Servus in Stadt & Land Deutschland 11/13

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11 /2013 &

in Stadt & Land

Aus Liebe zur Tracht Eibe  & engelwurz & Rosenkohl &  Deko aus Hagebutten  & Schlaue Raben  &  omas kochbuch: verheiratete

Brauchtum im Kandertal

2

E i nfac h

.

Gut .

Leben

Gezuckertes Land

Von der Magie des Raureifs

2

november 11/2013

EUR 3,90

süsser die

Sterne nie duften

plätzchen-rezepte mit tradition

Schwäbischer Bürstenbinder

&

Der Pferdesattler von Loßburg

&

Bühler Zwetschgenschnaps

>


18

50

28

November

Natur & Garten 12 Gezuckertes Land

Raureif ist ein Schauspiel der Natur, das Wissenschaftler und Schöngeister gleichermaßen fasziniert.

20 Herbstlicher Zauberwald In einem Garten im niederbayerischen Ruhstorf wachsen Bäume in ­allen Farben und Formen.

28 Immergrün & mythenreich

Wie die Eibe uns Menschen begleitet.

36 Kein Strauch ohne Feuer

Über die feurigsten Herbststräucher und den Sinn bunter Laubfarben.

122 Helle Köpfe

Der Rabe verblüfft mit seiner beinahe menschlichen Intelligenz und seinem Hang zum Tricksen.

6 Servus

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Küche 46 Röschen für Röschen

Der eleganteste Spross der Gemüsefamilie Kohl ist ein Vitaminwunder.

50 Herzhaftes Kraut

Selbst Dichterfürsten huldigten dem Sauerkraut. Wir servieren fünf saftigknackige Spezialitäten.

60 Edle Bühlerin

Ursula Baßler aus dem Achertal macht feinsten Zwetschgenbrand.

68 Es duftet schon

Mond und Sterne versüßen als Plätzchen das Warten aufs Christkind.

74 Heiße Leidenschaft In der kalten Jahreszeit erwärmt

der Bratapfel Leib und Seele.

Wohnen 64 Tee liegt in der Luft

Frisch am Fensterbrett, getrocknet überm Ofen und gebrüht in der Tasse: Mit Tee lässt es sich jetzt gut leben.

78 Ritterhof suchte Retter

Die Arndts aus dem Kirnbachtal und ihr Schwarzwaldhaus haben ­ sich gesucht – und gefunden.

84 Fundstück

Aus Omas Kristallgläsern werden kunstvolle Kerzenleuchter.

86 Runde Resteflechterei

Hübsche Untersetzer aus Stoffstreifen fürs Tee­kränzchen.

88 Feurige Früchtchen

Hagebutten verschönern jetzt als Dekoration unser Zuhause.

zusatzfotos cover: Günther bayerl, getty images

Inhalt2013


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fotos inhalt: katharina gossow, mirco taliercio, peter podpera, eisenhut & Mayer, gap gardens, getty images

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Standards 68

Land & Leute 94 Eine saubere Sache

Annette und Joachim Reinke binden im Nordschwarzwald Besen nach alter Tradition.

112 Edles Geschirr Sattlermeister Albrecht Mönch

fertigt in Loßburg in reiner Hand- arbeit Pferdegeschirre nach Maß.

Brauchtum 98 Aus Liebe zur Markgräfler Tracht

Fred und Saskia Wehrle retten das Traditionsgewand im Kandertal vor dem Vergessen.

104 Daheim unter den Wölfen War einst das letzte Stück Vieh im Stall, zogen die Hirten von Hof zu Hof und forderten ihren Lohn. Ein Brauch, der im niederbayerischen Widdersdorf bis heute lebendig ist.

118 Zwoa Brettln

Ein Kern von der Esche, eine Oberfläche aus Kirsch- und Apfelbaumholz. Florian Schwarz aus ­Hechendorf baut schnittige Ski und erprobt sie am eigenen Leib.

128 Im Felsengarten

Raues Land mit herzlichen ­Menschen. Wir sind zu Gast im ­oberfränkischen Sechsämterland.

5 Vorwort 8 Briefkasten, Regionale Ortsnamen 9 Mundart: Plätzchen 10 Servus daheim 18 Basteln mit Kindern: Beerenleiter 26 Schönes für draußen 34 Der Garten-Philosoph 40 Natur-Apotheke: Engelwurz 42 Unser Garten, Mondkalender 58 Omas Kochbuch:

Verheiratete

76 Schönes für die Küche 92 Schönes für drinnen 108 Michael Köhlmeier:

Wirbelwindhexe

148 Peter Gruber: Die Fabel von den letzten Augenblicken 152 ServusTV: Sehenswertes im November 156 Feste, Märkte, Veranstaltungen 158 Leben in alten Zeiten: Schlachttag 162 Impressum, Ausblick Titelfoto: Eisenhut & Mayer

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Regionale Wortschätze

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Mundart Von Wilhelm Karl König

Plätzchen

Sie gehören seit Generationen zu Weihnachten. Der warme Duft von Lebkuchenteig und Pfefferkuchen, von Zimt, Ingwer, Honig und kandierten Früchten steigt durchs Haus, die Familie rückt zusammen, Rezepte werden überliefert und verfeinert. Kinder säubern mit blanken Fingern Töpfe, Schalen, Formen und naschen sich den Magen schwer. Aber woher kommt eigentlich das Wort „Plätzchen“? Vermutlich von platea (lat. für freier Platz). Vor 500 Jahren sagte man dann bei uns platz zu flachen Kuchen oder Fladen. Auch Breedla und verwandte Begriffe beziehen sich auf die Form, Guadsla und ähnliche Wörter natürlich auf den köstlichen Geschmack.

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Guadsla

Freudenstadt, Nordschwarzwald

Gutselei

Kißlegg, Westallgäu

Brötlein

Blaustein, Alb-Donau-Kreis

Brötli

illustration: andreas posselt

Münstertal, Hochschwarzwald

Ausschdecharla Göppingen, Region Stuttgart

Plätzle

Albertla

Rickenbach, Hotzenwald, Schwarzwald

Nürtingen, Landkreis Esslingen am Neckar

Bletzli

Breedla Ulm, Alb-Donau-Kreis

Bopfingen, Ostalpkreis

Schbrengarla

Welzheim, Schwäbisch-Fränkische Waldberge, Schurwald

Butterrengla

Hutzelbrot Stuttgart

Backnang, Rems-Murr-Kreis

Servus  9


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Foto: Eisenhut & Mayer

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EINFACH. GUT. LEBEN.


Naturwunder

Gezuckertes Land

Wie das Kunstwerk eines Konditors legt sich Raureif übers Land und kündet vom nahen Winter. Ein Schauspiel der Natur, das Wissenschaftler und Schöngeister gleichermaßen fasziniert. Text: tobias micke

12 Servus


foto: getty images

Raureif an einem frostigen Novembermorgen an den Ufern der Loisach im Oberland.

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Raureif ist die Mozartmusik des Winters, gespielt bei atemloser stille der natur. Garten-Philosoph Karl Foerster (1874–1970)

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14 Servus


An den Ufern dieses Bächleins bei Freiburg im Breisgau kann man gut die feinen Temperaturunterschiede sehen: Wo die Sonne auf die kleine Böschung fällt, hat sich der Reif aufgelöst. Im Schatten der Büsche hält er sich bis in den Nachmittag.

