REVOLUTION Zeitung | 2016 | Nr. 4

Page 1

2016 | Nr. 4 | Zeitung der internationalen kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION | Preis: 1€| Soli: 2€ | Ermäßigt: 50ct

AM 29. SEPTEMBER AUF DIE STRASSE:

Jugend gegen Rassismus NEIN HEISST NEIN

10

Gesetzesverschärfung zum Vergewaltigungsparagraph § 179 StgB

EUROPÄISCHE UNION

12

Was folgt auf den Brexit? Zerfällt der imperialistische Block?

TTIP UND UMWELT

20

Welchen Einfluss hat das Abkommen auf die Lebensmittelund Umweltfrage?


Die Zeitung, die du in deinen Händen hältst, wird regelmäßig von Jugendlichen zu unterschiedlichen Themen herausgebracht. Diese Gruppe von Jugendlichen nennt sich genau wie die Zeitung - REVOLUTION. Wir sind eine internationale kommunistische Jugendorganisation, die engagierte Jugendliche auf zwei Kontinenten organisiert. Wir haben ein gemeinsames Programm, das wir uns selbst erarbeitet haben. Wir sind offen für jede Diskussion, aber wir stehen geschlossen hinter unseren Aktionen. Wie unser Name sagt, sind wir für die Revolution, für den Kommunismus. Eine gerechte und befreite Gesellschaft kann nur entstehen, indem der Kapitalismus von denen, die er unterdrückt, zerschlagen wird. Und der Kampf dafür beginnt jetzt, in konkreten Kämpfen, wie im Kampf der Refugees für volle Bürgerrechte oder Seite an Seite mit Arbeiter_ innen aus aller Welt. Wir haben wöchentliche Ortsgruppentreffen, auf denen wir gemeinsam diskutieren und Aktionen planen. Wir gehen auf Demonstrationen, unterstützen Streiks und bringen Flugblätter und eine Zeitung heraus, um neue Jugendliche und junge ArbeiterInnen für unsere Ideen zu gewinnen. Wenn du unsere Ideen unterstützt, dann werde aktiv, organisiere dich gemeinsam mit uns!

3 4 5 6 8 9 10 12 14 15 16 18 20

SCHULE

Neues Jahr - Gleiche Probleme?

SCHULE

AfD und Bundeswehr

FREIHANDELSABKOMMEN

TTIP und der Widerstand gegen die Freihandelsabkommen

BLOCKUPY GOES BERLIN

Eine neue Runde des ewigen Eventhoppings

JUGEND GEGEN RASSISMUS

Auf die Straße gegen parlamentarischen Rassismus!

JUGEND GEGEN RASSISMUS

Was tun an meiner Schule?

SEXUELLE SELBSTBESTIMMUNG

Immer noch nur im Rahmen von Rollenbildern

EUROPA

Zerfall eines imperialistischen Blocks?

BERICHT

REVOLUTION-Camp

REVOLUTION VOR ORT

Veranstaltungen in Fulda und Berlin

55 JAHRE BAU DER BERLINER MAUER Ein Monument der Bürokratie

AUSNAHMEZUSTAND IN DER TÜRKEI

Nein zum „zivilen“ Putsch

TTIP

TTIP: Umwelt und Lebensmittelfragen sind Klassenfragen.

Der Name ist Programm: Hier in dieser Zeitung erfährst du nur einige Punkte und Positionen unserer Politik. Sie alle basieren auf unserem Programm, welches unsere heutige Situation mit dem Kampf um eine sozialistische Revolution verbindet. Allen Jugendlichen innerhalb der Sozialdemokratie, sowie in der radikalen Linken, wollen wir mit diesem Programm einen Diskussionsvorschlag bieten für den Aufbau einer tatsächlich revolutionären, unabhängigen Jugendorganisation – einer neuen Jugendinternationale. Wir fordern euch auf, es mit uns zu diskutieren und aktiv in die kommenden Auseinandersetzungen in der Krise zu tragen.

Auch in deiner Stadt

Berlin | Bonn | Dresden | Frankfurt a.M. Freiburg | Fulda | Hof | Karlsruhe Kassel | Leipzig | München | Oldenburg Potsdam | Stuttgart | Zülpich | Hamburg

Ortsgruppentreffen

Berlin | A17 | Admiralsstr. 17 jeden 1. und 3. Dienstag | 1700 Uhr jeden 2. und 4. Dienstag| 18 00 Uhr Kassel | jeden Mittwoch| 18 30 Uhr Schlachthof | R113 Fulda | jeden Montag | 1800 Uhr Büro Die LINKE | Heinrichstraße 81 Bonn | Jeden zweiten Dienstag | 1700 Uhr | Ort auf Anfrage Stuttgart | jeden Mittwoch | 1830 Uhr Kolchose Ost | Wagenburgstraße 77 Leipzig | jeden Freitag | 1800 Uhr Libelle | Kolonnadenstr. 19 Dresden | jeden Dienstag | 1800 Uhr in der Kamenzer Straße 38

2 Editorial

Inhalt

We are (the) REVOLUTION

Redaktion: Lars Keller, Ben Zimmer, Flo Wasser, Leonie Schmidt, Felix Robeson, Luise Hase, Trude Sommer

Kontakt:

www.onesolutionrevolution.de - /onesolutionrevolution.germany germany@onesolutionrevolution.de

kommende Termine

Jugend gegen Rassismus | Bundesweiter Aktionstag | 29. September Stop TTIP & CETA | 17. September

V.i.S.d.P. Lukas Berrens, Heerweg 2, 2538 Meppen


Neues Jahr - Gleiche Probleme? REVOLUTION LEIPZIG Jahr für Jahr müssen sich Millionen Schüler_innen an verschiedensten Schulformen den gleichen Strapazen aussetzen. Von Mobbing, über Leistungsdruck und Unterdrückung durch Geschlecht, oder Herkunft. Der Konkurrenzkampf beginnt schon von klein auf. Wenn sich die Grundschulzeit dem Ende neigt und sich entscheiden soll, auf welcher Schulform du dich nun weiterbilden sollst, werden Kinder von Eltern und Lehrer_innen unter Druck gesetzt, den Sprung auf das Gymnasium zu schaffen. Denn sie meinen: Ohne eine schulische Ausbildung auf dem Gymnasium und guten Noten erreichst du nicht das Abitur, ohne Abitur erhältst du keinen erstklassigen Job und ohne diesen verdienst du nicht genug Geld, um vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. Somit beginnt bereits hier das Klassendenken und Aussortieren. Die Schüler_innen in den Gymnasien werden getriezt und unter Druck gesetzt, z.B. mit unendlich vielen umfangreichen Hausaufgaben, Hausarbeiten und täglichen Tests und Klausuren. Denn sie seien ja die „Eliteschüler_innen“. Kaum bleibt Zeit, um sich auszuruhen oder persönlichen Aktivitäten nachzugehen. Hingegen werden Schüler_innen von Haupt- und Mittelschulen als schlecht, weniger intelligent und minderwertig abgestempelt. Um so genannte „Sorgenkinder“ wird sich kaum gekümmert, denn „ihnen kann man schließlich eh nichts beibringen“ und somit werden sie bis zur 9. bzw. 10. geduldet und gehofft, dass sie schon irgendwo eine Ausbildung finden werden. Doch egal in welcher Schulform, ob Hauptschule oder Gymnasium: Unterdrückung herrscht in jeder Schule und oft auch zwischen den Schüler_innen. Ob nun die Noten, oder bei Jugendlichen typische Statussymbole, wie Kleidung, Handys usw. Thema sind. Bist du nicht wie die anderen und kannst nicht mithalten wirst du ausgegrenzt. So wird

man genötigt die teuersten und angesagtesten Dinge zu besorgen, die neusten Musiker_innen zu kennen und zu mögen, angepasst zu sein, wie alle anderen, um einen erträglichen Schulalltag mit den Mitschüler_innen erleben zu können. Oft leiden migrantische Schüler_innen auch unter rassistischen Anfeindungen, oder im schlimmsten Falle mit Angriffen. Doch getan wird erst etwas wenn es schon längst zu spät ist. Denn oft ist dieses Denken nicht nur in den Köpfen der Schüler_innen, sondern auch in denen der Lehrer_innen und genau da liegt das Problem. Lehrer_innen werden als Autoritäten dargestellt, als Menschen deren Meinungen und Entscheidungen grundsätzlich richtig sind und denen man gehorchen muss. Doch wie sollen Kinder und Jugendliche als solidarische und tolerante Menschen erzogen werden, wenn es ihnen genau von diesen Menschen falsch vorgelebt wird? Meist traut sich niemand etwas zu sagen, aus Angst, dass es einem dann selbst so ergehen könnte. Denn oft werden die Schüler_innen die sich gegen sexistische, homophobe, oder rassistische Aussagen wehren, mit Tadeln bestraft, oder nicht ernst genommen und beachtet, da die Lehrer_innen die Autoritätspersonen sind und diese haben nun mal recht. Somit fällt es schwer sich gegen Machtausübungen dieser Art entgegen zu setzen. Kritisches Denken ist in der Schule nicht verboten, jedoch wird oft wenig getan es bei den Schülern zu fördern. Vor allem für Hauptschüler, welche oft am meisten von Ausbeutung beim Arbeiten bedroht sind. Viel häufiger bekommt man die Lehrinhalte durch Frontalunterricht eingetrichtert und muss sie aufsaugen wie ein Schwamm. Der Inhalt der Fächer ist stark von der herrschenden Meinung abhängig und rechtfertigt diese. In Nazideutschland äußerte sich das besonders extrem: Rassenlehre stand auf dem Lehrplan. Gerät das System durch Krisen ins Schlingern, nimmt die ideologische Indoktrinierung zu. So z.B. aktuell

in der Ukraine, wo die Schulgeschichtsbücher Stepan Bandera – einen ukrainischen Nazi, der mit Nazideutschland zusammenarbeitete – seit diesem Jahr als Nationalhelden feiern. Auch in Deutschland will die rechtspopulistische AfD den Geschichtsunterricht auf das 19. Jahrhundert umgewichten, weg von allem Leid, dass Deutschland im 20. Jahrhundert über die Welt brachte. Im Kapitalismus wird Schule immer darauf ausgerichtet bleiben gehorsame, unkritische Menschen für den Arbeitsmarkt zu erziehen. In einer sozialistischen Gesellschaft würde die Schule für Schüler_innen ein Ort der Mitbestimmung, ein Ort der individuellen Entfaltung unter Gleichaltrigen sein und die Geschichtsbücher würden sich vor allem dem Kampf der Menschheit gegen alle Formen der Unterdrückung durch die herrschenden Klassen widmen. Die Aufdeckung und Aufarbeitung kapitalistischer Interessenpolitik und damit verbundener Verbrechen (Kriege, Regierungsstürze, Ausbeutung, Unterdrückung, Umweltzerstörung etc.) wird ein wichtiger Punkt werden. Die Schule wird solidarisches und kritisches Denken mit auf den Weg geben, statt egoistisches Karrieredenken und Konkurrenzkampf. Im letzten Jahr haben wir es mit „Jugend gegen Rassismus“ geschafft, bundeweit Schüler_ Innen für den Kampf gegen die rassistische Bewegung in Deutschland zu gewinnen. Wir haben die enorme Energie der Masse beobachtet. Auf dieser Grundlage ist es möglich jede Aufgabe gemeinsam zu meistern. Fast Zehntausend Schüler_Innen gingen am ersten bundesweiten Aktionstag in mehreren Städten auf die Straße. Es wurde gestreikt, demonstriert und gekämpft. Gekämpft für bessere Bildung, dafür das die Freund_ Innen aus meiner Klasse nicht abgeschoben werden. Gekämpft gegen eine mörderische Rechte Bewegung, die immer größer und stärker wird und unser aller Leben bedroht. Um eine bessere Zukunft

Klassenkampf 3


zu haben – um im Angesicht des kommenden Faschismus überhaupt eine Zukunft zu haben – bieten wir allen Jugendlichen unsere Hände um dieses drohende Übel gemeinsam abzuwenden. Gemeinsam

können wir es schaffen eine Organisation aufzubauen die auch die Wurzel des Übels – den Kapitalismus – direkt herausfordern und tatsächlich besiegen kann. Wir glauben REVOLUTION kann diese

Organisation sein. Organisiert euch bei uns, mit uns – gemeinsam für eine Welt jenseits von Konkurrenz, Leistungsdruck und Chauvinismus - gemeinsam für eine sozialistische Weltrevolution!

