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ZEITSCHRIFT DES WAADTLÄNDER WEINS • Nr. 39 2/2011 • WITH ENGLISH SUMMARY

Die Kunst der Langsamkeit Waadtländer Wein Pierre Keller steht vor einer grossen Herausforderung Degustation Schaumweine in wildem Aufruhr Terroirs und Regionen Reichst du mir bitte das Salz? Bonvillars im Trend der Zeit Confrérie Ressats der grossen Umwälzungen Claude Imbert


Avec passion et avec vous.

Le domaine de Montagny est situé en Lavaux, une région riche d’une longue tradition viticole. La BCV veille sur ce patrimoine historique et poursuit son exploitation dans le respect du savoir-faire local.

TERROIR Ça crée des liens

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Das richtige Tempo 2

Waadtländer Wein Pierre Keller steht vor einer grossen Herausforderung 6 Ist das Glas halb leer oder halb voll? 10 Triumph für die Goldenen Lorbeeren 16 Degustation Schaumweine in wildem Aufruhr 22 Gefährliche Bläschen… 27 Weinconcours in der Schweiz und im Ausland 32 Unsere Terroirs und ihre Talente Reichst du mir bitte das Salz?

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Unsere Regionen sind rare Perlen Bonvillars – eine Weinregion im Trend der Zeit

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Confrérie du Guillon Botschaft des Gouverneurs Die Ressats der grossen Umwälzungen Propos de Clavende Wir lüften den Deckel Guillon d’Or 2011 Porträt eines Conseillers Cotterd de Berne Horizonte: Claude Imbert Die Kolumne von Michel Logoz

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Titelbild: Das Mass der Zeit, Fotomontage Fotos: Cécile Hug Fotomontage: Estelle Hofer Piguet

In einer Welt, in der die neuen Kommunikationstechnologien den Rhythmus vorgeben, ist es nicht einfach, die Kunst der Langsamkeit zu praktizieren. Dafür muss man Dichter, Schriftsteller… oder Winzer sein. Oder Dichter, Schriftsteller… und Winzer. Allzu leicht gerät man in Versuchung, Langsamkeit und Unbeweglichkeit zu verwechseln. Aber auch, sich über sie mokierend, sie der Geschwindigkeit, der Schnelligkeit, ja der Eile gegenüberzustellen. Nicht alle Zivilisationen haben dieselbe intime Vision der Zeit. Im Westen wie in den aufstrebenden Ländern des Fernen Ostens hat sich die Zeit in den letzten Jahren erheblich beschleunigt. Für den Schriftsteller Milan Kundera aber ist die Langsamkeit ein Mittel, um die Erinnerung zu bewahren, das Vergessen zu vermeiden. «Der Grad der Geschwindigkeit», sagt er, «steht in direktem Verhältnis zur Intensität des Vergessens.» Bedenkenswert. Vor allem aber gehorcht die Langsamkeit ihren eigenen Gesetzen, folgt ihrem eigenen Rhythmus. Im Raum der Zeit, der sie bildet, herrscht eine ausserordentliche Dichte. Die Musik ist zweifellos der Bereich, in welchem das Bewusstsein für diese Dichte am greifbarsten ist. Doch das gilt auch für die Welt des Weinbaus. Von der Erde bis zum Glas erfordert alles Geduld. Das Terroir, die Reben, die Reife der Trauben, der Wein in seinem Fass oder seiner Flasche – keines dieser Elemente erträgt Unruhe, Aufregung und Hektik. Sie brauchen Zeit, ihre Zeit, und der Winzer ist gut beraten, sich daran anzupassen. Erst dann wird sich das Endprodukt voll entfalten können und uns für unsere Geduld reich belohnen. Seien Sie versichert: sich Zeit nehmen und lassen, das heisst auch die Schnelligkeit, die Lebhaftigkeit, das Prickelnde schätzen. Das beweisen die folgenden Seiten. Es geht bloss darum, je nach Umständen und Gelegenheit das richtige Tempo zu wählen. Wir wünschen Ihnen eine unterhaltsame Lektüre! FZi P. S. A big welcome to those of you reading the magazine in English. Whether you live in Switzerland or are just visiting, we hope you enjoy learning more about the exceptional wines made in the Pays de Vaud and our unique art of living.

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Trend Die Kunst der Langsamkeit

IMPRESSUM: Herausgeberin: Le Guillon GmbH, Chemin de la Côte-à-Deux-Sous 6, 1052 Le Mont-sur-Lausanne; Geschäftsführung: Dr. Jean-François Anken (Präsident), Gilbert Folly, Daniel H. Rey. Partner: Confrérie du Guillon, Office des Vins Vaudois, Qualitätslabel Terravin, Fédération des caves viticoles vaudoises, Section vaudoise de l’Association suisse des vignerons encaveurs, SAGR, SELT. Le Guillon, die Revue des Waadtländer Weins erscheint zweimal jährlich in den Sprachen Französisch und Deutsch, mit englischen Zusammenfassungen. revue@guillon.ch Verlagsleitung: Françoise Zimmerli. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Pascal Besnard, Edouard Chollet, Caroline Dey, Marie Dougoud, Gilbert Folly, Philippe Gex, Michel Logoz, Claude-Alain Mayor, Pierre Thomas, Alexandre Truffer, Eva Zwahlen. Übersetzung ins Deutsche: Evelyn Kobelt (Confrérie), Eva Zwahlen. Übersetzung ins Französische: Loyse Pahud. English adaptation by CFS Communication, Geneva. Art director: STLDESIGN, Estelle Hofer Piguet. Fotografen: Kairos atelier photos – Sandra Culand; Philippe Dutoit; weinweltfoto.ch – Hans-Peter Siffert; Studio Curchod. Fotolitho und Druck: Swissprinters Lausanne SA. Anzeigenleitung und Abonnemente: revue@guillon.ch – ISSNN 1423-7393

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Trend

SPÄTER REIFENDE REBSORTEN, HINAUSGESCHOBENE ERNTEDATEN, LÄNGERE GÄRUNG, WEINE, DIE MAN MEHRERE MONATE ODER GAR JAHRE IN DER FLASCHE REIFEN LÄSST, LUST AUF ALTE JAHRGÄNGE – SIND DAS INDIZIEN FÜR EINE TRENDWENDE (FÜR EINE TENDENZ) IM WAADTLÄNDER WEINBERG? UMFRAGE ZU DIESER LEHRE IN SACHEN GEDULD, DIE VON IMMER MEHR WINZERN VERTEIDIGT WIRD.

Die Kunst der Langsamkeit Alexandre Truffer Fotos: Philippe Dutoit «Wir verzichten auf jeden Luxus, ausser auf den kostbarsten: die Langsamkeit!» Dieser Satz, zitiert aus dem Werk L’Usage du Monde (Die Erfahrung der Welt), konzentriert die gesamte Philosophie des Schriftstellers Nicolas Bouvier, der anfügt: «Eine Reise kommt ohne Motive aus. Sie beweist unverzüglich, dass sie sich selbst genügt. Man glaubt, eine Reise zu machen, doch bald ist es die Reise, die uns macht – oder uns mitnimmt.» Es fällt schwer, keine Parallele zu ziehen zur Äusserung von Christian Dubois von den Frères Dubois in Cully, der, von seinem Dézaley-Marsens Vase Numéro 4 sprechend, meint: «Man muss dem Wein Vertrauen schenken. Wenn die Arbeit in den Rebbergen und im Keller gut gemacht wurde, wird der Wein seinen Weg selber machen, vorausgesetzt, man lässt ihm genügend Zeit.» In der brandneuen Önothek des Weinguts stehen mehrere Jahrgänge zum Verkauf. Die Liebhaber von älteren Chasselas oder Rotweinen können hier Flaschen aus den letzten vierzig Jahren erwerben.

 Die Zeit verdichtet die Wurzeln einer Rebe und verleiht einem Rebstock damit immer mehr Komplexität – eine Komplexität, die sich auch im Wein wiederfindet.

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Die Erde, Erschafferin der Zukunft «Ein Wein erzählt immer eine Geschichte. In seiner Jugend zeichnet sich der Chasselas durch seine Spontaneität aus, mit der Zeit gewinnt er an Reife.» Zum Gastronomiewein geworden, drückt der waadtländischste aller Weissweine komplexe Akzente aus, die er in allen Stadien seiner Entwicklung erworben hat, von der Erde bis ins Glas, zumindest wenn seine Produzenten genügend Geduld hatten. «Ein alterungsfähiger Wein entsteht im Rebberg», bestätigt Laurent Baechtold vom Château de Luins. «In den 1980er Jahren meinte man, die Önologie könne die Fehler, die im Rebberg gemacht wur-

den, korrigieren, doch das stimmt nicht.» Gleich tönt es aus dem Chablais, wo die Brüder Rapaz das vor 25 Jahren übernommene elterliche Weingut von Grund auf restrukturierten. «Als wir bereits 1984 beschlossen, Spezialitäten wie Merlot anzupflanzen, unternahmen wir eingehende Studien zur Übereinstimmung von Rebsorten, Boden und Exposition. Diese manchmal lästigen Versuche erweisen sich langfristig als sehr wertvoll.» Selektion des vegetativen Materials, Pflanzdichte, Wahl des Schnitts sowie Erziehung und Alter der Rebstöcke sind einige der Faktoren, welche die Qualität der Trauben beeinflussen, keiner hat aber gemäss Aussage unserer Gesprächspartner eine derart grosse Bedeutung wie das Erntedatum. «Früher galt die Regel, dass man hundert Tage nach der Rebblüte erntet», erklärt Laurent Baechtold. «Mit diesem System reiften die Traubenkerne allerdings nicht aus. Mittlerweile wissen wir, was die Kerne brauchen, um braun zu werden; dies zeigt die phenolische Reife an. Nach hundert Tagen muss man sich bereit halten und anfangen, die Trauben zu probieren, doch das Datum der Weinlese wird durch Beobachtung und Degustation bestimmt.» Die Zeit – eine Alchemistin, die ihre Geheimnisse hütet Wenn man ein Sprichwort paraphrasieren müsste, um die Auswirkungen dieser von den Fachleuten geforderten Geduld zu definieren, dann wäre das im Keller: «Die Langsamkeit hat ihre Gründe, welche die Vernunft kaum kennt…» Yvan Rapaz lässt einige seiner Weine vier bis fünf Jahre in den Salzminen von Bex reifen. Er stellt einen Entwicklungsunterschied


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LOUIS-PHILIPPE BOVARD

Eine unvergessliche Erinnerung? «Unvergesslich bleibt mir der Jahrgang 1983 – es war mein erster, nachdem ich meinen Erstberuf als Jurist an den Nagel gehängt und mich ganz meiner Berufung und Passion, dem Wein, verschrieben und das Familiengut übernommen hatte… Geschmacklich mein absoluter Lieblingsjahrgang ist hingegen der 1990er, der war einzigartig.»

Kaum einer hat so viele Varietäten (Sauvignon blanc, Chenin, Syrah und Merlot) im Lavaux eingeführt wie er – und kaum einer hat sich dem Chasselas derart mit Haut und Haar verschrieben. «Der Chasselas ist ein Virus», meint der Grandseigneur des Dézaley, unermüdlicher Forscher und Begründer des Conservatoire du Chasselas, einer wertvollen ampelografischen Sammlung aller bekannten Spielarten des Chasselas. 4,5 der 16 Hektaren des Familienguts liegen im prestigereichen Grand Cru, in dem «Weine von internatio­nalem Niveau wachsen – wenn man ihnen Zeit lässt, sich zu entfalten. Das Dézaley ist eine der grossen mythischen Weinregionen Europas.» Innovativ, Altüberliefertes in Frage stellend und zugleich der Tradition tief verbunden, beweist der Initiant der Waadtländer Terroirstudie mit seinem berühmten Dézaley La Médinette Jahr für Jahr, zu welchen Grosstaten dieses Terroir fähig ist. Sofern die Voraussetzungen stimmen. Das bedeutet: Rückkehr zu alten, wenig produktiven, qualitativ spannenden Selektionen, strenger Schnitt, biodynamisch inspirierter Weinbau, geringe Mengen, rassige Säure, perfekte Reife der Trauben, langsamer Ausbau auf den Feinhefen in Holzfudern, regelmässige Bâtonnage, Flaschenfüllung erst nach einem Jahr. Das Resultat ist ein grosser, alterungsfähiger Gastronomiewein mit Persönlichkeit und vollendeter Finesse. Was LouisPhilippe Bovard der Region Dézaley wünscht? «Dass es immer Menschen geben möge, die sich dieses Terroirs würdig erweisen – und die es verstehen, dem Wein eine Seele zu verleihen.»

DANIEL LAMBELET

Eine unvergessliche Erinnerung? «Im Rahmen der Baronnie hatte ich nun schon mehrmals die Gelegenheit, einen Dézaley des Jahrgangs 1945 zu verkosten, das letzte Mal am 1. September dieses Jahres. Das ist jedesmal ein sehr emotionales Erlebnis, ein fast magischer Moment. Dieser Wein ist absolut grossartig, einfach aussergewöhnlich!»

Daniel Lambelet ist Weinbauer durch und durch. Das elterliche Gut war jedoch zu klein, um zwei Söhne zu ernähren, so lernte er Tischler – ein Beruf, den er ebenfalls geliebt hat. Als der Vater die Möglichkeit erhielt, die Reben der Domaine de la Maison Jaune, die der Gemeinde Cully gehören, als Vigneron-Tâcheron zu übernehmen, zögerte er allerdings keine Sekunde, zu seinen Wurzeln zurückzukehren; heute zeichnet er verantwortlich für die vier Hektaren Reben in Cully. Zusammen mit seinem Bruder Olivier hegt und pflegt er daneben die eigene Hektare Reben. 2000 Quadratmeter davon liegen im prestigereichen Grand Cru Dézaley, direkt neben der Tour de Marsens. Tischler und Winzer? «Ich liebe das Schöne, bin perfektionistisch – das passt zu beiden Berufen!» Seine liebste Arbeit ist das Schneiden der Reben, dieser direkte Kontakt mit der Natur, mit jedem einzelnen Rebstock. Als stolzer Handwerker legt er höchsten Wert auf Sorgfalt, im Rebberg wie im Keller. So rein und so natürlich wie möglich, lautet seine Devise. «Wir müssen das Image unseres Weins verteidigen. Genau das ist das Ziel der Baronnie, die sich einer strengen Qualitätscharta verschrieben hat. Wir ziehen alle am gleichen Strick und sind doch unabhängig.» Besonders gut entfaltet der Dézaley seine Tugenden nach einigen Jahren der Flaschenreife. Schon beim Ausbau braucht er Zeit, bleibt fast ein Jahr im Stahltank, bevor er abgefüllt wird. «Man muss dem Wein Zeit lassen. Wir arbeiten nach der Natur, nicht nach dem Kalender.»


Trend

zu den Flaschen fest, die gleich lange an einem klassischen Ort gelagert werden, räumt aber ein, nicht erklären zu können, was genau diesen Unterschied ausmacht. Dieselbe Demut in Cully bei Christian Dubois, der meint: «Die Jahrgänge entwickeln sich nicht linear, sondern stufenweise. Das Schicksal eines Weins vorauszusagen erweist sich als wesentlich subtiler als vermutet. Wann wird dieser Wein seinen Höhepunkt erreichen, fragt man mich oft. Schwierig, darauf eine ehrliche Antwort zu geben! Ich erkläre jeweils, dass das, was der Wein erzählt, je nach Stadium, in dem er sich gerade befindet, wechselt.» Und der Kunde? Wenn man verschiedene Jahrgänge zum Vergleich anbietet, dann entscheiden sich die Kunden für den ältesten Wein. «Heute interessieren sich die Leute für die alten Jahrgänge. Sie verstehen, dass das Lagern seinen Preis hat und akzeptieren es, dass eine Réserve von 2003 mehr kostet als ein 2009er. Das war allerdings nicht immer der Fall», gibt Laurent Baechtold

zu bedenken, der sich darüber freut, dass seine Erklärungen endlich Früchte zu tragen scheinen. In Bex, wo die Lagerweine rot sind, gibt man zu, «dass die Meinungen divergieren, doch die reiferen Weine finden Gefallen.» Und nicht nur bei eingeweihten Weinfreunden! Christian Dubois stellt fest, dass die Vinifikation «à l’ancienne» – langsame Gärung, zwölfmonatiger Ausbau im grossen Holzfass, ein bis zwei Jahre der Ruhe in der Flasche – dazu tendiert, den Wein in seiner Jugend zu benachteiligen. Paradoxerweise lassen sich von diesem Chasselas-Stil vor allem Junge überzeugen. Der Winzer von Petit Versailles ist nach eigener Aussage «völlig verblüfft von den 25- bis 30-jährigen, die sich brennend für Wein interessieren. Sie sind sehr neugierig, suchen nach unterschiedlichen Stilen und zahlen gerne etwas mehr für einen Wein, der ihnen wirklich gefällt.» Was beweist, dass sich bei den Konsumenten der Wert – im Gegensatz zum Wein – nicht nach der Anzahl der Jahre richtet.

Here’s to a slower pace Alexandre Truffer

Increasingly, Vaud’s winemakers work around the fact that some grapes need more time to ripen – meaning later harvesting dates. They may also leave their wines to ferment longer, or to bottle-age for months or years before being sold. Add an uptick in market enthusiasm for older vintages – and you’ve got a trend. Christian Dubois, of Frères Dubois in Cully, says: “Trust wine. If you’ve

done a good job in the vineyard and winery, it finds its way by itself. Just give it time.” At the Dubois winery, several vintages of the same wine are offered for sale – there are Chasselas and red wines dating back 40 years. Laurent Bæchtold, of Château de Luins, and Yvan Rapaz of Rapaz Frères in Bex, agree that selection and cultivation methods are paramount to produce keeper wines – but nothing is as important as harvest date. Patiently, “once the grape seeds have turned brown – keep monitoring, and decide

when to harvest based on the way the grapes look and taste,” says Bæchtold. And just when is a wine “best” to drink? Wines evolve in non-linear ways, says Dubois, so notions of “best” are not so much the issue as understanding that “depending on the stage they’re in, wines tell different stories.”

english

More and more winemakers – and consumers – embrace the spirit of patience.

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Waadtländer Wein

KAUM IST ER ALS DIREKTOR DER ECAL (ECOLE CANTONALE D’ART DE LAUSANNE) – ZU DEREN AUFSCHWUNG ER MASSGEBLICH BEIGETRAGEN HAT – IN PENSION GEGANGEN, HAT PIERRE KELLER ANFANG JULI DAS PRÄSIDIUM DES OFFICE DES VINS VAUDOIS (OVV) ÜBERNOMMEN, IN DER NACHFOLGE VON HENRI OLIVIER BADOUX. WIR HABEN IHN IM AUGUST GETROFFEN.

Pierre Keller steht vor einer grossen Herausforderung Pierre Thomas Foto: Anoush Abrar Pierre Keller mit 66 Jahren aus dem Verkehr ziehen? Das hiesse, den ehemaligen Mon­sieur 700-Jahrfeier des Kantons Waadt sträflich verkennen. Ein Monat nach akademischen Siegeskränzen und einhelligen Hommagen, zwischen Ferien auf einer griechischen Insel und einer Stippvisite beim Filmfestival von Locarno und kurz vor einer Reise nach Kalifornien und Mexiko, trifft er Leute an drei Fronten. Und führt eben so viele fast napoleonische Schlachten: eine (freisinnige) Kandidatur um einen Nationalratssitz, die Promotion eines «Museumspols» im Bahnhof von Lausanne und das Präsidium des OVV. Man trifft ihn in der Bar

«Meine Aufgabe beschränkt sich auf eine Herausforderung: Wie verkauft man den Waadtländer Wein besser? Natürlich möchte ich alle zufriedenstellen. Doch das wird schwierig sein.» LP’s, vor einem pinkfarbenen Cocktail (einem harmlosen Perrier mit Grenadine). Um dem bösen Westwind zu entkommen, richten wir uns im hinteren Teil des Lausanne Palace ein. Ein Glas Waadtländer Chasselas: Die Auswahl beschränkt sich auf einen Wein von Philippe Gex, den Gouverneur der Confrérie du Guillon, der ihn zusammen mit Patrick Fonjallaz dazu überredet hat, das Präsidium des OVV anzunehmen, und auf einen Wein der Domaine du Daley, deren Besitzer, Marcel Séverin, einer der ersten war, der ihn treffen wollte.

