hat. Aber meist ist’s der Bauer. Heut ist’s so, dass das manchmal sogar die Frauen machen. Und es kommt Buchsbaum und Segenbaum dazu. Aber des hat’s früher nicht gegeben. Damals in Jerusalem haben s’ ja auch nur die Palmen gehabt.“ Und so kommen für die Buschen und Besen der Rotschopfs ausschließlich Weiden-

kätzchen zum Einsatz. Nur mit Streifen aus buntem Krepppapier werden die Sträuße geschmückt. Damit’s etwas Farbe hat und schön im Wind raschelt. Krepppapier wurde früher natürlich auch nicht verwendet, erinnert sich der Bauer: „Da wurden Späne von der Zirbe genommen. Der Tischler hat den Hobel extra so eingestellt, dass lange, gedrehte Locken herauskommen sind. Die wurden dann nur noch eingefärbt.“ Wenn Buschen und Besen am Sonntag vom Pfarrer geweiht worden sind, gehen die Burschen und Mädels damit dreimal um Hof und Haus und beten dabei das Vaterunser. Als Belohnung bekommt jedes Kind von der Hausfrau ein mit Zwiebelschalen rot gefärbtes Ei. Danach werden die Zweige ihrem irdischen Nutzen zugeführt. „Bei uns wurden Feld und Garten für eine gute Ernte eigentlich schon immer mit Katzerlzweigen abgesteckt“, sagt Franz junior. „Aber erst


letztes Jahr hat mir ein alter Bauer erklärt, wie man das richtig macht, weil’s sonst nix bringt. G’steckt werden muss übers Kreuz.“ Bevor im vergangenen Herbst das Wintergetreide ausgebracht wurde, haben die Rotschopfs also ihr Feld für den Roggen mit geweihten Palmästchen neu bestückt. Die Weidenzweige kommen nicht einfach in die Ecken, sondern werden an jenen Stellen in den Boden gesteckt, wo ein aufgelegtes

Dunkelsteiner Wald, Niederösterreich

Wenn ein Lausbub die Kirche mit einem geweihten Besen kehrt

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twa eineinhalb Stunden von Wien im Donauknie unterhalb von Dürnstein liegt der Dunkelsteiner Wald. Brauchtumsforscher Leopold Schmidt schrieb einmal über die Gegend: „Ein kleines, in sich sehr geschlossenes Waldland südlich des Stromes. Was dort geschieht, erfährt man nur, wenn man es einmal durchwandert hat.“ Wer es durchwandert (oder durchfährt), erlebt, dass Brauchtum hier großgeschrieben und gegebenenfalls an die Erfordernisse der Zeit angepasst wird. So gibt es noch heute eigene Autoweihen, die irgendwann an die Stelle der einst ­üblichen Viehbenediktionen getreten sind. Fünf kreuzmale, fünf palmzweige

Jesuskreuz seine vier Enden hätte. Also in der Mitte der Feldkanten und auf zwei Seiten leicht nach oben versetzt. Eine kleine Wissenschaft für sich. Franz junior: „Das Ergebnis war unglaublich. Des hättets sehen sollen. Winterroggen ist ja sehr empfindlich, aber wir haben noch nie eine derart gute Ernte eingefahren. Ich bin überzeugt, dass das an der neuen Steckweise liegt.“

Maria Zmuck ist zweifache Mutter und der gute Geist der Gansbacher Jungschar. Rechtzeitig vor Ostern sammelt sie mit den Kindern Buchsbaum- und Segenbaumzweige und natürlich jede Menge Weidenkätzchen. Im Pfarrhof entsteht dann kurz vor Palmsonntag etwas, das ein wenig wie Simultanschach aussieht: Auf der einen Seite einer langen Tischreihe die Kinder, die Äste zuschneiden, Bündel ordnen, Besen binden. Auf der anderen Seite Frau Zmuck und ein paar Helfer, die von Tisch zu Tisch eilen, um bei entscheidenden Handgriffen zu assistieren. Maria Zmuck: „Bei unseren Palmbuschen ist die Zahl fünf wichtig. Sie steht für die fünf Wunden Jesu am Kreuz. Deshalb

sind es immer fünf Palmzweige. Sie werden mit dem Messer gespaltet. Dann fädelt man vorsichtig Buchszweige in die Öffnungen.“ blitzableiter für haus und hof