E

s war einmal ein Zuckerbäcker. Ge­ nauer gesagt handelte es sich eigentlich um einen Zuckerbäckergesellen, der hatte von seinem Meister kurz vor Feierabend den Auftrag bekommen, bis zum nächsten Morgen ein Dutzend Torten für eine große Hochzeitsgesellschaft mit Zuckerguss zu verzieren. So vertieft war der Geselle in seine Ar­ beit und so begeistert von den süßen Kunst­ werken, die er da – eines schöner als das andere – schuf, dass er nicht bei der zwölf­ ten und letzten Torte haltmachte, sondern sein Verzieren bei allen Broten, sämtlichen Kuchen, Semmeln und Krapfen in der Back­ stube fortsetzte. Ja, sogar alle Backwerkzeuge und Ge­ fäße, selbst den Ofen, die Gewürz- und Holzladen und die Mehltruhe verzierte er mit Zuckerguss. Als am nächsten Morgen der Zucker­ bäckermeister die Backstube betrat, geriet er derart in Wut über den nichtsnutzigen Lehrling, der all den kostbaren Zucker und sämtliche Eier auf diese Weise verschwen­ det hatte, dass er ihn kurzerhand vor die Tür setzte. So einen Träumer konnte er nicht gebrauchen.

foto: getty images

mit frau holles feinstem pinsel

Hängenden Hauptes schlurfte der geschol­ tene Bursche in seiner mehligen Schürze und den Backstubenpantoffeln die Dorf­ straße hinunter. Da wurde Frau Holle, die gerade aus ihrem Wolkenfenster schaute, auf ihn aufmerksam. Sie war gerade dabei, die Federbetten herzurichten für das erste große Ausschüt­ teln des kommenden Winters. Und der über­eifrige Zuckerbäckergeselle kam ihr gerade recht. Denn der Übergang vom Herbst zum Winter, von der lauen zur kalten Jahreszeit, der ging ihr einfach noch zu schnell, zu ruckartig vonstatten. Es brauchte auch eindeutig etwas mehr Dramaturgie als nur bunte, herabwirbelnde Blätter, unmittelbar gefolgt vom weißen, breiten Pinselstrich des Winters. Also ließ sie den verstoßenen Zuckerbäckergesellen mit ihrem feinsten Küchenpinsel ans Werk gehen. Der freute sich sehr, denn jetzt konn­ te er sich endlich so richtig austoben. Glücklich wirbelte er in nur einer kalten, klaren Novembernacht über ein Dutzend Landstriche hinweg und verpasste allem, was da stand und lag und hing, ganz wie zuvor in der Backstube, eine zuckerweiße, federfeine Glasur. ➻

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Am schlichten hölzernen Gipfelkreuz des Großen Arber (1.456 m) im Nationalpark Bayerischer Wald sorgt Raufrost für diesen spektakulären Schmuck.

Was staunten da die Menschen – ganz besonders die Menschenkinder –, als die Sonne Wiese, Wald und Flur am nächsten Morgen wie in einem spitzenbesetzten weißen Festkleid erstrahlen ließ! So kommt es, dass es nun jedes Jahr im Spätherbst, wenn eine ganz besondere Wetterlage herrscht, so aussieht, als wäre ein übermütiger Zuckerbäcker über das Land gehuscht – weil es vermutlich genau so ist. Wie bei so vielen Dingen, die es in der Märchen- und Sagenwelt gibt und in der sogenannten wirklichen Welt ebenfalls, hat die Wissenschaft dazu auch eine andere, mindestens so interessante Erklärung parat: Raureif und Raufrost nennen Meteorologen wie Thomas Rinderer vom mitteleuropäischen Wetterdienst Ubimet zwei Phänomene, die den oben erwähnten „Zuckerguss“ über die Herbstlandschaft verteilen. Und sie tun dies auf sehr unterschiedliche Art. vom Märchen zur wissenschaft

Drei ungleiche Geschwister Der Raureif: Diese „Eiskristalle, mit dem feinen Pinsel aufgetragen“ (Bild) entstehen, wenn es nachts bei klarem Himmel und hoher Luftfeuchtigkeit stark abkühlt. Die Kristalle wachsen auf allen Seiten von Blatt und Zweig. Der Raufrost: Seine Gebilde scheinen den Regeln der Schwerkraft zu trotzen. Sie können bis zu 20 cm waagrecht und einseitig von Gegenständen ab­ stehen und bilden sich, wenn Nebeltröpfchen bei Wind und großer Kälte auf kalte Objekte treffen. Der Eisregen: Er ist der gefährlichste der drei. Wenn Regen aus einer Warmfront in aus­ gekühlten Tälern niedergeht, dann verwandelt er sich an durchgefrorenen Oberflächen zu schwerem, spiegelglattem Eis, das auch starke Äste brechen lässt.

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Raureif, das ist für ihn „der Zauberhafte“, sagt Thomas Rinderer. Mit ihm darf man rechnen, wenn es abends nach Einbruch der Dunkelheit schon Temperaturen um den Gefrierpunkt hat und die Sterne von einem klaren Himmel funkeln. Das sind die besten Voraussetzungen dafür, dass es später in der Nacht noch so richtig abkühlt auf minus sechs bis acht Grad oder sogar darunter. Wenn dann noch hohe Luftfeuchtigkeit von mehr als 90 Prozent, insbesondere im Umfeld von Seen und Flüssen, und vielleicht noch ein klein wenig Wind hinzukommen, dann geht die hohe Luftfeuchtigkeit direkt in Eiskristalle über (vom gasförmigen Zustand zum festen; man spricht dann von „Resublimieren“) und legt sich von allen Seiten in schönen Kristallen an Blättern und Halmen, an Zweigen, Ästen und Zäunen an. Im Gegensatz dazu kommt der sogenannte Raufrost – Thomas Rinderer nennt ihn „den Beeindruckenden“ – nur einseitig an Ästen, Bäumen, Stromleitungen und auch an Gipfelkreuzen vor, dafür aber oft mit bis zu 20 cm dicken, kunstvollen Eis­ gebilden. Für die Entstehung von Raufrost braucht es neben Minusgraden hartnäckigen Nebel, gepaart mit Wind. Der Raufrost tritt zum Beispiel gerne bei sogenannten Inversionswetterlagen auf; wenn es also am Berg, womöglich über mehrere Tage, strahlend schön ist und sich das Tal in bescheidene graue Schleier hüllt. Dann ist es dort unten oft auch ausgesprochen kalt. Unterkühlte, winzige Wasser- ➻


fotos: mauritius images, your photo today, imago

Wie ein Hauch von Puderzucker hat sich der Reif über Nacht auf Wiesen und Felder rund um die Wallfahrtskirche Schönenberg bei Ellwangen in der Schwäbischen Ostalb gelegt.