AfD und Bundeswehr Die Gewinnung von Jugendlichen [...] zugunsten einer erweiterten spielt für viele politischen Orga- Geschichtsbetrachtung aufzubrenisationen eine wichtige Rolle, da chen”, damit „auch die positiven, sie häufig noch offener gegenüber identitätsstiftenden Aspekte deutverschiedenen Positionen sind. scher Geschichte mit umfasst” Linke werben um sie, weil Jugend- werden. Aber auch der staatliche liche meistens den progressivsten Kriegsapparat bemüht sich, um und militantesten Teil von Bewe- Jugendliche für seine Sache zu gungen darstellen. Für rechte gewinnen. Allein 2014 mit einem Gruppen bleibt Budget von knapp immerhin noch „...durfte die Bundeswehr 30 Milliarden Euro die Militanz. Also für ‚Nachwuchsin maroden Schulgebäuden werbung‘ wird versucht, ausgeSchüler_Innen für die an den Schulen, stattet, durfte die die die OrganiBundeswehr in marbrutale Durchsetzung der s a t ion s z e n t r e n oden SchulgebäuInteressen des deutschen der Jugend sind, Imperialismus bequatschen“ den Schüler_Innen einen Einfluss für die brutale an die Seite des Durchsetzung der bürgerlichen Staates zu setzen, in Interessen des deutschen Imperiadessen Sinne die Schule ja agiert. lismus bequatschen (2014: 140.000 Die AfD wirbt hier nicht mit Rechts- in 8.100 Vorträgen erreichte Schürock-CDs, wie die Faschist_Innen ler_Innen, sowie 125.000, die von auf dem Land es tun, sondern ver- Jugendoffizieren mit besonderer sucht, auf Podiumsveranstaltun- Schulung in politischen Debatten gen ihre ekelhafte, rassistische und z.B. im Unterricht besucht wurreaktionäre Hetze zu verbreiten. den). Nicht nur diese jedoch: MittFür den Schulgeschichtsunter- lerweile wird verstärkt auf sogericht schlägt AfD übrigens vor, sich nannte Multiplikatoren gesetzt. Das weniger auf das 20. und mehr auf sind z.B. Lehrer_Innen oder Schuldas 19. Jahrhundert zu konzentrie- leiter_Innen, die angequatscht ren, also „die aktuelle Verengung werden und dann, aus ihrer verder deutschen Erinnerungskultur meintlich neutralen Position, die auf die Zeit des Nationalsozialismus Propaganda der Bundeswehr an

4 Klassenkampf

die Schüler_Innen weitergeben. Als Reaktion auf solch ungebetene Gäste beschränken sich leider viele Linke auf Appelle an die Lehrer_ Innen oder die Schulleitung oder rücken diese Möglichkeit zumindest an vorderste Stelle. Die Schulleitung ist allerdings austauschbar und besitzt keinerlei demokratische Legitimierung, sodass ihre Absage an Faschos, Rechtspopulist_Innen oder militärische Schergen von anderer Bedeutung ist, als die Verweigerung der gesamten Schule. Versuche von Schüler_Innen selbst derartige Veranstaltungen zu verhindern, zu sabotieren oder dort wenigstens eine gegensätzliche Position hineinzutragen bleiben so isoliert, individualistisch und sind oft zum Scheitern verurteilt, wie dies bei einer AfD-Veranstaltung in Landau sehr medienwirksam der Fall war. Dort haben Schüler_Innen die liebenswürdige Initiative ergriffen bei einer Veranstaltung der AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry, Zettel im Saal zu verteilen, die über die reaktionäre Politik der AfD aufklären sollten. Leider waren die unorganisierten Schüler_Innen jedoch schlecht vorbereitet und wurden von Frauke Petry hämisch auflaufen gelassen.


Es ist grundsätzlich falsch sich im Kampf gegen Krieg oder Rassismus auf bürgerliche Autoritäten wie die Schulleitung zu verlassen, da diese nur nach ihren eigenen Interessen handeln und Schulleiter_Innen nicht selten konservative Reaktionäre sind. Für uns ist es wichtig, dass wir Jugendliche selbst massenhafte und organisierte Maßnahmen ergreifen und unsere Schulen gegen solche Gestalten verteidigen. Dies bringt auch einen pädagogischen Effekt mit sich: Denn so lernen wir, dass wir gemeinsam stark genug sind um uns gegen jede Autorität zu behaupten. Wir dagegen wollen gemeinsam mit den Schüler_Innen den politischen und aktionistischen Widerstand organisieren. Die davon betroffen sind, sollen selbst die Instrumentalisierung

TTIP

nach einer schlagkräftigen Schüler_ Innengewerkschaft aufwerfen. Anzufangen empfiehlt es sich mit dem Aufbau einer linken Schüler_Innengruppe, die linke Politik in Form von Diskussionsveranstaltung; Flugblättern; aber auch direkter Aktion an die Schule tragen kann. Der bundesweite Schulstreik am 29.9. (?) bietet dafür einen hervorragenden Anlass. Die Schüler_ Innenvertretung hat außerdem das Recht zweimal pro Semester eine Vollversammlung einzuberufen, zu der sie auch Gastredner_Innen einladen kann, um sich an die Schüler_Innenschaft zu wenden. Wenn ihr nicht länger wollt, dass Rassist_Innen und Kriegstreiber_Innen sich an eurer Schule tummeln, dann kontaktiert uns und wir organisieren den Protest gemeinsam!

und der Widerstand gegen die Freihandelsabkommen

LEONIE SCHMIDT Die Uhr tickt. Das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen USA und der Europäischen Union soll, laut EU-Kommissionschef Jean Claude-Juncker, noch bis Ende diesen Jahres in Kraft treten. TTIP und CETA gelten als Auswüchse des Neoliberalismus. Aber warum?

TTIP UND DIE FOLGEN

ihrer Schule für rassistische oder militaristische Zwecke verhindern. Nur so kann die Schule dauerhaft frei davon gehalten werden, da die Schüler_Innen, sobald sie als Kollektiv aus dem Rahmen der sie umgebenden Herrschaftsverhältnisse ausbrechen, keiner höheren Instanz untergeben sind. Hinter dem_der Schulleiter_In steht das Schulamt und hinter dem Schulamt irgendwann Staat und Kapital, für welches die AfD ja Politik macht. Außerdem würde eine Kontrolle der Schüler_Innen über die Gäste an einer Schule die Machtverhältnisse dort überhaupt erst in Frage stellen: Warum sollten Schüler_Innen dann nicht auch über Lehrplan, Bewertungssystem oder Schulgebäude bestimmen? Der Kampf um diese Kontrolle würde dann auch die Frage

Die Freihandelsabkommen helfen lediglich den Monopolkonzernen noch mehr Profit aus anderen Ländern und armen Menschen zu ziehen und die kleinen regionalen Firmen auszuschalten. Ein Beispiel: Allein die US-Geflügelwirtschaft hofft, mit TTIP jährlich 500 Mill. Dollar zusätzlichen Umsatz in Europa zu machen. Dafür werden sogar Gesetze gelockert, um uns Chlorhühnchen auftischen zu dürfen. Genmanipulierter Mais und eine verpestete Umwelt sind nur einige der Aspekte, die uns erschauern lassen sollten. Des Weiteren ginge jegliche Transparenz, die dem Verbraucher zusteht, verloren. Auf europäischen Boden würde also faktisch amerikanisches Recht gelten. Doch es geht nicht nur um Lebensmittel und die

Umwelt. Auch die Privatisierung vom Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrssektor würde schwerwiegende Folgen haben: unbezahlbare Preise und eine noch größere Spaltung zwischen den Klassen. Die Einzelregelungen zwischen Staat und Konzernen sollen ebenfalls auf eine allgemein gültige Grundlage gebracht werden, was vielen Konzernen helfen würde, sich in Gerichtsverfahren besser und stärker gegen Staat und Gewerkschaften (logischerweise auch gegen ARBEITER_INNEN) durchzusetzen zu können. Denn den Konzernen wäre es dann möglich, den Staat zu verklagen, wenn Gesetze zu Profiteinbußen der einzelnen Konzerne führen würden. Das wäre beispielsweise dann möglich, wenn Regierungen den Mindestlohn erhöhen, oder den Sechs-Stunden-Tag einführen, oder Unternehmenssteuern erhöht werden, usw. Streiks würden zunehmend unmöglich werden, auch wenn der Druck auf die Arbeiter_innen gleichzeitig immens ansteigen würde. Die deutsche Regierung macht das aber mit, denn man verspricht sich von TTIP und CETA höhere Wachstumsraten, mehr Investitionen und

in Folge dessen, auch mehr Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Jedoch zeigen ähnliche Freihandelsabkommen (Deutschland ist ca. schon 180 eingegangen), die bereits eingeführt sind, eher das Gegenteil: Arbeitsplätze gehen verloren, Lohn und Arbeitsbedingungen sinken und man kann sich schlechter juristisch gegen Ungerechtigkeiten wehren.

WIDERSTAND IN DER POLITIK – IST TTIP TOT?

Trotzdem gibt es erste Gegenstimmen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Er und die SPD erklären das TTIP Handelsabkommen nämlich plötzlich für tot. Ihre Begründungen sind weitreichend: man habe sich in Grundsätzen nicht mit den USA einigen können, Schiedsgerichte seien doch keine so tolle Idee. Aus anderen Quellen mutmaßte man nun, dass Massenproteste die Politiker_innen verunsichert und umgestimmt hätten. Ironischerweise erklärt die SPD aber das CETA Freihandelsabkommen mit Kanada als sehr progressiv. Das ist ziemlich trickreich, denn ist das CETA-Abkommen, welches ebenfalls geheim verhandelt wird,

Klassenkampf 5


erst einmal in Kraft getreten, gibt es mehrere Möglichkeiten für die amerikanischen Investor_innen und Konzerne in Europa zu intervenieren. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel über kanadische Filialen der Konzerne Einfluss zu nehmen. Oder das CETA Abkommen könnte als eine Art Blaupause (also als übertragbares Vorbild) auf TTIP wirken. CETA ist bereits verhandelt, befindet sich zurzeit in der sprachlichen und juristischen Prüfung und soll ab Oktober in Kraft treten. Vorerst europaweit und dann einzeln abgestimmt in den nationalen Parlamenten.

PERSPEKTIVE DES ZIVILEN WIDERSTANDS

Ein großer Teil der Bevölkerung allerdings ist nach wie vor gegen die Freihandelsabkommen. Viele Tausende protestierten an

LARS KELLER Das 2012 entstandene Bündnis Blockupy will mal wieder den Protest auf die Straße tragen. Nachdem in den Vorjahren hauptsächlich Frankfurt den örtlichen Schwerpunkt der Proteste darstellte – zuletzt im März 2015 bei der Eröffnung der neuen EZB – ist das Bündnis nun nach Berlin umgezogen: „Blockupy goes Berlin“. Dort sind am 2. September Proteste und Blockaden rund um das Arbeitsministerium geplant. Am darauffolgenden Tag ruft das Bündnis zur Teilnahme an der Großdemonstration „Aufstehen gegen Rassismus“ auf. Blockupy ruft also zu Protesten gegen die Spar- und Verarmungspolitik in Europa und das europäische Grenzregime auf. Soweit nichts unbedingt Neues und weiterhin auch notwendige Proteste – weswegen auch wir uns Anfang September selbstverständlich beteiligen werden und zur Teilnahme an den Protesten aufrufen!

WAS BIETET BLOCKUPY?

