Servus in Stadt & Land 12/13

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12 /2013 &

in Stadt & Land

Genussvolles Fest Steirische Strohmänner

P. b. b., GZ10Z038662M, Verlagspostamt 1110 Wien

Sonnwendpflanzen  & winterschneeball  & weihnachtsstern  & nikolausäpfel &  falscher Marmorkuchen

Rezepte aus ganz Österreich

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E i nfac h

.

Gut .

Leben

Brauchtum im Advent

2

dezember 12/2013

EUR 4,50 chf 7,00

Stille Nacht Weihnachten daheim genießen

Das Geheimnis der Pitztaler Haselfichte

&

Zu Gast in Steyr

&

Auf den Spuren des Alpenkönigs

>


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60

38

Dezember

Natur & Garten 12 Wildtiere im Schnee

Wie Reh, Gams und Wildschwein mit der Kälte und dem dicken weißen Mantel der Natur zurechtkommen.

24 Im Reich der Engerl

Maria und Hermann Karrer genießen ihren Garten in Oberösterreich im Winter auf ganz besondere Weise.

38 Winter-Wunderstrauch

Rosa Blütenbüschel und süßer Duft: die Reize des Winterschneeballs.

48 Lodernde Blattsterne

Die überraschenden Seiten des trickreichen Weihnachtssterns.

154 Der Alpenkönig

Wie der Steinbock bei uns im Winter um die Gunst der Gaisen buhlt.

4 Servus

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Küche 54 Rote Backen und fruchtiger Geschmack

Der Weihnachtsapfel und sein Weg vom Paradies auf den Christbaum.

60 Neun Festtagsspeisen

Von der Salzburger Mettensuppe bis zum Lechtaler Birazelta.

76 Aus Omas Kochbuch Falscher Marmorkuchen

78 Ainpöckisch Bier

Gerald Schwarz braut in der Buckligen Welt für die Festtage ein ganz besonderes Bockbier.

82 Süßes Groscherl

Malzig feine Karamellzuckerl selber machen.

Wohnen 86 Ein besonderes Haus für besondere Menschen

Nahe am Wolfgangsee haben die Gründbichlers ein Haus ganz im Stil des Salzkammerguts errichtet.

96 Basteln für den Nikolaus

Wie man mit einem Häuschen aus Holz, Äpfeln und Lebkuchen Nikolo und Krampus willkommen heißt.

98 Eine sportliche Leuchte

Opas alte Rennski verwandeln sich in ein schneidiges Leselicht.

100 Natürlich aufgeputzt

Je schlichter der Christbaum geschmückt wird, desto schöner ist die Stimmung, die er verbreitet.

zusatzfotos cover: eisenhut & Mayer, michael reidinger

Inhalt 2013


160 110

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Standards fotos inhalt: katharina gossow, eisenhut & mayer, philipp horak, michael reidinger, flora press, imago

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Land & Leute 104 Malen mit Nadel und Faden

136 In den Fußstapfen der Husaren

110 Auf der Schab

142 Der Stern, der Herzen öffnet

Zu Ehren Jesu werden im Innviertel auch heute noch traditionelle ­Fatschenkindln von Hand gemacht.

Zwölf in Stroh gehüllte Männer lassen seit 120 Jahren am 5. Dezember in Bad Mitterndorf die Peitsche knallen.

116 Musik, die aus dem Wald kommt

Die Geschichte einer 200 Jahre alten Pitztaler Haselfichte und ihrer Verwandlung in ein Streichinstrument.

132 Ein Schluck Weihnachten

In der Punschmanufaktur Sporer in der Salzburger Getreidegasse wird noch nach altem Rezept gebraut.

Julius Koch stellt im Burgenland als Letzter noch die traditionellen schwarzen Reiter-Schaftstiefel her.

Mit großer Begeisterung bastelt Herta Lemberger aus Mittersill seit ihrer Kindheit Strohsterne.

148 Stecka für die Ewigkeit

Die Berg- und Jagdstöcke von Ossy Gramlich sind wunderschöne Unikate.

160 Besuch beim Christkindl

In und um Steyr lässt sich noch der ursprüngliche Zauber der Weihnachtszeit entdecken.

3 Vorwort 6 Leserbriefe, Ortsnamen 8 Mundart 10 Servus daheim 20 Naturwissen: Sonnwend-Pflanzen 32 Schönes für draußen 36 Basteln mit Kindern: Holzlaterne 42 Der Garten-Philosoph 44 Unser Garten, Mondkalender 52 Natur-Apotheke: Linde 84 Schönes für die Küche 102 Schönes für drinnen 128 Michael Köhlmeier:

Teufel und Vagabund

172 René Freund: Ein merkwürdiges Geschenk 176 ServusTV: Sehenswertes im Dezember 182 Feste, Märkte, Veranstaltungen 184 Leben in alten Zeiten 194 Impressum, Ausblick Titelfoto: Eisenhut & Mayer

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regionale wortschätze

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Mundart Von Dr. Ingeborg Geyer

Plaudern

Der Winter zwingt die Leute ein bisserl ins Haus. Dafür sollten wir ihm auch dankbar sein, denn so wird man sich auch seines Zuhauses wieder bewusst. Gerade zu den Feiertagen: Man versammelt seine Lieben um den Kamin und macht, wozu man im Trubel draußen oft nicht mehr kommt: plaudan, plauschn, erzähln, derzähln oder verzähln, dischgarian …

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prodln

Kärnten, Obersteiermark, Ötztal, Hopfgarten, St. Johann/Tirol

kuntan

Defereggen/Osttirol

Oberes Mühlviertel

marn

Kärnten, Pustertal

Zillertal

farfln

Kapfenberg

8 Servus

predln

ratschen Oberösterreich

Oststeiermark

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Pustertal, Defereggen/Tirol

rangern Oberösterreich

plodern

prachtn

Salzburg

Waldviertel

Steiermark

an Fådn vazöln

schatzn

gatschn

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Vorarlberg

Lungau

barlamentian

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Antholz-Niedertal/Südtirol

Vorarlberg

Innviertel, Wien, Drasenhofen/Waldviertel

hoa(n)garchtn Oberösterreich, Unterinntal

brechtln

furfabln Niederösterreich

räda

Vorarlberg

Innviertel, Hausruckviertel, Wien, Lobming/Steiermark

raimen Tirol

ausblaramentian Pulkautal

www.oeaw.ac.at; illustration: andreas posselt

ferplaudara

heschatzn


Die schönsten Seiten von daheim, ein ganzes Jahr lang e r h I

e: l i e t r o v o Ab arnis

rsp eferung i L e i e r f • kosten mensm o k l l i W • geschenk

Foto: Eisenhut & Mayer

• Preise

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EINFACH. GUT. LEBEN.


gartenbesuch

Obwohl der Garten rechts vom Bach gesäumt wird, war ein eigener Gartenteich für Maria ganz wichtig. Am Rand steht eine kugelig beschnittene Hainbuche als Solitärgehölz. ­Dahinter liegt der 250 Jahre alte „Troadkastn“, ein Innviertler Getreidespeicher, der vor dem Zusammenschneiden gerettet wurde.


