Le Guillon Nr.58 - DE

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ZEITSCHRIFT DES WAADTLÄNDER WEINS

REVUELEGUILLON.CH

Nr. 58 2021/1

WITH ENGLISH SUMMARY



Editorial

Annus horribilis?

Talent der Winzer und den Umgang mit der Waadtländer Scholle zu richten. Da sind etwa die einfallsreichen Produzenten, die zwar ihrer Berufung treu bleiben, aber ihr Angebot erweitern, etwa indem sie Wermut oder Cidre-ähnliche Getränke anbieten, die mit einheimischen Trauben hergestellt werden. Oder die Eigentümer und Winzer, die weinbauliche Aktivitäten und Denkmalschutz – nach dem Vorbild von Clos, Domaines & Châteaux – unter einen Hut bringen. Und um definitiv zu widerlegen, dass das Jahr 2020 nicht einfach nur horribilis war, führen wir uns die Analyse von JeanClaude Vaucher zu Gemüt, des Gouver-

neurs der Confrérie du Guillon. Die Weine mit Jahrgang 2020 sind grosse Klasse. Die Chasselas könnten qualitativ sehr wohl ihre bereits legendären Vorfahren der Jahre 2017, 2018 und 2019 übertreffen.

REVUE LE GUILLON.CH © Hans-Peter Siffert

Die lateinische Beschreibung des Jahres 1992 durch Königin Elisabeth II. wurde im Netz rasch und gerne verwendet, um das Jahr 2020 zu bewerten und damit auch gleich die ersten Monate im 2021. Die Formel ist nicht überstrapaziert. Es erübrigt sich, hier die einschränkenden Massnahmen aufzulisten, die der Bevölkerung, den Geschäften, dem Gastgewerbe, der Kultur, der Unterhaltungsbranche… kurz: der ganzen Gesellschaft durch die Pandemie auferlegt wurden. Die Zeitschrift, die Sie in den Händen halten, spricht Corona nur sehr diskret an. Sie zieht es vor, die Scheinwerfer auf das

© Céline Michel

Pascal Besnard Verantwortlicher Redakteur



Inhalt

Titelbild: Régis Colombo

1 Editorial 5 Pinot & Co.: omnipräsente Burgunder 16 Von Medaillen, Titeln und Kronen 23 OSMV: Ein strategisches Instrument für die Waadtländer Weine 27 Clos, Domaines & Châteaux: Geschicktes Spiel mit Emotionen 36 50 Apéro-Nuancen 43 Terroirprodukte: Der Waadtländer Tomme − geschmeidig und vielseitig

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43 Confrérie du Guillon 53 Botschaft des Gouverneurs 54 Die süsse Erinnerung an die Inthronisationen 63 Es tut sich etwas im Petit-Conseil… 66 Guillon-Lexikon

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70 Livre d'Or: Vom Waadtländer Wein inspirierte Perlen und Schmuckstücke 79 Hommage an Jean-Louis Simon 80 Die Kolumne von Michel Logoz

Le Guillon 58_2021/1  3


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vin biologique certifié


Rebsorten

Text: Alexandre Truffer

Es gibt zwei grosse Rebsorten: den Chasselas und den Pinot Noir.

© Philippe Dutoit

Philippe Gex, Domaine de la Pierre Latine, Yvorne

Pinot & Co.: omnipräsente Burgunder

Im vierten Teil unserer Serie rund um die Rebsorten, welche im Kanton Waadt ein günstiges Asyl gefunden haben, widmen wir uns einigen Mitgliedern der aristokratischsten aller Rebsortenfamilien. Der aus dem Burgund stammende Pinot Noir alias Blauburgunder ist die wichtigste Sorte der Schweiz (mit 3875 Hektar, davon 480 in der Waadt). Die anspruchsvolle Rotweinsorte hat mittels natürlicher Mutation und Kreuzung zahlreiche Varietäten hervorgebracht, von denen wir die bekanntesten in diesem Dossier vorstellen. Philippe Gex, der ehemalige Gouverneur der Confrérie du Guillon, bezeichnet sich als absoluten Pinot-Noir-Fanatiker. «Es gibt zwei grosse Rebsorten: den Chasselas und den Pinot Noir. Sie ergeben Weine für Intellektuelle. Ich liebe Bordeauxweine, aber wer einen grossen Rotwein sucht, muss ins Burgund fahren.» Das ist es, was er nach Abschluss von Changins gemacht hat. «Das Diplom in der Tasche, habe ich mit Michel Cruchon drei Tage lang die Kellereien abgeklappert.» Als er das Familienweingut übernahm, erwarb der Produzent aus dem Chablais eine 15  000 Quadratmeter grosse Rebparzelle, die er mit Pinot Noir bepflanzte. Zwanzig Jahre später kommerzialisiert er zusammen mit dem Önologen Bernard Cavé den Pinotissima Mythologie. «In der Waadt ist der Pinot Noir keine sehr prestigereiche Sorte. Noch heute zahlen wir den Preis für die schwa-

che Qualität der Rotweine in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die 2004 lancierte Weinlinie Mythologie wollte zeigen, dass man mit kleinen Erträgen (350 Gramm pro Quadratmeter) grosse Weine zu einem anständigen Preis (40 Franken die Flasche) produzieren kann.» Die 1500  Flaschen dieses eineinhalb Jahre lang in Barriques ausgebauten Rotweins, reserviert für Privatkunden und einige prestigereiche Hotels, gedulden sich einige Jahre in der Flasche, bevor sie auf den Markt kommen (gegenwärtig werden auf dem Gut die Jahrgänge 2012 und 2015 angeboten). «Wir haben uns entschlossen, diesen Wein nur abzufüllen, wenn die Qualität des Jahrgangs es zulässt. Man braucht also nicht nach 2014er, 2016er oder 2019er zu fragen, denn die Bedingungen stimmten in diesen Jahren nicht», fährt der Winzer aus Yvorne fort. Trotz seiner Liebe für diese hochelegante Sorte, gesteht

Philippe Gex, dass die Zukunftshoffnungen hochstehender Waadtländer Weine auch auf dem Merlot ruhen. «Diese Rebsorte, ebenfalls Teil der Weinlinie Mythologie, hat sofort ihren Platz gefunden, während die Abneigung gegenüber dem Waadtländer Pinot Noir eher stärker wird. Das Problem ist das Image, das wir geerbt haben, aber auch die (zu) helle Weinfarbe, die Eleganz der Sorte, die von ausdrucksvolleren und leichter zu erkennenden Varietäten übertönt wird, oder die Gefahr der exzessiven Reife, der man begegnen muss.» Eine pragmatische Feststellung, die das Gut dazu drängen wird, die Flächen der Burgunder Varietät zu reduzieren. «Wir haben zwei Hektar Pinot Noir in Yvorne, doch wenn Parzellen neu bestockt werden müssen, wähle ich in der Regel andere Varietäten. Langfristig werden wir wohl nur einen Hektar dieser grossen Rebsorte bewahren.» Le Guillon 58_2021/1  5


© Bertrand Rey

Die Verbindung, die wir zwischen Rebberg und Keller knüpfen, erlaubt es uns, einen fruchtbetonten, möglichst feinen Wein auf den Markt zu bringen.  Olivier Robert, Önologe und Direktor der Cave de Bonvillars

Pinots & Co: Ubiquitous Burgundy Originating in Burgundy, the Pinot Noir is also the leading grape variety in the Swiss vineyards, covering 3,875 hectares of which 480 in the Vaud region. Through crossings and natural mutation, this demanding red grape has given rise to many varieties.

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Der «Vin des Croisés» will den Markt erobern Anfangs der 1950er-Jahre lancierte die Cave des Viticulteurs de Bonvillars zwei Marken, die bis heute symbolträchtig geblieben sind: den Chasselas L’Arquebuse und den Vin des Croisés. Letzterer, ein im Tank ausgebauter reinsortiger Pinot Noir, wird in beneidenswert grosser Menge und zu einem sehr vernünftigen Preis auf den Markt gebracht. Selbstverständlich ist er nur die wichtigste der verschiedenen Pinot-Noir-Deklinationen der Kooperative aus dem Nord Vaudois. «Wir kultivieren 28 Hektar Pinot», erklärt Olivier

Philippe Gex, a former governor of the Conférie du Guillon, considers himself an absolute Pinot Noir fanatic. “There are two great varieties: Chasselas and Pinot Noir. They produce intellectual wines. I like Bordeaux wines, but if you’re looking for a great red, you need to go to Burgundy.” When he took over the family estate, this Chablais winemaker acquired 15,000 square metres of vineyards which he planted with Pinot Noir. Some 20 years later, partnered by his oenologist Bernard Cavé, he put Pinotissima Mythologie on the market. “The Mythologie line,


Rebsorten

Der Pinot, der von vier auf zehn Hektar anwachsen wird, soll vor allem in Champagne gepflanzt werden.

© Bertrand Rey

Clémence und Maxime Sother, Domaine du Manoir, Valeyres-sous-Rances

Robert. «Neben dem Vin des Croisés wird er auch zu einem barriquegereiften Wein, einem Blanc de noir und einem Œil-de-Perdrix gekeltert. Und ist Teil verschiedener Assemblagen, in denen er immer den kleineren Anteil innehat.» Für den Önologen und Direktor der Cave de Bonvillars war der Vin des Croisés nicht nur stets das Admiralsschiff des Unternehmens, sondern ist auch ein sicherer Wert im Waadtländer Weinbau geblieben. «Meine Kollegin, die Önologin Alexia Henny, und ich konnten alte Jahrgänge degustieren, die in kleinen Mengen in unseren Archiven liegen. Selbst zu Zeiten, als die Kooperative in un-

launched in 2004, aimed to demonstrate that even with small yields of 350 grammes per square metre it was possible to make great wines and sell them at a true price of 40 francs a bottle.” The 1,500 bottles of this red, aged in barrels and reserved for private clients and some prestigious hotels, rests several seasons in bottles before being put on the market. The estate is currently marketing its 2012 and 2015 vintages. “We have chosen to bottle the wine only when we consider the vintage quality satisfactory. So there is no point in requesting 2014, 2016 or 2019,

ruhigen Gewässern unterwegs war, bewahrte der Wein perfekt seinen Rang.» Heute ist der Vin des Croisés, der jedes Jahr das Label Terravin trägt, Objekt aufmerksamer Sorgfalt. «Er ist unglaublich wichtig für uns», gesteht Olivier Robert und präzisiert, die Arbeit beginne im Rebberg. «Die mit kleinbeerigen Pinot-Klonen bestockten Parzellen werden relativ früh gelesen, um die Frische und Reintönigkeit der Frucht zu bewahren. Parzellen mit produktiveren Klonen werden später gelesen, die Trauben so vinifiziert, dass Dichte und Struktur begünstigt werden. Im Keller arbeiten wir so sanft wie möglich, um eine zu starke Extraktion der Tannine zu vermeiden. Die Verbindung, die wir zwischen Rebberg und Keller knüpfen, erlaubt es uns, einen fruchtbetonten, möglichst feinen Wein auf den Markt zu bringen, der die ganze Typizität des Pinots besitzt.» Dieser Wein wird auch von Privatkunden geschätzt, ist vor allem aber in der Hotellerie und Gastronomie verbreitet. «Sehr präsent sind wir in der Dreiseenregion, im Jura und in Freiburg. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre ist sehr positiv. Wir werden übrigens unsere Verkaufsaktionen intensivieren, um den Vin des Croisés (wieder) bekannter zu machen.» Wenn man Olivier Robert fragt, ob man nie überlegt habe, den Weinnamen zu ändern – er ist 2021 deutlich

weniger in Mode als noch 1950 –, zögert er keinen Moment mit der Antwort: «Im Gegenteil, wir wollen die Marke stärken und Weine anderer Farben kreieren, die nicht unbedingt aus Pinot Noir gekeltert sind.»

because the required conditions were not met”.

by the cooperative. Olivier Robert, the oenologist and director of the Cave de Bonvillars, explains: “We cultivate 28 hectares of Pinot. We use it to make not only the Vin des Croisés, but also a wine aged in wooden barrels, a Blanc de Noir, and an Oeil de Perdrix. It is also used in several blends, but only as a minority component”. The Vin des Croisés has always been the company’s flagship product as well as being a valuable and lasting asset of the Vaud viticultural landscape. It is tended with particular care and obtains the Terravin label every year. Although much appreciated

The Vin des Croisés (Crusaders’ wine) out to conquer market share At the beginning of the 1950s, the Cave des Viticulteurs in Bonvillars launched two brands which are still their flagship products today: the L’Arquebuse Chasselas and the Vin des Croisés. The ‘Crusaders’ wine, a pure Pinot Noir matured in vats, is produced in enviable quantities and sold at reasonable prices. It is not the most important Pinot Noir variant produced

Ein perfektes Pinot-Noir-Terroir auf der Domaine du Manoir Clémence und Maxime Sother sind mit dem Kauf von vierzig Hektar Reben innerhalb von zwei Jahren mit einer gewissen Diskretion in den engen Kreis der grossen Rebbesitzer des Kantons Waadt eingetreten. Mit der Unterstützung von Maximes Vater, einem «Weinpassionierten, der Erfolg in der Telekommunikationsbranche hatte und ein Weingut kaufen wollte», konnten sie 2019 die Domaine du Manoir in Valeyres-sous-Rances übernehmen. Dieses besteht aus einem historischen Gebäude, einer einstigen Abtei – die später illustre Besitzer hatte, etwa die Comtesse Valérie de Gasparin, Gründerin der Ecole de La Source in Lausanne, oder den Staatsrat Alfred Oulevay – sowie 50 Hektar Ackerland und 24 Hektar Reben. Verteilt zwischen Bonvillars (8 ha) und den Côtes de l’Orbe, sind diese Parzellen vor allem mit roten Sorten bestockt. Der Gamay dominiert zwar deutlich, aber der Pinot Noir bedeckt doch immerhin fünf Hektar. «Im Moment werden diese Trauben vom Haus Obrist vinifiziert, das sie in seinen

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2019


Rebsorten

«Der Gamay, der heute 70% des Guts einnimmt, wird Merlot und Pinot Platz machen müssen. Der Pinot, der von vier auf zehn Hektar anwachsen wird, soll vor allem in Champagne gepflanzt werden», präzisiert das Paar, das seine Weine mit einem brandneuen visuellen Auftritt bald in Perroy ausschenken will. Das Château de Malessert soll nämlich in ein hochklassiges Hotel-Restaurant verwandelt werden. Im Schlosskeller sollen dannzumal die eigenen Weissweine und die Roten der Domaine du Manoir vinifiziert werden. Chardonnay, der eroberungslustige Weisse Der Chardonnay, die weisse Hauptsorte im Burgund, wo für den Aperitif Aligoté bevorzugt wird, und in der Champagne, wo auch Arbane, Petit Meslier, Pinot Gris und Pinot Blanc autorisiert sind, hat sich ausserhalb seiner historischen Herkunftsregion ausnehmend gut angepasst. Diese natürliche Kreuzung zwischen Pinot noir und weissem Gwäss hat mehr als 200 000 Hektar auf fünf

Kontinenten kolonisiert. In der Schweiz nach Chasselas und Riesling Sylvaner an dritter Stelle der weissen Sorten, fühlt sich der Chardonnay in allen helvetischen Regionen wohl. In der Waadt hat sich seine Anbaufläche innerhalb von 25 Jahren verdoppelt, von 22 Hektar im Jahr 1994 auf heute 44 Hektar. Bei den Frères Dutruy, Schweizer Kellerei des Jahres 2017, ist der Chardonnay einer der Marksteine des Generationenwechsels. «Mein Vater war nicht begeistert von der Idee, Chardonnay in Founex anzupflanzen», erzählt Julien Dutruy. Für den Önologen, der einen Teil seiner Ausbildung im Burgund absolviert hat, ist das allerdings eine Varietät, die «mächtige, komplexe Gastronomieweine ergibt, veredelt durch einen Ausbau im Holz». Einen guten Chardonnay in der Côte zu produzieren «bedingt, dass man schon in den Reben am Säurepotential des Weins arbeitet. Wir haben uns für limitiertes Entlauben entscheiden – um die Trauben vor direkter Besonnung zu schützen, was die Säure zerstören würde – und relativ früh zu lesen.

© Bertrand Rey

Assemblagen verwendet oder als Œil-dePerdrix aus Bonvillars vinifiziert», präzisiert Clémence Sother, die zurzeit eine Ausbildung zur Sommelière mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis in Changins absolviert. Die Familie Sother hat aber andere Pläne für ihre Güter (das zweite ist das Château de Malessert, 2020 nach jahrelangen juristischen Querelen erworben). «Malessert, eine der schönsten Chasselas-Domänen der Schweiz, und die Domaine du Manoir ergänzen sich perfekt. Nicht nur, weil die erste ausschliesslich mit weissen und die zweite mit roten Sorten bestockt ist, sondern auch, weil der unterschiedliche Reifezeitpunkt zwischen La Côte und Nord Vaudois es uns ermöglicht, die Rebarbeiten versetzt zu leisten», meint Maxime Sother, zuerst in Marcelin und dann in Changins ausgebildet. «Die Domaine du Manoir ist nicht so bekannt wie das Château de Malessert, hat aber das Potential, dasselbe Qualitätsniveau zu erreichen.» Den Sortensatz anzupassen gehört zu den möglichen Strategien, um die Côtes de l’Orbe ins richtige Licht zu rücken.

Einen guten Chardonnay in der Côte zu produzieren bedingt, dass man schon in den Reben am Säurepotential des Weins arbeitet.  Julien Dutruy, Les Frères Dutruy, Founex 9


Patrick Fonjallaz, Clos de la République, Epesses

by private individuals, it is mostly distributed to hotels and restaurants. “Over the last ten years, sales have advanced well. We’re now going to step up marketing activities aimed at heightening awareness and recognition of the wine.” Pinot Noir at the Domaine du Manoir By acquiring 40 hectares of vineyards over a period of two years, Clémence and Maxime Sother discreetly made their way into the very closed club of vineyard owners in the 10

Vaud canton. In 2019, with the help of Maxime’s father – a great wine enthusiast with a successful career in telecommunications and interested in acquiring a wine estate – they took over the Domaine du Manoir, in Valeyressous-Rances. The estate comprises a historic building, originally an abbey, and has belonged to a number of illustrious personages including the countess Valérie de Gasparin, who founded Ecole de La Source in Lausanne, and the state councillor Alfred Oulevay. There are 50 hectares of agricultural

© Philippe Dutoit

© Philippe Dutoit

Dieser Wein, auf Burgunder Art vinifiziert, also mittels alkoholischer Gärung in Barriques, hat grossen Erfolg.

Aus Chardonnay kann man reichhaltige, gewichtige Weine vinifizieren oder finessenreiche, elegante Crus, die trotzdem ausladend und grosszügig sind.» Julien Dutruy verbirgt nicht, dass er die zweite Kategorie bevorzugt: «Bei Weinen, die im Holz ausgebaut werden, stützt und verlängert eine markante, aber gut gemeisterte Säure das Finale.» Seit 2015 zertifiziert biologisch arbeitend, vinifiziert das Gut seine «Grandes Réserves» – die Prestigelinie, zu der auch der Chardonnay gehört – im Holz, mit eigenen Hefen und ohne önologische Zusatzmittel, mit Ausnahme von Schwefel. «Die alkoholische Gärung findet

land and 24 hectares of vineyards, extending from Bonvillars (eight hectares) to Côtes de l’Orbe, that are planted mainly to red varieties, with Gamay accounting for the vast majority and Pinot Noir, nevertheless, covering five hectares. In 2020, after several years of legal problems, the Sother family acquired Château de Malessert. Maxime Sother explains their vision for the future: “Malessert is one of the most beautiful Chasselas estates in Switzerland and it’s a perfect complement to Domaine du Manoir. That’s not


Rebsorten

Wie alle Pinots ist die Sorte anfällig auf Krankheiten und produziert recht kleine, kompakte Trauben.  Gianni Bernasconi, Chardonne

in den Barriques statt, auch der biologische Säureabbau», fährt Julien Dutruy fort. Zehn Monate lang bleibt der Spitzenwein des Guts in Barriques. Patrick Fonjallaz hat Chardonnay in Epesses angepflanzt, mit dem Ziel, ihn mit dem Pinot Noir im Schaumwein des Guts zu assemblieren. «Schlussendlich verbesserte die Allianz der beiden Sorten unseren Schaumwein nicht grundlegend. So haben wir uns entschlossen, den Chardonnay als Stillwein auszubauen», erklärt der Besitzer des Clos de la République und präzisiert: «Dieser Wein, auf Burgunder Art vinifiziert, also mittels alkoholischer Gärung in Barriques, hat grossen Erfolg. Wie alle weissen Spezialitäten übrigens!» Die insgesamt 6000  Quadratmeter Chardonnay, verteilt auf drei Gemeinden, ergeben rund 3000 Flaschen. Ein Jahr lang im Eichenholz ausgebaut, zeichnet sich dieser Wein durch eine geringe natürliche Säure aus. «Unsere Wiederverkäufer bleiben recht klassisch und ziehen unsere Chasselasweine aus den verschiedenen Appellationen vor, die Privatkundschaft hingegen wendet sich immer mehr anderen Sorten zu. Sie misstraut aber weiterhin Weinen mit ausgeprägter Säure, was die grosse Nachfrage nach dieser Spezialität von begrenzter Lebhaftigkeit erklärt», schliesst der Produzent aus dem Lavaux.

only because the Château is planted entirely to whites and the Manoir exclusively to reds, but also because La Côte and the north Vaud region have different ripening periods, which means we can stagger the vineyard work. Domaine du Manoir is not as well-known as Château de Malessert, but we believe it has the potential to achieve the same quality levels.” Chardonnay, the conqueror Chardonnay has adapted particularly well outside its historic birthplace.

Verschobenes Servagnin-Jubiläum 2020 sollte ein für zwanzig Winzerinnen und Winzer der Côte, welche Servagnin de Morges produzieren, wichtiger Geburtstag gefeiert werden. 1420 war nämlich Marie, Tochter des Herzogs von Burgund, vor der Pest nach Saint-Prex geflohen. Als Dank schenkte sie den Bewohnern der Region Stecklinge eines Pinot-Noir-Klons. Dieser, in den 1970er-Jahren vor dem Verschwinden gerettet, ist zum Aushängeschild des westlichsten Produktionsortes der grossen Waadtländer AOC geworden. Die Pandemie hat nun alle Pläne über den Haufen geworfen, das mit Anlässen reich gespickte Programm wird voraussichtlich 2021 und 2022 stattfinden.

Pinot Blanc: diskret oder elegant? In Deutschland, in Österreich und im Elsass spielt diese natürliche Mutation des Pinot Noir eine deutlich grössere Rolle als die der Spezialität in geringen Mengen, wie an den meisten anderen Orten der Welt. In der Schweiz nimmt der Pinot Blanc 114 Hektar ein, 15 davon verteilen sich auf die sechs Regionen der Waadt. Bei der Selektion der Waadtländer Weine 2020 platzierte sich der Pinot Blanc de Chardonne 2019 auf dem dritten Platz der Kategorie «andere weisse Rebsorten». Vinifiziert hat ihn ein Önologe, der aus dem Tessin stammt und die Domaine

von Alain Neyroud übernommen hat: Gianni Bernasconi. «Als ich vor 15 Jahren auf das Gut kam, gab es hier bereits Pinot Blanc. Die Reben waren nur gepachtet und wir haben sie verloren, weil sie auf Bauland wuchsen. Danach entschlossen wir uns, auf 3000 Quadratmetern erneut Pinot Blanc zu pflanzen. So wurde die Sorte zu unserer wichtigsten Spezialität», erzählt er. Gianni Bernasconi vinifiziert zwei Versionen, einmal im Tank, einmal in Barriques. Beide haben die Jury des Mondial des Pinots 2020 überzeugt, der klassische Pinot Blanc wurde mit Gold, der in Barriques gereifte

It is the principal white grape variety in Burgundy - where Aligoté is preferred for aperitif wines - and in Champagne - where the Arbanne, Petit Meslier, Pinot Gris and Pinot Blanc varietals are authorised. A natural cross between Pinot Noir and Gouais Blanc, Chardonnay covers 200,000 hectares across the five continents. The third most widely planted white in Switzerland, after Chasselas and Riesling-Silvaner, Chardonnay likes all the regions of Switzerland. In the Vaud region, its surface area has

doubled in the last 25 years, increasing from 22 hectares in 1994 to 44 hectares today. According to the oenologist Julien Dutruy (at Les Frères Dutruy in Founex, awarded Swiss Cellar 2017 title), who completed part of his training in Burgundy, it is a variety that gives “wines that are powerful, gastronomic and complex, enriched through ageing in wooden barrels.” He goes on to explain that producing a good Chardonnay in the La Côte region “means starting work on the wine’s 11


Der Pinot Blanc ist weder im Rebberg noch im Keller einfach zu handhaben. Umso grösser ist die berufliche Befriedigung, wenn einem ein schöner Pinot Blanc gelingt.