tröpfchen treffen – vom Wind in eine spezielle Richtung geblasen – auf kalte Gegenstände und frieren dort an. Und die sich anlagernden Eiskristalle wachsen an diesen Objekten quasi dem Wind entgegen. Thomas Rinderer, der in München Meteo­rologie und Physische Geographie studiert hat, erinnert sich noch gern an einen besonders schönen Kindheitsspaziergang im Vorarlberger Großen Walsertal: „Damals war ich mit meiner Mama quasi über den Wolken im Bereich der Tälispitze unterwegs. Auf dem Weg durch den Talnebel, das weiß ich noch, erhielt nicht nur alles um uns herum einen frostigen Zuckerguss, ich bekam auch weiße Haare, weil sich auch diese so stark abgekühlt hatten, dass sich Raufrost bilden konnte.“ Der zauberhafte Raureif und der eindrucksvolle Raufrost haben einen gefährlichen Verwandten, den Eisregen. Dieser entsteht verhältnismäßig oft im Donauraum um Regensburg in der Oberpfalz, am Fuße des Bayerischen Waldes, erklärt Thomas Rinderer. Wenn Schönwetter am Berg und kalte Nebelluft im Tal von einer feuchten Warmfront überrumpelt werden, kommt

der Niederschlag in Form von unterkühlten Regentropfen am Boden an, wo er an durch­gefrorenen Oberflächen zu blankem Eis gefriert. Das kann zu Eispanzern an Bäumen und Stromleitungen führen, die selbst einen harmlosen Waldspaziergang gefährlich machen. Stattliche Bäume können unter einer solchen Last brechen. das geheimnis der schneesterne

Ebenfalls um die Bäume sorgte sich einst Freiherr Sigmund Friedrich Löffelholz von Kolberg, als er 1832 einen Artikel für die Oktober-Ausgabe der „Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung“ verfasste (nachzulesen in der Bayerischen Staatsbibliothek in München). Unter dem Titel „Einige­Worte über den Duftanhang“ (Anm.: ein altes Wort für Raureif) schrieb er: Die Nebeltheilchen gefrieren und legen sich als feiner Staub, häufiger federartig krystallisiert an die Körper an. Der letzte Umstand deutet auf Elektrizität hin, welche bei der Bildung dieses Nebelreifes statt findet. Die Krystallformen sind verschieden, je nachdem die Körper, auf welche der Reif sich ansetzt, ein guter oder schlechter Leiter der Elektrizität ist. Unter die guten Leiter gehören die

Bäume, und es hängt sich an ihre Zweige der Duft oft in solcher Gestalt, dass die Stämme gebogen und zerbrochen werden …“ Der fränkische Freiherr war als „Forstmann“ sicher ein guter Naturbeobachter, doch ließ er sich 1832, zu einer Zeit, als elektrischer Strom für den Durchschnittsbürger noch etwas Magisches hatte, zu dieser abenteuerlichen Vermutung über Bäume und elektrische Leiter hinreißen. Erst fünf Jahre nach diesem Text begann Samuel Morse sein elektrisches Telegrafiesystem zu entwickeln, und von elektrischer Straßenbeleuchtung war man noch weit entfernt. Die „wundersame Elektrizität“ kann man aber trotzdem bei der Bildung von Eiskristallen ins Spiel bringen, nämlich bei der Ent­stehung ihrer märchenhaft schönen Sternengeometrie, die auch dem Raureif seinen Reiz verleiht: Sie ist der besonderen Form des Wasserteilchens geschuldet. Denn als sogenanntes Dipolmolekül kann es sich wegen seiner speziellen elektrischen Eigenschaften nur zu Kristallen mit 60- oder 120-GradWinkeln verbinden. Etwas in der Art könnte Freiherr Löffelholz geahnt haben … 3

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gesund & schön

Tee liegt in der Luft

Frisch am Fensterbrett, getrocknet überm Ofen und natürlich abgebrüht in der Tasse. Mit Tee können wir es uns gerade jetzt im Spätherbst hübsch einrichten und auch sonst gut gehen lassen. Redaktion: Alice Fernau Fotos: Alexi pelekanos Styling: markus Jagersberger


Einfach hängen lassen Linke Seite: Mit bunten Bändern haben wir Ringelblumen, Zitronenmelisse, Schafgarbe und Herzgespann zusammengebunden und mit Strick an einem alten, schmiedeeisernen Wurstkranz überm Kachelofen aufgehängt. Angenehmer Nebeneffekt der schönen Inszenierung: Der Duft der Kräuter schafft ein wunderbares Raumklima.

Heilkraft aus dem Kessel Foto links: Ein alter Wasserkessel und Omas ausgedientes Service beherbergen Majoran, Pfefferminze, Quendel, Zitronenmelisse und Salbei. Die Kräuter können übrigens auch frisch aufgegossen werden.

Vielfalt für alle Sinne Foto unten: Das Farbspektrum unserer Kräuteraufgüsse reicht von Blau (Käsepappel bzw. Malvenblüten) über Rot (Hibiskus), Grün (Brennnessel), Gelb (Ringelblume) und Braun (Hagebutte). In diesem Sinne haben wir auch das Porzellan auf dem Flohmarkt besorgt und bunt gemischt. Und auch ein paar Kräuter haben wir aus­gestreut – als außergewöhnliche Tischdeko für einen gemütlichen Teenachmittag.

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plätzchenRezepte

Es duftet schon

In der Küche gehen die Sterne auf. Und auf die Kipferl rieselt der Puderzucker. So mancher badische Spitzbub stibitzt sich ein Springerle. Freuet euch, Weihnacht kommt bald. redaktion: Martina Meuth, alexander rieder Fotos: eisenhut & Mayer

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Himbeersterne Zutaten für 40 Stück Zeitaufwand: 1K Stunden (plus 1 Stunde Ruhezeit für den Teig) 300 g glattes Mehl 100 g geschälte, gemahlene Mandeln 200 g kalte Butterwürfel 1 Prise Salz 100 g Feinkristallzucker Mark von 1 Vanilleschote ½ TL abgeriebene Orangenschale 2 Eigelb 150 g Himbeermarmelade Puderzucker zum Bestäuben

Zubereitung 1. Mehl mit Mandeln auf eine Arbeitsfläche häufen und in der Mitte eine Mulde formen. Butter und Salz in die Mulde geben. 2. Mit den Fingern 3 EL Zucker mit Vanillemark und Orangenschale zerreiben und mit dem restlichen Zucker und den Eigelb in die Mehlmulde geben. Alles mit den Fingern flott zerbröseln und möglichst rasch zu einem glatten Mürbteig ver­ kneten. Den Teig in Frischhaltefolie wickeln und 1 Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. 3. Den Backofen auf 190 °C Ober-/Unterhitze ­vorheizen und ein Backblech mit Backpapier belegen.

4. Den Teig 2–3 mm dünn ausrollen und verschieden große Sterne ausstechen. Die Sterne auf das Backpapier setzen und in die Hälfte davon kleine Löcher oder Sterne stechen. Die Plätzchen auf Sicht hellgolden backen und auskühlen lassen. 5. Die Himbeermarmelade kurz aufkochen, durch ein feines Sieb passieren und je einen kleinen Klecks auf die Sterne ohne Loch setzen. 6. Die Sterne mit dem Loch mit Puderzucker ­bestreuen und auf die Marmelade­ plätzchen setzen. 7. Die Himbeersterne in eine Blechdose zwischen Papierlagen schichten und an einem ­kühlen und trockenen Ort aufbewahren.