Im Reich der Engerl Im tiefen Winter, wenn andere ihre Gärten aus d ­ er warmen Stube betrachten, sitzen Maria und Hermann Karrer gern draußen in der ­Sonne. Oder sie backen Innviertler Bauernbrot im Steinofen. Text: Ruth Wegerer Fotos: Helmut Mitter

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icker Dezemberschnee zaubert Häubchen und Wolken auf Bäume, Sträu­ cher und Dächer. Die Luft klirrt. Und die Ruhe löst alle Hektik in Luft auf. Gut 600 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, hat der kleine Ort Sankt Johann am Walde im oberösterreichischen Inn­ viertel einige Besonderheiten. Erstens wird er umgangssprachlich von seinen Bewoh­ nern „Saiga Hans“ genannt (mundartlich für Sankt Johann), das gipfelt in dem Spruch: „Saiga Hans gibt’s nur oans, is a Dörferl, a kloans. Mecht woanders net sei, denn des Fleckerl g’hört mei.“ Und dann lebt auf diesem selbstbe­ wussten Fleckerl Erde eine Familie, die man auch nicht überall findet: nämlich die Schwemmholzengel-Maria und ihr Mann Hermann Karrer. Warum Maria Karrer so genannt wird, davon etwas später. Die beiden haben vor ihrem Wohnhaus einen Garten gestaltet, der schon so manchen Spaziergänger zum Verweilen und Hinein­ schauen verführt hat. Ein Pizzaofen fürs bauernbrot

„Unser Garten ist auch ein Stück Architek­ tur“, erklärt Maria Karrer beim Spaziergang durch das angezuckerte Stück Land. Zuerst besuchen wir die Bar – einen fixen Treff­ punkt für die ganze Familie –, dann eine Ziegelmauer mit Grill und Fischselch. Weiter geht’s zur Pergola, die eher schon ein Gartenhäusl mit Fenster und Türen ist. Links davon steht ein Backofen, genauer ­gesagt: ein originaler Pizzaofen. Den hat der kalabresische Schwiegervater von Ma­ ria Karrer Tochter in den Garten gebaut. Großteils wird darin aber echtes Innviertler Bauernbrot ­gebacken. „Jedenfalls“, sagt Maria, „wird alles immer ganz wunderbar in un­serem Steinofen.“ Jetzt im Winter sieht man zwar die bo­ tanischen Besonderheiten dieses Gartens nicht, dafür aber alle anderen. Zum Beispiel ist dieses Gartenreich – in der Form ein spit­ zes Dreieck und etwa 800 Quadratmeter groß – von einem Bächlein, der Mettmacher Ache, gesäumt. Der Karrer’sche Garten ist zwar nicht übermäßig groß, dafür aber fantasievoll an­ gelegt. „Früher, bei der Schwiegermutter“, berichtet Maria, „war der Garten ein ➻

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An die Rückwand vom Troadkastn wurde aus alten Türen ein ganz besonderes Sitzplatzl angebaut. Hier kann man geschützt die Wintersonne genießen. Zwischen Haus und Teich (unten) steht das Backofenhäuschen. Das wird zu jeder Jahreszeit zum Brotbacken genützt.


Den Zaun zwischen Gartenlaube und Teich hat Maria mit der Stichsäge gestaltet. Vor dem historischen Speicherhäuschen (rechts) steht das „Feierabendbankerl“ mit Blick auf den Bach.

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„GEDULD UND LIEBE BRAUCHT DER GARTEN. DAS GRAS WACHST NET SCHNELLER, WANNST DRAN ZIAGST. UND DER BAUM A NET.“

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Der vertrockneten Hortensienblüte steht das Schneehauberl gut. Und die kerzenartigen Fruchtstände des Essigbaums (links) leuchten in der weißen Landschaft.

Das Vogelhäuserl ist ein liebes Andenken an Hermanns handwerklich geschickten Vater. Der liebliche Engel aus Schwemmholz (links) stammt natürlich aus Marias Werkstatt.


rezepte mit Tradition

Frohe Weihnachten

Bis zur Christmette währt die vorweihnachtliche Fastenzeit. Dann wird das Fest des Jahres so richtig zum Genuss. Und jedes Bundesland hat dabei seine eigenen Traditionen: Wir feiern mit Suppen, Sulzen und süßem Fleisch. Redaktion: katharina kunz & alexander rieder Fotos: Eisenhut & Mayer

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Salzburg

Mettensuppe Wer am Heiligen Abend nach der Christmette durch die eisige Winternacht und den hohen Schnee nach Hause stapfte, freute sich im Salzburgerischen vor allem auf eines: die gute, heiße Mettensuppe. Das reichhaltige Süppchen symbolisiert das Ende der Fastenzeit und den Beginn des weihnachtlichen Schlemmens. Nach dem nächtlichen Kirchgang versammelten sich alle um den Tisch, um sich an der kräftigen Rindsuppe zu stärken. Der dampfende Topf hatte dabei brauchtumsgemäß auf dem Mettenstock zu stehen, einem besonders alten, knorrigen Holzklotz.


Niederösterreich

Karpfen auf böhmische Art Ob blau oder paniert, in Stücken oder im Ganzen – Weihnachten ohne Karpfen ist für viele schlichtweg undenkbar. Der Teichfisch ist die ideale Speise für den Heiligen Abend, schließlich zählt der noch zu den fleischlosen Fastentagen. Schon seit dem Mittelalter wird dem Karpfen religiöse Bedeutung zugeschrieben, weil es vor allem Mönche waren, die den „Klosterfisch“ in den Waldviertler Teichen gezüchtet haben. Es heißt, dass eine getrocknete Karpfenschuppe im Geldbörsel Glück und Geldsegen bringen soll.

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Steiermark

Pöllauer Sulz Lange vor dem reich geschmückten Weihnachtsbaum war die Christmette der Höhepunkt des Heiligen Abends – und natürlich das ausgedehnte Mettenmahl danach. Doch bis dahin war die Zeit lang, und so stärkte man sich daheim vor dem Kirchgang mit einer herzhaften Jause. Dazu gehörte in der nördlichen Steiermark neben Selchwürsten und Rindfleisch auch eine Sulz. Ganz klassisch wird die Pöllauer Sulz mit Zimt verfeinert und mit Zitronensaft gesäuert, im historischen Rezept sorgen statt der Gelatine noch Kalbshaxen für das Gelieren der Rindsuppe.