© Bertrand Rey

Benjamin Morel, Château de Valeyres, Valeyres-sous-Rances

acidity potential already in the vineyard. This variety can make rich, full-bodied wines or wines that are more refined and elegant, yet ample and generous.” Dutruy makes no mystery of his preference for wines from the latter category. The estate has been certified organic since 2015. Patrick Fonjallaz planted Chardonnay in his vineyards, in Epesses, with the intention of blending it with Pinot Noir which provides the basis for the estate’s sparkling wines. “In the end, combining the two 12

varieties didn’t fundamentally improve our sparkling wines. So, we decided to market it as a still wine.” Fonjallaz, who owns Clos de la République goes on to explain that, “this wine, vinified according to the Burgundian technique of barrel fermentation, is a great success. That’s true for all our white specialities!” The 6,000 square metres of Chardonnay, extending across three communities, produce some 3,000 bottles. After a year of oak-barrel maturation, the wine has a naturally low acidity.

mit Silber ausgezeichnet. «Wie alle Pinots ist die Sorte anfällig auf Krankheiten und produziert recht kleine, kompakte Trauben. Oft ernten wir in zwei Durchgängen, mit 15 Tagen Unterschied, das erhöht die aromatische Komplexität dieses recht neutralen Weins.» Neutral, diskret, elegant – diese Eigenschaften nennt auch Benjamin Morel. Der Winzer aus den Côtes de l’Orbe erklärt, sein Vater habe in den 1980er-Jahren Pinot Blanc gesetzt. «Damals hatten wir nur wenige Bezugspunkte für die Vinifikation und pröbelten mit verschiedenen Vinifikationstypen. Einige Jahre lang verwendeten wir die Sorte für einen Süsswein aus getrockneten Trauben, doch da die Trauben recht fragil sind, haben wir uns für eine trockene Version namens Baron Blanc entschieden. Im Rebberg empfindlich und wenig produktiv, ist er wenig ausdrucksvoll, wenn man ihn wie einen Chasselas vinifiziert. Man muss die Temperaturen bei der alkoholischen Gärung im Griff behalten und mit Hefen arbeiten, die an sein aromatisches Profil angepasst sind. Es ist eine Rebsorte, die ihren Platz hat in unserem Sortiment. Der Pinot Blanc

Pinot Blanc: discreet or elegant? In Germany, Austria and Alsace, this natural mutation of Pinot Noir plays a more important role than that of a confidential speciality, the role attributed to it in most of the world’s vineyards. In Switzerland it covers 114 hectares of which 15 are divided between six regions of the Vaud canton. At the Sélection des Vins Vaudois 2020, the Pinot Blanc de Chardonne 2019 came third in the Other White Varieties category. Its master craftsman, Gianni Bernasconi, is an


Rebsorten

ist recht üppig und besitzt Schmelz, ist also ideal für die Gastronomie, beispielsweise zu Fisch.» Die 2500 Flaschen des Château de Valeyres finden jedes Jahr ihr Publikum, doch Benjamin Morel unterstreicht: «Der Pinot Blanc ist weder im Rebberg noch im Keller einfach zu handhaben. Umso grösser ist die berufliche Befriedigung, wenn einem ein schöner Pinot Blanc gelingt.»

oenologist, originally from Tessin, who had taken over Alain Neyroud’s estate. “When I arrived at the estate 15 years ago, they already had some Pinot Blanc. But it was planted in a rented vineyard which lay in a constructible zone, so we lost it. We decided to replant it over an area of 3,000 square metres.” We produce two versions (in vats and in barrels). Both won the approval of the Mondial des Pinots 2020 juries: the classic version won gold and the wooden-barrel version, silver.

Wir merkten, dass diese Pinot-GrisTrauben auch einen sehr angenehmen trockenen Wein ergeben.  Antoine Nicolas, Domaine de Serreaux-Dessus, Begnins

© Bertrand Rey

Pinot Gris, die spürbare Süsse Eine weitere Mutation des Pinot Noir ist die grosszügige Sorte Pinot Gris (auch Grauburgunder oder Malvoisie genannt), welche opulente, ausdrucksvolle Weine ergibt und in allen Weinländern rund um die Schweiz verbreitet ist. Auf Schweizer Territorium umfasst sie 235 Hektar. Mit 38 Hektar belegt sie in der Waadt gar den dritten Platz der weissen Sorten, hinter Chasselas (2265 ha) und Chardonnay (44 ha). Auf der Domaine de Serreaux-Dessus wurde der Pinot Gris zu Ende des 20. Jahrhunderts gepflanzt, mit dem Ziel, daraus einen Süsswein zu produzieren. «Ich wollte keinen reinsortigen Süsswein», erläutert Antoine Nicolas. «Die Idee war, zwei Drittel Pinot Gris für die Honig- und Gewürzaromen mit einem Drittel Chardonnay für die Frische zu assemblieren. Doch dann merkten wird, dass diese Trauben einen sehr angenehmen trockenen Wein ergeben, der den Chardonnay bestens ergänzt, welcher seit 1980 auf der Karte unserer Spezialitäten steht.» Der Süsswein wird inzwischen nicht mehr jedes Jahr gekeltert. «Der Gesundheitszustand der Trauben muss perfekt sein», präzisiert der Önologe aus Begnins, «sonst sind die getrockneten Trauben nicht zufriedenstellend.» Der trockene Pinot Gris hat sein

The terms neutrality, discretion and elegance are often used by Benjamin Morel. This winemaker from Côtes de l’Orbe explains that his father had planted Pinot Blanc in the 1980s. “We used it for a few years to make raisin wine, but the grape is rather fragile so we opted for a dry version, Baron Blanc, which is fairly rich and ideal for use in cooking, especially fish.” The 2,500 bottles produced each year at Château de Valeyres find ready buyers, but Bernasconi underlines the fact that the growing and making of

this wine is no easy matter. So, producing a fine Pinot Blanc is extremely satisfying. Pinot Gris, a well-chosen sweetness Yet another Pinot Noir mutation, this generous grape variety produces opulent and expressive wines. It is widely planted in all the winegrowing countries bordering with Switzerland. Within the Confederation, also referred to as Grauburgunder or Malvoisie, it covers a surface area of 235 hectares. In the Vaud canton, with 38 hectares 13


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Es stört uns nicht, wenn der Pinot Gris zwei, drei Gramm Restzucker aufweist, solange er eine schöne Säure hat.  Dylan Loup, hier zusammen mit seinem Grossvater André, Les Caves du Château Montmagny

© Bertrand Rey

Publikum gefunden, wie unser Gesprächspartner betont. Er selbst bevorzugt ihn ohne jeden Restzucker, wie 2020, die Kundschaft hingegen schätzt die Jahrgänge mit einer kleinen Restsüsse ganz besonders. Auf Château de Montmagny im Waadtländer Vully ist der Pinot Gris Clair de Lune die wichtigste weisse Spezialität. «Das ist der rundeste unserer Weine. Es stört uns nicht, wenn er zwei, drei Gramm Restzucker aufweist, solange er eine schöne Säure hat», meint Dylan Loup, der das Familiengut mit fünf Hektar Reben seit drei Jahren leitet. Seit er angefangen hat, hat sich der Weinstil etwas verändert und an Lebhaftigkeit gewonnen. «Der Pinot Gris wird in zwei Durchgängen gelesen. Ein kleiner Teil unserer 8000 Qua­dratmeter wird zwei Tage vor der eigentlichen Weinlese geerntet. Diese Trauben kommen in Kühlschränke bei -10° C. 48 Stunden später werden sie mit dem Rest der Lese vermischt und zwölf Stunden mit den Häuten in der Presse eingemaischt, bevor alles miteinander gepresst wird. Dank dieser Technik gewinnen wir mehr Struktur und aromatische Komplexität.» In der Regel macht dieser Wein keinen biologischen Säureabbau durch, wie der junge Önologe aus dem Vully anfügt, um die Frische und den Schwung zu bewahren – diese grundlegende Stütze, um all die Nuancen einer Varietät auszudrücken, die vor einem guten Vierteljahrhundert von seinem Grossvater André angepflanzt wurde.

planted, it enjoys particular attention since it is the third most widely planted white variety after Chasselas (2,265 ha) and Chardonnay (44 ha). At Domaine de Serreaux-Dessus, Pinot Gris was planted at the end of the last century with a view to producing a sweet wine. Antoine Nicolas explains that it was not his intention to make a single varietal sweet wine. “The idea was to blend two-thirds of Pinot Gris, for the honey and spice aromas, with one third Chardonnay to add vivacity. We then noticed that these

grapes gave a very pleasant dry wine.” The wine found ready buyers. Nicholas admits that personally he prefers the wine without residual sugar, like the 2020 vintage, but he recognises that the vintages that retain a slight sweetness are very much appreciated by his customers. In the Vully region, the Clair de Lune Pinot Gris is the leading white speciality of Caves du Château de Montmagny. “It has more roundness than our other wines. We have no problem with two or three grammes

of residual sugar, so long as the acidity level is good”, explains Dylan Loup, a young oenologist, who has been running the five-hectare family estate for the last three years. He points out that generally this wine does not go through malolactic fermentation in order to maintain a freshness and vigour that are indispensable for expressing the many nuances of this grape variety, planted by his grandfather well over a quarter of a century ago.

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Text: Eva Zwahlen Fotos: Hans-Peter Siffert

Erfolgreiche Waadtländer Produzenten

Von Medaillen, Titeln und Kronen Zahlreiche Waadtländer Weinbetriebe haben im Jahr 2020 für Furore gesorgt. Drei von ihnen durften sich über herausragende Leistungen und Auszeichnungen freuen. Grund genug, ihnen einen Besuch abzustatten.

Einen Pinot Noir zu vinifizieren, ist wie Surfen lernen: Man fällt immer wieder auf die Schnauze, bis man endlich das Gleichgewicht raushat!  Jean-Noël Favre

Der Überflieger aus Aigle Im letzten September hob Jean-Noël Favre buchstäblich ab. Und überflügelte alle seine Mitkonkurrenten beim Mondial des Pinots. Sein Pinot Noir Combaz-Vy Grand Cru Ollon 2018 gewann eine von sechs grossen Goldmedaillen und wurde vor 1131 anderen Weinen aus 21 Ländern als bester Wein des Wettbewerbs ausgezeichnet. Eine Sensation! Winzerkollegen des Preisträgers waren kaum überrascht. Denn Favre ist keine Eintagsfliege. Sondern einer, der trotz Hang zum kreativen Chaos in den Reben akribisch genau und mit grösster Sorgfalt arbeitet. Als Vigneron-Tâcheron im Dienst des Hauses Obrist wurde er an der Fête des Vignerons 2019 sogar gekrönt. Den Boden unter den Füssen hat er durch seinen Pinot-Weltmeister-Titel nicht verloren, im Gegenteil. «Klar habe ich mich gefreut, schliesslich heisst das, dass wir gute Arbeit leisten, aber da ist immer auch ein bisschen Glück dabei», wiegelt er 16  Le Guillon 58_2021/1


Talentierte Winzer

ab, schwärmt aber von der guten Ambiance am Mondial des Pinots, dem Fachsimpeln mit Gleichgesinnten. Dass ihm der Sieg nicht in den Kopf steige, dafür sorgten schon seine Reben: «Die stellen einen, falls nötig, gleich wieder in den Senkel», meint er augenzwinkernd. Vor allem wenn sie an derart steilen Hängen gedeihen, gestützt von Steinmauern, die viel Unterhalt verlangen. Gewachsen ist der Siegerwein in Ollon, auf den Gipsböden der Coteaux de Verschiez, in einem heissen, trockenen Mikroklima, «wo man stets damit rechnen muss, einer Viper zu begegnen». Die dreissigjährigen Pinotstöcke ergeben hier einen Ertrag von 600 Gramm. Die Trauben, mit 100° Oechsle gelesen, werden nur teilweise entrappt und «en grain rond» vinifiziert, mit vorgängiger Kaltmazeration. Ausgebaut wird der edle Tropfen dann zwölf Monate lang in zur Hälfte neuen Barriques. Ein Drittel seines Einkommens verdient Jean-Noël Favre als Vigneron-Tâcheron,

ein weiteres als Traubenlieferant ans Haus Badoux und die Kooperativen von Aigle und Ollon, den Rest als hochdekorierter Selbstkelterer. «Ich kultiviere alle Reben gleich sorgfältig, na ja, die fremden vielleicht noch ein bisschen sorgfältiger», meint er, öffnet eine weitere Flasche und erzählt von seinen Passionen: Caravaggio, Musik, Literatur, Natur. Endlich haben wir den gekrönten Wein im Glas, dicht, kraftvoll, würzig, von tiefgründiger Eleganz. «Einen Pinot Noir zu vinifizieren, ist wie Surfen lernen: Man fällt immer wieder auf die Schnauze, bis man endlich das Gleichgewicht raushat!», lacht Favre, um anzufügen: «Eigentlich mag ich den Gamay lieber, er ist erfrischender…»

Bei der letzten Fête des Vignerons gekrönt, triumphierte Jean-Noël Favre von der Domaine des Afforêts in Ollon beim Mondial des Pinots mit seinem Grand Cru Combaz-Vy 2018.

Die künftige Kellerei des Jahres? Von aussen sieht die Union Vinicole de Cully aus, wie kleinere, 1937 gegründete Kooperativen eben gemeinhin so aussehen. Doch man sollte sich vom Schein nicht täuschen lassen, es sind die inneren Werte, die 17


1er Grand Cru Millésimes d’exception Chasselas vieillis dans les caves historiques du Château de Châtagneréaz

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Einer unserer Winzer hat gefragt, wieso wir nur mit Weissweinen Medaillen gewinnen. Wir haben geantwortet: Wir machen, was wir können, aber halt mit den Trauben, die wir bekommen... Martin Morgenthaler und Fabien Bernau, Union viticole de Cully

zählen. Kaum über die Schwelle getreten, findet man sich rechterhand in einem trendigen, loftartigen Degustationsraum wieder, der für Anlässe gemietet werden kann und in dem selbst hippe Städter gerne chillen… Hier ist der Geist spürbar, der durch die angejahrten Räume weht. Es ist ein weltoffener, unternehmungslustiger Geist, der nach Höherem strebt. «Wir punkten vor allem mit unseren Weissweinen», gesteht Martin Morgentha-

ler, der den Betrieb seit zwanzig Jahren leitet. «Fabien Bernau, unser Önologe, ist ein grosser Könner, mit viel Fingerspitzengefühl für den sensiblen Chasselas und seine Finessen.» Der Angesprochene schätzt es, nach Herzenslust pröbeln zu können, immerhin führt die Kooperative etliche ChasselasVersionen im Sortiment, selbst einen Süsswein aus getrockneten Trauben. Gross herausgekommen ist im letzten Jahr der Bouton d’Or 2019, der beim Grand Prix du Vin Suisse als allerbester Chasselas der Schweiz brillierte. «Was uns durchaus überrascht hat», wie die beiden betonen. Sie

hätten eher den mineralischen, wunderbar ausgewogenen Epesses Le Replan 2019 auf dem Podest erwartet, den meistprämierten Wein des Hauses, und nicht den im Betontank ausgebauten, schmeichelnden Bouton d’Or mit seinem Hauch Restsüsse, der die gestrengen Juroren aber offensichtlich zu bezirzen wusste. Auch beim Mondial du Chasselas räumte die Union Vinicole de Cully ab und heimste nicht weniger als fünf Goldmedaillen ein. Doch wer hier nur Chasselas erwartet, wird aufs angenehmste enttäuscht. In Cully finden auch Fans von Loireweinen ihr

Medals, Titles and Crowns Last September, Jean-Noël Favre, a winemaker from Aigle, outstripped all the competitors at Mondial des Pinots organised by VINEA, in Sierre. His Grand Cru d’Ollon Combaz-Vy 2018 was awarded one of the six grand gold medals and was selected the best wine from among the 1,132 contestants, from 21 countries. Jean-Noël Favre is no novice, and despite what might look like creative chaos in his vineyards, he is known for his thorough and precise

workmanship. He was crowned at the 2019 Fête des Vignerons for the excellence of his work at Obrist. And even the title of World Champion Pinot Noir producer did not go to his head: “Of course I was happy because it means that we’re doing a good job, but it’s also a question of luck.” The grapes of the winning wine were grown in the Ollon wine-producing district, in a warm and dry microclimate, in the gypsiferous soil of Coteau de Verschiez, “where you

can sometimes see an adder.” Jean-Noël Favre earns a third of his income as a wine-grower, another third delivering grapes to the Badoux winery and also to the Aigle and Ollon Cooperatives, and the rest as a regularly award-winning winemaker. “Making a Pinot Noir, it’s like learning to surf: you keep falling until you find the right balance.” And he then adds, “In fact, I prefer Gamay, it’s more refreshing.” 19


Glück: mit dem raren Chenin blanc, der sich im Jahrgang 2019 von seiner besten Seite zeigt, kraftvoll, mit saftiger Säure und vielschichtiger Aromatik. Auch bei den Rotweinen ist das Sortiment mit Mondeuse, Plant Robert oder diversen Assemblagen reich bestückt, «aber bei den Rotweinen haben wir eindeutig noch Luft nach oben», wie Martin Morgenthaler selbstkritisch einräumt. «Wir arbeiten daran!», unterstreicht Fabien Berneau energisch. Die beiden schauen sich komplizenhaft an. «Einer unserer Winzer hat gefragt, wieso wir nur mit Weissweinen Medaillen gewinnen. Wir haben geantwortet: Wir machen, was wir können, aber halt mit den Trauben, die wir bekommen…» Haben sie einen Traum? Morgenthaler grinst: «Nein, ein Ziel: Wir wollen Kellerei des Jahres werden!» Vom Professor zum Biopionier Es gibt Winzer, bei denen Erfolgsmeldungen derart selbstverständlich sind, dass man sie kaum mehr wahrnimmt. Zu ihnen gehört der Waadtländer Biopionier Reynald Parmelin. Einst wurde er belächelt und in die «Seide-Wolle-Bast-Ecke» gestellt: «Als ich anfing, 1990, hatte Bioweinbau das Image von Holzzoccholi, krautigen Bärten und handgestrickten Pullis, das musste ich erst einmal entstauben. Und beweisen, dass ich als Lehrer an der Ingenieurschule von Changins kein blosser Theoretiker bin.» Wer sich sein topmodernes Weingut anschaut, die blitzsauberen Keller mit Stahltanks in allen Grössen, Betoneiern und edlen Eichenbarriques, die grosszügigen Degustations- und Eventräume oder die unverwechselbaren blauen Flaschen, die sein Markenzeichen

A medal-winning cooperative “We focus above all on our white wines”, explains Martin Morgenthaler who has been managing the Union vinicole de Cully (UVC) cooperative for the last 20 years. “Our oenologist, Fabien Bernau, is a true expert who has mastered the subtleties of Chasselas.” He likes to experiment, and so the Cooperative features a number of varieties of Chasselas wines, including a rare sweet wine produced from raisin grapes. Last year saw the coming out of Bouton d’Or 2019, selected best Chasselas at the Grand Prix du Vin Suisse. It came 20

as a surprise as they were rather expecting the winner to be their most awarded wine, the mineral and marvellously balanced Epesses Le Replan 2019. They had not reckoned that Bouton d’Or, might appeal to the strict competition jury on account of its maturation in cement vats and its flattering residual sugar content. The UVC also triumphed at the Mondial du Chasselas, where it picked up no less than five gold medals. But they’re not only masters at making Chasselas. Those who think that the UVC produces only that variety will be pleasantly surprised. Enthusiasts of

Loire wines can find the object of their desire at the Cully Cooperative in a rare Chenin Blanc: at its best in 2019, it is powerful, has good levels of acidity and a nice palette of aromas. And as for reds, their range includes Mondeuse, Plant Robert and a variety of blends. From teaching, to pioneering organic wines One used to make fun of Reynald Parmelin, the champion of organic culture, and refer to him as a dreamer. “When I started, in 1990, the image of organic wine was associated with


Talentierte Winzer

sind, der merkt: hier versteht einer etwas von Marketing. Und vom Weinmachen. Nicht weniger als fünfmal hat Reynald Parmelin beim Grand Prix des Schweizer Weins den Prix Bio gewonnen. Letztes Jahr konnte er beim Mondial du Merlot mit seinem strahlenden, facettenreichen Merlot-Cabernet Sauvignon 2017 als einziger Nichttessiner eine Kategorie (die der Assemblagen) für sich entscheiden und den Preis für den besten Biowein gewinnen. «Auszeichnungen und Medaillen sind wichtig für mich als Önologen, um zu überprüfen, ob ich gut arbeite oder nicht. Und für meine Kunden, die sich so in ihrer Wahl bestätigt sehen.» Reine Biowein-Wettbewerbe interessieren ihn weniger, «ich will mich mit allen messen». Seit 2010 besitzt die Domaine La Capitaine nicht nur die Bio Knospe Schweiz, sondern auch das Biodynamik-Label von Demeter. Und während Reynald Parmelin früher allein auf wei-

ter Flur für ökologischen Weinbau kämpfte, ist er heute zum begehrten Ratgeber für alle geworden, die auf Bioweinbau umsatteln möchten. Die Hände in den Schoss legen und über die Corona-Krise jammern? Das ist nicht Parmelins Stil. Er, der kaum einen Moment stillsitzen kann, nutzt die Zwangspause, um einen neuen Barriquekeller und einen weiteren Degustationsraum mit Zugang zu Terrasse und Garten zu bauen; der Eventbereich ist auf dem Gut ein wichtiges Standbein. Der Winzer, der leidenschaftlich gerne pröbelt, hat unzählige Sorten im Angebot, viele Klassiker, aber auch vielversprechende Neuzüchtungen. Sein bekanntester Wein im höchst spannenden Sortiment ist zweifellos der Johanniter. Parmelins älterer Sohn Johann ist zwar nicht nach der Varietät benannt. Aber ein gutes Omen ist die Namensverwandtschaft allemal…

Auszeichnungen und Medaillen sind wichtig für mich als Önologen, um zu überprüfen, ob ich gut arbeite oder nicht. Und für meine Kunden, die sich so in ihrer Wahl bestätigt sehen. Reynald Parmelin, Domaine de la Capitaine, Begnins

wooden sandals, flowery beards and hand-knitted pullovers. I had to dust off the cliché, and prove that what I taught at Changins wasn’t just theory.” Reynald Parmelin has managed to carry off the Organic Wine award, at the Grand Prix du vin suisse, five times. Last year, at the Mondial du Merlot, his complex and luminous Merlot-Cabernet Sauvignon 2017, the only wine in the competition not from Tessin, won the Best Blend and the Best Organic Wine awards. “As an oenologist, awards and medals are important as they give me the chance to check if I’m doing a good job. It’s

also good for my clients, it corroborates their choices.” He says he is less interested in only-organic wine competitions because he wants to “compete against everyone”. Since 2010, the Domaine La Capitaine displays not only the Bio Suisse bud label, but also the Demeter label (biodynamic agriculture). At the start, Reynald Parmelin had fought a lone battle for the cause of organic viticulture; today, he has become the most sought-after mentor for those who want to switch to organic farming. It is not Parmelin’s style to stay put in his chair and complain about the coronavirus

crisis. Always on the go, he is taking advantage of the forced break to build a new barrel cellar and a tasting room with access onto a terrace and a garden. Organising events is an important activity on the estate.