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Als Freischärler unter Freischärlern Pierre Keller ist keiner, der sich sofort in die Karten blicken lässt. «Meine Aufgabe beschränkt sich auf eine Herausforderung: Wie verkauft man den Waadtländer Wein besser? Natürlich möchte ich alle zufriedenstellen. Doch das wird schwierig sein. Das OVV betrifft die Winzer, die grossen Häuser, die Weinhändler. Ich kenne ausgezeichnete, persönlich engagierte Winzer mit etablierter, aber auch verjüngter Kundschaft. Winzer, die ihre Arbeit sehr gut machen. Ich habe den Eindruck, das ist eine Welt der Freischärler. Und ich bin auch einer: ein Freischärler! Ich bin nicht naiv: Die Wirkung des OVV wird auch von den grossen Häusern abhängen. Ich habe keine revolutionären Ideen. Wir müssen die Vorzüge ausspielen, die wir besitzen.» Er zeigt drei mögliche Pisten auf: «Zuerst ist das die Landschaft, welche die anderen nicht haben; sie ist einzigartig. Der Wein ist Teil dieses kulturellen Erbes. Dann müssen wir aggressiver und gastfreundlicher sein im Weintourismus. Man muss nicht nur die Leute hierherlocken, sondern ihnen auch Zeit widmen. Für mich ist die Herzlichkeit das wichtigste Element. Das ist der Punkt, wo sich der Waadtländer zu verkaufen versteht: Er ist herzlich und weiss Gäste zu empfangen. Zusammen mit dem Tourismusbüro des Kantons Waadt müssen wir Orte entwickeln, an denen die Besucher bleiben können, das ist sehr wichtig.» (Fortsetzung des Artikels auf Seite 9)


DER WEIN? «ICH WURDE MIT WEIN AUFGEZOGEN» Pierre Keller ist unerschöpflich, wenn es um seine Beziehung zum Wein geht. «Wir hatten Reben in Gilly, die Trauben gingen ans Château Saint-Vincent. Für meinen Vater, der ein Gipser- und Malergeschäft führte und Bürgermeister wurde, endete immer alles im Keller. Als ich jung war, nach dem Tanzen, am Sonntagmorgen in der Früh, traf man sich dort… Ich musste die Weine in der Reihenfolge aufstellen, in der wir sie getrunken hatten und mein Vater sparte nicht mit seiner Kritik. Ich wurde buchstäblich mit Wein aufgezogen. Nicht nur mit Waadtländer Wein, auch mit Walliser Wein, etwa von Gilliard und Mont-d’Or (AdR: ein Haus und eine Domäne, die im 19. Jahrhundert von Waadtländern gegründet wurden). Mein Vater, 1914 geboren, hatte Chardonne 1928 verlassen und war nach Gilly gezogen, hat sich aber immer nach dem Lavaux zurückgesehnt.» Dank den von Hammel importierten Weinen trank man bei den Kellers nicht nur

Waadtländer Wein: «Mein Vater liebte Burgunder, ich Bordeaux.» Eine Vorliebe, die er schon «mit 16 oder 17 Jahren» hatte. Später, in den 1990er Jahren, verfügte Pierre Keller zehn Jahre lang über eine Wohnung in Bordeaux: «Ich habe vor Ort sehr viel degustiert.» Hat er jemals gesagt, das Leben sei zu kurz, um Waadtländer Rotwein zu trinken? «Ja, das habe ich gesagt. Aber das war vor zwanzig Jahren! Ich habe die rote Assemblage des Clos des Abbayes immer geliebt; zusammen mit meinem Vater besuchte ich jeweils die Degustationen der Versteigerungen der Stadt Lausanne.» Später fuhr er jeden Morgen über die Strasse von Grandvaux nach Aigle, wo er unterrichtete: «Ich liebe die Reben, ich liebe diesen Landstrich.» Heute wohnt er in SaintSaphorin, in einem alten Winzerhaus «mit einem zweistöckigen Keller». Sein letzter Wille: «Der ganze Wein im Keller soll am Tag meiner Beerdigung getrunken werden.»

 Pierre Keller mit seinem berühmt gewordenen, cremeviolett gestreiften Hemd «à la vaudoise» und Jérôme Aké Béda, Chefsommelier der Auberge de l’Onde in Saint-Saphorin, dem Dorf, in dem der neue Präsident des OVV seinen Wohnsitz hat.

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Waadtländer Wein

Die «Generalstände des Waadtländer Weins» «Diesen Sommer bin ich ein wenig durch die Schweiz gereist… Ich habe gelesen, dass die Walliser Weine exklusiv in der Schweizer Botschaft in Rom ausgeschenkt werden sollen. In Locarno ist Ticino Wine natürlich sehr präsent. Und den Walliser Weinen ist es gelungen, die Türen zum Montreux Jazz Festival und zum Forum der 100 von L’Hebdo aufzustossen. Doch wo sind die Waadtländer Weine? Mir scheint, da hat man die Dinge einfach passieren lassen…» Es gibt (noch) keinen Aktionskalender für den neuen Präsidenten: «2011 ist sowieso alles aufgegleist. Die finanzielle Situation wurde in Ordnung gebracht und ist gesund. Von den 2,3 Millionen Franken des Budgets entfällt ein Fünftel auf Fixkosten. Es bleiben also 1,8 Millionen für Promotionen. Von denen 0,7 Millionen in die Regionen zurückfliessen. Zuerst will ich die Leute anhören. Und schauen, wie man anderswo, in anderen Kantonen, vorgeht.» Und angesichts der Waadtländer Besonderheit, der

grossen Dominanz des Chasselas (61% der Fläche, 68,5% der Ernte 2010): «Warum nicht die Generalstände des Waadtländer Weins einberufen? Man könnte alle um einen Tisch versammeln, alles auf den Tisch legen, jeder könnte sich ausdrücken. Und man würde feiern! Die beste Art, über Wein zu sprechen, ist nach wie vor, ihn zu trinken und zum Trinken anzubieten.» Eine andere Idee: «Eine grosse Waadtländer Operation in Zürich, in Zusammenarbeit mit einem Dutzend Bistros, Restaurants und Hotels und anwesenden Winzern, im Februar oder im März (Anmerkung der Redaktion: wie es die Genfer seit mehreren Jahren schon machen). Das wird sich nicht unbedingt sofort bezahlt machen, aber man muss langfristig denken.» Doch der Präsident des OVV wird nicht alles allein erledigen können: «Ich bin nicht eingebildet: Wenn ich etwas machen kann, etwas Gutes, um so besser. Aber ich möchte Erfolg haben und bisher ist mir nicht viel misslungen…»

Welcome, Mr. President Pierre Thomas

A month after winding down 16 years as director of ECAL, the cantonal art school, 66-yearold Pierre Keller is scanning the Lausanne Palace wine list for a good Chasselas. He says it was Yvorne producer Philippe Gex, Governor of the Confrérie du Guillon, along with Patrick Fonjallaz, who convinced him to accept the OVV presidency. Another name catches his eye:

Domaine du Daley, whose owner Marcel Séverin was one of the first to pay him a courtesy call. Wine has always been a part of his life, Keller says. His father, a local mayor, owned vineyards in Gilly. Keller now calls an old winegrower’s place in Saint Saphorin home. “My task as OVV president can be summed up this way,” he says. “How are we going to increase sales of Vaud wine?” The fact that most of it is Chasselas (in 2010, the variety made up 68.5% of the harvest) and other existing selling points – “our unique landscape, wine tourism” – must also be maximized.

Any specific action points? “Since the OVV financial picture is healthy, I have some time to think. I want to sound our people out first, and check out how they do things in other cantons.”

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We catch up with Pierre Keller who succeeded Henri Olivier Badoux at the helm of Vaud’s wine promotion entity, the Office des Vins Vaudois (OVV).

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Waadtländer Wein

IM APRIL GABEN DIE BUNDESBEHÖRDEN BEKANNT, DASS DIE SCHWEIZER WEINE NACH EINEM SCHWIERIGEN JAHR 2009 WIEDER ETWAS ZUGELEGT HABEN. AUCH DIE WAADTLÄNDER CRUS VERZEICHNEN ERFREULICHE FORTSCHRITTE. TROTZDEM DÄMPFEN DIE GROSSEN AKTEURE DES WEINMARKTS DEN OPTIMISMUS. EINE UMFRAGE BEI HÄNDLERPERSÖNLICHKEITEN UND PR-BEAUFTRAGTEN.

Ist das Glas halb leer oder halb voll?

Alexandre Truffer Fotos: Philippe Dutoit

Erste Feststellung: Zuwachs wird nicht überall in der Waadt konstatiert. Nicolas Schorderet, Generalsekretär des OVV, bevorzugt den Begriff «Stabilisierung». Michel Dizerens, Besitzer von J & M Dizerens in Lutry, spricht eher von «Korrektur», doch der Markt bleibe sehr schwierig. Also sind die Statistiken mit Vorsicht zu geniessen. Obwohl der Weinkonsum 2010 wieder zugenommen hat, liegt er doch unter den 2008 oder 2007 gemessenen Werten, trotz des Anstiegs der in der Schweiz lebenden Bevölkerung. Eine noch unklare Tendenz Paul Baumann, neuer Direktor von Obrist in Vevey, räumt ein: «Diese Zahlen freuen uns. Vor allem nach zehn Jahren Baisse im Konsum. Vielleicht haben wir endlich das Wellental hinter uns. Wir hoffen allerdings, dass die Tendenz anhält und nicht nur ein Strohfeuer ist, denn wenn der Waadtländer Weinbau langfristig rentieren soll, ist ein Aufschwung unabdingbar.» Die Zukunft macht auch Michel Dizerens Sorgen: «Der Markt ist sehr angespannt, es genügt eine etwas reichlichere Ernte und schon sind wir im Ungleichgewicht. Um so mehr als die Schweiz von Importeuren buchstäblich gestürmt wird.» Seit die Zollkontingente gefallen sind, ist die Schweiz in der Tat zu einem Testmarkt für kleine und grosse Akteure aus der ganzen Welt geworden. Der helvetische Konsument ist Weinliebhaber, besitzt genügend Geld –

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DER KONSUM 2010 Gemäss den offiziellen Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft hat der gesamte Schweizer Weinkonsum 2010 erstmals seit 2003 wieder 2,8 Mio. hl überschritten; das ist eine deutliche Steigerung (46 564 hl mehr als 2009). Die Rotweine machen fast zwei Drittel des helvetischen Marktes aus. Auf seiten der Schweizer Weine gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Die einheimischen Weine bleiben in der Minderheit, sie machen kaum 38% des Gesamtkonsums aus. Ihr Konsum dagegen ist nach einigen Jahren des Rückgangs wieder gestiegen (+3,2%). Das gilt für Weiss- (+2%) wie für Rotweine (+4,2%). Und die Waadtländer Weine? Ihr Konsum belief sich 2010 auf 29,1 Mio. Liter AOC-Weine, davon 20,4 Mio. Liter Weisswein. Ein wesentlich besseres Resultat als 2009 (27,3 Mio. l total), aber immer noch tiefer als 2008 (30,9 Mio. l) und 2007 (30,8 Mio. l).

mit steigendem Frankenkurs gar noch mehr – und ist ausgesprochen neugierig auf Neuheiten. Die Produzentenländer der Europäischen Union profitieren bei der Eroberung des Schweizer Marktes dazu noch von Subventio­ nen, was die Attraktivität unseres Marktes noch verständlicher macht. Gute Qualität, schlechter Bekanntheitsgrad Ein symptomatisches Beispiel für das Inter­ esse der Grossverteiler für ausländischen Wein: die Affäre um den deutschen Chasselas. 2010 kaufte Coop, der grösste Wiederverkäufer von Wein in der Schweiz, 3 Mio. Liter Chasselas aus Baden, der in den Ladengestellen den Platz des Westschweizer Chasselas einnahm. Alain Leder erklärt das so: «Schwache Lagerbestände verunmöglichten es den Schweizer Häusern, die Nachfrage des Marktes zu befriedigen. Mit dem Tiefflug des Euros wird es für uns sehr schwierig, diese Absatzkanäle zurückzuerobern. Um so mehr, als die Konsumenten vor einem Jahr weder reagierten noch nach Schweizer Weisswein fragten.» Weine in sogenannter «Literqualität» leiden, Weine des mittleren und oberen Segments dagegen halten sich eher gut. Paul Baumann stellt «auf diesem Niveau keinerlei Baisse fest. Unsere Appellationen bleiben gefragt und prestigereich.» Dagegen warnt er vor einer schlecht kontrollierten Diversifizierung. «Der Chasselas wird auch in zwanzig Jahren noch seinen Produzenten im Chablais oder

Lavaux ernähren. Spezialitäten und Rote sind eine Ersatzlösung, doch sollte man vorsichtig sein mit Sorten, welche die Leute zwar gerne probieren, aber nur zurückhaltend kaufen.» Eine Meinung, die Michel Dizerens teilt: «Ein einfacher, aber korrekter Chasselas ist leichter zu verkaufen als eine Spezialität ohne Persönlichkeit.» Und die Rotweine? Alle sind sich einig darin, die Waadt produziere genügend Rote. Alain Leder fügt an, «die Waadtländer Rotweine haben ein Bekanntheitsproblem. Ein Deutschschweizer Restaurateur wird fast immer einen Waadtländer Weissen auf der Karte haben, aber fast

 Im Zusammenhang mit dem Absatz von Waadtländer Wein hofft Paul Baumann, Direktor der Obrist SA in Vevey, «dass wir das Wellental hinter uns haben».  Michel Dizerens, Besitzer von J & M Dizerens in Lutry, zieht den Begriff «Korrektur» dem des «Wachstums» vor.

(Fortsetzung des Artikels auf Seite 12)

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Waadtländer Wein

nie einen Roten. Meistens ist das eine Frage des fehlenden Rufs, denn wenn unsere Kundschaft die Roten probiert, ist sie immer sehr positiv überrascht. Es gibt eine grosse Diskrepanz zwischen dem, was die Leute lieben und dem, was sie kaufen. Um diese Diskrepanz zu verringern, müssen wir unseren Auftritt verbessern.» Die Kommunikation als wichtiger Faktor Bekanntheit und Auftritt sind Begriffe, die in der Unterhaltung mit verschiedenen Gesprächspartnern oft auftauchen. Die Beziehung zwischen Kommunikation und kommerziell gesundem Weinbau ist für Nicolas Schorderet fraglos gegeben: «Die Baisse des Konsums verläuft parallel zu unserem sin Nicolas Schorderet unterstreicht, dass sich die in den letzten zwei Jahren unternommenen Anstrengungen in der Kommunikation auszuzahlen beginnen.

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kenden Bekanntheitsgrad. Mittlerweile beginnen sich die Anstrengungen der letzten beiden Jahre allerdings auszuzahlen.» Die Erhöhung der von der Branche bezahlten Gebühren freut übrigens alle Akteure, obwohl Paul Baumann meint, «die Taxe, die verdoppelt wurde, ist teuer und trifft die Produzenten in einem heiklen Moment. Vor fünf oder zehn Jahren, als alles gut lief, hätte man sie viel leichter bezahlen können, aber das wollte niemand. Heute wurde sie dank der aktuellen Schwierigkeiten akzeptiert.» Höchstes Ziel der Promotion, die mittels dieses Geldsegens finanziert wird: die Konsolidierung eines nationalen Images des Schweizer Weins gegenüber dem ausländischen. Jacques-Alphonse Orsat, Präsident von Swiss Wine Promotion, erklärt: «Der Bund finanziert nur Werbekampagnen mit, die für sämtliche Regionen werben. Ausgeschlossen, die teilweise antagonistischen Eigenheiten der Regionen in den Vordergrund zu rücken. Wir

mussten deshalb einen gemeinsamen Nenner finden in dieser höchst vielfältigen helvetischen Weinlandschaft. Unsere Wahl fiel auf das Schweizer Können, das man bei allen eidgenössischen Produzenten findet.» «Das Kreieren eines Images auf nationalem Niveau hat erste Priorität», findet Michel Dizerens. «In einem zweiten Schritt sollte man vom Kanton und der Region sprechen.» Von der Region, also den heutigen Appellationen, und nicht den Produktionszonen, den alten AOC. «Es gibt bedeutende lokale Forderungen, doch das ist eine kurzfristige Sicht», betont der Produzent aus dem Lavaux. Gleich tönt es bei Paul Baumann, der schlussfolgert: «In Châteauneuf-du-Pape kauft man die regionale Appellation, die sich gut und teuer verkaufen lässt. Das müsste das Lavaux inspirieren. Das dauert vielleicht eine Generation, doch künftig wird man Lavaux verkaufen und nicht mehr Rivaz oder Villette. Das ist auf lange Sicht die einzige kohärente und gangbare Option.»

 Jacques-Alphonse Orsat erklärt, dass man für die nationale Plakatkampagne das Thema Können gewählt hat.

DIE NATIONALE WERBEKAMPAGNE IN ZAHLEN Das Budget von Swiss Wine Promotion für die Jahre 2011 und 2012 beträgt annähernd 12 Mio. Franken, fast die Hälfte davon stammt vom Bund. Der grösste Ausgabenposten ist die Plakatkampagne, die 5 Mio. Franken kosten wird. Diese, von der Werbeagentur Grand in Sierre realisiert, zeigt ein Glas Wein (rot oder weiss) neben einer helvetischen Ikone: Schokolade, Schweizer Armeemesser, Uhrwerk. Sein Slogan: «Schweizer Können» oder «Gewusst wie». Die parallel laufende Pressekampagne – mit denselben Sujets – wird ihrerseits 3,4 Mio. Franken kosten. Die Projekte unter der Leitung der Vereinigung Vinea (Mondial du Pinot Noir, Mondial du Merlot, Grand Prix des Schweizer Weins, Salon Vinea, Schweizer Weinführer usw.) werden mit 1,75 Mio. Franken unterstützt. Die Werbung für den Export erhält Hilfe im Umfang von 1,2 Mio. Franken. Der Rest geht in kleinen Pressekampagnen (630 000 Franken) und administrativen Kosten (190 000 Franken) auf. Das Budget 2011 ist längst abgeschlossen, das für 2012 steht noch nicht ganz fest. Die genannten Zahlen, der Zeitschrift Vinum entnommen, könnten sich also noch geringfügig verändern.

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Vaud’s wine market: Glass half empty or half full?

Michel Dizerens, owner of J & M Dizerens in Lutry

Alain Leder, deputy director of Schenk SA in Rolle

Paul Baumann, new director of Obrist in Vevey

Swiss wines returned to growth after a difficult 2009. The demand for Vaud wine also increased. To Nicolas Schorderet, secretary general of Vaud’s wine promotion office (OVV), the situation has “stabilized.” Michel Dizerens, owner of J & M Dizerens in Lutry, refers to a “market correction,” while Alain Leder, deputy director of Schenk SA in Rolle, says he’s “happy about the uptick, but the market remains difficult.” For Paul Baumann, the new director of Obrist in Vevey: “After ten years of lower consumption, this is good news. But the upward trend must continue if Vaud wine production is to remain profitable long term.” To Schorderet “less consumption went hand in hand with lower visibility. The efforts we’ve been making for two years are paying off.” All agree on the necessity of creating an image for Swiss wine. Jacques-Alphonse Orsat, president of Swiss Wine Promotion that is leading that drive, says it’s based on the term “‘savoir faire’ – something all Swiss winemakers have in common.”

Consumption in 2010 Swiss Federal Office for Agriculture figures put total wine consumption in Switzerland in 2010 at over 2.8 million hectoliters – up by 46,564 hl from 2009. Swiss wines account for less than 38% of total consumption, but after several years of losing ground consumption is up by 3.2% (whites + 2%, reds + 4.2%). Consumption of Vaud Appellation d’Origine Contrôlée wines reached 29.1 million liters in 2010, of which 20.4 million liters were white.

is budgeted at CHF 3.4m. Other allocations include CHF 1.75m for projects of the Valais-based Vinea association (the Mondial du Pinot Noir, Mondial du Merlot, and Grand Prix des Vins Suisses wine competitions; the annual Vinea wine fair; publication of the Swiss Wine Guide) and CHF 1.2m for publicity in conjunction with exports. The rest will be divided among smaller press campaigns (CHF 630,000) and administration (CHF 190,000). The 2012 budget has yet to receive final approval so there could be adjustments to these figures.

The national campaign in numbers According to Zurich-based Vinum Magazine, Swiss Wine Promotion’s budget for 2011 and 2012 is CHF 12 million. Half of that is paid by the federal government. The biggest expense (CHF 5m) is a national poster campaign. The poster reads (translated) “Swiss Savoir Faire” and shows a glass of red or white wine next to a Swiss icon like chocolate, an army knife, or a watch movement. A press campaign accompanying its launch

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Alexandre Truffer

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Waadtländer Wein

 Von links nach rechts, drei «Aficionados» des Labels Terravin: Marc Taverney, Aigle, Stéphane Schmidt, Lavigny, und Christelle Luisier Brodard, Bürgermeisterin von Payerne. DANK DEN ENORMEN KOMMUNIKATIONSANSTRENGUNGEN, DIE DAS LABEL TERRAVIN IN DEN LETZTEN JAHREN UNTERNOMMEN HAT, PRÄSENTIEREN IMMER MEHR WAADTLÄNDER WEINGÜTER IHRE WEINE BEI DEN SELEKTIONSDEGUSTATIONEN. WARUM, WIE UND MIT WELCHEM ZIEL?

Triumph für die Goldenen Lorbeeren Alexandre Truffer Fotos: Philippe Dutoit «Die Deutschschweizer lieben dieses Label», bestätigt Marc Taverney, Leiter der Proprié­té Veillon im Kloster, Aigle. Dieses Weingut mit etwas weniger als fünf Hektaren Reben, bekannt für seine hochklassigen Chasselas, ist nicht nur dem Qualitätslabel treu, sondern richtet auch einen bedeutenden Teil seiner Kommunikation auf die regelmässige Erlangung des schwarz-goldenen Klebers aus. Die drei Chasselas der Kellerei, die zusammen 80% der Produktion ausmachen, werden jedes Jahr der Jury von Terravin präsentiert, nicht aber die Spezialitäten. «Die verkaufen sich von alleine», präzisiert der Önologe, der feststellt, dass es mittlerweile einfacher ist, «teure Weine vom Typ Réserve zu verkaufen als traditionelle

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Crus». Unter anderem dank den Jungen, «die bei den Tagen der offenen Keller immer zahlreicher kommen. Sie kaufen wenig, aber sie kaufen. Und in der Regel im oberen Segment. Sie haben keine Vorurteile und sind sehr interessiert an der Bedeutung des Labels.» «Die Kundschaft hat gewechselt. Einen guten Chasselas zu produzieren, reicht nicht mehr, mittlerweile muss man sich von der Konkurrenz abheben», bestätigt Stéphane Schmidt von der Cave du Vallon in Lavigny. Für diesen Produzenten an der Spitze eines Weinguts von acht Hektaren mit sehr diversifiziertem Sortensatz hat Terravin grosse Fortschritte gemacht. «Mittlerweile ist das eine bei der Öffentlichkeit bekannte Marke.» Das ist eine


© Kairos atelier photos – Sandra Culand

neue Sichtweise. Denn die Kellerei, die früher jeweils ihren Chasselas präsentierte, hörte vor fünf Jahren damit auf, wegen der Kosten und dem schwachen Einfluss des Labels auf den Konsumenten. Dieses Jahr hat Stéphane Schmidt beschlossen, wieder zwei Chasselas zur Selektion einzureichen – und er zieht eine höchst positive Bilanz: «Beide wurden prämiert. Mengenmässig sind das die beiden wichtigsten Weine des Guts. Am Tag der offenen Keller haben wir einen deutlichen Unterschied festgestellt. Die Kunden sehen sich durch das Label bestätigt. Die Jungen, die vor allem sensibel sind auf diese Auszeichnung, verlangen nach weiteren Erklärungen zum Qualitätslabel.» «Das Label Terravin ist ein kommerzieller Pluspunkt, aber auch ein Zeichen der Glaubwürdigkeit für den Konsumenten», konstatiert Christelle Luisier Brodard, die sich um die Weine der Stadt Payerne kümmert. Für die Bürgermeisterin der Kleinstadt in der Broye «gehört die Teilnahme an den Selektionsdegustationen von Terravin zum Qualitätsgedanken, der alle Güter der Gemeinde beseelt.» Die Stadt, im Besitz eines (auch architektonisch) wundervollen Weinguts – gegen 13 Hektaren im Herzen des Lavaux – hat lange Zeit das Licht dieses Schmuckstücks unter den Scheffel gestellt. Seit einigen Jahren haben die Reorganisation der Arbeit in den Rebbergen, der Bau eines neuen Kellers und die Zusam-

menarbeit mit dem Önologen Philippe Corthay zu einer totalen Überarbeitung der Gemeindeweine geführt. 2011 vollendeten die Güter der Stadt Payerne ihre Metamorphose, was durch sechs Goldene Terravin-Lorbeeren belohnt wurde. Neben den Chasselas wurden auch Rotweine und weisse Spezialitäten ausgezeichnet. «Mit derart unterschiedlichen Weinen teilzunehmen, erlaubt es uns, uns von den anderen Produzenten abzuheben», betont die Bürgermeisterin, die beobachtet, dass «Terravin im Waadtland von den Weinliebhabern immer mehr geschätzt wird. Ausserhalb des Kantons kennen die Leute die Marke weniger, sind aber trotzdem zufrieden, dass unsere Flaschen mit einem Label geschmückt sind.» Auf die Frage nach der neuen Kundschaft, meint

«Das Label Terravin ist ein kommerzieller Pluspunkt, aber auch ein Zeichen der Glaubwürdigkeit für den Konsumenten.» Christelle Luisier Brodard: «Die treuen Käufer suchen eine bestimmte Appellation und interessieren sich wenig für die Auszeichnungen eines Weins. Parallel dazu gibt es allerdings eine volatile, anspruchsvolle Kundschaft, die Spitzenqualität verlangt. Diese Kunden wollen sicher sein, etwas Gutes zu kaufen. Sie suchen eine Garantie – und diese geben ihnen die Goldenen Lorbeeren von Terravin.»