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Burgenland

Bratl von der Mettensau mit Paradeiskraut In den Tagen rund um die Wintersonnenwende am 21. Dezember wurde früher im Burgenland auf den winterlich verschneiten Höfen der Sautanz ­ gefeiert und die Mettensau geschlachtet. Während es die Würste schon zum Mettenmahl gab, also zur nächtlichen Mahlzeit nach der Christmette, landete der Schopf meist als schweinernes Bratl am Christtag auf dem Festtagstisch – entweder mit „Schlachtingakraut“, Sauerkraut, das mit den frischen Schwarten gekocht wurde, oder mit aromatischem Paradeiskraut, das mit der dick eingekochten Paradeissauce aus dem vergangenen Sommer verfeinert wurde.

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Kärnten

Lesachtaler Blattlstock Mit Weihrauch und getrockneten Kräutern im Räucherfass geht man im Lesachtal am Heiligen Abend durch die Häuser und Stallungen und bittet um Schutz und Segen. So unverzichtbar wie das „Rauchen“ ist in dieser Raunacht auch das Stockblattlan-Essen. Die Teigfladen mit ihrer herb-süßen Mohnfülle bilden übereinander­ geschichtet den traditionellen Blattlstock, von dem jeder nach dem Hausräuchern ein Stück bekommt. Der Blattlstock soll aus so vielen Schichten bestehen, wie Personen zur Familie gehören, und so groß sein, dass sich „neun Leut drei Tag lang satt essen können“.

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Wien

Gefüllter Truthahn, im Tuch gebraten Bei uns nannte man den Truthahn auch „Indian“, weil sein Ursprungsland Amerika von den Entdeckern einst für Indien gehalten wurde. Um 1900 gab es rund um Wien große frei lebende Populationen. Der Truthahn war – wegen seiner Größe und des hellen und dunklen Fleisches – ein beliebtes Festtagsgeflügel. So ließ sich die Wiener Oberschicht schon lange vor der Gans am Christtag Fasane, Kapaune oder Truthähne schmecken – natürlich feinst gefüllt mit Bratenfarce, Trüffeln, Kastanien oder auch süß mit Nüssen und Rosinen.

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Tirol

Greafleischknödel Zu Weihnachten, wenn jeder Tiroler Bauer, der auf sich hielt, ein Tier schlachtete, wurden aus dem Greafleisch („Grünfleisch“, frisches, rohes Fleisch) herzhafte Knödel gerollt. Anstelle des gekauften Weißbrots griffen die Tiroler Bäuerinnen zu altbackenem Schwarzbrot und mischten es klein gewürfelt mit geriebenen Erdäpfeln und frischem Fleisch. Mit dem Knödlgazl oder Farfellöffel formten sie aus der Masse mittelgroße, oft auch längliche Knödel, die entweder noch in der Mettennacht auf den Tisch kamen oder Teil des üppigen Festmahls am Christtag waren.


oberösterreich

Bamfleisch mit Semmelknödeln In der bäuerlichen Küche des Innviertels gab es am 24. Dezember traditionell „Bamfleisch“ mit Semmelknödeln. Doch es war nicht das, was es dem Namen nach zu sein vorgab. Den Jahreszeiten folgend, musste man im Dezember bereits mit Produkten aus der Vorratswirtschaft vorliebnehmen. Hinter dem „Bamfleisch“ verbirgt sich daher ein Kompott aus Dörrzwetschken, also ein Kompott mit „Fleisch vom Baum“.

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Vorarlberg

Lechtaler Birazelta Süße Birnen, getrocknete Feigen, kernige Nüsse, wärmende Gewürze und zünftiger Brotteig – Früchtebrote werden seit Jahrhunderten zur Zeit der Raunächte gebacken. Vielerlei Bräuche wie kleine Zelten für das Vieh und Verlobungsrituale ranken sich um das Gebäck, das in der Thomasnacht am 21. Dezember gebacken und erst am H ­ eiligen Abend angeschnitten wird. Zwischen Weihnachten und Dreikönig stellte man nachts ein paar Birazelta als Opfergabe für die Armen ins Fenster.

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chen–Wissen Warum Fisch so schön blau wird Bei der Zubereitung des Karpfens auf böhmische Art sollte darauf geachtet werden, dass der Essig von guter Qualität ist. Minderwertige Produkte übertönen den Fischgeschmack mit aggressiver Säure. Essig und Fisch gehören jedenfalls zusammen, wenn Fisch nicht gebraten, sondern pochiert – also „blau“ zubereitet – wird (Fisch niemals heftig kochen). Die Säure stabilisiert Pigmente der Fischhaut und führt zu der Blaufärbung.

Karpfen auf böhmische Art Zutaten für 4–6 Personen Zeitaufwand: 1O Stunden Karpfen (ca. 1K kg) Salz 4 Gewürznelken 4 Pimentkörner 1 Lorbeerblatt 1 Zweig Thymian Schale von K Zitrone 50 g Butter 1 TL Zucker 100 g Karotten 100 g Petersilwurzeln K Zwiebel 1 EL Weinessig 125 ml Bier 20 g Mandelstifte 50 g Dörrzwetschken 50 g Lebkuchen Zubereitung 1. Fisch schuppen, ausnehmen, unter flie-

ßendem kaltem Wasser waschen und in Portionsstücke teilen. 2. Einen kräftigen Fischsud aus Kopf, Gräten, 750 ml Wasser, Salz, Nelken, Piment, Lorbeer, Thymian und der Schale einer halben Zitrone kochen. 3. Karotten, Petersilwurzeln und Zwiebel in feine Streifen schneiden. In einem Topf Butter aufschäumen lassen, Zucker darin leicht karamellisieren lassen. Das Gemüse dazugeben, gut durchrösten, mit einem Schuss Essig ablöschen und mit 500 ml abgeseihtem Fischsud aufgießen. Bier, gestiftelte Mandeln, klein geschnittene Dörrzwetschken und fein geriebenen Lebkuchen dazugeben und alles zusammen aufkochen lassen. 4. Die Karpfenteile in die Sauce legen und 20 Minuten bei kleiner Hitze zugedeckt dünsten. Karpfenstücke herausheben, auf einer vorgewärmten Platte anrichten und mit Sauce übergießen. Dazu passen Erdäpfelknödel und Julienne-Gemüse.