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Drei Farben – ein Name mit Tradition

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Weinwirtschaft

Text: Pierre Thomas

Schweizerisches Observatorium des Weinmarktes

Ein strategisches Instrument für die Waadtländer Weine Professor Alexandre Mondoux, 36 Jahre alt, promovierter Ökonom der ETH Zürich, der seinen Master an der Universität Freiburg gemacht hat, unterrichtet an der Hochschule für Weinbau und Önologie in Changins Wirtschaft und Geschäftsführung. Und er ist verantwortlich für das im Jahr 2014 gegründete OSMV. Es ist das erste Gebilde dieser Art in der Schweiz und 2017 zu einem Kompetenzzentrum in Changins geworden. Zu Beginn analysierte das OSMV Statistiken. So wollte es der Branchenverband Schweizer Reben und Weine (BSRW). Denn der Schweizer Weinwelt fehlt es auf verzweifelte Weise an Zahlen… Zahlen sind nicht nötig, um in den Rückspiegel zu schauen, sondern um vorauszublicken. Heute arbeitet dieses zu Changins gehörende Institut gleichzeitig für den BSRW, für Swiss Wine Promotion (SWP) sowie für andere Institutionen. Der Kanton Waadt, die Communauté Interprofessionnelle du Vin Vaudois (CIVV) und das Office des Vins Vaudois (OVV) nehmen seine Dienste stark in Anspruch. Das Jahresbudget des OSMV mit seinen drei Arbeitsstellen wird durch externe Finanzierung gesichert und entspricht den Erwartungen seiner Partner. Dieses Jahr wird das Institut eine Studie präsentieren, mit der die Grösse der Distributionskanäle von 1500 Schweizer Einkellerbetrieben gemessen werden soll. Das (reale) Gewicht der Grossverteiler Jedes Jahr analysiert das OSMV den sogenannte Grossverteilermarkt. Welchen Anteil repräsentiert er in der Schweiz? Laut den Zahlen von 2020 decken Grossverteiler 43,1% des Marktes ab. Genauer: 51,2% für ausländische Weine, 30,6% für Schweizer Weine

© Edouard Curchod

Das Schweizerische Observatorium des Weinmarktes (OSMV) ist keine Maschine zum Verdauen von Statistiken. Es ist ein strategisches Instrument für die Winzer; die Waadtländer nutzen es für ihre Zwecke. Begegnung mit dem Verantwortlichen des Observatoriums, Alexandre Mondoux.

und 39% für Waadtländer Weissweine. Das ist relativ wenig im Vergleich zu den Nachbarländern Frankreich und Deutschland. Zu präzisieren ist, dass diese Grossverteiler lediglich die sieben Unternehmen umfassen, die das Nielsen-Institut aufführt, seit 2019 gehören auch die Läden von Landi dazu. Mit dabei sind also die Schwergewichte Coop und Denner, 2020 gemäss den Zahlen des Zolls verantwortlich für 43% des importierten Weins (3% mehr als im Vorjahr, insgesamt 154 Mio. Liter, 118 Mio. Liter Rotwein und 36 Mio. Liter Weisswein). Es fehlen aber Aldi, zum ersten Mal auf dem dritten Rang der Importeure, und Lidl (die beiden Verteiler importieren zusammen 9%). Eine weitere Feststellung: 6 von 10 Weinflaschen

Alexandre Mondoux, Leiter des Schweizerischen Observatoriums des Weinmarktes (OSMV).

Le Guillon 58_2021/1  23


Text: Alexandre Truffer

Nur halb überraschende Befunde zu COVID19 VINS & SPIRITUEUX

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Die Pandemie, vor allem unter dem Blickwinkel des Shutdowns, mischt sich in die Debatte ein. Der OSMV-Bericht zum Schweizer Weinmarkt zeigt, dass die Verkäufe von Schweizer Weinen bei den Grossverteilern des «Panels Nielsen» und bei Landi um 13,6% zugenommen haben und damit das Niveau von vor fünf Jahren übertreffen konnten (2015). Die Preise sind ganz leicht gesunken (- 0,3%). Weniger als die Genfer (+ 13,8%), Deutschschweizer (+ 26,8%) und Walliser Weine (+ 14,8%), nahmen die Verkäufe der Waadtländer Weine um 7,6% zu. Im ersten Shutdown (April bis Juni 2020) sind die Verkäufe von Schweizer Wein gar um 18% in die Höhe geschnellt! Die Erklärung ist eine dreifache: Die Branche hat mobilisiert, von den Selbstkelterern bis zu den Promotionsbüros. Der Einkaufstourismus kam gezwungenermassen zum Erliegen. Und drittens hat die Schliessung der Restaurants, die Absage von Feiern und Anlässen die Schweizer dazu gebracht, zu Hause Wein zu konsumieren. Der Wermutstropfen: Der Konsum ausländischer Weine, gekauft beim Grossverteiler, folgt derselben Tendenz (was teilweise die Erhöhung der Importe 2020 um 3% erklärt).

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Zusammen mit Philippe Masset und Jean-Philippe Weisskopf, zwei Professoren der Hotelfachschule Lausanne (EHL), hat Alexandre Mondoux die Reaktionen des Marktes auf COVID untersucht. Das Trio hat Interviews über die Zukunft des Schweizer Weins geführt. Befund: «Nicht-Winzer haben oft die positivste und langfristigste Sicht.» Die Autoren unterstreichen, es brauche «eine echte Strategie für den Schweizer Wein (…), eine starke Leadership und eine bedeutendere staatliche Unterstützung.» Anzufügen ist, dass Swiss Wine Promotion im Jahr 2020 vom Bund eine Million Franken mehr bekommen hat als in den drei «normalen» Jahren zuvor – und diese zusätzliche Hilfe auch 2021 erhalten wird.


Weinwirtschaft

werden nicht im Grossverteiler erworben, der Schweizer Wein darunter direkt beim Produzenten oder im Fachgeschäft gekauft. Ohne Hotellerie, Restaurants und Cafés (HoReCa) zu vergessen. Genau dieser Sektor ist jetzt analysiert worden, um das Funktionieren der Versorgung mit Wein zu verstehen, und zwar auf Verlangen der SWP, die vom Waadtländer Nicolas Joss geleitet wird. 2020 hat Alexandre Mondoux’ kleine Equipe eine Datenbasis erstellt, die auf 250 Restaurantkarten der Schweiz beruht. Das klingt nach nichts. Doch eine der Schwierigkeiten, um den Schweizer Weinmarkt zu verstehen, liegt im Mangel an Zahlen. So verfügen die Waadtländer seit zehn Jahren über einen «Marktbericht». Es ist nicht nur wichtig, die Mengen der kommerzialisierten Weine zu kennen, auch die Preise ab Keller für den Direktverkauf, die Sparte HoReCa und die Grossisten zeigen Tendenzen des Marktes auf. So hat das OSMV im dritten Trimester des Jahres 2019 einen starken Preisrückgang für Waadtländer Weissund Rotweine bei den Grossisten festgestellt. Die Daten für den «Marktbericht» werden auf freiwilliger Basis von den Kellereien mitgeteilt, und Waadtländ ist die einzige der sechs Weinregionen der Schweiz, die sie auf repräsentative Weise liefern.

Drei typisch waadtländische Sujets Die Waadtländer erweisen sich auch als Musterschüler, weil sie auf Veranlassung der Direction générale de la Viticulture, de l’Agriculture et des Affaires vétérinaires (DGAV) Studien beim OSMV bestellen. Über drei Jahre hinweg sind drei für die Zukunft der Waadtländer Weine bedeutende Dossiers in Arbeit, im Auftrag von Olivier Viret, dem Verantwortlichen für den Sektor beim Kanton Waadt. Die vom OSMV erhobenen Zahlen dienen seit 2018 als Diskussionsbasis, um die jährlichen regionalen Produktionsquoten festzulegen. «Das ist ein Modell, das bei der Entscheidung hilft», betont Alexandre Mondoux: Die Partner der Weinwelt verhandeln danach frei. Ein weiteres Sujet, das die Waadtländer skizziert haben und das danach schweizweit übernommen wurde: die Schaffung einer sogenannten «Klimareserve», um das Weinangebot zu glätten. Bei guten Ernten können die Winzer mehr produzieren (aber weniger als die eidgenössischen Grenzwerte verlangen), um diesen Wein in einem kleinen Jahr auf den Markt zu bringen. «Die verlorenen Marktanteile der wegen der Trockenheit klein ausgefallenen Ernte 2015 etwa konnten bis heute nicht zurückgewonnen werden», konstatiert der Ökonom, der

«die Erschütterungen des Angebots, welche den Markt negativ beeinflussen», abfedern möchte. Laut Bern verlangt diese Klimareserve eine Änderung des Landwirtschaftsgesetzes. Der letzte Stand der Diskussion, Mitte Februar 2021: Guy Parmelin erklärt, dieses Werkzeug sei «nicht kompatibel mit der ökonomischen Freiheit der Unternehmen.» Und zum Dritten die ökonomischen Auswirkungen einer Anpassung des aktuellen AOP-IGP-Systems: Das OSMV erarbeitet, auch hier auf Verlangen des Kantons Waadt, Szenarien und Simulationen auf der Basis einer Neueinteilung der Waadtländer Weinlandschaft. Die Waadt ist davon mehr betroffen als andere Kantone, wegen der angewandten Toleranz im Gesetz zum Verschnitt von AOC-Weinen. Grundsätzlich konstatiert Alexandre Mondoux, dass es in diesem Mikrokosmos des Schweizer Weins «sehr wenig Zahlen gibt, an denen man Entscheidungen ausrichten und die Folgen dieser Entscheidungen messen könnte. In diesem Kontext ist das OSMV ein zuverlässiges und neutrales Werkzeug, um die Branche zu lenken. Ihr Mehrwert geht weit über die Publikation von Marktstatistiken hinaus. Und wir versuchen immer, noch weiter zu gehen.»

Der Anteil der Waadtländer Weinregionen an den Weinen, die im Jahr 2019 in den Supermärkten verkauft wurden (gelb = Weisswein, rosa = Rosé, rot = Rotwein). Beispiel aus einer Studie, die auf Verlangen des Office des Vins Vaudois und der CIVV erstellt wurde. 25


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Le sens ultime, ou la fusion idéale du vin et du bois. Ce savoir-faire artisanal, issu d’une savante alchimie élaborée au cours des siècles, alliage du feu, de l’eau, des essences de bois et de l’air, Hüsler l’a perfectionné au cours de ses trente-cinq années de pratique professionnelle. Il est le dernier tonnelier Romand à fabriquer tonneaux, foudres ou barriques avec la maîtrise de l’œnologue associée à celle du tonnelier.

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Clos, Domaines & Châteaux

Text: Eva Zwahlen Fotos: Hans-Peter Siffert

Geschicktes Spiel mit Emotionen

Der Weinmarkt ist hart umkämpft. Da hilft es, wenn man seine eigenen Vorzüge ins richtige Licht rückt. Das tut die Vereinigung Clos, Domaines & Châteaux seit Jahren mit beträchtlichem Erfolg. Und hat dabei zunehmend die Deutschschweizer Kundschaft im Visier. Im Januar 2004 schlossen sich 18 kultur­ historisch bedeutende Waadtländer Weingüter, unterstützt von vier Weinhandelshäusern, zur Vereinigung Clos, Domaines & Châteaux (CD&C) zusammen. Die meisten von ihnen waren – eng oder locker – mit der WeinGruppe Schenk verbunden. Wie präsentiert sich CD&C 17 Jahre später? Heute umfasst der noble Club, dessen Weine auf den ersten Blick an der roten Banderole zu erkennen sind, 25 Güter, darunter so berühmte Weinschlösser wie Vufflens, Vinzel oder Allaman. Nicht weniger als neun der fast 30 Waadtländer Premiers Grands Crus tragen das Qualitätssiegel CD&C. Je vier der Güter liegen im Chablais und im Lavaux, zwei im Nord Vaudois, 15 Betriebe in der Waadtländer Côte. Fast ein Viertel der insgesamt 42 Waadtländer Weinschlösser gehören der Vereinigung an, die seit ihrer Gründung von André Fuchs, dem Direktor von Schenk, präsidiert wird. Die vier beteiligten Weinhandelsbetriebe sind Bolle, Badoux, Obrist und Schenk. André Fuchs betont, die Vereinigung stehe allen Waadtländer Weingütern offen, welche den strengen Ansprüchen genügen. Das heisst, die betroffenen Rebparzellen haben nach Waadtländer Gesetz, historisch

verankert und mittels Kataster belegt, ein Clos oder eine zusammenhängende Domäne zu sein oder zu einem Schloss zu gehören. Weitere Bedingungen, die erfüllt sein müssen: Einhaltung eines Pflichtenhefts in Weinberg und Keller, Kontrollbesuche in den Reben, Kontrolldegustation, mindestens 10%

André Fuchs präsidiert die Vereinigung Clos, Domaines & Châteaux seit ihrer Gründung im Jahr 2004.

weniger Ertrag als von der AOC verlangt, nachhaltiger Weinbau (mindestens IP). Kein abgeschlossener Zirkel 25. und damit «jüngstes» Weingut in der Vereinigung ist seit September 2020 das altehrwürdige Schloss Glérolles, direkt am Lac

Clos, Domaines and Châteaux In today’s wine market it is important that wine estates leverage their resources. The Clos, Domaines & Châteaux association has been doing that, successfully, for many years. In January 2004, 18 Vaud wine estates, rich in history and culture, joined together to form Clos, Domaines & Châteaux (CD&C). While backed by four winemakers and wine merchants, most of them were associated in some degree with the Schenk group.

Today, this noble club, whose wines are immediately recognisable thanks to the red and silver band wrapped around the neck of the bottle, has 25 members including the famous Châteaux of Vufflens, Vinzel, and Allaman. Nine of the thirty or so Premiers Grands Crus of the Vaud region have obtained the CD&C certification. Four estates are in the region of Chablais, four in Lavaux and fifteen in La Côte. A quarter of the 42 Châteaux in Vaud are members

of CD&C. André Fuchs, director of Schenk, has been president from the start and the four supporting winemakers and wine merchants are Bolle, Badoux, Obrist and Schenk. André Fuchs explains that the association is open to all Vaud estates that meet the required criteria. These stipulate that vineyard plots must be constituted under Vaud law and be officially registered as an historic clos (enclosed vineyard), or an estate linked to one, or belong to a Le Guillon 58_2021/1  27


Das starke Quartett vom Château de Glérolles (von links): Laurent Berthet, Daniel H. Rey sowie Grégoire und Frédéric Dubois.

Léman unterhalb von Rivaz gelegen und teilweise aus dem 11. Jahrhundert stammend. In seinen Mauern wurde 1954 übrigens die Confrérie du Guillon gegründet… Und: Das Château de Glérolles ist komplett unabhängig vom Schenk-Imperium. Daniel H. Rey, Repräsentant der Investorengruppe, in deren Besitz Schloss Glérolles mitsamt Rebbergen und Keller ist, betont: «Glérolles ist eine der wenigen Weindomänen im Lavaux mit einem echten Schloss. Damit drängte sich eine Mitgliedschaft bei CD&C für uns fast auf – und wir wurden sehr herzlich aufgenommen.» Für Image und Sichtbarkeit des Châteaus sei das ein gewichtiger Vorteil, ist Rey überzeugt. Grégoire Dubois, zusammen mit seinem Bruder Frédéric verantwortlich für die Vinifikation, doppelt nach: «Marketing wird immer wichtiger. Und immer teurer. So wie 28

wir mit dem Haus Dubois unsere Kräfte mit der Baronnie du Dézaley verbinden, so tut das Glérolles jetzt mit CD&C, das ist ein kluger Schachzug.» Die Reben, die zum Schloss gehören, Chasselas natürlich, aber auch diverse rote Spezialitäten, welche sich in der «Réserve Noire» zusammenfinden, werden seit bald zwanzig Jahren vom Vigneron-Tâcheron Laurent Berthet kultiviert. Vinifiziert werden die Weine im schmucken Schlosskeller auf Château de Glérolles. Das Flair für Spezialitäten – mitten im Königreich des Chasselas keine Selbstverständlichkeit – hat hier Tradition, sorgte doch der frühere Schlossbesitzer Maurice Cossy seinerzeit mit seiner Humagne Rouge für Aufsehen. Daniel H. Rey dagegen träumt von einem reinsortigen Sangiovese namens «Castello di Glérolles». Natürlich mit CD&C-Banderole…

Kulturelles Erbe im Fokus Seit 2019 dabei ist die Domaine de la Doges, ein verwunschenes, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbautes Herrenhaus in La Tour-de-Peilz, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die letzten Besitzer, der Schweizer Botschafter André Coigny und seine Frau Odette Coigny de Palézieux, Winzertochter und über ihren ersten Mann, den letzten Nachkommen der Familie de Palézieux, mit einem früheren Abbé-Président der Confrérie des Vignerons in Vevey verbunden (und über André Coigny mit einem weiteren), vermachten ihr prächtiges Anwesen der Waadtländer Sektion des Heimatschutzes, die seither hier ihren Sitz hat. Die Reben hingegen gingen – als Hommage ans Winzerhandwerk – an die illustre Confrérie des Vignerons. Wer das herrschaftliche Haus betritt, den beschleicht das Gefühl, die Bewohner seien nur schnell ins Nebenzimmer gegangen. In den Salons warten Bücher darauf, weiter gelesen zu werden, das Klavier scheint erst gerade verklungen zu sein. Es braucht wenig, um sich vorstellen zu können, wie begüterte Landbesitzer im 18. und 19. Jahrhundert gelebt haben. «Das Ehepaar Coigny wollte, dass alles so bleibt, wie es ist», sagt Dimitri Vallon, der zusammen mit seiner Frau, der Historikerin Jasmina Cornut, und dem gemeinsamen Sohn im obersten Stock des Herrenhauses wohnt, mit Begeisterung Gäste durch die Räumlichkeiten führt und


Die Domaine de la Doges ist ein zauberhaftes Manoir mit dazugehörendem Rebberg, welcher der Confrérie des Vignerons de Vevey gehört...

...und vom Vigneron-Tâcheron Xavier Bühlmann (links) kultiviert wird. Die Weine tragen die Handschrift von Léonard Pfister, dem Önologen des Hauses Obrist.

ihnen unter anderem das Esszimmer zeigt, wo der Tisch mit kostbarem Porzellan und zarten Kristallgläsern gedeckt ist. «Jeden letzten Samstag im Monat kann das Haus besichtigt werden», merkt er an. Zu jedem Gegenstand, zu jedem Salon wüsste er eine Geschichte zu erzählen. In der Scheune nebenan oder im Garten unter den alten Bäumen finden regelmässig Konzerte und Theateraufführungen statt. Und der Wein? Die Reben rund ums Haus werden vom zupackenden VigneronTâcheron Xavier Bühlmann kultiviert, der auch einen eigenen Reb- und Obstbaubetrieb führt. Für die Vinifikation ist Léonard

Pfister, Önologe von Obrist, verantwortlich: «Wir haben die Confrérie des Vignerons angefragt, ob wir bei CD&C mitmachen dürfen – das hilft uns, bekannter zu werden.» Und die Vereinigung erhält im Gegenzug ein kulturhistorisches Schmuckstück aus dem untervertretenen Lavaux. Der Keller der Domaine de la Doges ist an die Gemeinde verpachtet, deshalb werden die Weine im nahen Vevey bei Obrist vinifiziert und ausgebaut, teilweise aber im Direktverkauf auf dem Gut abgesetzt. «Da die Reben der Confrérie gehören, haben wir den Auftrag, Versuche zu machen, das ist sehr spannend», erläutert Winzer

Bühlmann. «Ein Teil der Trauben dieser namenlosen Experimentiersorten gehen für Vinifikationsversuche nach Marcelin.» Bisher werden 3000 Flaschen des weissen und 2000 des roten (Gamaret, Pinot Noir, Gamay) Domaine de la Doges abgefüllt, beide in grossen Holzfudern ausgebaut. Das Potential läge bei 15 000 Flaschen. Gut möglich, dass die rote Banderole den Absatz ankurbelt und dem Namen zu grösserer Reichweite verhilft. Die Qualität stimmt auf alle Fälle. «Sogar mein Schwiegervater liebt und kauft diesen Wein», lacht Dimitri Vallon, «und der ist Walliser!»

château. Other conditions must also be satisfied such as: compliance with vineyard and wine cellar specifications; vineyard inspections; quality tastings; yields at least 10% below AOC requirements; and sustainable production.

Guillon was founded within its walls in 1954, and it is totally independent of the Schenk empire. Daniel H. Rey, the representative of the group of investors that owns the Château de Glérolles, including its vineyards and cellars, told us proudly: “Glérolles is one of the rare Lavaux wine estates that has a real château. So joining CD&C was a must! – and we were given a very warm welcome.” The vines belonging to the château have been cultivated for almost 20 years by the winegrower Laurent Berthet. They include Chasselas, of course, but also different

red grape varieties that make up the Réserve Noire. The Dubois brothers, Grégoire and Frédéric, are in charge of the winemaking. The wines are matured in the Château’s magnificent cellar.

A new Château-member Last September, the venerable Château de Glérolles was given a new lease of life. Situated on the lakeside, east of Rivaz, and dating back to the 11th century, the monument became the 25th member to join CD&C. It is noteworthy that the Confrérie du

An enchanted manor In 2019, the Domaine de la Doges joined the CD&C association. This enchanted manor, where time seems to have stood still, was built in 1711, in La Tour-de-Peilz. The last owners, the Swiss ambassador André Coigny and his wife Odette Coigny de Palézieux, a winemaker’s daughter and, through her 29


Nous nous réjouissons de vous accueillir à Epesses sur notre terrasse ! Ce lieu unique face au lac Léman, vous offre une vue imprenable des vignes du vignoble de Lavaux

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Clos, Domaines & Châteaux

Nationale Elite Während die Domaine de la Doges schweizweit noch eher unbekannt ist, braucht man Château Maison Blanche nicht mehr vorzustellen. Längst gehört es zur nationalen Elite. Wer Maison Blanche hört, denkt an Jean-Daniel Suardet, der das Vorzeigegut dreissig Jahre lang gehegt hat, wie wenn es sein eigenes wäre, und dem an der Fête des Vignerons 2019 die Krone aufs Haupt gesetzt wurde. Doch halt! Auf der CD&C-Website wird als Winzer Martin Suardet genannt. Ein Fehler? Jean-Daniel Suardet lacht, als er uns begrüsst. «Darf ich vorstellen? Das ist mein Nachfolger: mein Sohn Martin.» Ende 2019 hat die Schlüsselübergabe stattgefunden, ohne Brimborium – Château Maison Blanche bleibt ja gewissermassen in der Familie. Und damit in den besten Händen. «Dass die Schenk-Gruppe, zu der das Schloss gehört (Besitzer des Guts sind die Familien Rosset und Schenk, Anm. d Red.), das unterstützt, schätzen wir sehr. Trotz der Grösse des Hauses ist der Geist bei Schenk familiär geprägt.» Jean-Daniel ist seither als «chef technique» für diverse Weingüter von Obrist, Badoux und Schenk zuständig. Martin, 27 Jahre jung, ist auf Château Maison Blanche grossgeworden. Zuerst machte er eine Lehre als Mechaniker, doch dann verfiel auch er unrettbar dem Weinvirus… Winzerlehre, diverse Stages auf Spitzengütern am Zürichsee, in der Waadt, im Burgund und ein Studium in Changins

folgten – und nun betreut er eines der besten (und schönsten) Güter der Waadt. Château Maison Blanche, das beim verheerenden Bergsturz von Yvorne zerstört und 1608 wieder aufgebaut wurde, ist Mitglied des Elitevereins Mémoire des Vins Suisses. Braucht es da überhaupt CD&C? «Die Mitgliedschaft bei Mémoire machte uns schweizweit bekannt, doch bei der CD&C-Zugehörigkeit geht es darum, unser kulturelles Erbe sichtbar zu machen und zu schützen», finden Vater und Sohn übereinstimmend. Das sei wichtig. Dass die Produktionsbestimmungen für die CD&C-Weine strenger sind als von der AOC gefordert, ist ihnen kein Achselzucken wert, schliesslich war kompromisslose Strenge im Rebberg schon immer ihr Markenzeichen. «Wegen dieser Strenge sind unsere Weine vielleicht

Stabsübergabe innerhalb der Familie auf Château MaisonBlanche: Martin Suardet hat seinen Vater Jean-Daniel abgelöst.

first husband, the last descendant of the Palézieux branch associated with two abbot-presidents of the Vevey Confrérie des Vignerons, bequeathed the beautiful residence to the Vaud section of the Swiss Heritage organisation, which set up its head office there in 2000. The vineyards went to the distinguished Confrérie des Vignerons, as a tribute to its winegrowers. When you enter the impressive manor house, the salons, the books on the shelves, and the grand piano all create the impression that its inhabitants have only just left! And one can easily

imagine lives unfolding there in the 18th and 19th centuries. The vines surrounding the house are cultivated by the winegrower Xavier Bühlmann, while the winemaking is in the hands of Léonard Pfister, the oenologist at Obrist. The Domaine de la Doges currently produces 3,000 bottles of white and 2,000 of red (Gamaret, Pinot Noir, and Gamay), wines that are aged in large casks. The estate has a potential of 15,000 bottles. A national elite Although Domaine de la Doges remains relatively unknown in the country

as a whole, Château Maison Blanche does not need any introductions. It is widely recognised as belonging to a national elite. Maison Blanche immediately brings to mind the name of Jean-Daniel Suardet who, for no less than 30 years, took care of the estate as if it were his own. He was crowned for the excellence of his work at the 2019 Fête des Vignerons. His son Martin took over from him at the end of 2019. Château Maison Blanche, which was destroyed by the devastating Yvorne landslide and rebuilt in 1608, is a member of the prestigious Mémoire des Vins Suisses 31