Gleichzeitig muss aber auch gefragt werden: Was hat Blockupy in den letzten Jahren an politischer Qualität abseits eines tollen,

6 Reformismus

den Aktionstagen der Anti-TTIPBündnisse. Unterstützt wurden sie von Gewerkschaften, der Linken, den Grünen, NGOs und diversen Umweltgruppen. REVOLUTION beteiligte sich auch schon an einigen Anti-TTIP-Demonstrationen. Der Protest ist laut und bunt gemischt und findet mehrmals im Jahr statt. Aufgrund der Gewerkschaften und Parteien wird die Mobilisierung natürlich umso erfolgreicher und die hohen Teilnehmerzahlen sind vor allem auch ihnen zuzuschreiben. Es ist natürlich gut, wenn viele Menschen auf die Straße gehen. Politiker, die (laut dem Tagesspiegel) mittlerweile verunsichert sind, auch. Jedoch können Abkommen im Interesse des Kapitals und der Großkonzerne nicht durch reine Demonstrationen abgewandt werden. Der Protest muss

durchaus massenhaften Aktionstages erreicht? Welche Perspektive, welche Forderungen bietet uns Blockupy? Wie soll es nach dem Aktionstag weitergehen? Wird dann wieder anderthalb Jahre gewartet und dann denkt man sich: „Ach, komm, wir machen mal wieder was tolles, buntes um ein Zeichen der Solidarität zu setzen!“? Wo sieht Blockupy die Ursachen für Krisenregime und Rassismus und wer kann laut ihnen den Kampf dagegen auch gewinnen? Diese Fragen stellen wir nicht zum ersten Mal. Schon bei den Aktionen gegen die EZB Eröffnung kritisierten wir die fehlenden, konkreten Forderungen und weiterführenden Perspektiven. So auch dieses Mal: Im Aufruf zum zweiten September wird viel geschwärmt über Flüchtlingssolidarität, den Kämpfen in Frankreich, es wird sich beschwert über den Grenzbau und Abschottung und über die Austeritätspolitik technokratischer Regime, denen eine Absage erteilt wird. Aber da, wo sich viele die Frage stellen, wie zum Beispiel dem wachsenden Rassismus dauerhaft praktisch begegnet werden kann, da hört Blockupy auf. Nirgends ist die For-

anders ausgetragen werden und das vor allem europa- und auch nordamerikaweit. Da wir uns mittlerweile in der Endphase der Verhandlungen von TTIP und CETA befinden, muss der Protest eine andere Perspektive annehmen. Er muss kämpferischer und schwerwiegender werden, den Wortführern der EU zeigen, dass man mit der Bevölkerung und insbesondere der Arbeiter_innenklasse nicht alles machen kann. Er muss den Kapitalist_innen schaden und die Arbeiter_innen an die Hebel setzen. Was also wäre da besser geeignet als ein bundesweiter, wenn nicht gar europaweiter und auch in Nordamerika stattfindender Massenstreik, der das alltägliche Leben, die nationale Wirtschaft und die Konzerne in seinen Grundfesten erschüttert?

Blockupy go

Eine neue Rund derung Eventhop an Gewerk-

schaften und ArbeiterInnenparteien für eine Einheitsfront mit lokalen Aktionskomitees zu finden. Nirgends die Forderung nach antirassistischer Selbstverteidigung. Ebenso ist Blockupys Antikapitalismus weiter sehr phrasenhaft und genauso begrenzt und leer. Weder beim Rassismus, noch bei der Austerität erkennt Blockupy, dass beides ein zwangsläufiges Phänomen der kapitalistischen Krise ist, Blockupy erkennt nicht, dass die herrschende Klasse soziale Angriffe fahren muss, um ihren Platz in der weltweiten Konkurrenz zu halten. Genauso der Rassismus, welcher dann entsteht, wenn Teile der Gesellschaft im Zuge der Krise vom sozialen Abstieg betroffen sind und daher schnell der Ideologie „Deutsche zuerst“ verfallen, diese Spaltung ist natürlich durchaus praktisch für die herrschende Klasse. Dementsprechend koppelt BlockupyalsowievielelinkeGruppierun-


Streiken ist tatsächlich eines der wenigen politischen Mittel, welches der Arbeiter_innenklasse in Zeiten der Krise zur Verfügung steht, wie man am Beispiel von Frankreich sehen kann. Nicht nur für einen politischen und kämpferischen Erfolg sind Streiks im Allgemeinen gut, sondern auch um das Klassenbewusstsein zu aktivieren (Dies funktioniert besonders gut bei erfolgreichen Streiks). Doch für einen Massenstreik braucht es eine gute Organisation und Mobilisierung, die in einer so kurzen Zeit nur mit Hilfe von Gewerkschaften vonstattengehen kann. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung, jedoch muss der Streik trotzdem demokratisch organisiert werden. Es muss transparent agierende, sofort abwählbare Streikleiter geben und nicht solche, die hinter verschlossenen

goes Berlin

nde des ewigen g e n d e n hoppings Antirassismus vom Sturz des kapitalistischen System als Ganzem los.

EVENTHOPPING

Während für uns Aktionstage wie der 2. September oder auch die zahlreichen Aktionskonferenzen der letzten Monate, bei denen es darum ging, wie Geflüchtete integriert (Welcome 2 Stay) werden können oder der Rassismus geschlagen (Aufstehen gegen Rassismus) werden kann, dazu dienen sollen eine Bewegung zu entfachen, so scheinen für die treibenden Kräfte Blockupys wie z.B. die „interventionistische Linke“ mit den Events die Bewegungen bereits ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Anstatt der Beginn zu sein, ist das Event das Ziel. Danach schlafen die meisten Mobilisierungsstrukturen wieder ein. Das ist sehr schade, denn Blockupy hätte durch die Verbindung zu Gewerkschaften und Linkspartei durchaus Potential große Teile der Klasse zu mobilisieren.

Türen mit Politikern verhandeln. Wichtig ist außerdem, dass nicht nur gestreikt wird, sondern (z.B. wie auch in Frankreich) Raffinieren besetzt und blockiert, sowie Atomkraftwerke herunter gefahren werden, wenn TTIP am Ende doch unterzeichnet werden sollte. Ebenso ist es auch essentiell, dass die breite Öffentlichkeit über die Funktionen und Ziele der Streiks informiert und aufgeklärt ist. Denn wenn sie nicht informiert ist, hat sie kein Verständnis für die, mit Massenstreiks anfallenden, Probleme. Doch selbst wenn der Generalstreik europaweit durchgeführt werden könnte, ist es natürlich trotzdem sehr wichtig sich auch mit den kanadischen und amerikanischen Gewerkschaften in Verbindungen zu setzen. Denn auch für diese Arbeiter_innen sind TTIP und CETA kein Zuckerschlecken.

Den Menschen muss klar werden, dass das Demonstrieren oft einfach nicht ausreicht und hier kämpferischere Mittel in Betracht gezogen werden müssen! Sicherlich wird es nicht einfach sein eine große Mehrheit von einem Massenstreik zu überzeugen, jedoch stimmen nicht einmal mehr ein Fünftel der Bevölkerung TTIP zu. Doch nur mit Kampfformen, deren Auswirkungen die Kapitalist_innen am eigenen Profit spüren, wird es möglich sein Freihandelsabkommen und jegliche zukünftige Angriffe auf die Arbeiter_innenklasse abzuwenden und zu zerschlagen, woraus obendrein ein gestärkter Internationalismus zwischen den einzelnen Arbeiter_Innenbewegungen hervorgehen kann! Für diese Kampfperspektive werden wir auch bei künftigen Anti-TTIP-Protesten eintreten!

Doch dafür müssten eben dieser Klasse auch Vorschläge gemacht werden – und daran mangelt es ja bekanntlich. Zwar schreibt Blockupy am Ende des Mobitextes, dass der 2.9. ein Startschuss für eine Art Kampagne mit Hinblick auf den G20-Gipfel nächstes Jahr in Hamburg werden soll, aber die Erfahrung aus dem letzten Jahr war, dass zum G7-Gipfel deutlich weniger kamen als Monate zuvor zur EZB-Eröffnung.

Es sollte wenige gemeinsame, konkrete Forderungen geben, aber nichts was die eigene Politik verwäscht! Solche Forderungen können unter anderem sein: • Auftelung der Arbeit in Europa auf alle, seien es Geflüchtete oder die arbeitslose Jugend Südeuropas – und das nicht zu Dumpinglöhnen, sondern einem von ArbeiterInnenkontrollkomitees festgelegten und überprüften Mindestlohn! • Offene Grenzen! • Wohnraum für alle - kontrolliert durch ArbeiterInnenkomitees! Enteignung von Leerstand und für sozialen Wohnungsbau, finanziert durch die Kapitalist_Innen! So eine Einheitsfront fällt aber natürlich nicht vom Himmel – um ihren Aufbau muss gekämpft werden. Es braucht mehr als einen Aktionstag, es braucht verpflichtende Absprachen und Druck auf die ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften! Blockupy hat die Reichweite so etwas mit voranzutreiben. Daher fordern wir Blockupy auf, eben jenen Druck auszuüben und zudem mit zu mobilisieren für den Schulstreik Ende September!

WIE KANN ES WEITERGEHEN?

Das Bündnis „Jugend gegen Rassismus“ wird am 29. September einen weiteren bundesweiten Schulstreik gegen Rassismus durchführen. Hierzu werden wir während des gesamten Septembers intensiv mobilisieren, so auch bei Blockupy. Nicht nur das, wir versuchen auch die oben aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Für uns sollte sich eine Einheitsfront vor allem auf gemeinsame, dauerhafte, massenhafte Aktionen mit lokalen Aktionskomitees bestehend aus allen Organisationen der ArbeiterInnenklasse einigen – sei es nun gegen Rassismus oder Verarmung und Arbeitslosigkeit.

Reformismus 7


29. September:

Auf die Straße gegen parlamentarischen Rassismus! JAQUELINE KATHERINE SINGH Seit 2 Jahren sind die Rassist_ Innen in Deutschland auf dem Vormarsch. Vor einigen Monaten hat die rassistische AfD erschreckende 24 % in der Landtagswahl von Sachsen-Anhalt erreicht und in Mecklenburg Vorpommern, sowie Berlin sieht es für die Wahlen im kommenden Herbst auch alles andere als rosig aus: Die Zustimmung für Hetze wächst, Angst und Hass werden geschürt und Rassist_Innen wie Frauke Petry und Björn Höcke finden mehr und mehr Gehör. Die Anzahl der Menschen, die solche menschenverachtenden Einstellungen offen teilen, wächst stetig. Geflüchtetenunterkünfte brennen und werden zerstört, ihre Bewohner_Innen werden regelmäßig körperlich angegriffen, rassistisch beleidigt, ausgeschlossen und benachteiligt. Parallel dazu winken die Parlamentsparteien Asylgesetzverschärfungen durch oder versuchen beispielsweise unter dem Deckmantel der Frauenrechte Geflüchtete schneller abzuschieben. Auch in den Medien hat sich einiges geändert. Während man vor einen Jahr noch von den Strömen der Geflüchteten berichtet hat und uns in einem kurzen Zeitraum eine Willkommenskultur

8 Antirassismus

vorheucheln wollte, lesen wir nun der Ausbeutung der Ware Arbeitsvon der Gefahr von Terroranschlä- kraft die Profite der KapitalistIngen oder fremdländischer Die- nen sichern, diese gilt es Aufrecht besbanden. Das zu erhalten. Letztalles zeigt, dass es „Geflüchtetenunterkünfte lich also jedweden einen Rechtsruck brennen und werden zerstört Zusammenschluss innerhalb unsealler ArbeiterInund ihre Bewohner_Innen rer Gesellschaft nen dagegen zu gegeben hat. Die werden regelmäßig körperlich verhindern. AfD hetzt und hat Um effektiv angegriffen, rassistisch es geschafft Rasgegen den Rechtsbeleidigt, ausgeschlossen sismus salonfähiruck vorzugeund benachteiligt“ ger zu machen, die hen, müssen wir rassistische Politik eine breite Bewewird jedoch im Parlament umge- gung ins Leben rufen, die nicht setzt, nicht ohne Grund .Vom Staat nur für die Rechte der Geflüchtegetragen und verabschiedet dient ten kämpft, sondern auch eigene er auch dazu die Kosten der Krise Forderungen aufstellt. Gegen den auf uns abzuwälzen. Rechtsruck in unserer Gesellschaft, Denn es ist nicht im Interesse für gleichberechtigten Zugang zu der deutschen (oder einer ande- guter Bildung für alle. Gegen Wafren kapitalistischen) Regierung, fenexporte, sowie Kriegseinsätze irgendetwas daran zu ändern. Der in andere Länder, für Wohnraum Kapitalismus ist kein System, das für alle die hier leben wollen! Gegen von Gleichberechtigung in profi- Abschiebeabkommen und alle rastiert. Wenn wir über Unterschiede sistischen Gesetze, für Staatsbürwie Hautfarbe, Herkunft, Religion, ger_ Innenrechte für alle Geschlecht und Sexualität hinausUm erfolgreich zu sein, müssen blicken, erkennen wir, dass wir auf wir Jugendlichen mit den Leukonstruierte Konflikte gut verzich- ten zusammenarbeiten, in deren ten können und uns gemeinsam objektiven Interesse es ist, keine dem größten Konflikt von allen stel- Rassist_Innen zu sein: den Arbeilen müssen, dem Konflikt zwischen ter_Innen. Deshalb müssen wir arm und reich, zwischen besit- auch von Gewerkschaften, der LINzend und ausgebeutet. Letztlich KEN und SPD miteinbeziehen in kann nur die Aufrechterhaltung den antirassistischen Kampf. Sie


sind nämlich die größten Organisationen der Arbeiter_Innenklasse innerhalb Deutschlands. Auch wenn eine Sarah Wagenknecht Kommentare von sich gibt, die auch Petry von sich geben könnte oder ein Heiko Maas alles in die Gänge setzt, Geflüchtete abzuschieben. Die Leute, die sie wählen sind immer noch Leute aus der Arbeiter_Innenklasse. Unser Ziel muss es sein, aufzuzeigen dass die Führung dieser Organisationen, nicht in ihrem Interesse handelt und versucht sie durch Rassismus zu spalten. Das bedeutet auch, mit ihnen zusammenzuarbeiten, ihre

