Servus in Stadt & Land 06/2016

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Gartenfrüchte im Glas

Fünf pikante Marmeladen

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E I NFAC H

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GUT .

LEBEN

Sommer in Südtirol Ein Eggentaler Märchen

2 JUNI

06/2016

EUR 4,50

DIE HEILKRAFT DER SONNE Warum sie auch in Pflanzen, Tieren & Edelsteinen steckt

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BLUMEN PRESSEN

Von der Kunst, das Glück zu konservieren

HEUTE ESSEN WIR DRAUSSEN! Einfache Rezepte fürs Picknick im Grünen

Mein kleiner Garten WIE ÜPPIGE BLÜTEN & WÜRZIGE KRÄUTER IM TOPF GEDEIHEN

Die wahre Geierwally

Rauriser Hengstauftrieb

Der Tanz der Glühwürmchen

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juni 2 16

natur & garten 16 Die Heilkraft der Sonne

Sie ist die Universalarznei der Himmelsapotheke, ihr Licht hilft uns, gesund zu bleiben. Auch manch Naturheilmittel trägt Sonnenkraft in sich.

26 Der Garten vom Landarzt

Im Kärntner Drautal haben sich Dr. Tragatschnig und seine Frau eine blühende Oase geschaffen.

36 Die Guten ins Töpfchen

Ob Trog, Wanne oder Bottich – bei guter Pflege blühen Topfpflanzen, als gäbe es kein Morgen.

44 Das zarte Funkeln der Sommernächte

Glühwürmchen leuchten nur jetzt während der Paarungszeit. Dann verglühen sie für immer.

4 Servus

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küche 56 Meister der Wälder

Der Waldmeister belebt uns jetzt mit seinem süßlich-würzigen Aroma.

62 Picknick im Grünen

Wir packen unseren Korb mit köst­ lichen Schmankerln und essen unter freiem Himmel.

74 Morgen mach ich blau …

Johannes Brandstetter vom Brunnwirt am Fuschlsee verrät, wie die Forelle blau gelingt.

wohnen & deko 90 Daheim am Waldesrand

Hoch oben über Gantschier in Vorarlberg lebt die Familie Brugger. Man kommt ins Staunen, wie ein traditionelles Montafonerhaus aus 1750 an heutige Bedürfnisse angepasst wurde.

98 Alles in Ordnung

Mit ein wenig Farbe und ein paar Haken wird eine simple Werkstatt-Lochwand zur hübschen Kindergarderobe.

78 Zum Dahinschmelzen

Bei Fenkart in Hohenems entstehen handgeschöpfte Schokoladen.

82 Pikant & herzhaft

Jetzt kommen die ersten Gartenfrüchte ins Glas.

Dossier: Blumen pressen

Das Sammeln und Pressen von Pflanzen und Blüten erlebt gerade eine Renaissance. Wir verraten alles über die Kunst, das Glück zu konservieren. Ab Seite 100

ZUSATZFOTOS COVER: EISENHUT & MAYER, PETER PODPERA

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standards

land & leute 124 Es brennt der Berg

FOTOS INHALT: EISENHUT & MAYER, PETER PODPERA, HELMUT MITTER, MARCO ROSSI, MIRCO TALIERCIO, GAP GARDENS, DPA PICTURE-ALLIANCE

Herz-Jesu-Feuer haben in Tirol Tradition. Auch im Tannheimertal, wo ein Bäckermeister Herr über den Wiesenhang Stocka ist.

130 Buchstäblich wie damals

Michael Schilhan pflegt, restauriert und verkauft alte Schreibmaschinen, so wie sein Vater und Großvater vor ihm. Von seinen Vorgängern unterscheidet ihn nur eines: Er hat im ganzen Land keine Konkurrenz mehr.

138 Wer ist hier der Boss?

Im Salzburger Rauris wird jedes Jahr im Juni der Auftrieb der NorikerHengste gefeiert. Ehe es rauf auf die Alm geht, wird ein Leittier erkoren, das den Sommer über das Sagen hat und über die Herde wacht.

152 Am Ende des Regenbogens

Wer das Südtiroler Eggental besucht, tut gut daran, seine Sinne beisammenzuhalten. Es könnte sonst leicht sein, dass man, von der Landschaft verzaubert, in andere Sphären entschwebt.

170 Die echte Geierwally

Eine Episode im Leben der Lechtaler Kunststudentin Anna Knittel war Stoff für einen Tiroler Mythos.

