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Figuren aus unserer Kindheit

Text: Theresa Dreßer | Illustration: Chiara Profeta

Kindheitserinnerungen sind etwas Wunderbares. Man erinnert sich an eine Zeit zurück, in der unsere grössten Probleme waren, ob die besten Freunde von nebenan zuhause sind, ob man am Sonntag fernsehen darf, wenn’s draussen nicht schön ist oder Ähnliches in dieser Güte.

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Wir wurden durch unsere Kindheit begleitet durch Figuren, Geschichten und Fernsehsendungen. Ich persönlich bin noch mit Kassetten aufgewachsen. Bei meinen Kassetten damals waren die drei ???, Benjamin Blümchen, Wendy, TKKG und viele andere vertreten. Die Frage ist, wie geht es unseren Figuren von damals? was ist aus ihnen geworden? Und womit beschäftigen sich unsere Schülerinnen und Schüler?

Lerninhalte in Kindergeschichten

Auf Benjamin Blümchen möchte ich gerne kurz eingehen. Seine Geschichten gibt es mittlerweile seit etwas mehr als 40 Jahren. Dazu muss man aber sagen, dass seine Persönlichkeit komplett revidiert wurde. Als die Figur ins Leben gerufen wurde, kreierte man einen anthropomorphen, sprechenden Elefanten mit einem 9-jährigen Jungen als besten Freund. Die Beiden waren sehr erwachsen und wussten viel, dass sie den zuhörenden Kindern vermittelten. Neben Einblicken in verschiedene Berufe wurden politische Themen aufgegriffen.

Der Elefant streikt in mehreren Folgen erfolgreich gegen den Bürgermeister, Bauvorhaben und Lärm durch Autos. Dabei wird auch die Umweltbelastung durch Autos angesprochen, wohlbemerkt im Jahre 1978. Es gibt sogar eine Folge, in der das Thema Depression behandelt und erklärt wird. Des Weiteren werden Themen wie Tier- und Umweltschutz sowie Umweltverschmutzung des Öfteren behandelt. In einer Folge zum Beispiel, in der der Zoo umzieht, beginnen durch verschiedene Umstände die Zootiere zu sprechen.

Sie werden gefragt, wie sie sich ihr neues Gehege wünschen würden. Das Eisbärbaby sagt, dass es nicht immer angestarrt werden will und die Eisbärenmutter sagt, dass es ihnen generell viel zu warm wäre und dass sie lieber in ihre Heimat zurückwollen würden. Die Krokodile hätten gerne den Nil durchs Gehege fliessend. Ein Löwe erklärt, dass wenn er einen Wunsch frei hätte, würde er gerne den Wildjäger, der ihn damals eingefangen hatte, zum Jagen haben. Der andere ergänzt, dass das auch zum Fressen gut wäre.

Ob dies eine kindgerechte Vermittlung der Lerninhalte ist, sei dahin gestellt. Ich denke, dass man Kindern durchaus viel zutrauen kann. Nach etwa 80 Folgen hat man die Persönlichkeit der Figur Benjamin Blümchen verändert. Heute ist er eher dümmlich. Sein immer noch 9-jähriger Freund Otto erklärt ihm viel, und wenn der nicht weiter weiss, kommt jemand Erwachsenes zur Hilfe.

Schattenseite

Es gibt natürlich auch viele aus heutiger Sicht fragliche bis verwerfliche Inhalte in Kindergeschichten von früher. Angefangen bei dem N-Wort, dass früher frei verwendet wurde und heute ein absolutes Tabu ist. Das Paradebeispiel aus meiner Kindheit war das N-Wort-Meitli Susu aus einer 1970 erschienenen Chasperli-Geschichte. Es war zwar in meiner Kindheit Thema und man wusste, dass diese Geschichte verwerflich ist, aber es wurde nicht ernst genommen. Zu meiner Primarschulzeit war meine beste Freundin ein Mädchen mit israelischem

Hintergrund. Sie hatte schwarze Locken und einen leicht dunkleren Hautton als die meisten. Wir nannten sie damals liebevoll Susu. Wir Kinder und auch sie fanden das wirklich lustig. Aber keiner hat es jemals böse gemeint. Weitere Inhalte, die man heute niemals mehr in einer für Kinder produzierten Geschichte finden würde, sind die Verherrlichungen von Alkohol und Zigaretten. Wer früher gerne mal Pumuckl geschaut hat, kennt es.