Zimtsterne Zutaten für ca. 50 Stück Zeitaufwand: 75 Minuten 2 Eiweiß (65–70 g) 1 Prise Salz 220 g Zucker etwas abgeriebene Zitronenschale 1 gestrichener TL Zimt N TL gemahlene Nelken 350 g geriebene Mandeln Außerdem: Zucker zum Ausrollen

Zubereitung 1. Eiweiß langsam zu dickem, festem Schnee schlagen – lieber in der Küchenmaschine als mit dem Handrührer, jene hat mehr Geduld und erledigt das klaglos, auch wenn es 10 Minuten dauert. Die Salzprise sofort zufügen, dann nach und nach löffelweise den Zucker, am Ende auch die Zitronenschale. 2. Drei gehäufte Esslöffel davon abnehmen und für den Guss beiseitestellen. 3. Unter den restlichen Schnee Zimt, Nelken und die geriebenen Mandeln rühren. Sollte der Teig noch zu klebrig sein, löffelweise mehr Zucker und geriebene Mandeln einarbeiten, bis er sich verarbeiten lässt, ohne dass er klebt.

4. Den Teig auf der gezuckerten Arbeitsfläche knapp 1 cm dick ausrollen. Sterne ausstechen und auf ein mit Backpapier belegtes Blech setzen. Sorgsam mit dem aufbewahrten Eischnee bestreichen. 5. Bei 160 °C Heißluft (oder 180 °C Ober-/Unter­ hitze) ca. 12 Minuten backen. Die Sterne müssen sich mit dem Finger leicht von der Stelle schieben lassen.

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Spitzbuben oder badische Hildabrödle Zutaten für ca. 50 Stück Zeitaufwand: 1K Stunden 350 g Mehl 150 g Zucker 1 gehäufter TL Vanillezucker abgeriebene Schale von K Zitrone 100 g geschälte, geriebene Mandeln (Mandelmehl) 250 g Butter 1 Ei Außerdem: Mehl zum Ausrollen 100 g Himbeer- oder Johannisbeerkonfitüre zum Zusammenkleben Puderzucker zum Bestäuben

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Zubereitung 1. Mehl, Zucker, Vanillezucker und Zitronenschale auf der Arbeitsfläche vermischen. Mandelmehl zufügen und danach die zimmerwarme Butter und das Ei. Alles rasch mit den Händen zu einem festen Mürbteig verkneten. Zu einer Kugel formen und in einem Gefrierbeutel eine Stunde kalt stel­ len, damit der Teig fest wird. 2. Den Teig portionsweise auf bemehlter Arbeits­ fläche 2 mm dünn ausrollen. Mit einem Blütenoder Kranzausstecher (gezackter Rand) in drei Größen gleich viele Plätzchen ausstechen. 3. Auf einem mit Backpapier belegten Blech bei 160 °C Heißluft (oder 180 °C Ober-/Unter­ hitze) 10–12 Minuten golden backen.

4. Noch lauwarm drei Größen terrassenartig mit Konfitüre zusammenkleben. 5. Für Spitzbuben gleich große runde, möglichst ­gezackte Plätzchen ausstechen. Aus jedem zwei­ ten in der Mitte ein Herzchen oder einen Kreis ausstechen und wie oben beschrieben backen. 6. Die ausgestochenen Kreise erneut ausrollen und ebenso verarbeiten. 7. Die unteren Plätzchen mit Konfitüre bestreichen, die gelochten Plätzchen obenaufsetzen. 8. Alle Plätzchen dick mit Puderzucker bestäuben. In gut schließenden Blechdosen aufbewahren. Gut zu wissen: Hildabrödle nennt man die Spitz­ buben, wenn sie dreistöckig sind. Sie heißen nach Großherzogin Hilda von Baden, die sie so liebte.


Springerle Zutaten für 10 bis 50 Stück (je nach GröSSe der Model): Zeitaufwand: 1 Stunde (plus 2 Stunden Ruhezeit für den Teig plus 1 Nacht Trockenzeit für die noch rohen Springerle) 250 g Mehl 2 Eier 1 Prise Salz 250 g Zucker K TL Hirschhornsalz (Treibmittel) Mehl zum Ausrollen und Anissamen für die Model

Zubereitung 1. Das Mehl in einer Schüssel mehrere Stunden auf der Heizung stehen lassen, damit es schön trocken wird. Dann durch ein Sieb schütteln, damit es Sauerstoff aufnimmt. 2. In der Küchenmaschine die Eier mit der Salzprise schaumig schlagen, den Zucker dabei löffelweise zufügen. Mehl und Eiercreme vermengen. Am Ende unter den weichen Teig das Hirschhornsalz (aus der Apotheke) rühren. Diese Teigmasse ­zugedeckt zwei Stunden an einem kühlen Ort ­ruhen lassen.

3. Anschließend auf einer mit Mehl bestäubten Fläche etwa 3 mm stark ausrollen. Rechtecke oder Quadrate auf Modelgröße ausschneiden, jeweils vorsichtig auf die gut bemehlten Model legen und ebenso sanft wie gleichmäßig festdrücken. 4. Backblech mit Backpapier belegen und mit Anissamen bestreuen. Darauf die Teigflecken aus den Modeln stürzen. Über Nacht kalt stellen und antrocknen lassen. So entstehen später die typischen „Füßchen“. 5. Am Tag darauf bei 150 °C Heißluft (oder 170 °C Ober-/Unterhitze) in 10 Minuten hell backen. Die fertigen Springerle lassen sich leicht mit dem Finger auf dem Papier wegschubsen. Sie müssen weiß bleiben. 6. Auskühlen lassen und mit Apfelschnitzen in der Blechschachtel aufbewahren, damit die Springerle mürbe werden und nicht austrocknen.

schwäbische Butter-S Zutaten für ca. 50 Stück Zeitaufwand: 2 Stunden (plus 1 Stunde Ruhezeit für den Teig) 125 g Butter 200 g Mehl 70 g Zucker 2 Eigelb, 1 Ei Außerdem: 2 EL Milch zum Bepinseln und Hagelzucker zum Bestreuen

Zubereitung 1. Die zimmerwarme Butter, Mehl, Eigelb (auch das Eigelb vom ganzen Ei; das Eiweiß zum Bepinseln in einem Schälchen beiseitestellen) rasch zu ­einem festen Mürbteig kneten. Zu einer 5 cm ­dicken Rolle formen und in Folie verpackt 1 Stunde kalt legen. 2. Dann 5 mm dünne Scheiben von der Rolle schneiden. Zu einem höchstens fingerlangen Röllchen formen, daraus ein kleines S bilden.

3. Eiweiß mit der Milch kurz aufschlagen, die ­Butter-S mit der Oberseite h ­ ineintauchen, danach in Hagelzucker tunken. 4. Auf ein mit Backpapier belegtes Blech setzen. Und bei 180 °C Heißluft (oder 200 °C Ober-/ Unterhitze) in 13–15 Minuten hellgelb backen. In Blechdosen aufbewahren.