Sommer am Berg

Unser Schwestermagazin Bergwelten stellt sich vor. Mit Wanderungen in den steirischen Sölktälern, Klettern am Attersee und Hütten im Glück. Ab Seite 113

3 Vorwort 6 Postkastl, Ortsnamen 8 Mundart: Geselliges Beisammensein 10 Servus im Juni 24 Der Garten-Philosoph 32 Unser Garten 34 Mondkalender 50 Natur-Apotheke: Schafgarbe 52 Was unserem Körper jetzt guttut 54 Schönes für draußen 76 Omas Kochbuch: Andauer Grießstrudel

88 Schönes für drinnen 112 Schönes Zuhause: Dekotipps für den Juni 122 Kannst dich noch erinnern? Die kurze Lederne 146 Michael Köhlmeier: Die Sage von Sebastian Inwendig 164 Zwischen Stadt & Land: Komm mich doch mal am Land besuchen! 166 ServusTV: Sehenswertes im Juni 178 Impressum, Ausblick Titelfoto: Eisenhut & Mayer

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GARTENBESUCH

So schön kann’s beim Doktor sein

Düfte von Rosen und Zitronen. Ein Meer aus Margeriten. Ein Weingarten mit Lavendelfüßchen. Der Garten eines Landarzt-Ehepaares im Kärntner Drautal ist eine Oase der Sinne. TEXT: RUTH WEGERER FOTOS: HELMUT MITTER

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Ein Landarztpaar im Paradies. Versinken anderswo die Gärten abends in ihren verdienten Schlaf, hüllt sich das weitläufige Gartenreich eines Kärntner Landarztes und seiner Frau in flackerndes Kerzenlicht. Gerne wird hier nach dem Tagewerk entspannt, Abend für Abend macht das Ehepaar seine Gartenrunde, die beim Gartenpavillon einen geruhsamen Ausklang findet. In den Abendstunden entfaltet sich auch eine wahre Duftexplosion, für die zum großen Teil die etwa 120 Rosensträucher verantwortlich sind, die im Juni ihre Hochblüte erleben. Dabei hatte Hannelore Tragatschnig am Anfang ihrer gärtnerischen Karriere gar keine besondere Vorliebe für Rosen, aber in 36 Jahren haben sie und auch der Garten sich schon sehr gewandelt. „Das Haus eines Landarztes sollte ja gut erreichbar sein“, sagt Wolfgang Tragatschnig. „Wir suchten damals ein Grundstück in zentraler Lage – und haben es auch gefunden. Davon, dass der Garten mitten im Ort liegt, ist kaum etwas zu spüren, weil ihn die Gehölze von der Außenwelt abschirmen. Auf der Gartenseite haben wir sie über die gesamte Länge mit Kletterrosen bepflanzt – eine Augenweide!“ Vom modernen Gartenpavillon aus können Hannelore und Wolfgang den Überblick über ihr außergewöhnliches Gartenreich in Feistritz im Drautal am besten genießen.

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GEWÜRZ DES MONATS

Meister der Wälder

Der belebende Waldmeister ist berühmt für sein besonderes, ­ wür­zig-süßliches Aroma, das gut zu Bier und Bowle passt. Wie schön, so macht Anregung und Kräftigung im Frühling noch mehr Spaß. REDAKTION: JULIA KOSPACH FOTOS: EISENHUT & MAYER GEKOCHT VON: ALEXANDER RIEDER

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Waldmeister Galium odoratum

Familie: Rötegewächse (Rubiaceae) Blütezeit: Waldmeister blüht von April bis Juni. Standort: Waldmeister findet man – oft in großen Kolonien – auf Wald­ böden, vorzugsweise in Buchenwäldern, auf nährstoffreichen, basischen Lehm­ böden und im lichten Baumschatten. Er ist auch ein idealer blühender Boden­ decker für halbschattige Gartenecken, etwa unter Gehölzen. Der Boden sollte gut mit Wasser versorgt sein, bei ­Trockenheit gehört Waldmeister gegossen. Man sät ihn im Herbst aus.