Auf Sarraux-Dessous ist ein solides Duo verantwortlich: Eric Barbey (links) in den Reben und Jean-François Crausaz im Keller.

nicht unbedingt die besten, aber die regelmässigten», findet Jean-Daniel Suardet. «Diese Strenge habe ich von meinem Vater gelernt», bestätigt Martin. Heute vinifiziert er den Wein im schönen alten Holfasskeller, beraten von Thierry Ciampi, dem «sehr diskreten, unglaublich kompetenten» Chefönologen von Schenk. Mit wenigen Handgriffen öffnet Martin ein paar alte Flaschen. Ein Glück, sind sie mit Drehverschluss ausgerüstet, so konnten sie ihre duftige Finesse und zauberhafte Eleganz über die Jahre bewahren. Etwa der

verblüffend frisch wirkende Chasselas 2012 oder der 1999er mit seinen prägnanten Safrannoten. Weine, die in beiden Vereinigungen eine exzellente Figur machen! Macht die Banderole den Unterschied? Das zumindest suggeriert die Werbung der Vereinigung. Denn auch wenn der Aufhänger von CD&C kulturhistorisch bemerkenswerte Schlösser und Herrenhäuser sind, geht es im Kern um hochstehende, von ihrem Terroir geprägte, authentische Qualitätsweine. «Die rote Banderole ist ein

(MDVS) association. Father and son are unanimous: “Thanks to MDVS membership, we became known throughout Switzerland, but with CD&C the idea is to ensure the visibility of our cultural heritage and to protect it”. Today, the winemaking is carried out in the beautiful old cellar, in wooden casks, under the supervision of Thierry Ciampi, the chief oenologist at Schenk. The quality band Does the band make a difference? The Association’s ad campaign suggests it does. But although the CD&C has 32


Clos, Domaines & Châteaux

Qualitätszeichen, sie garantiert den Konsumenten, dass sie einen Wein mit Herkunft kaufen, von einem ganz bestimmten, im Kataster eingetragenen Waadtländer Terroir», bestätigt André Fuchs. Und natürlich einen nach allen Regeln der Kunst vinifizierten und ausgebauten Tropfen. «Wir haben nicht auf die Vereinigung gewartet, um gute Weine zu machen», meint Eric Barbey trocken. Seit zwanzig Jahren ist er der verantwortliche Winzer auf Sarraux-Dessous, diesem imposanten, im 16. Jahrhundert erbauten Landgut mit

dicken Mauern, ausladenden Dächern und 18 Hektar Reben an einem Stück, was einzigartig ist in der Waadt. Bestockt sind die Rebberge am sanften Hang von Begnins mit den üblichen Verdächtigen wie Chasselas, Gamay und Pinot Noir, aber auch mit Gamaret, Garanoir und Galotta. Weiss- wie Rotweine werden im stimmungsvollen Keller in mächtigen alten Holzfudern ausgebaut, ebenfalls von Eric Barbey, beraten von Jean-François Crausaz, dem Önologen von Bolle, der seit Anfang Jahr auch Direktor des Weinhauses mit Sitz in Morges ist. Die Verbindung mit dem Haus Bolle hat Tradition, seit 1932 kommerzialisiert Bolle die Weine von Sarraux-Dessous. «Sie galten in Morges stets als ideale Weine für alle festlichen Gelegenheiten», erzählt Jean-François Crausaz, «es sind echte Aushängeschilder, die man in der Region kennt und liebt.» Und die dank CD&C auch in anderen Landesteilen einen guten Ruf haben. Zu nationaler Berühmtheit gebracht hat es gar der Chasselas 2019, der beim Grand Prix du Vin Suisse 2020 glanzvoller Zweiter wurde. Unser «coup de cœur» allerdings ist der Gamay, der mit Charme, knackiger Frucht und samtig weichen Tanninen begeistert. Knackpunkte Weintourismus und Deutschschweiz Tadellose Weine zu produzieren, reicht leider nicht. Die Flaschen mit der roten Banderole – rund 1 Mio. pro Jahr – wollen auch verkauft werden. 60% davon werden in der Romandie abgesetzt, 40% in der Deutschschweiz, ein Anteil, den die Vereinigung

certainly brought together remarkable châteaux and manors representing our cultural heritage, it is their wines that count. They are top quality and authentic, and express the characteristics of the terroir. André Fuchs confirms that: “The red band is a sign of quality, a guarantee for the consumer that they are buying an origin wine that was produced in a Vaud region vineyard officially recorded in the land register”. And, of course, that it is a wine that was made and elaborated according to the rules of the art. For the last 20 years, Eric Barbey has been in charge of the Sarraux-Dessous

estate which comprises 18 hectares of territorially contiguous vineyards – unique in the Vaud canton – and an impressive 16th century manor house with thick walls and a beautiful massive roof. The vines stretch in terraces across the gentle Begnins hillside, planted with Chasselas, Gamay and Pinot Noir, as well as Gamaret, Garanoir and Galotta. In the splendid cellar, the white and red wines are vinified in old oak casks. The winemaking is carried out by Eric Barbey, advised by Jean-François Crausaz, the oenologist at the Bolle company in Morges and, since the beginning

gerne erhöhen würde. Regelmässig nehmen ausgewählte CD&C-Güter an den von der Zeitung 24 heures organisierten «Ballades gourmandes» teil und öffnen ihre Tore für das interessierte Publikum. Doch bleibt der Weintourismus in der gesamten Waadt ein weitgehend brachliegendes Feld. Angebote für Weinreisende überlässt CD&C den einzelnen Mitgliedern. Schade, denn gerade die anvisierte Deutschschweizer Kundschaft wäre zweifellos empfänglich für unvergessliche Erlebnisse auf herrschaftlichen Weingütern. «Das ist uns sehr bewusst», räumt André Fuchs ein, «und wir wollen den Önotourismus langfristig fördern, doch das ist sehr aufwendig. Zudem gibt es in der Region viel zu wenig Hotels.» Die (Rück-) Eroberung des (Deutsch-) Schweizer Marktes ist als Folge der CoronaPandemie fürs erste auf Eis gelegt. Geplante Salons und Events, nicht zuletzt das Swiss Wine Tasting, das grosse Stelldichein des Schweizer Weins in Zürich, sind abgesagt oder ihre Durchführung ungewiss. Doch wie André Fuchs, der unerschütterliche Optimist, meint: «Man ist nie vor positiven Überraschungen gefeit!» Noblesse oblige… Eine solche Überraschung war, dass der Waadtländer Staatsrat bereits zum dritten Mal den Chasselas Premier Grand Cru des CD&C-Mitglieds Domaine de Autecour zum Staatswein erkoren hat. Nach dem 2015er und dem 2016er vertritt nun also der 2019er die Waadtländer Weinelite bei kantonalen Staatsanlässen. So sie denn stattfinden. «Wenn das nicht der Beweis ist, dass da

of this year, also its director. The estate has achieved national acclaim thanks to its Chasselas 2019 that won second place in the Grand Prix du Vin Suisse 2020. Wine tourism is underway Producing impeccable wine is not enough – you have to be able to sell it. Some 60% of the red-and-silver-banded bottles (approximately 1 million a year) are sold in the French-speaking part of Switzerland and 40% in the Germanspeaking part. The association would like to capture more Swiss German 33



Clos, Domaines & Châteaux

Philippe Schenk (rechts) leitet Autecour, das Weingut, auf dem er aufgewachsen ist. Die sechs Hektar Reben werden vom Winzer Michaël Monnier bewirtschaftet.

strikt blind degustiert wird…», findet André Fuchs lachend. Und freut sich über die Anerkennung der gleichbleibend hohen Weinqualität. Die Domaine de Autecour, ein stolzes, 1663 erbautes Patrizierhaus unter behäbigem Berner Dach im Besitz der Familie Schenk, wird von Philippe Schenk geleitet. Er ist auf dem Gut aufgewachsen. Die sechs Hektar Reben werden seit vielen Jahren von Michaël Monnier bewirtschaftet: «Mir ist wichtig, dass wir von Hand lesen, nach Parzellen getrennt vinifizieren und natürlich ausschliesslich unsere eigenen Trauben verarbeiten.» Das Jahr 2021 markiert einen Wendepunkt. «Wir haben schon lange ökologisch gearbeitet, aber seit diesem Jahr sind wir offiziell in Umstellung auf Bioanbau», meint Monnier und erzählt von seiner Arbeit mit Kompost, vom Einsäen von Leguminosen, Weiterbildungskursen und dem Austausch mit Kol-

legen. «Bioanbau bedeutet rund 30% mehr Arbeit, dafür sinkt der Ertrag der Stöcke. Unsere Kunden schätzen, dass wir grossen Wert auf Ökologie legen.» Anklang findet auch der ehrgeizige Qualitätsanspruch. «Wer das Label Premier Grand Cru anstrebt, muss in der Lage sein, alterungsfähige Weine zu produzieren. Und das mit fünf Jahrgängen belegen…», erklärt Philippe Schenk. Ein Kinderspiel für die Domaine Autecour. In ihrer Schatzkammer schlummern nämlich Flaschen bis zurück zum Jahrgang 1964! Wir machen umgehend die Probe aufs Exempel und verkosten einen 1991er Chasselas. Noch ohne Banderole, aber standesbewusst und nobel – ein mehr als würdiger Vertreter von CD&C!

clients. The very select CD&C estates, regularly open their doors to readers of the 24 heures daily newspaper which organises gourmet walks. But wine tourism is still pretty well unexplored in the canton. CD&C leaves it up to its members to take the initiative. That is a pitty: a targeted Swiss-German clientele would certainly be open to the unforgettable experiences that these prestigious cultural-heritage estates can offer.

Autecour, a CD&C member estate, as their official wine. After the 2015 and 2016 vintages, the 2019 vintage represents the elite of Vaud wines at official cantonal events. The Domaine de Autecour, with its proud patrician residence built in 1663, featuring a broad Bernese roof, is the property of the Schenk family. It is run by Philippe Schenk who grew up there. For many years, the six-hectares of vineyards have been cared for by Michaël Monnier. The year 2021 marks a turning point: the estate has officially switched to organic farming. Quality is a priority: “If you covet the Premier Grand Cru title, you

Noblesse oblige It is the third time that the Vaud State Council has chosen the Chasselas Premier Grand Cru from Domaine de

Alle 25 Weingüter, die zu CD&C gehören, findet man auf: www.c-d-c.ch/de/producteurs

must be capable of producing wines that age well, and of proving it over ten vintages”, explains Philippe Schenk. In the Domaine de Autecour wine cellar, some bottles have been sleeping for more than 50 years (from the 1964 vintage)! We carried out a test on the spot and opened a Chasselas 1991. The neck of the bottle did not carry a red and silver band, but the content lived up to its status! A more than deserving representative of the CD&C association! The 25 estates in CD&C: www.c-d-c.ch/fr/producteurs 35


© Philippe Dutoit

Text: Alexandre Truffer

50 Apéro-Nuancen Lie, Marc, Grappa, Wermut – all diese Getränke haben eines gemeinsam: Sie werden aus Trauben hergestellt. Im Wunsch, ihr Angebot zu diversifizieren, verwenden einige Waadtländer Winzer einen Teil ihrer Ernte für die Produktion von originellen Aperitifs und Digestifs. Alain Bettems erinnert daran, dass «Lie und Marc einst derart gängige Produkte waren, dass alle Winzer sie herstellten. Heute werden diese Produkte, eine Weile völlig aus der Mode geraten, langsam wieder entdeckt.» Für den Besitzer der Cave de la Crausaz in Féchy ist der Hefe- oder Drusenbrand (alias Lie) «der beste Digestif der Welt, das sage ich ohne jede Überheblichkeit.» Doch was ist mit dem Image der Lie, mit der man gemäss traditioneller Arzneimittellehre Mensch und Tier massiert? «Als ich zwanzig Jahre alt war, ging die Hälfte des auf dem Gut produzierten Hefebrands an Leute, die ihn bei Verstauchungen und Zerrungen verwendeten. Mittlerweile macht diese Kundschaft nur noch wenige Prozent der Verkäufe aus.» Alain Bettems, bekannt für die Qualität seiner Chasselas (Sieger der Lauriers de Platine 2016) und 36  Le Guillon 58_2021/1

seiner Whiskys (sein «Allan’s Gold» erreichte die höchste Punktzahl beim Swiss Spirits Awards 2019), räumt ein, dass «die Lie einen schlechten Ruf hat. Seinerzeit hatte man die Vinifikation weniger gut im Griff als heute. Oft wiesen die Hefebrände einen leichten Bock auf (Vinifikationsfehler, der zu Noten von faulen Eiern führt, Anm. d. Red.). Klar: Wenn das Ausgangsmaterial, das in die Brennhäfen kommt, nicht gut ist, dann kann nichts Interessantes herauskommen.» Das Umgekehrte gilt auch: Das beweist der dritte Platz bei den Swiss Spirits Awards 2020 für Alain Bettems Lie de Féchy! Wenn das Basisprodukt von hoher Qualität ist, dann wird es auch der Edelbrand sein. Der Spirituosenliebhaber, der seinen Crausiac (Eau-de-vie aus Chasselas und Pinot gris, destilliert und vier Jahre in Barriques ausgebaut) beim nationalen Con-

cours in der Kategorie «Weinbrände» im dritten Rang platzieren konnte, bestätigt, dass die Mengen stark gesunken sind: «Vor vierzig Jahren produzierte unser Gut 3000 bis 4000 Liter pro Jahr. Heute sind es noch 800 5-dl-Flaschen pro Jahr.» Die Kunst der Metamorphose vervollkommnen Auf der Domaine des Rueyres in Chexbres sind Lie, Marc, Eau-de-vie de Vin und Grappa im Angebot, aber auch Produkte auf der Basis von Früchten, die auf dem Gut produziert werden, etwa Trauben «à la lie» oder ein Likör aus Weinbergpfirsichen. «Unser neustes Produkt ist ein Fleur de Sel à la Mondeuse Noire», erzählt Laurent Cossy. Er bestätigt, der Verkauf von traditionellen Schnäpsen sei relativ begrenzt. «Mein Vater und mein Grossvater füllten fast 1000 Liter Marc und Eau-de-vie de Vin ab. Wir verkaufen sie noch immer, jetzt, nachdem sie schon fast zwanzig Jahre in der Flasche sind. Es gibt aber eine grössere Nachfrage nach Grappa aus Mondeuse Noire.» Laurent Cossy produziert auch einen Honigwein und ein handwerklich hergestelltes Bier. «Bier hat weniger Alkohol als Wein und ist deshalb anfälliger auf bakteriologische Probleme. Der Met hingegen wird auf der Basis von Honig produziert, einem Produkt, das nur Zucker enthält. Wir


Kreative Produkte

Heute werden diese Produkte, eine Weile völlig aus der Mode geraten, langsam wieder entdeckt.  Alain Bettems, Cave de la Crausaz, Féchy

© Sandra Culand

Unser neustes Produkt ist ein Fleur de Sel à la Mondeuse Noire.  Laurent Cossy, Domaine des Rueyres, Chexbres

müssen ihm Säure und Tannine beifügen, um ein interessantes Resultat zu erhalten. Aus professioneller Sicht», präzisiert der Produzent aus dem Lavaux, «ist die Herstellung beider Getränke sehr interessant, erlaubt sie doch, die Finessen der Gärung besser zu verstehen.» Eine Alternative zum Apéro anbieten Die Deutschschweiz ist nicht nur der Hauptexportmarkt der Waadtländer Winzer, sondern auch ein Reservoir an guten

Ideen. «Immer, wenn wir in einem Chalet in den Alpen sind oder in der Deutschschweiz wandern gehen, bietet man uns Cidre an», erzählt Christophe Bertholet. «Meine Frau und ich haben überlegt, wie wir ein Getränk auf Weinbasis kreieren könnten, das sich in derselben Kategorie klassiert.» Ende 2020 füllte das Paar fast 2000 33-cl-Flaschen La Vigneuvoise ab. Letztere gibt es in einer alkoholfreien Version (Traubensaft mit kohlesäurehaltigem Wasser) und mit Alkohol (Chasselas und Traubensaft mit

Kohlensäure), ein Aperitif also mit 7,3%vol. Alkohol. «Wir wollten mit diesem erfrischenden, individuellen und leicht zu konsumierenden Getränk vor allem ein eher junges Publikum ansprechen», präzisiert der Selbstkelterer aus Villeneuve, der diese Neuheit in Restaurants und bei Anlässen absetzen wollte. «Mit der Pandemie hat dieser Teil unseres Plans nicht so funktioniert wie erhofft», grinst Christophe Bertholet, «doch die Reaktionen sind sehr positiv und der kommerzielle Erfolg bei der Privatkund-

Fifty Shades of Aperitifs The Lie (distilled on grape lees), Marc and Grappa brandies, as well as vermouth, are all made from grapes. A number of Vaud winemakers have decided to diversify their offer and allocate part of their yield to the production of original aperitifs and digestifs. Alain Bettems recalls that “producing Lie and Marc brandies used to be so obvious that all winemakers just did it, but then these products went out of fashion. Today, we’re seeing a

comeback.” The owner of Cave de la Crausaz in Féchy, renowned for the quality of his Chasselas (he won the Lauriers de Platine award in 2016) and for his whiskies (his Allan’s Gold obtained most points at the Swiss Spirits Awards 2019), admits that Lie brandies have a bad reputation. In the past, winemaking was not as developed as it is today.” But the fact that he won third place for his Lie de Féchy at the Swiss Spirits Awards 2020 proves that with

a first-class quality base product, the brandy will also be first class. Advances in the art of metamorphosis The Domaine des Rueyres in Chexbres sells Lie and Marc brandies, wine spirits and Grappa, as well as grape lees and vine peach liqueur. Laurent Cosy explains that their most recent product is a Mondeuse Noire sea salt; sales of traditional spirits are fairly limited. “But our Mondeuse Noire Grappa 37


Goute-voir un peu ces nouvelles topettes !

Cave de la Côte Chemin du Saux 5 | CH - 1131 TOLOCHENAZ (VD) www.cavedelacote.ch


Tanguy Rolaz, Domaine Chamvalon, Gilly

Meine Frau und ich haben überlegt, wie wir ein Getränk – La Vigneuvoise – auf Weinbasis kreieren könnten, das sich in derselben Kategorie klassiert wie der Cidre.  Weisswein. Auch hier

schaft vorhanden. Das ist ermutigend für die Zukunft!» Der von Tanguy Rolaz bei der Ernte 2020 kreierte ’Peccable hat ebenfalls den Cidre als Vorbild. Die Etikette gibt an: «Das ist wie Cidre, aber es ist kein Cidre.» Der junge Winzer der Domaine Chamvalon in Gilly bestätigt, der Begriff «Cidre» sei reserviert für Produkte auf der Basis von Äpfeln oder Birnen. Die Geheimnisse der Herstellung gibt der junge La Côte-Produzent zwar nicht preis, aber er wolle «ein Getränk auf Traubenbasis produzieren, das aus der 33-cl-Flasche getrunken werden kann und keine Verbindung zum Wein hat.» Und damit ein junges Publikum erreichen, das eher Bier oder Apérogetränke aller Art

trinkt, aber kaum sollten Anlässe und Bistros die wichtigsten Vektoren für die Neuheit sein, die das anvisierte Publikum zu überzeugen scheint, aber auch ältere Konsumenten, die darin «eine fruchtige lokale Alternative zum Bier» sehen. Der erste Versuch wurde mit Chasselasmost produziert, doch Tanguy Rolaz plant, seinen ’Peccable bei der nächsten Ernte in anderen Farben zu deklinieren.

is doing well”. Cosy also produces mead and a craft beer. “Beer has a lower alcohol content than wine and is therefore more prone to bacteriological problems. As for mead, it’s made with honey, it’s full of sugar. To make it really good, we need to add acid and tannins”.

filled almost two thousand 33cl-bottles of La Vigneuvoise. It comes in an alcohol-free version, grape juice with carbonated water, or with a light, 7.3% alcohol content, and is made with Chasselas and carbonated grape juice. “With this easy-to-drink product, we’re hoping to reach mainly young consumers.” He had hoped to target restaurants and events, but with the pandemic this fell through. He has, however, achieved good sales to private customers. Created by Tanguy Rolaz at the time of the 2020 harvest, ’Peccable is modelled on cider. It says so on the label: “It’s

Alternative aperitifs Christophe Bertholet, a Villeneuve winemaker, explains that he and his wife had given a lot of thought to creating a drink which would be based on wine and classed in the same category as cider. At the end of 2020, they

© Sandra Culand

© Philippe Dutoit

Der ’Peccable? Das ist wie Cidre, aber es ist kein Cidre.

Christophe Bertholet, Domaine Bertholet, Villeneuve

Der erste Jahrgang des STIM Morges, 1860: Die Gambonis, italienischsprachige Bündner, und die Salinas, ursprünglich aus dem Piemont, schliessen sich zusammen und gründen eine Distillerie. Vierzig Jahre später übernimmt Henri

like cider but it isn’t cider”. This young winemaker from Domaine Chamvalon in Gilly points out that the term ‘cider’ designates products made from pears and apples. Without disclosing his production secrets, he explains that he wanted to create “a drink based on grapes but with no connection to wine”, in order to reach young consumers who are more interested in beer and aperitifs than white wine. Although this first attempt was made from Chasselas must, Tanguy Rolaz is already thinking about producing other variations of ’Peccable at the next harvest. 39


© Bertrand Rey

Wir machten mehrere Versuche mit aromatischen weissen Rebsorten, doch zum Schluss wählten wir einen Chasselas, der mit Gamay und Gamaret gemischt wird.  Raoul Cruchon (rechts), zusammen mit seinen Mitstreitern beim Abenteuer STIM’, Martin Wagner und Carine Bosson

Salina, der Rückkehrer aus Argentinien, den Familienbetrieb. Er modernisiert das Rezept des traditionellen Quinquina (80% Wein und eine geheime Zubereitung, in der Chinarinde, Früchte, Pflanzen und Wurzeln mazeriert werden) und gibt ihm den Namen Stimulant. «Der Erfolg war beeindruckend», begeistert sich Raoul Cruchon. «Das Unternehmen produzierte in gewissen Jahren bis zu 400 000 Liter dieses Aperitifs, der exklusiv zwischen Lausanne und Genf verkauft wurde. Wir haben Dokumente gefunden, die zeigen, dass das Bahnhofbüffet von Genf jeden Montag 600 Liter

davon bestellte.» Als der Konsum dieser Bitter-Getränke einbrach, war unser Winzer aus Echichens noch zu jung, um sie zu trinken. «Meine erste wirkliche Begegnung mit dem Stimulant fand vor etwas mehr als zwei Jahren bei einem Freund statt. Nach dem Essen öffnete dieser eine Flasche, die er im Keller seiner Mutter gefunden hatte. Die Nase war von Wurzelaromen geprägt, aber mit einer gewissen Komplexität. Wir fanden auch Aromen von eingemachten Früchten, der Gaumen war ausgewogen und zeigte eine interessante Bitterkeit im Finale. Nicht schlecht, für einen Aperitif, der seit dreis-

Le STIM’s first vintage Morges, 1860: the Gamboni family, originally from Grisons, and the Salina family, from Piedmont, joined forces to create a distillery. On his return from Argentina, forty years on, Henri Salina took over the reins of the family business. He updated the traditional quinquina recipe, a drink composed 80% of wine and macerated quinine bark, fruit, plants and roots and gave it the name Le Stimulant. It was an impressive success story. The company produced up to 400,000 litres a year of this aperitif that was sold exclusively in the region

stretching from Lausanne to Geneva. When demand for these bitters slumped, the winemaker from Echichens, Raoul Cruchon, was too young to have known them. So, his first encounter with Le Stimulant was two years ago when he contacted the representatives of the Salina family who held the original recipes. They were favourable to the idea of bringing the legacy back to life. Two partners, Carine Bosson and Martin Wagner, joined the project. “We had the recipe for the stimuline, but we needed to find the right wine to go with it. The recipe

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sig Jahren geöffnet war.» Wieder zu Hause, stellt Raoul Cruchon die Flasche auf das Regal, auf dem die Flaschen thronen, die ihn geprägt haben. Er kontaktiert die Familie Salina. Diese hat die Originalrezepte aufbewahrt und steht einer Wiederauferstehung des Erbes positiv gegenüber. Zwei Partner, Carine Bosson und Martin Wagner, stossen zum Projekt. «Wir hatten das Rezept für den Bitter-Aperitif», präzisiert Raoul Cruchon, «doch nun mussten wir den idealen Wein für die Mariage finden. Das Originalrezept gab einen Rotwein an, aber die Farbe war zu dunkel für den Konsumenten von heute. Wir machten mehrere Versuche mit aromatischen weissen Rebsorten, doch zum Schluss wählten wir einen Chasselas, der mit Gamay und Gamaret gemischt wird. Die Weine sind von AOC-Qualität, ein Teil hat das Label Vinatura, ein Teil ist Bio, sie machen aber keinen biologischen Säureabbau, um ihre Säure zu bewahren.» Alles war bereit, als das Trio die schlechte Nachricht erhielt: Das eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum untersagte die Verwendung der Marke Le Stimulant, weil kein Alkohol Anrecht auf einen Namen habe, der einen positiven Gesundheitseffekt suggeriere. In diesem Augenblick war der Stimulant tot und beerdigt. Und Le STIM’ wurde geboren! Retro-Look und neuer Geschmack für den Apéro im Lavaux Jean-Charles Estoppey hat eben erst die Präsidentschaft von Terres de Lavaux in Lutry abgegeben, jetzt ist er ein vielbeschäftigter Rentner. «Auf die Idee kam ich bei einem Gespräch mit Helen Calle-Lin,

mentioned red wine, but the colour would have been too dark for today’s consumers. So it was decided to mix Chasselas with Gamay and Gamaret. Everything was ready when some very bad news arrived: the Federal Intellectual Property Institute could not protect the Le Stimulant brand because no alcoholic drink can claim the use of a name that suggests a beneficial effect on health. Le Stimulant was dead and buried, but Le STIM’ was born!


