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Es tut sich etwas im Petit-Conseil

Beim Guillon scheint alles in Stein gemeisselt zu sein, dazu bestimmt, die Ewigkeit zu überdauern, mindestens.

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Jean-François Anken (hier an der Seite des Gouverneurs Jean-Claude Vaucher) reicht den Stab weiter an Eric Loup.

Nach Jahren guter und loyaler Dienste wünschte unser Lieutenant-Gouvernal Jean-François Anken seine Verantwortung an einen jungen Wolf abzugeben (das Bild drängt sich auf…), herausgepflückt aus dem Gehege des Grand-Conseil der Confrérie. Sehr zu Recht hob der Petit-Conseil unseren Frère de Robe Eric Loup, bisher talentierter Chantre & Clavendier, in dieses höchst verantwortungsvolle Amt, ganz in Blau gekleidet.

Was als simples «fait d’hiver» erscheinen könnte – im Moment, da diese Zeilen geschrieben werden, kündigt sich der Frühling erst an –, verdient aber ein kurzes Zurückspulen, um die beiden Protagonisten in den Fokus zu stellen.

In den Zaubertrank gefallen wie einst Obélix

Zuerst Jean-François Anken. Als Sohn des zweiten Gouverneurs unserer Confrérie konnte er gar nicht anders, als sich gut zu entwickeln. Mit gerade einmal 19 Jahren wird er 1966 Compagnon. 1972, das Diplom als Arzt in der Tasche, spezialisiert er sich auf Allgemeinmedizin FMH und eröffnet 1979 seine Praxis in Préverenges. Nach und nach beginnt er seine Aktivitäten, inner- und ausserhalb des Berufs, auszudehnen.

So wird er 1985 in die Conseils berufen, wo er in der Truppe derer glänzt, welche das Publikum unterhalten, bei den Chantres & Clavendiers. Dank seinem Eifer wird er 1990 in den Petit-Conseil katapultiert, wo er

Andy Linherr, abtretender Légat... ...David Moginier, neuer Tabellion und...

das Office des Vins Vaudois präsidiert. Drei Jahre später übernimmt er an der Seite des neuen Gouverneurs Louis Ormond den begehrten Posten des Lieutenant-Gouvernal.

Einige (zu) kurze Erklärungen zu diesem Posten: Der Gouverneur – der wahre «Commander in chief» der Confrérie – kann auf zwei Lieutenants zählen; einer von ihnen trägt den zusätzlichen Titel Konnetabel. Letzterer kümmert sich um die inneren Angelegenheiten, also um die Organisation von allem, was im Schoss der Confrérie abläuft. Der zweite Lieutenant ist gewissermassen der Aussenminister und verantwortlich für alles, was ausserhalb des Kantons vor sich geht. Er steht also den Cotterds vor, den Botschaften des Guillons. Ausserdem ist er gegenüber der Confrérie verantwortlich für die Revue du Guillon und repräsentiert die Confrérie bei befreundeten nationalen und internationalen Bruderschaften.

Unser Freund Jean-François hat also nach einer Karriere von stolzen 36 Jahren in den Conseils, davon 31 Jahre im PetitConseil, das Honorariat beantragt, das ihm selbstverständlich summa cum laude gewährt wurde. Wenn das kein Vorbild ist!

Und nun zu Eric Loup. Der Bankangestellte hat seine Sporen bei der BCV abverdient und sich danach bei der Raiffeisen des Gros-de-Vaud entfaltet, wo er heute Präsident der Direktion ist und die Umwandlung in eine Vorzeigebank für die ganze Gruppe verantwortet. Im Alter von 25 Jahren 1987 als Compagnon eingetreten, wurde er 2013 in die Conseils berufen. Als hyperaktiver Epikureer engagiert er sich in etlichen Vereinen, so in der Fédération Vaudoise des Jeunesses Campagnardes (deren Ehrenpräsident er ist). Und seit 2021 ist er im Petit-Conseil mit der Aufgabe des Lieutenant-Gouvernal betraut.

Es tut sich auch etwas in den Cotterds!

Wenn es einen emblematischen Conseiller gibt, den alle Aficionados der Cotterds seit langem kennen, dann ist das André Linherr. Sohn des verstorbenen Conseillers Walter Linherr, ehemals Kellermeister der Confrérie, tritt er 1993 als Compagnon mit kaum 23 Jahren in die Confrérie ein und wird fünf Jahre später Conseiller, bevor er 2009 den delikaten Posten als Légat übernimmt und gleichzeitig in den Petit-Conseil aufgenommen wird.