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Lechtaler Birazelta Zutaten für etwa 6 Laibe Zeitaufwand: 2 Tage zum Ziehenlassen der Früchte, ca. 3 Stunden für das Backen der Zelten Für den Brotteig: 600 g Roggenmehl 600 g Weizenbrotmehl 40 g Germ 1 EL Zucker ca. 800 ml Wasser 2 EL Brotgewürz (Kümmel, Fenchelsamen, Anis und Koriander) 1 EL Salz 100 ml Kaffee Für die Fülle: 500 g gedörrte Birnen 300 g gedörrte Zwetschken 300 g getrocknete Feigen 100 g Rosinen 200 g ganze Haselnüsse 100 g ganze Walnüsse 100 g ganze Mandeln 4 TL Zimtpulver 2 TL Anis 1 TL Nelkenpulver 50 ml Obstschnaps 200 ml Kletzenwasser Zubereitung 1. Fruchtmasse vorbereiten: Dörrbirnen,

Zwetschken und Feigen in wenig Wasser halbweich dünsten, abseihen und dabei die Flüssigkeit, also das „Kletzenwasser“, für den Teig auffangen. Früchte klein schneiden, gewaschene Rosinen, Nüsse und Gewürze dazugeben, mit Schnaps und Kletzenwasser gut vermischen, zudecken und etwa 2 Tage ziehen lassen. Gelegentlich umrühren. 2. Für den Brotteig in einer Schüssel die beiden Mehlsorten gut vermischen (eventuell über Nacht warm stellen). Ein Grübchen formen, die Germ hineinbröseln, ein wenig lauwarmes Wasser langsam darüberschütten und die Germ mit wenig Mehl leicht verrühren, 5 Minuten ruhen lassen. Das Dampfl leicht unter

saftiger truthahn bei Tisch Eine Truthahnbrust komplett zu tranchieren ist die zweitbeste Lösung. Klassisch werden nur die Keulen abgelöst. Von der Brust werden nach Bedarf schräg dünne Scheiben abgeschnitten. So bleibt sie bei Tisch auch länger saftig. 3

Feiner, klarer Paradeissaft Für das traditionelle burgenländische Paradeiskraut wird zum Aufgießen der Saft verwendet, der beim Entkernen übrig bleibt. Mit etwas Geduld wird so ein Paradeissaft noch klarer und aromatischer: Man entkernt die Paradeiser am Vortag auf einem feinen Küchentuch, bindet es zu einem Säckchen und hängt es über Nacht über eine Schüssel.

das Mehl heben, Gewürze unter­mischen und mit dem restlichen lau­warmen Wasser einen mittelfesten Teig kneten. Diesen etwa 30 Minuten gehen lassen. Auch wenn der Teig sehr klebrig ist, kein weiteres Mehl dazugeben! 3. Die Fruchtmasse mit nassen Händen unter den Brotteig kneten. 30 Minuten zugedeckt an einem warmen Ort gehen lassen. 4. Etwa 6 Laibe formen, glatt streichen, mit einer Stricknadel Luftlöcher in einem Muster einstechen und auf einem mit Backpapier ausgelegten Backblech zu­ gedeckt 30 Minuten gehen lassen. 5. Backrohr vorheizen (200 °C Heißluft). Teiglinge mit warmem Kaffee bestreichen, in den Ofen schieben, nach 10 Minuten die Temperatur auf 160 °C absenken und weitere 50 Minuten fertig backen. 6. Aus dem Ofen nehmen und für den Glanz sofort mit kaltem Wasser besprühen. Auf einem Gitterrost auskühlen lassen.


Greafleischknödel

Gefüllter Truthahn, im Tuch gebraten

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 1 Stunde

Zutaten für 6 Personen Zeitaufwand: 4–5 Stunden

1 bis 2 am Vortag in der Schale gekochte Erdäpfel 250 g Faschiertes (gemischt oder vom Rind) 50 g Butter (oder Pflanzenöl) 1 Zwiebel 200 g Knödelbrot 2 Eier 250 ml Milch K Bund gehackte Petersilie 1 EL Majoran Salz, Pfeffer 2 EL Mehl etwas Rindsuppe

1 Truthahn mit 3,5 bis 5 kg Majoran 100 g durchzogene Speckscheiben 150 ml Weißwein Geflügelfond oder kräftige Geflügelsuppe Schlagobers nach Belieben Salz, Pfeffer

Zum Anrichten: 1 Zwiebel 100 g Butter Zubereitung 1. Erdäpfel schälen und zerdrücken oder

pressen. 2. Zwiebel fein hacken und im heißen

Fett anrösten. Das Fleisch dazugeben und mitrösten. In einer Schüssel mit dem Knödelbrot und den zerdrückten Erdäpfeln vermengen. Eier und Milch versprudeln und darübergießen, würzen und gut vermischt eine halbe Stunde ziehen lassen. 3. Mehl unter die Knödelmasse heben, mittelgroße Knödel formen und in siedendem, gesalzenem Wasser oder Rindsuppe etwa 20 Minuten kochen. 4. Zwiebel in Ringe schneiden und in viel Butter dunkel rösten. 5. Die Knödel mit Suppe oder etwas Kochwasser anrichten und abschmalzen: mit gerösteter Zwiebel und Butter übergießen.

Für die Fülle: 1 Zwiebel 2 EL gehackte Petersilie 4 altbackene Semmeln 1 Paar rohe Bratwürste 250 ml Schlagobers 3 Eier 1 Dotter Milch nach Bedarf Semmelbrösel nach Bedarf Muskatnuss Salz, Pfeffer Butterschmalz oder Pflanzenöl Zubereitung 1. Für die Fülle: Zwiebel hacken und in

etwas heißem Fett hell anschwitzen, Petersilie dazugeben und kurz mitrösten, vom Herd nehmen und abkühlen lassen. 2. Semmeln würfelig schneiden, das Brät aus den Bratwürsten drücken und mit der Zwiebel-Petersilie-Mischung unter die Semmelwürfel mischen. Obers, Eier, Dotter und so viel Milch und Semmel­ brösel dazugeben, dass eine kompakte Masse entsteht. Mit Salz, Pfeffer und geriebener Muskatnuss abschmecken und etwa 10 Minuten ziehen lassen. 3. Truthahn waschen, trocken tupfen, innen und außen kräftig mit Salz und Pfeffer würzen, außen auch gut mit Majoran einreiben. Die Fülle nicht zu prall einfüllen und die Öffnung mit Küchenspagat verschließen. 4. Backrohr auf 180 °C vorheizen. Die Truthahnbrust mit Speckscheiben belegen.

Ein Küchentuch mit Wein beträufeln und über die Brust legen, damit der Truthahn saftig bleibt. In eine Bratenpfanne ein wenig Geflügelfond gießen, den Truthahn hineinlegen. Im heißen Backrohr 15 Minuten braten, dann die Hitze auf 150 °C reduzieren und je nach Größe 3½ bis 5 Stunden fertig braten. Währenddessen das Tuch ständig mit dem restlichen Wein und Geflügelfond feucht halten. 5. Eine halbe Stunde vor Ende das Tuch entfernen und die speckbelegte Brust bei 200 °C knusprig braten. Even­tuell einmal mit flüssigem Schmalz begießen. 6. Wenn die Haut schön knusprig ist und beim Anstechen nur mehr klarer Saft austritt, ist der Truthahn gar. Heraus­ nehmen und in Alufolie gewickelt warm stellen. Den Bratensaft abgießen und entfetten, in einem Topf aufkochen, etwas Geflügelfond dazugießen und ein wenig reduzieren. Nach Belieben einen Schuss Schlagobers dazugeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. 7. Den Truthahn tranchieren, auf einer heißen Platte mit den Speckscheiben und der Fülle anrichten. Die Sauce extra servieren. Dazu passen Preiselbeeren und glasierte Maroni.