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Waadtländer Wein

 Jean-Jacques Steiner stellt seinen an der Vinea mit einer sensationellen Grossen Goldmedaille ausgezeichneten Œil-de-Perdrix 2010 dem Präsident des OVV Pierre Keller vor. Keiner hat diesmal mehr Medaillen als der Winzer aus Dully eingeheimst (siehe auch S. 33).

TERRAVIN, EHRENGAST AN DER VINEA 2011 stellt – beschliesst diese Charmeoffensive im Herzen des Vieux-Pays. Diese Reise freut übrigens Bruno Gaeng, verantwortlich für die Kommunikation von Terravin, der daran erinnert, «dass das Qualitätslabel ein starkes Konzept definiert. Unsere Selektion krönt eine beispielhafte Arbeit im Rebberg wie im Keller. Die Terravin-Weine brauchen folglich die Konkurrenz nicht zu fürchten.» In Sierre erklärt Elizabeth Pasquier, Direktorin der Vereinigung Vinea, sie «habe sich von den grossen Chasselas vom Lac Léman verführen lassen» und freue sich auf die starke Präsenz der Waadtländer Crus in einer Veranstaltung, die sich nach eigenem Bekunden in den Dienst der Schweizer Weine stellt und nicht nur in den des kantonalen Weinbaus.

 Jacques-Alphonse Orsat (rechts), Präsident von Swiss Wine Promotion, wird am Terravinstand von Jean-Pierre Cavin betreut.

© Terravin

Seit einigen Jahren präsentiert die grosse Weinveranstaltung in Sierre ihren Besuchern jeweils ein Trio von Ehrengästen: einen internationalen Gast, eine helvetische Region oder Vereinigung und eine historische Kellerei. Der Schweizer Gast, dieses Jahr das Qualitätslabel Terravin, bekommt nicht nur einen Stand, an dem er seine Weine den in der Haupt­strasse von Sierre erwarteten 10’000 Besuchern ausschenken kann, sondern auch einen Ehrenplatz in den Kommunikationsmitteln der Veranstaltung: im Spezialheft, das von den Magazinen Vinum und L’Hebdo verteilt wird, an der Pressekonferenz und anlässlich der Pressereise, bei der seine Weine in den Vordergrund gestellt werden. Die Sichtbarkeit in den Medien ist ein erklärtes Ziel von Terravin. Darüber hinaus bietet diese Präsenz im Wallis vier Waadtländer Kellereien die Möglichkeit, ihre mit einem Terravin-Label ausgezeichneten Weine einem Publikum vorzustellen, das a priori wenig vertraut ist mit den Weinen vom Lac Léman. Die Cave des Viticulteurs de Bonvillars, die Domaine Patrick Fonjallaz aus dem Lavaux und das Unternehmen Parfum de Vigne aus der Côte begleiten den Gewinner der Platinlorbeeren von 2009, die Artisans Vignerons d’Yvorne. Eine Prestigedegustation zum Thema alte Dézaleys – auf Château Mercier vom Önologen Philippe Corthay vorge-

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Terravin’s “Lauriers d’Or” quality seal is a major success the right to bear the prestigious Terravin “Lauriers d’Or” labels this year. “Loyal customers are focused more on a specific appellation and are less interested in a wine’s distinctions,” says Luisier Brodard, “but parallel to that there is a very demanding and ever-evolving clientele that not only wants top quality, but some kind of guarantee of what they’re buying. The Terravin ‘Lauriers d’Or’ label gives them that.” Guest of honor at Vinea 2011 Terravin head of communication Bruno Gæng was particularly delighted that Terravin was the Swiss guest of honor at the Vinea salon this year. Held annually in the streets of Sierre, Valais, the event draws crowds of some 10,000 visitors. “Visibility is one of our main objectives,” Gæng says, adding that “Terravin wines have nothing to fear from competition.” Representing Vaud wines were La Cave des Viticulteurs of Bonvillars, winemaker Patrick Fonjallaz in

Lavaux, Jean-Jacques Steiner in Dully (above), and the winner of the 2009 Terravin platinum award, the Artisans Vignerons d’Yvorne. Parallel to their presence at the salon, enologist Philippe Corthay held a wine tasting of aged Dézaley Chasselas wines at Sierre’s Château Mercier. The Vinea association’s director, Elizabeth Pasquier, said she had been “seduced by the great Chasselas wines from the Léman region” and was happy for a strong Vaud presence at the salon, stressing that the event is not only a showcase for Valais wines but is “at the service of all Swiss wines.”

english

© Kairos atelier photos – Sandra Culand

“Swiss-German buyers are swayed by the Terravin label,” says Marc Taverney, manager of the Propriété Veillon au Cloître, in Aigle. For that reason, each year his winery submits the three Chasselas wines that make up 80% of its production to the Terravin tasting panel in the hopes of again winning the right to paste the prestigious black and gold sticker on the bottles. “We see a marked difference with local clients: a Terravin sticker makes them trust the product more,” says Stéphane Schmidt of the Cave du Vallon in Lavigny, happy to get the distinction for his two Chasselas wines that “in terms of volume are our most important.” “The Terravin label is not only a selling point, it raises a wine’s credibility,” notes Christelle Luisier Brodard, the mayor of Payerne who, working together with enologist Philippe Corthay, is responsible for the wines produced by town-owned vineyards. Six of their wines – Chasselas, some white specialty wines and reds – won

© Terravin

Alexandre Truffer

Marc Taverney, manager of the Propriété Stéphane Schmidt of the Cave du Vallon, in Lavigny Veillon au Cloître, in Aigle

Christelle Luisier Brodard, the mayor of Payerne

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Degustation

DER WAADTLÄNDER MARKT FÜR SCHAUMWEINE HÖRT NICHT AUF, SICH WEITERZUENTWICKELN. DAS BEWEIST DER GRÖSSTMÖGLICHE EINFALLSREICHTUM PUNKTO REBSORTEN, ASSEMBLAGEN, VINIFIKATION UND AUSBAU.

Schaumweine in wildem Aufruhr Pierre Thomas Fotos: Sandra Culand Der Winzer, der Lieferant des Basisweins, ist dem Versekter, dem «élaborateur manipulant» zu Dank verpflichtet. In der Regel sind es zwei, welche die Waadtländer Kundschaft unter sich aufteilen: Daniel Marendaz in Mathod (VD) und Xavier Chevallay in Cartigny (GE). Mit Ausnahme einiger Häuser, die das Charmat-Verfahren praktizieren, greifen alle Winzer auf das Savoir-faire eines Versekters zurück, um ihre «méthode traditionnelle» zu produzieren. Selbst wer nur 300 oder 500 Liter Schaumwein produziert, darf nicht improvisieren. Denn der Vorgang verläuft nach präzisen Kriterien. Selten sind die Selbstkelterer, die sich von Grund auf in diese Materie eingearbeitet haben. Raoul Cruchon aus Echichens gehört zu ihnen. Heute bringt er rund 8000 Flaschen Schaumwein pro Jahr auf den Markt. «Bei uns ist das ein Globalkonzept. Die Rebparzellen werden extra selek-

«Das flüchtige Schäumen ist ein Kind der Geduld.»  Der Stillwein hat seine zweite Gärung durchgemacht und dabei Kohlensäure freigesetzt. Nun folgt ein weiterer wichtiger Arbeitsschritt: das sogenannte Degor­ gieren.

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tioniert. Hier ist der Ertrag reichlicher, doch im Endeffekt ergibt ein Kilo Trauben nur einen halben Liter Saft. Denn die Trauben werden ganz gepresst und es gibt keinen Verschnittwein. Danach wird der Basiswein acht Monate lang auf den Feinhefen in Barriques von 500 Litern ausgebaut, um reduktive Noten zu vermeiden. Der Wein macht keinen biologischen Säureabbau durch. Ich verarbeite den Wein nach Cham-

pagnermethode und lagere die Flaschen zwei Jahre lang auf dem Hefesatz. Degorgiert wird bei Marendaz, doch seit kurzem füllen wir selber ab, um den Prozess bis zum Schluss selber zu meistern.» Die Domaine Cruchon hat sich eine elektronische Champagner-Traubenpresse besorgt, die ganz sanft arbeitet. «Die Selektion des Mostes begünstigt die Finesse der Bläschen», erklärt der Önologe, der neben dem klassischen Duo (Chardonnay und Pinot noir) auch mit Pinot blanc pröbelt. Champagner, das Mass aller Dinge Daniel Marendaz, 59 Jahre alt, ist begeistert von der Champagne, «einer uralten Weinregion, die den bekanntesten Wein der Welt herstellt». Er selbst hat sich seit einem Vierteljahrhundert, genauer: seit 24 Jahren, ganz den Bläschen verschrieben. Was er bei den Champenois bewundert: «dass sie das Beste aus ihren Trauben extrahieren». Lange versektete der Selbstkelterer aus Mathod nur für sich selbst einige Tausend Flaschen. Er bietet sechs Schaumweine unter eigener Etikette an, zu 80% Bruts (mit weniger als 15 g Zucker). Von den zehn Hektaren seines Guts, sind drei Schaumweinen vorbehalten – ein Verhältnis, das sonst nirgendwo in der Waadt erreicht wird. «Ich kontrolliere alle Arbeitsschritte besser und habe mich in der richtigen Richtung entwickelt», meint er bescheiden. Mittlerweile wird er von den «grossen Häusern» wie Cruchon, Schenk



Degustation

Links: Der «liqueur d’expédition» (Dosage vor dem Verkorken) wird zugesetzt.

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und Badoux anerkannt und konnte unter einem einzigen Dach seine Installationen beträchtlich vergrössern und modernisieren, unter anderem schaffte er sich Rüttel-Roboter an. Falls man es überhaupt noch erklären muss: Die «méthode traditionelle» besteht darin, dass die Weine dank einer zweiten Gärung in jeder einzelnen Flasche Kohlensäure freisetzen. Nach Ende der Zweitgärung wird der Bodensatz durch sanftes Bewegen sprich Rütteln der Flaschen in Richtung Korken bewegt. Das wurde früher von Hand gemacht, Flasche um Flasche auf Rüttelpulten, heute automatisiert auf ganzen Paletten. «Das flüchtige Schäumen ist ein Kind der Geduld, denn die Bläschen unterstreichen die Qualitäten eines Weins, aber auch seine Schwächen. Ein Wein sollte zwei bis drei Jahre lang auf dem Hefesatz bleiben. Doch je mehr er reift,

desto mehr entwickeln sich seine Aromen, und das ist nicht nach jedermanns Geschmack», erklärt Daniel Marendaz. In der Champagne kann die Ruhe bis zu fünf Jahre oder länger dauern. «In der Schweiz fehlen uns die dafür notwendigen Säuren.» Je weniger Alkohol ein Basiswein aufweist, desto mehr Chancen hat er, zu einem ausgewogenen Schaumwein zu werden: «In der Champagne werden die Trauben mit potentiellem Alkoholgehalt von 11%vol. gelesen.» Doch es reicht nicht, die Trauben zwei Wochen vor der normalen Lese zu ernten. Ausserdem: Vorsicht vor grünen Tönen! Beim Pressen kommen die vegetabilen Aromen zur Geltung. «Vegetabiles Aroma steht im Gegensatz zur Mousse und katalysiert die Oxydation», fasst Raoul Cruchon zusammen. Die beiden Waadtländer verstehen sich gut.


Der Beweis: Valérie, die 20-jährige Tochter von Daniel Marendaz, hat bei den Cruchons gearbeitet, bevor sie Changins absolvierte. Ihr Vater ist ein Autodidakt, der während seiner ganzen Karriere viel von den Champenois gelernt hat. «Wenn ich noch einmal anfangen müsste, würde ich genau dasselbe machen. Denn das Versekten ist ein wahres Vergnügen!» Zwei Versekter an vorderster Front Heute ist Daniel Marendaz dafür eingerichtet, 60'000 Flaschen pro Jahr zu versekten. Seine Kundschaft nimmt zu: um rund 10% im Jahr 2011. In Cartigny, im Genfer Hinterland, versektet Xavier Chevallay zwischen 80’000 und 100’000 Flaschen pro Jahr, ein Drittel davon aus dem Waadtland. Mit seinen 50 Jahren hat der Genfer die Hälfte seines Lebens mit den

Bläschen zugebracht. «Die Qualität hat sich dank der Arbeit der Selbstkelterer verbessert. Vor 26 Jahren brachten sie mir den Tank, von dem sie nicht wussten, was sie damit anfangen sollten… Heute steckt in 90% der Fälle der Wille dahinter, ein gutes Produkt zu realisieren. Ich versuche mit ihnen gemeinsam die Rebsorte, die Parzelle und das Lesedatum auszuwählen.» Die Sache ist die Mühe wert: der Vorgang des Versektens und das adäquate Material – schwere Flaschen, Korken, «muselet» (Drahtgitter über dem Korken), Etiketten – bedeuten 5 bis 7 Franken Mehrkosten, was den Selbstkostenpreis einer Flasche Schaumwein auf 10 bis 12 Franken steigen lässt. Im Schnitt wird eine Flasche zum doppelten Preis abgesetzt. Doch wen interessiert schon der Preis – Hauptsache, der Schaumwein ist gut!

Mitte: Das Rütteln der Flaschen geschieht heute nicht mehr auf Rüttelpulten, sondern auf Giropaletten. Daniel Marendaz ist mit den modernsten Geräten ausgerüstet. Rechts: Zuerst wird das «muselet», ein Drahtkörbchen, über den Korken, dann die Halskrause über den Flaschenhals gestülpt.

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Degustation

Gefährliche Bläschen… Pierre Thomas Präsentation und Kommentare

Flaschenabfüllung Kohlensäure zugesetzt. Die Auswahl an Produkten ist also derart gross, dass der Grand Prix des Schweizer Weins mit dem Einführen einer Kategorie Schaumweine nichts riskieren würde; offensichtlich breitet sich das «Nischenprodukt» aus. Um die Schaumweine zu testen, hat Le Guillon neben dem Autor drei Mitdegustatoren eingeladen: Laurence Keller, beratende Önologin, Claudio De Giorgi, bis vor kurzem Präsident der Westschweizer Vereinigung der Sommeliers und grosser Kenner der Champagner, deren Botschafter er 2007 war, und Nicolas Bourassin, Sommelier. Schaumweine sind festliche Produkte und werden vorwiegend zum Aperitif konsumiert. Den einen oder anderen, sehr gut strukturierten, kann man laut Laurence Keller zu Fisch oder, bei eher weicheren, vinösen Weinen, zu Foie gras empfehlen. Die süssen Schaumweine kann man auch zu einem Dessert servieren, obwohl ein Wein süsser sein sollte als seine Begleitung, um nicht unterzugehen. So oder so: Das Universum der Schaumweine bleibt eine Welt von seltener Komplexität.

 Die Degustation fand am 27. Juni 2011 in der Weinbar Midi 20 in Lausanne statt: von l. nach r., Nicolas Bourassin, Laurence Keller, Pierre Thomas und Claudio De Giorgi.

© Philippe Dutoit

Es ist nicht einfach, Schaumweine zu degustieren. Nur wenige wagen das Abenteuer Schaumwein, auf Seiten der Produzenten wie auf Seiten der Verkoster. Wenn man weiss, dass 14 Schaumweine bei der Selektion der Waadtländer Weine 2011 im Rennen waren, dann ist es ein echter Exploit, dass die Jury des Guillon rund 40 Proben zum Degustieren erhielt. Die 15 besten, ausgewählt in einer Blinddegustation, werden auf den folgenden Seiten vorgestellt. Nur eine Handvoll Waadtländer Selbstkelterer kommerzialisiert mehr als 1000 Flaschen Schaumwein. Alle beweisen Phantasie: reinsortig; als Assemblage mit einem geringeren Anteil von Chasselas und mit dem Neuling Kerner; Chardonnay mit oder ohne biologischen Säureabbau, teilweise in Barriques ausgebaut, mit dem Risiko, am Champagner gemessen zu werden; weisse und zweifarbige Assemblagen, aber weiss vinifiziert; einige rare Blancs de Noirs; einige Rosés (mit einem Weisswein als Basis und einigen Tropfen Rotwein zum Färben) und sogar ein Roter… Fügen Sie noch die (selbst beim Brut) recht dehnbare «Dosage» hinzu: dieser Zusatz von Zucker vor dem definitiven Verkorken verändert die geschmackliche Wahrnehmung des Weins entscheidend. Und dann, um alles noch komplizierter zu machen, kommen noch drei oder vier Weine dazu, die von Uvavins oder Hammel im Tankgärverfahren («cuve close») produziert wurden. Das in der Champagne unbekannte Vorgehen, auch Charmat-Methode genannt, wird in Italien oft angewandt, vor allem in der Produktion von Prosecco. Wie schon der Name andeutet, entwickelt sich die Kohlensäure dabei in einem grossen verschlossenen Behälter, im Gegensatz zur «traditionellen Methode», bei der jede Flasche individuell vergärt. Zwei, drei Schaumweine wurden gar nach einem dritten Verfahren hergestellt; ihnen wurde im Moment der

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Degustation

★★

Der Unerwartete

Blanc de Blancs, Domaine de MaisonBlanche, Yves de Mestral, 1185 Mont-s/Rolle; www.domainemaisonblanche.ch 3000 Fl./Jahr (Chev.), Fr. 23.– Helles Gelb; feine Bläschen. Nase mit Noten von weissen Blüten und Zitronen; schöne Frische im Gaumen mit Aromen von Brioche, geschmeidig und angenehm, leichte Bitternote im Finale. Schöne Balance zwischen Säure und Alkohol (12%vol.). Ein gutes Beispiel für einen aus Chasselas gekelterten Schaumwein, produziert von einem Schaumwein-Pionier (seit 1987).

Das gute Beispiel

★ ★★ Impérial, blanc de blanc, Daniel Marendaz, 1438 Mathod daniel.marendaz@gmail.com 1000 Fl./Jahr, Fr. 25.– Goldenes Gelb; feine, anhaltende Bläschen. In der Nase Noten von Melonen, Birnen und Honig, von reifer Stilistik, aber trotzdem frisch, ausladend und reichhaltig, voller Rasse und Harmonie. Claudio De Giorgi kritisiert den (über-) reifen Stil und bemängelt das fehlende Alterungspotential. Ein zweiter Wein, der Brut Tradition (4000 Fl./Jahr, Fr. 21.–), wurde als interessant eingestuft und mit zwei Sternen ausgezeichnet: Auch er präsentiert sich sehr reif, weinig und mit Noten von Brioche, wirkt aber etwas schwer. Ein solcher Wein eignet sich weniger zum Apéro, begleitet dafür sehr schön ein Dessert, etwa eine Aprikosenwähe, mit der sich ein spannendes Süsse-SäureSpiel ergeben wird. Der Waadtländer Versekter beweist sein Savoir-faire, das er sich in geduldiger, zwanzigjähriger Arbeit angeeignet hat.

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★ ★★ Bertrand de Mestral, AOC La Côte, Bourgeois Vins SA, 1131 Tolochenaz-Morges; www.bourgeoisvins.ch 2000 Fl./Jahr, (cuve close), Fr. 12.50 Helles Gelb; mittlere Bläschen, sehr anhaltend. Feine, aromatische, florale Nase mit Noten von Ananas, Glyzinien und Zitronen. Sehr fruchtbetonter und frischer Auftakt. «Ein junger Wein, der nach frischen Trauben schmeckt», wie ein Jurymitglied meinte. Die Jury zeichnete diesen nach dem CharmatVerfahren produzierten Wein (wovon die Verkoster aber nichts wussten) einhellig mit der höchsten Note des Tages aus. Die Qualität der Trauben und der perfekte Erntezeitpunkt machen hier den Unterschied aus.

★ ★/★

APEX Brut 08–11, Domaine La Colombe, Raymond Paccot, 1173 Féchy; www.lacolombe.ch 1500 Fl./Jahr (Mar.), Fr. 26.– Gelb mit grünlichen Reflexen; schöne, anhaltende Bläschen. Frische, fruchtige Nase mit Noten von Pfirsich, Zitronen und einem Hauch von grünen Mandeln; in der Mitte des Gaumens kraftvoll, sehr frisches Finale. Die Jury war sich nicht einig: die eine Hälfte fand diesen Blanc de Blanc bemerkenswert, die andere wirft ihm zu viel Lebhaftigkeit und einen zu schwächlichen Körper vor.