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Helles und dunkles Spritzgebäck Zutaten für jeweils ca. 60 Stück Zeitaufwand: 2 Stunden Helles Spritzgebäck: 125 g weiche Butter 125 g Zucker 2 Eier 1 Prise Salz 1 TL Vanillepulver 250 g Mehl Für die Glasur: 50 g dunkle Schokolade Schoko-Spritzgebäck: 125 g weiche Butter 125 g Zucker 2 Eier 1 Prise Salz 1 TL Vanillezucker 220 g Mehl 25 g Schokolade- oder Kakaopulver Für die Glasur: 150 g dunkle Schokolade

Zubereitung 1. Für das helle Spritzgebäck die weiche Butter mit dem Zucker dick und hell schlagen und die Eier, das Salz sowie die Vanille zufügen. Dann die Eiercreme unter das Mehl arbeiten. 2. Mit der Spritztülle Streifen, Kreise und Ringe auf das mit Backpapier belegte Blech spritzen. Bei 180 °C Heißluft (oder 200 °C Ober-/Unterhitze) ca. 15–17 Minuten backen. 3. Für den Guss die Schokolade in Stücke brechen und auf ­kleinem Feuer schmelzen. In einen kleinen Gefrierbeutel ­füllen, eine kleine Spitze abschneiden und kreuz und quer dünne Linien über das Spritzgebäck ziehen oder das Gebäck in die Glasur tauchen. 4. Für das Schoko-Spritzgebäck genauso verfahren, aber unter den Rührteig das Schoko- oder Kakaopulver rühren. Die Plätzchen formen und backen wie oben beschrieben. 5. Noch lauwarm mit einer Hälfte in geschmolzene Schokolade tauchen und auf einem Kuchengitter trocknen.


VanilleKipferl Zutaten für ca. 90 Stück Zeitaufwand: 2 Stunden plus 1 Stunde Ruhezeit für den Teig 300 g Mehl 80 g Zucker 1 TL Vanillezucker 1 Prise Salz 150 g geschälte, geriebene Mandeln 250 g weiche Butter

Zubereitung 1. Mehl, Zucker, Vanillezucker, Salz, geriebene Mandeln und Butter rasch und mit kühlen Händen zu einem festen, aber geschmeidigen Teig kneten. Zur Rolle formen und in einer Plastiktüte mindestens eine Stunde kalt stellen. 2. Dann Scheiben davon abschneiden, zu kleinen Hörnchen formen und auf ein mit Backpapier ­belegtes Blech setzen. 3. Bei 150 °C Heißluft (oder 170 °C Ober-/Unter­ hitze) ca. 18–20 Minuten blond backen.

4. Den Puderzucker mit dem aus der Schote gekratzten Vanillemark vermischen und durch ein Sieb auf einer Platte verteilen. 5. Die warmen Vanillekipferl behutsam darin wälzen. Vorsicht – sie zerbrechen leicht! In gut schließenden Blechdosen aufbewahren.

Außerdem: 125 g Puderzucker, 1 Vanilleschote

Servus  73


Brauchtum

98 Servus


Fred und Saskia Wehrle ­präsentieren die traditionelle Vrenelitracht mit dem ­„Schihuet“, einem Sonnenhut. Kleines Bild rechts: Bis vor 80 Jahren trugen die Frauen bei „fäschtliche A’läss“ die „Hörnerchappe“.

Aus Liebe zur

Markgräfler Tracht Die Erinnerung an Hörnerkappe und Zwickelrock drohte schon zu verblassen. Dann kamen Fred und Saskia Wehrle und belebten die alten Traditionen im Kandertal neu.

F

Text: tristan berger Fotos: Günther Bayerl

red Wehrle aus dem südbadischen ­ rtchen Malsburg-Marzell ist ein Ö ­Groß­mutterkind. Von ihr, erzählt er, habe er die Liebe und die Begeisterung für das ­Markgräfler Land, dessen Geschichte – und für die Markgräfler Tracht. „I bin da dri’gwachse“, sagt er in breitem alemannischen Dialekt, in der Sprache der „Lüüt“ hier, an den Südhängen des Schwarzwalds. So war es auch die Großmutter des 58-Jährigen, die noch eine „Hörnerchappe“, den schwarzen Kopfschmuck mit den unverkennbaren Schleifen, zu „fäschtliche A’läss“ trug. Und sie war die Letzte im ganzen Kandertal. Als die Oma 1980 starb, schien das auch das Ende für die alte Tracht zu bedeuten. Doch Fred Wehrle war klar, dass auf Dach­ böden und in Schränken im Kandertal noch mancherlei Stücke der Markgräfler Tracht verborgen sein mussten. „Die Tracht war ja weit verbreitet“, sagt er. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam sie aus der Mode. Weil Fred Wehrle die Erhaltung des Tra­ ditionsgewands eine Herzensangelegenheit war, gründete er in der Nachbargemeinde Kandern 1986 mit Gleichgesinnten den Markgräfler Trachtenverein. Gemeinsam begannen die Mitglieder zu suchen, zu

s­ ammeln, das Gefundene zu restaurieren und auch nachzunähen. Bei Altkleidersammlungen wurden die Markgräfler fündig, so manchen Schatz retteten sie sogar aus dem Müll. Mehr und mehr Menschen erinnerten sich an vergessene Schätze auf den „Böhnis“, den Dachböden. So auch vor 20 Jahren. Was für ein glücklicher Zufall, dass Fred Wehrle eines Tages genau in dem Moment vors Haus trat, als die Gemeindearbeiter bei ihm vorbei­ kamen. Gerade hatten sie den Speicher einer alten Dame entrümpelt und waren auf dem Weg zur Müllkippe. Als sie den Heimatforscher sahen, beschlossen sie kurzerhand, ihn zu fragen, ob er einen Blick auf die Sachen werfen wolle. Fred Wehrle wollte – und entdeckte eine originale „Vrenelitracht“, mehr als 200 Jahre alt! Ein Gedicht auf die „Vreneli“

Sogar in die Literatur ist das Markgräfler ­Gewand einst eingegangen. Johann Peter Hebel (1760–1826), der bekannteste Dichter alemannischer Mundart, hat ihr in seinem Gedicht „Die Wiese“ ein Denkmal gesetzt. Die Wiese – das ist der Fluss durchs ­benachbarte Wiesental. Hebel hat ihn in der Gestalt einer weiblichen Person, ­eines „Vreneli“, besungen. „Deshalb ➻

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Vier Meter Seidenband werden für eine Hörnerkappe verarbeitet. Bild unten: Im alemannischen Gedicht „Die Wiese“ hat Johann Peter Hebel die Vrenelitracht verewigt.

Die Wiese Auszug aus dem alemannischen Gedicht von Johann Peter Hebel (1760–1826)

Halt mer e wenig still, i will di jez lutherisch chleide; ’s schickt si nümme barfis z’laufe, wemme so groß isch. Do sin wißi Bauwele-Strümpf mit chünstlige Zwickle, (leg sie a, wenn d’ chasch!) und Schueh und silberni Rinkli; do ne grüene Rock! vom breit verbendlete Liibli fallt bis zu de Chnödlenen abe Fältli an Fältli. Sitzt er recht? Thue d’ Häftli i! und nimm do das Brusttuech, sammet und roseroth. Jez flichtider chünstligi Zupfe us de schöne, sufer g’strehlte, flächsene Hoore. Obe vom wiißen Aecken und biegsem in d’ Zupfe verschlunge, fallt mit beiden Ende ne schwarze sidene Bendel bis zum tiefe Rock-Saum abe. – Gfallt der die Chappe, wasserblaue Damast und gstickt mit goldene Blueme? Zieh der Bendel a, wo in de Ricklene durgoht, unter de Zupfe dure, du Dotsch, und über den Ohre fürsi mittem Letsch, und abe gegenem Gsicht zue!