Mitglied- und Anhänger_Innenschaft zu mobilisieren und sie für die Politik, die sie im Parlament durchsetzen zu kritisieren. Wenn wir uns von rassistischen Spaltungsversuchen nicht beirren lassen, können wir uns gemeinsam gegen den Rassismus und seine Wurzel, den Kapitalismus wenden, sowie gegen alles, was er mit sich bringt: Armut, Hunger, Ausbeutung und Unterdrückung. Wir spucken auf AfD & Co. und wollen nicht, dass sie an Schulen oder sonst irgendwo ein Podium für ihre widerlichen, menschenverachtenden Ansätze haben können. Deshalb fordern wir

euch auf, zusammen mit uns am 29.09. auf die Straße zu gehen! In Solidarität mit allen, die tagtäglich unter Rassismus und Diskriminierung zu leiden haben. Wir wollen, dass ihr mit eurer Abwesenheit in der Schule und eurer Anwesenheit bei der Demonstration ein starkes und lautes Zeichen setzt gegen rechte Hetze und die Parteien, die sie verbreiten. Kommt zum Schulstreik gegen Rassismus und kämpft mit uns für eine Gesellschaft, in der Menschen ohne Vorurteile und Ungerechtigkeit miteinander leben können! Diese Gesellschaft kann nur eine sozialistische sein.

Was tun an meiner Schule?

Ihr habt Lehrer_Innen die sich rassistisch und/oder sexistisch äußern? Ihr habt Probleme mit Lehrer_Innen, die ihre Machtposition in der Schule ausnutzen und euch willkürlich bestrafen, weil ihr zu bestimmten Themen andere Ansichten habt? An eurer Schule sollen „Luxusräume“, wie ein Computerraum eingespart werden? Eure Schule ist in einem miesen Zustand und ihr habt Angst, dass sie bald einstürzt? Euch kotzt zu Recht irgendetwas anderes in unserem Schulsystem an?

DANN ÄNDERT ETWAS DARAN!

Doch wie soll man als Einzelperson an der Schule politisch aktiv werden? Als erstes solltest du mit deinen Mitschüler_Innen über die Probleme

reden und ein breites Bewusstsein dafür schaffen. Denn als Kollektiv arbeitet es sich deutlich leichter. Ihr könnt gemeinsam ein Flugblatt erstellen, welches auf die Probleme hinweist und es an eurer Schule verteilen. Oder ihr haltet auf dem Schulhof/ vor der Schule eine kurze Rede über das, was bei euch schief läuft. Außerdem könnt ihr ein Transparent mit eurer zentralen Forderung gestalten und dieses an der Außenwand der Schule anbringen, um so einen großen Teil der Schüler_Innen und Passant_Innen auf eure Probleme aufmerksam zu machen. Ein weiteres sehr effektives Mittel ist es, eine Vollversammlung über die Schüler_Innenvertretung der Schule einzuberufen. Auf diesem Plenum, bei dem alle Schüler_Innen

anwesend sind, kann man super die Probleme ansprechen und zu weiteren gemeinsamen Aktionen aufrufen. Wichtig ist es, bei der Art, den Inhalt an die Schule zu tragen, kreativ zu sein. Wenn du denkst, dass es auch an deiner Schule Dinge gibt, die sich ändern müssen; werde aktiv! Falls du Unterstützung bei deinem Vorhaben brauchst, melde dich einfach bei uns. Als bundesweite Organisation mit viel Erfahrung in Schularbeit können wir dir garantiert helfen. Sei es beim Erstellen deiner Flugblätter oder beim vorbereiten einer Rede. Bei Fragen schreibe uns einfach eine Mail an: germany@onesolutionrevolution.de oder schreibe uns bei Facebook: f b.com/onesolut ionrevolut ion. germany

Schule und Jugend 9


Gesetzesverschärfung zum Vergewaltigungsparagraph § 179 StgB:

Sexuelle Selbstbestimmung

Immer noch nur im Rahmen von Rollen HELENA KACHÉ

GESETZESLAGE

Der Paragraph 179 zum sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen soll zukünftig durch einen neuen Paragraphen zum sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung besonderer Umstände ersetzt werden. Das Inkrafttreten des neuen Gesetzentwurfs lässt noch bis September auf sich warten, wenn der Bundesrat sein OK dazu gegeben hat. Was diese Gesetzesänderung bedeutet, zeigen die noch immer geltenden Richtlinien, die notwendig sind, um einen Vergewaltiger vor Gericht zu bringen. Hierzu muss das Opfer nachweisen können, dass es sich vor dem Missbrauch deutlich körperlich zur Wehr gesetzt hat oder dass von dem Täter eine Bedrohung für Leib und Leben ausging. Wenn dies nicht der Fall war, sondern dem Opfer beispielsweise gedroht wurde, seinen Arbeitsplatz oder seine Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren, wenn es sich nicht füge, wurde dieses Vergehen vor Gesetz nicht als Vergewaltigung anerkannt. Dies galt auch, wenn das Opfer schlichtweg überrumpelt wurde oder sich aus Erfahrung und Angst vor einer Eskalation nicht zur Wehr setzte, sondern nur seinen Widerwillen äußerte. Jetzt soll die Lage geändert werden, von der Notwendigkeit einer körperlichen Gegenwehr seitens

10 Antisexismus

des Opfers hin zu einem schlichten Nichteinverständnis. Der Anlass für den Bundestag sind die Ereignisse in Köln in der Silvesternacht. Vorerst wurde dieses Ereignis mit rassistischer und anti-muslimischer Hetze beantwortet, im April folgte dem öffentlichen Druck dann ein Gesetzesentwurf zur sexuellen Selbstbestimmung vom Bundesjustizministerium. Schon 2014 wurde ein ähnlicher Antrag gestellt, im Zuge der damaligen Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Doch damals wie heute sagt der Justizminister Heiko Maas, dass die deutsche Rechtslage den Anforderungen der Konvention bereits genüge, der Richterbund sieht hingegen schlichtweg keine Möglichkeit, die Thematik in Gesetzesform zu packen. Erst auf Druck der Ministerinnen wurde ein Gesetzesentwurf verfasst, der die vielen Lücken für sexuelle Übergriffe schließen soll.

ÖFFENTLICHE DISKUSSION

Die öffentliche Diskussion steht dem im Großteil positiv gegenüber, nachdem erschreckende Fakten zu sexuellen Missbräuchen veröffentlicht wurden. Demnach wurden von 130 von 1000 Frauen schon Opfer einer Vergewaltigung. Von diesen 130 würden jedoch nur 13 Anklage erheben, und nur in einem

einzigen dieser Fälle würde eine Verurteilung folgen. Hinzukommen die vielen Gesetzeslücken, die kaum einer Bürger_In bewusst waren, denn fast Jede geht davon aus, dass eine Vergewaltigung selbstverständlich strafbar ist und keine Anforderungen daran gestellt werden dürfen. So kann es einer Frau passieren, dass sie Opfer eines sexuellen Missbrauchs wurde, zur Polizei geht, um den Täter anzuklagen, um dort zu erfahren, dass sie nach dem Gesetz nicht vergewaltigt wurde, da sie sich nicht heftig körperlich zur Wehr gesetzt habe. Das impliziert eine Schuld bei dem Opfer und führt dazu, dass Frauen nicht wieder zur Polizei gehen, aus Angst, abgewiesen zu werden. Hinzu kommt, dass diese Gesetzeslücke die Augen völlig vor der Tatsache verschließt, dass der Großteil der Täter ihr Opfer persönlich kennt, oder sogar eine Beziehung zu ihnen führt. Das kommt nicht von ungefähr, sondern resultiert aus kursierenden Vergewaltigungsklischees, wo ein Mann nachts in einem dunklen über eine Frau herfällt, die sich dann laut und heftig wehrt. Daraus geht natürlich eine sehr deutliche Rollenzuweisung hervor, Männer sind zügellose Täter und Frauen wehrlose Opfer. Historisch kann man diese Rollenzuweisung an dem bürgerlichen Familienbild festmachen. Hierbei gilt: Der Ehemann


enbildern

hat die absolute Verfügungsgewalt über seine Frau und Kinder, und die Ehefrau hat ihre Pflicht zu erfüllen. Dazu gehört auch, dass die Frau verpflichtet ist, mit ihrem Mann zu schlafen; erst 1998 wurde dieses Gesetz in Deutschland aufgehoben und die Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand anerkannt.

ROLLENBILDER

Entsprechend dieser Rollenbilder werden als Präventivmaßnahmen für Vergewaltigungen prinzipiell Frauen angesprochen und ihnen wird nahegelegt, sich nachts nicht allein fortzubewegen und Selbstverteidigungskurse zu belegen. Daran ist an sich nichts auszusetzen, impliziert aber eine Schuldzuweisung gegenüber den Frauen, was absolut verneint werden sollte. Hinzu kommt: wenn es denn zu einer Vergewaltigung gekommen ist, müssen sich Frauen um Anklage zu erheben einer belastenden Prozedur untergeben, die sowohl eine medizinische Akutversorgung sowie eine polizeiliche Beweismittelfeststellung beinhaltet. Doch selbst bei einer Anzeige mit Vergewaltigungsmerkmalen gibt es noch immer viele Strafbarkeitslücken, die zu dieser dermaßen geringen Verurteilungsquote führen. Dementsprechend soll von nun an das Gesetz allein den Willen der Betroffenen beurteilen, weshalb ein NEIN von dem Opfer für eine Verurteilung reichen soll. Kritiker

sehen darin eine Gefahr für jeden Mann als potentiellen Vergewaltiger, denn es könnten ja alle Frauen daherkommen und Männer der Vergewaltigung bezichtigen. Dabei wird wohl völlig vergessen, dass bis zur Verurteilung immer noch eine Gerichtsverfahren notwendig ist, wo Falschaussagen aufgedeckt werden sollten und sich kaum eine Frau gerne in die Rolle des Vergewaltigungsopfers begibt, wie die Statistik zeigt. Es ist schon absurd, ein Gesetz deshalb nicht zu verfassen, weil es zu falschen Anzeigen kommen könnte, anstatt aufgrund der Notwendigkeit Vergewaltigungen vorzubeugen und zu bestrafen. Daraus wird deutlich, welchen Stellenwert die deutsche Politik dieser Problematik beimisst.

KRITIK AM GESETZENTWURF

Der Gesetzesentwurf lässt leider noch immer Strafbarkeitslücken offen. So wird von Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren, erwartet, dass sie konkret ihren Widerwillen mit einem NEIN äußern. Es wird dabei nicht anerkannt, dass es ein Verbrechen ist ,sexuelle Handlungen auszuüben, ohne das Einverständnis des Gegenübers eingeholt zu haben. Hinzu kommt, dass mit den Vorfällen in Köln als Anlass für den Gesetzesentwurf, auch eine Erleichterung der Abschiebung von Sexualstraftätern einhergehen soll. Dieser rassistische Zusatz sollte nicht

geduldet werden, sondern sexuelle Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem, unabhängig von der Herkunft, aufgezeigt werden. Auch für Frauen könnte dadurch hinzukommen, dass sie aus Angst vor einer Abschiebung ihres Vergewaltigers nicht zur Polizei gehen. Es muss uns klar bleiben, dass Gesetze das Problem von Frauenunterdrückung, Homophobie und Rassismus nicht an der Wurzel packen, sondern nur einige Symptome durch Reformen zu beheben suchen. Stattdessen bestärken sie die Form der bürgerlichen Familie als Grundlage für das kapitalistische System, in dem wir leben. Es bestärkt die Rollenbilder, die Männern und Frauen zugewiesen werden, um dieses System aufrecht zu halten. Wenn wir diese grundlegende Ursache, den Kapitalismus, radikal bekämpfen wollen, um für Frauenbefreiung und Gleichberechtigung von LGBTIA-Menschen (Lesbian, Gay, Bi, Trans, Asexual, Intersexual) zu kämpfen, brauchen wir eine geschlossene Arbeiter_Innenbewegung. Die Befreiung der Frau ist nur im Zuge der Befreiung der Gesellschaft möglich, genauso wie die Befreiung der Gesellschaft einhergehen muss mit der Befreiung der Frau.