In den Dörfern des Dunkelsteiner Waldes ist es üblich, dass jedes Gebäude – am besten direkt unterm Dachstuhl – mit einem geweihten Palmbesen bestückt wird. Der Palmbesen (im Gegensatz zum Buschen) steckt auf einem Haselstock, und dieser schützt gemeinsam mit den geweihten Kätzchen das Haus übers Jahr vor Blitzschlag. Für jedes Gebäude also ein Gebinde, das immer nach dem Palmsonntag ersetzt wird. Da haben die Kinder und der Pfarrer von Gansbach einiges zu tun, denn allein Marias Bruder Matthias hat als Nebenerwerbsbauer fünf schutzbedürftige Gebäude auf seinem Hof. Als wir mit Marias Sprösslingen Florian und Patricia sowie den Nachbarskindern Chiara und Julian durch Gansbach ziehen, um der Salweide unterhalb der Pferdekoppel die schönsten Zweige zu entlocken, kommt uns ein älterer Herr entgegen. Herr Hölzel kann sich noch gut an eine Palmsonntagsmesse in seiner Kindheit erinnern: „In der Wartezeit hat mein Schulfreund aus Langeweile begonnen, mit seinem Buschen die Kirchenstiege zu fegen. Und als der Pfarrer kam, um ihm die Ohren langzuziehen, hat er gemeint: Aber wieso heißt’s denn dann Palmbesen?!“ ➻

kirchlicher hindernisparcours

Für die Palmbesen von Jakob, Martin und Johannes, den Söhnen des Hauses, wird der Strauß nun auf Fichtenstangen gebunden. „Die längsten“, weiß Franz junior, „haben schon so zehn Meter. Die muss man aber auch amal als a Ganzes bis zum Ende der Prozession tragen. Wenn da der Wind einifahrt, wird’s schwer. Und natürlich muss man auf die Stromleitungen achtgeben.“ Wer am Ende die längste Palmstange heil durch den kirchlichen Hindernisparcours gebracht hat, ist Palmkönig. Einen Palmesel gibt es natürlich auch, fügt Opa Franz grinsend hinzu. „Das ist der, der am Palmsonntag als Letzter aus den Federn kommt.“

Maria Zmuck weiht Patricia und Chiara ins Binden ein. Buchsbaum­ ästchen w ­ erden quer durch die Weidenzweige gesteckt.

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Großvater Herbert und Vater Alois genießen die besinnliche Tätigkeit (oben). Ein Zweig mit Eichenlaub vom vorigen Jahr (oben rechts) ist für den echten Stoderer Palm­ buschen typisch, ebenso wie der mit einem Holznagel fixierte Apfel (rechts).

Hinterstoder, Oberösterreich

Neunerlei Zutaten, bis der Morgen dämmert

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erbert Kniewasser weiß nach all den Jahren sehr genau, wo er im Spätwinter auch bei noch geschlossener Schneedecke die Zutaten für den Palmbuschen seines Enkels Alois findet. „Neunerlei“ müssen es in Hinterstoder sein: neun Dinge, die den echten Stoderer Palmbuschen ausmachen. Einen fingerdicken Haselstock braucht es, drei frische Haselruten mit jeweils drei Blattknospen an der Spitze, Roteibe, Schradl (wie die Stoderer zum Stechlorbeer sagen), duftende Zweige vom Segenbaum. Außerdem noch Kranewitten (Wacholder).

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Der ist, so der rüstige 79-Jährige, nicht mehr leicht zu finden in der freien Natur. Da fragt er schon einmal beim befreundeten Bauern an. Weiters biegsame Stränge von der Korbweide zum Binden und natürlich jede Menge Palmkätzchen. Fehlt da nicht noch eins auf neun? Natürlich, ganz wichtig und ganz charakteristisch für Hinterstoder: ein Eichenzweig mit Laub vom vergangenen Herbst. Was, so Herr Kniewasser, nicht schwer aufzutreiben ist, weil die Eiche im Herbst nie alle Blätter abwirft. Eichenlaub trotzt Wind und Wetter

am Baum oft bis ins Frühjahr. Da kann man sich vor Ostern bequem bedienen, bevor die frischen Triebe kommen. jeder gibt, was er gerne gibt