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Mettensuppe

Bratl von der Mettensau mit Paradeiskraut

Bamfleisch mit Semmelknödeln

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 2K Stunden

Zutaten für 6 Personen Zeitaufwand: 3 Stunden

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 45 Minuten

2 Markknochen 1 Bund gewürfeltes Suppengrün mit Karotte, Sellerie, ­Petersilwurzel und Lauch 1 Zwiebel 250 g Beinfleisch Saft und Schale von K Zitrone Salz, Pfeffer 1 TL Korianderkörner feine Suppennudeln 2 Paar Frankfurter Würstel 4 Weißwürste frischer Schnittlauch

1K kg Schweinsschopf ganzer Kümmel Beifuß 6 Knoblauchzehen Schweineschmalz 2 Zwiebeln 500 ml Rindsuppe Salz, Pfeffer 1 TL Mehl

400 g Dörrzwetschken 250 ml Zuckerwasser 2 EL Zitronensaft, 1 Stk. Zimtrinde 5–6 altbackene Semmeln, gewürfelt 1 fein gehackte Zwiebel, 1 Bd. Petersilie 1 EL Butter, ca. K l Milch, 1 Handvoll Grieß 2 Eier, Salz, etwas Mehl

Zubereitung 1. Suppengrün waschen, putzen und klein

schneiden. Zwiebel halbieren, aber nicht schälen. 2. Zwiebelhälften mit der angeschnittenen Fläche in einen großen Topf legen, Markknochen dazugeben und alles leicht anrösten. 3. Mit 5 Liter kaltem Wasser aufgießen, Fleisch und Selleriewürfel dazugeben. 4. Ohne Deckel etwa 2 Stunden köcheln lassen. In den letzten 15 Minuten das restliche Suppengemüse, etwas Zitronensaft und abgeriebene Zitronenschale sowie zerstoßene Korianderkörner, Salz und frisch gemahlenen Pfeffer dazugeben. 5. Markknochen, Fleisch und Suppenge­ müse aus der Suppe nehmen, erkalten lassen. 6. Sorgfältig das Fett abschöpfen, die Metten­suppe wieder erhitzen und in die heiße Suppe klein geschnittenes Fleisch, Gemüse, gekochte Suppennudeln sowie in Scheiben geschnittene Frankfurter und Weißwürste geben. Zugedeckt noch etwas ziehen lassen. Mit Schnittlauch bestreut servieren.

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Für das Paradeiskraut: 2 El Butter 1 Stk. Weißkraut (ca. 700 g), feinnudelig geschnitten 1 kleine Zwiebel, feinnudelig geschnitten 2 El Paradeismark 5 Paradeiser, geschält, entkernt und geviertelt ½ l Gemüsefond (oder Rindsuppe) Salz, Pfeffer, Zucker, gemahlener Kümmel Zubereitung 1. Beifuß und Knoblauch hacken und mit

Kümmel vermischen, den Schopf damit einreiben und eine Stunde rasten lassen. 2. Backrohr auf 220 ° Cvorheizen. Bratpfanne mit Schmalz befetten und den gewürzten Schweinsschopf mit der Speckseite nach unten hineinlegen. Zwiebeln schälen, grob schneiden und rund um das Fleisch legen. Suppe untergießen und im heißen Rohr etwa 30 Minuten braten. Braten wenden, Temperatur auf 150 °C reduzieren, immer wieder begießen, mit dem eigenen Saft glasieren und weitere 1,5 Stunden braten. 15 Minuten vor Ende der Garzeit die Temperatur wieder auf 220 °C erhöhen und den Braten ohne weiteres Übergießen knusprig braten. 3. Wenn der Braten fertig ist, herausnehmen und in Alufolie warm halten. Die Zwiebel entfernen, den Saft entfetten und mit Mehl stauben, durchrösten und mit etwas Wasser zu einer Sauce verkochen. Mit Salz und Pfeffer ab-

Zubereitung 1. Dörrzwetschken in Zuckerwasser mit Zit-

ronensaft und Zimtrinde weich kochen. 2. Für die Semmelknödel Zwiebel in heißer

Butter aufschäumen lassen, dann die gehackte Petersilie einrühren. Mischung noch heiß über die Semmelwürfel gießen. Im selben Röstpfandl ungefähr 1/8 l Milch auf Handwärme bringen und ebenfalls über die Würfel gießen. Nun Grieß, Eier und Salz beifügen und die Masse gut durchrühren. Zugedeckt ca. 10 Minuten ziehen lassen. 3. Mit nassen Händen Knödel formen und in Salzwasser sieden. Mit den Dörrzwetschken in tiefen Tellern servieren.

schmecken und rund um den aufgeschnittenen Schweinsbraten gießen. 4. Für das Paradeiskraut die Butter in einem Topf erwärmen, die Zwiebel anschwitzen, das Kraut dazugeben und etwas rösten. Das Paradeismark dazugeben und mitrösten. Mit dem Gemüsefond und dem Saft der Paradeiser (aufgefangen beim Entkernen der Paradeiser) aufgießen. Würzen und ca. 15 Minuten weich dünsten. Zum Schluss die geviertelten Paradeiser und etwas kalte Butter dazugeben. Mit Erdäpfel- oder Semmelknödeln servieren.


Pöllauer Sulz

Lesachtaler Blattlstock

Zutaten für 6–8 Portionen Zeitaufwand: 3–4 Stunden

Zutaten für 20–30 Portionen Zeitaufwand: 2 Stunden

200 g Karotten 100 g Gelbe Rüben 100 g Petersilwurzel 250 g gekochtes Rindfleisch 500 ml kräftige Rindsuppe Salz, Pfeffer Saft und Schale von K Zitrone etwas Zimt 14 Blatt Gelatine (25–30 g) etwas Öl eine Kastenform mit 1 Liter Inhalt

1K kg glattes Mehl 60 g Germ 150 g Zucker 750 ml Milch 1 EL Salz 150 g Butter 4 Eier 125 ml Rum Butterschmalz oder ein anderes Backfett zum Herausbacken

Zum Anrichten: Weißweinessig Kürbiskern- oder Sonnenblumenöl Salz, Pfeffer 1 Zwiebel, in Streifen geschnitten Vogerlsalat Zubereitung 1. Karotten und Rüben bissfest kochen und

kleinwürfelig schneiden. Weich gekoch­ tes Rindfleisch ebenfalls würfeln. 2. Rindsuppe mit Salz, Pfeffer und Zitronen­ saft kräftig abschmecken (sie verliert in gesulztem Zustand etwas an Würze) und mit abgeriebener Zitronenschale und einer Prise Zimt abschmecken. 3. Die Gelatine in etwas kaltem Wasser ein­ weichen, ausdrücken und einrühren. 4. Eine Kastenform oder Schüssel mit Öl ausstreichen und mit Klarsichtfolie aus­ legen. Fleisch- und Gemüsewürfel ver­ mischen und in die Kastenform geben, mit dem Sud übergießen und im Kühl­ schrank mehrere Stunden durchkühlen, bis die Sulz schön schnittfest ist. 5. Die Sulz vorsichtig stürzen, in Scheiben schneiden und mit einer Vinaigrette aus Essig und Öl anrichten, nach Belieben mit Zwiebel und Vogerlsalat garnieren.