★★ Cuvée Rogivue, blanc de blancs, Les Fils Rogivue, 1071 Chexbres; www.rogivue.ch 1200 Fl./Jahr (Chev.), Fr. 25.– Helles Gelb; feine, anhaltende, aber wenig intensive Bläschen. Charmante florale Nase mit Noten von Holunder; im Gaumen lebhaft, mit einem von eingemachten Früchten geprägten Finale. Ein frischer, angenehmer Wein aus 100% Pinot gris.

Ein Roter mit Klasse

★ ★/★

Didier Gaille, AOC Bonvillars (Mar.), 1425 Onnens; 024 436 21 25 1000 Fl./Jahr (Mar.), Fr. 22.– Goldgelb; feine Bläschen und angenehme Mousse. Offene, ausdrucksvolle Nase mit Noten von Birnen, reifen Früchten und Mandeln; im Gaumen reif und mächtig, vinös und frisch zugleich. Dieser reinsortige Chardonnay war umstritten in der Jury: die eine Hälfte fand ihn bemerkenswert, die andere beurteilte ihn als zu rustikal.

★★ Chardonnay, Réserve du Colombier Brut, Cave Albiez-Meylan, 1185 Mont-s/Rolle; c.albiez@bluewin.ch 600 Fl./Jahr (Mar.), Fr. 26.– Helles Gelb; mittlere Bläschen. Nase mit Noten von Akazienhonig, Brotkrume, süssen Gewürzen und mit einem Hauch von Zitrusfrüchten. Nicht sehr lang im Gaumen, dafür mit lebhaftem Finale. Ein reinsortiger Chardonnay, angenehm und geschmeidig.

★ ★★ Brut Rosé 1620, Le Cellier du Mas, AOC Tartegnin, Blanchard Frères, 1185 Mont-s/Rolle; dgblanchard@bluewin.ch 1000 Fl./Jahr (Chev.), Fr.19.– Lachsfarbene Robe; feine, elegante Bläschen. Sehr frische Nase mit Noten von roten Früchten. Geschmeidiger Auftakt auf Aromen von roten Früchten, schöne Frische und gutes Gleichgewicht zwischen Säure und Fülle. Ein feiner, rassiger Rosé, der die Jury einhellig begeistert hat. Bemerkenswert auch der schwache Alkoholgehalt von 11,5%-vol. Die Brüder David und François Blanchard keltern diesen originellen, köstlichen Wein aus vier typischen Waadtländer Rotweinsorten: Gamaret, Diolinoir, Pinot noir und Gamay.


Der Originelle

★ ★/★

Noir de Noir, La Sorcière, doux, Pierre Mandry, 1297 Founex; pierre.mandry@recto-verso.ch 2000 Fl./Jahr (Mar.), Fr. 30.– Fast schwarze Robe mit violettem Rand; mittlere Bläschen. In der Nase Noten von Kirschenkompott, Waldbeeren und Holunder. Auftakt auf Noten von eingemachten roten Früchten, mächtiges Finale mit pfeffrigen Nuancen, zugleich mild (aber kaum süsser als gewisse Bruts!) und leicht bitter. Die Jury geriet leicht aus dem Konzept, konnte sie diesen Wein auf der Basis von Gamaret doch an keinem bekannten Beispiel festmachen. Zu einem Dessert mit schwarzer Schokolade servieren oder zu Blauschimmelkäse, damit die verblüffende Vinosität dieses Schaumweins zur Geltung kommt. Ein Kuriosum…

Aromatik von roten Früchten. Ein vinöser Schaumwein, im Finale eine wahrnehmbare Note der Entwicklung. Der Winzer lässt aus 75% Chardonnay und 25% Pinot noir 1500 Flaschen herstellen, die jeweils drei Jahr lang nach je nach Bedarf degorgiert werden. Michel Perey hat diesen schönen Wein bereits seit mehr als 15 Jahren im Angebot (1994).

★ ★★ Eclypse, Domaine d’Aucrêt, AOC Epesses-Lavaux, 1096 Cully; www.aucret.ch 5000 Fl./Jahr, Fr. 23.– Helles Gelb; feine und angenehme Mousse. Diskrete Nase mit Noten von Zitrusfrüchten. Auftakt im Gaumen auf Aromen von Passionsfrucht, dann geschmeidiger, frischer Körper. Ausgewogner Wein im Stil eines Prosecco, notierte Claudio De Giorgi. Ein Blanc de Noirs auf der Basis von Pinot noir, versektet wird er von der Weinkellerei Paul Gasser in Ellikon an der Thur (TG).

Ein neuer Stern am Himmel

★★ Indécence, vin mousseux de Romandie, Association vinicole, 1802 Corseaux; www.avc-vins.ch 1500 Fl./Jahr (Chev.), Fr. 19.50 Mittleres Gelb; recht feine Bläschen. Aromatische Nase mit Noten von gelben Früchten, Mirabellen, trockenen Kräutern und einem Hauch Honig. Im Gaumen reif und reichhaltig, auf Noten von Trockenfrüchten ausklingend. Die Süsse im Abgang beeinträchtigt diese Assemblage aus Chasselas (Chardonne), Riesling-Sylvaner (Côtes-del’Orbe) und Chardonnay de Lully (VD) ein wenig. Aber im Gegensatz zu dem, was die Etikette erwarten lässt, handelt es sich um einen echten Waadtländer.

★ ★★ Cuvée Tristan, Domaine de la Balle, Michel Perey, 1134 Vufflens-le-Château; www.vins-perey.ch 500 Fl./Jahr (Chev.), Fr. 25.– Helles Gelb; mittlere, konstante Bläschen. Ausdrucksvolle Nase mit Noten von rosa Grapefruit und getrockneten Kräutern. Im Gaumen sehr frisch und mit diskreter

Ein «Star» bestätigt sich

★ ★★ Starlight, Domaine du Feuillerage, Roland Gaillard, 1166 Perroy; www.feuillerage.ch 800 Fl./Jahr (Mar.), Fr. 25.– Helles Gelb, mittlere Bläschen. Offene Nase mit Noten von Ananas, Mirabellen und Limetten; im Gaumen findet man Zitrusfruchtaromen wieder, mit einem Hauch von Brioche. Ein fruchtiger, frischer und ausgewogener Wein. Ein wenig mehr Finesse bei den Bläschen wäre wünschenswert… Niemand hat dagegen die 14%-vol. erwähnt, den höchsten Alkoholgrad aller degustierten Weine. Ein «neuer Stern», denn dieser Wein wird erst seit letztem Jahr angeboten. Er besteht zur Hauptsache aus Kerner, einer deutschen Kreuzung aus (weissem) Riesling und (rotem) Trollinger, der in der Schweiz nur wenig kultiviert wird.

★ ★★ Brut blanc millésimé 2007, Henri Cruchon, 1112 Echichens; www.henricruchon.ch 8000 Fl./Jahr (Mar.), Fr. 25.– Farbe wie von altem Gold; feine, regelmässige Bläschen. Offene, ausdrucksvolle Nase mit Aromen von Brotkrume und feinen Holznoten. Ein Wein mit Rasse und Charakter, zugleich lebhaft und angenehm, von schöner Fülle. Der Jahrgang 2007 dieses Weins, der zur Hälfte aus Pinot noir, zur Hälfte aus Chardonnay gekeltert wird, ist ausverkauft. Es folgt der 2008er: Das verkostete Muster war sehr lebhaft, mit noch etwas aggressiver Mousse, was beweist, dass dieser nach allen Regeln der Kunst von Raoul Cruchon produzierte Wein es verdient, einige Monate in der Flasche zu reifen.

★ ★/★

Rosé brut 2008, Château d’Allaman, 1165 Allaman; www.chateau-allaman.ch 3000 Fl./Jahr (Mar.), Fr. 29. – Zartes Rosa; mittlere Bläschen. Nase mit Noten von roten Früchten, Erdbeeren und Weichseln, welche die Frucht im Gaumen übertönen. Ein geschmeidiger, angenehmer Wein mit schöner Lebhaftigkeit im Finale, zu 100% aus Pinot noir gekeltert. Bei der Selektion der Waadtländer Weine wurde er als bester aller Schaumweine ausgezeichnet. In Klammern jeweils der Name des Versekters: (Mar.) = Daniel Marendaz; (Chev.) = Xavier Chevallay.

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La Grande

Tradition

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26.03.1


Local bubbly... the very best The good example ★★★ Impérial, blanc de blanc, Daniel Marendaz, 1438 Mathod; daniel.marendaz@gmail.com 1000 btls/yr, 25 francs

Golden yellow; fine, persistent bubble; nose of melon, pear, traces of honey; mature style yet fresh, generous, rich; racy and balanced. Claudio De Giorgi marks it down a bit for its mature style, which means it doesn’t have much potential as a keeper. A second wine, Brut Tradition (4000 btls/yr, 21 francs), was found interesting and given two stars: also very mature, traces of brioche on the palate, vinous, perhaps even a bit heavy. This is less of an aperitif wine than it is an ideal accompaniment – because of the sugar/acidity contrasts – for a dessert such as rhubarb, red currant or apricot tart. Marendaz’s know-how, accumulated in over 20 years in the business, comes through with these wines: the Impérial, for example, spends five years sur lattes…

The unexpected ★★★ Bertrand de Mestral, AOC La Côte, Bourgeois Vins SA, 1131 Tolochenaz-Morges; www.bourgeoisvins.ch 2000 btls/yr, 12.50 francs

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Pale color; medium bubble, good persistence; fine, aromatic (pineapple) and floral (wisteria) nose, with hints of lemon; full fresh attack of fruit. “A young wine that just exudes grapes!” wrote one taster. All tasters gave the highest mark to this wine made with the cuve clos method, which they didn’t know at the time of tasting. Excellent fruit quality and grapes harvested at exactly the right time make the difference.

A classy red ★★★ Brut Rosé 1620, Le Cellier du Mas, AOC Tartegnin, Blanchard Frères, 1185 Mont-s/Rolle; dgblanchard@bluewin.ch 1000 btls/yr (X. Chevallay), 19 francs

Salmony pink; a fine, elegant bubble; very fresh nose of red fruit; supple attack of red fruit; lovely freshness and good balance between acidity and volume; a refined, racy rosé that was a unanimous favorite with the tasters. Note the low alcohol content: 11,5%. Brothers David and François Blanchard have been producing this wine – made from four very typical Romand red varieties, Gamaret, Diolinoir, Pinot and Gamay – for three years. Tasty and original!

★★★ Starlight, Domaine du Feuillerage, Roland Gaillard, 1166 Perroy www.feuillerage.ch 800 btls/yr (D. Marendaz), 25 francs

Pale yellow; medium bubble; open nose of pineapple, mirabelle plum, lime; citrus fruit and a hint of brioche on the palate; a fruity wine, fresh, balanced. One might have wished for a more refined bubble… No one noted this wine’s richness: 14% alcohol, the highest level of any of the wines tasted. We dubbed this wine a “new star” because it launched last year. It is made from Kerner, a German variety – a cross of Riesling and the red Trollinger grape, little cultivated in the area except in Geneva (mainly by Jean-Pierre Pellegrin and Claude Ramu).

english

A new star – and most original

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Weinconcours

... IN DER SCHWEIZ: NOCH WIE WAREN DIE WAADTLÄNDER BEIM GRAND PRIX DES SCHWEIZER WEINS (GPVS) SO GUT PLAZIERT. MIT 787 EINGEREICHTEN WEINEN HABEN SIE 79 GOLDMEDAILLEN UND 201 SILBERMEDAILLEN EINGEHEIMST.

Die Waadtländer an Pierre Thomas Mittlerweile kennt man das Pyramidensystem des GPVS, zum fünften Mal von der Vereinigung Vinea, Sierre, und der Zeitschrift Vinum organisiert. Eine Degustation in Sierre im Juni führt zur Siegerliste (mit insgesamt 250 Goldmedaillen, bei 3019 Weinen im Wettbewerb). Jeweils die sechs Bestplazierten der elf Kategorien werden «nominiert». Das Schlussklassement wird erst im Herbst veröffentlicht, dieses Jahr am Dienstag, 25. Oktober, in Bern. Chasselas und Roséweine an der Spitze Von den 79 Waadtländer Goldmedaillen entfielen mehr als die Hälfte (41) auf die Kategorie Chasselas. So ist es nur logisch, dass die Waadtländer fünf Finalisten stellen, alles 2010er… drei davon von Fabio Penta vinifiziert, dem Önologen von Hammel. Alle drei kommen aus der AOC La Côte: Château de Trévelin, Domaine de Fischer und ein Perroy im Auftrag von Jean-Marie Roch. Zwei AOC Lavaux, der Calamin Grand Cru 2010 von Jean-François und Frédéric Hegg, Epesses, und La Ruchonnette 2010 von Anne-Catherine und Sébastien Ruchonnet, Rivaz, vervollständigen das Bild. Nicht zu vergessen Christian Vessaz und sein Fichillien 2010, AOC Vully. Die AOC Vully ist mittlerweile überkantonal und damit streng genommen weder zu Freiburg noch zur Waadt gehörend… Bei den Rosés stammen vier von sechs Finalisten aus der Waadt, alles 2010er: Dame de Cœur, Cave Beetschen, Bursins, Blanc de Noir, André Chevalley, Lutry, As de Cœur Rosé, Cave de Jolimont SA, Rolle, und der Œil-de-Perdrix Les Chaumes, Cave Cidis SA, Tolochenaz. In der Kategorie Gamay finden sich zwei Waadtländer 2010: der Domaine de La Treille der Frères Dutruy, Founex, und der Domaine de Sarraux-Dessus, Luins, der Bolle & Cie SA.

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Ebenfalls zwei Waadtländer bei den roten Assemblagen: der Cellier du Mas 2009 von David und François Blanchard, Tartegnin, und der Vigne d’Or 2009 fût de chêne der Artisans Vignerons d’Yvorne (AVY). Ebenfalls zwei Finalisten bei den weissen Assemblagen (2010) mit dem Clair-Ambre, Parfum de Vigne, von JeanJacques Steiner, Dully, und Le Curieux der Cave de la Rose d’Or von Jean-Michel Walter, Luins. In den Kategorien Müller-Thurgau (alles Deutschschweizer), Süssweine (alles Walliser) und «andere reinsortige Weissweine» ist kein Waadtländer vertreten, in allen anderen Kategorien immerhin je einer. Wiederholungstäter bei Pinot und bei den Bioweinen Bei den «anderen reinsortigen Rotweinen» findet man den Gamaret Gourmand 2009 der Cave de Bonvillars, bei den Merlots die Réserve des Moines 2009 der Abbaye de la Salaz, Ollon (AOC Chablais), und bei den Pinots noirs die Cuvée Ni Dieu, ni Maître 2010, Le Satyre, von Noémie Graff, Begnins, Gewinnerin dieser Kategorie im letzten Jahr. Ob 2011 wieder ein Waadtländer zuoberst auf dem Podest stehen wird? Es wird spannend am 25. Oktober… Unter den 41 ausgezeichneten Chasselas sind 18 mit den «Lauriers d’Or Terravin» geschmückt. Auch Reynald Parmelin hat mit seinem Johanniter 2010 wieder Gold gewonnen. Wird der doppelte Bio-Schweizermeister von 2009 und 2010 dieses Jahr seinen Erfolg mit demselben Wein wiederholen? In den anderen Kategorien holten sich (neben den erwähnten Nominierten) 10 rote und 4 weisse Assemblagen, 4 Pinots noirs, 4 Merlots, 1 Gamaret und 2 weisse Süssweine eine Goldmedaille. Leider fehlt der Platz, um sie alle zu zitieren.


…IM AUSLAND: DIE WEINCONCOURS WERDEN IMMER ZAHLREICHER. DIE TEILNAHME DER WAADTLÄNDER HAT EXPLOSIV ZUGENOMMEN. UND IHR ERFOLG EBENFALLS.

allen Fronten... aus «Saint-Saph’» haben am Concours Mondial von Brüssel Gold gewonnen: das Château de Glérolles (erneut) mit einem Gewürztraminer 2009, während Badoux, Aigle, mit einer ungewöhnlichen Assemblage 2009 aus halb Malbec, halb Cabernet franc brillierte (die Reben wurden nach dem Hagel von 2005 in Saint-Saphorin gepflanzt). Von Aosta bis Québec Eine weitere ungewohnte Assemblage 2008 aus Merlot und 15% Syrah, produziert von Stéphane Borter in Bex (Foto unten), holte Gold am Concours der Bergweine, der diesen Sommer vom CERVIM in Aosta organisiert wurde. Die Cave Cidis und ihr Önologe Rodrigo Banto erhielten am Mondial du Sauvignon in Bordeaux eine Goldmedaille für ihren Expression 2010. Und ein Chasselas sorgte jenseits des Atlantiks für Furore: Der Vase n°1 2008, vinifiziert von Gérald Vallélian von der Domaine des Faverges, Saint-Saphorin, eine Cuvée ohne biologischen Säureabbau, zwölf Monate lang in einem 6000 Liter fassenden Holzfuder auf den Feinhefen ausgebaut, überzeugte die Jury der Sélections mondiales des vins du Canada in Québec.

© Pierre Thomas

Für Jean-Jacques Steiner aus Dully ist es eine Bestätigung. Der Selbstkelterer ist ein Habitué in Sachen Concours und Label Terravin. Doch dass sein Œil-de-Perdrix 2010 – er gehörte zu den Pinot-noir-Rosé-Pionieren der Waadt – beim Mondial du Pinot Noir in Sierre eine Grosse Goldmedaille gewonnen hat, bleibt eine Sensation. Dazu wurde dieser Rosé erst noch mit zwei Spezialpreisen ausgezeichnet, hat er doch die höchste Bewertung aller Schweizer Weine erhalten (94,6/100) und war der beste Rosé. Ein weiterer Œil-de-Perdrix, der 2010er der Cave de Bonvillars, vinifiziert vom Önologen Olivier Robert, erhielt neben einer der zehn Waadtländer Goldmedaillen den von der Vinofed (der Fédération des Grands Concours internationaux) mit Sitz in Sierre verliehenen Spezialpreis für den Wein mit der einhelligsten Bewertung. Eine Goldmedaille erhielt der barriquegereifte Pinot noir Diva 2009, AOC Chablais, von der Domaine de La Croix-Duplex. Simon und Maude Vogel aus Grandvaux gewannen den Grand Prix der Digitalen Kommunikation, verliehen vom Websitebetreiber von www.vitisphere.com. Unter den anderen in Sierre vergoldeten Waadtländern findet man fünf Weine aus der AOC La Côte: den Pinot blanc Âme Blanche 2010 der Bolle & Cie SA, Morges, den Pinot noir Indien 2010 von Philippe Bovet, Givrins, und drei 2009er, den Tartegnin von Nicolas und Jean-Claude Jaccoud, Domaine de Chantemerle, Tartegnin, den «Barrique» von Jean-Michel Dufour, Domaine de la Vissenche, Gilly, und den Vieille Vigne der Ecole d’agriculture et de viticulture de Marcelin. Drei Lavaux vervollständigen die Siegerliste: der Moulin la Vignette 2009 von J & M Dizerens, Lutry, der Spina Nera 2009 von Etienne und Louis Fonjallaz, Epesses, sowie die Cuvée des Initiés 2008 vom Château de Glérolles. Die anderen Waadtländer Medaillen wurden in allen vier Ecken der Welt gesammelt. Zwei Weine

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Unsere Terroirs und ihre Talente

ZU VIEL IST SCHLECHT. ABER GAR KEINES IST NOCH SCHLECHTER. ES KOMMT EINEM TERROIRPRODUKT GLEICH, WENN ES AUCH KEINEN TERROIRGERUCH ODER -GESCHMACK AUFWEIST. ES TRITT MASKIERT AUF, DEKLINIERT ABER OHNE ZU ZÖGERN SEINE IDENTITÄT. OMNIPRÄSENT, PASST ES ZU JEDER JAHRESZEIT, ZU ALLEN REGIONEN, ZU ALLEN TAFELN IM WAADTLAND. EIN GEFÜHRTER BESUCH IN DEN EINGEWEIDEN DER ERDE, IN DER SALINE VON BEX.