Antisexismus 11


Europa: BEN ZIMMER Am 23. Juni trat Großbritannien aus der Europäischen Union aus. Die Nachrichten überschlugen sich. In Großbritannien trat Cameron zurück, Theresa May, eine Parteirechte, wurde Premier-Minister, in ganz Europa wurde und wird über einen möglichen Zerfall der EU diskutiert, die Rechte hat neuen Rückenwind bekommen und die Börse erlebte weltweit ein kleines Beben.

WAS IST EIGENTLICH DIE EU?

Die Europäische Union ist neoliberal, undemokratisch und militaristisch. So oder so ähnlich wird die EU oft richtigerweise beschrieben. Beispielhaft hierfür steht die innere und äußere Krisenpolitik. Dass die EU militaristisch ist, sieht man ganz gut an der rassistischen, paramilitärischen Grenzschutz-Agentur Frontex oder auch der Schaffung der 60.000-Menschen starken Eingreiftruppe. Welche einzig dem Ziel dient Geflüchtete aus Krisengebieten außerhalb der EU zu Halten um diese nicht nach dem ohnehin zu schwachen Asylgesetzen der einzelnen Mitgliedsstaaten doch aufnehmen zu müssen. Das Aushebeln demokratischer Rechte wie dem Troika Diktat über Griechenland und der Zwang gegenüber Krisengebeutelten Ländern Öffentliche Güter zu privatisieren und massiv an den Sozialleistungen, oder aber den Mindestlöhnen, so vorhanden, zu kürzen offenbart welcher Klasse die EU Bürokraten hörig sind Was jedoch bei „neoliberal, undemokratisch und militaristisch“ fehlt, sind die sozialen Interessen, die hinter der EU stehen und welches Verhältnis die EU zu den Nationalstaaten und deren Interessen hat. Die EU ist nämlich keine supranationale („über dem Staat stehend“) Institution, wie sie gerne vorgibt, sondern vielmehr ein imperialistischer Block aus Nationalstaaten, dessen Gemeinschaft es ihnen ermöglicht sich besser im

12 Europa

Zerfall eines imperialistischen Blocks? Kampf um die Neuaufteilung der Welt gegen andere Mächte, wie z.B. die USA, zu behaupten, auch wenn es immer wieder größere Probleme innerhalb dieser Allianz gibt. Der Vorgänger der EU, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), wurde damals noch von den USA gestärkt, die sich als Hegemonialmacht Vorteile im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion erhoffte. Dies widersprach allerdings den Interessen einiger europäischer Imperialisten, die langfristig auf einen einheitlichen, europäischen Staat hofften, der in der Lage sein würde, als eigenstehender Imperialist die Hegemonialmacht auf der Erde zu werden. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung der BRD in den 70igern und die Wiedervereinigung unter kapitalistischen Produktionsbedingungen schaffte es der wiedererstarkte, deutsche Imperialismus eine führende, Rolle in der EU einzunehmen. Auch wenn es zwischenzeitlich Fusionen zwischen dem deutschen und dem französischen Kapital gab, erlitt die Idee eines Eurostaates schon 2005 einen herben Rückschlag als in Frankreich eine EU-Verfassung abgelehnt wurde. Die jetzige EU ist sehr weit entfernt von einer „Einheit“. Deutschland ist die dominierende Macht der EU, was dennoch nicht bedeutet, dass alle einfach nach deutscher Pfeife tanzen. Jeder Nationalstaat hat seine eigene KapitalistInnenklasse, die ihr eigenes soziales vertritt und untereinander in kapitalistischer Konkurrenz zu den anderen steht. Die Widersprüche und Konflikte innerhalb der EU sind Ausdruck davon und nicht, wie Rechte es immer behaupten, Ausdruck kultureller Unterschiede. Auch nationale KapitalistInnenklassen sind nicht einheitlich, sondern haben verschiedene Interessen. Dies kann man ganz gut am Brexit erkennen: In

Großbritannien hat sich die Kapitalfraktion, die sich nicht auf den europäischen Markt fokussiert, bei der Volksabstimmung über den EU-Austritt durchsetzen können und so Großbritannien als eine der wirtschaftlich stärksten Nationen in Europa aus der EU rausbrechen können.

GREXIT

Der Austritt aus der EU steht nicht erst seit dem Brexit auf der Tagesordnung. Erstmals wurde 2009 darüber diskutiert ob man Griechenland aus der EU wirft, 2014 kamen die Diskussionen wieder auf. Damals ging es hauptsächlich darum sich von Griechenland, das mit einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 50%, einer extrem hohen Staatsverschuldung und keinem Plan wie man aus der Krise kommt. Es wurde dann mit der Troika (einer Kooperation von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Kommission) das Griechische Parlament in seiner Macht sehr stark eingeschränkt, da dieses fast keine Entscheidungen mehr über den eigenen Haushalt treffen konnte. Die Alternative zum Rausschmiss war ein starker Staat, der die


bürgerliche Demokratie und ArbeiterInnenrechte zugunsten des Kapitals eingeschränkt hat. Auch beim Referendum 2015, ob man das Schuldendiktat der Troika annimmt, wurde mehrheitlich mit Oxi, also Nein, gestimmt. Dank des Verrates von SYRIZA, der Schwesterpartei der Linkspartei, wurde das Schuldendiktat trotzdem angenommen und die griechischen ArbeiterInnen und Jugendlichen müssen weiter unter dem wirtschaftlichen und sozialen Niedergang leiden.

BREXIT

Das Referendum über den Austritt Britanniens unterscheidet sich grundlegend vom diskutierten Rausschmiss Griechenlands. Zunächst wurde in Großbritannien als Folge eines Führungskampfes in der konservativen Partei, den David Cameron vorerst gewann, ein Referendum über den Verbleib in der EU abgehalten. Cameron hat die Abstimmung als Wahlversprechen in seine Kandidatur mit einfließen lassen und dem rechten Flügel so Wind aus dem Segel genommen. Doch was darauf folgte gleicht einem Sturm. Die UK Independence Party (UKIP), die, wie schon im Namen steht, für den Austritt Britanniens aus der EU eintritt, konnte zusammen mit dem rechten Flügel der Konservativen eine knappe Mehrheit beim Referendum erringen. Mit der Leave-Kampagne wurde die Schuld am Niedergang der Wirtschaft, dem Verfall von Bildungseinrichtungen, dem Sinken der Reallöhne, der hohen Arbeitslosigkeit und sonstigen Auswüchsen des Kapitalismus den „Gast“-ArbeiterInnen in die Schuhe geschoben. Sie behauptet, dass durch die EU viele MigrantInnen in das Vereinigte Königreich geholt wurden und das britische Parlament durch die EU entmachtet wäre. Diese rassistische Kampagne hat vielen ArbeiterInnen eine Antwort auf die Krise gegeben, die die Linke, auch durch ihre Zersplitterung, unfähig war zu geben. Aber das Interesse, dass diese Kampagne vertritt, ist keineswegs eines der ArbeiterInnen. Die MigrantInnen, egal ob sie aus Syrien, den baltischen Staaten oder Polen kommen, werden von dem britischen

Kapital genutzt um ihren Profit durch Lohndrückerei zu erhöhen. Von dem gegeneinander ausspielen nach dem Motto „Wenn du den Job für diesen geringen Lohn nicht machst, dann macht es jemand aus Polen“ sind die britischen ArbeiterInnen genauso betroffen, wie die migrantischen. Die Brexit-Kampagne hat der ArbeiterInnenklasse nichts zu bieten. Sie ist im Interesse von Teilen des Kapitals, die sich weniger auf den europäischen Binnenmarkt, welcher die Profite eher in die Taschen deutscher KapitalistInnen verschiebt, und mehr auf den internationalen oder nationalen Markt, konzentrieren.

ZERFALL DER EU?

Die Debatte um den Rausschmiss Griechenlands und der Austritt Britanniens, sind ein Ausdruck der Schwäche des imperialistischen Blocks EU. Dies liegt vor allem an den Differenzen zwischen einzelnen Nationen. So kam es auch, dass nach dem terroristischen Anschlag in Paris, nur Frankreich und Deutschland gegen den IS militärisch intervenierten. Wäre die EU ein stabilerer Block oder gar ein Euro-Staat, so hätten dies nicht nur die 2 führenden Länder der EU getan. Dass die EU nicht so geschlossen ist, wie sich einige Teile des Kapitals wünschen, bedeutet aber nicht automatisch, dass die EU jetzt auf Kurz oder Lang zerfällt. Selbst wenn weitere Teile mit der EU brechen, bedeutet das nicht den Zusammenbruch der gesamten EU. Das Weiterbestehen eines Kerneuropas oder eine Neuorganisierung sind denkbar. Sicher ist: Die Profitrate fällt langfristig, das Kapital ist daher weiter zu einer Überproduktion gezwungen, das führt zu neuen Wirtschaftskrisen und einer Verschärften imperialistischen Konkurrenz. Damit steigt der Druck für die einzelnen Kapitalfraktionen innerhalb der EU nach außen als gegenüber den Großen imperialistischen Mächten gleichrangige Kraft zu agieren oder aber neue Bündnisse einzugehen um im Fall kriegerischer Auseinandersetzungen militärischer oder wirtschaftlicher Art nicht auf verlorenem Posten zu stehen, und sich der Neuaufteilung der hegemonialen Kräfte zu fügen

KAMPF DEM RECHTSRUCK!

„Wir haben Dich aus dem Land gewählt!“ Solche Sätze müssen sich MigrantInnen in Britannien im Moment von RassistInnen und NationalistInnen anhören. Die Zahl der rassistischen Angriffe stieg nach dem Brexit laut Polizeistatistik um 57% an. Diese Angriffe auf MigrantInnen und ihre Rechte sind Ergebnis der rassistischen Brexit-Kampagne, bei der das Märchen von einer EU erzählt wurde, die absichtlich viel Geflüchtete und GastarbeiterInnen nach Britannien gebracht hat. Doch nicht nur auf der Insel gibt es einen Anstieg von Rassismus. Europaweit versuchen Rechtspopulisten den Brexit und die Unzufriedenheit der Gesellschaft nach der Krise 2007/2008, sowie der gescheiterten EU-Politik für sich zu nutzen. In den Niederlanden wird seitens Geert Wilders der Brexit bejubelt: „Die europhile Elite ist geschlagen“ und die Forderungen nach einem Austritt der Niederlande, einem Nexit, wird laut. Ähnliche Töne lassen sich bei Rechtspopulisten in ganz Europa feststellen. Marie Le Pen, Vorsitzende der rechten „Front National“, sagt: „Das ist ein historischer Moment, in dem das Volk die Macht wieder übernommen hat“. Auch Schweizerische Volkspartei (SVP), die österreichische, rechtspopulistische FPÖ und die AfD feierten den Brexit. Letztere forderte auch ein Referendum in Deutschland. AfD-Vorsitzende Frauke Petry forderte „ein Europa der Vaterländer“. Zweifelsfrei sind alle diese Bestrebungen genauso reaktionär wie der Brexit. Doch die Rückkehr zum Nationalstaat ist keineswegs fortschrittlich und führt auch nicht dazu, dass Lebensbedingungen der ArbeiterInnen verbessert werden. Das jetzt bestehende Europa - auch wenn kapitalistische Produktionsweisen herrschen – schafft für das Erkämpfen eines wirklich geeinten Europas eine bessere Ausgangslage, als eine Rückkehr zum klassischen Nationalstaat, was historisch einen Rückschritt darstellen würde. Ein Austritt aus der EU versetzt nicht nur dem internationalistischen Bewusstsein einen schweren Schlag, wie man am Brexit sehen kann, er schürt auch Illusionen in den Nationalstaat an

Europa 13


sich. Allein deshalb ist der Brexit kein Grund zur Freude, sondern eine Niederlage, die sich nicht schönreden lässt. Der Brexit hat der Rechten europaweit einen Aufwind beschert. Um auf eine Antwort darauf zu finden, braucht es eine europaweite Konferenz der Linken bei der man sich auf eine gemeinsame Kampagne gegen die drohende Gefahr von Rassismus einigt und diese anschließend auch durchführt.