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as älteste bekannte Rezept für Waldmeister-Bowle ist ebenso kurz wie einfach zu merken, weil es sich praktischer­ weise auch noch reimt: „Schütte perlenden Wein / auf das Waldmeisterlein.“ Notiert hat es der Benediktinermönch und Dichter Wandalbert von Prüm im Jahr 854. Das darf man mit Fug und Recht einen kulinarischen Dauerbrenner nennen, zumal die Waldmeister-Bowle nach wie vor ein Begriff ist – in ihrer modernen Form wird sie aus Weißwein, Waldmeisterkraut und Sekt hergestellt. Sie wird üblicherweise rund um Pfingsten genossen und ist ein Klassiker unter den Bowle-Rezepten, denn – so will es der Volksglaube – sie verheißt Stärke, Kraft und Animo fürs ganze Jahr. WÄLDER VOLLER BIERWÜRZE

Überhaupt ist „das Waldmeisterlein“ in der Kombination mit Alkohol schon sehr lange im Einsatz. Die alten Kelten und Germanen verliehen ihrem Bier mithilfe dieses Wildkrauts ein anregendes, würzig-süßliches Aroma. Diese Tradition als Bierwürze ist immer noch quietschlebendig: Ein Klassiker ist das Berliner Weißbier mit Waldmeister-Sirup, meist genannt „Berliner Weiße grün“. ➻

› Stoffsäckchen mit getrocknetem Wald­

meister leisten im Wäscheschrank gute Dienste als vorbeugende Maßnahme ­gegen Kleidermotten.

› So wie man es auch mit den üblichen

­ üchenkräutern macht, kann man auch K Waldmeister im Topf ziehen. Die Erde soll­ te humos und kalkhaltig sein. Nicht düngen und im ersten Jahr sparsam ernten, um das Wurzelwachstum nicht zu hemmen.

› Getrockneter Waldmeister findet häufig

auch in Räuchermischungen Verwendung.

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HANDWERK

Michael Schilhan hat eine stotternde Japy aus den mittleren 1960er-Jahren zerlegt und mit Benzin ausgewaschen. Nach der Wartung wird sie wieder so klaglos funktionieren wie am ersten Tag.

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Buchstäblich wie damals

Michael Schilhan pflegt, restauriert und verkauft alte Schreibmaschinen, so wie sein Vater und sein Großvater vor ihm. Von seinen Vorgängern unterscheidet ihn nur eines: Er hat im ganzen Land keine Konkurrenz mehr.

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TEXT: ALEXANDER LISETZ FOTOS: PHILIPP HORAK

uf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Geräusche steht das Klappern der Schreibmaschine ganz oben. Das geschäftige Tackern der Typenhebel, jeder Schlag ein neuer Buchstabe; der Wagenrücklauf am Ende jeder Zeile, ein scheppernder Tusch; das beherzte Ritschratsch, mit dem die vollgeschriebene Seite aus der Walze gezogen wird: Klänge aus einer anderen Zeit. Dabei war noch vor zwei, drei Jahrzehnten kein Büro ohne vielstimmiges Schreibmaschinen-Orchester vorstellbar. Heute summen auf den Schreibtischen nur noch Computer. Die gute alte Schreibmaschine ist ein Anachronismus geworden. Oder etwa doch nicht? „Vor ein paar Jahren war die Schreibmaschine ein Nischenprodukt. Aber heute entdecken immer mehr Leute ihren Charme und ihre Verlässlichkeit wieder“, sagt Michael Schilhan. Er muss das wissen, denn er ist Österreichs letzter Schreibmaschinen­mechaniker.

DER OLYMPISCHE GEDANKE

Michael Schilhan ist selbst so etwas wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, dabei ist er

gerade erst 50 geworden. „Heute muss alles billig hergestellt werden und schnell kaputt gehen, damit man bald wieder etwas Neues kauft“, ärgert er sich. „Aber mir imponiert wenn eine mechanische Maschine so verlässlich gebaut ist, dass sie von Generation zu Generation weitervererbt werden kann.“ Sein Ein-Mann-Betrieb in der Wiener Rochusgasse ist auch so ein Familienerbstück. Großvater Johann hat 1930 mit dem Verkauf und der Wartung von Schreibmaschinen begonnen, damals noch am Getreidemarkt neben der Secession. Vater Heinz führte den Betrieb dann durch die goldenen 1970er- und 1980er-Jahre, als man Bürogeräte noch beim Fachmann um die Ecke einkaufte. Nun hält Sohn Michael die Familientradition hoch. „Alle unsere Mitbewerber waren sich auf einmal zu gut für die altmodische Arbeit. Mit den Jahren sind immer mehr von ihnen auf andere Geschäftszweige umgeschwenkt, bis am Schluss nur noch wir übrig geblieben sind.“ Michael Schilhan ist ein loyaler Kerl. Noch heute, 35 Jahre nach seiner Lehre beim Schreibmaschinenhersteller Olympia, verkauft er dessen Fabrikate lieber als ➻