Reichst du mir bitte das Salz? Marie Dougoud Von weitem sieht es eigentlich nach nichts aus. Steile Wälder, unwahrscheinliche Baumgruppen, kurze Felswände, die vergeblich versuchen, bedrohlich zu wirken. Im Näherkommen ein bewaldeter Talgrund, still und geheimnisvoll. Seit Urzeiten leuchtet durch das spärliche Licht der pittoreske Wildbach Avançon, der am Fuss des Massif des Muveran noch tost, in der Ebene des Chablais dann aber mild und brav ist. Von nahem erkennt man eine Reihe von massigen Gebäuden, der winzige sichtbare Teil dieses von Menschenhand geschaffenen Werks, dessen unterirdische Verästelungen bis ins Herz der Waadtländer Alpen vordringen. Weisses Gold unter Felsgestein In den Waadtländer Alpen hat das Salz der Erde seinen Werdegang vor zweihundert Millionen Jahren begonnen, in einer von Protozoen und anderen für immer unbekannten Amöben bevölkerten Meereswelt. Ein langsames

Verdunsten des Wassers als Folge einer Klimaerwärmung, gefolgt von der chaotischen Alpenfaltung, hat zu bedeutenden Salzvorkommen geführt, deren letzter Zeuge die Salzminen von Bex sind. Hier, geschützt vor grösseren erdklimatischen Umwälzungen, schlummert das Salz und wartet auf seine Stunde. Laut einer Legende hat ein einfacher Ziegenhirte im 15. Jahrhundert die Salzminen entdeckt. In der Höhe umherstreifend, soll er beobachtet haben, wie seine Herde systematisch immer die zwei gleichen Quellen zum Trinken auswählte unter den vielen, die an diesen Hängen entspringen. Neugierig geworden, kostete er das Wasser. Zu salzig! Obwohl Analphabet und ungebildet, wusste er, dass das Kochen dem Wasser sein Zuviel an Salz entziehen würde. Gesagt getan. Nachdem das Wasser verdampft war, blieb auf dem Boden des Kessels eine Prise Salz zurück, um die sich seine Ziegen eifrig stritten. Ein Jahrhundert später war es den Bellerins, den Bewohnern von Bex, zur Gewohnheit geworden, die mineralsalzreiche Lake zu verwenden, die sie langsam auf Lärchenbrettern trockneten, um so ans Salz für ihren täglichen Bedarf zu gelangen. Obwohl die anarchische Salzgewinnung immer mühsamer und gefährlicher wurde, grub sie sich immer mehr in die Eingeweide der Erde ein. Geburt eines Labyrinths Vor fast dreihundert Jahren träumte ein Mann von einer dreifachen Herausforderung: neue Salzlager zu finden, die Schwierigkeiten der Salzgewinnung zu vermindern und ihre Renta-

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bilität zu verbessern. 1725 kam Isaac Gamaliel de Rovéréaz, ein kaum dreissigjähriger junger Ingenieur, auf die Idee, den Untergrund von Bex mit einem wahren Labyrinth von gesicherten Galerien, Schächten, Rampen, Gängen, unterirdischen Entsalzungsräumen und einer grossen Treppe mit 458 Stufen zu stützen. Es ist übrigens dieselbe Treppe, welche noch heute furchtlose Besucher ins Herz des Labyrinths führt, während die Mehrheit den Komfort eines kleinen Zugs bevorzugt. Seit jener Zeit hat das Salzbergwerk seine In­frastruktur, seine Ausrüstung und die Extraktionsmethoden zur Gewinnung des kostbaren weissen Goldes stetig perfektioniert. Unter den Stationen Villars-sur-Ollon, Arveyes und Chesières dehnt die Mine ihre Verästelungen heute über ein Netz von gegen 50 Kilometern aus. Die Prozedur der Salzgewinnung hat sich nicht verändert. Das Salz wird mittels Quellwasser der nahen Gletscher gewonnen und durch Verdampfen kristallisiert, ohne den Einsatz eines

einzigen chemischen Mittels. Seine Kommerzialisierung untersteht mittlerweile einer spezifischen Gesetzgebung. Das Salz von Bex, zum Staatsmonopol geworden, macht 10% des Salzes mit Schweizer Herkunft aus und wird nur im Kanton Waadt verkauft, während die Salinen von Rheinfelden für die Versorgung der anderen 90% des Landes zuständig sind.

 Der Museumsteil der Salinen von Bex mit dem Kristallsaal.

Verjüngungskur Das 20. Jahrhundert war bedeutend für die historische Kontinuität einer Gesellschaft, die voller Stolz auf eine glorreiche Vergangenheit zurückblickt. Ihre Zukunft hingegen wäre weniger ruhmvoll, wenn sie ihre Ziele und Aktivitäten nicht neu ausgerichtet hätte. In einem geografisch begrenzten Markt, in dem Streusalz für die Strassen (85%), industrielle Salzlaugen und Lebensmittelindustrie (Charcuterie, Käse, Backwaren) mehr als 90% der insgesamt durchschnittlich 30’000 Tonnen Salz absorbieren, die pro Jahr produziert werden, ist ledig(Fortsetzung des Artikels auf Seite 36)

KEINE SAUCE OHNE SALZ Seit jeher hat das Salz unzählige Legenden inspiriert, Gebräuche nach sich gezogen und zu Aberglauben geführt. Einiges davon hat bis heute überlebt. Einen Salzstreuer umwerfen bedeutet Unglück, doch lässt sich dieses bannen, indem man eine Prise Salz über die eigene Schulter nach hinten oder ins Chemineefeuer wirft. Wer am Tag seiner Hochzeit ein Tütchen Salz bei sich trägt, schützt sich und seine(n) Liebste(n) vor Unfruchtbarkeit. Und in der

Viagra-Version: Salz stimuliert das Begehren und die sexuellen Fähigkeiten eines versagenden Liebhabers. Ein Zuviel an Salz in einem Gericht deutet folglich auf eine frustrierte Köchin… Und um mit pikanten Heldentaten zu enden: Eine betrogene Frau «soll den nackten Hintern ihres Mannes, der sie hintergangen hat, salzen, indem sie ihn in eine Wanne mit stark gesalzenem Eiswasser stösst». Das dürfte ihn heilen.

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Unsere Terroirs und ihre Talente

© KEYSTONE

lich das für den Privatgebrauch bestimmte Salz in der Lage, seinen Anteil am Markt deutlich zu verändern. Unter der Voraussetzung, dass es weniger schäbig verpackt daherkommt als im traurigen weissen Päckchen mit grünem Wappen, das jahrzehntelang auf sämtlichen Waadtländer Verkaufsgestellen stand.

 Das Salz türmt sich zu einem Riesenberg, der nicht nur entfernt dem Matterhorn ähnelt.

Die radikale Modernisierung der Verpackung, vor 15 Jahren begonnen mit Büchsen und eleganten Streudosen, unter dem Namen «Sel des Alpes» und «Sel à l’ancienne», getrocknet auf Lärchenholzlatten, hat dem Salz aus Bex zu einem zweiten Frühling verholfen und dazu beigetragen, dass es heute wieder wesentlich bekannter ist. Das Wachstum ist nicht spektakulär, aber konstant, beobachtet der Direktor der Saline, Julien Hoefliger. Sehr erfolgreich war die Kreation eines Sortiments von vier «Sels aux herbes bio», vier Salzsorten also, die mit zertifiziert biologisch angebauten Kräutern und Pflanzen aromatisiert werden (sie machen 15% des reinen Salzes aus). 2012 soll ein bisher vernachlässigter Marktzweig reaktiviert werden, die Produktion von Kosmetikprodukten und ein Sortiment von «Sels des Alpes Wellness». Weil «jedes Unternehmen, dass sich nicht entwickelt, dazu verurteilt ist, in der Versenkung zu verschwinden». Und weil neue Herausforderungen das Salz des Lebens sind…

GUT FÜR DAS KLIMA Von seiner Extraktion bis zur Verwertung der Abfälle seiner gebrauchten Verpackung produziert jedes Kilo Salz aus Bex im Schnitt 0,01 kg CO2. Diese extrem positive Bilanz, 20 bis 30% unter der von vergleichbarem Salz, sichert ihm seit 2010 das prestigereiche Label Climatop, verliehen vom gleichnamigen, auf die Vergleichsanalyse von Energiebilanzen von Produkten des täglichen Verbrauchs spezialisierten Zürcher Instituts. Die Klimabilanz

ist konform mit den internationalen Standards von ISO 14040. Das ausserordentliche Resultat des Salzes von Bex erklärt sich einesteils durch die Nähe seiner Kundschaft (geringe Transportkosten), andernteils durch die eigene Abdeckung der Energiebedürfnisse. Die Salzminen von Bex verfügen über ihre eigene Hydroelektrische Zentrale und produzieren zweimal mehr Energie als sie verbrauchen.

Weitere Informationen Route de Gryon 31, CH – 1880 Bex, Tel. +41 (0) 24 463 03 20 www.mines.ch – info@selbex.com Öffnungszeiten: Anfang Juni bis Ende August täglich. April, Mai, September und Oktober: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen. Februar, März, November und Dezember: immer am Wochenende. Im Januar bleibt das Salzbergwerk geschlossen. Dauer der Besichtigung: rund 1 Stunde und 45 Minuten. Im Bergwerk herrscht eine konstante Temperatur (bis 400 m unter der Erde) von 18° C.

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Pass the salt, please Marie Dougoud tion methods of the company known as the Saline de Bex remain the same as what de Rovéréaz devised.

Legend has it that in the 15th century a goatherd in the Vaud Alps near Bex boiled some mountain water to evaporation point and then noticed that there was salt in the bottom of the pot. A century later, residents in the area were doing the same thing and drying the salt they needed for daily consumption on strips of larch wood.

Running deep under the Vaud Alps is a whole underground complex of galleries, wells, ramps, corridors, and more including a staircase with 458 steps still used by visitors brave enough to venture into the heart of the labyrinth (most prefer the comfort of a little train).

In 1725, enter Isaac Gamaliel de Rovéréaz, a 30 something engineer who dreamt of finding new sources of salt, of making extraction less difficult, and of improving profit margins on sales. Some 300 years later, although management upgrades the mines continually and tunnels now stretch some 50 km beneath resorts Villarssur-Ollon, Arveyes and Chesières, the basic infrastructure and extrac-

The salt is extracted from glacier water, then crystallized through evaporation; not a single chemical product is used in this process. A Vaud state monopoly, Bex salt makes up 10% of salt of Swiss origin and is only sold in Vaud; mines in Rheinfelden (Aargau) cover the other 90% of Switzerland’s salt needs. If growth is constant, says Bex company director Julien Hoefliger, it’s due in no small measure to their range of four “Sels aux herbes bio”

– salt containing organic herbs – which Saline de Bex markets alongside its other table salts: “Sel des Alpes” and “Sel à l’ancienne,” which is dried the old-fashioned way on strips of larch wood. From its extraction to the treatment of packaging thrown away after the salt’s been used up, every kilo of Bex salt generates 0.01 kg of CO2 on average. This is 20% to 30% less than comparable salts, due to consumer proximity (less transport time) and because the mine’s own hydroelectric power station produces two times more energy than it consumes. Saline de Bex, Route de Gryon 31, 1880 Bex, Tel. +41 (0) 24 463 03 20, www.mines.ch. Open June-August, 7/7; April, May, September, October, TuesdaySunday and holidays; February, March, November, December: weekends. Visit lasts 1 hour 45 mins. Temperature in the mines: 18° C.

english

Available only in Vaud is the table salt that comes from the canton’s mines in Bex. We take a guided tour.

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Unsere Regionen sind rare Perlen

Bonvillars eine Weinregion DIE REGION VON BONVILLARS, EINE BERUHIGEND LÄNDLICH GEBLIEBENE GEGEND, WARTET MIT UNZÄHLIGEN PLUSPUNKTEN AUF. NICHT ZULETZT MIT EINER WEITGEHEND INTAKTEN LANDSCHAFT UND AUTHENTISCHEN TERROIRPRODUKTEN, ZU DENEN AUCH DER WEIN GEHÖRT. UND PLÖTZLICH LIEGT DAS LEICHT VERSCHLAFENE BONVILLARS IM TREND…


Eva Zwahlen Fotos: Hans-Peter Siffert

n im Trend der Zeit


Cave Cidis – Région Morges Clos Rochette Vufflens-le-Château La Côte AOC, 2010 Cave des Viticulteurs de Bonvillars Gamaret Bonvillars AOC, 2010

Association Viticole de Villeneuve Le Chasselas1 Villeneuve Chablais AOC, 2010

Viticole de Lutry Gamay Vieilles Vignes Lutry Lavaux AOC, 2008/2009 Cave Coopérative d’Orbe et environs Treize Coteaux Côtes de l’Orbe AOC, 2010

Les Celliers du Chablais Le Souverain Aigle Chablais AOC, 2010

Artisans Vignerons d’Yvorne Tradition1 Yvorne Chablais AOC, 2010 Union Vinicole de Cully Le Replan Epesses Lavaux AOC, 2010

Association Vinicole de Corseaux Le Chardonneret Chardonne Lavaux AOC, 2010 Cave Cidis – Région Gilly Domaine de l’Oujonnet Bursinel La Côte AOC, 2010

Cave Cidis – Région Nyon Clos de Barin Nyon La Côte AOC, 2010

Artisans Vignerons d’Ollon La Faveur des Muses Ollon Chablais AOC, 2010

La Cave Vevey-Montreux Cuvée St-Vincent Montreux Lavaux AOC, 2010 Viticole d’Aubonne Tradition1 Coteau d’Aubonne La Côte AOC, 2010

Société Vinicole de Bex Merlot Bex Chablais AOC, 2009 1

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Unsere Regionen sind rare Perlen

Wer der Hektik der Grossstadt entfliehen will, ist in Bonvillars, zwischen Yverdon und der Kantonsgrenze auf sanften Hängen oberhalb des Neuenburgersees gelegen, genau richtig. Unaufregend normal verläuft hier das Leben; in pittoresken Dörfern mit schönen alten Winzerhäusern scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Obwohl Weinbau ein wichtiger Erwerbszweig ist, sind reine Weinbaubetriebe rar – vier von ihnen haben wir besucht. Die Cave de Bonvillars im Aufwind Es weht ein frischer Wind in der Cave, die rund die Hälfte der 200 Hektaren Reben von Bonvillars, verteilt auf acht Gemeinden, verarbeitet. Die neue Direktorin, Sylvie Mayland (übrigens als erste Frau im Direktionskomitee des OVV und Führungsmitglied bei Terravin), und ihr Önologe, der 32 Jahre junge Olivier Robert, ein sanfter Rübezahl, scheinen sich perfekt zu ergänzen. Forsch und agil die eine, überlegt und nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen der andere. Was hat den Neuenburger, der im Burgund und in Genf gearbeitet hat, ins Hinterland der Provinzstadt Yverdon verschlagen? Ausser der Vermittlung des Tausendsassas des Waadtländer

Weinbaus, Philippe Corthay? «Ich liebe Herausforderungen», meint Olivier Robert, «und Bonvillars mit seinem Mosaik an verschiedenen Böden besitzt grosses Potential.» Trotz der Verantwortung – immerhin ist er indirekt für den Lebensunterhalt von 100 Mitgliedern verantwortlich, von denen die Hälfte ihre Trauben an die Cave liefert – geht er gelassen an seine Herkulesaufgabe. «Unser Sortiment ist gross», räumt er ein, «so gross, dass wir nur noch ein neues Produkt kreieren, wenn dafür ein anderes gestrichen wird…» Er arbeitet eng mit den Winzern zusammen und berät sie auch in der Wahl der Sorten. Was nicht immer einfach ist, denn momentan boomen Chasselas und Gamay, vor kurzem noch verpönt und nach wie vor eher schlecht bezahlt. Viel Geld und Arbeit wird in die Erneuerung der Kellerei gesteckt. Eine hochmoderne Abfüllanlage, eine neue Traubenannahme, neue Rotweingärtanks, renovierte Betoncuves – die Liste der Neuerungen ist lang. Auch das Sortiment zeigt sich verjüngt. Natürlich findet man weiterhin beliebte Klassiker des Hauses wie den C-hampagne, einen zartfruchtig-floralen Chasselas aus dem kleinen Dorf mit dem grossen Namen, den Arquebuse, eine Chasselas Ein starkes Team: Die neue Direktorin der Cave de Bonvillars, Sylvie Mayland, und ihr Önologe Olivier Robert ergänzen sich perfekt. Sie ist die forsche, agile Powerfrau, er der besonnene Tüftler, den nichts aus der Ruhe bringt. Zusammen steuern sie die Genossenschaft auf Erfolgskurs.

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Assemblage verschiedener Parzellen, oder den fruchtig-eleganten Pinot noir Vin des Croisés. Besonders gut gefallen uns auch der Pinot blanc, der zu 60% ohne biologischen Säureabbau vinifiziert wird, ein zarter, delikater Wein mit Finesse und Eleganz, der gut strukturierte Œeil-de-Perdrix oder der strahlende, nach reifen Beeren und Gewürzen duftende Gamay Coeur de Presse. Nicht zu vergessen das Tüpfelchen auf dem i, der verblüffende Süsswein Corpus. Er bezaubert durch sinnliche Noten von Trockenfrüchten, Honig und orientalischen Gewürzen, im Gaumen üppig, ausladend und dank feiner Säure trotzdem frisch. So lässt man sich Bonvillars gerne munden! www.cavedebonvillars.ch

 Jacques Bloesch hegt und pflegt auf seinen fünf Hektaren Reben nicht weniger als zwanzig verschiedene Rebsorten. «Ich probiere gerne Neues…»

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Traditionell für Neuheiten Bisweilen ist es durchaus von Vorteil, wenn einem nicht alles in den Schoss fällt, wenn man etwas am Rand steht und kämpfen muss. Denn das bringt sogenannte «Randregionen» wie die Appellation Bonvillars dazu, früher als andere Gegenden ausgetretene Pfade zu verlassen und nach neuen Wegen zu suchen. Das ist ganz nach dem Geschmack des 53-jährigen Jacques Bloesch. Stattlich thront sein schönes altes Winzerhaus am Rand von Bonvillars, bis zur Gartenmauer erstrecken sich die Rebberge. Das Weinsortiment verblüfft durch Reichhaltigkeit. «Ich probiere gerne Neues», unterstreicht der leutselige und gesprächige Selbstkelterer, der auf seinen fünf Hektaren Reben nicht weni-

ger als zwanzig Rebsorten kultiviert. «Bei uns ist es Tradition, offen zu sein für Neuheiten.» Als er 1979, nach Abschluss seiner Ausbildung, auf den Familienbetrieb zurückkehrte, produzierte die Familie zwei Weine: einen Chasselas und einen Pinot noir. Mittlerweile finden sich auf der Preisliste 18 Weine. Zu den Klassikern wie Chasselas (in vier Versionen), Œeil-dePerdrix oder Pinot noir haben sich längst Spezialitäten wie Gewürztraminer, Chardonnay oder Pinot gris und Assemblagen wie Entre deux Lacs (Doral und Pinot gris), Garanoir-Gamaret oder Le Rebelle gesellt, eine Cuvée aus Varietäten, die vom Jurassier Tüftler Valentin Blattner gezüchtet wurden. Mit diesem Wein will Jacques Bloesch «die Traditionen über den Haufen werden». Dass er ein heimlicher Rebell ist, würde man ihm auf den ersten Blick gar nicht zutrauen… Domaine La Boulaz, Tel. 079 768 97 60 Weite Horizonte Didier Bourgeois’ ganzer Stolz sind seine Trockensteinmauern, die er nach allen Regeln der Kunst aufschichtet. Ruhig lässt er seinen Blick über den Rebhang wandern, wo inmitten von gepflegten Rebzeilen und Rosenstöcken sein Keller steht, ein kühnes Holzhaus mit abgerundetem Dach, Solaranlage und geothermischer Heizung. «Ich liebe diese Gegend», meint er schlicht. Und erzählt, wie er, Weinhändlersohn in neunter Generation und «Winzer in erster Generation», den «Ruf der Erde» hörte – und ihm folgte. Damals gab er seinen Erstberuf als Pfleger auf und liess sich in Changins zum Winzer ausbilden. Heute, 54 Jahre alt geworden, bewirtschaftet er ein Gut von neun Hektaren Reben. «Wir haben ein grosses Entwicklungspotential», ist er überzeugt. Er weiss, wovon er spricht, denn er hat auch im Wallis und lange Jahre als technischer Verantwortlicher für die Firma Testuz im Lavaux gearbeitet. Seit vier Jahren ist er zurück – und wieder Winzer mit Leib und Seele. Vinifizieren lässt er bei Testuz. «Allerdings begleite ich jeden Arbeitsschritt», tröstet er sich, hätte er doch gerne selbst vinifiziert. Doch die Investitionen wären zu gross gewesen. Ausserdem bleibt ihm so mehr Zeit für das Präsi-


dium der PR-Gruppe der AOC Bonvillars, die Organisation der Ballade gourmande und das Maison des Terroirs, in dessen Vorstand er sich engagiert. Und seine Weine überzeugen auch so, von Chasselas über Œil-de-Perdrix und Garanoir bis hin zur Hauptsorte Pinot (von dem er zwölf Selektionen kultiviert), Assemblagen und Süsswein. Vielleicht ist die weite Landschaft daran schuld: So mancher Winzer scheint hier einen weiteren Horizont als anderswo zu haben. Das gilt auf alle Fälle für Didier Bourgeois, der sich in fortgeschrittenem Alter zum Umweltwissenschaftler hat ausbilden lassen und der beim Langlaufen Luchsspuren im Schnee sehen will. «Geld interessiert mich nicht, aber das Leben, die Natur…» Er engagiert sich bei Vitiswiss und strebt eine nachhaltige Entwicklung an. Dazu gehören langfristig auch die Trockensteinmauern. «Ich bin ein praktischer Grüner, kein politischer…», lacht er, der auch mit dem Vogelschutz zusammenarbeitet und sich auf der ganzen Linie für Umweltschutz einsetzt. «Womit man sich nicht immer nur Freunde macht», wie er anfügt. Doch was soll’s! «Schliesslich sind wir alle für unsere Zukunft verantwortlich.» www.gourmandaz.ch

Ein aufgehender Stern Eines ist gewiss: Die Zukunft, von der Didier Bourgeois spricht, gehört dem 32 Jahre jungen Guy Cousin aus dem Dörfchen Concise. Der junge Shootingstar, ein offener, neugieriger Geist, der sich 2005 selbstständig gemacht und seine Domäne von 2,5 Hektaren (ab 2012 werden es vier sein) quasi aus dem Nichts aufgebaut hat, erachtet es als Vorteil, in einer wenig bekannten Appellation zu arbeiten. «Die Region entwickelt sich als Ganzes», meint er, «nicht nur im Bereich Wein – wir ziehen alle am selben Strick.» Sein Bruder, der 15 Hektaren Reben bewirtschaftet und eine Rebschule betreibt, bleibt der Kooperative treu; er ist ihr grösster Lieferant. Ihn selbst hingegen reizte das Abenteuer Vinifikation, die Selbständigkeit, die Möglichkeit, auch verrückte Ideen umzusetzen. Etwa die Weinlese für Singles. «Anfangs lachten mich alle aus, mittlerweile machen auch andere Winzer mit…» Nur ein PR-Gag? «Nein, immerhin hat bereits ein Paar geheiratet, das sich bei uns kennengelernt hat.» Ein Jahr in Marcelin bei Philippe Charrière hat ihn «auf den Geschmack gebracht», sodass er schon mit zarten 17 Jahren seinen ersten

 Links: Didier Bourgeois, tief verwurzelt in seinem Terroir, ist Winzer mit Leib und Seele und präsidiert die PR-Gruppe der AOC Bonvillars. Rechts: Eindrücklich, was er in wenigen Jahren aufgebaut hat! Guy Cousin aus Concise wird zu Recht als der aufgehende Stern am Weinfirmament der Region Bonvillars gefeiert.

