Servus in Stadt & Land Deutschland 07/2014

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Göttinger Gold

Besuch beim Salzsieder

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E i nfac h

.

Gut .

Leben

Bierige Klassiker

Von München bis Mannheim

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Juli

07/2014 D/FL 3,90 EUR CH 7,00 sfr I/E 4,50 EUR

Wie im

Paradies so schön ist urlaub daheim

Magische Muster aus Hamburg

&

Romantisches Altmühltal

&

Fischertag im Allgäu

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Inhalt 2014 Juli

10 Sanfte Glut

Mit ihrem Morgen- und Abendrot bietet die Sonne ein Schauspiel, das Dichter und Verliebte inspiriert.

Küche 48 Küchenkraut und Liebeszauber

Wie ein Übersetzungsfehler dem Liebstöckel seinen delikaten Ruf eintrug.

18 Bitte zu Tisch!

52 Die richtige Unterlage

28 Flammende Büsche

60 Honigsüße Verführung

34 Blumen mit Geschmack

64 Fruchtiger Luftikus

120 Schillernde Fluggäste

68 Ähren mit Biss

Bei den Enderles im badischen Stutensee herrscht wieder Hoch­ saison – im „Gasthaus“ Garten.

Der Phlox ist wie ein Sommertag: voller Duft und Farbenpracht.

Kapuzinerkresse und Studenten­ blumen bringen Farbe auf den Tisch.

Die bunten Bienenfresser kommen jetzt zum Brüten nach Deutschland.

4 Servus

Wo der Gerstensaft Tradition hat, gibt’s in den schattigen Biergärten auch was Gutes zum Essen.

In Aspach kreiert Wolfgang Kreß aus Schafsmilch und Honig köstliches Eis.

Eine sommerliche Süßspeise aus Erdbeeren und flaumigem Biskuit.

Hafer und Hirse, Einkorn und Dinkel machen sich gut in Sommergerichten.

Wohnen 26 Stelzen wie ein Storch

Wir basteln uns Stelzen und staksen durch den Garten.

76 Verliebt in schiefe Wände

Christa Schmieder hat in Bubsheim auf der Schwäbischen Alb ein wunderbar schräges Haus entdeckt.

82 Ein Schub Ruhe

Wie aus einer alten Schubkarre ein Liegestuhl wird.

84 Kostbare Schriftzeichen Selbst gebastelte Etiketten für liebevoll Eingekochtes.

88 Urlaub daheim

Handbedruckte Kissen und duftende Kräuter machen die Terrasse zur sommerlichen Oase.

coverfotos: dirk eisermann, eisenhut & Mayer, mauritius images

Natur & Garten

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Land & Leute fotos inhalt: stephan sahm, florian bachmeier, dirk eisermann, marco rossi, katharina gossow, eisenhut & Mayer, mauritius images, wildlife

94 Meisterin der magischen Muster

Susanne Krause aus Hamburg-Rissen beherrscht als eine der Letzten die Kunst des Buntpapiermachens.

108 Weißes Gold

Aus der Saline Luisenhall in Niedersachsen kommt ein reines Salz, das nicht gebleicht und angereichert werden muss. Gesiedet in offenen Pfannen wie vor 160 Jahren.

124 Wo sich die Langsamkeit versteckt

Wer eine Woche freihat, kann im idyllischen Altmühltal zwei Wochen Urlaub machen. Hier fließt die Zeit noch gemächlich – wie der Fluss, der langsamste im ganzen Land.

Standards Brauchtum 38 Knigge für Sammler

Rückwärts und nackt einem Hasel­ zweig entgegenzustolpern oder einen schwarzen Hund zu Hilfe zu nehmen? Die ungewöhnlichsten Bräuche zum Sammeln heilkräftiger Kräuter – plus ein paar Tipps, die man wirklich befolgen sollte.

98 Mit dem Bären auf Forellenjagd

Beim Memminger Fischertag „jucken“ jährlich mehr als tausend Teilnehmer mit selbst angefertigten Keschern in den Stadtbach.

112 Zauberhafte Zöpfe

Es ist die Liebe zur Tradition, die den kunstvollen Frisuren ein junges Gesicht gibt. Eine kleine Reise in die Welt des Flechtens.

3 Vorwort 6 Briefkasten, Ortsnamen 8 Servus im Juli 16 Der Garten-Philosoph 24 Schönes für draußen 32 Die Botschaften der Bäume 42 Unser Garten, Mondkalender 46 Natur-Apotheke: Arnika 66 Omas Kochbuch: Wie die

Mehlklöße nach Baden kamen

74 Schönes für die Küche 86 Schönes Zuhause: Dekotipps für den Juli

92 Schönes für drinnen 104 Michael Köhlmeier:

Schloss Reußenstein

136 Eine Kurzgeschichte von Nicola Förg

140 ServusTV:

Sehenswertes im Juli

142 Leben in alten Zeiten 146 Impressum, Ausblick

Servus  5


erntezeit

Blumen mit Geschmack Orange Kapuzinerkresse, gelbe Studentenblumen und rosafarbene Schmuckkörbchen bringen Farbe vom Garten auf den gedeckten Tisch. Und sie schmecken wunderbar. Text: Elke Papouschek Fotos: Michael Reidinger