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BRAUCHTUM

Es brennt der Berg Herz-Jesu-Feuer haben Tradition in Tirol. So auch im Tannheimertal, wo ein Bäckermeister der Herr über den Wiesenhang Stocka ist. TEXT: ACHIM SCHNEYDER FOTOS: PETER PODPERA

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Einzelne Lichtpunkte auf den Graten, entzündet von Mitgliedern der Bergrettung, dienen als Einstimmung. Die eigentlichen Herz-Jesu-Feuer werden später, wenn es so richtig dunkel ist, die Hänge erhellen. Was wie eine nette Bergwanderung aussieht (rechts), ist harte Arbeit. Bäckermeister Karl-Heinz Bitesnich (vorn) und sein Team müssen alle Utensilien in die Höhe schleppen.

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itunter ist es ja so, dass die Technik auch vor dem Brauchtum nicht haltmacht. Obwohl: Technik ist in diesem Fall nicht ganz das richtige Wort. Einfallsreichtum trifft es besser. Einfallsreichtum, der einem gewissen sportlichen Ehrgeiz in einem freundschaftlichen Wettstreit geschuldet ist. Doch dazu später. Karl-Heinz Bitesnich ist Bäckermeister in der gut 400 Einwohner zählenden Ortschaft Nesselwängle im Tiroler Tannheimertal, einem Hochtal nicht weit von Reute entfernt im Grenzgebiet zu Bayern. Wenn alle anderen noch tief und fest schlafen, produziert der 38-Jährige lange vor dem Morgengrauen jenes Brot und Gebäck, das diesen anderen wenige Stunden später zum Frühstück gut schmecken wird. Er selbst legt sich dann ganz gerne wieder ein bisserl hin. Nachschlafen, so nennt er das. Nicht so aber zwei Wochen nach Pfingsten, da hat der Karl-Heinz nämlich noch mehr zu tun als sonst. Auch untertags. Da stapft er – und das nun schon seit 16 Jahren – zwischen Montag und Samstag mindestens sechsmal einen bis zu 40 Grad steilen Hang hinauf, und das stets mit bis zu 25 Kilo Marschgepäck auf dem Rücken. Eineinhalb schweißtreibende Stunden lang und gemeinsam mit sechs anderen, die ebenfalls wie die Packesel daherkommen. Karl-Heinz ist nämlich auch Herr über den Stocka. So heißt der Hang, auf dem es am dritten

Samstag nach Pfingsten respektive am zweiten nach Fronleichnam brennt. Am dritten Wochenende nach Pfingsten brennt es aber nicht nur auf dem Stocka und auf drei weiteren Hängen rund um Nesselwängle, da brennt es in Tirol auf jedem Berg. Ein fürwahr leuchtend schönes Schauspiel ist das, das im Rahmen des Herz-JesuFestes über die Naturbühne geht. Ein Schauspiel aber, dessen Wurzeln nicht in der An­ mut, sondern im Widerstand liegen. WIDERSTAND UND GOTTES HILFE

„Die Sache mit den Herz-Jesu-Feuern begann im Jahre 1796“, erzählt der muntere Bäckermeister und packt den Rucksack voll. „Napoleon I. und seine Truppen rückten näher und näher, also wurde das Land Tirol in Kriegsbereitschaft versetzt, und auf Vorschlag des Stamser Abtes Sebastian Stöckl beschloss man, das Land dem Schutz des Heiligsten Herzens Jesu anzuvertrauen. Man hoffte also auf Gottes Hilfe. Als Zeichen des Bündnisses aller Tiroler und für den gemeinsamen Kampfbeginn entzündeten die Menschen dann auf den Bergen erstmals religiöse Motive.“ Meist waren und sind es Herzen, Kreuze oder die Zeichen Christi – INRI oder IHS –, doch mitunter leuchten auch überdimensional große Christus-Figuren hell in die Nacht. „Die Wiese auf dem Stocka misst ungefähr 130 mal 100 Meter. Und die Symbole, ➻

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WUNDER DER HEIMAT

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Verliebt in eine Nixe, zauberte einst ein Hexer einen Regen­ bogen voller Edelsteine in den Himmel. Dieser landete im Karersee, in dem sich auch die weißen Felsen des Latemar­ massivs widerspiegeln.