nennt man die alte Markgräfler Tracht auch ,Vreneli‘“, sagt Fred Wehrle. Der Dichter allerdings rühmte nicht nur, er kritisierte auch – und zwar die neue Mode. Ihm missfielen die sich „immer mehr verkünstelnden“ Varianten der Tracht. Die zeigten sich am eindrucksvollsten an der Entwicklung der einst schlichten „Dotsch­chappe“, der originalen Kopfbedeckung der Vrenelitracht, aus der sich über mehrere Jahrzehnte hin die mächtige schwarze Hörnerkappe herausformte. Fred Wehrle ist ein Lexikon auf zwei ­Beinen, wenn es um Tracht und Brauchtum geht. Nennt man ihm eine Jahreszahl, fängt er an zu sprudeln wie eine reiche Quelle: Dass im Zuge der Französischen Revo­ lution auch im Markgräfler Land die Kleiderordnung gefallen sei. Dass sich die Menschen daraufhin viel stärker an der jeweiligen Mode und den ­verfügbaren Stoffen orientierten. Dass aus dem Boden der Dotschchappe des Vreneli so nach und nach eine Schleife wuchs, die immer größere Ausmaße annahm. Die „Chappemacherinne“ nähten zur Verstärkung ein Drahtband ein, damit die weit ausladenden Schleifen glatt und


Aus über 70 Stoffkeilen ist der Zwickelrock zusammengenäht (Bild rechts). Das Schultertuch ist original und über 200 Jahre alt (Bild oben). Zu jeder Markgräfler Tracht gehört auch eine Taschenuhr (Bild unten).

in Form blieben und brachten damit nicht ­unerheblich die einheimischen Seidenmanufakturen zur Blüte. Vier Meter Seidenband brauchten sie für die Kopfbedeckung, die nun nicht mehr Dotschchappe, sondern Hörnerchappe genannt wurde. Wie ein riesiger schwarzer Schmetterling mutet die Kappe an, an deren Flügelenden schulterlange Fransen hängen. Die Frauen trugen dazu ein hochgeschlossenes Kleid mit Tüllstehkragen, das „Gschtältli“. An den Zimmerwänden im Haus Wehrle hängen Fotografien von früher, auf denen Frauen diese Tracht tragen. Fred Wehrle nimmt das Bild seiner Urgroßmutter vom Haken. Da könne man sehr schön sehen, ­erklärt er, dass die Hörnerkappe mit den ­herabhängenden „Fränsli“ das Gesicht wie in einem Bilderrahmen aussehen lasse. 4.000 Fränsli hat so eine Kappe – im Verein

hat man sie nach einer Wette tatsächlich ­gezählt! Nur beim Essen würden sie arg ­stören, verrät Fred Wehrles Frau Saskia, 52: „Da hänge mir d’ Fränsli in dr Suppe.“ Dafür läuft man aufrechter, sagt sie, weil man meint, man müsse ganz gerade gehen – und sie streckt zur Demonstration ein wenig ihren Hals. Mit Zwickelrock und Hübli

Bis vor etwa achtzig Jahren trugen die Frauen diese Tracht – trotzdem wirkt sie viel fremder und eigentümlicher als die um mehr als hundert Jahre ältere Vrenelitracht. Eine solche Vrenelitracht hat Saskia jetzt für den Trachtenvereinsumzug heute Nachmittag angelegt. Sie hat das Gewand selbst geschneidert, nach Vorlage jener Tracht, die Fred vor 20 Jahren vor der Entsorgung gerettet hatte. Eine Besonderheit der Vreneli-

tracht ist der Zwickelrock, erklärt er. Saskia erlaubt einen Blick und lässt erkennen, dass der Rock aus lauter schmalen, keilförmigen Streifen zusammennäht ist. Ein markgräflicher Landvogt verbot das Tragen des Rocks einst per Verordnung, weil die Herstellung so aufwendig war und ein ausrangierter Rock zu nichts mehr nutze war. Saskia zeigt uns jetzt den wasserblauen Kappenboden des „Hübli“ aus Damast, den sie 20 Stunden lang mit Ährenmotiven aus Silberfäden bestickt hat, und zwar so, dass die Stickereien auf Kappe und Brustlatz „spiegelgliich“ sind. Dazu trug die bessere Dame einst den tellerrunden „Schihuet“ aus Stroh. Nein, quittiert das Paar unsere fragenden Blicke mit einem Lachen: Mit Wintersport hat das nichts zu tun. Der Hut schützte gegen die Sonne, er war aus feinstem Florentiner Strohgeflecht ➻

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Wichtiges Utensil für die Frauen: ein „Ridikül“ genannter Handbeutel oder ein Körbli mit der Vesper.

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Das Gute liegt für die Wehrles ganz nah.

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gefertigt und schon damals eher ein apartes, von der Schäferromantik beeinflusstes ­Accessoire. Der Hut ist ein Sonnensymbol, die vier Rosetten auf der Gupfe versinn­ bildlichen die Jahreszeiten, die 26 Strahlen­ schnüre formen einen Halbmond. Saskias größter Stolz aber ist das Taft­ seidentuch, das sie um die Schultern gelegt hat – das Original von 1780 der einst ge­ retteten Tracht,. „Das läg jez auf dr Schutt­ hald“, sagt Fred Wehrle und zieht dabei die letzte Silbe nach oben. Ein Charakteristikum des Alemannischen. Es lässt das Ge­sagte klingen, als sei es Teil einer langen, unend­ lichen Ballade. Und tatsächlich ist es ein schwärmeri­ scher Lobgesang, den Fred singt: auf die Tracht – und erst recht auf seine große Lie­ be, seine Frau Saskia. Einmal hatte Oma nicht recht

Auch wenn sie ihn verführte, ein einziges Mal nicht auf den Ratschlag der Großmut­ ter zu hören … Deren Wahlspruch fürs Lebens lautete: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“ Nie habe es ihn weg­ gezogen, gesteht er, nicht mal 50 Kilometer. Erst mit 17 wurde ihm klar, dass es Miet­ wohnungen und Hochhäuser gibt. Und als er zur Bundeswehr nach München ein­ gezogen wurde, da war das Heimweh so stark, dass er gleich 15 Kilo abnahm. Nur das eine Mal eben … Und das war, als er Saskia heiraten wollte. Da folgte er nicht der Oma, sondern dem Ruf des Herzens. Für die Großmutter stammte Freds Auserwählte vom anderen Ende der Welt – aus einem Ort 10 Kilometer weiter. Die Wehrles wohnen in einem Haus, das Freds Vorfahren vor mehr als 200 Jahren in einen steilen Hang des Lippisbacher Tals ­gebaut haben. Von dort genießt das Paar ­einen fantastischen Rundblick. Rüber auf den nebelverhangenen Amei­ sen­kopf mit dem schwarzwaldtypischen blaudunklen Nadelwald. Hinter dem nächs­ ten Hügel ahnt man schon das Rheintal. Die französische und die Schweizer Grenze sind nur je 15 Kilometer entfernt. Und auf einer Bergkuppe gegenüber steht die Sausenburg, auf dem die Markgrafen ihren Sitz hatten.