„Früher“, erzählt Altbauer Kniewasser, „sind wir nach der Messe mit den geweihten Buschen von Hof zu Hof gegangen und haben sie gegen Eier eingetauscht. Für jedes Gebäude und jedes Feld ein Gesteck. Da sind pro Hof oft bis zu zehn Stück weggegangen. Ganz selten gab’s auch Geld dafür. So ein Fünf-Schilling-Stück war schon sehr viel für


uns.“ Beim Sammeln der neun Zutaten hilft Enkel Alois dem Opa immer. Denn es geht dem 15-Jährigen, der bei den Sängerknaben von St. Florian Sopran singt, dabei nicht nur um sein persönliches Gesteck. In Hinterstoder ist es Brauch, dass die Buben des Ortes am Palmsonntag vor der Dorfkirche auch die Gemeindemitglieder versorgen. Das „Neunerlei“ wird also noch für rund hundert weitere Palmbuschen benötigt. Nach Weihe und Messe werden diese auf dem Kirchplatz feilgeboten. Nicht wie auf dem Bauernmarkt, erklärt der Großvater, sondern „jeder gibt, was er gerne gibt“. Und so kommt ein hübsches, manchmal auch ein beträchtliches Sümmchen zusammen, mit dem Alois allösterlich und heuer altersbedingt zum letzten Mal sein Taschengeld auffettet. Das ist eine recht elegante Angelegenheit, denn die eigentliche Arbeit – das fachgerechte Buschenbinden – ist in Hinterstoder traditionell Sache des Vaters. Alois Mühlbacher senior hat vom Mondseer Land hierher geheiratet. Schon die knapp 70 Kilometer Luftlinie machen in der Palmbuschbinderei eine Welt aus: „Daheim bei meinen Eltern werden die Katzerln mit buntem, selbstgefaltetem Krepppapier geschmückt. Hier ist alles völlig anders.“

Vulkanland, Steiermark

Drachenweide und Herdfeuer veredeln das Weihfleisch

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reundinnen fürs Leben verlieren ein­ ander nicht aus den Augen. Josefa und Margarethe kennen sich schon 45 Jahre lang. Seit der Volksschule, die sie gemeinsam in Unterlamm, im steirischen Vulkanland östlich von Graz, besucht haben. Zum Palmbuschenbinden hat Margarethe ihre treue Gefährtin jetzt kurzerhand auf Kaffee und viereckige Straubenkrapfen zu sich nach Hause gebeten. In der Kuchl neben dem alten Kachelofen wacht der 16-jährige Hofhund Benni darüber, was Josefa und Margarethes 86-jährige Mutter Frieda aus ein paar Büscheln Grünzeug vom Ufer des Lehenbachs zaubern: Buchsbaum, Wacholder und Kätzchen von der Drachenweide bilden die Basis. Die Drachenweide ist etwas Besonderes. Die Zweige dieser Weidenart lodern ungezähmt in alle Richtungen wie Drachenfeuer in alten Märchenbüchern und winden sich wie die hornbewehrten Schweife archaischer Sagenechsen.

Ein Apfel und ein Fichtennagel

Wie man in Hinterstoder tut, hat sich der gelernte Tischler und Gastronom vor Jahren vom Nachbarn, dem Hackl Horst, zeigen lassen. Auffälligstes Merkmal des Stoderer Palmbuschen (und nicht in das „Neunerlei“ eingerechnet) ist ein großer Apfel, der mit einem handgeschnitzten Fichtenholznagel von oben ins Gebinde geschlagen wird. Nach der Palmsonntagsmesse wird das geweihte Obst daheim bei der Jause aufgeschnitten, sodass jedes Familienmitglied ein Stück bekommt. „Als der Bua sieben war“, erzählt der Vater, „kam er zum ersten Mal zu mir und hat g’meint: ,Papa, bastelst du mir einen Palmbuschen?‘“ Seither nimmt sich der Papa alljährlich vorm Palmsonntag dafür Zeit. Die neunerlei Stoderer Zutaten müssen sortiert, gebündelt und zurechtgestutzt werden. „Ich richt mir immer neun Haufen in einer Reihe her, damit ich ja nichts vergess. Sonst sind die Buschen nachher unverkäuflich.“ Das Binden selbst hat für den vielbeschäftigten dreifachen Vater etwas Meditatives. Bis weit nach Mitternacht sitzt er in diesen Tagen bei der Arbeit. „Eine schöne, besinnliche Volksmusik leg ich mir dazu auf, und am Abend hab ich dann mei Ruh.“ Bis seine Frau zur Stubentür hereinschaut und sagt: „Jetzt kimmst aber!“

Das alte „Rezept“ vom Vater

Josefa steht vor Ostern auf dem Bauernmarkt und verkauft Eier vom Hof. Irgendwann hat sie ein paar selbstgemachte Palmbuschen hinzugenommen, mit Blüten und verzierten Eiern aus dem Bastelladen: „Die gingen ganz schnell weg.“ Heute fertigt sie nach dem „alten Rezept“ ihres Vaters achtzig bis hundert Stück davon an.