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Für die Fülle: 400 ml Milch 200 g Zucker 500 g fein geriebener Mohn 60 g Butter 2 EL Honig 30 ml Rum 1 TL Zimt 1 Msp. Nelkenpulver abgeriebene Schale von 1 Zitrone 2–3 EL Ribisel- oder Schwarzbeermarmelade 150 g Butter zum Übergießen Zubereitung 1. Für den Teig Milch lauwarm erhitzen.

Das Mehl in eine Schüssel geben, ein Grübchen machen und die Germ hinein­ bröseln, diese mit 1 EL Zucker und ein wenig handwarmer Milch breiig anrüh­ ren, ein wenig Mehl darüberstreuen, zu­ decken und das Dampfl gehen lassen. 2. Butter in der restlichen Milch zergehen lassen, Zucker darin auflösen und nach kurzem Überkühlen die Eier und den Rum einrühren. Das Dampfl leicht unter das Mehl heben, salzen und die Milch­ mischung zugeben. 3. Den Teig mit der Küchenmaschine zu ei­ nem mittelfesten Germteig verkneten, bis er sich vom Rand löst und seidig glänzt. Zugedeckt etwa ½ Stunde gehen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat.

4. Aus dem Teig eine Rolle formen und diese

in sieben gleich große Stücke teilen. Je­ den Teil zu einer Kugel rollen, nochmals kurz gehen lassen. Jede Kugel zu einem „Stockblattl“ in Tortenformgröße aus­ walken, auf einem bemehlten Brett zugedeckt etwas rasten lassen und dann in heißem Butterschmalz schwimmend goldbraun backen. Herausnehmen und auf Küchenpapier abtropfen lassen. 5. Für die Fülle Milch mit Zucker aufkochen, die übrigen Zutaten einrühren und gut quellen lassen. Falls die Masse zu fest wird, kann man noch etwas Milch dazugeben. 6. Butter zerlassen. Das erste Stockblattl auf eine Platte legen, Fülle etwa 1 cm hoch darauf verstreichen, mit zerlassener, aber nicht brauner Butter leicht übergießen, dann das zweite Blattl dar­ auflegen, wieder mit Fülle bestreichen und mit Butter übergießen. So weiter­ machen, bis alle sieben Blätter überein­ anderliegen. Auf das letzte Blatt kommt nach der Mohnfülle besonders viel zer­ lassene Butter, sodass sie rundherum abrinnt und zu Tropfen erstarrt. 7. Im Ganzen servieren und dann in torten­ förmige Stücke teilen.


land & Leute

Musik, die aus dem Wald kommt

Ausgewählt, um im zweiten Leben Mozart und Vivaldi im Konzertsaal ­erklingen zu lassen: Diese Ehre wird nur wenigen Bäumen zuteil. Das ist die Geschichte einer 200 Jahre alten Tiroler ­Haselfichte und ihrer Verwandlung in ein Streichinstrument. Text: Tobias micke Fotos: philipp horak

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Bildhauer Kassian Erhart mit Schneeschuhen auf dem Weg zu „seiner“ Haselfichte im hinteren Pitztal unterhalb des Mittagskogels.

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Haselfichten-Experte Kassian Erhart erahnt schon an der ungewöhnlich zerklüfteten Rinde einer Fichte, ob sie „haselig“ ist. Einigermaßen Gewissheit verschafft aber erst ein kleines „Fenster“, das mit dem Messer durch Rinde und Kambium bis zum eigentlichen Stamm geöffnet wird (rechts). Darunter: Wenn Waldaufseher Elmar Haid der Schlägerung ­zustimmt, wird mit dem HerzerlWaldhammer von St. Leonhard ein „Flitsch“ weggeschnitten und das Zeichen der Gemeinde in den Stamm geschlagen. Nur so ist der Baum ­korrekt markiert und freigegeben.

E

in Spinner bin ich und ein Queru­ lant“, sagt Kassian Erhart. Er sagt es mit einem Augenzwinkern. Und dennoch klingt es wie eine Entschuldigung. Eine Entschul­ digung dafür, dass er oft Dinge tut, die keinen sofort erkennbaren Sinn haben, sich nicht in einem kurzen Satz begründen lassen und schon gar nicht in irgendeine sprichwörtliche Schublade passen. In diesem Augenblick zum Beispiel stapft Kassian mit ein paar Freunden auf Schnee­ schuhen im hintersten Pitztal durch ein Fichtenwäldchen unterhalb des Mittags­ kogels und sucht eine Baumart, die es eigent­ lich nicht gibt. Es geht auf Mittag zu, hier, wo das Tasch­ achtal und das Griestal in 1.750 Meter Höhe auf Mittelberg, den letzten der 48 Weiler der Gemeinde St. Leonhard, münden. So glit­ zert jetzt auch in den entlegenen Winkeln der frische Schneeflaum der Vornacht im fast senkrecht einfallenden Sonnenlicht. Mächtige, langsam wachsende bäume

Ein Traumwetter hat’s, dass man Ski fahren gehen möcht oder auch nur faulenzen, warm eingekuschelt draußen auf der Son­ nenterrasse. Aber Kassian hat heute nur Augen für diesen seltsamen Baum, den auch im 21. Jahrhundert kein Botaniker so recht zu erklären weiß und dessen begehrtes Holz doch seit Jahrhunderten den feinsten Violinen, Violas und Violoncelli der Welt ihre Stimme verleiht. Kassian Erhart ist Bildhauer. In seiner Werkstatt in Piller, in einem ruhigen Seiten­ arm des Pitztals, schafft er Skulpturen aus Stein, Metall und Holz – mit einer besonde­ ren Vorliebe für Klingendes und Klappern­ des. Auf seinen fast täglichen Wanderungen

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Der mehr als 200 Jahre alte Riese fällt. „Bis die Vögel wieder singen“, sagt Kassian, wird die prächtige Haselfichte nun hier an der Mündung des Taschachtals das Ende des Schnees abwarten.

durch die Wälder sucht, untersucht und entdeckt der 65-Jährige mit allen Sinnen. Tierspuren, die Geschichten erzählen, märchenhaft verdrehte Wurzeln, ungewöhnlich geformte Steine, Orte mit urzeit­ licher Ausstrahlung und eben auffällige Baumformationen. So ist auch Kassians „G’spür“ für die Haselfichte mehr als nur ein schlichtes Begutachten von Rindenstrukturen und Eingrenzen vielversprechender Standorte. Mitten im tief verschneiten Wald sind wir jetzt. Nur selten findet hier die Sonne ihren Weg durch die eng stehenden Baumwipfel. Der kleine Expeditionstrupp verschnauft ein wenig: Kassian Erhart, der vorweg gestapft ist, dahinter Waldaufseher Elmar Haid, Mikro­­biologin Helene Keller und Geigenbauerin Claudia Unterkofler aus Innsbruck. Den Spuren im Altschnee unter den Bäumen nach zu schließen sagen sich hier nicht nur Fuchs und Hase Gute Nacht, sondern auch Rehe, Hirsche und jede Menge Eichhörnchen.