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Die Markgrafen hätten die Entwicklung der hiesigen Tracht sehr gefördert, erzählt Fred Wehrle. Vielleicht mit ein Grund, war­ um in der hiesigen Region die alten Trach­ ten länger getragen wurden als anderswo und deshalb nicht schon im 19. Jahrhundert in Vergessenheit geraten sind. Ein „Schilee“ für den Herrn

Ihr Haus haben die Wehrles mit restaurier­ ten Bauernschränken aus Kirschholz möb­ liert. Dort verwahren sie nur etwa die Hälfte der gesammelten Trachten. „Damit welche ­übrigbleiben, falls es mal brennen sollte“, unkt Fred. Der Gedanke allein bringt ihn ins Schwitzen. 40 originale Röcke, 100 Hörner­ kappen, rund 300 Schultertücher sowie ­Unterröcke, Hosenträger und andere tex­tile Preziosen trug der Verein in mehr als 25 Jahren zusammen.

In der Zwischenzeit hat auch Fred Wehr­ le die Markgräfler Tracht angelegt, wie sie noch Ende des 18. Jahrhunderts getragen wurde. Sie fällt historisch in dieselbe Zeit wie Saskias Vrenelitracht: Kniebundhose, Schnallenschuhe, ein rotes Wams, das hier „Schilee“ heißt, darüber ein blauer Gehrock mit silbernen Knöpfen. Schließlich ein breit­ krempiger Hut, der Fred ein fast keckes ­Aussehen verleiht. So angetan, treten Fred Wehrle und Frau Saskia bei Kirchgängen, Vereins­festen, Um­ zügen oder sonstigen Jubiläumsveranstal­ tungen zusammen mit anderen Mitgliedern des Kanderner Trachtenvereins auf. Saskia Wehrle holt einen speziellen Kar­ ton hervor, das „Kaboschdle“. Darin wird die Hörnerchappe aufbewahrt. Die Schach­ tel mit dem wertvollen Inhalt erhielten die Frauen einst zur Konfirmation, also im ­Alter


Bild oben: Unverheiratete Maidle flechten sich bodenlange Seidenbänder in die Zöpfe. Darunter: die Vereinsdamen mit Hörnerkappe und der „Vreneli“, der Markgräfler Tracht. Bild links: letztes Zupfen am Schultertuch – damit es vorschriftsmäßig sitzt.

von 14 Jahren, von ihrem Paten. Für den „Götti“ oder die „Gotte“, den Paten bzw. die Patentante, endete damit das Göttiamt. Die Hörnerkappe war den heiratsfähigen Frauen vorbehalten. Wurde s­ einerzeit ein Mädchen 14, kam langsam die Zeit, um sie sprichwörtlich „unter die Haube“ zu bringen. Es wird Zeit für den Umzug. Fred Wehrle zupft und nestelt noch mal an den Gewändern der Frauen seines Vereins herum, bemäkelt hier einen nicht korrekt gebundenen Knoten, richtet dort ein schlecht sitzendes Schultertuch. Die Frauen lassen es sich lachend gefallen, sie kennen ihren Fred. Maidle müssen unter die Haube

Apropos Schultertuch: Dazu weiß der Trachtenexperte freilich gleich aus der Historie zu erzählen. Sehr modebewusst seien sie wohl früher gewesen, die Markgräfler Frauen,

mutmaßt Fred Wehrle. Putzsüchtig fast. Fahrende Händler aus Mailand brachten die seidenen Schultertücher, die so begehrt gewesen sein müssen, dass alleine seine Großmutter ein halbes Hundert ihr eigen nannte. In unzähligen Mustern und Farben gab es sie, mit „doppelknüpfte Fränsli“, wie Vereinsvorstand Fred Wehrle mit leuchtenden Augen berichtet. Und die Frisur musste selbstverständ­lich auch sitzen. Im sogenannten „Drüller“, dem senkrecht stehenden Dutt, wurde die Hörnerchappe aufgesteckt. Über diesem „Haarnest“ befestigte die Trägerin mit einer langen dickköpfigen schwarzen Nadel ein Käppchen. Ein kleiner im Kappenboden festgenähter Kamm gibt dem gewaltigen Kopfschmuck guten Halt. „Also, stellt amol uff!“, ruft Fred, ganz strenger Vater der Truppe, seinen Leuten

zu. Der Ruf gilt auch zwei Maidle, die in ihre Zöpfe zwei schwarze, zehn Zentimeter breite und fast bis zum Boden reichende ­„siidene Bändle“ eingeflochten haben. ­Unser Heimatexperte weiß natürlich den Grund: So richteten die unverheirateten Mädchen ihr Haar, ganz wie Johann Peter Hebel das in seinem Gedicht beschrieb. Wie hält man es denn mit einem Mann aus, der nichts anderes zu kennen scheint als seine Heimat- und Ahnenforschung? „Mia sin gliich“, sagt Saskia Wehrle schlicht und lächelt sanft. 3

Servus-Tipp: Der Markgräfler Trachtenverein zeigt sich in seinen Trachten am 3. November 2013 beim „Kaffichränzli“ im Luthersaal in Kandern um 14 Uhr.

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handwerk

Zwoa Brettl aus besonderem Holz

Ein stabiler Kern von der Esche, eine schimmernde Oberfläche aus Kirsch- und Apfelbaumholz: Solche schnittigen Ski baut Florian Schwarz aus Hechendorf – und erprobt sie am eigenen Leib. Text: stephanie lahrtz Fotos: Julia Rotter

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F

lorian Schwarz liebt Holz. Und der drah­ tige Schreiner aus dem oberbayerischen Hechendorf liebt in seiner Freizeit auch die Herausforderungen, die eine anspruchsvol­ le Skipiste bietet. Eigentlich klar, dass er es dann – vor etwa zehn Jahren – nicht lassen konnte, sich auch an der Skifertigung zu versuchen. Einfache, stabile selbst gefer­ tigte Handwerker-Ski, die aber nach Mög­ lichkeit mindestens ebenso griffig und ­reaktionsfreudig sein sollten wie die HighTech-Latten aus dem Sportgeschäft. Also begann der sportliche Schreiner damals zu tüfteln und auszuprobieren. Dank Florians langjähriger Erfahrung im Umgang mit unterschiedlichsten Hölzern war ihm klar, dass nur Eschenholz für den Kern der Ski infrage kommt. Es ist zum ei­ nen sehr kompakt und stabil. Zum anderen besitzt es auch eine hohe Elastizität und ist somit ausreichend biegsam. „Aber nicht jede Esche liefert mir das passende Holz“, erklärt der Schreiner, wäh­ rend er eine Latte schwungvoll durchbiegt und dann zurückschnellen lässt. „Wenn ich beim Holzhändler bin, schaue ich mir immer sorgfältig mehrere Bretter an. Sowohl die Jahresringe als auch die Holzfasern müssen sehr eng und gleichmäßig sein, sonst könn­ te das Holz schon dadurch brechen, dass man mit der Skischaufel in einer bloß pud­ rigen Schneewechte stecken bleibt.“

die kunst der wenigen zutaten

Und Florian nimmt auch nicht einfach ein Eschenbrett als Holzkern: Um den Holzkern besonders stabil zu machen, schneidet er das Brett in schmale Stäbe in der Länge des späteren Skis. Ruhig und konzentriert schiebt er das lange Stück Holz durch die Säge, ohne sich vom schrillen Kreischen ablenken zu lassen. Danach dreht er jeden zweiten Stab um und verklebt die Stücke miteinander. „Nur so können sich die Holzfasern gut miteinander verbinden, und der Kern wird stabil“, erklärt der Skibauer und demons­ triert uns das Verhaken der Fasern mit sei­ nen verschränkten Fingern. Nach dem Pres­ sen der Leisten sägt und hobelt er aus dem vorerst noch überall gleich dicken Brett eine Latte, die schon deutlich mehr an einen Ski erinnert. Vorn und hinten hat ➻

Aus einem langen Eschenholzbrett sägt Florian Schwarz die Leisten für den Ski-Kern. Die Leisten werden dann miteinander verklebt und gepresst. Links: Ein dünnes Glasfaservlies sorgt im Inneren des Skis für Stabilität und Elastizität.