In der für ihre Lourdesgrotte berühmten Gemeinde finden sie vor Palmsonntag ­immer reichlich Abnehmer. Je mehr Ringerln, desto besser

So ist das Dorf für Bräuche und Unwägbarkeiten ein Jahr gerüstet: Wenn tags darauf Weihfleisch gekocht und Osterbrot gebacken wird, kommt im Vulkanland immer ein Zweigerl vom Palmbuschen ins Herdfeuer. Im Frühjahr, wenn die Erdäpfel gesetzt werden, stecken die Leute einen Palmtrieb in den Acker. Und wenn der Himmel vor einem großen Unwetter ganz schwarz wird, wirft man vorsichtshalber ein geweihtes Ästchen in die Glut. Damit Blitz und Hagel vorüberziehen. Die Besonderheit der VulkanlandPalmbesen sind die Bandweidenringerln, die das Gesteck zusammenhalten: Genau drei Mal muss der biegsame Zweig um den Besen gewunden werden, bevor er festgesteckt wird. „Früher“, erzählt Frieda, fünffache Groß- und zweifache Urgroßmutter, die für Urenkelin Angelika gerade einen klassischen Palmbesen von der Salweide bindet, „früher, da gab’s von den Eltern für jedes Ringerl ein buntes Ei. Je mehr Ringerln man hatte, desto besser.“ Und umso besser noch, wenn man auch dem kinderlosen, aber dafür eierreichen Nachbarn nach der Messe einen Palmbesen mit vielen Ringerln vorbeibrachte. ➻

Josefa bindet mit Zweigen von der archaischen Drachenweide. Uroma Frieda (re.) liebt es klassisch.

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Unter dem wohlwollenden Blick des Pfarrers, von dem die Wald­ zeller sagen, er fahre Auto wie der Heilige Geist, klappt das Aufstellen des Palmbaums wie am Schnürchen.

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In voller Tracht und Frühlingspracht: Die Landjugend von Waldzell bei letzten Hand­ griffen (rechts oben: Theresa) und beim Übersiedeln des fertigen Palmbaums (großes Bild). Rechts: Sonnenschein Sebastian läuft sich schon für den Palmsonntag warm.

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Innviertel, Oberösterreich

O Palmenbaum, o Palmenbaum, wie rot sind deine Äpfel …

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as „Bam-Bier“ haben sich Maulimau, Blo, Axl, Andi und Hansi redlich verdient. Eben noch sind sie wie die Sieben Schwaben (nur eben zu fünft) mit einer 15 Jahre alten, 15 Meter langen Esche auf den Schultern durch das Fichtenwäldchen auf der Anhöhe über Waldzell in Oberösterreich gestolpert. Ganz und gar keine leichte Übung, denn ein Teil des Astwerks soll ja für das Schmücken erhalten bleiben; und die Fichten in besagtem Wäldchen stehen wirklich dicht an dicht. Jetzt liegt die Palmbaum-Esche nach einigen Rangiermanövern und reichlich viel Innviertler Blödelei festgezurrt auf Bernis Steyr-Traktor, und die Burschenpartie genießt vor Hansis Stall besagtes traditionelles Baum-Bier. Tags darauf ist beim Göttnerbauern großer Aufputz. Gastgeber Gitti und Norbert Höckner haben seit 20 Jahren jedes Jahr an diesem Tag die Ehre, eine Großdelegation der Waldzeller Landjugend mit Schmäh und Jause zu versorgen. Warum bei Gitti und

Norbert? Ganz einfach: Ihr Hof liegt am nächsten zur Dorfkirche. Und da sich der fertig geschmückte Palmbaum mit allein 20 Kilo Äpfeln ordentlich anhängt, soll der Weg zur Palmsonntagsweihe möglichst kurz gehalten werden. Die jugend verliert man mit 35

Bei Schlechtwetter dient die große Stroh­ lagerhalle als Gemeinschaftswerkstatt. Heute strahlt die Sonne aus blauem Himmel, da wird der Aufputz nach draußen auf die Weide verlegt. Regie führen dabei Steffi und Maulimau (der eigentlich Bernhard heißt), Obfrau und Obmann der Dorfjugend. Wobei „Jugend“ in Waldzell, dem Heimatort des ewig knabenhaften Andreas Goldberger, dehnbarer wirkt als anderswo. Zur Jugend gehört hier, wer nicht verheiratet und noch nicht 35 ist. Dann spätestens sollte man unter der Haube sein, was ja eh per se das Ende von Spaß und Landjugendlumperei bedeutet.