S

eit Menschengedenken werden Knos­ pen und Blüten auch für kulinarische Zwecke verwendet, vom Gänseblümchen bis zu den Lindenblüten“, erzählt Gärtnerin Hermine Kalch, während sie am frühen Morgen frische Blüten abzupft. „Neu dazu­ gekommen sind in jüngster Zeit auch ver­

34 Servus

schiedene Blüten, die wir nur als Zierpflan­ zen kannten, etwa Löwenmäulchen oder Fuchsie – da muss man sich vielleicht an­ fangs ein wenig überwinden, um genussvoll hineinzubeißen.“ Sogar Erdbeerblüten pflückt die Gärt­ nerin. Sie sind bonbonrosa und eine Augen­

weide im Salat oder in der Fruchtbowle – aber natürlich nur für alle, die dafür später auf ein paar Früchte verzichten können. Wer sich heute Ringelblume, Schmuck­ körbchen oder Studentenblume in den ­Garten oder auf den Balkon holt, der kann sich nicht nur mit den Augen an den Blüten


So pflanzt man eine köstliche Blumenkiste Man benötigt: › Eine Blumenkiste mit zirka 50 cm

Länge. Sie muss unbedingt Abzugslöcher haben, damit überschüssiges Gießwasser abrinnen kann. › Gute durchlässige und lockere Blumenerde. › Fünf Pflanzen mit essbaren Blüten. Wir haben uns für Schmuckkörbchen, Ringelblume, Studentenblume, Kapuzinerkresse und Veilchen entschieden (jeweils ein Stück). So wird’s gemacht: › Ü ber die Abzugslöcher je eine Ton-

Pflücken zur rechten Zeit › Gepflückt werden die Blüten am

So schmeckt der Sommer: Knackige ­Salatblätter mit Zwiebeln, Gurken, Tomaten und feinem Salatdressing anrichten. Mit frisch gepflückten Blüten der Kapuzinerkresse dekorieren – sie geben dem Salat eine scharf-würzige Note und leuchten in kräftigem Orange und Gelb.

erfreuen, sondern auch im Vorübergehen kosten. Die Schnittlauchblüte schmeckt frisch gepflückt auf dem Butterbrot oder im knackigen Blattsalat. Blüten und Blätter der Duftpelargonie bringen Aromen von zitronig-frisch bis schokoladensüß ins Spiel: Die Blätter verleihen Biskuitmehlspeisen, aber

besten in den Morgenstunden, bei trockenem Wetter und ehe die Sonne zu stark wird, denn dann verflüchtigen sich die ätherischen Öle. › Weil Blumen rasch welken, möglichst frisch verwenden. › Auf feuchtem Küchenpapier oder im Gemüsefach des Kühlschranks erhalten die Blüten ihre Frische länger – bei Vorbereitungen für Feste ist das hilfreich. › Saubere Pflanzen aus dem eigenen Garten muss man nicht waschen; wer das aber möchte, spült sie kurz unter kaltem fließendem Wasser ab und tupft sie danach vorsichtig trocken. › Bei großblütigen Korbblütlern wie der Ringelblume kann man nur die einzelnen Zungenblüten (sehen wie Blütenblätter aus) verwenden, sie lassen sich gut abzupfen. › Kleine Blüten von Hornveilchen, Begonien oder Gänseblümchen streut man ganz über die Speisen, große zerteilt man besser.

scherbe von einem zerbrochenen Topf legen. Das Kistchen bis zirka 5 cm unter den Rand mit Erde befüllen. › Die Pflanzenverteilung überlegen: Hochwachsende wie das Schmuckkörbchen kommen nach hinten, niedrige wie Ringelblume und Hornveilchen nach vorn, die überhängende Kapuzinerkresse nach vorn oder an den seitlichen Rand. › Die Pflanzen aus dem Topf nehmen und einpflanzen. › Die Erde rundherum festdrücken, und das ganze Kistchen kräftig gießen. › An einem hellen Platz, zunächst aber ohne direkte Sonne aufstellen und nach dem Anwachsen einmal wöchentlich mit Flüssigdünger versorgen. ➻

auch Speiseeis einen wundervollen Geschmack; die Blüten (vom Kelch abzupfen) eignen sich bestens zum Garnieren von ­Desserts. Ein Obstsalat schmeckt mit Minzoder Melissenblüten noch erfrischender, und sogar kleine Dahlienblüten lassen sich in Zucker kandieren.