Kreative Produkte

welche die Weinbar im New Yorker Stil entworfen hat, die ich für Terres de Lavaux zusammen mit der Domaine Chaudet geschaffen habe. Sie bemerkte, es gebe im Lavaux weder weissen noch roten Wermut, obwohl dieses Produkt doch zu 90% aus Wein bestehe. Wir haben mit einem Mikro-Destillateur in Chandolin, im Wallis, zusammengearbeitet. Er hat zahlreiche Versuche für uns gemacht», erklärt der frisch pensionierte Arzt. Zwei Aperitifs sind aus dieser Zusammenarbeit hervorgegangen, ein weisser auf der Basis von Chasselas sowie ein roter (beide 100% AOC Lavaux). «Für den roten verwenden wir als Basiswein unsere Assemblage Plan-Joyeux, eine Mariage aus Gamaret, Garanoir, Pinot Noir und Gamay. Er bietet die perfekte Kombination von Tanninen und Frucht für unseren 1890 Lavaux», fährt Jean-Charles Estoppey fort. Das Rezept bleibt geheim. «Es gibt ein Rezept, aufs Gramm genau, für beide Produkte. Darin findet man Absinth – das braucht es, wenn man die Appellation Wermut verwenden will – und ein Dutzend andere natürliche Komponenten. Diese Inhaltsstoffe ziehen für eine präzise Zeitdauer in einem besonderen Alkohol, der ebenfalls ein bedeutender Bestandteil dieses Geheimrezepts ist. Filtriert und mit dem Wein vermischt, wird unser Wermut von Hand in Flaschen abgefüllt.» JeanCharles Estoppey gibt zu, selbst vom Erfolg überrascht worden zu sein: «Die erste Abfüllung ergab je 300 Flaschen in Weiss und in Rot. Sehr schnell mussten wir ein zweites und ein drittes Mal abfüllen, diesmal deutlich mehr. Diese Diversifizierung erlaubt es Terres de Lavaux, einige Tausend Liter

Wein zu einem sehr guten Preis zu verkaufen (die Wermut-Flasche kostet pro Liter 38 Franken). Das hat die geschlossenen Restaurants nicht wettgemacht, aber es ist ein willkommener Zustupf. Wir freuen uns darauf, mit dem gleichen Schwung weiterzumachen, diesmal mit einem Rosé, der im April auf den Markt kommt!»

A retro look and a new taste for a Lavaux aperitif Despite retiring from the presidency of Terres de Lavaux, JeanCharles Estoppey is still a very busy man. “The idea came during a discussion I had with Helen Calle-Lin, the designer of the New-York wine bar that I created for Terres de Lavaux together with Domaine Chaudet. She brought up the fact that in Lavaux no one produced vermouth, neither white nor red, even though it was a product composed 90% of wine. We worked on a project with a micro-distiller from Chandolin

in Valais.” The collaboration gave rise to two aperitifs, a white one based on Chasselas and a red one. The recipe for 1890 Lavaux must remain secret. “Let’s just say there’s a finely detailed recipe for both products. They contain some absinthe, which is imperative if you want to call it vermouth, and a dozen or so other natural components. The ingredients are infused, for very precise periods, in a particular alcohol which is also an essential component of the secret recipe. Once it has been filtered and mixed with the wine, our vermouth is bottled by hand.”

Man findet Absinth darin – das braucht es, wenn man die Appellation Wermut verwenden will – und ein Dutzend andere natürliche Komponenten.

© Sandra Culand

Jean-Charles Estoppey, der Erschaffer des 1890 Lavaux, und Cindy Freudenthaler, die ihn im Präsidium von Terres de Lavaux in Cully abgelöst hat

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Text: Pierre-Etienne Joye Fotos: Sandra Culand

Terroirprodukte

Der Waadtländer Tomme − geschmeidig und vielseitig Der Waadtländer Tomme ist die Sache eines jeden Käsers, einer jeden Käserin. Meistens cremig, ja wunderbar schmelzend, bleibt der Tomme Vaudoise eine Referenz in der Milchlandschaft des Kantons. Oft im Schatten des illustren Vacherin Mont-d’Or, geht diese Weichkäsespezialität mit Weissschimmelmantel ihren eigenen Weg, und zwar mit Erfolg. Stets auf das Natürliche bedacht, verführen ihre gefüllten Versionen immer mehr Liebhaber.

The Tomme Vaudoise, a Supple and Versatile Cheese It is the business of every cheese maker. Mostly creamy, even runny, it continues to set the standard in the Vaud canton’s dairy landscape. Often overshadowed by the famous Montd’Or vacherin, this soft-ripened speciality has blazed its own trail. Remarkably successful in its natural form, its variants with diverse fillings are attracting increasing numbers of enthusiasts. A quarter of a Tomme Vaudoise, presented on a cheese board, is often keenly awaited at the close of an official ceremony or an office meeting. Mouthwateringly soft and rich, it catches the frenzied attention of hungry aperitif guests, clutching their glasses of

Chasselas wine. Indeed, the Tomme Vaudoise has all the finery to tempt any­ one who has the slightest weakness for good food. And understandably so! These small, tasty, soft-ripened cheeses are creamy and smooth. They have a delicately nutty taste. Nowadays, most Tommes Vaudoises are calibrated and made with pasteurised cows’ milk. But some are still made with raw milk. An ancient tradtion The Tomme’s history has been chronicled in various registers and old documents, often passed down from generation to generation by dairy processors and cheese-makers. According

to the Agence d'information agricole romande (AGIR ), written evidence can be traced back to 1815, with mention of a cheese-maker in Luins making the Tomme Vaudoise. The Swiss Culinary Heritage inventory indicates that the first explicit written mention of routine production of Tomme cheeses appeared at the end of the 19th century in the Vaud Jura and its foothills. The article adds that a report on the cooperating cheese dairies and mountain pastures of the Orbe and Vallée de Jouy districts (1890) classified the Tomme Vaudoise in the soft-cheese category. The 1895 Val de Joux Almanach describes this small-sized cheese as Le Guillon 58_2021/1  43


Die geronnene Milch oder Dickete wird auf die Formen verteilt. Danach werden die kleinen Käselaibe eine Woche lang affiniert.

Einige warten nur darauf, sich nach einer offiziellen Zeremonie oder einer geschäftlichen Sitzung an einem Viertel Tomme Vaudoise gütlich zu tun, der allein auf einem Tablett serviert wird. Beim Apéro macht er mit seiner daunenweichen weissen Haut und seinem schmelzenden Aussehen allen schöne Augen, der ganzen Clique, die sich ihm, ein Glas Chasselas in den Händen, freudig nähert. Ja, Mam’zelle, der Tomme Vaudoise hat sich speziell herausgeputzt, um wirklich jeder und jedem das Wasser

im Mund zusammenlaufen zu lassen, selbst denen, die etwas gar wenig Fleisch auf den Knochen haben. Das ist verständlich. Die appetitlichen kleinen Weichkäselaibe mit Edelschimmelrinde umschliessen einen weichen Kern. Ihr delikater Geschmack erinnert an ölhaltige Früchte. Heute werden die meisten Waadtländer Tommes kalibriert und aus pasteurisierter Milch fabriziert. Doch man findet auch noch solche aus Rohmilch (siehe Interviews). Eine alte Tradition Die Geschichte des Waadtländer Tommes? Sie wird da und dort in verschiedenen Archiven und alten Dokumenten erzählt, oft aber von Milchbauern oder Käsern von einer zur anderen Generation überliefert. Schriftliche Quellen von 1815 weisen eine Käserei in Luins aus, die gemäss der Agence d’information agricole romande (AGIR) Tommes Vaudoises produzierte. «Die ersten schriftlichen Zeugnisse attestieren eine regelmässige Fabrikation von Tommes Ende des 19. Jahrhunderts im Waadtländer Jura und seinen Ausläufern», gibt das Kulinarische Erbe der Schweiz an. Und fügt hinzu, der Rapport über den Wettbewerb der (Alp-) Käsereien in den Distrikten Orbe und Vallée de Joux (1890) klassiere den Tomme Vaudoise in der Kategorie der Weichkäse. Der Almanach Le Val de Joux von 1895 stellt diesen kleinen Käse als alte Tradition des Vallée de Joux vor. Andere Quellen verorten die ersten Spuren seiner Fabrikation im 17. Jahrhundert. Was sicher ist: Der Waadtländer genannte Tomme, hergestellt aus entrahmter Milch, stand am Ursprung eines zusätzlichen Produkts für den Hausgebrauch. Ein biss-

belonging to an old cheese-making tradition in the Vallée de Joux. However, other sources trace its original production back to the 17th century. What is certain is that originally the so-called Tomme Vaudoise was a complementary home-made product made from milk that was skimmed or produced from a second milking. Rather like Vacherin, it is less noble compared to Gruyere. Although the Tomme Vaudoise had certainly earned itself a solid reputation in the Vallée de Joux, it was always produced in other parts of the Vaud canton, and beyond, until the introduction 44


Terroirprodukte

chen so wie der Vacherin im Vergleich mit dem nobleren Gruyère. Der Tomme Vaudoise hat sich im Vallée de Joux eine solide Reputation erarbeitet, klar, doch er wurde seit jeher auch in anderen Teilen der Waadt und darüber hinaus produziert, vor dem Entstehen der kollektiven Molkereien. Die kleine cremige Scheibe erobert ab dem 19. Jahrhundert die Ebene, vom Jurafuss bis zur La Côte. Ab 1902 fabriziert man den Tomme auch in der Käserei von Payerne, seinem zweitwichtigsten Verbreitungsgebiet. Hier wird er richtigerweise «Tomme de Payerne» genannt. Doch schon bald überschreitet der Tomme Vaudoise die Kantonsgrenze und setzt sich in Bern und Neuenburg, ab 1927 aber auch in Genf durch. In Genf reissen die Laiteries Réunies des Arvetals den grössten Teil der Produktion an sich. Das ist bis heute so geblieben. Affinage auf Holzlatten Also, wie fabriziert man ihn denn nun, diesen Waadtländer Tomme? Das Basisrezept ist relativ simpel. Die Milch wird in den Kessel gegossen und zusammen mit Lab und Milchsäurebakterien (diese Beigabe ist bei Rohmilch überflüssig) auf durchschnittlich 35 Grad erhitzt. Es braucht grosso modo acht Dezi Milch, um einen Tomme von 100 Gramm zu produzieren. Die geronnene Milch (Dickete oder Gallerte) wird auf die Formen verteilt. Die Affinage auf Holzlatten dauert rund eine Woche. Die Käse werden häufig umgedreht, nach und nach bildet sich die Rinde aus und ein kleiner Flaum wird erkennbar. Ab jetzt ist der Tomme bereits essbar. Ein junges Exemplar zeichnet sich durch seine leichte Säuerlichkeit aus. Der

of collective dairy companies. By the beginning of the 19th century, production of this small, round-shaped, creamy cheese had extended into the lowland areas, from the foot of the Jura mountains to the Lake Geneva region. From 1902, the cheese was also produced at the dairy in Payerne which, not unsurprisingly, distributed it under the name of Tomme de Payerne. But the Tomme Vaudoise soon crossed into other cantons, into those of Bern and Neuchatel on one side and Geneva on the other. By 1927, the Geneva-based Laiteries Réunies du Val d’Arve had captured the

Tommes oder Tomes Es gibt nicht nur den Waadtländer Tomme. Und der Tomme hat manchmal nur ein «m». Im französischen Massif Central spricht man von Tome. Die berühmtesten sind die Tomes aus Laguiole oder Cantal. Mit ihnen hat die ländliche Bergküche den Aligot hervorgebracht, diese köstlich üppige Zubereitung auf der Basis von Kartoffelpüree, Knoblauch und Tome. Aus dem Tome der Auvergne bereitet man die Truffade zu, eine Art von Kartoffelgratin, der an die Tartiflette au Reblochon erinnert. Eine savoyardische Spezialität, die uns zu einem der berühmtesten Tommes aus dem Alpenraum führt: zum Tomme de Savoie. Im Gegensatz zum Tomme Vaudoise ist er viel voluminöser, seine Rinde hart und ins Dunkelgraue spielend. Nicht weit entfernt findet man den Tome des Bauges. Ja, nur mit einem «m». Tatsächlich haben Tomme und Tome denselben etymologischen Ursprung: «toma» werden in den Dialekten des Alpenraums die in den Alpkäsereien produzierten Käse genannt. Erwähnen könnte man auch noch den Tomme des Demoiselles in Québec oder den Tomme de Gressonay aus dem italienischen Aostatal. In der Schweiz kommt man nicht an den Tummeli oder Muschtli vorbei, wie der Tomme auf Schweizer- oder Walliserdeutsch genannt wird: Halbhartkäse mit gewaschener Rinde. Im Berner Jura und den jurassischen Freibergen findet man den Tomme de la Chaux d’Abel, einen Weichkäse aus Rohmilch mit hellbrauner-ockerfarbener Rinde. Um in die Waadt zurückzukehren: Der Cousin des Tomme Vaudoise, etwas flacher als Letzterer, ist der berühmte Tomme Fleurette aus Rougemont im Pays d’Enhaut. Es gibt noch eine ganze Fülle von Tommes aus Ziegenkäse, frisch oder gereift. Doch das ist eine andere Geschichte.

major part of production, and hold it to this day. Matured on a grid The basic Tomme Vaudoise recipe is relatively simple. Milk is poured into a vat and heated to 35 degrees, on average, with added rennet and lactic ferment (a superfluous starting culture in the case of raw milk). Roughly eight decilitres of milk are needed to produce a 100-gram Tomme. The curd thus obtained is put into moulds. Priming takes about a week. The cheese is flipped frequently and the rind gradually becomes

apparent, taking on a downy texture, at which point the Tomme is edible. A young specimen will have a hint of acidity. The flavour then develops and by the 20th day its texture becomes runnier. After that comes the mature stage with a more pronounced ammonia smell and taste, relished by some comsumers but rejected by others. AOC (controlled designation of origin) and AOP (protected designation of origin) dropped. These designations have been much discussed for more than 20 years. An 45


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Terroirprodukte

Geschmack entwickelt sich danach bis zum zwanzigsten Tag, mit einer fliessenderen Textur. Erst später erlangt der Tomme das Reifestadium, mit Akzenten von Ammoniak in Nase und Gaumen, von den einen gesucht, von den anderen gemieden.

Ein Klassiker: der Tomme aus dem Ofen In seinem Buch «À la mode de chez nous» (Editions Cabédita) konnte Michel Vidoudez den unumgänglichen «Tomme au four» nicht beiseitelassen. Hier sein Rezept: 4 Tommes Vaudoises 2 dl trockener Weisswein 3 Knoblauchzehen 8 Eier Muskatnuss Salz und Pfeffer

• Die Tommes (Sie haben fette, gut gemachte Exemplare ausgewählt) fein schneiden und in eine Backofenform legen. Den Wein darüber giessen und den gepressten Knoblauch darüber streuen. Mit einem Pfannenwender gut mischen und in den auf 250° C vorgeheizten Ofen schieben.

Aufgegebene AOC bzw. AOP Man spricht seit mehr als zwanzig Jahren davon. Ein Gesuch für eine Appellation d’origine contrôlée (AOC) wurde im November 1999 für den Tomme Vaudoise eingereicht. Michel Bory, damaliger Präsident des Branchenverbands, hatte das Dossier beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eingereicht, überzeugt davon, der Weichkäse werde problemlos das gewünschte Label erhalten. «Der Tomme ist ein diskreter, aber reizvoller Käse.» So die ersten Worte im Pflichtenheft, das die Anforderungen für die Produktion dieses typisch waadtländischen Käses beschreibt. Um dieses Produkt zu verteidigen und zu fördern, hatten sich Milchproduzenten und Käser in der Association Interprofessionnelle de la Tomme Vaudoise zusammengeschlossen. Damals gab Michel Bory an, die AOC biete nicht nur ökonomische Vorteile, sondern habe auch eine Bedeutung auf menschlichem, sozialem und kulturellem Niveau. Zur Erinnerung: Die AOC –  heute AOP (= Appellation d’origine protégée, geschützte Herkunftsbezeichnung) – schützt einen Namen, dessen Verwendung den Produzenten vorbehalten ist, die ein präzises Pflichtenheft einhalten. Sämtliche Herstellungsschritte des Produkts müssen in einer genau kartografierten geografischen Zone stattfinden. Michel Bory erklärt, dass das

BLW dieselben Kriterien anwandte wie für die Hartkäse. «Das konnten wir nicht akzeptieren. Im Moment, als wir die Kandidatur einreichten, war uns nicht wirklich bewusst, welche Zwänge das mit sich bringen würde. So gaben wir die Idee schliesslich auf. Beim Hartkäse erhitzt man die Milch normalerweise auf 55-57 Grad, was einen grossen Teil der pathogenen Keime eliminiert. Wir produ-

zieren bei 30-35 Grad, wie geht man also vor? Natürlich hätten wir zu Anfang jede Herde kontrollieren können, jede Milch, aber das war zu einschränkend. Deshalb haben wir uns entschlossen, mit Marken zu arbeiten, wobei jede Produktion ihre eigenen Charakteristiken aufweist, mit speziell abgestimmten Rezepten, für ein mehr oder weniger personalisiertes Resultat.»

AOC application was actually filed in 1999 with the Office fédéral de l'agriculture (OFAG) by Michel Bory, the then president of the trade association, who was convinced that the soft cheese would obtain the coveted label without too many problems. In the specifications defining the required conditions for producing this typical cheese of the Vaud region, the Tomme was described as ‘discreet and likeable’. Dairy and cheese producers constituted an Interprofessional Tomme Vaudoise Association to protect and promote the product. At the time, Michel

Bory pointed out that the AOC designation not only presented economic advantages but was also of human, social and cultural significance. It should be recalled that the AOC designation, now AOP, protects a name and all registered producers must observe precise specifications. All the production stages have to take place within a mapped out geographical area. Michel Bory explains that the OFAG was applying the same criteria as for hard cheeses. “We couldn’t take that on. When we filed our application, we hadn’t realised all the constraints involved. So, in the end,

the idea was dropped. For hard cheeses, the milk is generally heated to 55–57 degrees, which of course eliminates most of the pathogenic germs, but we heat ours to 30-35 degrees. So, what do you do? Sure, we could have monitored all the herds from the start and all the milks, but that would have imposed too many constraints. We therefore decided to focus on promoting the brands. Every production process has its own characteristics, and recipes are adapted accordingly to obtain a personalised end-product.”

• Die Eier aufschlagen und mit wenig Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen. Wenn die Tommes «geschmolzen» sind, die Eier hinzufügen und noch einige Minuten im Ofen lassen (bis sie fest werden). In der Backofenform servieren, zusammen mit geschwellten Kartoffeln, Kartoffelpüree oder Bauernbrot. Ein weiterer Klassiker: Tomme nature oder paniert, in der Pfanne gebraten. Das ist ganz einfach. Probieren Sie, ein wenig gemahlene Mandeln in die Panade zu mischen, und erzählen Sie mir vom Resultat. Mit einem grünen Salat und einem Chasselas supereinfach und supergut!

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Interviews

Serge André und seine Tochter Amélie: Das Savoir-faire wird seit drei Generationen weitergegeben.

Serge André ist Besitzer der Fromagerie André SA in Romanel-sur-Morges. Seit drei Generationen produziert die Familie André hier Käse, seit 1920, dank Serge Andrés Grossvater mütterlicherseits. Die heutige Käserei wurde 1978 von seinem Vater gebaut. Amélie und Robin führen die Familientradition an der Seite ihres Vaters weiter. Was ist das Besondere des Waadtländer Tommes? Die Besonderheit dieser Edelschimmelrinde ist, dass sie von Oïdium lactis gebildet wird und nicht von Penicillium camemberti (dem Pilz von Käsen wie Brie oder Camembert), deshalb ist die Rinde viel feiner. Früher wurde der Käse aus Rohmilch produziert, heute meistens aus pasteurisierter Milch. Bei uns macht man das so. Wir haben aber probiert, genau dieselbe Textur zu bewahren: fliessend und zart. Mit der Milch des Produzenten verändert man 48

keine Struktur. Es ist Vollmilch, der man keinerlei Fettanteile entzieht. Wir arbeiten an der Butterkultur als Ferment, um die Frische im Gaumen zu bewahren. Die Art der Herstellung ist dieselbe wie in alten Zeiten: konstante Temperatur und Rühren während zwanzig Minuten. Der Tomme wird sieben Tage lang gewendet, wie es sich gehört. Bei uns hat der Dorf-Tomme immer einen Durchmesser von elf Zentimetern und er wiegt 100 Gramm. Das ist unser zweitbeliebtestes Produkt nach dem Vacherin Mont d’Or.

Wie viele andere haben auch Sie Ihre Aromenpalette vergrössert… In der Tat. Die Nature-Version bleibt die wichtigste in unserer Produktion. Wir bieten einen weiteren Klassiker an: den Tomme mit Kümmel. Man fügt das Gewürz im Kessi bei, wie es die Tradition verlangt. Heute zerschneiden auch wir unsere Tommes nach acht Tagen, um sie beispielsweise mit Bärlauch, Basilikum, Feigen, Honig, Mandeln oder Trüffeln zu füllen. Das ist ziemlich in Mode. Aber eine Mode, die bereits seit rund zehn Jahren andauert. Ganz klar: Diese Zubereitungsart hat dem Konsum des Tomme Vaudoise neuen Schwung verliehen. Woher stammt die Milch? Aus nächster Nähe. Von Kühen in der Ebene. Wir sind in Morges, die Kühe also direkt rundherum. Der am weitesten entfernte Milchproduzent ist neun Kilometer weg. Wir legen etwa 50 Kilometer pro Tag zurück, um die Milch unserer neun Produzenten abzuholen. Wir produzieren zwischen 5000 und 6000 Tommes Vaudoises pro Tag, das ganze Jahr über. Übrigens: Sie wollten eine Idee, um den Tomme nature zu verändern? Ich wickle einen Tomme in ein Brik-Teigblatt ein und gebe das kleine Paket in die Fritteuse.


Danièle Magnenat produziert ihre Tommes de la Vallée immer noch strikt auf handwerkliche Weise.