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Zur Verstärkung erhält das Ski-Ende eine schwarze Kunststoffkappe sowie rechts und links je eine dünne Stahlkante (Bilder rechts). Das Ölen der Ski mit gutem Leinöl liebt Florian besonders – vor allem wegen des betörenden Dufts (Bild rechts unten).

sie jetzt nur noch ungefähr zwei Millimeter Stärke, in der Mitte ist sie noch immer gut einen Zentimeter dick. Nur skiförmig ist das gute Stück noch nicht. Jetzt nimmt Florian Schwarz diesen sogenannten „Kern“ mit in seine eigentliche Skiwerkstatt. Genauer gesagt, nimmt er gleich zwei Kerne mit, denn er macht den linken und den rechten Ski immer gleichzeitig. In der Skiwerkstatt, die früher eine Schmiede war, fliegen keine Holzspäne mehr, und es herrscht Ruhe. Eine fast andächtige Ruhe, zu der auch die weißen Wände und der graue Boden beitragen. Hier könnte man sich genauso gut auch das Atelier eines bildenden Künstlers vorstellen. Aber für Florian ist das Skibauen ja auch Kunst – die Kunst nämlich, wie man aus wenigen Zutaten das perfekte Fortbewegungsmittel für den Schnee herstellt. Zwei Modelle bietet der Tischler seinen Kunden an: ein breiteres, speziell fürs Tiefschnee- und fürs Geländefahren; ein schmäleres für die Piste. In beiden Varianten steckt natürlich jede Menge Eigenerfahrung – und der eine oder andere technische Kniff, aber davon verrät der Meister lieber nichts. Tribut an die Moderne

Zurück in die Skiwerkstatt: Fein säuberlich sortiert warten in einem eigenen Regal an der Wand die weiteren Zutaten, mit denen aus dem Eschenholzkern ein schnittiger Ski wird. All diese Bestandteile, darunter auch manches sehr moderne Material, wurden vom Meister persönlich zugeschnitten oder ausgefräst. Ausschließlich aus Holz gefertigt, also ohne diese verfeinernden Zutaten, würden die Ski den heutigen Anforderungen nicht genügen. Das hat Florian selbstverständlich am eigenen Leibe erprobt: Würde man sie ausschließlich aus Holz bauen, dann würden sie wegen der nötigen Stabilität so dick und behäbig ausfallen wie zu Urgroßvaters Zeiten. Und sie würden auch noch schnell kaputtgehen. Dem Holzprofi kommt neben seinen Schnee-Erfahrungen als Wintersportler auch noch die Erfahrung aus einem anderen sportlichen Hobby zugute: Windsurfen.

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Florian Schwarz wohnt ja im Starnberger Fünf-Seen-Land. Ehrensache, dass einer wie er nicht nur surfen kann, sondern auch seine eigenen Surfbretter gebaut hat – und zwar mithilfe von Glasfaser-Vlies. „So ein Vlies braucht es, wenn man zu Eigenschaften wie Stabilität und Elastizität auch noch geringes Gewicht bekommen will“, sagt der leidenschaftliche Tüftler. Also bekommt auch der Eschenholzkern seiner Ski jeweils oben und unten ein solches dünnes Vlies. Wie alle Ski werden auch die von Florian mit einer gleitfähigen Lauffläche und natürlich mit Kanten aus Stahl

versehen. „Sonst könnte man niemals geschnittene Bögen fahren“, erklärt er. Aber ganz obenauf kommt natürlich wieder Holz. Und zwar nur richtig schönes Holz. Entweder rötlich schimmerndes Kirschbaumholz oder auch solches vom Apfelbaum, das nicht nur eine abwechslungsreiche Maserung, sondern oft auch unterschiedliche Farbtöne aufweist. „Wenn ich Ski auf Bestellung mache, dann nehme ich die Kunden wenn möglich mit zum Holzhändler, damit sie sich dort Schattierung und Maserung selbst aus­ suchen können“, erzählt Florian Schwarz,


Aus anderem Holz gemacht: Die Oberseite besteht bei diesem Ski aus Apfelbaumholz, auf der Unterseite erkennt man zwischen Kanten und Kappe den Eschenholzkern (links). Im Verkaufsraum, von der Werkstatt ab­getrennt durch eine alte Holztür, warten die fertigen Ski auf ihre neuen Besitzer (Bild unten).

während er sehr sorgfältig, fast liebevoll die sogenannten Ski-Sandwichs zusammenlegt und verleimt. Keine Luftblase oder Falte darf den Aufbau stören. Wenn dabei etwas verrutscht, auch nur ein kleines bisserl, dann ist oft der ganze Ski im Eimer. Jetzt legt Florian die zwei Werkstücke in den nach eigenen Vorstellungen selbst gebauten Pressschrank. Mehrere Stunden lang werden die Ski gleichmäßig fest zusammengedrückt. Zum Abschluss muss noch die eigentliche Form ausgesägt werden, fein säuberlich immer entlang der Stahlkanten. Dafür geht Florian dann wieder in die große Werkstatt hinüber. Dickflüssiges Leinöl statt Lack

Beim letzten Arbeitsgang darf sich der Holzliebhaber noch einmal so richtig aus­ toben: Die edlen Latten werden langsam und sorgfältig mit gutem, dickflüssigem Leinöl eingestrichen. „Das macht sie wasserfest“, erklärt er. „Niemals würde ich die Ski lackieren. Denn hat man irgendwann einen tieferen Kratzer – und das ist selbst bei einem guten Skifahrer unvermeidlich –, dann zieht die Feuchtigkeit in den Holzkern und kann wegen der Lackierung nicht mehr heraus. Und dann könnte der Ski von innen faulen.“ Eine solche Schicht aus schützendem Leinöl sollten übrigens auch die späteren Besitzer ihren Skiern nach jeder Saison einbis zweimal zugutekommen lassen. Dies nicht allein weil seidig-rötlich schimmernde Kirschbaum-Ski einfach besser aussehen – sondern nur so bleibt das edle Holz auch schön lange geschmeidig. Florian wiegt die fertigen Latten prüfend in der Hand, schaut noch einmal über alle Kanten drüber und lehnt die neuen Ski dann zufrieden lächelnd an die Wand. „Mit den eigenen Skiern über den Schnee zu gleiten“, sagt er sehnsüchtig, „des is einfach des Größte für mi.“ 3

Skiwerkstatt Florian Schwarz Hauptstraße 41, 82229 Hechendorf, Tel.: 08152/786 43, www.werkstattschwarz.de

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Foto: Eisenhut & Mayer

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