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hofladen

Gutes von

daheim 9

Honigsüße Verführung

Zwischen Murrtal und Schwäbischem Wald kreiert Wolfgang Kreß aus Schafsmilch, Honig und Früchten der Region ein Eis – da stehen die Schleckermäuler Schlange. Text: thomas G. konofol  Fotos: hardy müller


Oben: der Imker, der jetzt Eiszauberer ist – Wolfgang Kreß mit emsigen Lieferanten. Links: deliziöses Duo, Vanille-Honig-Eis & Sorbet „Vivaldi“. Aromatische Allianz: Schafsmilch trifft Rhabarber. Sieht köstlich aus: die helle Sorbetmasse. Daneben: Im Murrtal gibt es noch Elsbeeren. „Ein Geschmackserlebnis!“

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as schönste Lob kam von einem italienischen Kenner: „Mamma mia! Ihr Eis ist so gut wie das beste bei uns in den Vierziger- und Fünfzigerjahren!“ Wolfgang Kreß nahm es wie einen Ritterschlag. Der gelernte Koch, geprüfte Metzgermeister und biolandzertifizierte Nebenerwerbs­imker – so heißt das nun mal – war hauptberuflich in der Metallindustrie tätig, als er aus einer „Bierlaune“ heraus beschloss, sein eigenes Eis handwerklich herzustellen. „Weil mich die penetrante Zuckersüße und das pappige Mundgefühl der gängigen Eismarken störten.“ Aus der Laune wurde schnell eine Leidenschaft, obwohl die ersten Versuche gründlich missglückten. „Die jetzige Qualität zu erreichen hat vier Jahre gedauert“, sagt Wolfgang Kreß, dem man gerne glaubt, dass ihn jede Eiskreation bis zu 2.000 Euro an Material kostet, ehe er sie seinen Kunden

anbietet. Das geduldige Experimentieren mit Rezepten und Zutaten zahlte sich aus: Schon seine ersten 80 Liter Honig-Eis, die er optimistisch in zwei Tagen verkaufen wollte, gingen an einem einzigen Tag weg. Die nächtliche Nachproduktion war am folgenden Nachmittag ebenfalls ausverkauft. Ein Stammkunde versichert: „Wir standen 20 Meter Schlange.“ Von Bienen und Schafen

Um den heute 52-Jährigen zu verstehen, muss man ihn zu seinen Bienen begleiten. Wenige Kilometer vom heimischen Aspach zieht sich die Murr, ein Nebenfluss des Neckars,­durch die wildromantische Landschaft aus Weinbergen, Streuobstwiesen. Unter duftenden Akazienbäumen summen zwölf Bienenvölker. Hier wachsen auch alte Wildfrüchte wie die Kornelkirsche, die Schlehe oder die fast

vergessene Elsbeere, die Wolfgang Kreß teilweise selbst kultiviert und in seiner kleinen­Manufaktur zu hocharomatischen Sorbets verarbeitet. Seine anfangs sechs Eissorten (mittlerweile sind es fast viermal so viele) süßt er statt mit konventionellem Zucker mit eigenem Blütenhonig, dessen dezente Süße sich am Gaumen harmonischer entfaltet. Dass er inzwischen seine Fruchtsorbets nur noch mit Agavendicksaft süßt, ist der Nachfrage nach veganem Eis geschuldet. Und damit kommen wir von den Bienen zu den Schafen. Wolfgang Kreß stieg von Kuhmilch auf die viel teurere, hierzulande kaum geläufige Schafsmilch um, als er bei einer Milch-Blindprobe deren Überlegenheit erkannte. Der höhere Fett- und Proteinanteil, die cremige Konsistenz, der feine, nussige Geschmack überzeugten ihn – seitdem gibt es für Wolfgang Kreß keine ➻

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hausbesuch

Verliebt in schiefe Wände Auf der Schwäbischen Alb hat Christa Schmieder einen 267 Jahre alten, vergessenen Bauernhof entdeckt: „Mein Mann hätte ihn nicht gekauft.“ Doch ihre Fantasie zog sofort ein in dieses schräge Haus. Text: Kathrin Thoma-Bregar Fotos: Josefine Unterhauser

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Die Küche ist hell und rustikal, das freigelegte Mauerwerk harmoniert mit den weißen Wänden.

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ohlig recken bunte Sommer­ blumen vor dem Haus die Köpfe in den blitzblanken Himmel. Es ist Mittag, und der Vorgarten von Christa Schmieder liegt verträumt in der heißen Julisonne. Das blaue Schleierkraut in den Bast­ körben genießt auf den Fensterbänken das Hitzebad. Bedächtigkeit hängt über dem Albdorf Bubsheim. Christa Schmieder kehrt vor ihrer weißen Haustür noch schnell das Kopfsteinpflaster. „Achtung, Kopf einziehen“, begrüßt die Hausherrin ihren Besuch. Sie geht voraus. Durch die niedrige Tür und über sogenann­ te Kolbinger Platten, die einst im Kloster Beuron lagen, geht es hinein in ihr schmu­ ckes kleines Bauernhäuschen mit weißen Sprossenfenstern, hellblauen Läden und Holzverzierungen am Giebel. Rund zwei Jahre hat Christa Schmieder an dem ehemaligen Hof gewerkelt, hat die Außenmauern freigelegt, Wände eingeris­ sen, Böden verlegt und es mit viel Hingabe fürs Detail eingerichtet. Hinter so manchen Ecken und Türen stößt man auf Überra­ schungen. Dazu später mehr. Angefangen hat alles mit einer Fahrradtour.