SOZIALES ODER SOZIALISTISCHES EUROPA?

Seitens der Linkspartei hört man oft, dass sie ein „soziales Europa“ will. In ihrem Programm schreibt sie, dass sie „nicht weniger als einen grundlegenden Politikwechsel in der Europäischen Union“ herbeiführen möchte und die EU „einen Neustart“ braucht. Weiter fordert die LINKE durchaus richtige Dinge, wie die Gleichstellung von Frauen und Männern, ökologische Nachhaltigkeit oder die Auflösung der Grenzschutzagentur Frontex. Was aber der grundlegende, methodische Fehler der Linkspartei ist, ist die sehr vage Kritik an der Produktionsweise. Sie fordert eine EU, deren „Rechtsgrundlagen

wirtschaftspolitisch neutral gestaltet“ ist und eine Offenheit „gegenüber einer gemischtwirtschaftlichen Ordnung“ (Mischung aus kapitalistischer Ausbeutung und staatlicher Planung). Damit greift sie unter dem Strich nicht die kapitalistische Produktionsweise, sondern nur die neoliberale Spielart dieser an und fordert letztlich ein kapitalistisches Europa mit geringfügigen staatlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten Wohin das führt sieht man beispielsweise an ihrer abstrakten Forderung nach Frieden. Ein „Frieden“ im Kapitalismus bedeutet auch ein Frieden mit der Ausbeutung der ArbeiterInnen, ein Frieden mit der Umweltzerstörung und letztendlich auch ein Friede mit den kommenden Kriegen, die dieser zwangsläufig hervorbringen wird. Selbst wenn es eine EU gäbe, die so organisiert ist, wie die LINKE sich es vorstellt, ist diese EU immer noch dazu gezwungen, imperialistisch zu agieren und die ArbeiterInnenklasse auszubeuten, weil dies der inneren Logik des Kapitalismus entspricht. Ein soziales Europa unter kapitalistischen Bedingungen wird es deshalb niemals geben können.

Um diesen Fehler nicht auch zu machen, sagen wir offen und klar, was für ein Europa wir wollen. Wir wollen ein vereinigtes sozialistisches Europa. Dieses sozialistische Europa kann nur das Ergebnis des gemeinsamen revolutionären Kampfes der vereinigten europäischen ArbeiterInneklasse gegen den Kapitalismus sein.

PERSPEKTIVE

Doch trotz aller Kritik an der Linken, sind wir weiterhin dafür gemeinsam gegen die (kommenden) Angriffe zu kämpfen. Dafür braucht es, wie oben schon erläutert, einen konkreten Plan. Deshalb treten wir für eine europaweite Konferenz der Linken ein. Auch wenn wir als Organisationen unterschiedliche Einschätzungen und Positionen zur EU und zum Brexit haben, heißt das trotzdem nicht, dass wir uns sektiererisch verhalten sollten. Für die praktische Auseinandersetzung heißt es nun, nicht lange verzagen, sondern die Verteidigungskämpfe organisieren und die Regierungskrise nutzen, um sie nicht den Rechten zu überlassen: • Für die vereinigten sozialistischen Staaten vor Europa! • Für Selbstverteidigungskomitees von ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendlichen gegen den wiedererstarkten Rassismus und den Rechtsruck.

REVOLUTION-CAMP 2016 In der letzten Augustwoche fanden unser Camp und die Sommerschulung der deutschen und österreichischen Sektionen von Revolution und der Liga für die 5. Internationale statt. Neben Gästen aus ganz Europa beteiligten sich über 100 Mitglieder aus den deutschsprachigen Sektionen der Organisationen an dieser gemeinsamen Schulung in Berlin. Erfreulich hervorzuheben ist der erneut gestiegene Anteil an weiblichen Teilnehmerinnen. Es gab mehr als 100 Workshops mit vielen verschiedenen Themen, welche sich durch die gesamte Schulung zogen. Einen Schwerpunkt bildete in diesem Jahr die imperialistische Krise der EU. Außerdem haben wir uns, neben Grundlagen des Marxismus

14 International

für Einsteiger_Innen, intensiver mit der Frage von Partei und Programm, Schularbeit und verschiedenen Formen gesellschaftlicher Unterdrückung beschäftigt. Abgesehen von den theoretischen Themen gab es auch Praxisworkshops, wie Demotraining, das Verfassen eines Flugblattes und mehr. Highlights waren zwei Podiumsdiskussionen zu den Themen Antisexismus und Kampf dem Rassismus. In diesen Diskussionen sprachen neben Genoss_Innen von Revolution, Gruppe ArbeiterInnenmacht und ArbeiterInnenstandpunkt auch Vertreter_Innen von Streetroots, Workers Power, FOR Palestine und einigen mehr. Neben all den den theoretischen und praktischen Workshops stand

besonders der Austausch zwischen den Genoss_Innen der Ortsgruppen und Sektionen im Vordergrund. In diesem Bereich konnten wir uns besser kennenlernen und auch abseits der Workshops unser Wissen erweitern. Außerdem veranstalteten wir am letzten Abend ein Livekonzert mit diversen linken Rapper_Innen sowie anschließendem DJ Set und feierten bis in die Morgenstunden. Insgesamt sehen wir das Camp mit über 100 Teilnehmer_Innen, vielen neuen Gesichtern und internationalen Gästen als einen Erfolg. Wir wollen im nächsten Jahr an diesen Erfolg anknüpfen und würden uns freuen, wenn auch Du dann mit uns campen würdest!


Revo vor Ort

Wie kann der Rassismus geschlagen werden? VERANSTALTUNG VON REVOLUTION IN FULDA Am Montag den 18. Juli fand im Café Panama unsere Veranstaltung „Was ist Rassismus und wie wird er geschlagen?“ statt. Die knapp 30 überwiegend jugendlichen Teilnehmer_Innen hörten zunächst einen Vortrag, der sich um verschiedene rassistische Kräfte, vom Staat bis zu faschistischen Organisationen, drehte und versuchte, die

soziale Ursache für deren Erstarken zu beleuchten und die Funktion, die der Rassismus in unserem kapitalistischen Gesellschaftssystem hat. Der zweite Vortrag versuchte eine Perspektive aufzuzeigen, mit der eine antirassistische Massenbewegung aus allen Linken und ArbeiterInnen aufgebaut werden könnte, welche praktisch auf vielfältige Arten gemeinsam gegen die RassistInnen kämpft, ihnen aber auch versucht den Nährboden zu entziehen, indem sie eine gesellschaftliche Alternative zur kapitalistischen

Konkurrenz, zu Armut und Krieg aufzeigt und erkämpft. Anschließend gab es eine lebhafte Diskussion, z.B. über die Wählerbasis der AfD oder um die Effektivität antirassistischer Überzeugungsarbeit. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass es viele junge Leute in Fulda gibt, die sich aktiv mit dem Problem Rassismus auseinandersetzen und einen Weg suchen sich ihm in den Weg zu stellen! Wir danken für eure zahlreiche und aktive Teilnahme!

Bericht von der Stop-Deportation-Demo AM 09.07.2016 VON REVOLUTION BERLIN Am Samstag, dem 09.07.2016, veranstalteten wir eine Demonstration gegen Abschiebung und staatlichen Rassismus. Wir haben diese Demonstration zusammen mit den lokalen Bündnissen von Jugend gegen Rassismus aus Hannover und Berlin (RSUS), Street Roots, For Palestine, RIO, dem Internationalistischen Abend, der Gruppe ArbeiterInnenmacht und insbesondere den Geflüchteten vom Weißenfeldplatz in Hannover, auf deren Initiative wir diese Demonstration organisierten, veranstaltet. Es ging darum, den Rassismus des deutschen Staates am Beispiel des Sudans und des Khartum-Abkommens aufzuzeigen. Das Abkommen dient dazu, Geflüchtete davon abzuhalten, Länder wie den Sudan

zu verlassen. Europäische Staaten unterstützen im Tausch dafür diktatorische Regime mit Geld sowie Polizei- und Militärausbildung. Die Berliner Bündnisgruppen begrüßten die mit Bussen angereisten Menschen aus Hannover lautstark am Potsdamer Platz. Für eine Demonstration mit ca. 500 Leuten war die Polizei sehr stark vertreten. Bis auf eine Handvoll Nazis, die pöbelnd am Rand standen und übereifrig von ihren blauen Freund_Innen bewacht wurden, verlief die Demonstration friedlich. Unser Weg führte uns vom Potsdamer Platz durch das Botschaftsviertel über den Ku-Damm bis zur sudanesischen Botschaft. Dort gab es eine Abschlusskundgebung auf Deutsch, Arabisch und Englisch. Hier trugen in erster Linie die Geflüchteten ihre Kritik und ihre Forderungen an den sudanesischen

und deutschen Staat auf die Straße. Da wir mit allen Geflüchteten und Unterdrückten in politischer Solidarität stehen, begrüßen wir Initiativen, wie die der Geflüchteten vom Weißenfeldplatz sehr und haben uns gefreut, unsere Forderungen gemeinsam nach außen zu tragen. Wir streben danach, die Kämpfe aller Unterdrückten in einem antikapitalistischen, antirassistischen und sozialistischen Kampf zu vereinen. Denn nur wenn die globale Arbeiter_Innenklasse sich als solche erkennt und gemeinsam kämpft, ist eine Welt frei von Unterdrückung jeglicher Art möglich. Demonstrationen wie diese bringen uns diesem Ziel einen kleinen Schritt näher. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmer_Innen und unterstützenden Organisationen.

REVOLUTION vor Ort 15


55 Jahre Bau der Berliner Mauer Ein Monument der Bürokratie

GASTBEITRAG DER GRUPPE ARBEITERINNENMACHT 28 Jahre lang stand die Berliner Mauer - geschichtsträchtig wie nur wenige Bauwerke. Sie war eine Manifestation der besonderen Art, wie der Stalinismus Probleme zu lösen pflegte und dabei die Interessen der Arbeiter_Innenklasse - in beiden Teilen Deutschlands - verriet. Der Mauerbau war ein Glied in der Kette bürokratischer Maßnahmen, die letztlich auch die Grundlagen des Arbeiterstaats DDR und dessen Entwicklung untergruben, auch wenn die Errichtung der Mauer am 13. August 1961 ihn zunächst zu retten schien. Die Politik der SED folgte von Anfang an den Interessen der UdSSR-Bürokratie. Deren Blockade Berlins 1948 als Reaktion auf den Bruch des Vier-Mächte-Abkommens der Alliierten durch die Einführung einer westlichen Separatwährung erwies sich nicht nur als Desaster, sondern führte auch dazu, dass die Westmächte als Garanten für die Versorgung der Berliner Bevölkerung aufgewertet wurden. Mit der US-Luftbrücke wurde Stalins Berlin-Blockade zur Luftnummer. Der „real existierende Sozialismus“ und die Gründung der DDR 1949 waren nicht auf die demokratische Diskussion, Organisierung und Aktion der Lohnabhängigen gegründet, sondern Abwehrreaktionen der stalinistischen Bürokratie auf die von den USA vorangetriebene Westintegration. Die (verspätete) bürokratische Enteignung der Kapitalisten als Klasse sowie die politische Entmündigung bewirkten, dass die Arbeiter_Innenklasse die DDR nicht oder kaum als „ihren Staat“ begriff. Dieses Dilemma zeigte sich dann 1989 besonders deutlich, als Millionen Arbeiter_ Innen schließlich die Einführung der kapitalistischen Marktwirtschaft begrüßten - wenngleich sie damit verschiedene soziale Illusionen verbanden.

16 Historisches

Die DDR litt - wie ganz Osteuropa - immer daran, dass die Arbeiter_Innenklasse von der direkten Machtausübung ausgeschlossen war, dass sie keine Rätestrukturen hatte und der Staatsapparat daher der Form nach ein bürgerlicher war, obwohl er zugleich der Verteidigung der Planwirtschaft - allerdings mit bürokratischen Methoden - diente.