Viele nennen Danièle Magnenat «die Seele von Séchey». Als erste Frau der Schweiz, welche die Meisterprüfung als Käserin bestanden hat, hat sie schon seit jeher Tommes gewendet. Zuerst, um ihren Eltern zu helfen, dann, als sie im Alter von zwanzig Jahren nach dem Tod ihres Vaters 1985 die Familienkäserei übernommen hat. Ihren Tomme de la Vallée stellt sie noch aus Rohmilch her. Es werden nicht mehr viele Waadtländer Tommes aus Rohmilch hergestellt… Das ist wahr. Es bleibt ein Nischenprodukt. Bis Ende der 1970er-Jahre wurde der Tomme Vaudoise immer aus Rohmilch fabriziert. Die Evolution und die hygienischen Vorschriften haben nach und nach dazu geführt, dass die meisten angefangen haben, ihre Milch für die Käseproduktion zu pasteurisieren, allen voran Mont d’Or. Doch meine Tommes mache ich weiterhin aus Rohmilch, in winzigen Mengen, im Vergleich zu anderen. Ich glaube, wir sind nur noch zwei, die Tomme Vaudoise aus Rohmilch anbieten.

Wir würden Sie Ihren Tomme definieren? Wenn er jung ist, besitzt dieser Käse nature einen leicht säuerlichen Geschmack, in dem man die laktischen Komponenten gut erkennt. Später, wenn er «à point» ist, bekommt er eine gewisse anmutige Säure. Man spürt seine Evolution, es ist schon nicht mehr derselbe Käse. Ich liebe es, mit diesem Produkt zu arbeiten, ich hänge sehr an ihm. Der Tomme de la Vallée hat meine ganze Kindheit begleitet. Er ist zum Markenimage des Hauses geworden. Seine Besonderheit ist natürlich die Verwendung von nicht thermisierter (und schon gar nicht pasteurisierter) Milch. Es ist wirklich hei-

kel, Weichkäse aus Rohmilch zu machen, und ich denke, nur wenige sind bereit, die Herausforderung anzunehmen. Die Nachfolge? Schwierig. Spielen Sie die Karte der geringen Mengen aus? Ich produziere zwei- bis dreihundert Tommes pro Tag. Das ist Handwerk. Die Verteilung ist tatsächlich recht eingeschränkt. Ich liefere nicht an Grossverteiler. Man findet meinen Tomme eher in kleinen Geschäften oder auf Märkten. Das ist eigentlich Direktverkauf, von uns an unseren Wiederverkäufer. Der klassische Tomme hat ehrlich gesagt den grössten Erfolg, der mit Kümmel gehört ebenfalls dazu. 49


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Sohn Valentin und Vater Michel: Die Borys präsentieren ihr Aushängeschild-Produkt, den Tomme Vaudoise de la Venoge.

Michel Bory betreibt seit 1985 eine grosse Käserei in Dizy. Mittlerweile ist sein Sohn Valentin, der mit ihm arbeitet, für die Produktion verantwortlich. Ein Familienbetrieb seit Generationen. Ihr Aushängeschild ist der Tomme Vaudoise de la Venoge, der weit über die Kantonsgrenzen hinaus verkauft wird. Wie hat sich der Tomme Vaudoise entwickelt? Michel Bory: Das ist ein Käse, der sich in den letzten zwanzig Jahren recht gut entwickelt hat. Es ist wichtig, diese typische Appellation weiterhin zu pflegen. Wir haben die Haltbarkeit des Produkts verbessert. Vorher wurden Tommes in Perioden mit schwacher Milchproduktion hergestellt. Heute dagegen das ganze Jahr über, dank dem Aufkommen moderner technischer Mittel. Dass wir den Tomme auch beim Grossverteiler anbieten können, hat auch zu seiner Entwicklung beigetragen. Valentin Bory: Wir haben nun einen standardisierten Fabrikationsprozess, sodass wir eine regelmässigere Produktion schaffen. Ist Rohmilch eine Option? Michel Bory: Wir produzieren seit 1965 Tommes Vaudoises. Mit Rohmilch haben wir nie gearbeitet. Das ist auf bakteriologischem Niveau viel zu riskant. In einer grossen Produktionskette – wir produzieren 300 Tonnen

pro Jahr, also 3 Mio. Stück – kann man sich das nicht erlauben. Das ist unmöglich. Doch unsere Tommes bleiben so natürlich wie möglich. Die Tommes werden jeden Tag aus der zweimal täglich gemolkenen Milch von sieben Produzenten der Region produziert, die Milch wird direkt in die Käserei geliefert. Die gefüllten Tommes sind en vogue. Auch bei Ihnen? Valentin Bory: Als andere Produzenten sie anboten, haben wir auch damit angefangen. Sie hatten tatsächlich von Anfang an einen gewissen Erfolg. Wir produzieren die gefüllten Tommes mittlerweile seit fast 15 Jahren. Wir bieten immer wieder neue gefüllte Tommes an. Es muss sofort funktionieren, denn es gibt bei unseren Kollegen schon eine schöne Auswahl in diesem Segment.

Die Interviews führte PEJ 51


© Edouard Curchod

The Governor The Confrérie du Guillon with its 4,000 fellow members is headed by a governor who is aided by two assistant ‘lieutenant governors’. This trio steers the Minor Council, or government, which comprises five other councillors chosen from among the ranks of the Grand Council, or legislative chamber. Jean-Claude Vaucher, appointed in 2012, is only the sixth governor to lead this Bacchic congregation, founded almost seventy years ago. Often referred to as the Most High, he is present at all the events of the Confrérie, wearing a blue gown, a gold-coloured cape

and a golden chain. He is reponsible for administering newcomers’ oaths at induction ceremonies and presenting the chalice to new fellow-members with the words: “Drink this wine and be as good as it!” Seated at the central table facing the monumental fireplace, he presides at the banquets and opens festivities with the Winegrower’s Prayer. And once the cantors have finished presenting the wines, he pronounces the much-awaited En Perce! With these words, the guests are authorised to taste the wine they had already been admiring in their glasses. Alexandre Truffer, Echotier

EXKLUSIV op

ssh im Museum h c erhältli

Durch Badoux-Vins in den Kellergewölben von Chillon gekeltert. Der Grand Cru AOC Lavaux wird im Untergeschoss des Schlosses ausgebaut.

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Botschaft des Gouverneurs Jean-Claude Vaucher

2020, das Virus-Jahr Ich möchte hier nicht von dem reden, was wir in den letzten zwölf Monaten erlebt oder vielleicht eher nicht erlebt haben! Die Medien haben uns schon reichlich mit Informationen eingedeckt, von denen die einen beängstigender waren als die andern. In dieser Masse schlechter Neuigkeiten, wir sprechen hier insbesondere von den wiederholten Schliessungen, der Wirtschaftskrise, den zögerlichen Impfungen und den überlasteten Spitälern, sind die seltenen erfreulichen Botschaften untergegangen, um nicht zu sagen verheimlicht worden. Eine, die völlig unter dem Radar flog, ist die Qualität des Weinjahrgangs 2020. Die turbulente Zeit hat in völliger Diskretion Klasseweine hervorgebracht. Der 2020er ist widerspruchslos ein ganz grosser Tropfen dieses Jahrhunderts, selbst wenn er die wenig ruhmvolle Zahl des Virusjahres tragen wird. Die Chasselas-Qualität steht ihren prestigeträchtigen Vorgängern, den exzellenten 2017, 2018 und 2019, in nichts nach, im Gegenteil. Einige Spezialisten werden ihn als runder qualifizieren als den 2017, als ausgewogener als den kräftigen 2018 und als gehaltvoller als den 2019. Dieser Erfolg ist deshalb so aussergewöhnlich, weil vier prächtige Jahrgänge aufeinander folgen. Dabei darf nicht vergessen gehen, dass wir vor dem 2017 bereits den meisterlichen 2015 eingekellert hatten, der seine beachtliche Frische bis heute bewahrt hat. Und da sind auch noch die 2012 und die 2011, die «Musts» dieses Jahrzehnts bleiben und die die Herzen aller Liebhaber von reifen Chasselas höher schlagen lassen. Sieben ausserordentliche Jahrgänge innerhalb von zehn Jahren, das hat es noch nie gegeben. Im

Rückblick gab es zwei, höchstens einmal drei Jahrgänge, die wirklich überdurchschnittlich waren. Aber in diesen letzten Jahren wurden wir Zeugen einer unglaublichen Gleichmässigkeit, wobei der Chasselas sein qualitatives Potential vollumfänglich ausspielte. Was für ein Glück! Diese Erfolgsserie ist natürlich dem Fachwissen unserer Winzer zu verdanken, die sich der Perfektion verschrieben haben, und ein wenig auch der willkommenen Unterstützung durch den Wettergott. Die Klimaerwärmung beeinflusst – ob es uns gefällt oder nicht – unbestreitbar die positive Entwicklung der Weinqualität. Sie begünstigt die Frühzeitigkeit des vegetativen Zyklus, der sich konkret durch eine raschere Knospenbildung im Frühjahr auszeichnet und so schon die Lese im September ermöglicht. Die oft verteufelte und dämonisierte Klimaerwärmung kann in gewissen Fällen auch positive Auswirkungen haben. Das Klimajahr 2020 bestätigte übrigens diese Frühzeitigkeit. Auf einen speziell milden Winter folgte eine rasche und viel versprechende Knospenbildung. Die frischeren und feuchten Bedingungen während der Blütezeit minderten dann den Ertrag. Der heisse und trockene Sommer ermöglichte die perfekte Reifung einer beschränkten Ernte von schöner Struktur und Konzentration, die sich Feinheit und Eleganz bewahrte. Ein ganz grosser Wein! Wenn Sie es satt haben, eingeschlossen zu bleiben, und vor allem, wenn Ihnen Ihre Freunde fehlen, dann werden diese angesichts der ausgezeichneten letzten Jahrgänge Ihrem Chasselas-Angebot nicht widerstehen können!

Le Guillon 58_2021/1  53


Text: David Moginier, Tabellion Fotos: Edouard Curchod und Déclic

Die süsse Erinnerung an die Inthronisationen Erinnern Sie sich? Es ist noch gar nicht so lange her, 2019, gestern also! Und doch scheint es uns, als hätten die letzten Ressats du Palais et des Rois vor einer Ewigkeit stattgefunden. 18 Monate lang hat das Château de Chillon seine Pforten nicht mehr geöffnet, weder für Damen in Abendkleider noch für Herren in dunklen Anzügen oder Conseillers in schweren Roben. 18 Monate, in denen sich die beiden «Guillons», in die Kellerfässer gesteckt, keinen Millimeter bewegt haben, um neue Compagnons auf die Probe zu stellen. Wer dereinst als erster dran ist mit dem «tirer au guillon», mag sich vorsehen – das Holz dürfte trocken sein!

Die Ressats du Palais, Inthronisationen im Frühling 2019.

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Die Wehmut lässt dieses Zeremoniell noch schöner erscheinen – wenn das überhaupt möglich ist –, diesen Aperitif, der die Inthronisationen begleitet, dieses Festessen und diese erstklassigen Reden. In jener Zeit, Sie erinnern sich, teilte man ein Glas, um den göttlichen Nektar zu kosten, was bedeutete, dass man der Confrérie beitrat, «um diesen Wein zu trinken und so gut zu sein

wie er». Man drückte der neuen Dame Compagnon, dem neuen Compagnon, dem neuen Conseiller die Hand. Unvorsichtig, wie wir waren, erschaudert der grosse Alain, der es gerne sähe, wenn all diese Gesten einer brutalen Geselligkeit definitiv der Vergangenheit angehören würden. 2019 sind 172 Anwärter zum Heiligen Gral vorgedrungen, haben den von den Göttern gesegneten Chasselas gekostet und die Insignien der weinseligsten und fröhlichsten aller Bruderschaften des Kantons erhalten. Unmöglich, sie hier alle aufzuführen, Junge und nicht mehr ganz Junge, Frauen und Männer, angesehene Persönlichkeiten und Unbekannte. Sie alle teilen die Passion für Waadtländer Wein und gutes Essen.


Wehmütige Erinnerungen an die Ressats

Ein wundervoller Brief an die Confrérie du Guillon, verfasst von Khany Hamdaoui.

Mit neun von ihnen haben wir gesprochen; sie erzählen uns von ihren Emotionen, ihrem Vergnügen, ihrer Überzeugung. Sie freuen sich schon jetzt auf die herbstlichen Ressats des Durs à Cuire. Darauf, diese besondere Ambiance wieder zu erleben, in Rede und Geselligkeit, bei der schöne Weine und gute Speisen im Zentrum einer Soirée stehen. Möge ihr Wunsch, schnell nach Chillon zurückzukehren, erhört werden! Die Kunst des Repräsentierens Die Direktorin des Théâtre Montreux Riviera hat die Confrérie du Guillon spät entdeckt. «Ich war zu einem Ressat eingeladen und bin daraus wie aus einem Traum erwacht. Ich sagte meinem Mann, dass ich zurückkehren möchte und seither lassen wir uns das nicht mehr entgehen. Wir haben sogar unseren Hochzeitstag dort gefeiert.» Die frühere Moderatorin bei RTS liebt gutes Essen und gute Weine, sie hat also auf dem Schloss das gefunden, was sie motiviert, «verbunden mit Texten von Qualität». 2019 inthronisiert, freut sie sich aufs Wiederkommen. «Ich habe nichts zu kritisieren, ich liebe alles. Die Texte und den Humor. Die Chansons der Gais Compagnons oder die Jagdhörner. Ich liebe auch dieses Ritual, sich vorzubereiten und schön anzuziehen, da ist man schon im voraus ein wenig aufgeregt.» Sie, die noch nie bei den Quatre Heures war, findet, man könnte mehr Leute daran teilhaben und vielleicht die Lieder begleiten lassen. «Und ich fände es genial, wenn Frauen in den Conseils Einsitz nehmen würden. Als erste Frau im Rotary Club von Echallens kenne ich die Rolle der Pionierinnen.» Khany Hamdaoui bleibt also eine enthusiastische Ambassadorin: «Der Guillon bedeutet mir wirklich etwas, das trage ich auch nach aussen. Sagen Sie, wann geht es wieder los?»

«Lieber Gouverneur, lieber Chancelier, liebe Compagnons, Was war das für eine Freude, als ich in meinem Briefkasten Post mit den unverkennbaren Insignien der Confrérie entdeckte! Ob wohl endlich der Moment des Halalis auf diese Situation gekommen war? Das Vorzeichen der baldigen Rückkehr des Schlemmens in guter Gesellschaft? Hatte Dionysos auf die mit Inbrunst vorgetragenen orphischen Hymnen reagiert? Oder wurden meine zahlreichen vinösen Anti-Covid-Tests ohne mein Wissen als von öffentlichem Interesse anerkannt? Mit klopfendem Herzen und zitternden Händen (mangels Wein?) öffne ich also dieses Schreiben mit dem köstlichen Duft der Ressats… Ahhh… Was sehe ich? Was lese ich? Schwinden mir die Sinne? Werden meine kühnsten Hoffnungen erfüllt? Ja? Nein! Vielleicht… Wie Robinson hoffe ich, der Guillon möge den Weg zu meiner Insel des unfreiwilligen Exils finden, zur Verschollenen, von hochfliegenden Spässen Abgeschnittenen, zur unschuldigen Strafgefangenen. Bei jedem Anzeichen glaube ich daran. Atemlos vor lauter Hoffnung, die Augen verschleiert von bittersüssen Tränen, beweine ich unsere FrühlingsRessats, das Fest der Quatre Heures du Vigneron (des unermüdlichen Helden unserer Begegnungen), grüsse eifrig die harten Kerle – die, daran zweifle ich nicht, im Moment des Wiedersehens weich wie Butter sein werden – und stelle mir diesen ersehnten Augenblick vor, untermalt vom Klang der Jagdhörner! (…)»

Khany Hamdaoui an den Ressats des Rois, Herbst 2019.

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Photo: Régis Colombo/www.diapo.ch

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Wehmütige Erinnerungen an die Ressats

Christian Oppliger an den Ressats des Rois, Herbst 2019.

Der Pilot hebt ab vor lauter Glück Für einen Typen, der dafür bezahlt wird, in die Luft zu gehen, ist es ein Vergnügen, eine willkommene Entspannung, sich ins Château de Chillon zu setzen. Christian Oppliger ist Versuchspilot in der Schweizer Armee, zwischen Bern und Payerne, und ein passionierter Skifahrer. Der Vater von drei Kindern hat die Confrérie durch seinen Schwiegervater Franco Pasquali entdeckt, der ihn vor einigen Jahren eingeladen hatte; an dem Tisch mit vielen Freunden sass auch Daniel Borel. «Das war eine Entdeckung! Die Weine, die Küche, das idyllische Dekor, die fabelhafte Ambiance.» Als «Patenkind» von Daniel Borel und Philippe Gex hat er bei Letzterem mit dem Guillon geübt, bevor er im Herbst 2019 inthronisiert wurde, «ein sehr guter Moment», unterstreicht der Weinliebhaber, der gerne Winzer besucht. «Wenn man mit dem Produzenten diskutiert und seine Arbeit sieht, bekommt der Wein einen anderen Geschmack.» Sein Keller ist schweizlastig, aber auch ein wenig italienisch und französisch.

Der Pilot findet die Ressats weder zu lang noch zu kurz. «Und die Auftritte der Conseillers sind beeindruckend, diese Redegewandtheit, dieser Humor, das ist sehr stark!» Da er regelmässig in Bern wohnt, hat er entdeckt, dass es hier einen Cotterd gibt. «Sobald uns Corona in Frieden lässt, könnte ich hingehen. Und wieder einmal an einem Ressat teilnehmen.» Das Interesse der Jungen gewinnen Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Wenn man einen derart versierten Papa in Sachen Wein hat wie Daniel Dufaux, kann man gar nicht anders als in diese Welt einzutauchen. Deborah Dufaux studiert an der

Hotelfachschule von Lausanne und macht einen Stage in Zürich. Erraten Sie, wo? In der Casa del Vino! Sie hat bereits im Vinorama in Rivaz gearbeitet, ihren Vater zu Degustationen auf der ganzen Welt begleitet. Und ab 16 an ihren ersten Ressats teilgenommen. Sie, die Gamaret, Garanoir oder Petit Verdot liebt, schätzt auch trockene Weissweine. Und Chasselas, selbstverständlich. Nicht erstaunlich, dass sie der Confrérie beitreten wollte, um hier den Platz der Jungen zu verteidigen: «Ich bade im Universum des Weins, ich wäre gerne das Bindeglied, um das Interesse der Jungen zu wecken.» Sie liebt das Zeremoniell auf Chillon und schätzt die «superinteressanten» Präsentationen, auch wenn sie einräumt, nicht immer alle Anspielungen zu verstehen. «Der Guillon sollte den Jungen andere Aktivitäten anbieten, damit diese mehr Gelegenheit haben, sich für Wein zu interessieren. Warum nicht Degustationen bei den Produzenten? Denn auf Chillon kann man nur mit den Tischnachbarn kommunizieren.»

Deborah Dufaux an den Ressats des Rois, Herbst 2019. 57


Frédérique Riesen und ihr Bruder Nicolas an den Ressats du Palais, Frühling 2019.

Gisèle Chevillard an den Ressats du Palais, Frühling 2019. 58

Ein Plädoyer für die Geselligkeit Schuld ist ihr Vater, Compagnon der Confrérie seit 1982. «Er erzählte meinem Bruder und mir immer voller Wärme davon. Er sagte: Ihr müsst beitreten und hat uns vorgeschlagen», erzählt Frédérique Riesen. Die Anwältin – ihre Mutter stammt aus Gruyère, ihr Vater aus Villeneuve – hat vor vier Jahren in Bulle eine Kanzlei eröffnet, vor einem Jahr eine zweite in Vevey. Nachdem Marcel Riesen und unser Chancelier die Patenschaft für die Geschwister übernommen hatten, doch vor

ihrer Inthronisierung verstarb ihr Vater leider. «Bevor ich das erste Mal dabei war, hatte ich keine genauen Vorstellungen, da ich keiner anderen Bruderschaft angehöre. Ich wusste nur, dass man gut isst und trinkt.» Der jungen Frau hat es gefallen: das Essen, die Gesellschaft, die Präsentationen. «Auch wenn ich als Frau bei gewissen Scherzen die Stirn runzle…» Bei ihrer Inthronisierung im Frühling 2019, die zu den Cent pour Cent der letzten Fête des Vignerons gehörte, hatte sie das Vergnügen, mit dem Regisseur zu diskutieren. Daniele Finzi Pasca wurde nämlich am selben Abend geehrt. Und sie freut sich auf die nächsten Ressats: «Ich habe vor, Freunde mitzubringen.» Aus dem Nähkästchen plaudern Die Conseillers du Guillon kennt sie gut. Sie defilieren alle vor ihr, um sich ihre Roben anfertigen zu lassen. Mit Gisèle Chevillard verliert man nie den Faden, denn die Lausannerin ist aus dem Stoff von Heldinnen gemacht. Zwischen Massnehmen, Anproben, Änderungen spricht unsere Näherin positiv, trotz all der Revers, deren Kehrseite sie schon gesehen hat. «Das ist schon speziell, Männer, die sich Roben schneidern lassen», lacht sie. «Aber dadurch habe ich eine Familie kennengelernt, die zusammenhält, die eine echte Brüderlichkeit verbindet.» Gisèle trinkt keinen Wein, nicht einmal einen Fingerhut voll. Aber sie hat vor einigen Jahren ihr erstes Ressat besucht. «Das


Wehmütige Erinnerungen an die Ressats

Loïc Brawand an den Ressats des Rois, Herbst 2019.

ist wunderbar zeremoniell, in diesem aussergewöhnlichen Rahmen. Es ist ausserhalb der Zeit, man erlebt dort ein paar Stunden lang etwas Tiefgründiges. Man wird sich bewusst, dass es nicht bedeutungslos ist, da zu sein.» Unsere Näherin hat sich keine Sekunde gelangweilt, sie, deren «Sinn für Humor mich immer gerettet hat». Im Frühling 2019, als sie eingeladen wurde, um inthronisiert und geehrt zu werden, wollte sie zuerst ablehnen. «Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt.» Ihr Sohn drängte sie zuzusagen, und sie hat es nicht bereut. «Diese Ressats sind wie ein Theaterstück, ich finde das wunderschön. Ich freue mich, wenn sie wieder stattfinden.»

pagnon der Confrérie du Guillon zu werden, auf Anregung von seinem Onkel und von Alain Barraud. «Bei meinem ersten Ressat fand ich die Ambiance sehr sympathisch, das Essen exzellent und die Weine natürlich Spitze. Ich liebe die Traditionen, und ich liebe es, wenn alle sich schön anziehen für diese Soirée.» Der FDP-ler wurde bei den Stadtratswahlen von Vevey nicht gewählt, erreichte aber ein ehrenvolles Resultat. Er wartet ungeduldig auf die Wiederaufnahme der Ressats, auf die Warmherzigkeit dieser Abende auf Chillon. Noch ungeduldiger allerdings wartet er auf die Geburt seines zweiten Kindes. Eine zauberhafte Jugend Laeticia Dutoit hatte bereits zweimal an einem Ressat teilgenommen, bevor sie im Herbst 2019 inthronisiert wurde. «Wenn ich diese Reden höre, diesen Witz und die Phantasie der Conseillers, finde ich das unglaublich.» Dabei kennt sich die ehemalige Vizepräsidentin der Fédération Vaudoise des Jeunesses Campagnardes mit Monsterempfängen und Humor bestens aus. «Doch uns

gelingt es nicht, die Leute den ganzen Abend über am Tisch zu halten», lacht sie. Die Biotechnologin ist auf dem Land grossgeworden, in Chavannes-sur-Moudon, wo sie ein Haus gebaut hat. «Ich interessiere mich sehr für das Tagesgeschehen, und ich liebe die Anspielungen darauf, die während der Ressats gemacht werden. Es stört mich nicht, dieses exzellente Essen und diese Weine mit Leuten zu geniessen, die älter sind als ich. Und ich habe auch kein Problem als Frau…» Sie hat sich schon für den Herbst angemeldet, um den Guillon ihrem Papa und einigen Freunden vorzustellen. Sie hat in ihrem Keller auch Walliser Crus, ihre Mutter stammt ja aus dem Vieux Pays, und weisse Elsässer, weil sie die liebt. «Wir haben eine önotouristische Charta ausgearbeitet für die Landjugend, um die Waadtländer Weine in den grossen Festzelten zu fördern.»

Laeticia Dutoit an den Ressats des Rois, Herbst 2019.