Der kleine kindliche Kobold Pumuckl ein bisschen Bier und stiehlt sich Zigaretten von Meister Eder, ohne Konsequenzen. Die Erwachsenen Figuren in der Geschichte sind ständig leicht beschwipst und trinken bei der Arbeit sowie in der Freizeit gerne Bier.

Sendung zerstört

Ist es nicht wunderbar, wenn man zum Beispiel krank ist und dann in den Genuss des Tagsüber-Fernsehens kommt, wie damals in Ausnahmefällen an Regentagen. Nein, ehrlich gesagt ist es das nicht. Kennt jemand noch die Sendung Eins, Zwei oder Drei? Dieses blaue Tier, ein Moderator namens Elton und drei Teams, je eins aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Quizfragen, bei denen man mitraten konnte und die Kinder, die sich vor die Abbildung der Antwort stellen mussten, so schnell wie sie nur konnten.

Dazu der immer gleiche Spruch: «Eins, Zwei oder drei, letzte Chance vorbei.» dicht gefolgt von: «Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht.» Dann ging ein Leuchtregen wie bei einem Silvesterkracher bei der entsprechenden Antwort an. Heutzutage sind an der Wand und auf dem Boden zwei riesige Bildschirme, die die drei Antwortoptionen zeigen. Die Kinder sollen sich nach wie vor zu der Antwort stellen, die sie für richtig halten. Dann nach dem Spruch: «Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht.» geht kein Licht an.

Die Bildschirme werden ausgefüllt mit der Farbe der richtigen Antwort. Auch wenn die Sendung wahrscheinlich immer noch viele interessante und wissenswerte Inhalte vermittelt, hat sie aus meiner Sicht etwas an Originalität und Charisma verloren.

Wandel durch die Zeit

Es lassen sich viele Unterschiede von den Medien damals zu den Medien heute feststellen. Ein gravierender Punkt aus meiner Sicht ist die Schnelligkeit. Früher gab es bei Hörspielen noch Dialoge, die mehrere Minuten lang gingen, ohne dass etwas Weltbewegendes oder Spannendes passierte. Heutzutage sind die Gespräche schnell geschnitten, die Geräusche heftiger und die Stimmen schriller.

Der Aspekt mit den Stimmen stört mich aktiv. Wenn ich, neben dem Studium, Kinder betreue und die ein Hörspiel hören, «chumi schier Vögel über». Es passiert jeweils so viel in so kurzer Zeit und die Stimmen sind so schrill, dass man kaum aushält zuzuhören. Ich fühle mich jeweils richtig alt, wenn ich sehe, dass die Kinder nebenher noch Spiele spielen oder Bücher anschauen und ich schon durch das Hörspiel alleine eine totale Reizüberflutung erfahre.

Bei Zeichentricksendungen kann man ähnliches feststellen. Die Sendungen werden heutzutage anders produziert als damals. Die Bilder wirken dadurch realitätsnäher und echter und die Figuren viel lebendiger. Vielleicht bin ich allein damit, aber ich habe die einfache Schlichtheit einer Biene Maja oder eines Wickies damals sehr geschätzt.

Was bedeutet das nun alles? In was für einer Welt wachsen unsere Kinder auf? Das Dilemma zwischen der grenzenlosen Behütung, geschützt vor jeglichen fraglichen Inhalten, und der totalen Reizüberflutung von klein auf. Ich dachte, als diese Veränderung im Fernsehen begann, dass ich meine Kinder nur mit den (überarbeiteten) Astrid Lindgren Geschichten aufwachsen lassen würde und mit den Kassetten, die ich selbst vertreten kann von damals. Das ist natürlich keine Lösung.

So würden die Kinder nur den Anschluss zu ihrer Generation verlieren und zu Aussenseitern mutieren. Man muss auch anerkennen, dass sowohl die Alten als auch die Neuen Geschichten Vor- und Nachteile haben. Ich denke, dass wir gerade als Lehrpersonen damit leben müssen, welche … , Fortnite, Drei !!!, etc. - Geschichten zu uns ins Klassenzimmer getragen werden. Wir könnten uns höchstens wappnen, indem wir auch mal reinhören. Vielleicht lernen wir noch was.

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