DER AUFSTAND VOM JUNI 1953

Der Arbeiter_Innenaufstand in der DDR 1953 war eine Chance, die bürokratische Herrschaft zu zerbrechen. Doch er wurde von den Stalinisten unterdrückt und von den westdeutschen Reformisten in SPD und Gewerkschaften bewusst hintertrieben. Beide opferten auf unterschiedliche Weise die revolutionäre Dynamik zugunsten ihrer Einfluss- und Machtinteressen. Auslöser für den Aufstand waren wirtschaftliche Depressionen, u.a. Normerhöhungen. Doch die Bewegung der Arbeiter_Innen stellte auch rasch politische Forderungen gegen die SED- Bürokratie auf und sandte Appelle an ihre Klassengeschwister im Westen, dort die Kapitalisten zu stürzen. Die deutsche Teilung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so stark im Bewusstsein der Arbeiter_Innenklasse verankert. Aber die Schere zwischen BRD- und DDR-Wirtschaftsentwicklung begann sich schon zu öffnen. Das resultierte 1. aus der Unterbrechung innerdeutscher wirtschaftlicher Beziehungen (von westlicher Seite!), 2. aus der haarsträubenden Demontagepolitik der UdSSR in ihrem Hoheitsgebiet und 3. aus der wachsenden Demotivierung der Arbeiter_Innen aufgrund der bürokratischen Bevormundung. Doch als ab Mitte der 50er Jahre die DDR ökonomisch immer weiter der BRD hinterher hinkte, brach sich die Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in der DDR schon

nicht mehr in politischen Kämpfen gegen das Regime Bahn, sondern als „Abstimmung mit den Füßen“: eine gewaltige Fluchtwelle in die Bundesrepublik setzte ein. Die Reaktionen des Regimes darauf waren zunächst ebenso politisch hilflos wie typisch bürokratisch. Mit den geänderten Passgesetzen von 1956 wurde der Straftatbestand der „Republikflucht“ eingeführt und in der Folge verschärft angewendet. Westreisen mussten genehmigt werden, ihre Zahl sank von 2,5 Millionen (1956) auf 700.000 (1958). Eine „Aufklärungskampagne“ gegen die Westflucht wurde im selben Jahr von Regime-Chef Ulbricht folgendermaßen begründet: „Vor allem ist es notwendig, den Menschen zu erklären, warum das System des militaristischen Obrigkeitsstaats (gemeint ist die BRD) keine Zukunft hat und warum die Erhaltung des Friedens die Stärkung der DDR erfordert und deshalb kein Arbeiter, kein Angehöriger der Intelligenz, kein Bauer aus kleinlichen wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen in den Westen ziehen darf.“ Dass den meisten ihre „kleinlichen wirtschaftlichen Gründe“, zumal im Westen relativ problemlos greifbar, näher waren als die „Erhaltung des Weltfriedens“, d.h. die Stabilisierung des stalinistischen Regimes, musste bald auch die DDR-Führung einsehen. Im Sommer 1961 schwoll der Flüchtlingsstrom rasant an. Allein 150.000 Neuaufnahmen meldeten sich in den Auffanglagern in Westberlin. Nach dem Aderlass vornehmlich an Fachkräften gehobener Qualifikation wie Ärztinnen und Ärzte, Lehrer_Innen oder Ingenieur_Innen verließen nun auch viele Bäuerinnen und Bauern, nachdem sie bis 1960 zwangskollektiviert worden waren, das Land. Alle Wirtschaftszweige waren gefährdet. Die BRD-Politik und die westlichen Medien ließen


natürlich keine Gelegenheit aus, die ökonomische Überlegenheit des Kapitalismus heraus zu stellen und alle vergesellschafteten Errungenschaften des Arbeiterstaats, z.B. Betriebskinderkrippen, Polikliniken usw. als wider die menschliche Natur zu diffamieren. Die einzige Antwort, die den stalinistischen Bürokraten einfiel, waren Maßnahmen, die weniger den Klassenfeind trafen, sondern sich gegen die eigene Bevölkerung richteten: Einschüchterung, Verschärfung des Strafrechts und Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Es kam sogar zu Zwangsumsiedlungen in grenznahen Gebieten zur BRD. Die Grenzanlagen wurden immer weiter ausgebaut. Die Schwachstelle aber blieb Berlin, das dem Alliiertenrecht unterstand und deren Mächte den Grenzverkehr regelten. Die Berliner Westsektoren dienten den Imperialisten als kapitalistisches Hochglanz-Schaufenster und propagandistischer Brückenkopf mit dem Rundfunksender RIAS und der Springerpresse, von dessen Hochhaus Tag und Nacht Nachrichtenbänder in Leuchtschrift liefen. Die DDR-Staatsführung stand mit dem Rücken zur Wand; sie handelte am frühen Sonntagmorgen des 13. August 1961, als die Geheimaktion „Operation Rose“ anlief. Bautrupps, gesichert von Einheiten der Nationalen Volksarmee, sperrten zunächst die wichtigsten Verbindungswege an den Sektorengrenzen Berlins, später wurden Häuserund Fensterfronten zugemauert. Anders als 8 Jahre zuvor war das politische Widerstandspotenzial in der DDR-Bevölkerung jetzt nur noch vereinzelt vorhanden oder hatte resigniert. Die reale Teilung und die Erfahrungen des gescheiterten Aufstands 1953 hatten tiefe Spuren hinterlassen. Der Mauerbau verschaffte dem Regime eine Erholungspause, um sich wieder festigen zu können. Zugleich markierte er auch eine Abkehr der DDR-Spitze von einer gesamtdeutschen Konzeption, ließ die nationale Frage aber gleichwohl ungelöst. Die Mauer war das Sinnbild für eine unnatürliche Teilung Deutschlands. Im Bewusstsein der Massen war es immer mit

dem Makel behaftet, das hässliche Antlitz eines „Unrechtsstaats“ zu repräsentieren, der seine Bevölkerung einkerkert und diejenigen inhaftiert oder tötet, die ihm entfliehen wollen.

WIE HÄTTEN SICH REVOLUTIONÄR_INNEN ZUM MAUERBAU VERHALTEN?

Die Frage wird heute innerhalb der Linken kaum gestellt. Die Parteigänger des Stalinismus u.a. Strömungen verteidigen den Mauerbau als notwendig, auch wenn ihnen die Form vielleicht Missbehagen bereitet. Sie entblöden sich dabei oft nicht, die Ulbrichtsche offizielle Lesart vom „antifaschistischen Schutzwall“ und der „friedenserhaltenden Maßnahme“ gegen „permanente Wühltätigkeit feindlicher Agenten und unmittelbar bevorstehendem Einmarsch von NATO-Truppen“ zu übernehmen. Natürlich war der Mauerbau v.a. Ergebnis der Unvereinbarkeit zweier Gesellschaftsformationen in einem Land. Dass es aber überhaupt zu dieser Situation kam, war der antirevolutionären Politik der Stalinisten wie der SPD geschuldet, die die Enteignung der Bourgeoisie und die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates in ganz Deutschland verhindert haben. Jede selbstbestimmte Form von Organisierung bzw. Übernahme von Macht durch die Arbeiter_ Innenklasse wurde blockiert oder bürokratisch „entschärft“. Das Ergebnis war ein de facto schon zweigeteiltes Deutschland lange vor dem Mauerbau: ein kapitalistischer Westen und ein degenerierter Arbeiterstaat im Osten. Revolutionär_Innen mussten natürlich die DDR als historisch „höher“ stehende Gesellschaftsstruktur verteidigen - nicht deren bürokratische Übel, sondern deren soziale Tugenden, v.a. aber die von der Bürokratie blockierten sozialen Entwicklungspotentiale. Nachdem die Stalinisten sich selbst in das Dilemma manövriert hatten, dass die DDR gegenüber der BRD in der Entwicklung nachhinkte und die Leute massenhaft weg wollten, war der Mauerbau nach ihrer Logik als „letzte“ Maßnahme notwendig. Die SED argumentierte nach dem Mauerbau u.a., dass diese auch

den ökonomischen Zweck hatte, die Ausnutzung subventionierter Waren und sozialer Leistungen durch die vielen Ost-West-Pendler zu verhindern. Zweifellos war das ein Problem, das jedoch hätte auch anders behoben werden können, z.B. durch den Abbau der Subventionen und die Erhöhung der Löhne und Sozialleistungen im selben Maße. Revolutionär_Innen hätten - mit dem Fakt der Mauer konfrontiert - natürlich nicht einfach für deren Abriss plädiert. Sie hätten aber sehr wohl gegen das Grenzregime u.a. repressive bürokratische Regelungen polemisieren müssen. V.a. aber hätten sie auf die tieferen Ursachen für deren Entstehen verweisen und für die Revolution in ganz Deutschland eintreten müssen - für die soziale Revolution in der BRD und die politische Revolution in der DDR. Die Mauer wäre letztlich nur dann überflüssig geworden, wenn die DDR bzw. der „Sozialismus“ attraktiver geworden wäre. Dazu wäre es aber notwendig gewesen, die Bürokratie mittels einer politischen Revolution zu stürzen. Der Bau der Mauer war, obwohl sie kurzfristig eine Stabilisierung der DDR bewirkte, kein Sieg, sondern eine Niederlage der Arbeiter_ Innenbewegung in Ost und West. Es hätte eine öffentliche Kampagne geführt werden müssen mit Aufrufen an alle Arbeiter_Innenorganisationen in Ost und West, diese Maßnahme zu diskutieren und die Frage zu stellen, wie die Grundlagen eines wirklich demokratischen Arbeiter_Innenstaats geschaffen und gesichert werden können. Im Herbst 1989 haben sich historisch zwei Dinge bestätigt: 1. ist eine grundlegende Änderung der Verhältnisse ohne Revolution - und die „Wende“ im Herbst 1989 war der Beginn einer politischen Revolution - unmöglich; 2. konnte auch die Mauer die DDR nicht davor bewahren, an ihren stalinistischen Geburtsfehlern zu Grunde zu gehen. Ein halber Sozialismus in einem halben Land im Schatten der Mauer konnte auf Dauer nicht überleben. Der Sozialismus ist international oder gar nicht!

Historisches 17


Ausnahmezustand in der Türkei

Nein zum „zivilen“ P SVENJA SPUNCK Während des Putschversuches am Freitag, dem 15. Juli 2016, wurde das Militär erfolgreich zurückgeschlagen und die undemokratische, gewaltsame Übernahme der Staatsmacht verhindert. Seitdem ist jedoch eine Verschiebung der Machtverhältnisse deutlich zu beobachten, bei der der Staatspräsident Erdogan die Staatsmacht in seinen Händen konzentriert. Noch als der Putsch selbst im Gang war, wurde der islamische Prediger Fethullah Gülen beschuldigt, diesen mit seiner angeblichen parallelen Staatsstruktur organisiert zu haben. Beweise oder sich öffentlich als Gülen-Anhänger äußernde Putschisten gibt es jedoch nicht. Dennoch laufen seit einer Woche sogenannte Säuberungen im Militär, im öffentlichen Dienst, an den Universitäten und unter Journalist_Innen. Weit über zehntausend Menschen wurden in den letzten Tagen festgenommen – und die Zahl steigt weiter an. Lt. Regierungsangaben wurden 45 Prozent aller höheren Offiziere verhaftet. Über zehntausend Menschen wurden bisher suspendiert, darunter die Dekane aller Universitäten, von denen einige gleich ganz geschlossen wurden. Richter, die eher dem nationalistischen Spektrum angehören und hin und wieder nach geltendem Recht statt hat“. statt nach dem Wunsch der AKP urteilten, wurden entlassen. Darunter befindet sich auch eine große Zahl von jenen, die Menschen freigesprochen hatten, die wegen der Gezi-Park-Proteste festgenommen wurden. Auch die Gewerkschaften der Gülen-Bewegung, Ufuk Saglik Sendikasi, wurden aufgelöst, obwohl sie kaum Einfluss haben.

18 International

Die linkeren Gewerkschaft wie DISK, die v. a.im Metallsektor verankert ist, oder KESK (öffentlicher Dienst) hingegen blieben bisher weitgehend verschont.