Bitte ein haus mit Vergangenheit

Christa Schmieder wollte schon immer ein Schwarzwaldhaus haben, ganz so, wie es sich für ein gebürtiges Schwarzwaldmädel gehört. „Mit mindestens 200 bis 300 Jahren auf dem Buckel. Alles, was jünger ist, hat mich nie interessiert.“ Die Hauseigentümerin stammt aus dem kleinen Dorf Yach in der Nähe von Freiburg. „Wenn man in so einem Ort aufwächst, wo sich jeder kennt, wo man als Kind bei jedem Bauern ein- und ausgeht und sich einfach mit an den gedeckten Tisch setzt, dann prägt einen das.“ Nun liegt ihr Haus zwar nicht im Schwarzwald, aber zirka 1.000 Meter hoch auf der Schwäbischen Alb, in Bubsheim, wo es ähn­ lich beschaulich zugeht, wie sie es aus ➻

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Was macht ein haus schick? Ganz viel Glas. Was macht ein haus behaglich? Ganz dicke mauern.

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Im Schlafzimmer herrscht ein Hauch nordischer Frische. Die Hausherrin liebt Weiß und setzt Akzente – wie hier mit Dekomuscheln – dagegen.

ihrer Kindheit gewöhnt ist. Der Humanist Sebastian Münster († 1552) hat einmal geschrieben: „Es ist die Alb ein birgigs, steinigs und ruches Land, aber do zeucht es viel Korn, Habern und Gersten.“ Auch wenn man in dem 1.150-Seelen-Dorf Bubsheim längst nicht mehr von der Landwirtschaft lebt, die kleinen, schmalen Straßen sind flankiert von Höfen, die in typischer Manier eng aneinandergebaut sind. Die spitzen Dächer haben Giebel und die angebauten Ställe große, quadratische Scheunentore. Ihr Traumhäuschen in der Talstraße hat Christa Schmieder vom Rad aus erspäht. Die Familie verbrachte ihre Urlaube regelmäßig in der Gegend. Es war Zufall – und Liebe auf den ersten Blick. Dort, wo andere nichts als ein altes, heruntergekommenes Bauernhaus sahen, erspähte Christa Schmieder ein kleines Juwel. „Ich konnte mir sofort vorstellen, was man daraus machen kann. Mein Mann konnte das nicht, der hätte es niemals gekauft“, lacht sie. Doch die resolute Christa setzte sich durch, der „Schauberhof“ aus dem Jahr 1747 wurde ihrer. Den Namen habe das ­Gebäude von seinen Bewohnern, weiß sie zu erzählen. „Es waren zwar Bauern, aber einige verdienten ihren Lebensunterhalt auch mit Drechseln. Sie zogen umher, manchmal sogar bis in die Alpen, so verkauften sie ihre Produkte. Das nannte man hier in der Region früher ‚schaubern‘, deswegen heißt der Hof Schauberhof.“ Schief ist es, schief soll es bleiben

Als die Schmieders das Bauernhaus kauften, war innen alles mit Tapeten zugeklebt, Teppichböden rochen muffig, Spanplatten verbargen die Holzdecke. „Wir mussten erst mal alles komplett rausreißen, auch die ganze Isolierung ➻

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Im Wohnzimmer wurde das Mauerwerk aus Kalkstein an der ­Längsseite freigelegt. Boden und Decke sind aus Altholz. Unten: Löwenfußwanne aus einem französischen Schloss. Daneben: Kreuz und Kerzen, einst im Dienste des örtlichen Pfarrers.


Thymian und Rosmarin duften, Herzen mit Kerzen warten. Links: ein Vogelhaus, d ­ avor Blaurebe und ­Kirschlorbeer. Vier Lammfelle im ­Schatten, eine alte Getreidemühle.

vom Erdgeschoss bis unters Dach musste weg.“ Die bestand hauptsächlich aus Tannen­zapfen, Korn und – toten Mäusen. Christa Schmieder muss sich bei dem Ge­ danken immer noch schütteln. Dennoch ist sie während der Renovie­ rungszeit stets ihrem Wahlspruch treu ge­ blieben: so viel wie möglich erhalten. Bloß nicht dem Haus die Identität nehmen. Alles, was im alten Schauberhof neu ge­ macht und ergänzt werden musste, ließ sie aus Altholz anfertigen. Herausgekommen sind neue „alte“ Türen mit urigen Riegeln, Holzdielen wurden anderswo abgetragen, jetzt harmonieren sie hier wunderbar mit den Kolbinger Platten im Flur und am Frei­ sitz. Die Fliesen sind aus Kalkstein, genauso wie das wunderschöne Mauerwerk des Hauses, das hervorscheinen darf, das macht das Haus rustikal und bodenständig.

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„Ich bin ein Steinmensch und war so glücklich, als wir beim Renovieren auf die alte Mauer stießen“, schwärmt Christa, lie­ bevoll streichelt sie die Wand. Ein Sammler lieferte ihr die Zimmer­ decke im heutigen großen Wohnzimmer. „Die alte war einfach nicht mehr zu ge­ brauchen. Der Schreiner aus dem Ort hat alles genau an­gepasst, es blieb kein Milli­ meter Holz übrig. Wenn man ein Haus mit altem Material ­herrichtet, muss man eben aus dem was ­machen, was man zur Verfügung hat.“ Apropos Handwerker, der Schauberhof ist alt und schief – und das sollte er auch bleiben. „Die Handwerker konnten nur schwer akzeptieren, dass sie hier nichts ­begradigen durften“, erinnert sich Christa Schmieder, der die schiefen Absätze schon längst nicht mehr auffallen. „Was ich m ­ erke,

sind nur die Böden, die bis zu drei Zenti­ meter Gefälle haben. Da geht man mal bergab, mal bergauf.“ Im Stall wird heute gebadet