Sanitär statt Winzer Der 31-jährige Veveysan schlägt nicht aus der Art: Sein Onkel ist kein anderer als Raymond Favez, König der Fête des Vignerons 1999. Als er jünger war, hat Loïc Brawand ihn oft in die Reben begleitet, bis er seine Lehre als Sanitärinstallateur begann. «Mein Onkel schlug mir vor, Winzer zu werden. Ich bin seinem Rat nicht gefolgt, aber ich erinnere mich noch an den Geruch der Reben beim Schneiden oder Auslauben.» Bei der letzten Fête des Vignerons ist der Direktor einer Gesellschaft mit 60 Mitarbeitenden fleissig defiliert, als einer der 100 Suisses. Die Gelegenheit für den Wasserspezialisten, Chasselas zu trinken, den er liebt. Und die Geselligkeit einer Truppe zu entdecken, die ihn dazu gedrängt hat, Com59


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Wehmütige Erinnerungen an die Ressats

Die Konstruktion des Vergnügens Er verbringt zwar seine Tage damit, in seinem Atelier in Lausanne Häuser zu entwerfen, doch in seiner Freizeit hat Raphaël Dessimoz andere Pläne. Seit er in den Reben seiner Grosseltern im Zentralwallis stand, hat er den Wein geliebt. Doch die Offenbarung kam, als er bei der letzten Fête des Vignerons bei den 100 Suisses mitmachte. «Ich habe vor, während und nach der Fête regelmässig viele Winzer besucht. Einer meiner Freunde, der im Conseil der Confrérie von Vevey ist, hat mich ermutigt, mich für dieses kulturelle Erbe zu engagieren.» Er bedauert, dass Schweizer Rebbau und Wein europaweit kaum bekannt sind. Im Frühling 2019 inthronisiert, war er schon im Herbst wieder auf Chillon dabei. «Ich mag den Kontrast zwischen dem strengen Zeremoniell und dem Humor der Präsentationen. Das erste Mal habe ich nicht alle Anspielungen verstanden, weil ich nicht in der Region geboren bin. Aber ich liebe diesen satirischen Charakter.» Was ihm am Schlossleben ebenfalls gefallen hat, ist der schnelle Service, die Qualität der Speisen. Doch das hindert ihn nicht daran, davon zu träumen, die Confrérie würde ihre alten Steinmauern hin und wieder verlassen. «Nur weil etwas perfekt funktioniert, heisst das nicht, dass man es nicht weiter entwickeln könnte.»

Raphaël Dessimoz und Antoine Vauthey an den Ressats du Palais, Frühling 2019.

Ein genussvoller Mondial Wir erreichen Thomas Costenoble in Belgien, sprühend vor Energie und trotz Corona mitten in der Organisation des Mondial de Bruxelles, des grössten Weinconcours, der dieses Jahr in kleinem Rahmen in Luxemburg stattfinden wird. Als der Wettbewerb 2019 in Aigle Halt machte, packte die Confrérie du Guillon die Gelegenheit beim Schopf und inthronisierte den Generaldirektor des Mondial.

«Ohne Schmeichelei: Das war die schönste Inthronisation, die ich je erlebt habe. Und glauben Sie mir, ich habe viele erlebt! Es gibt so viele verstaubte, ältliche, die an die erste Etappe in Richtung Friedhof erinnern. Die Organisation beim Guillon ist unglaublich, mit viel Kreativität und grossem Vergnügen, das spürt man.» Doch damit nicht genug der Lobpreisungen! «Der Rahmen ist einzigartig. Die Soirée strahlend, höchst amüsant. Nur eines ist zu bedauern: dass um Mitternacht Schluss ist. Nur schon wenn ich mit Ihnen darüber rede, erschauere ich vor Glück und bekomme Gänsehaut. Ändern Sie ja nichts!» Der Önologe hat den Chasselas dank Nicolas Joss entdeckt. Und ist sein bester Botschafter in Belgien geworden. «Das ist der perfekte Wein für Geselligkeit und Austausch. Eine Flasche allein ist nie genug!»

Thomas Costenoble an den Ressats du Palais, Frühling 2019. 61


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Text: Claude Piubellini, Prévôt Fotos: Edouard Curchod

Petit-Conseil

Es tut sich etwas im Petit-Conseil… Beim Guillon scheint alles in Stein gemeisselt zu sein, dazu bestimmt, die Ewigkeit zu überdauern, mindestens.

Jean-François Anken (hier an der Seite des Gouverneurs Jean-Claude Vaucher) reicht den Stab weiter an Eric Loup.

Nach Jahren guter und loyaler Dienste wünschte unser Lieutenant-Gouvernal Jean-François Anken seine Verantwortung an einen jungen Wolf abzugeben (das Bild drängt sich auf…), herausgepflückt aus dem Gehege des Grand-Conseil der Confrérie. Sehr zu Recht hob der Petit-Conseil unseren Frère de Robe Eric Loup, bisher talentierter Chantre & Clavendier, in dieses höchst verantwortungsvolle Amt, ganz in Blau gekleidet. Was als simples «fait d’hiver» erscheinen könnte – im Moment, da diese Zeilen geschrieben werden, kündigt sich der Frühling erst an –, verdient aber ein kurzes Zurückspulen, um die beiden Protagonisten in den Fokus zu stellen.

In den Zaubertrank gefallen wie einst Obélix Zuerst Jean-François Anken. Als Sohn des zweiten Gouverneurs unserer Confrérie konnte er gar nicht anders, als sich gut zu entwickeln. Mit gerade einmal 19 Jahren wird er 1966 Compagnon. 1972, das Diplom als Arzt in der Tasche, spezialisiert er sich auf Allgemeinmedizin FMH und eröffnet 1979 seine Praxis in Préverenges. Nach und nach beginnt er seine Aktivitäten, innerund ausserhalb des Berufs, auszudehnen. So wird er 1985 in die Conseils berufen, wo er in der Truppe derer glänzt, welche das Publikum unterhalten, bei den Chantres & Clavendiers. Dank seinem Eifer wird er 1990 in den Petit-Conseil katapultiert, wo er Le Guillon 58_2021/1  63


Andy Linherr, abtretender Légat...

das Office des Vins Vaudois präsidiert. Drei Jahre später übernimmt er an der Seite des neuen Gouverneurs Louis Ormond den begehrten Posten des Lieutenant-Gouvernal. Einige (zu) kurze Erklärungen zu diesem Posten: Der Gouverneur – der wahre «Commander in chief» der Confrérie – kann auf zwei Lieutenants zählen; einer von ihnen trägt den zusätzlichen Titel Konnetabel. Letzterer kümmert sich um die inneren Angelegenheiten, also um die Organisation von allem, was im Schoss der Confrérie abläuft. Der zweite Lieutenant ist gewissermassen der Aussenminister und verantwortlich für alles, was ausserhalb des Kantons vor sich geht. Er steht also den Cotterds vor, den Botschaften des Guillons. Ausserdem ist er gegenüber der Confrérie verantwortlich für die Revue du Guillon und repräsentiert die Confrérie bei befreundeten nationalen und internationalen Bruderschaften. Unser Freund Jean-François hat also nach einer Karriere von stolzen 36 Jahren in den Conseils, davon 31 Jahre im PetitConseil, das Honorariat beantragt, das ihm selbstverständlich summa cum laude gewährt wurde. Wenn das kein Vorbild ist! Und nun zu Eric Loup. Der Bankangestellte hat seine Sporen bei der BCV abver-

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...David Moginier, neuer Tabellion und...

dient und sich danach bei der Raiffeisen des Gros-de-Vaud entfaltet, wo er heute Präsident der Direktion ist und die Umwandlung in eine Vorzeigebank für die ganze Gruppe verantwortet. Im Alter von 25 Jahren 1987 als Compagnon eingetreten, wurde er 2013 in die Conseils berufen. Als hyperaktiver Epikureer engagiert er sich in etlichen Vereinen, so in der Fédération Vaudoise des Jeunesses Campagnardes (deren Ehrenpräsident er ist). Und seit 2021 ist er im Petit-Conseil mit der Aufgabe des Lieutenant-Gouvernal betraut. Es tut sich auch etwas in den Cotterds! Wenn es einen emblematischen Conseiller gibt, den alle Aficionados der Cotterds seit langem kennen, dann ist das André Linherr. Sohn des verstorbenen Conseillers Walter Linherr, ehemals Kellermeister der Confrérie, tritt er 1993 als Compagnon mit kaum 23 Jahren in die Confrérie ein und wird fünf Jahre später Conseiller, bevor er 2009 den delikaten Posten als Légat übernimmt und gleichzeitig in den Petit-Conseil aufgenommen wird. Der Légat ist der Chef der Préfets und die Triebfeder der Cotterds, was voraussetzt, dass er die Sprache Goethes und Dürrenmatts einigermassen beherrscht. Ausser-

halb unserer Kantonsgrenzen pausenlos im Einsatz, übt er dieses Amt elf Jahre lang aus, bevor er es in andere Hände zu legen wünscht. Dienen und verschwinden? Nicht ganz, denn der erfahrene Weincourtier will sich weiterhin bei unseren Anlässen einbringen und seine Freundschaft mit uns teilen, nur mit etwas weniger Druck als zuvor. Tatsächlich wurden die Cotterds kürzlich durch eine umfassende interne Reorganisation umgekrempelt, die sie buchhalterisch von der Confrérie abtrennt. Da das eine das andere nach sich zieht, mussten neue Strukturen und neue Reglemente geschaffen werden. Der Picasso der Feder wird zum Erneuerer der Cotterds Diese Stilübung wurde Claude-Alain Mayor anvertraut, unserem ehemaligen Tabellion, einem sicheren Wert in unserem Petit-Conseil. Es schien in den Augen unseres Gouverneurs vollkommen auf der Hand zu liegen, dass kein anderer als der geborene Organisator und Mann des Vertrauens, Saint-Chasselas komplett ergeben, die Légature übernehmen konnte. Um die frohe Botschaft des Guillon in dem, was jeder rechte Waadtländer gerne als «feindliche Gefilde bezeichnet», zu verkünden, also


Petit-Conseil

...Claude-Alain Mayor, abtretender Tabellion und neuer Légat (hier in Gesellschaft von Nouria Hernandez, Rektorin der Universität Lausanne).

nicht auf Französisch. 1992 dem Guillon beigetreten, wird er 2006 Conseiller bei den Chantres & Clavendiers, wo er mit einer Wortgewandtheit und einem Humor glänzt, die einhellig geschätzt werden. Er gilt schon seit langem als geschliffener Schreiber und drei Jahre später gelangt er als Tabellion in den Petit-Conseil und folgt so auf Édouard Chollet (der bei dieser Gelegenheit Chancelier wird). Elf Jahre lang gelingt es ihm, die gemeinhin unverdaulichen Protokolle in humoristische Goldstücke zu verwandeln, von jedem Conseiller ungeduldig erwartet und mit Behagen degustiert. Eine echte Tour de force. Klar, dass dieser ehemalige Lieutenant-Colonel alle unsere Préfets im Gänsemarsch antreten lässt, um Cotterds in allerbester Ordnung und grösster Pünktlichkeit zu garantieren. Er ist auch Dreh- und Angelpunkt (und Generalsekretär, du meine Güte!) des Mondial du Chasselas. Seit einigen Jahren organisiert er mit Unterstützung von Clos, Domaines & Châteaux die Verleihung des Guillon d’Or an (meist Schweizer) Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur. Um unseren Tabellion zu ersetzen, brauchten wir also einen lachenden Dritten, einen Experten der Schreibfeder und einen

Apostel Epikurs. Wir haben ihn gefunden, und zwar in einem frischen, in der Materie erfahrenen Conseiller, unserem Freund David Moginier, Schriftsteller und Journalist von schönem Renommee. 2011 als Compagnon Majoral eingetreten, als Würdigung seines Parcours als ausgewiesener Gastronomiespezialist, wird er 2018 Conseiller als Chantre & Clavendier. Es bleibt kaum Zeit, die Tonleitern zu üben, denn schon wird er 2021 in den Petit-Conseil und auf den Posten des Tabellion berufen. Unlängst noch König der Nachtschwärmer, wird dieser Feinschmecker weder rasten noch ruhen, sondern unsere Sinne verwöhnen und uns Schlemmer-Epistel präsentieren, auf deren Verkostung wir uns bereits jetzt mit neu erwachtem Appetit freuen! Wenn der Petit-Conseil hier grosses Stühlerücken zu spielen scheint, dann geschieht das vor allem, um diverse verantwortungsvolle Posten mit ausgewählten Persönlichkeiten zu besetzen, die sich unter den Mitgliedern der Confrérie verbergen, und auf diese Weise das Fortbestehen einer jovialen Dynamik zu garantieren, und zwar mit dieser so waadtländischen Ernsthaftigkeit, die jede und jeder bei unseren Anlässen zu schätzen weiss.

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Text: Alexandre Truffer, Echotier Fotos: Edouard Curchod Illustration: Carolina Mangiavacchi

o you speak Guillon? Mit ihrem komplexen Zeremoniell und ihren mehr oder weniger durchsichtigen Ritualen verfügt die Confrérie du Guillon auch über ihre eigene Sprache. Wenn beispielsweise der Ruf „en perce“ ertönt, dann gibt es keinen Bezug zum früheren Reich des Schahs und auch nicht zur heutigen Republik Iran. Es handelt sich dabei einfach um die Einladung, aus dem Glas zu trinken, das die Gäste bis zu diesem Moment nur bestaunen durften. Die „Guillon-Sprache“ hat ihre Tücken, deshalb erhalten Sie hier eine kleine Einführung in das Vokabular der Liebhaber der Waadtländer Weine.

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Guillon-Lexikon

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Guillon

(1) Kleiner, konischer Holzzapfen von fünf Zentimeter Länge, der ein Loch in der Fassdaube verschliesst. Gebräuchlich ist der Ausdruck in einem Dreieck zwischen Saint-Maurice, Lyon und Macon. Es handelt sich um den Diminutiv von «guille», einer lokalen Änderung des Wortes «quille» (Kegel), an dessen Form der Guillon erinnert. Erstmals verbucht ist das Wort im Théâtre d’agriculture et message des champs. Dieses 1605 erschienene Werk von Olivier de Serres, der als Vater der französischen Landwirtschaft gilt, wurde im Verlauf des 17. Jahrhunderts nicht weniger als 19 Mal neu aufgelegt.

Compagnon

Zusammengesetzt aus den lateinischen Worten «cum» und «panis» ist der Compagnon jener, mit dem man das Brot teilt. Was den Guillon betrifft, so legt er den Begriff deutlich grosszügiger aus als die römische Wölfin: Mit dem Compagnon teilt man den Wein, den Vacherin Mont-d’Or, die Steinpilzsuppe aus dem Saanenland, die Hummerpastete an Newburg-Sauce und das mit Wacholder und Buchenholz geräucherte Rehfilet. Es hat nichts mit der Grammatik zu tun und auch nicht mit deren Vereinfachung durch die Waadtländer Pädagogen, dass der Compagnon sich problemlos in den Plural setzen lässt, aber keine weibliche Form kennt. Heute, wo Die Schleife längst nicht mehr das Privileg der Conseillers ist, nennt man die inthronisierten Frauen Dame Compagnon.

Ressat

Vom Latein ins Frankoprovenzalische transferiert war das Ressat ursprünglich das von einem Landwirt oder Winzer den Angestellten offerierte Essen, das den Ab-

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schluss der landwirtschaftlichen Arbeiten feierte. Entsprechend und satt nach einem guten Mahl kann der im Guillon aufgenommene nach einem denkwürdigen Abend auf Schloss Chillon betonen, dass er «reçu» (oder eben «ressu», aufgenommen) ist.

Cotterd

Für die Taufe ihrer Botschaften im ausserkantonalen Gebiet griffen die Guillon-Gründer nicht auf das Altgriechische oder Lateinische zurück. Die regionalen Gruppierungen von Compagnons sind weder Symposien, Betriebe noch Botschaften, sondern fröhliche Cotterds. Dieses Waadtländer Dialektwort bezeichnet den Ort, wo man sich versammelt zum Reden, wo man Freunde trifft und mit ihnen tratscht. Zwar gibt es das Verb «cotterger» und auch das Substantiv «cottergeur», das aber mehr den reulosen Schwätzer als den feinen Redner bezeichnet, aber beide sind auch im Guillon wenig gebräuchlich.

Préfet

Zwar wurde für die Taufe der Botschaften des Guillon auf das Frankoprovenzalische zurückgegriffen, aber für ihre Chefs bediente man sich wieder des klassischen Lateins, das man mit Jakobiner-Französisch adelte. Früher waren die Préfets hohe Beamte, die man mit den wichtigsten Geschäften der Republik und des Reichs betraute. In der modernen französischen Verwaltung vertreten die Préfets in den verschiedenen Regionen und Departementen die Exekutive. Auf Schloss Chillon erkennt man sie an ihrem violetten Umhang. Diese Farbe, die in der katholischen Liturgie für die Buss- und Trauerzeit reserviert ist, symbolisiert den Schmerz dieser Herzens-Waadtländer darüber, dass sie

in Regionen leben müssen, wo der Chasselas wie im Jura, in Zürich, im Tessin oder in Savoyen in den Rebbergen Seltenheitswert hat.

Légat

Er ist der einzige hohe Würdenträger der Confrérie, der die deutsche Sprache beherrscht und deshalb mit den Beziehungen zu den Cotterds betraut ist. Damit diese idyllisch bleiben, werden nur aussergewöhnliche Persönlichkeiten mit dieser Aufgabe betraut. Der Légat muss über die Autorität eines Oberfeldweibels sowie das diplomatische Gespür eines Talleyrand verfügen und zudem die Feinheiten der schwachen Deklination perfekt beherrschen. Er muss auch dann einen kühlen Kopf bewahren, wenn die Stimmung ausgelassen wird. Gegenüber einem fordernden Préfet, der ihn mit einem trockenen «Ein Glas, Légat?» empfängt, antwortet dieser gut geschult «eine Unze reicht!». Diese Deeskalationstaktik ist so effizient, dass der Vatikan seine Légats in Apstolische Nuntien (päpstliche Gesandte) umgetauft hat.

Ministériaux

Unter diesem Namen werden Fanchettes, Kellermeister, Assistenten, Hausmeister und Schneiderin zusammengefasst. Wikipedia lernt uns, dass die Ministériaux am mittelalterlichen Hof Bedienstete mit einer spezifischen Funktion waren, Abfüller, Kammerherr oder – man staune – Connétable (vgl. weiter unten).

Fanchettes

(2) In den Vierzigerjahren eröffnete Hélène Chessex in einem Gässchen im Alten Montreux ein Kellerlokal mit dem Namen 67


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Guillon-Lexikon

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«Cave à Fanchette», wo die Stimmung fröhlich und die Weine aus dem Waadtland waren. Das Servicepersonal war so tüchtig, dass die Fanchettes von der Taverne de Chillon und dann von der Confrérie rekrutiert wurden. Sie tragen die Waadtländer Tracht, wobei die Kopfbedeckung weggelassen wird, und angeführt werden sie von einer «Generalin».

erklärungen kundzutun. Bis die Hérauts wieder beschäftigt wurden, um den Frieden auszurufen, überliessen sie das Feld ihren Homonymen, den «héros» (Helden). Mit ihrer Stentorstimme erklären die Hérauts des Guillon zu Beginn der Ressats die Tischregeln und kündigen Chantres und Clavendiers an.

Clavendier

(4) Wie für die Minstériaux stammt dieses Wort vom lateinischen «ministralis», der Bedienstete. Als die Höfe anspruchsvoller wurden, ersetzte man die Ménestrels nach und nach durch Troubadours. Im Guillon ehrt dieser Titel den musikalischsten unter den Conseillers, jenen, der den Chor der Gais Compagnons leitet.

Das klösterliche Amt ist eine Ableitung des Lateinischen «claviger», das Schlüsselträger bedeutet. Im Kloster ist der Clavendier verantwortlich für das Verteilen der Vorräte und ihre Konservierung. Beim Guillon kümmert sich der Clavendier jedoch mehr um die Konversation. Seine Präsentation der Gerichte soll den Appetit der Gäste anregen und sie erfreuen, während die Chantres mit ihrem eloquenten und poetischen Lob der Weine durstig machen.

Prévôt

Die Website des Guillon verweist darauf, dass die Prévôts beauftragt sind, im Namen der Conseils und des Gouverneurs die Absichten, die Seelenlage und die Philosophie der Confrérie zu verkünden. Das etymologische Wörterbuch präzisiert, das Wort bezeichne einen Offizier, der für Disziplin sorge, oder aber den ältesten Häftling im Gefängnis, der die Insassen anführe. Abgeleitet vom Lateinischen «an der Spitze von» eröffnet der Prévôt die Inthronisierungs-Zeremonie mit seinem «Salut», in dessen Verlauf er die Jahreszeiten von Rebe und Wein feiert.

Héraut

(3) Diesem Offizier (Herold) oblag es, feierliche Ankündigungen oder auch Kriegs-

Ménestrel

Hoqueteau

(5) Als Weibel führt er den Umzug an und kündigt mit heftigen Schlägen die Rituale an. Dafür benutzt er seinen Stab, der von einer Figur mit dem Namen «Masse» gekrönt ist. Das jedenfalls entnimmt man den Archiven des Guillon. Es scheint eigentlich logisch, dass der Ausdruck entweder von «hochet» (Rassel) oder vom Verb «hoqueter» (Schluckauf) abgeleitet wurde. Aber dem ist nicht so! Die Wörterbücher geben als Bedeutung einhellig eine kleine Baumgruppe an.

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dass dieser hohe Würdenträger die Confrérie manchmal als Augias-Stall voller Esel und Dickköpfe sieht, das wäre in der Tat eine bösartige Unterstellung.

Connétable

Vom 12. Jahrhundert an bezeichnet dieser Titel im französischen Königreich den höchsten militärischen Grad. Im Guillon ehrt er den Gouverneursleutnant, der die Logistik überwacht. Im tiefen Mittelalter verantwortete der comes stabuli die königlichen Stallungen. Deshalb aber anzunehmen, 69


Text: Claude-Alain Mayor, Légat

Anthologie 1993-2019

Vom Waadtländer Wein inspirierte Perlen und Schmuckstücke Nach dem Ziehen am Guillon ist der künftige Compagnon eingeladen, sich vor dem Abschluss der Gralssuche einer – zumindest für gewisse unter ihnen – noch anspruchsvolleren Prüfung zu unterziehen: Er muss sich im Goldenen Buch mit einer Botschaft und seiner Unterschrift verewigen. Eine archäologische Expedition in den wertvollen, mit Kalbsleder gebundenen Blättern, die in den Archiven der Confrérie sorgfältig aufbewahrt werden, zeugt von der Inspiration der Anwärter im Verlauf der letzten 27 Jahre. Von ihrem Paten darauf vorbereitet, was sie erwartet, haben die meisten Autoren eines Ressat-Abends einen Entwurf vorbereitet, der es ihnen ermöglicht, ihrer Pflicht im Keller rasch nachzukommen und sich für den Aperitif zu den andern Gästen zu gesellen. Es gibt Minimalisten, die sich mit einem Bravo au Guillon, Hoch lebe der Waadtländer Wein oder einem Toller Abend aus der Affäre ziehen und ihrer Begeisterung auf kürzest mögliche Art Ausdruck verleihen. Den meisten liegt aber viel daran, ihre Anerkennung und Freude mit einem sorgfältig durchdachten Bekenntnis zu bekunden, von denen einige gerne für die Nachkommenden von Interesse sein können, zumindest in einem Artikel in dieser Zeitschrift. Schöne Worte in unleserlicher Schrift Die Confrérie du Guillon rekrutiert einen ungewöhnlich hohen Anteil ihrer Mit-

glieder in der Ärzteschaft. Darauf lässt das immer wiederkehrende Gekritzel schliessen, das an Unleserlichkeit grenzt und zur Annahme verleitet, dass der Autor lieber anonym bleiben möchte als den Ruhm zu ernten, den er seinem Talent verdanken könnte. Das bestätigen übrigens die noch zahlreicheren unleserlichen Unterschriften. Die genialen Dichter und Prosaautoren, die sich in den vorangehenden Zeilen erkennen, werden es uns sicher nachsehen, dass wird ihre unvergängliche Produktion nicht zitieren. Übrigens möchten wir doch auch die Vorausschauenden erwähnen, die ihren sorgfältig vorbereiteten Text aus der Tasche ziehen, aber nur ein Schreibgerät mit ablaufender Lebensdauer mitführen, so dass die Tinte immer schwächer wird und sie schliesslich in einer andern Farbe weiterfahren, weil ihnen ein mitfühlender Conseiller wohltätig aushilft.

P.S.: Die Widmungen wurden in der Alltagssprache ihrer Autoren wiedergegeben, damit die Gedanken der Neuankömmlinge getreulich nachvollziehbar sind.

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Livre d'Or

Les perles Les réforme de l'école vaudoise – et les autres – étant passées par là, on ne saurait reprocher à la majorité des contributeurs d'être de leur époque. L'hêtre humain Auprès de mon arbre, je vivais heureux...