(Fortsetzung des Artikels auf Seite 45)

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© Claude Jaccard, Arnex

HOMMAGE Während die Revue Le Guillon ihre Reportage über Bonvillars vorbereitete, kehrte Didier Gaille (48) in die himmlischen Rebberge zurück. Nach langem Kampf hatte ihn seine Krankheit doch bezwungen. Mit ihm verliert die Waadtländer Weinwelt und vor allem die von Bonvillars einen Mann von Charakter, der es dank seiner Hartnäckigkeit, seiner Intelligenz und seinem legendären Humor weit gebracht hat. Der Winzermeister, dem die Ausbildung der jungen Winzergeneration unseres Kantons stets am Herzen lag, war dank seiner menschlichen wie professionellen Qualitäten hoch geschätzt. Dieser «Waffenbruder» hatte schon früh verstanden, dass umweltschonende Methoden der einzige Weg sind, um die Qualität und die Fortdauer eines zeitgemässen Weinbaus zu garantieren. Das spiegelte sein Engagement in der technischen Kommission von VitiPlus. Le Téméraire, sein Spitzen-Pinot-noir, zeugte von seinem grossen Können. Wir danken unserem Weggefährten, der eine Familie in grossem Schmerz zurücklässt, für alles, was er uns mit auf den Weg gegeben hat. In unseren Herzen wird die Erinnerung an ihn weiterleben. Didier Bourgeois Präsident der PR-Gruppe der AOC Bonvillars


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Weinberg kaufte. «Manchmal muss man halt ein wenig verrückt sein…», lacht der sympathische Winzer. Auf Changins folgte eine Anstellung im Kaiserstuhlgebiet («dort habe ich viel gelernt, sogar Deutsch…») und eine im Burgund. Die perfekte Vorbereitung also für diese Region, die sich vor allem den roten Sorten verschrieben hat. Cousin produziert meisterhafte Rot-, aber auch Weissweine, reinsortige wie den floralen, wunderbar strukturierten Pinot blanc, der in Barriques auf den Feinhefen ausgebaut wird, oder den aus Gamay, Pinot noir, Garanoir und Gamaret komponierten «Basiswein» Cuvée rouge, der bis zu 17 Monate in Barriques reift und mit strahlender Frucht und Frische überzeugt. «2009 musste man schon ein Tölpel sein, um keinen guten Wein zustande

zu bringen», wiegelt er ab, als wir den üppigfruchtigen, orientalisch anmutenden und muskulösen Gamaret 2009 loben. Die zehn experimentellen Sorten, die in Guy Cousins Parzellen wachsen, deuten es an: Hier ist einer am Werk, der noch viel vor hat. «Der Merlot, den ich gerade angepflanzt habe – eine meiner Lieblingssorten – ist sicher die letzte Varietät, die gespritzt werden muss. In Zukunft werde ich mich nur noch für resistente Sorten entscheiden.» Die Reise geht in Richtung Biodynamik und Nachhaltigkeit, zudem soll der Betrieb vergrössert werden. Eines ist gewiss: Man wird noch einiges hören von Guy Cousin aus Concise. www.vignoblecousin.ch (Fortsetzung des Artikels auf Seite 49)

TRÜFFEL UND NOCH VIEL MEHR… Lulu und Roby, die beiden Trüffelhunde, weichen nicht von Frank Sifferts Seite, als er sich in seiner gemütlichen Küche an den massiven Holztisch setzt, eine der kostbaren Knollen aus einem Stofftuch auspackt und in hauchfeine Scheibchen schneidet. Ein betörendes Aroma erfüllt den Raum und lässt nicht nur den Hunden das Wasser im Mund zusammenlaufen. Später, am Waldrand oberhalb von Bonvillars, zeigt er uns einige der begehrten Fundplätze für die diversen Trüffelsorten, die nur in enger Symbiose mit den Wurzeln einer Wirtspflanze gedeihen. «Als ich vor zwei Jahren den ersten Trüffelmarkt der Schweiz organisierte, rechnete ich im besten Fall mit 500 Besuchern», erinnert sich der 49-jährige Epikuräer und sozial engagierte Lebenskünstler. «Doch dann kamen 4000 – wir wurden komplett überrannt!» Und wenn es ein Misserfolg geworden wäre? «Ach wissen Sie, ich glaube an das, was ich mache. Und wenn etwas nicht läuft, dann ist das nicht schlimm. Hauptsache, es hat Spass gemacht!» Spass macht nicht nur das Aufspüren und Verarbeiten der Trüffel – etwa zu einem unwiderstehlichen Glacé –, sondern auch Frank Sifferts neustes Projekt. Zusammen mit seiner Partnerin Annie Ryter hat er die Domaine de la Coudre, eine herrschaftliche Ferme, gepachtet. Hier züchtet er nach biodynamischen Richtlinien alte Pro-Specie-rara-Gemüsesorten, Heilpflanzen, Beeren und Getreide, aber auch Kartoffeln, Hühner, Wollschweine und Bienenvölker. Die Produkte – Sirup, Konfitüren, Chutneys, Pesto oder Trüffelwürste – sind auf regionalen Märkten und natürlich im Maison des Terroirs in Grandson erhältlich. Der 3. Schweizer Trüffelmarkt findet übrigens am Samstag, 29. Oktober mitten in Bonvillars statt, von 9 bis 17 Uhr. Auskünfte: www.truffesuisse.ch.

 Bei ihnen dreht sich (fast) alles um den Trüffel: Frank Siffert und Annie Ryter mit Trüffelhund Lulu, einer Lagotto-romagnoloDame.

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© C. Dey

HISTORISCHE GEBÄUDE ALS ZEUGEN DER VERGANGENHEIT von Caroline Dey

© C. Dey

 Das prächtige Château von Bonvillars. Die Legende besagt, Karl der Kühne habe die Nacht vor der Schlacht von Grandson am 2. März 1476 im Schloss verbracht. Das «Herzogszimmer» weist bis heute ein kunstvolles Deckengemälde auf.

Eine Menhir aus dem Neolithikum, Überreste einer gallorömischen Villa und Gräber aus dem Hochmittelalter zeugen von den ersten Bewohnern dieser Gegend. Das Dorf erscheint allerdings erst 1100 in den Quellen. Die Adelsfamilie de Bonvillars, deren Mitglieder mehrere Ämter bei den Herzögen von Savoyen ausgeübt hatten, besass damals das Stiftsvogtrecht1 auf dieser zur Herrschaft von Grandson gehörenden Enklave. Gegen 1595 starb die Familie aus und das Vogtrecht gelangte an die Familie Bourgeois von Giez. 1476, nach dem Ende der Burgunder Kriege, wurde das Dorf Bonvillars in die gemeinsame Landvogtei von Bern und Freiburg integriert und zum Hauptort einer der fünf Meiereien2 sowie Versammlungsort bis zur Revolution von 1798. Zwischen Hof und Legende Das Château de Bonvillars, ein ehemaliges Herrenhaus, stammt aus dem 15. Jahrhundert und ging durch die Hände von sieben Familien, bis es 1861 in den Besitz der Gemeinde gelangte. Es ist ein grosser Gebäudekomplex mit ausladend-steilem Dach, etwas ausserhalb des Dorfes rund um einen viereckigen Hof angelegt. Der Vordergrund wird dominiert von Reben, die rund 1

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um einen Menhir gepflanzt sind, dann von einer Allee, die zu dem grossen Torbogen führt, dessen Tür mit flachem Rundbogen mit Kreuzschlitzen aus dem 16. Jahrhundert verziert ist. Hinter der Tür befindet sich ein Stein, in den der Namen der früheren Besitzer des Manoirs, der Familie de Gleresse eingraviert ist: «1557 bestätigt der adlige François Gleresse, sein quadratisches, von grossen Gräben umgebenes Haus in Bonvillars, in der Flur à la Cour gelegen, von den Gnädigen Herren von Bern und Freiburg zu Lehen erhalten zu haben.» Das Portal öffnet sich auf ein dreistöckiges, mit Wappen verziertes Gebäude. Eine zauberhafte Kartause Im Mittelalter gründeten die Herren von Grandson ein Kloster an diesem einsamen Ort. So verlieh Huon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts das Land «de La Lance» der Abtei von Fontaine-André, die hier eine einfache Aussenstelle ihres Prämonstratenserstifts bei Neuenburg errichtete, nicht viel mehr als eine Scheune, bewohnt von Laienbrüdern unter der Leitung von ein oder zwei Priestern. Doch das Experiment misslang und die Domäne fiel zurück an die Herren von Grandson, die sie 1317 an die Grande

Der Stiftsvogt ist ein vom kirchlichen Herrn abgesandter Delegierter, der damit beauftragt ist, dessen Ländereien zu verwalten und Recht zu sprechen. Territorium, das von einem Amtmann verwaltet wird. Er zieht die Abgaben für seinen Herrn ein und kümmert sich um die Kultivierung der Ländereien.

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Chartreuse bei Grenoble veräusserten. Dom Jean de Montaigu baute darauf an dieser Stelle ein Haus, in dem 13 Brüder leben sollten. Othon I. von Grandson schenkte der Kartause 1320 die umliegenden Ländereien und gilt daher als Gründer der Kartause. Jean de Rossillon, Bischof von Lausanne, weihte 1328 die Kirche ein. Nach der Konfiszierung der Güter der Herren von Grandson durch den Grafen von Savoyen, gelangte das Kloster gegen Ende des 14. Jahrhunderts unter die Herrschaft von Marguerite de Montbéliard, bevor es durch Erbfolge ans Haus derer von Chalon kam. Am 2. März 1476 begann die berühmte Schlacht von Grandson zwischen den Eidgenossen und dem Burgunder Herzog Karl dem Kühnen direkt oberhalb der Kartause. Der Sieg der Eidgenossen entschied über das Schicksal der Herrschaft von Grandson, die zu einer gemeinsamen Landvogtei von Bern und Freiburg wurde. Während der Reformation leisteten die Katholiken den Protestanten erbitterten Widerstand. Der Berner Landvogt Jacques Tribolet, glühender Anhänger der Reformation, kaufte das Kloster, um es in eine Privatresidenz zu verwandeln. 1538 vertrieb er die Mönche, liess die Zellen abreissen und installierte in der Kirche eine Traubenpresse und Weinfässer. Er konstruierte auch den Treppenturm mit konischem Dach, an der südlichen Klosterwand, später kam im Süden der Kartause noch ein Pavillon dazu (das Datum – 1670 – ist noch heute auf einem Dachsparren zu sehen). Die Zimmer oberhalb des Klosters wurden mit Sprossenfenstern versehen. Auf der Decke des Nordzimmers hat man unter einer Zwischendecke aus dem 19. Jahrhundert Stuckaturen entdeckt, dekoriert mit Granatäpfeln und ihren Blüten; auf einer der Wände prangt eine Jagdszene mit einem Löwen und einem Bären. 1770 gelangte das Landgut in den Besitz von Simon de Rochefort aus Neuenburg, der es um eine Scheune und einen Stall erweiterte. Graf Louis de Pourtalès von Neuenburg kaufte das ganze Anwesen 1794. Rund um das Haupthaus des Klosters gruppierten sich nach und nach verschiedene Gebäudekörper. Der Graf liess in der Kirche einen Zwischenboden einziehen, um seine Bibliothek unterzubringen, die er mit

Empiremotiven dekorieren liess. Heute ist die Chartreuse de La Lance in Privatbesitz. So wie sie sich heute präsentiert, setzt sich die Kartause zusammen aus dem viereckigen ehemaligen Konventsgebäude und einer Kirche mit Walmdach, die sich um das gotische Kloster mit seinen kleeblattförmigen Arkaden gruppieren, übrigens das letzte Kloster in der Waadt. Etwas zurückversetzt liegt der kubische Pavillon von 1801. Im Hintergrund wird die ehemalige Kartause dominiert von einem grossen, mit Reben bewachsenen Clos – einem reizvollen Pendant zum Gebäudekomplex. Hier wächst ein bekannter Wein, dessen Etikette selbstverständlich vom Bild der Kartause geziert wird.

 Die Kartause de La Lance und ihr wunderschöner gotischer Kreuzgang.

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Sehenswürdigkeiten und Attraktionen der Region Die Region rund um Bonvillars, Grandson und Yverdon-les-Bains bietet eine fast unerschöpfliche Fülle an kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten. Doch auch die Gourmets kommen auf ihre Kosten. Etwa bei der Ballade gourmande, einer gastronomischen Wanderung in sieben Etappen, die Ende August stattfindet. Bei den Caves ouvertes im Juni. Beim Räuchern von Fischen bei den Frères Oberson in Onnens. Oder beim Fondueessen auf dem Pferdefuhrwerk… Infos zu diesen und vielen anderen Attraktionen: www.terroirs-region-grandson.ch, www.yverdonlesbainsregion.ch, www.cavesouvertes.ch.

Domaine de La Lance 1426 Concise – Tel. 079 313 19 81 Der Winzer Stéphane Sandoz kümmert sich in dritter Generation um die acht Hektaren Reben des Weinguts. Auf dem prachtvollen Landsitz können Säle für Empfänge und Feste gemietet werden, auf Voranmeldung sind auch Degustationen möglich. www.lalance.ch

Eine Etikette, die alle Weinfreunde an die Schönheit der Kartause erinnert.

Übernachten Hôtel Restaurant Bellevue 1425 Onnens – Tel. 024 436 13 26 www.bellevue-onnens.ch Angenehmes Dreisternhotel mit schöner Terrasse und Blick auf den See. Gastgeberin Lorraine Baert verwöhnt ihre Gäste mit gepflegter Küche und bodenständiger Herzlichkeit.

LA MAISON DES TERROIRS – EINE FUNDGRUBE FÜR FEINSCHMECKER Hier ist der Name Programm: Haus des Terroirs. Alles, was die Region hergibt und das Feinschmeckerherz begehrt, kann hier verkostet und gekauft werden. Als wir staunend vor den Auslagen stehen, kommt ein Paar aus Bonvillars mit einer Lieferung frisch gepflückter Heidelbeeren. Dutzende von Tragtaschen, gefüllt mit Bio-Gemüse, werden bereitgestellt und später von denen abgeholt, die sich diesen gesunden Genuss per Abonnement einmal wöchentlich leisten. «Zuerst wollten wir nur Wein präsentieren, doch dann merkten wir, dass unsere Region viel mehr zu bieten hat», meint die patente Leiterin des Hauses, Renée Leuba. Das Maison des Terroirs gehört zwar der Gemeinde Grandson, getragen wird es aber von der gleichnamigen Vereinigung, letztlich also von den Produzenten der Terroirprodukte. Das schmucke Haus, in dem man sich sofort wohl fühlt, nur wenige Schritte vom imposanten Schloss Grandson entfernt, ist attraktiver Laden, Treffpunkt, Café, Restaurant und Degustationsraum in einem. Und nicht zuletzt ein weiteres Muss in der an Sehenswürdigkeiten so reichen Region. www.terroirs-region-grandson.ch

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Š Siffert/weinweltfoto.ch


The Bonvillars wine region Eva Zwahlen Extending from Yverdon to Vaud’s border with Neuchâtel, this region overlooking the lake is characterized by pristine sloping landscapes and 200 hectares of vineyard.

Wineries Cave de Bonvillars With a new director, Sylvie Mayland, revamped premises and an enologist – Olivier Robert – who loves the challenge of creating wines from grapes grown in the region’s “mosaic of different soils,“ this 100-member cooperative is soaring to new heights. Its wines include C-hampagne, Chasselas from the region’s village of that name, and Arquebuse, a blend of Chasselas grapes from different vineyards. Top reds are Vin des Croisés, a fruity, elegant Pinot Noir, and Coeur de Presse a ripe-berry-and-spice Gamay. Their sweet wine Corpus is a sensual mix of dried fruit, honey and oriental spices.www.cavedebonvillars.ch Domaine La Boulaz, Bonvillars Winemaker Jacques Bloesch cultivates 20 varieties of grape on 5 hectares and makes 18 different wines – among them four different Chasselas wines, and two other classics: Œil-de-Perdrix (rosé) and Pinot Noir. Most however are specialty varietals, like Gewürztraminer, Chardonnay, Pinot Gris and a blend of Doral and Pinot Gris called Entre deux Lacs. Red wines include a Garanoir-Gamaret blend and the unusual Le Rebelle made from various varieties grown by Jurassien Valentin Blattner. Domaine La Boulaz, Tel. +41 (0) 79 768 97 60

Vignoble Cousin, Concise Winemaker Guy Cousin went into business on his own in 2005, and he is still expanding, upping his 2.5 hectares to 4 ha, adding on to his winery, growing new varieties. He’s known for quirky ideas, like getting single folks to help harvest his grapes: “one couple that met here are married now.” Cousin’s whites, such as the floral, beautifully structured Pinot Blanc, are impressive, and his reds – a muscular 2009 Gamaret; Cuvée rouge, a Gamay, Pinot Noir, Garanoir and Gamaret blend that is aged in wood for 17 months – are masterful. www.vignoblecousin.ch

english

Domaine de Gourmandaz, Corcelles-Concise Didier Bourgeois doesn’t vinify the grapes from his 9 hectares himself – he leaves that to the Testuz winery. But he says he’s involved in each step of the wine making process that yields his Chasselas, Œil-de-Perdrix, Garanoir, and his big specialty: Pinot Noir. Bourgeois is also known for blends and sweet wines. An environmentalist, he is a driving force behind the Bonvillars AOC promotion association and sits on the board of La Maison des Terroirs (see p. 53). www.gourmandaz.ch

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DER ERSTE STEIN IM VETROPACK-IMPERIUM, DIE 1911 VON HENRI CORNAZ GEGRÜNDETE GLASHÜTTE VON SAINT-PREX, KANN AUF EIN JAHRHUNDERT GESCHICHTE BLICKEN. IN DIESER ZEIT LEGTE SIE DIE BASIS FÜR EINE PROSPERIERENDE INDUSTRIE – UND IST MITTLERWEILE EIN RIESE GEWORDEN, DER DIESES JAHR SEINEN HUNDERTSTEN GEBURTSTAG FEIERN KANN.

Ein Riese mit solidem Herzen GLAS IN SEINER BESTEN FORM 100 JAHRE VERRERIE DE SAINT-PREX  Jacqueline de Quatro, Regierungsrätin, und Claude R. Cornaz, CEO

1930, kaum zwanzig Jahre alt, hatte das Unternehmen bereits zwei weitere Glashütten aufgekauft, die eine in Semsales, die andere in Bülach, und feierte sein Prosperieren mit dem Erwerb einer automatischen Glasblasmaschine, die in den USA entwickelt worden war. Dieses kleine Bijou erlaubte es der Firma, die wachsende Nachfrage zu befriedigen und sich einen wichtigen Platz in der Schweizer Indus­ trielandschaft zu schaffen. Rund zwei Jahrzehnte später, in der Mitte des 20. Jahrhunderts, importierte die Schweiz grosse Mengen von Glas aus Osteuropa, doch die Spannungen mit dem kommunistischen Block verwehrten ihr zunehmend den Zugang zu diesem Manna. In einem bewegten Umfeld ergriff die Glashütte von Saint-Prex ihre Chance, kaufte die Zürcher Gesellschaft Müller+Krempel AG auf und übernahm damit die Führung im Schweizer Glasmarkt. Und während die Vetropack-Gruppe immer weiter wuchs und sich mittels Zweigniederlassungen nach Osten ausbreitete, zuerst in der Deutschschweiz, dann auch jenseits der Landesgrenzen, schlug ihr historisches Herz von Saint-Prex weiterhin im Rhythmus des Erfolgs der Firma. Die Zahlen des Erfolgs Aus den Glashütten am Ufer des Lac Léman kommen heute jährlich rund 124 000 Tonnen Glas, das sind 330 Millionen Flaschen! Sie haben Mühe, sich diese Menge vorzustellen? Teilen Sie sie auf: 330 Millionen Flaschen pro Jahr, das entspricht fast einer Million Flaschen pro Tag, also etwa 38 000 Flaschen pro Stunde, mehr als 600 Flaschen pro Minute und schliesslich mehr als zehn Flaschen pro Sekunde. Zahlen, ob denen einem schwindlig werden könnte, die aber einen Eindruck vom riesigen Erfolg und der Gesundheit dieser einhundertjährigen Fabrik vermitteln.

Die Millionen von Flaschen, welche die Glashütte Saint-Prex produziert, sind heute vor allem dazu bestimmt, Wein und Bier aufzunehmen, zwei Produkte, die in der Tradition und Kultur unseres Landes einen hohen Stellenwert besitzen. Die Glasfabrik am Lac Léman produziert also vorwiegend Flaschen in den Farben grün, «feuille morte», «cuvée» (ganz dunkles, fast opakes Braun) und olivgrün. Doch diese Zahlen, so eindrücklich sie auch sind, können 100 Jahre Geschichte nicht zusammenfassen. Was vom Erfolg der Glashütte SaintPrex kündet, das ist der Stolz ihrer Mitarbeiter, die ein Stück Geschichte mitgeschrieben haben, und die Kraft der Familientradition, verkörpert durch ihren CEO Claude R. Cornaz, Urneffe des Gründers Henri Cornaz. www.vetropack.ch


© C. Dey

WITNESSES OF TIME PAST The cultural riches of Bonvillars wine country span thousands of years. Vestiges of human life in the area go back to the Neolithic and Bronze Ages, as some menhirs and traces of lake dwellings attest (the Stations de Concise are among those on the UNESCO heritage list of Alpine pile dwellings), but you’ll also find traces of old Rome. Going back mere hundreds of years are villages like Concise and Corcelles-près-Concise, which are listed as heritage sites of national importance in Switzerland. So is Onnens, with its church of St. Martin known for its frescoes. Architectural stand-outs include the 16th century château de Bonvillars with its Baroque portal, and the former charterhouse of La Lance, originally built in the 14th century but with 16th and 17th century add-ons. Privately owned, it is sometimes opened to the public – and its vineyards produce reputable wines with the charterhouse on the label.

Food, wine and staying the night

Truffles and more “When I organized Switzerland’s first truffle market two years ago,” Domaine de la Lance 1426 Concise – Tel. +41 (0) 79 313 19 81 Winegrower Stéphane Sandoz recently took over as head of the 8 hectare estate that’s been in his family for three generations. Wine tasting is by appointment. La Lance also rents rooms for receptions. More at www.lalance.ch

Hôtel Restaurant Bellevue 1425 Onnens Tel. +41 (0) 24 436 13 26 www.bellevue-onnens.ch Lorraine Bært gives guests a warm welcome at her 3* hotel with its beautiful terrace, lake view, and refined cuisine.