Dort, wo man vom Flur aus ins gemüt­liche Wohnzimmer abbiegt, wurde einst überm offenen Feuer gebrutzelt. Hinter vielen Schichten trat die alte Rauchküche hervor. In den schwarzen Stei­ nen und Holzbalken hat sich der Geruch von Rauch und Ruß festgesetzt. Es sei der Duft der Vergangenheit, schwärmt Christa Schmieder. „Hier hingen Würste und Speck, und der Rauch zog ein und schaffte ein köstliches Aroma. Ich wollte eigentlich das ganze Eck schwarz lassen und gar nichts verputzen.“ Aber dann geschah dieses Missverständ­ nis. „Der nette Handwerker hat gemeint,


Links: Zwei ziemlich gute Freunde, Christa Schmieder und Adamis, die ­Deutsche Dogge. Am Zaun leuchten unter anderem Rittersporn und altenglische Rosen.

er mache mir eine Freude, wenn er alles wegklopft. Jetzt ist halt nur dieser kleine schwarze Teil erhalten.“ Aber auch dieser kleine Teil sagt noch viel über die Lebensart von früher. Im hinteren Hausanbau hat Christa Schmieder eine moderne Küche mit allen technischen Finessen eingerichtet. Und hinter einem Blumenbild versteckt sich eine hocheffiziente Infrarotheizung, die das Haus zusätzlich zum Kachelofen mit wohliger Wärme versorgt. Was Schweinen, Kühen und Ziegen einst der Stall war, ist heute – das Badezimmer mit frei stehender Wanne und ganz ­eigenem Charme. Dabei hat die Hausherrin lange nicht gewusst, was sie mit dem Raum anstellen soll. Dann kam die Idee: Die Längsseite mit der Futterkrippe, die Holzläden für die

­ eueingabe und die Trinkkuhlen ließ sie H unverändert. „Man soll ruhig sehen, wie es wirklich mal war.“ Im Kontrast dazu stehen die Sauna, die große Dusche mit gefliesten Naturkieselsteinen und eine Löwenfußbade­wanne – ein Relikt aus einem Schloss in Frankreich. Für das Prachtstück haben die Instal­lateure extra spezielle Anschlüsse formen m ­ üssen. Auf das originelle Stallbad ist Christa Schmie­der besonders stolz. Von der Küche ins Herz des Hauses

Liebster Ort ist ihr aber die ehemalige Werkstatt, die sie zur Loggia mit angrenzendem Garten umfunktioniert hat – das Herz ihres Hauses. Man betritt den Raum direkt von der ­Küche aus. Hier spielt sich das Familien­ leben ab, an heißen Sommertagen genauso

wie an kühlen Abenden. Der Außenwhirlpool in Form eines großen Holzfasses ist ­sogar beheizbar. „Hier hinten ist es fast ein bisschen wie in Frankreich“, findet die Mutter von vier erwachsenen Kindern. Zufrieden lässt sie sich auf einem der schattigen Stühle nieder. Trotz seines Alters steht der Schauberhof nicht unter Denkmalschutz. Zu viel wurde im Lauf der Jahrhunderte an seiner Sub­ stanz verändert. „Ich hätte den Status gern gehabt, weil ich dann wüsste, dass das, was wir hier geschaffen haben, auch so erhalten bleibt“, sagt Christa Schmieder – man kann ihren Wunsch gut verstehen. So steht der Schauberhof mit seinen schiefen Wänden eben unter der persönlichen – und stilsicheren – Denkmalpflege seiner Eigentümerin. Und das ist ihm sichtlich gut bekommen. 3

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handwerk

Meisterin der

magischen Muster

Sie verzaubert mit Papier. Susanne Krause aus Hamburg-Rissen beherrscht als eine der Letzten die vergessene Kunst des Buntpapiermachens. Eine Geschichte wie ein kleines Fest, für Auge und Gemüt. Text: Birte Kaiser Fotos: Georg Tedeschi

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D

ie Worte des Herrn waren schon immer kostbar. Eine ganze Herde Lämmer benötigten die Kunsthandwerker des späten Mittelalters, um ein einziges Evangeliar herzustellen. Die Häute der Tiere wurden gereinigt, gespannt, getrocknet, die Oberfläche mit Bimsstein geglättet und mit Kreide geweißt, bis die Haut zu feinstem Pergament wurde. Nun erst konnten Schreiber und Maler Hand anlegen und Bücher fertigen, die nur Adelige und Kirchenoberste je zu Gesicht bekamen. Doch die Zeiten sollten sich ändern. Der Dreißigjährige Krieg war vorüber und die Menschen lernten lesen. Längst noch nicht alle von ihnen, aber das Buch war im Begriff, die Welt zu revolutionieren – und mit ihm hielt das Papier Einzug in die deutsche Kulturgeschichte. Susanne Krause lebt mit dieser Geschichte. Bücher sind ihre Leidenschaft, Papier ist zu ihrer Berufung geworden. Die 60-Jährige ist eine der letzten gewerblichen Buntpapiermacherinnen Deutschlands. „Wir waren anfangs nur die Zulieferer für die Buchbinder“, erzählt die Hambur­gerin. „Die gefärbten und gestalteten Bogen wurden vor allem für Einbände und als Vorsatzpapiere verwendet und waren damit eben nur ein kleiner Teil des fertigen Buches.“ Nicht einmal zu einer eigenen Zunft reichte das Ansehen der Buntpapiermacher. Einfach ausgedrückt bezeichnete man Buntpapier schlicht als „Rohpapier, das nachträglich verschönert und veredelt wurde“. Eine grobe Untertreibung für ein Produkt, das durch seine Fantasie und Farbigkeit beeindruckt wie kaum ein anderes.