Am Ende des Regenbogens

Wer das Südtiroler Eggental besucht, tut gut daran, seine Sinne beisammenzuhalten. Es könnte sonst leicht sein, dass man, von der Landschaft verzaubert, in andere Sphären entschwebt. Dabei hat die Realität genug zu bieten. TEXT: USCHI KORDA FOTOS: PETER PODPERA

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lötzlich ist alles anders. Zwei, drei spitze Kehren, und der harte Beat des Fernverkehrs auf der Brennerautobahn geht in sanftes Brummen über. Zwei, drei spitze Kehren weiter, und die Hauptschlagader Europas, die den Norden mit dem Süden verbindet, ist hörtechnisch im Ausblend­ modus. Eine Kehre noch. Eine andere Welt. Und Stille. Oder fast, immerhin führt nur eine einzige Straße hier­ herauf ins Eggental, und die wird von den motorisierten Bewohnern italienisch-sportlich genommen. Zumindest in diesem Punkt hat man sich in der Südtiroler Ecke süd­ östlich von Bozen und dem Etschtal assimiliert. Knapp hundert Jahre und zwei Generationen später, nachdem Südtirol Italien zugesprochen wurde, sind natürlich noch et­liche Punkte dazugekommen, wenngleich man hier sehr auf die Erhaltung regionaler Kulturen bedacht blieb. Wie ein edelsteinbesetztes Diadem umkränzen die Felsspitzen der Dolomiten mit ihren Schönheiten Rosen­ garten (2.981 m) und Latemartürme (2.842 m) das Hoch­ tal. Im Norden sorgt der bizarre Felsabbruch des Schlern (2.563 m), im Süden der Zanggen (2.492 m) samt den sia­ mesischen Zwillingsgipfeln Schwarzhorn (2.439 m) und Weißhorn (2.316 m) für die Vollendung eines Panoramas in Bilderbuchform. Im Schatten dieser Berge lebte man lange recht unbehelligt vom Rest der Welt.

WIE WIR WURDEN, WAS WIR SIND Oben: Am Hauptplatz von Deutschnofen findet jeden Dienstag ein Bauernmarkt statt. Die Bevölkerung im Eggental lebte immer von Land- und Forstwirtschaft. Links: Die Hühner vom Badstuberhof müssen bei dem großzügigen Auslauf und dem grandiosen Ausblick, den sie genießen, sehr glücklich sein. Ihre Eier sind jedenfalls heiß begehrt. Unten: Am Deutschnofener Hauptplatz steht auch der Gasthof Stern, den Paul Pfeifer jetzt in dritter Generation führt. Der Wirt kennt sich bestens mit Weinen auch aus der Region aus, die er zu italienischer und Tiroler Küche im 1950er-JahreAmbiente serviert. Bild rechts: Blick auf Deutschnofen mit dem markanten Bergrücken des Schlern im Hintergrund.

Recken- oder Regglberg nannte man das Hochplateau frü­ her nach dem Berg, auf dem es liegt. Erst vor etwa 20 Jah­ ren wurde alles weiträumig als Eggental zusammengefasst, sagt Paul Pfeifer, der Wirt vom besten Haus am Platz in Deutschnofen. „Gasthof Stern / Albergo Stella“ steht in schlanken grauen Lettern auf der Fassade, die architek­ tonisch die Eleganz und das südliche Lebensgefühl der 1950er-Jahre verströmt. 1311 wurde erstmals eine Gast­ schenke an dieser Stelle erwähnt, die Paul Pfeifer jetzt in dritter Generation führt. Mein Großvater Hans Brunner war einst Chorleiter und Lehrer, hat in Innsbruck studiert und hier unterrichtet, erzählt Paul Pfeifer. Doch in den 1920er-Jahren wurden die deutschen Lehrer durch italie­ nische ersetzt, die Sprache verboten, und Hans Brunner ging kurz einmal in die Toskana und malte Bilder. Er kehr­ te aber bald wieder zurück und stellte sich gemeinsam mit dem Pfarrer gegen die Absiedelungspläne von Deutschen der faschistischen Regierung und erstand den „Stern“. Dableiben oder gehen, sagt Paul Pfeifer, damals gingen Risse durch ganze Familien. In Deutschnofen entschieden sich die meisten fürs Dableiben, die wenigen verlassenen Höfe wurden von Italienern übernommen. Die waren aber bald wieder weg, sagt Paul Pfeifer, die wollten auf 1.300 Meter Höhe Reis anbauen. Wir waren hier immer schon Grenzgebiet, sagt Paul Pfeifer, hatten gemeinsame Almen mit den Ladinern aus dem Fassatal und den Italienern aus dem Trentino. Trotz­ dem haben wir als Südtiroler Identitätsprobleme, sagt der 35-Jährige und lächelt dabei sanft, weil wir uns nur lang­ sam daran gewöhnen können, dass wir halt italienische ➻


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