And don’t miss… Wine tasting during Caves ouvertes in June; the Ballade gourmande, a walking excursion with seven gastronomic stops (late August); lake fish smoked by the Oberson brothers, professional fishermen in Onnens; or the unique experience of eating truffle fondue in a horsepulled cart. More at www.terroirs-region-grandson.ch, www.yverdonlesbainsregion.ch, www.cavesouvertes.ch

english

La Maison des Terroirs When you visit Grandson’s imposing château, check in here: it’s just steps away. Café, restaurant, tasting room, there’s also an attractive store with lavish displays of produce. “At first, we thought we’d just feature wine here, but then we realized how much more the region has to offer,” says manager Renée Leuba. See for yourself. A must. www.terroirs-region-grandson.ch

Frank Siffert says, “I thought we’d get 500 visitors – 4000 showed up.” Siffert’s dogs sniff out the precious fungi at forest’s edge above Bonvillars. With partner Annie Ryter, Siffert farms bio-dynamically grown heritage vegetables and berries. Some of their products – syrup, jam, chutneys, pesto, truffle sausage – are available at La Maison des Terroirs in Grandson. The 3rd Swiss Truffle Market takes place from 9-5 on Saturday, October 29, 2011 in Bonvillars. www.truffesuisse.ch

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“Tirer au guillon:” An initiation

english

At Château de Chillon, before the festive evening that welcomes new Compagnons into the Confrérie du Guillon gets into full swing, initiates line up near two wooden wine barrels. As the cellar master intones “…and your skill with the guillon CHILLON_PUB_A5:Mise 1 20.4.2007 shall been thepage irrefutable proof of 10:03

your attachment to our cause!” they take part in the ritual of filling their glass directly from the barrel. Winemakers traditionally draw wine from the barrel to monitor fermentation progress or to give friends and clients a taste. A guillon 1 –Page the ancestor of the “dégustateur”

stainless steel faucet now used to draw wine – is a conical piece of wood inserted into the barrel’s bunghole. The point is to remove it in such a way as to get a perfect flow of wine pouring into the glass. Or try to: deftness at this procedure definitely requires practice. Some think it’s a question of unscrewing the guillon – not so: a small rightleft rotation et voilà. The next step is to pull the plug out and push it up in such a way that neither too much wine flows out – or too little, which results in a dribble that may not even reach the glass. The moral of the story? A few practice sessions with a Conseiller de la Confrérie are highly recommended to about-to-be Compagnons before the big night!

Savourez la vie de château le temps d’une soirée

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Die Geschichte vor Augen Die künftigen Generationen werden unsere Zeit ganz offensichtlich mit weit aufgerissenen Augen betrachten! Wie doch haben sie es geschafft, den vielen Finanzstürmen zu widerstehen, den nie dagewesenen politischen Krisen, den Wellen von Volksaufständen, die niemand vorherzusehen wagte, dem Verschwinden in den europäischen Tiefen von Ländern wie Griechenland, das seit Jahrtausenden unsere Zivilisation inspiriert hat? Nähern wir uns dem Zeitalter des Wassermanns, von dem Malraux sagte: «Das Zeitalter des Wassermanns wird spirituell oder gar nicht sein…»? Stehen wir vor den Toren der Apokalypse oder des New Age? Wird der Maya-Kalender unsere neue Bibel und die Neuausrichtung der Gestirne unser trauriges Armageddon sein? In diesem imaginären Malstrom, wo jeder versucht, die Wahrheit von der Torheit zu unterscheiden, gibt es einige Gründe, die hoffen lassen, dass man dem verworrenen Gerede der wortreichen Doktoren beikommen und den Finanzscharlatanen und anderen Totengräbern des sozialen Gleichgewichts den Gnadenstoss versetzen kann. Hüten wir uns davor, zu allem eine Meinung zu haben, uns als Hochgelehrte zu allen Weltangelegenheiten zu äussern. Begnügen wir uns damit, unser Gefühl in einem Bereich zum Ausdruck zu bringen, der uns lieb ist: beim Wein! Ach, der Wein, mein guter Herr! Kommen Sie zu uns, wir rasieren gratis! Hier vier Batzen für einen deutschen Chasselas, dort genügen ein paar Münzen für einen schlechten Roten von jenseits der Meere, der sich in einem

Botschaft des Gouverneurs Philippe Gex

Carnotzet-Aristokraten verkleidet hat, und noch etwas weiter bietet sich ein Rosé mit zweifelhafter Herkunft für zwei Franken und ein paar Rappen an! Der Weinberg stirbt, lasst uns verschämt die Augen senken. Unsere Cousins, die Bauern, die gut und gerne produzieren, lassen sich mit einem «Cassis de Dijon» übers Ohr hauen, der Esswaren über die Grenzen kommen lässt, die unsere Eltern gerne den Schweinen überlassen hätten. Bauern und Winzer sitzen im gleichen Boot! So stellt sich jetzt die grundlegende und existentielle Frage: «Hat es in diesem Land noch Platz für eine ernährende, grosszügige, wertsteigernde, ja sogar strategische Landwirtschaft, oder will man sie sterben sehen und durch mittelmässige Produkte ersetzen, die um die Welt gereist sind, um unsere Teller zu füllen?» Nein, zum Teufel, dreimal Nein! Es ist Zeit, die Fahne der Empörung zu hissen und Stopp zu sagen. Schluss mit einer Pseudoliberalisierung, die auf tiefstem Niveau gleichschaltet. Schluss mit den komischen Abkommen, die es unseren Landwirten verbieten, würdig zu leben. Aber Ja zu einheimischen Produkten von grosser Qualität, zu einheimischen Weinen, die nachhaltig produziert wurden, Ja zur Sicherstellung einer Swissness-Produktion. Der Freihandel ist eine Realität, die allen profitieren kann, wenn sie von Regeln flankiert wird. Ja, ich liebe die Schweiz und was man in der Schweiz produziert. Heute und Morgen. Die Geschichte wird uns sagen, ob wir den richtigen Weg gegangen sind.

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Pascal Besnard, Echotier Fotos: Studio Curchod

Die Ressats der grossen Umwälzungen Wenn Sie Ihre bevorzugte Zeitschrift erhalten oder diese Zeilen lesen, wird die politische Szene zweifellos eine weitere Umwälzung erlebt haben. Auf die Waadtländer Kantonswahlen im Frühling werden die Eidgenössischen im Herbst gefolgt sein… Triumph und Volkswahl für die Einen, Fiasko und Gesichtsverlust für die Anderen… Strahlendes oder verbissenes Lachen… Das ist das Los der Politiker… Bei der Erinnerung an das Wahlepos von Torchette im letzten Frühjahr, erzählt von seinem unverwüstlichen Sprecher, dem Conseiller Raoul Cruchon, wird man sich der Breite des Auftrags bewusst… Torchette, wegen einer Stimme geschlagen, jener seiner Frau, die ihn für seine häufigen Abwesenheiten bestraft hat! Torchette, der Torchette heisse, «weil er trinkt bis er Schlaf hat und schläft bis er Durst hat»… Torchette, der sein Ziel trotz einer bewundernswerten Kampagne und einem weltweit einmaligen Programm verpasst hat, das auf einem einzigen Konzept basiert: «Der trinkbaren Entwicklung!» Anders gesagt, der Ausrottung… «Der Spielverderber, Der Trübsinnigen, Der Missgestimmten,

Der Traurigen, Der Individualisten, Der Frömmler Und der Mumien.» Und, im gleichen Zug, dem Stimmrechtsentzug «Aller freiheitsberaubender Büsser mit ihren Forderungen nach: Abstinenz, Disziplin, Härte, Fasten, Nüchternheit, Mässigung Und Sittsamkeit.» Um den nichtgewählten Torchette zu trösten kann ihm die Confrérie du Guillon versichern, dass es am 29. und 30. April sowie am 6. und 7. Mai auf Schloss Chillon weder von den einen noch von den andern gegeben hat. Deshalb verliefen folgende Wahlen reibungslos: Jene eines neuen Conseillers, eines Compagnon d’honneur, eines Compagnon juré, von vier Compagnons majoraux (darunter der Koch der Ressats, Pierrick Suter), von zwei Compagnons ministériaux, von 29 Compagnons und Compagnonnes, und sogar von einer Commune combourgeoise (Borex)… Einzig der Waschbär wurde nicht gewählt…

 Vor allem nicht mit den Schuhen in der Robe hängen bleiben … aber der Conseil schafft es erfolgreich.

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Ressats der grossen Umwälzungen

29. April 2011 Compagnon juré Pierre-Alain Jotterand Chapeau Noir 2010 Compagnon majoral Annick Jeanmairet Gastronomie-Journalistin Compagnon Eric Baroud Leysin Alexandre Flückiger Bex Michel Flückiger Bex Hervé Gavin Belmont-sur-Lausanne Björn Paffrath Wolfhalden Bernard Randin Orbe Jean-Luc Reymond Palézieux-Village Jean-Marcel Riond Bioley-Magnoux Sébastien Roduit Martigny David Vincze Abtwil (SG)

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1. Die künftigen Mitglieder trinken die Worte der Conseillers Potterat und Bovy, bevor sie sich dem Wein zuwenden, der am Guillon gezogen wurde. 2. Keine unklaren Worte für die Dame am Herd… aber ein oratorisches Feuerwerk von Edouard Chollet für Annick Jeanmairet. 3. Die Begrüssung von Prévôt Folly: 5% Feierlichkeit, 95% Humor. 4. Die 2010? Wunderbar! Prévôt Gilbert Folly ist sich mit Jean-Pierre und Martine Cavin einig. 5. Chapeau noir und Gästebuch: Pierre-Alain Jotterand, künftiger Compagnon juré.

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30. April 2011 Compagnon d’honneur Michel Rochat Direktor der Hotelfachschule, Lausanne Compagnon majoral David Moginier Gastronomie-Journalist Compagnon Alban Adnet Syens Franz Brun Corsier-sur-Vevey Walter Maisch Monthey Raymond Roch Blonay

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Ressats der grossen Umwälzungen

6. Mai 2011 Compagnon majoral Olivier Botteron Kommandant der Waadtländer Polizei Commune combourgeoise Borex Compagnon ministérial Olivier Etter Hausmeister auf Schloss Chillon Peter Strobl Hausmeister auf Schloss Chillon Compagnon Laurent Amiet Mur (Vully VD) Wally de Marco Pully Pascal Favre Pully Pierre-Philippe Genton Auvernier François Linder Aubonne Pierre Marti Salavaux Jérôme Monnier Messery (France) Bernard Pouly Mur (Vully VD) 1

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1. Bitte nicht Botteron mit Botellòn verwechseln! Die Warnung scheint bei Polizeikommandant Lionel Eperon auf offene Ohren zu stossen. 2. Die Confrérie empfängt einen Kenner in der Person von Pierre-Philippe Genton, Winzer in Auvernier. 3. Gouverneur Philippe Gex heisst eine neue Commune combourgeoise willkommen, Borex. 4. Letzte Ratschläge von Pierre Gentizon an Wally de Marco vor dem Ziehen am Guillon.

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Ressats der grossen Umwälzungen

7. Mai 2011 Compagnon d’honneur Pierre Monachon Präsident von Terravin Conseiller Christophe Romanens Compagnon majoral Pierrick Suter Koch, Chef im Hôtel de la Gare in Lucens Compagnon Marcel Cohen-Dumani Lausanne Ruth Davet Monthey Pascal Desponds Chavornay Rudolf Hofer Ennetbürgen Jean-Pierre Lambelet Puidoux Jean-François Maire Pully Bernard Steiner Basel

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1. Ein grosser Weinkenner wird zum Compagnon d’honneur erkoren: Pierre Monachon, Präsident von Terravin. 2. «Trink diesen Wein und sei gut wie er!» Ruth Davet erhält die Schale. 3. Gilles sagte: «Kleiner Wein, wenig Worte!» Nach diesem Modell schuf Claude-Alain Mayor das Sprichwort: «Grosser Pinguin, endlose Rede!» Ein grosser und talentierter Conseiller hält in der Confrérie Einzug: Christophe Romanens.

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Propos de Clavende

La féra du lac Léman aux petits légumes L’étuvée de poireau et crème safranée […] L’inspiration pour mon poisson se faisant désirer, j’allume la télé, pensant trouver une idée sur les ondes. Mais l’onde est d’huile, jusqu’à ce que je tombe sur un trio d’évangélistes déguisés en militaires, armés de guitares et d’une marmite tirelire. Ils proclamaient: «Tout homme qui vient au monde naît pécheur.» J’ai tout de suite compris que c’était l’Armée du Chalut. Le public en redemandait: «Une autre! Une autre!» Alors eux: «Pourtant, que la montagne est belle, comment peut-on s’imaginer, en voyant un vol d’hirondelles…» Ferrat! Pas Jean, le chanteur d’extrême bâbord, mais LA féra. La féra du lac Léman. […] Je sais que certains d’entre vous sont sensibles au devenir du règne animal, mais la féra ne court aucun risque. Le flétan, la dorade, le loup de mer, l’églefin, l’espadon, oui; la féra, non! […] Croyez-moi, il vaut la peine de militer en faveur des espèces menacées d’extinction. Au Guillon, par exemple, on a signé une charte éthique avec le WWF, par laquelle nous nous engageons à ne plus servir de bécasse en automne. Du coup, Johnny Hallyday nous a écrit, d’une part, pour nous remercier et, d’autre part, pour nous dire que Laeticia pouvait aussi venir au printemps! […] Féra du lac Léman aux petits légumes. En fait, je… je suis navré de venir vous parler de ça. Je veux dire de venir parler de petits légumes à un parterre de grosses. De grosses légumes s’entend, désignation

qui s’étend évidemment aux messieurs. […] C’est que le français est facétieux, surtout avec les genres, que nous connaissons mal. Rares sont en effet les gens qui savent que l’on dit, par exemple, une câpre, une algèbre, une alluvion. Mais un opprobre, un emplâtre sur une jambe de bois. A propos de prothèse: silicone? Doit-on dire un silicone? Une silicone? On hésite, hein, Mesdames… On ne sait plus à quel sein se vouer… On dit une silicone, silicone est du genre féminin. Le Robert est formel!

Edouard Chollet

[…] Les légumes et moi, c’est une histoire d’amour. Figurez-vous que j’ai fréquenté dans ma jeunesse une femme strictement végétarienne que j’avais rencontrée en boîte. […] Elle adorait le cinéma végétarien. Du coup, on n’est jamais allés voir de films cochons. En revanche, je me suis tapé tout Lelouch. C’est un réalisateur végétarien, Lelouch: Lelouch, c’est le seul qui a réussi à faire de l’oseille avec soixante navets. Mais ma copine aimait aussi Buster Keaton et Charlie Chaplin, les principaux acteurs d’avant-guerre, en noir et blanc. C’est rare, non? Je ne veux pas dire qu’il soit rare qu’une femme aime le noir et blanc, mais une femme qui aime le muet, ça, c’est exceptionnel. […] […] Mangez des légumes. Le légume, c’est l’alpha et l’oméga de la vie humaine. Chacun sait que nous naissons dans les choux. Les hommes, du moins. Les filles naissent dans les roses. C’est le contraire pour les histoires d’amour, lesquelles commencent par des roses et finissent dans les choux. […]

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Wir lüften den Deckel

AM 29. UND AM 30. APRIL, UND DANN AUCH AM 6. UND 7. MAI SIND DIE RESSATS DER GROSSEN UMWÄLZUNGEN DANK PIERRICK SUTER ZUR ECHTEN FREUDE GEWORDEN…

Der Aufsteiger hat beeindruckt! Pascal Besnard, Echotier Fotos: Studio Curchod

Pierrick Suter, Hôtel de la Gare, Lucens Pierrick Suter war im Restaurantführer GaultMillau 2010 der «Aufsteiger des Jahres in der Westschweiz». Während vier Tagen hat er sein geliebtes Hôtel de la Gare in Lucens verlassen, um sein Talent auf Schloss Chillon unter Beweis zu stellen. Das Talent hat sich ganz klar in der Familienküche entwickelt und wurde von der Mutter inspiriert, die eine ausgezeichnete Köchin ist. Angereichert wurde es im Kontakt mit den Grosseltern, die in Bussy-sur-Moudon gewirtet hatten. Das sind die Wurzeln einer frühzeitigen Berufung, an die sich Pierrick sehr wohl erinnert: «Mit sieben oder acht Jahren schon zweifelte ich nicht im Geringsten, dass ich später als Koch arbeiten würde.» Die Lehrzeit absolvierte er im Cheval-Blanc in Peney-le-Jorat, in der Küche von Bernard Buro. Dann kam er zu Bernard Ravet, als dieser noch im Hôtel de Ville in Echallens tätig war. Es folgten eine Saison in Kanada, ein Halt im Olden in Gstaad, auf Einladung von Edgard Bovier, und dann von 1989 bis 1991 sein Einsatz bei Frédy Girardet. Eine entscheidende Etappe für Pierrick Suter (er war gerade einmal 24 Jahre alt, als er nach Crissier kam): «Das war die grosse Erfahrung, mit einem grossen «E». Hier habe ich die Exaktheit und die Achtung vor den Produkten gelernt.» Es kamen noch weitere Erfahrungen dazu, in Anzère, Küsnacht

und Freiburg, wo Pierrick und seine Frau Jane-Lise während zwei Jahren die Brasserie La Chope führten. Das Hôtel de la Gare in Lucens? Ein fast natürliches Ziel: Die Eltern von Frau Suter sind die Besitzer dieser Gaststätte. 1994 überstürzen sich die Ereignisse für das junge Paar, mit der Geburt ihrer Tochter Orane, und dann der Übernahme des Hôtel de la Gare. Heute, siebzehn Jahre später, versichert Pierrick ohne Zögern: «Dieses Restaurant, das ist unser Ding. Wir gehen nirgendwo anders hin!» Ausser nach Chillon, im letzen Frühjahr, nachdem er wiederholt die Einladung der Conseils der Confrérie du Guillon abgelehnt hatte. «Es stimmt, während Jahren habe ich die Einladung auf Schloss Chillon abgelehnt… ich hatte sehr grossen Respekt… Aber die Ressats von Pierrot Ayer im Frühling des Vorjahres haben mich dann doch veranlasst, schliesslich Ja zu sagen.» So hat Pierrick Suter für die Zeit, um vier ausgezeichnete Ressats zuzubereiten, sein Restaurant geschlossen. Den Gästen in der savoyischen Festung hat er, unterstützt von seinem Chef Sébastien Berthurel, seine traditionelle, sehr bekömmliche Küche angeboten, in der subtil beste Produkte, Grosszügigkeit und Spontaneität in Einklang gebracht werden. Anders gesagt: So wie man es beim Guillon mag!

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Wir lüften den Deckel

Marbré de foie gras aux figues en gelée de passerillé (Marmorierte Gänseleber mit Feigen und Süssweingelée) Rezept für 10 Personen

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Zutaten 1kg Gänseleber 15 g Salz 2 g Zucker 2 g Salpeter 5 cl weisser Porto 1 dl Madeira

Zubereitung Gänseleber wenigsten 2 Stunden bei Raumtemperatur weich werden lassen. Trennen Sie die zwei Lappen und entfernen Sie die Äderchen (es gibt im Handel auch Leber, bei der diese Arbeit bereits ausgeführt wurde). Würzen Sie die Leber mit allen Zutaten und decken sie dicht mit Klarsichtfolie ab. Dabei möglichst alle Luftblasen entweichen lassen, damit die Leber nicht oxydiert. Lassen Sie die Zubereitung eine Nacht im Kühlschrank ruhen. Am nächsten Tag die Leber wieder weich werden lassen und dann in eine Terrine drücken, mit einer Klarsichtfolie abdecken und leicht drücken, damit die Oberfläche flach wird. Die Terrine für eine Stunde in den Kühlschrank stellen. Dann die Terrine auf einem Trennpapier in ein grösseres Gefäss stellen. Wasser zum

Feigenmousse 150 g getrocknete Feigen 3 dl roter Porto 2 Blatt Gelatine 2 dl Wasser 1,5 dl süsser Wein

Zubereitung Kochen Sie den Porto, das Wasser und die Feigen bei kleinem Feuer, bis nur noch ein Suppenlöffel Flüssigkeit übrig bleibt. Lösen Sie darin ein Blatt vorgängig in kaltem Wasser eingeweichte Gelatine auf. Nehmen Sie die Feigen heraus, mixen sie und vermischen die Masse mit dem Jus und der Gelatine. Nehmen Sie die Gänseleber aus der Terrine und kleiden Sie diese mit Klarsichtfolie aus. Schneiden Sie die Leber in mehrere Tranchen. Geben Sie die Tranchen in die Terrine

Kochen bringen und dann in das Gefäss giessen, bis das Wasser 2 cm unter der Terrinenoberfläche steht. Heizen Sie den Ofen auf 120 Grad, bevor Sie das Gefäss hineingeben. Mit dem Gefäss und der kalten Terrine sinkt die Wassertemperatur auf 70 Grad. Diese Temperatur soll während dem Kochen beibehalten werden. Schieben Sie das Gefäss mit der Terrine für 50 Minuten in den Ofen. Nehmen Sie die Terrine heraus und giessen Sie die Flüssigkeit an der Oberfläche in ein Glas. Lassen Sie das Glas mehrere Minuten stehen, damit der Saft sich setzen kann und das Fetten oben schwimmt. Giessen Sie das Fett sachte auf die Terrine und bedecken Sie die zwei Lappen. Abkühlen lassen und in den Kühlschrank stellen.

zurück und schieben zwischen jede Tranche eine Schicht Feigenmousse. Stellen Sie die Terrine zurück in den Kühlschrank. Aufschneiden und mit dem Passerillé-Gelée (Süsswein-Gelée) glacieren, der mit 1,5 dl süssem Wein zubereitet wird, der zusammen mit einem Blatt Gelatine erwärmt und leicht gewürzt wird. Auf Tellern mit Brioche-Brot und einem kleinen Salat anrichten.


Von Pierrick Suter abgestimmter Wein Marsanne blanche 2007, von Bernard Cavé Der Wein ist kräftig, reichhaltig, schwer, reif, aber nicht überreif. Er zeichnet sich auch durch eine Spur von Säure aus; eine Säure, die Pierrick Suter gerne mit der süssen Gänseleber an Feigen und Porto kombiniert.