Im weltreich Fantasie

Die Palette reicht von zarten Sprenkeln über großflächige Ornamente bis zu grafischen Mustern, die an erhabene Wandfliesen erinnern. Häufig tauchen florale Elemente auf, einige Bogen muten an wie Marmor, Granit oder gemasertes Holz. Manchmal entsteht das Motiv erst im Auge des Betrachters, der in den geschwungenen Linien fliegende Kraniche oder in den grauweißen Pünktchen eine Pusteblume erkennt. Eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken führt zu immer neuen Ergebnissen, je nachdem, wie Materialien, Werkzeuge ➻

Zügig muss Susanne Krause das sogenannte Trägerpapier bearbeiten, bevor der eingefärbte Kleister zu trocknen beginnt (oben). Je nachdem, welchen Effekt sie erzielen möchte, arbeitet sie mit zum Teil selbst hergestellten Pinseln, verwendet Musterrollen aus Messing (Mitte, rechts) oder filigrane Holzstempel. Oft lässt sie ihre Werkzeuge nach alten Vorlagen fertigen, so kann sie spezielle historische Muster nachbilden.


und Trägerpapier miteinander kombiniert werden. Für Susanne Krause beginnt die Entstehung eines neuen Werkstücks meist in der Küche. Aus Stärke bereitet sie zunächst ihren Kleister, der zwischen einem und fünf Tagen ruhen muss. Genügend Zeit also, sich um die Farben zu kümmern. Unzählige Töpfchen, Dosen und Flaschen mit leuchtenden Pigmenten und anderen Farbmitteln stehen in den Regalen der kleinen Werkstatt, darunter Raritäten wie echter französischer Ocker, dessen Nuancen­von Hellbraun bis ins Grünliche reichen.

Susanne Krause hat den vorbehandelten Papierbogen zusammengelegt. „Das Muster entsteht, indem ich auf die Rückseite des Papiers drücke.“ Natürlich kunstvoll. Das ist die Abzugstechnik. Unten: rekonstruierte Buntpapiere in einem 30 × 60 cm kleinen, barocken Damenschreibtisch.

Heute ist Rot die Farbe der Wahl. Mit einer Pipette gibt Susanne Krause vorbereitete Aquarellfarbe und Wasser in den Kleister, bis die gewünschte Farbintensität und Struktur erreicht sind. Es folgen kleine Probepinselstriche, noch ein paar Tropfen Farbe mehr, wieder einige Pinselstriche. Die Handwerkerin muss zügig arbeiten, denn der Trocknungsprozess beginnt sofort. Auch die falsche Raumtemperatur oder ungünstige Luftfeuchtigkeit in der Werkstatt kann dazu führen, dass sich die Materialien nicht verarbeiten lassen, der Kleister zu schnell oder zu langsam aushärtet. Die gefärbte, geleeartige Masse kann nun auf das weiße, angefeuchtete Papier aufgetragen werden. Die Suche nach passendem Trägerpapier ist für Susanne Krause nicht immer einfach. „Einerseits muss das Papier einer bestimmten DIN-Norm entsprechen und zertifiziert sein, damit meine Kunden, beispielsweise Kunstsammler oder Museen, auch sicher sein können, dass es säurefrei, licht- und alterungsbeständig ist. Andererseits kann ich nur Papier verwenden, das ganz bestimmte Stärkeanteile und andere Inhaltsstoffe aufweist. Ändert der Hersteller sein Rezept, ist das für mich ein kleines Drama.“ Der große weiße Bogen, der jetzt vor ihr liegt, stammt aus einer schwedischen Fabrik und lässt sich problemlos bearbeiten. Mit starken Pinselstrichen streicht die Bunt­ papiermacherin kreuz und quer über die Fläche und verteilt die Farbe unregelmäßig darüber. Gleich anschließend zieht sie mit einem Gummischaber gewundene Rauten in die Oberfläche. Kein Lineal, kein Maß-

zusatzfoto: martin LeSSner

momente, die alles entscheiden


Kleine Muster-Parade im Hamburger Atelier von Susanne Krause. Das Spiel mit Farben, Formen und Texturen war vor 300 Jahren ein hohes Kulturgut. „Zum Sterben zu schade.“