Der Légat ist der Chef der Préfets und die Triebfeder der Cotterds, was voraussetzt, dass er die Sprache Goethes und Dürrenmatts einigermassen beherrscht. Ausserhalb unserer Kantonsgrenzen pausenlos im Einsatz, übt er dieses Amt elf Jahre lang aus, bevor er es in andere Hände zu legen wünscht. Dienen und verschwinden? Nicht ganz, denn der erfahrene Weincourtier will sich weiterhin bei unseren Anlässen einbringen und seine Freundschaft mit uns teilen, nur mit etwas weniger Druck als zuvor. Tatsächlich wurden die Cotterds kürzlich durch eine umfassende interne Reorganisation umgekrempelt, die sie buchhalterisch von der Confrérie abtrennt. Da das eine das andere nach sich zieht, mussten neue Strukturen und neue Reglemente geschaffen werden.

Der Picasso der Feder wird zum Erneuerer der Cotterds

Diese Stilübung wurde Claude-Alain Mayor anvertraut, unserem ehemaligen Tabellion, einem sicheren Wert in unserem Petit-Conseil. Es schien in den Augen unseres Gouverneurs vollkommen auf der Hand zu liegen, dass kein anderer als der geborene Organisator und Mann des Vertrauens, Saint-Chasselas komplett ergeben, die Légature übernehmen konnte. Um die frohe Botschaft des Guillon in dem, was jeder rechte Waadtländer gerne als «feindliche Gefilde bezeichnet», zu verkünden, also

...Claude-Alain Mayor, abtretender Tabellion und neuer Légat (hier in Gesellschaft von Nouria Hernandez, Rektorin der Universität Lausanne).

nicht auf Französisch. 1992 dem Guillon beigetreten, wird er 2006 Conseiller bei den Chantres & Clavendiers, wo er mit einer Wortgewandtheit und einem Humor glänzt, die einhellig geschätzt werden. Er gilt schon seit langem als geschliffener Schreiber und drei Jahre später gelangt er als Tabellion in den Petit-Conseil und folgt so auf Édouard Chollet (der bei dieser Gelegenheit Chancelier wird). Elf Jahre lang gelingt es ihm, die gemeinhin unverdaulichen Protokolle in humoristische Goldstücke zu verwandeln, von jedem Conseiller ungeduldig erwartet und mit Behagen degustiert. Eine echte Tour de force. Klar, dass dieser ehemalige Lieutenant-Colonel alle unsere Préfets im Gänsemarsch antreten lässt, um Cotterds in allerbester Ordnung und grösster Pünktlichkeit zu garantieren. Er ist auch Dreh- und Angelpunkt (und Generalsekretär, du meine Güte!) des Mondial du Chasselas. Seit einigen Jahren organisiert er mit Unterstützung von Clos, Domaines & Châteaux die Verleihung des Guillon d’Or an (meist Schweizer) Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur.

Um unseren Tabellion zu ersetzen, brauchten wir also einen lachenden Dritten, einen Experten der Schreibfeder und einen Apostel Epikurs. Wir haben ihn gefunden, und zwar in einem frischen, in der Materie erfahrenen Conseiller, unserem Freund David Moginier, Schriftsteller und Journalist von schönem Renommee. 2011 als Compagnon Majoral eingetreten, als Würdigung seines Parcours als ausgewiesener Gastronomiespezialist, wird er 2018 Conseiller als Chantre & Clavendier. Es bleibt kaum Zeit, die Tonleitern zu üben, denn schon wird er 2021 in den Petit-Conseil und auf den Posten des Tabellion berufen. Unlängst noch König der Nachtschwärmer, wird dieser Feinschmecker weder rasten noch ruhen, sondern unsere Sinne verwöhnen und uns Schlemmer-Epistel präsentieren, auf deren Verkostung wir uns bereits jetzt mit neu erwachtem Appetit freuen!

Wenn der Petit-Conseil hier grosses Stühlerücken zu spielen scheint, dann geschieht das vor allem, um diverse verantwortungsvolle Posten mit ausgewählten Persönlichkeiten zu besetzen, die sich unter den Mitgliedern der Confrérie verbergen, und auf diese Weise das Fortbestehen einer jovialen Dynamik zu garantieren, und zwar mit dieser so waadtländischen Ernsthaftigkeit, die jede und jeder bei unseren Anlässen zu schätzen weiss.

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