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Ein Mehr an Seele in Flaschen Da wir dieselben Werte und dieselbe Passion für den Waadtländer Wein teilen, möchte die Vereinigung «Clos, Domaines et Châteaux» den neuen, von der Confrérie du Guillon kreierten Preis Guillon d’Or unterstützen; er ist der direkte Nachfolger des Prix de Châtagneréaz.

Doch in der Schweiz gesellt sich dazu noch ein fabelhaftes kulturelles Erbe, zusammengesetzt aus kleinen Clos, renommierten Domänen und vor allem aus illustren Schlössern. Das Waadtland allein weist nicht weniger als 42 Weinschlösser auf, deren Aushängeschild zweifellos das prächtige Märchenschloss Château de Vufflens ist. Sie alle wurden dafür konzipiert, die Traubenernte aufzunehmen, und verfügen über wunderschöne Weinkeller in ihren Gewölben, in denen die Weine reifen. Auf dieses dreifache Erbe – historisch, weinbaulich und kulturell – gründet sich die Vereinigung «Clos, Domaines et Châteaux».

Eine technische Kommission wacht mittels regelmässiger Besuche und Kontrollen darüber, dass die Vorschriften eingehalten und die verlangten Praktiken ausgeübt werden.

Das rot-silberne Label der Weine von «Clos, Domaines et Châteaux», das ist: • die Unterschrift des Terroirs, auf dem die Weine gewachsen sind

Bevor der Wein in Flaschen abgefüllt wird, muss er vor einer Degustationskommission bestehen, die über die Verleihung des rot-silbernen Labels entscheidet, das die Weine von «Clos, Domaines et Châteaux» auszeichnet.

• der Spiegel ihres historischen Erbes • die Garantie für begrenzte Mengen • und ein Siegel für Authentizität und aussergewöhnliche Qualität.

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Seine kulturelle Dimension verleiht dem Wein eine einzigartige Persönlichkeit, Frucht des Terroirs, auf dem er gewachsen ist, der Generationen von Männern und Frauen, die ihn im Lauf der Zeit kultiviert haben, der Geschichte, die er erlebt hat und des Klimas, das ihn prägt.

Die 2004 gegründete Gruppierung zählt bis heute 25 Mitglieder – vier Einkellerer und Weinhändler, einen Clos, elf Domänen und neun Schlösser –, deren passionierte Besitzer sich verpflichtet haben, eine Charta mit ausnehmend strikten Regeln zu respektieren. Diese Regeln gelten sowohl • im Rebberg: mindestens zehn Prozent weniger Ertrag als von der AOC vorgesehen; Oechslegradationen, die den Durchschnitt der AOC übertreffen; umweltschonender Anbau (Integrierte Produktion mit dem offiziellen Zertifikat «Vitiswiss»); Mindestblattoberfläche; • als auch im Keller: Respektierung der Tradition und der Appellation; der Wein als Spiegel der Ausdruckskraft seines Terroirs.

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«Die Schweizer Weinschlösser haben einen grossen Vorteil, den sie ausnutzen müssen, denn sie verleihen dem Wein dieses Mehr an Seele, das den Unterschied zwischen dem Wein und jedem anderen Getränk ausmacht.» Bruno Prats, ehemaliger Besitzer von Cos d’Estournel


Guillon d’Or 2011

Guillon d’Or 2011 Claude-Alain Mayor, Tabellion Fotos: Studio Curchod Am 26. September ist im Lausanne Palace der erste Guillon d’Or an Patrick Aebischer, den Präsidenten der EPFL, überreicht worden. Der festliche Anlass versammelte eine grosse Zahl von Gästen aus Wirtschaft und Politik, von den Hochschulen sowie Medienvertreter. Der Guillon d’Or hat das Erbe des Prix du Château de Châtagneréaz angetreten, mit dem die Confrérie du Guillon zwischen 2000 und 2008 eine ganze Reihe von Künstlern, Grafikern, Kritikern und Chronisten auszeichnete, die sich mit dem Thema Wein und Reben

auseinandergesetzt hatten. Der neue Preis, der Guillon d’Or, ehrt künftig jedes Jahr eine Persönlichkeit, die ihr Können und Wissen in den Dienst des Kantons Waadt oder sogar der ganzen Schweiz gestellt hat. Der Jury, die vom Gouverneur Philippe Gex präsidiert wird, gehören Annick Jeanmairet, Gastro-Journalistin, Jean-Jacques Gauer, Hotelier, Pierre Keller, Honorar-Direktor der ECAL und Präsident des OVV, Peter Rothenbühler, Direktionsmitglied von Edipresse, sowie Claude-Alain Mayor, Sekretär der Confrérie, an. Diese Jury hat einstimmig

Der erste Guillon d’Or ist das Werk des Glaskünstlers Yann Oulevay. Patrick Aebischer, Preisträger des Guillon d’Or 2011.

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Guillon d’Or 2011

Links: Unter dem Gold des Lausanne Palace hält Claude-Alain Mayor die Lobrede für den Preisträger. Mitte: Philippe Gex, der Gouverneur, überreicht die wertvolle Trophäe dem Präsidenten der EPFL. Rechts: André Fuchs, Präsident von Clos, Domaines et Châteaux, fügt die ChasselasKaraffe hinzu und eine Flasche, die 216 weitere ankündigt.

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den charismatischen Präsidenten der EPFL als ersten Preisträger auserkoren. Ganz selbstverständlich fiel die Ehre, die Festlichkeiten zu eröffnen, dem Gouverneur der Confrérie du Guillon zu, Philppe Gex. Nach der humorvollen und herzlichen Begrüssung porträtierte er mit wenigen Worten die Confrérie und den Zweck des Guillon d’Or, mit dem eine herausragende Persönlichkeit ausgezeichnet wird, die einen substantiellen Beitrag zum Wohlstand in diesem Land leistet. Der Conseiller Claude-Alain Mayor bemühte sich anschliessend, den Verdiensten des Geehrten gerecht zu werden. Der gelernte Arzt Patrick Aebischer entschied sich für eine wissenschaftliche Karriere in den Vereinigten Staaten, wo er sich auf die Erforschung der Nervensysteme spezialisierte. 1992 kehrte er in die Schweiz zurück, um die Leitung der chirurgischen Forschungsabteilung und des Gentherapiezentrums im Waadtländer Universitätsspital CHUV zu übernehmen. Seit dem Jahr 2000 präsidiert

er die ETH in Lausanne (EPFL). In dieser Zeit hat sich die Hochschule zu einer der angesehensten Lehr- und Forschungsanstalten in Europa und weltweit entwickelt. Davon zeugt heute nicht zuletzt das Rolex Learning Center mit seiner revolutionären Architektur, das Flaggschiff des Kompetenzzentrums, dass die Lausanner Hochschulen bilden. In einem Jahrzehnt ist Patrick Aebischer zu einem der eifrigsten und einflussreichsten Anwälte einer Schweiz geworden, die klar auf Bildung, Forschung und internationale Offenheit setzt. Er favorisiert eine humanistische europäische Haltung, die die Osmose von Kultur und Wissenschaft privilegiert. Unter dem begeisterten Applaus des Publikums hat der Gouverneur anschliessend den Preis überreicht, einen Kristall-Guillon mit eingraviertem Namen – er kann einer Chasselas-Karaffe aufgesetzt werden – sowie einen Gutschein für monatlich 18 Flaschen feinen Waadtländer Wein während einem Jahr. Letzterer ist die grosszügige Gabe der


Vereinigung der Clos, Domaines et Châteaux. Sichtlich gerührt, aber keineswegs um Antworten verlegen, erinnerte Patrick Aebischer in seiner Dankesrede an seine tiefe Verbundenheit mit dem Waadtland. Der Lac Léman wie auch die umliegenden Berge böten einen erstklassigen Lebensraum und die Weinberge verankerten mit den unveränderten Gesten der Winzer die Gegenwart in der Geschichte. Beim anschliessenden Aperitif waren sich die Gäste einig, dass die Confrérie keinen besseren Preisträger für die erste Auflage des Guillon d’Or hätte finden können. Sie habe nicht nur einen äusserst sympathischen Mann, sondern auch einen bekannten Wissenschaftler, begabten Unternehmer und visionären Chef ausgezeichnet. Mehr noch: einen Lebemann, der – wenn es ihm die Zeit erlaubt – auch einmal am Herd steht und durch die Rebberge im Lavaux und anderswo streift, um Tropfen ausfindig zu machen, die das lokale Können unter Beweis stellen.

Ein bewegender Moment: Patrick Aebischer mit seinem Vater Emile, genannt Yoki, Compagnon d’honneur der Confrérie du Guillon.

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Porträt eines Conseillers

Christophe Romanens Gilbert Folly, Prévôt Foto: Studio Curchod Diese Mal präsentieren wir einen Conseiller, der uns teuer ist. In jedem Sinn des Wortes! Stellen Sie sich vor: Um seine Robe zu schneidern, brauchte es mehr als eine Hektare Stoff und 250 Meter Faden. Das ist nicht gratis! Und dazu kam das Gerüst, das erstellt werden musste, damit die Schneiderin die Anproben vornehmen konnte! Immerhin misst Christophe Romanens 197 Zentimeter, und auf der Waage scheint der Zeiger mehrmals die Runde zu drehen. Warum ist er so gross? Ohne Zögern klagt unser Gulliver seine Mutter an, die eines Tages die Puderdose mit dem Backpulver verwechselt haben soll. Diese Mutter ist in Wein- und Gastronomie-Kreisen wohl bekannt, präsidiert sie doch die Vereinigung der Gourmettes. Der 1976 in Morges geborene Christophe war erst sechs Jahre alt, als seine Eltern, Daniel und Janine, ihre erste Weinhandlung in Genf eröffneten, an der Rue Blavignac, die ihr den Namen gab: Caves Blavignac. Kein Wunder, dass sich der Sohn für eine Ausbildung zum Kellermeister entschied, die er in der Cave des viticulteurs in Morges absolvierte und mit Kursen in der Fachhochschule Changins vervollständigte. Mit dem Diplom als Kellermeister und Önologe in der Tasche trat er als 20-jähriger ins Familienunternehmen ein, dem er seit 2002 als Direktor vorsteht. Zuvor hatte er aber noch zusammen mit seiner Freundin Anne-Laure sechs Monate in Australien verbracht, um die Sprache zu lernen. Anne-Laure heiratete er zwei Jahre später und inzwischen ist die Familie mit Léa und Maxime vierköpfig geworden. AnneLaure arbeitet heute mit ihrem Mann im Geschäft und übernimmt die administrativen

Aufgaben. Erfolgreich, eröffnete man doch im 2009 die zehnte Weinhandlung. Gegenwärtig gibt es elf Verkaufspunkte, die den Namen Caves Blavignac führen. Diese intensive berufliche Tätigkeit lässt trotzdem etwas Freizeit. Im Winter trifft man die Romanens auf den Pisten, im Sommer auf ihrem Segelschiff mit dem Namen Christal. Eng verbunden mit der Landwirtschaft zögert Christophe Romanens nie, seinen Freunden bei der Ernte unter die Arme zu greifen. Ebenso beteiligt er sich an der Weinlese bei seinen Schwiegereltern. Aus dem Gesagten kann man schliessen: Unser Gulliver hat ein ausgesprochen grosses Herz!

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Cotterd de Berne

Die bernischen Quatre Heures Claude-Alain Mayor, Tabellion Fotos: Studio Curchod Ihre Exzellenzen hatten einen guten Gesch­ mack! Sie, die vom Waadtland und seinen freundlichen Landschaften, von seinem milden Klima, von der Grosszügigkeit seiner Erde und dem Überfluss seiner Rebberge schwärmten. Einige Jahrhunderte später verfallen ihre Nachkommen im Cotterd von Bern nach wie vor dieser Schwärmerei, wenn auch auf weniger eroberungslustige Art. In ihnen lebt aber die gleiche Begeisterung und unvergängliche Neigung für die Produkte aus unseren Weinbauregionen. So finden wir sie Jahr für Jahr wieder, wenn sie gewissenhaft der Einladung der Confrérie du Guillon zu den Quatre Heures du Vigneron folgen und mit dem Glas in der Hand die Chasselas-Bastionen und die Pinot Noir-Zitadellen heimsuchen. Wenn Bern nicht mehr ausdrücklich sein Auge auf den Kanton Waadt geworfen hat, so bestehen innerhalb des Guillon immer noch Ausdehnungsgelüste, denn der Cotterd von Bern hat einerseits den Kanton Solothurn einverleibt, andererseits nimmt er auch regelmässig

vom benachbarten Cotterd von Freiburg ein paar Überläufer aus dem Sensebezirk auf. Wenn sie sich nicht gerade in ihrem früheren Waadtländer Untertanenland aufhalten, verfallen unsere Berner Freunde dem köstlichen Charme des Mittellands oder des Emmentals. Der «Sternen» in Grosshöchstetten, der «Bären» in Ersigen oder in Utzenstorf, oder auch das «Schützenhaus» in Münchenbuchsee sind einige der behäbigen Gasthöfe, in denen sie am Ende des Winters den traditionellen Guillonneur feiern. Sie treffen sich zudem am Zibelemärit, am dritten Montag im November, im «Reismusketenkeller» in Bern, für einen Aperitif mit Käse- oder Zwiebelkuchen. Am Samstag den 27. August 2011 haben sich rund dreissig Compagnons und ihre Freunde, angeführt von ihrem Préfet Hansueli Haldimann, auf den schönen Terrassen von Begnins an der Côte getroffen, um die feinen Tropfen zu kosten, die rund ein Dutzend Produzenten liebevoll hergestellt und dann in ihren Kellern, an Ständen und in Lokalen angeboten haben. Die Quatre Heures sind in der Tat das bevorzugte Treffen der treuen Cotterd-Mitglieder. Mehr als auf Schloss Chillon, wo sie natürlich den gediegenen Rahmen und die gastronomischen Höhenflüge schätzen, aber wo die nicht enden wollenden Reden in der Sprache von Der Umzug der Préfets: (von links) Pascal Forer (ZH), Hansueli Haldimann (BE), Nicolas Pétremand (JU) und Ivo Corvini (BS).

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Die Köche am Werkplatz.

Unter der Gartenlaube des Satyre: (von links) Andreas Eng, Compagnon majoral, David Accola, Hansueli Haldimann, Préfet, und Ronald Trachsler. Molière manchmal ihre Geduld arg strapazieren, fühlen sie sich hier im direkten Kontakt mit Land und Leuten wohl. Der Wein, das ist ihnen sehr wohl bewusst, enthüllt seine ganze Dimension erst dort, wo er von den Produzenten ausgeschenkt und kommentiert wird. An der Côte haben unsere früheren Herren zudem keineswegs das Gefühl, fremd zu sein, denn berühmte Berner Bürger, die de Mestral in Aubonne und die von Erlach in Tartegnin, besitzen nach wie vor prächtige Weingüter. Und ganz anders als im «Männerchor de Steffisburg» von Gilles gibt es an den Quatre Heures du Vigneron kein Risiko, «zuviel Neuenburger» zu trinken!

Die Ausgabe 2012 der Quatre Heures wird in Bourg-en-Lavaux stattfinden. Wetten wir, dass auch dann die fröhliche Truppe des Cotterd von Bern wieder zahlreich dabei sein wird – selbst wenn aus unerfindlichen Gründen der Anlass im «Major Davel» in Cully stattfinden sollte!

Hans Stauffer (links) wartet, während David Accola bereits sein Glas hinhält.

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Horizonte

Claude Imbert, ein grosser Journalist Gilbert Folly, Prévôt Foto: Studio Curchod Mit der Karriere von Claude Imbert umfasst man mehr als ein halbes Jahrhundert Journalismus: von den Anfängen in der Agence France-Presse über die Direktion von L’Express bis zur Gründung von Le Point. Geboren wurde Claude Imbert 1929 in einem kleinen Dorf im Aveyron, wo er seine Kindheit verbrachte. In seiner Jugendzeit besuchte er das Lycée Henri-IV in Paris und einige Jahre später hatte er ein Philosophie- und Ethnografie-Diplom in der Tasche. Mit zwanzig Jahren wurde er von der Agence France-Presse (AFP) angestellt. Er wünschte sich eine Versetzung ins Ausland und wurde schliesslich eingeladen, nach Afrika zu fahren. Da verfasste er grosse Reportagen und erwarb sich den Ruf eines Spezialisten für die Dritte Welt. Im 1959, zurück in Paris, deckte er den Algerienkrieg an der Seite des FLN ab, eine zweifellos harte Bewährungsprobe. Mit 29 Jahren wurde er Chefredaktor der AFP und nur drei Jahre später Direktor des politischen Dienstes. Mit 35 Jahren wechselte er zur Zeitschrift L’Express und wurde zuerst politischer Chefredaktor, dann Chefredaktor für die gesamte Ausgabe. Nach einem kurzen Abstecher zur Paris Match gründete er mit einigen Freunden die Zeitschrift Le Point, wo er Verwaltungsrat, Generaldirektor und Direktor der Redaktion war. Im Jahr 2000 gab er sein Amt ab und wurde Gründer-Leitartikelschreiber. Noch heute verfasst er jede Woche einen Leitartikel für Le Point, der zum Überlegen anregt, Pisten

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für die Zukunft aufzeichnet und die Aktualität breit analysiert. Das die Zusammenfassung einer reichhaltigen Karriere, die es Claude Imbert erlaubte, alle wichtigen Persönlichkeiten dieser Welt persönlich zu treffen. Sicher gäbe es noch einiges zu sagen, aber Claude Imbert, der uns ins seinem schönen Haus in Perroy empfangen hat, lenkte das Gespräch in privatere Gefilde. In dem Haus mit seinem eigenen Charme ist der Geist von Alix Imbert-Koechlin omnipräsent, die 2006 gestorben ist, nach fünfzig Jahren Zusammenleben mit dem Mann, den sie in Brazzaville kennengelernt hatte. Er lebte dort und deckte für die AFP die Aktualität auf dem brodelnden Kontinent ab. Geheiratet haben sie im ehemaligen Belgischen Kongo, wobei ihm der Generalkonsul Frankreichs als Trauzeuge beistand, ihr der Schweizer Generalkonsul. Frau Imbert, die Tochter einer alteingesessenen Basler Familie, blieb mit der Stadt am Rhein sehr verbunden, mit ihrer Kultur und insbesondere auch mit der Basler Fasnacht, an der sie gerne teilnahm. Es gefiel ihr aber auch im schönen Haus am Genfersee, wo Claude Imbert bis heute den Sommer verbringt, während dem er dem Pariser Wohnsitz den Rücken kehrt. Neben dem Wohnhaus steht auf dem Gelände eine Scheune, die umgebaut und sowohl als Konzertsaal (Claude Imbert selbst ist ein ausgezeichneter Geiger) wie auch als Theater dient, in dem Amateurtruppen auftreten. Lustig ist: Seit sieben Jahren


wird das Theater von den Ehemaligen der Ecole Normale Supérieure in Paris genutzt, zu denen als Amateur-Schauspieler auch Christophe Barbier gehört, der Direktor von L’Express! Das Publikum? Freundinnen und Freunde, berühmte und andere, und natürlich die Bewohner von Perroy. Als Genussmensch ist Claude Imbert Mitglied des Club des Cents, einem gastronomischen Verein in Paris, in dem sich Literaten, Politiker und Künstler treffen. Er liebt gute Weine,

ist mit unseren Winzern befreundet, und in seinem gut geordneten Weinkeller findet man nicht nur grosse französische Crus, sondern auch ausgezeichnete Waadtländer Weine. So erstaunt es nicht, dass Claude Imbert, nachdem er die Auszeichnungen der Ehrenlegion, des französischen Verdienstordens sowie des Ordens für Kunst und Literatur entgegengenommen hat, von unserem Gouverneur als Compagnon d’honneur der Confrérie du Guillon inthronisiert wurde.

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Die Kolumne von Michel Logoz

Zwischen oben und unten und unten und oben Sobald mehr als einer da ist, beginnen die Probleme, sagte schon Kain, als er von Abel sprach… Mit 7586 Millionen Hektaren Weinbergen auf fünf Kontinenten wird der Kampf weltweit geführt. Denn alle ihre Bewirtschafter verfolgen die gleiche satanische Idee: Sie wollen einen Mini- oder Maxianteil am universellen Konsum erobern. Die Weinsorten messen sich mit den Wein-Herkunftsbezeichnungen, die Weine aus Europa mit jenen aus der Neuen Welt, die Markenweine fordern die Bodenweine heraus. Das führt zu einem Gefühl von Durcheinander, einem Verlust von Bezugspunkten, und traditionelle Werte werden in Frage gestellt. Eine logische Vision würde einerseits die ehrenhafte und alteingesessene Familie zeigen, ihre noble Herkunft und ihre Lohnarbeiter, die sich auf einen historischen Weinberg berufen kann, die geografischen Beschaffenheiten wie auch die Ursprungsbezeichnungen. Und auf der andern Seite fänden sich die Weinmagnaten, die Kolosse des Weinbusiness, die sich auf eine standardisierte Produktion abstützen. Ein täuschendes Bild von einer ganz anderen Krämerrealität! Die klassische Pyramide der «Premier Cru», AOC Village, «Gattungs»-AOC, VDQS (vins de qualité supérieure) und Tischweine ersetzt man heute durch eine neue Hierarchie, die sich auf die Marktanteile in Volumen und die Durchschnittspreise jeder Kategorie bezieht. An der Spitze die Weine für mehr als 50 $ (ICON – 1% des Marktes), gefolgt von jenen für 14 bis 49,9 $ (ULTRA PREMIUM – 5%), von jenen zwischen 8 und 13,9 $ (SUPER PREMIUM – 10%), den Weinen für 5 bis 7,9 $ (PREMIUM – 34%) und schliesslich der untersten Kategorie für weniger als 5 $ (BASIC – 50%). Diese Annährung, die sich auf das Gesetz von Angebot und Nachfrage stützt, stellt die bisherige Ordnung auf den Kopf. Fehlt noch, der Vollständigkeit halber, eine Karte mit der quantifizierten Geschmacksentwicklung in aller Welt, mit den bevorzugten Tendenzen für den Weintyp und –stil. Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

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