nehmen, kein Zögern. Die Hand der Künstlerin schlängelt sich wie ein Fisch über das Papier und hinterlässt dabei ein Gitter aus hellen­ Spuren. Kaum ist das beendet, greift sie zu einem hölzernen Stempel, setzt Blüten in die Mitte der Rauten. Das Muster hat Susanne Krause von einem historischen Original abgenommen und von einem der letzten Formstecher Deutschlands, Ewald Drescher in Pulsnitz,­ Oberlausitz, fertigen lassen. Andere ihrer Werkzeuge, wie zum Beispiel die kleinen Musterrollen aus Messing, stammen aus England. Viele ihrer Pinsel sind Spezialanfertigungen oder Eigenkreationen aus zerteilten Reisstrohbesen oder Schweineborsten. „Die meisten Techniken, die ich heute verwende, unterscheiden sich nur wenig von denen meiner Kollegen aus der Ver­gangenheit“, erzählt die Künstlerin. Im letzten Arbeitsgang muss der fertige Bogen trocknen und anschließend für ein paar Stunden gepresst werden, um mögliche Wellen zu glätten. Dann sind die Bogen

fertig und können an ihre Auftraggeber zur Weiterverarbeitung geschickt werden. Einen Laden betreibt die Hamburgerin nicht, wer sich für ihre Werke interessiert, bestellt im Internet oder auf Messen. siegeszug bis ins theater

Susanne Krause hat sich unter anderem auf Kleister- und Sprenkelpapiere nach historischen Vorbildern spezialisiert. Die ehema­ lige Restauratorin bekommt Anfragen aus der ganzen Welt, wenn es darum geht, das Papier eines wertvollen Buches, eines kunstvoll gestalteten Kastens oder auch eines Möbelstücks zu bestimmen und bei Bedarf originalgetreu zu reproduzieren. Im 17. Jahrhundert blühte die Buntpapierkunst auf, Buchbinder versahen immer häufiger ihre Werke mit Buntpapier. Möbeltischler ließen Schubladen und die Innenseiten von Schränken damit bekleben, EtuiMacher verzierten damit ihre Kästchen, man findet Bordüren aus Buntpapier in historischen­Musikinstrumenten, zum Beispiel im Cembalo. Sogar ganze Theatersäle

wurden einst mit Tapeten­aus Buntpapier geschmückt. Susanne Krause kann sich für alles begeistern, was mit ihrem Kunsthandwerk zusammenhängt. Sorgen macht ihr nur der Gedanke, dass es immer weniger Menschen gibt, die über das Wissen um diese alte Kunst verfügen. Die Hamburgerin fühlt sich darum verpflichtet, alles weiterzugeben, was sie sich im Laufe der vergangenen 25 Jahre angeeignet hat. Sie gibt regelmäßig Kurse sowohl für Laien als auch Fachleute, veröffentlicht Bücher­zum Thema und arbeitet in Museen. „Buntpapier ist ein Teil der deutschen Kulturgeschichte“, sagt Susanne Krause. „Die am Leben zu erhalten macht vielleicht nicht unbedingt reich, aber zufrieden.“ 3

Hamburger Buntpapier: Susanne Krause, Wittenbergener Weg 32, 22559 Hamburg, Telefon: 040/81 77 06, www.hamburgerbuntpapier.de

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brauchtum

Mit dem Bären auf

Forellenjagd

Beim Memminger Fischertag „jucken“ jedes Jahr mehr als tausend Teilnehmer mit selbst gebastelten Keschern in den Stadtbach, um die größte Forelle zu fangen und Fischerkönig zu werden. Text: Christian Schreiber Fotos: Stephan Sahm

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Bobby Herrmann ruft als Stadtbüttel den Memminger Fischertag aus. Tags ­darauf hat er eine noch viel w ­ ichtigere Aufgabe: Er begleitet seine Neffen bei ­ihrem ersten Sprung in den Bach (links).

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P

lötzlich steigen alle auf Tische und Bänke, um zu sehen, wer es ist. „Do kummt d’r nuie Kenig“, ruft Bobby Herrmann seinen Enkeln zu. Julian, 7, und Yannick, 10, stehen auf und jubeln. Man merkt nicht, dass sie heute in aller Herrgottsfrühe aufgestanden sind, um beim Umzug durch Memmingen dabei zu sein und anschließend ins eiskalte Bachwasser zu springen. Der neue König wird auf den Schultern starker Männer hereingetragen. Hunderte stimmen ihm zu Ehren ins „Schmotzlied“ ein, das im rauen allgäu-schwäbischen ­Dialekt den neuen Herrscher einführt. Der derbe Text ist nicht unbedingt für Kinder gedacht, aber Julian und Yannick singen aus voller Kehle mit. Sie wollen heute nichts auslassen, schließlich ist es ein ganz besonderer Tag für die beiden Buben: Zum ersten Mal dürfen sie beim Memminger Fischertag mitmachen. Die Veranstaltung gehört zu den ältesten und größten Heimatfesten im Allgäu. Einmal im Jahr „jucken“ die Memminger in den Stadtbach, um mit dem „Bären“, einem selbst gezimmerten Kescher, der seinen Namen noch aus dem Mittelalter hat, Forellen zu fangen. Wer das schwerste Exemplar rausholt, wird als Fischerkönig ein Jahr lang hofiert. Das Spektakel hat seinen Ursprung im 15. Jahrhundert, als man beschloss, die Memminger Ach einmal im Jahr zu säubern. Daraus entwickelte sich im 19. Jahrhundert der Fischertag. Seither melden Väter ihre Buben an, basteln mit ihnen einen Bären und nehmen sie mit in den Bach. Opa Bobby war schon Fischerkönig

Ganz oben: Die Forellenjäger jubeln ­ihrem obersten Fischer auf dem Fass zu. Er stimmt auf die kommenden Minuten ein, wenn alle in den Bach springen. Beim Stempeln der Teilnahmekarten geht es genau zu (oben links). An diesem Memminger Feiertag schlüpfen viele Einheimische in ­historische Gewänder.