Rundum stehen Fichten, so weit das Auge reicht. Mächtige, in dieser Höhe sehr langsam gewachsene Bäume, manche gut und gerne aus der Zeit Andreas Hofers, vor 200, 250 Jahren, wie Waldaufseher Elmar schätzt. Und zu ihren Wurzeln die kleinen Unterdrückten, die sogenannten Unter­ ständer, die begierig aus dem kargen Boden holen, was die großen übrig lassen. Jeder Baum ein faszinierendes biotop

Ungewöhnlich weit hinunter ragt das Astwerk vieler dieser Fichten, sodass ein Vorankommen mit den Schneeschuhen beschwerlich ist. Die zauseligen grünen Haare unzähliger Baumbärte flattern überall im Wind. Biologin Helene ist fasziniert: „Jeder dieser Bäume ist ein Biotop. Allein diese Fichte hier beherbergt sicher 20 Arten von Flechten und Moosen.“ Unterdessen hat Kassian den Baum gefunden, den er gesucht hat. Ganz aufgeregt ist er, als er das gut 20 Meter lange Exem­

plar von Elmar begutachten lässt, der einer Schlägerung erst zustimmen muss. Denn wir befinden uns mitten im Lawinenschutzwald oberhalb der Häuser von Mittelberg. Vor Wochen hatte der Tipp einer guten Freundin Kassian auf der Suche nach schönen Haselfichten hierhergeführt. Vorsichtig hatte er mit dem Messer ein kleines Fenster in der Rinde dieses Baums geöffnet, um sich zusätzlich zu seinem Bauchgefühl ein wenig Gewissheit zu verschaffen. Und was er dort fand, ließ sein Herz höherschlagen. Unter Rinde und Kambium, dort, wo der Baum eigentlich hart und glatt sein sollte, zeigte das Fichtenholz eine seltsame Struktur: schmale Dellen, längliche kleine Krater, Furchen, die bei einem flüchtigen Blick so aussehen wie oberflächliche Wurmgänge. Betrachtet man die Jahresringe im Querschnitt eines solchen Stamms genauer, sieht man, dass sich die Furchen und Dellen als mit­gewachsene Zacken und Zinnen nach innen fortsetzen. Die sonst so ebenmäßigen ➻

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Nach der Begutachtung der weggebrochenen Holzstücke strahlt Kassian wie bei der Bescherung: Heute hat er eine Haselfichte vom Feinsten gefunden.

eng stehenden Ringe der Gebirgsfichte ­tanzen um bis zu einen Millimeter aus der Reihe, und das über einen Zeitraum von oft 20 oder mehr Jahren. Fachleute wie Claudia Unterkofler, die sich mit diesem Holz intensiv beschäftigen, sprechen von einer zusätzlichen Verzahnung oder gar von einer natürlichen Verschraubung der Fasern, die die Eigenschaften der ohnehin schon wunderbar als Klangholz für Instrumente geeigneten Fichte noch ­ver­feinern. Findet man also diese außergewöhnlichen Merkmale, dann spricht man von e­ iner Haselfichte. Schon vor vielen Jahrhunderten wurde dieses spezielle Holz von Koryphäen wie Amati, Guarneri und Stradivari, aber auch um 1650 von Tirols großem Geigenbauer, dem Absamer Jakob Stainer, eingesetzt. Trotzdem weiß man bis heute nur, dass Haselfichten keine eigene Unterart sind, sich nicht züchten lassen und in Gebirgswäldern über 1.000 Meter vorkommen. Außerdem

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Koryphäen wie ­Amati, Guarneri und Stradivari setzten dieses holz ein, aber auch Tirols groSSer Geigenbauer Jakob Stainer um 1650.

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treten die besonderen Zacken im Holz meist erst im Laufe ihres Lebens in Erscheinung. Die Vermutung liegt nahe, dass das ­„Haseln“ mit den Wachstumsbedingungen rund um den Baum zusammenhängt. Aber stürmi­sches Bergwetter, das die Bäume zu „Verstärkungsmaßnahmen“ treiben könnte, kann es allein nicht sein, erklärt Elmar Haid, sonst wären die Bäume allesamt durch die Belastung in sich verdreht. – Und daher für

Streichinstrumente ungeeignet, ergänzt Claudia Unterkofler. So ist die Haselfichte einfach eine äußerst wohlklingende Laune der Natur, deren besonderes Muster ein ­erkennbares Qualitätsmerkmal ist. Waldhammer, Flitsch und Blabl

Elmar hat Kassians Fichte nun begutachtet, Baumart, ungefähren Standort und Stammdurchmesser notiert und seinen traditionellen Waldhammer aus der Lederhülle geholt. In etwa einem Meter Höhe entfernt er mit der Schneid vorsichtig einen sogenannten Flitsch und gibt dem Baum an der freigelegten Stelle mit dem Blabl, einem Stück blauer Försterkreide, eine Nummer. Dann legt er ganz unten am Stamm, dort, wo nach dem Schneiden der Baumstumpf zurückbleiben wird, abermals eine Stelle frei, dreht den Waldhammer um und stanzt mit der speziell angefertigten ­Kehrseite des Werkzeugs ein kleines Herz ins Holz.


Links: Schon an einem kleinen, schräg aufgespaltenen Stück kann man die Holzstruktur gut erkennen – außen die Rinde, darunter die weiß­ liche Wachstumszone des Baums (das Kambium) und die haselige Struktur des Stammholzes. Geigenbauerin Claudia Unterkofler ist von dem Fund mit seinen un­ gewöhnlichen Zacken und Zinnen ­begeistert. Ganz unten: Durch ­vorsichtiges Spalten eines Holzkeils entstehen die zwei rohen Klangholz­ decken einer Bratsche. Ein auf diese Weise gespaltenes (nicht geschnit­ tenes) Holz weist ausgesprochen wenig Spannungen auf.

„St. Leonhard hat das Herz als Zeichen“, erklärt der Waldaufseher, „unsere Nachbargemeinde Jerzens zum Beispiel verwendet ein Kleeblatt.“ So ist auf einfache Art sichergestellt, dass keine Wild- oder Fremdschlägerungen unentdeckt bleiben. Auf 200 Jahre schätzt Elmar den Baum. Wenn das stimmt, dann hätte er als junger Spross noch Napoleon und den Wiener ­Kongress um 1814 miterlebt. Für uns Menschen eine unvorstellbare Lebensspanne. Und wenn man so grübelt, ist es doch schad’ um dieses Fichtenprachtstück, das – wie Kassian anerkennend sagt – „pfeilzegrad“ in den blauen Pitztaler Himmel ragt. Brennholz oder Klangholz?