Die Palmesche wird also auf zwei Holzböcke aufgelegt und in der unteren Hälfte von den Burschen mit Rindenmessern in Form gebracht. Axls neunjährigem Bruder Sebastian hat es diese Tätigkeit besonders angetan. So wird auch gleich der Nachwuchs eingeschult. Unterdessen bereiten daneben die Mädels auf einem Strohballen Äpfel, Buchsbaum, Segenbaum und Weidenkätzchen vor. Die einen stechen die Kerngehäuse der Äpfel aus, die anderen fädeln sie wie große Perlen auf ein Meter lange, geschälte Eschenstöcke auf. Schließlich werden die Riesenobstspieße von den Burschen mit Hammer und Nagel senkrecht an den Palmbaum angeschlagen. Dazwischen kommen Palmkätzchen und Grünes. Oben, im verbliebenen Geäst, werden zuletzt jede Menge bunte Bänder angebracht. Dann ist der Waldzeller Palmbaum fertig. Klingt einfach, dauert aber trotz (oder gerade wegen) der vielen helfenden Hände einen ganzen Nachmittag.

Links: Auch der Nachwuchs muss im Umgang mit dem Rindenmesser geschult werden. Unten links: Daniela und Steffi befestigen Palmzweige und Buchsbaum. Unten: Hansi und Blo beim ­Schmücken der Krone.

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Das ist die Arbeit für den Samstag vorm Kirchenfest. Am Palmsonntag selbst tritt pünktlich um acht in der Früh eine fünfköpfige Burschenschaft in voller Tracht beim Göttnerbauern an. Bei Gitti gibt’s ein ordentliches Frühstück, anschließend werden letzte Verbesserungen vorgenommen. Gegen dreiviertel neun geht’s mit dem Baum ab zum Kirchenplatz, wo die Gemeinde wartet. Das Gespött der Mädchen

„Früher“, erzählt Junggeselle Markus, mit 31 Jahren ältestes Aktivmitglied der Landjugend, „da wurde der Baum durchs Portal direkt in die Kirche getragen und drinnen aufgestellt, aber das geht jetzt nimmer. Zu gefährlich.“ Mit vereinten Kräften und ohne Hilfsmittel stellen die Burschen den Palmbaum vor der Kirche auf. Das erfordert ein wenig Übung und Technik, denn am einen Ende gehen einem gerade dann, wenn’s zach wird, die langen Arme aus. Am anderen Ende braucht’s gleichzeitig viel Gegendruck, um ein Nachrutschen des langen Stamms zu verhindern. „Des is net schwer. Den haben wir auch schon zu fünft ganz locker gestemmt“, winkt Norbert mit seiner fünfjährigen Tochter Anja auf der Schulter in sicherer Entfernung ab. Beim Probeaufstellen vor der Scheune

braucht’s dann aber doch mehrere Anläufe – zum Gespött und zur Freude der versammelten Mädeln. Hauptsächlich, weil sich die Burschen „zweng der Hetz“ gegenseitig sabotieren. Wenn’s drauf ankommt, also unter dem wohlwollenden Blick des Pfarrers, von dem die Waldzeller sagen, er fahre Auto wie der Heilige Geist, wird dann selbstverständlich alles wie am Schnürchen klappen. Wenn der Baum und natürlich auch die Palmbuschen der Kinder während der eineinhalbstündigen Messe geweiht werden, müssen sich die Burschen beim Halten abwechseln. Danach wird das Schmuckstück gemeinsam zurück zum Göttnerbauern getragen, wo die geweihten Äpfel und das Palmgeäst abgenommen und unter den Anwesenden verteilt werden. Der Baum selbst dient den Göttners als Feuerholz. frühschoppen: auf zur sauerei

Krönender Abschluss der Feierlichkeiten: die Sauerei. Sauerei-Wirt heißt das uriglegendäre Gasthaus in Maireck oberhalb von Waldzell, wo die Landjugend ihren Stammtisch hat. „Der Palmsonntagsfrühschoppen“, fügt Maulimau leise, aber mit vielsagendem Lächeln hinzu, „der kann bei uns im Innviertel auch schon einmal zehn Stunden dauern …“ 3 Packt überall an: Deshalb ist Maulimau (vulgo ­ ernhard) auch Obmann der Waldzeller Landjugend B (oben). Unten: Das Aufstellen des Palmbaums ohne Hilfsmittel erfordert Koordination und Übung. Markus: „Das Umlegen geht dafür einfacher.“

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