Entouré de conseillers pleins de nobles ressentiments Seigneur, préservez-moi de mes amis!

Le cèpe met cinq mois pour donner du sucre à ses fruits Ça, c'est du spore!

Un honneur que je veillerai à perpétrer... A qui profite le crime?

Les papies gustatives Les mamies aussi dégustent bien.

La Confrérie cultive la bonne chair Jusqu'au cannibalisme?

Une belle bouteille aréolée d'une belle étiquette Bon sein ne saurait mentir.

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Quelques célébrités A tout seigneur, tout honneur, place à quelques «pointures» politiques, économiques, sportives ou du monde des arts. Pour être grands de ce monde (ou du moins du canton), ils n'en sont pas toujours plus assurés face à la page blanche.

Et si le château de Chillon, vieux paquebot amarré à sa terre vaudoise, larguait ses amarres pour partir à l'aventure, comme une nouvelle Arche de Noé, il emporterait un bel et bon échantillon d'humanité, les compagnons du Guillon. Ils referaient le monde plus fraternel, plus joyeux, pacifique, uni par l'amour de la nature, de la vigne et de l'équilibre. Pascal Couchepin, conseiller fédéral 2002

Desde Toro a Montreux hay un solo camino: El de la musica y el vino. Y la amicitad. Jesus Lopez Cobos, chef d'orchestre 1995

La Suisse est le pays le plus instable du monde: elle change de président chaque année.

De Gilly à Saint-Saphorin en passant par Grandvaux et Aigle, j'ai toujours habité au milieu des vignes, et à proximité immédiate d'un carnotzet. Ceci explique peut-être une certaine prédestination au maniement du guillon.

Jean-Pascal Delamuraz, président de la Confédération 1996

Pierre Keller, directeur ECAL 2003

Qu'un Combier soit du Guillon compagnon d'honneur Est-ce là sage décision, ou pari un peu fou? Tremblez... les Calamin, Luins, Aigle Monseigneur, Demain, plus de sapins, mais parchets au Risoud!

C'est grâce au Pays de Vaud où j'ai obtenu mon diplôme à l'Ecole Hôtelière de Lausanne que j'ai pu exercer ma fonction de Grand Chambellan depuis 57 ans. Le roi Pumipol est très attaché à ce canton puisqu'il y a luimême vécu toute sa jeunesse et fait ses études à Lausanne. Il a surtout, depuis toujours, conservé et cultivé des liens amicaux, culturels et politiques avec le Pays de Vaud et la Suisse.

Charles-Louis Rochat président du Grand Conseil et futur conseiller d'Etat 1997

Je suis un produit suisse, représentant des générations futures, tâchant de répandre au Japon et à l'échelle internationale l'influence de la Suisse. Mitsuhei Murata, ambassadeur du Japon 1998

De la Syrie au Sénégal, de la Turquie à la Tunisie, combien ils m'ont manqué, les vins vaudois! Mais ils n'ont rien perdu pour attendre! Je me rattraperai, foi de compagnon. Pierre Barraz, ambassadeur, 1998

Oserai-je l'avouer? Je suis parti autour du monde sans prendre de réserve de vin (j'avais trop peur de devoir jeter une bouteille de nectar comme lest...). Heureusement que le vol n'a pas duré plus de 20 jours et que j'ai l'occasion de me racheter ce soir en noble compagnie! Bertrand Piccard 1999

Les gouvernants peuvent être renversés, mais ce qui restera, c'est l'amour du vin. Josef Zizyadis 2001 il sait de quoi il parle ...

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Khwankeo Vajarodaya Grand Chambellan du Roi de Thaïlande 2003

Dans toute chose, le féminin sublime le masculin et inversément: L'étiquette, le flacon, La bouteille, le vin, L'effeuillage, la vigne La Confrérie, le guillon.

Claudine Amstein directrice CVCI (et résolument féministe) 2004


Livre d'Or

Notre Bacchus qui êtes aux cieux, Que ton moût soit vinifié, Que ton Beaujolais arrive, Donne-nous aujourd'hui nos trois décis quotidiens. Pardonne-nous nos piquettes, Comme nous pardonnons aussi à ceux qui sont bouchonnés. Ne nous soumets pas à l'abstinence, Mais délivre-nous du mildiou, Car c'est à toi qu'appartiennent Le rouge, le blanc et le rosé, Aux ceps des ceps, Santé! François Silvant 2004

Mettre de l'eau dans son vin est une hérésie qui condamne le fin gourmet. Faut-il que la politique soit bien malade pour y trouver l'expression d'une vertu? Philippe Leuba, alors directeur CVI, 2006 A mettre en rapport avec cette très jolie réponse indirecte:

Nos amis bourguignons constatent que les meilleurs crus se situent toujours à mi-pente. Et s'il en allait de même de la gestion de la chose publique? Jean-Louis Gehrig 2007

Certes, le vin nous apporte bonheur, joie de vivre et bonne humeur. On le sait aussi efficace contre les maladies du cœur – celles qui font le plus mal... Et moi, chirurgien du cœur, suis particulièrement fier ce soir de pouvoir rendre un hommage sincère au vin et à ses artisans. René Prêtre 2010

J'aurais voulu être un artiste, Pour être châtelain du Guillon, Un soir d'automne deux mille dix, Et c'est signé Luc Plamondon. Luc Plamondon 2010

Pour un musicien, suivre les partitions vinicoles est un grand plaisir. Le vin chante et vous fait chanter, comme un beau violon de Stradivarius. Pierre Amoyal 2010

Der Wein steht für Freude, Freunde, Freundschaft. Der Wein verbindet unser Land. Le vin parle toutes les langues. Ueli Maurer, conseiller fédéral 2011

Vaud: questo meraviglioso Cantone, con le sue generose vigne e I prelibati frutti delle stesse, è stata la terra dell'inizio della mia vita coniugale, a Lutry nel 1996. Ignazio Cassis, futur conseiller fédéral 2011

Accorder le bon vin au bon mets est un art. L'accorder également au bon mot sera une contrainte supplémentaire à laquelle mon statut de compagnon d'honneur m'obligera dorénavant. Eveline Widmer-Schlumpf, conseillère fédérale 2011

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Les citations Plus confiants dans la plume des grands auteurs que dans leur propre talent, beaucoup préfèrent leur laisser la parole, négligeant au passage, pour certains, le recours aux guillemets... Parmi les favoris: C'est Dieu qui créa l'eau, mais l'homme fit le vin Victor Hugo

Un soir l'âme du vin chantait dans les bouteilles [...] Un chant plein de lumière et de fraternité. Charles Baudelaire

Miracle du vin qui refait de l'homme ce qu'il n'aurait jamais dû cesser d'être: l'ami de l'homme. René Engel

Le vin est la partie intellectuelle d'un repas, les viandes et les légumes n'en sont que la partie matérielle. A. Dumas

Qui n'aime vin, femmes ni chansons, toute sa vie sot restera. Martin Luther

Qui sait déguster ne boit plus jamais de vin, mais goûte des secrets. S. Dali

Boire un verre au tonneau Entre joyeux compères, C'est tenir dans son verre Quand on a le cœur chaud, C'est tenir dans son verre Tout le canton de Vaud! Gilles

Chez nous, les hommes devraient naître plus heureux et plus joyeux qu'ailleurs, car je crois que le bonheur vient aux hommes qui naissent là où l'on trouve le bon vin Léonard de Vinci (orthographié Vincy par un afficionado de La Côte)

Certains textes sont plaisamment détournés: Les sanglots longs des ressats de l'automne réjouissent mon palais d'une saveur autochtone. On ne voit bien qu'avec le vin, l'essentiel est invisible pour les yeux. Que dans ces lieux règne à jamais l'amour du vin...

Soucieux sans doute de convoquer leurs souvenirs de collège, d'aucuns s'en remettent au latin, donnant, c'est le cas de le dire, dans l'ultra-clacissisme: Vinum bonum deorum donum Bonum vinum laetificat cor hominis In vino veritas Uti non abuti Nunc est bibendum. Toujours en référence au latin, mais en plus original:

Veni, au château Vidi, le tonneau, Vici, le guillon. Signature illisible, 1999


Livre d'Or

Les apophtegmes Quelques amoureux de la formule brève ont laissé de fortes pensées, empruntées ou non: Le vin entre et la raison sort. La terre est basse, le ciel est haut, le guillon juste à la bonne hauteur! C'est en forgeant qu'on devient forgeron, et en ripaillant compagnon... Oh raisin, prends ton temps... tu finiras pressé! A vaincre sans baril, on triomphe sans boire. Attribuée aussi à Carlos

Chi mangia e beve solo, crepa solo, Chi lo fa in compagnia, vive in allegria! Les tonneaux vides et les sots font le plus de bruit. Bacchus a noyé plus de marins que Neptune. Sans Cérès et Bacchus, Vénus a froid. Une barrique de vin vaudois peut provoquer presque autant de miracles qu'une église pleine de saints. Quand je bois du vin vaudois, j'écris à l'encre sympathique. Quand le Rhône devient Léman, le fendant devient chasselas. Le vigneron... ce Picasso de la grappe de raisin. Un partisan du cubitainer?

Le seul moyen de savoir si son dernier verre de vin est de trop, c'est de le boire. Ein Menü ohne Wein kann nur ein Frühstück sein! Les vins vaudois sont tellement bons que l'on en boit tous les jours s'il n'y en a pas d'autres. Il en va des bouteilles de vin vaudois comme des banques: elles sont incontournables, pleines de liquide et on ne peut pas vivre sans! Pierre Mirabaud, président de l'Association suisse des banquiers 2006

L'humour involontaire (ou peut-être pas?) Certaines dédicaces traduisaient l'émotion du moment, visaient à l'originalité ou un brin de lyrisme, sans aucune malice. Il aura fallu la patine du temps ou l'esprit un peu retors de l'auteur de ces lignes pour qu'elles prennent une dimension plus ambiguë. Tant d'honneurs, après tant d'années... c'est une réelle émotion! Jacques Treyvaud, président BCV 1995 La Confrérie aurait-elle un peu attendu pour reconnaître ses mérites?

Aussi maladroit que lors des tirs militaires, je suis soulagé d'avoir accompli le rituel du tir au Guillon en n'ayant éclaboussé que moi-même. Vincent Grandjean 2009 Pourrait-on en déduire a contrario que l'inhabileté de notre chancelier d'Etat au fusil d'assaut a fait quelques victimes collatérales?

J'aspire à croire que le vin me rend immortel, et le défendrai jusqu'à mon dernier soupir. Stéphane Pilloud 2013 Le paradoxe poussé à l'extrême.

Une soirée unique où je me rends compte que de manier le guillon est probablement plus difficile que de gérer un aéroport. André Schneider, directeur de Cointrin 2017 Il n'est pas impossible que l'exercice 2020 ait inversé le jugement.

Un verre de vin, un bon repas, des rires et de l'amitié... Le Pays de Vaud offre tout ce qui est bon pour la santé. Johann Schneider Ammann, Conseiller fédéral 2017 Les connaisseurs auront apprécié la chute.

Descendant, un jour, par les sentiers rocailleux du Domaine des Faverges, J'embarquai sur mon fier destrier lacustre et dressai la vergue. Deux vers anonymes, dont la rime, si elle laisse phonétiquement sur sa faim, ne manque pas d'audace.

Si tu choisis l'incinération, sache que ce sera ta dernière cuite.Tandis qu'enterré, tu auras toujours une chance d'avoir un petit verre dans le nez. Parole d’une praticienne expérimentée: Coraline Egger... médecin-légiste 2012

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L'apologie du vin Au risque de nous faire rougir, nos hôtes sont souvent dithyrambiques à l'égard du vin vaudois. Ces compliments sont surtout du miel à nos oreilles quand ils proviennent de l'étranger. Tous les honneurs sont les bienvenus. Mais celui-ci avive mon plaisir d'être en Suisse, et dans ce cher Pays de Vaud où j'ai trouvé, depuis bientôt un demi-siècle, mes secondes pénates. Et la compagnie du mystique et élégant chasselas qui m'entoure, à Perroy, de toute part. Claude Imbert, fondateur du journal Le Point 2010

Le vin vaudois n'est pas rude, mais surtout bon, voire rude bon. Vincent Claivaz Martigny 2013

Seit 20 Jahren verkoste ich Weine aus aller Welt. Der Chasselas ist ein Juwel in der globalen Weinwelt – keine traubensorte zelebriert Finesse, Eleganz, Charme und Charisma so finessenreich wie der Chasselas. Hier im Kanton Waadt findet man die schönsten Weine – einmalig und voller Trinkfreude. Chandra Kurt 2014

C'est au Japon que j'ai réellement découvert la grande qualité des vins vaudois. J'ai été particulièrement séduit par la finesse et l'élégance de certains chasselas, ce fier étendard du patrimoine viticole du canton. Ce voyage initiatique, par-delà Nagoya et Tokyo, m'amène aujourd'hui dans ces murs ancestraux. Christian Rappaz 2015

Il existe en France une fâcheuse tendance à considérer notre vignoble comme unique et inégalable. Le leitmotiv de l'excellence est une spécialité suisse, le monde entier le sait ! et il s'étend jusqu'aux vins de cette région, qui conjuguent avec un égal bonheur l'utilisation d'un terroir exceptionnel, l'authenticité et la tradition. J'ai pu m'initier, grâce notamment à Jérôme Aké Béda, à la profondeur historique d'un chasselas comme à ses qualités de vieillissement. Didier Lasaygues, notaire à Paris 2018


Livre d'Or

Les envolées lyriques Le bout rimé est une des formes d'expression préférées des auteurs d'un soir immortalisés sur le Livre d'or. Il est vrai que la prosodie (pas toujours respectée) et les rimes (parfois approximatives) confèrent de l'allure, voire une certaine grandeur à l'écriture. Certains versificateurs n'ont pas hésité à coucher sur le papier des sonnets entiers, la plupart se sont contentés de quatrains. La réussite était parfois au rendez-vous, comme en témoignent les quelques exemples ci-dessous. N'est point devin Qui ne devine Que jus de vigne Divin, devint Puissant levain, Ce malin vin, Qui vous convainc Et puis vous vainc! Luttons... en vain,... Vive le vin! Georges-L. Boisot 1996

Oignant le chant de l'amitié Qui fait vibrer nos vies vaines Berçant nos improbables peines Le vin rend nos cœurs émeutiers. Scellant notre fraternité C'est l'âme et le sang des coteaux Qui nous abreuvent en ce château Nous irrigant d'éternité. Jean-Marc Spothelfer 1997

Il y a des jours où c'est comme ça: On se réveille simple pékin, Le soir venu, Dieu sait pourquoi, On s'endort en prince du vin! Christian Veyre 2003

Un jour, c'est promis je chanterai le vin En notes pétillantes sur portées gouleyantes. J'y mettrai les bons mots, les rires des copains, J'en louerai la tendresse, les audaces, l'harmonie. Tant de perles au palais, tant de bulles à l'esprit, Et le monde refait, les soucis oubliés, Le vin, souvent, m'a fait chanter. Ce soir, c'est lui qui m'enchante. Bernard Volery, chef de chœurs et compositeur 2003

Merci, chers compagnons, de m'accueillir en votre aréopage Pour louer nos vins vaudois et leurs nobles cépages. Mais pourquoi vouloir me faire tirer au guillon, Alors qu'il est si simple de verser directement sur le pantalon? José Birbaum 2008

Mais bien heureusement, il y a le Guillon, Pour sortir le Vaudois de ses sentiers modestes Et ainsi éviter qu'à jamais il ne reste A jouer au petit entre Genève et Sion. Voici que dans les verres nos grands vins se succèdent, Que les mets savoureux enchantent nos palais, Que nos zygomatiques, stimulés par les traits, Pour digérer sont bien les plus joyeux des aides. Et pendant tout un soir, c'est la vie de château. Le Vaudois, enivré par autant de grandeur, Se laisse même aller à jouer les seigneurs, Ce qui ne se fait pas au bon Pays de Vaud. Alor, tu le mérites, ma belle Confrérie, Qui nous enchantes ici en nous donnant du rêve: A ta santé mon verre, enthousiaste, je lève, Pour conclure heureux, en te disant merci. Eric Cottier, 2008 Pour être procureur, on n'en est pas moins poète.

La même année, Pierre-Gabriel Bieri imagine en vers une initiative populaire prohibitionniste et termine par sa consigne de vote: Dans tous les lieux publics où l'on peut boire un verre, Bannissons de l'alcool toute consommation, Car sa nocivité est on ne peut plus claire. Qu'on y affiche, au titre de la prévention, Photos de foies malades, de nez cramoisis, De permis de conduire ayant été saisis! (…) Lorsque viendra le temps de cette votation, Il s'agira alors... d'y faire opposition! Cette drôle d'initiative, chasse-la! Voilà comment notre Guillon s'exprimera.

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Text: Fabien Loi Zedda, Conseiller und Ehrenpräsident des Weinmuseums in Aigle Fotos: Confrérie du Guillon

Nachruf

Manchmal schelmisch... aber immer voller Weisheit und gesundem Menschenverstand

Jean-Louis Simon, Differenzierung, Kultur und Geist Der im 1930 geborene Jean-Louis Simon war der sehr geschätzte Chef der Eidgenössischen Weinbauanstalt auf dem Domaine du Caudoz in Pully, dann Chef der Abteilung Weinbau und Önologie der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt, heute Agroscope. Honorarprofessor François Murisier, der 1993, dem Jahr seiner Pensionierung, seine Nachfolge antrat, bezeichnet es „als grosses Privileg, während 15 Jahren sein Stellvertreter gewesen zu sein“. Jean-Louis Simon war sowohl Forscher als auch Lehrperson, insbesondere an der Schule in Changins. Zu jener Zeit gab es nur eine Leitung für die Schule und die Forschungsstation und der Wissenschaftler hat Generationen von künftigen Winzern und Ingenieuren sein grosses Wissen vermittelt, das von Weisheit, aber auch Erdverbundenheit zeugte. Das Werk Viticulture, das er mit vier Schweizer Kollegen koordinierte, war

während langen Jahren DIE Referenz für Studenten und Praktiker. Das Buch erhielt nach der Erstausgabe den Preis der OIV, der Internationalen Organisation für Rebe und Wein, deren Schweizer Delegierter er war. Er war übrigens auch Präsident des Internationalen Rebveredlerverbands. Die Rebsortenkunde (Ampelografie) hat ihn von Anfang an begeistert. Zusammen mit André Jacquinet hat er das Selektionsprogramm von zwei Kreuzungen von Chasselas X Chardonnay initiiert, von Doral und Charmont, gefolgt von Gamaret und Garanoir. Er setzte sich auch für die Aufwertung der Chasselas-Vielfalt ein und hat im Weinberg verschiedene Chasselas-Typen ausgemacht, die heute im Konservatorium des Chasselas in Rivaz, seiner Heimatgemeinde, inventarisiert sind. Seine wertvolle und unerschütterliche Unterstützung anlässlich der Neugestaltung des Weinmuseums im

Schloss Aigle ist allen, die sich darum bemühten, in bester Erinnerung. Stark engagierte er sich auch in der Confrérie des Vignerons als Vizepräsident. Er wirkte mit bei der Organisation von Winzerfesten und präsidierte etwa die künstlerische Kommission für das Winzerfest 1999. Während 25 Jahren war er Conseiller in unserer Confrérie, wo er distinguiert und leidenschaftlich am Werk war, insbesondere als Chantre et Clavendier. Jean-Louis Simon genoss dank seiner grossen Kompetenzen, seines Humanismus und seiner Gradlinigkeit die einhellige Anerkennung der Weinbranche. Bevor er sein Ingenieurstudium begann, war er Winzer in Rivaz. Daher zeugt zweifellos seine Schollenverbundenheit, die er mit viel Wissen anreicherte. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau Marthe und seiner Familie.

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Die Kolumne von Michel Logoz

Impressum – Le Guillon 58_2021/1

Leben unter Vorbehalt! Wenn es die gesundheitlichen Bedingungen erlauben… Wenn uns der Impfstoff in genügender Menge und zeitnah geliefert wird… Wenn meine Mutter einen Rothschild geheiratet hätte, dann wäre ich nicht hier, am spenden… Vorbehalte gibt es für jeden Geschmack, für jede Lage, für jede Art und Weise: lustig, grausam, geistreich oder makaber! Eines aber ist gewiss: Es wäre schön, wir müssten uns nicht ad vitam aeternam dem Chaos des Vorbehalts unterziehen! Viele Produzenten, Winzer und Weinhändler befinden sich heute aber in dieser Lage, weil ihre Verkaufspolitik auf die Hotellerie, Kaffees und Restaurants ausgerichtet ist, deren Türen teilweise weiter verschlossen sind. Es ist die Regel und auch Brauch, dass diese Winzer und Weinhändler, im Einklang mit der Gastronomie, mit ihrer treuen Kundschaft enge Beziehungen pflegen und sie auf ihr Gut einladen und Degustationen organisieren. Weil sie ihre Anhängerschaft momentan nicht empfangen können, müssen sie dieser ihre Angebote schriftlich unterbreiten. Ein magerer Trost. Natürlich können sie sich, um neue Kunden zu finden, auf das Schlachtfeld der Grossverteiler werfen. Aber aufgepasst! Wie sollen sie ihren Abnehmern erklären, dass die Flasche in ihrem Keller 19 Franken kostet, der Aktionspreis in den Regalen aber 12 Franken beträgt? Ausgeschlossen, dass man den Namen des Familienguts in diesem gefährlichen Abenteuer riskiert. Nur: Grössere Häuser sind schon lange an diesen periodischen Promotionsreigen gewohnt und können das Hindernis umgehen, indem sie originelle und unterschiedliche Etiketten drucken, die ausschliesslich für die Grossverteiler im ganzen Land zum Einsatz kommen. Dazu gehört dann aber auch eine diesen Volumen angepasste Logistik, um die Sortimente richtig zuzuteilen. Muss noch betont werden, dass bei diesem Wettrennen um Marktanteile Innovationen fast ein Must sind? An die Stelle der Ortsnamen oder Regionen treten in Grossbuchstaben die Marken oder der Name des Weinguts, die jedes Produkt zusammen mit dem Schriftzug des Produzenten in noch grösseren Buchstaben identifizieren. Wir haben auch da Juwelen und Nuggets aus klar definierten Parzellen in den sechs kantonalen Regionen gefunden. Diese Meisterwerke werden von unseren Schollen in Verbindung mit der Kunst kühner und innovativer Winzer inspiriert. Entdecken kann man sie in den Kommentaren der Autoren in der Zeitschrift Le Guillon und auf deren andern Kommunikationskanälen. Wenn Sie sich gerne wundern, so können Sie diese Empfehlung in der Zukunftsform konjugieren… 80  Le Guillon 58_2021/1

Herausgeberin: Revue Le Guillon GmbH Ch. de la Côte-à-Deux-Sous 6 1052 Le Mont-sur-Lausanne, Schweiz Abonnemente revue@guillon.ch www.revueleguillon.ch ISSNN 1423-7393 Geschäftsführung Eric Loup (Präsident), Luc Del Rizzo, Daniel H. Rey Partner Confrérie du Guillon, Office des Vins Vaudois, Qualitätslabel Terravin, Fédération des caves viticoles vaudoises, Waadtländer Sektion der Schweizerischen Vereinigung der selbsteinkellernden Weinbauern, Direction générale de l'agriculture, de la viticulture et des affaires vétérinaires (DGAV), Service de la promotion de l'économie et de l'innovation (SPEI) Verantwortlicher Redakteur Pascal Besnard Mitarbeiter dieser Ausgabe Pierre-Etienne Joye, Michel Logoz, Fabien Loi Zedda, Claude-Alain Mayor, David Moginier, Claude Piubellini, Pierre Thomas, Alexandre Truffer, JeanClaude Vaucher, Eva Zwahlen Übersetzung Evelyn Kobelt, Eva Zwahlen, Loyse Pahud, IP Communication in English Grafik und Layout stl design, Estelle Hofer Piguet Fotografen Régis Colombo, Sandra Culand, Edouard Curchod, Déclic, Philippe Dutoit, Bertrand Rey, Hans-Peter Siffert Fotolitho l'atelier prémédia Sàrl Druck PCL Presses Centrales SA Anzeigenleitung Advantage SA, Isabelle Berney regie@advantagesa.ch +41 21 800 44 37

Le Guillon, die Revue des Waadtländer Weins erscheint zweimal jährlich in den Sprachen Französisch und Deutsch, mit englischen Zusammenfassungen.


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