AUSNAHMEZUSTAND

Außerdem wurde ein dreimonatiger Ausnahmezustand ausgerufen, der es Erdogan ermöglicht, so zu regieren, wie er es unter der bisherigen Verfassung, legal betrachtet, noch nicht durfte. Sämtliche Versammlungen können aufgelöst, landesweite Ausgangssperren angeordnet, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher können verboten werden, jede Person kann zu jedem Zeitpunkt durchsucht werden und die Dauer der Untersuchungshaft wird auf 30 Tage verlängert, eventuell um die Heilung von Folterspuren abzudecken. Für all dies braucht es keine richterlichenBeschlüsse mehr, die Gewaltenteilung ist also weiter eingeschränkt. wird also zunehmend ausgehebelt. Der Putschversuch und die Reaktion des türkischen Staates fand jedoch nicht im luftleeren Raum und auch nicht spontan statt. Es ist viel mehr abzuleiten aus dem zunehmend autoritär-reaktionären Kurs der AKP. Die Ereignisse der letzten 12 Monate bieten viele Beispiele: So kam es zu einer Ausweitung des brutalen Krieges gegen die kurdische Bevölkerung, zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität von demokratisch-legitimierten Parlamentarier_Innen, erzwungenen Neuwahlen und das alles im Lichte der stetigen Versuche Erdogans ein Präsidialsystems einzuführen, in dem weite Teile der Staatsmacht sich in seinen Händen konzentrieren. Dass Teile der Bourgeoisie mit dem Putschversuch selber versuchen an die Macht zu kommen, zeigt uns, dass die

herrschenden Klasse in der Türkei im Zuge einer schweren ökonomischen Krise in sich zutiefst uneinig ist. Die tiefe Wirtschaftskrise zwingt den türkischen Staat ferner zu massiven ökonomischen Angriffen, diese sollen zunehmend verschleiert werden durch diese lodernde Welle von Nationalismus, die grade über das Land schwappt. Das diese der AKP in der eigenen Bevölkerung eine immer größere soziale Basis gibt, zeigt ihre Mobilisierungskraft über das Fernsehen gegen die Putschist_Innen, wo zehntausende gegen Teile des Militärs auf die Straße gingen. Auch in Österreich und Deutschland kam es zu einer Reihe von türkisch-nationalistischen Demonstrationen, die eine weitere Polarisierung nach rechts unter türkischen Nationalist_Innen und Boskurds bedeuten kann. So kam es in Wien bei einer Demonstration zu Angriffen auf kurdische Geschäfte und in Köln fand am 31. Juli eine Massenveranstaltung mit zwischen 20 und 30 tausend Teilnehmer_Innen statt. Selbst wenn bisher im Rahmen des Ausnahmezustandes nicht in erster Linie linke und sozialistische Gruppen angegriffen werden sollten, so werden dennoch die Grundlagen dafür gelegt, sie nach dessen Beendigung durch den gesäuberten Staatsapparat mit jahrelangen Haftstrafen zu verurteilen oder schlimmer, die Todesstrafe, zum Beispiel für Vaterlandsverräter, wieder zu vollstrecken. Nicht nur der Ausnahmezustand schürt das Klima der permanenten Bedrohung für politische Aktivist_Innen, sondern vor allem die radikale AKP-Anhängerschaft, die auf die Straßen mobilisiert wurde und die fälschlicherweise in den AKP-kontrollierten Medien als „das Volk“


Putsch! dargestellt wird, bietet das Potential für harte Auseinandersetzungen.Schon jetzt greifen sie Stadtviertel an, in denen hauptsächlich Minderheiten wie Alevit_Innen oder Christ_innen angesiedelt sind, die sich nun Tag und Nacht dagegen verteidigen müssen. Diese islamistischen Trupps arbeiten Hand in Hand mit der AKP-treuen Polizei und es besteht die Gefahr, dass diese Erfahrung in der Praxis demnächst auch gegen Mobilisierungen der Arbeiter_Innenklasse und der Sozialist_Innen genutzt wird. In diesem politischen Klima kam es in den vergangenen Wochen auch vermehrt zu LGBTIA-feindlicher Gewalt. So wurden die bekannte transgender Aktivistin Hande Kader und auch ein homosexueller Geflüchteter aus Syrien brutal ermordet. In der Nacht des Putsches haben sich alle sozialistischen Organisationen und Parteien geschlossen gegen den Staatsstreich ausgesprochen, jedoch haben nicht alle die richtige Forderung aufgestellt,dass ein Kampf dagegen einhergehen muss mit dem Kampf gegen den Versuch Erdogans, diesen für seinen eigenen Putsch, der Errichtung eines halb-diktatorischen Regimes zu nutzen. Auch wenn sich die kemalistische CHP in der Vergangenheit gegen dieses Präsidialsystem positionierte, so hat sie dennoch der Aufhebung der Immunität der HDP-Abgeordneten zugestimmt und somit den Weg für dieses System geebnet. Eine Opposition muss jedoch den Worten klare Taten folgen lassen und darf sich nicht vor der AKP selbst erniedrigen. Die Politik der CHP zeigt einmal mehr, dass auf diese bürgerliche Oppositionspartei kein Verlass ist. Sie vertritt letztlich die Interessen eines

Minderheitsflügels der herrschenden Klasse, der der türkische Kapitalismus und sein Staat jedoch allemal näherstehen als die Menschen, die in diesem System leben müssen.

WELCHE POLITIK?

Die HDP hat seit dem Krieg in Kurdistan leider auch einen Teil ihrer Basis und Unterstützer_Innen verloren und ist auch jetzt kaum in der Lage, außerhalb der kurdischen Gebiete erfolgreich die Massen zu mobilisieren. Am vergangenen Samstagabend hatte die HDP zu einer Kundgebung in Istanbul aufgerufen, zu der mehrere Tausend Anhänger_Innen erschienen sind, wo sowohl gegen den Putschversuch wie gegen die repressive Politik Erdogans protestiert wurde. Das zeigt zwar, dass legale Mobilisierungen noch möglich sind. Es zeigt aber auch, dass gegen den Versuchs Erdogans, den Putsch für die Etablierung seines eigenen, diktatorischen Regimes zu nutzen, notwendig ist, ein Aktionsbündnis, eine Einheitsfront zu schaffen. Diese sollte alle Organisationen der Arbeiter_Innenklasse, der national und sexuell Unterdrückten, der sozialistischen und demokratischen Organisationen umfassen, insbesondere natürlich die HDP, aber auch die Gewerkschaften DISK und KESK. Eine solche Front müsste sich in erster Linie um grundlegende demokratische Forderungen gruppieren: Aufhebung des Ausnahmezustandes, Wiederherstellung aller demokratischen Rechte (Versammlungsrecht, Demonstrationsrechte), die Aufhebung aller Ein- und Ausreisebeschränkungen,Aufhebung aller Suspendierungen im öffentlichen Dienst, Freilassung der zahlreichen Festgenommen, sofortige Beendigung des Krieges gegen das kurdische Volk, Rückzug von

Armee und Polizei aus den kurdischen Gebieten. Die Aburteilung der Beteiligung am Putsch kann nicht dem Regime und der AKP überlassen werden. Ohne Pressefreiheit, ohne demokratische Rechte für die Opposition kann dies nur eine Farce sein, die Form von mehr oder minder „rechtsstaatlichen“ Schauprozessen annehmen. Die sozialistischen und demokratischen Oppositionskräfte müssen daher selbst die Veröffentlichung aller Kommunikation, alle angeblicher Verstrickung der Gülen-Bewegung in den Putsch fordern, um öffentlich die Verantwortlichkeit für den Putsch, aber auch den Gegenputsch vonErdogan zu untersuchen. Eine Einheitsfront gegen den Ausnahmezustand und gegen den Krieg in Kurdistan müsste aber neben demokratischen Forderungen, Massenmobilisierungen und Streikaktionen bis hin zum Generalstreik auch unmittelbar dazu beitragen, die Selbstverteidigung der Arbeiter_Innenorganisationen und unterdrückten Minderheiten im Land zu organisieren – sowohl gegen Übergriffe des Staatsapparates wie auch gegen den reaktionären Mob. Schließlich müssen Revolutionär_Innen aber auch für die Schaffung einer neuen Arbeiter_Innenpartei argumentieren, die eine politische Alternativen zur immer festeren AKP-Herrschaft bildet, die den Kampf für unmittelbare und grundlegende demokratische Forderungen (wie z. B. der Forderung nach einer Konstituierenden Versammlung) mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbindet.

Mehr zum Thema unter: www.onesolutionrevolution.de

International 19


2016 | Nr. 4 | Zeitung der internationalen kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION | Preis: 1€| Soli: 2€ | Ermäßigt: 50ct

TTIP: Umwelt und Lebensmittelfragen sind Klassenfragen. Mittlerweile ist es ein offenes Geheimnis, dass das Freihandelsabkommen TTIP nicht nur Arbeiter_ Innenrechte unterhöhlt, sondern auch die wenigen fortschrittlichen Praktiken in der europäischen Umwelt- und Lebensmittelpolitik bedroht.

CHLORHUHN, GENMAIS UND GIFTIGES OBST FÜR DIE MASSEN

Im Großen und Ganzen werden mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommen in der EU die gleichen Umstände wie in der US-amerikanischen Lebensmittelproduktion eintreten. Die Verbraucherzentrale Hamburg listet auf ihrer Website die „Worst Case“ Szenarien hierfür auf. Während in Deutschland und der EU der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen als Lebensmittel oder Futter noch strengen Auflagen und der Kennzeichnungspflicht unterliegt, werden in den USA bereits heute große Teile der Feldfrüchte genetisch verändert und es ist nicht erforderlich, diese entsprechend zu markieren. Für die Konsument_Innen heißt es dann, dass sie sich nicht sicher sein können ob ihr Essen genetisch verändert wurde oder nicht. Das gilt insbesondere für Fleisch, denn in den USA sind heute schon 95% des Viehfutters genverändert. Genauso wird es mit dem Einsatz von Wachstumshormonen laufen. Wachstumshormone werden zwar auch heute schon in der EU eingesetzt, allerdings sind bestimmte Hormone bis heute verboten. Diese Verbote werden mit TTIP wegfallen und wer Fleisch oder Milch von damit behandelten Tieren zu sich

20 International

nimmt, wird diese Hormone auch im eigenen Körper wiederfinden. Auch die im Vergleich zu den USA in Europa hohen Grenzen für Rückstände von Pestiziden in der Nahrung werden mit TTIP gekippt. Doch nicht nur für die Verbraucher_Innen sondern auch für die Produzent_Innen von Lebensmitteln in der EU ziehen dunkle Zeiten auf. Aus ökonomischer Perspektive wird das Freihandelsabkommen auch einen Angriff auf die europäischen Fleischindustrien bedeuten. In den USA ist Fleisch deutlich billiger in der Produktion als hier in Europa, was auch daran liegt, dass dort z.B. Kastenhaltung von Schweinen erlaubt und die Arbeiter_Innen nicht selten 12 -Stunden-Schichten fahren müssen. Mit TTIP werden die Einfuhrzölle abgeschafft, was bedeuten würde, dass das billige Fleisch den europäischen Markt flutet – die europäische Industrie wird sich dann gezwungen sehen, die Produktion günstiger zu gestalten, indem die Arbeiter_Innen länger und für weniger Geld arbeiten müssen.

TTIP‘S ATTACKE AUF DIE UMWELT

Ein wichtiger Punkt im Freihandelsabkommen ist die Option, dass Unternehmen Staaten verklagen können, wenn dort Bedingungen herrschen, die ihr Geschäft beschränken. Steigt ein Land zum Beispiel aus der Nutzung fossiler oder atomarer Energier aus, können

Unternehmen dagegen klagen und somit Staaten und deren Einwohner_Innen dazu zwingen, weiterhin umweltschädlich zu produzieren. Auch Fracking als bislang nicht genehmigte Methode zur Erdölförderung kann so in der EU durchgesetzt werden. Fracking ist eine im Vergleich zur konventionellen Öl- und Gasförderung sehr ineffektive Methode zur Gewinnung fossiler Brennstoffe. Da die imperialistischen Konflikte zwischen dem westlichen Block (USA und EU) und Russland, China und den erdölfördernden Staaten des Mittleren und Nahen Osten sich zunehmend verschärfen, suchen die Imperialist_Innen im Westen nach neuen Energiequellen. Diese imperialistischen Interessen werden, wie so oft, auf dem Rücken der Natur ausgetragen. Da die imperialistischen Konkurent_Innen von EU und USA wie Russland, China oder der Iran jedoch noch über beachtliche Ölquellen verfügen und in der Lage sind, den Preis tief zu halten, ist dies aufgrund der beinahe kaum vorhandenen Ölqullen in der EU und in den USA dort nicht möglich, eine andere Methode muss also her. Uns ist bewusst, dass die EU in Hinblick auf die jetzigen umwelt- und lebensmittelrechtlichen Richtlinien kein Land von Milch und Honig ist, dennoch wollen wir bereits bestehende fortschrittliche Faktoren verteidigen und gleichzeitig den Kampf um Arbeiter_Innenkontrolle in der Energie- und Lebensmittelproduktion aufnehmen.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.