Oder der Großvater übernimmt diese Rolle. Julian und Yannick könnten sich keinen besseren Lehrmeister wünschen. Opa Bobby, 71, hat seit 1957 keinen Fischertag verpasst, jedes Jahr mindestens eine Forelle gefangen und war vor 30 Jahren sogar selbst Fischerkönig, als ein 1.700 Gramm schweres Kaliber in seinem Netz zappelte. Und er schlüpft am Vorabend des großen Heimatfestes in die historische Rolle des Stadtbüttels, der den Memmingern mitteilt, dass „mora d’r ­Fischertag isch“. Auch da sind die beiden Buben dabei und blicken stolz auf ihren Opa, der im ­dunkelblauen Waffenrock von Platz zu Platz zieht und eine lange Papierrolle auspackt, auf der er fein säuberlich notiert hat, was sonst noch zu verkünden ist. Er wettert


Tatsächlich fängt Bobby wieder einen Fisch – wie jedes Jahr seit 1957. Enkel Julian lacht über so viel Glück. Links: Nach dem Spektakel kommen die größten Forellen zum Wiegen. Der schwerste Fang wird stets notiert.

über Baustellen in der Stadt und nimmt die Weltpolitik aufs Korn, indem er Plastikkrei­ sel in die Luft jagt, um vor der totalen Über­ wachung durch Drohnen zu warnen. Die Auftritte sind eine Mischung aus ­historischem Vorbild und modernem Mund­ artkabarett. Den Stadtbüttel hat es bis ins späte 18. Jahrhundert tatsächlich gegeben, das Gewand wurde nach Vorlagen aus dem Heimatmuseum geschneidert. „Aber bier­ ernscht derf’s it sei, sonscht kummt koiner me“, sagt Bobby. Nach der letzten Vorstel­ lung steigt der Stadtbüttel von seinem Po­ dest, steuert auf seine zwei Enkel zu und nimmt sie in den Arm. Obwohl Julian und Yannick in besten Händen sind, merkt man ihnen am folgen­ den Morgen ihre Nervo­sität an. Beim ersten Pflichttermin blicken sie mit staunenden Au­ gen um sich. Die männlichen Fischer – Frau­ en dürfen nicht mitmachen – versammeln sich, um den Stempel für ihre Teilnehmer­ karte zu erhalten. Ohne darf niemand in den

Bach. Die Verantwortlichen weisen noch mal auf die Regeln hin, die aus Rücksicht auf die Tiere immer strenger geworden sind. Der Kübel für die gefangenen Forellen muss beispielsweise mindestens sieben Liter Wasser fassen. In der Vergangenheit hat es Ärger mit Tierschutzorganisationen gegeben. „Aber die Lage hat sich geändert“, erklärt ­Veterinär Dr. Ludwig Singer. Er ist bereits beim Stempeln vor Ort, um Präsenz zu zei­ gen, später wird er mit vier anderen Kollegen das Geschehen am Bach überwachen. Vor dem Schulhof versammeln sich nun die Musikanten, die den Zug durch die Stadt anführen. Trommelschläge hallen durch die Gassen. Es liegt eine knisternde Stimmung in der Luft, die sich aus Anspannung und Vorfreude speist. Als sich die Masse in Bewegung setzt, werden die Buben lockerer, winken mit ­ihren Bären in die Menge und lächeln Be­ kannten zu. Viele Fischer tragen karierte Hemden, rote Halstücher und Westen. Es

gibt sogar einen Wettbewerb, bei dem eine Jury am Ende der Veranstaltung das beste Kostüm prämiert. Dass jeder einen Hut trägt, hat eher zweckmäßige Gründe: Daran sind die farbigen Stempelkarten festge­ klemmt, die zur Teilnahme berechtigen. Punkt acht ertönt das Startsignal

Während Bobby und die Buben mit den rund 1.200 anderen Fischern auf die Ziel­ gerade des Umzugs einbiegen, stehen Ehe­ frauen, Freundinnen und Schwestern in der ersten Reihe am Bach, um ihren Liebsten die besten Plätze zu sichern. Heidrun Herrmann wartet seit 1963 ­jedes Jahr an der Ach auf ihren Bobby – und diesmal auch auf ihre Enkel. Sie hat weiße Kübel mitgebracht, die noch leer sind. Schon stürmen die Fischer heran, um ihre Plätze einzunehmen. Von allen Seiten drängeln Menschen. Die schmalen Gassen am Bach sind unpassierbar, die kleinen ­Brücken hoffnungslos überfüllt. ➻

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