Aber selbst Waldhüter Elmar meint: „Der Alte soll Platz machen und Licht schaffen für die Jungen. Es bringt ja auch nichts, einen starken und gesunden Baum so lang stehen zu lassen, bis er nicht mehr verwendet werden kann.“ – Besonders, wenn man aus seinem Holz die wunderbarsten Violinen und Celli machen könnte … So ist die Fichte für Kassian und Geigenbauerin Claudia zu diesem Zeitpunkt wie eine Schatztruhe, die ihren wahren, inneren Wert noch immer nicht preisgegeben hat. Denn erst, wenn der Baum gefällt ist, wenn man Anzahl, Länge und Intensität der Haselungen im verwertbaren, astfreien Bereich des Stamms sowie Gleichmäßigkeit und Dichte der Jahresringe begutachten kann, erst dann entscheidet es sich: feinstes Klangholz oder doch nur Brennholz. „Bockg’frorn!“, schimpft Kassian, als er die Säge zum Herausschneiden des Vorkeils ansetzt. Und noch ein paar andere kräftige pitztalerische Ausdrücke rutschen Elmar und ihm heraus, als sie die Hilfskeile ins völlig vereiste Holz treiben, damit der Baum die richtige Richtung nimmt. ➻

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Die instrumenten-decke aus pitztaler haselfichten-holz ist die seele dieser viola. viele stunden sitzt geigenbauerin Claudia daran und hobelt feinste holzlĂśckchen ab.

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Eines der F-Löcher der künftigen Barockbratsche hat Claudia bereits grob ausgeschnitten. Die mit Bleistift vermerkten Ziffern zeigen der Kunsthandwerkerin die jeweilige Dicke des Klangholzes in Millimetern an und geben ihr ein Gefühl, wo noch Hobelarbeit nötig ist. Nur einer, der weiß, wonach er sucht, kann erkennen, dass dieses Stück Holz aus zwei Teilen besteht und der Länge nach (entlang der mittigen „47er-Linie“) eine geleimte Fuge aufweist.

Dann fällt die Fichte. Als Kassian sich zu seinen Begleitern umdreht, die mit siche­ rem Abstand gewartet haben, hat er ein Funkeln in den Augen wie bei der Besche­ rung. 210, vielleicht 220 Jahre ist der Baum alt, soviel hat Waldaufseher Elmar bereits nachgerechnet. Und was man zudem noch sieht: Etwa bis zu seinem 80. Lebensjahr stand er im dichten Wald, dann bekam er – vermutlich durch Schlägerungen in der Um­ gebung oder durch irgendein Naturereignis – ganz plötzlich Licht. Schlafen lassen, bis die Vögel singen

Der folgende Wachstumsschub machte die Fichte dann quasi zum Platzhirsch, hier an ihrem Standort neben dem moosbewach­ senen Felsen. Und: Der Baum ist durch und durch haselig, das schönste Exemplar, das Kassian je gefunden hat. „Jetzt lassen wir ihn schlafen, bis die Vögel wieder singen“, sagt er zufrieden, packt das Werkzeug in seinen Rucksack und streift seine Schneeschuhe über. Erst in ein paar Monaten, wenn der Schnee geschmol­ zen ist, kann das Prachtstück portioniert und aus dem unwegsamen Gelände ins Tal abtransportiert werden. Im Winter geschlagen, wenn der Lebens­ saft in den Wurzeln steckt, und entgegen sonstigen Gepflogenheiten ausnahmsweise nicht bei Neumond, sondern kurz vor Voll­ mond. So soll es der italienische Geigenbau­ meister Antonio Stradivari aus Cremona an­ geblich bevorzugt haben, wenn er und seine Gehilfen um 1680 in den Bergwäldern des Südtiroler Fleimstals nach ganz besonde­ rem Klangholz suchten. In aller Ruhe trocknen und viele Jahre reifen wird dieses Holz. Dann kommen die schönsten, mit einem römischen Schinde­l­ eisen erzeugten Keile in der Instrumenten­ werkstatt von Claudia Unterkofler unter ➻

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An Claudias Werkstattwand hängen Arbeitsvorlagen und Schablonen ihrer großen Vorbilder (rechts). Darunter: Mit einem kleinen, scharfen Wölbungshobel wird Holzspan um Holzspan ­„weggekratzelet“. Und mit einer Ziehklinge werden die Ränder des eigenwilligen Holzes geglättet. Ganz unten: Claudia Unterkofler beim Aussägen des zweiten F-Lochs in der Instrumentendecke. Ruhige Hände und ein gutes Auge sind bei all diesen Arbeiten unerlässlich.

die Raubank, wie der große Holzhobel in der Fachsprache heißt. Seit vier Jahren verwendet die 34-jäh­ rige gebürtige Telfserin Kassians Hasel­ fichtenholz aus dem Pitztal für ihre Instrumente. Aber das Finden, Begutachten und Ernten eines „Geigenbaums“ war für die Kunsthandwerkerin auch ein völlig neues Erlebnis. In ihrer Innsbrucker Werkstatt in der Karmelitergasse arbeitet sie gerade an einer Barockviola, die von einem Tiroler Konzertbratschisten in Auftrag gegeben wurde. Aus geflammtem Ahorn werden Boden, Zargen (Seitenwände), Hals und Schnecke gefertigt, das Griffbrett aus Ebenholzfurnier. Nur die sogenannte Decke, in die Claudia gerade mit ruhiger Hand und einer Laubsäge die F-Löcher schneidet, ist aus zwei wenige Millimeter starken, mittig zusammengefügten Haselfichtenbrettern. Schillernde holz- und Markstrahlen

Um diese beiden Teile zu erlangen, wird ­einer der etwa zehn Zentimeter dicken Holzkeile, die Claudia von Kassian aus dem Pitztal bekommt, nochmals vorsichtig der Länge nach gespalten Auf diese Weise kann sich das Holz möglichst spannungsfrei seiner gewachsenen Natur nach teilen. Nur so kommt später auch die schillernde Struktur der Holz- und Markstrahlen am Instrument zur Geltung, die der Baum im Leben benötigt, um Nährstoffe aus seinem Innersten heraus bis zur Rinde zu transportieren. Aufgeklappt und entlang der Jahresringe verleimt, ergeben die zwei Teile die Roh­ decke einer Viola, die nun nach Gefühl und Gehör mit verschiedenen Hohlstemmeisen, Wölbungshobeln und letztlich mit der feinen Ziehklinge in Form gebracht wird. Diese Fichtenholzdecke ist gewisser­ maßen die Seele des Instruments. Viele ➻

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