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OSMV: Ein strategisches Instrument für die Waadtländer Weine

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Editorial

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Schweizerisches Observatorium des Weinmarktes Ein strategisches Instrument für die Waadtländer Weine

Das Schweizerische Observatorium des Weinmarktes (OSMV) ist keine Maschine zum Verdauen von Statistiken. Es ist ein strategisches Instrument für die Winzer; die Waadtländer nutzen es für ihre Zwecke. Begegnung mit dem Verantwortlichen des Observatoriums, Alexandre Mondoux.

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Professor Alexandre Mondoux, 36 Jahre alt, promovierter Ökonom der ETH Zürich, der seinen Master an der Universität Freiburg gemacht hat, unterrichtet an der Hochschule für Weinbau und Önologie in Changins Wirtschaft und Geschäftsführung. Und er ist verantwortlich für das im Jahr 2014 gegründete OSMV. Es ist das erste Gebilde dieser Art in der Schweiz und 2017 zu einem Kompetenzzentrum in Changins geworden.

Zu Beginn analysierte das OSMV Statistiken. So wollte es der Branchenverband Schweizer Reben und Weine (BSRW). Denn der Schweizer Weinwelt fehlt es auf verzweifelte Weise an Zahlen… Zahlen sind nicht nötig, um in den Rückspiegel zu schauen, sondern um vorauszublicken. Heute arbeitet dieses zu Changins gehörende Institut gleichzeitig für den BSRW, für Swiss Wine Promotion (SWP) sowie für andere Institutionen. Der Kanton Waadt, die Communauté Interprofessionnelle du Vin Vaudois (CIVV) und das Office des Vins Vaudois (OVV) nehmen seine Dienste stark in Anspruch. Das Jahresbudget des OSMV mit seinen drei Arbeitsstellen wird durch externe Finanzierung gesichert und entspricht den Erwartungen seiner Partner. Dieses Jahr wird das Institut eine Studie präsentieren, mit der die Grösse der Distributionskanäle von 1500 Schweizer Einkellerbetrieben gemessen werden soll.

Das (reale) Gewicht der Grossverteiler

Jedes Jahr analysiert das OSMV den sogenannte Grossverteilermarkt. Welchen Anteil repräsentiert er in der Schweiz? Laut den Zahlen von 2020 decken Grossverteiler 43,1% des Marktes ab. Genauer: 51,2% für ausländische Weine, 30,6% für Schweizer Weine und 39% für Waadtländer Weissweine. Das ist relativ wenig im Vergleich zu den Nachbarländern Frankreich und Deutschland. Zu präzisieren ist, dass diese Grossverteiler lediglich die sieben Unternehmen umfassen, die das Nielsen-Institut aufführt, seit 2019 gehören auch die Läden von Landi dazu. Mit dabei sind also die Schwergewichte Coop und Denner, 2020 gemäss den Zahlen des Zolls verantwortlich für 43% des importierten Weins (3% mehr als im Vorjahr, insgesamt 154 Mio. Liter, 118 Mio. Liter Rotwein und 36 Mio. Liter Weisswein). Es fehlen aber Aldi, zum ersten Mal auf dem dritten Rang der Importeure, und Lidl (die beiden Verteiler importieren zusammen 9%). Eine weitere Feststellung: 6 von 10 Weinflaschen

Alexandre Mondoux, Leiter des Schweizerischen Observatoriums des Weinmarktes (OSMV).

VINS & SPIRITUEUX

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Die Pandemie, vor allem unter dem Blickwinkel des Shutdowns, mischt sich in die Debatte ein. Der OSMV-Bericht zum Schweizer Weinmarkt zeigt, dass die Verkäufe von Schweizer Weinen bei den Grossverteilern des «Panels Nielsen» und bei Landi um 13,6% zugenommen haben und damit das Niveau von vor fünf Jahren übertreffen konnten (2015). Die Preise sind ganz leicht gesunken (-0,3%). Weniger als die Genfer (+13,8%), Deutschschweizer (+26,8%) und Walliser Weine (+14,8%), nahmen die Verkäufe der Waadtländer Weine um 7,6% zu.

Im ersten Shutdown (April bis Juni 2020) sind die Verkäufe von Schweizer Wein gar um 18% in die Höhe geschnellt! Die Erklärung ist eine dreifache: Die Branche hat mobilisiert, von den Selbstkelterern bis zu den Promotionsbüros. Der Einkaufstourismus kam gezwungenermassen zum Erliegen. Und drittens hat die Schliessung der Restaurants, die Absage von Feiern und Anlässen die Schweizer dazu gebracht, zu Hause Wein zu konsumieren. Der Wermutstropfen: Der Konsum ausländischer Weine, gekauft beim Grossverteiler, folgt derselben Tendenz (was teilweise die Erhöhung der Importe 2020 um 3% erklärt).

Zusammen mit Philippe Masset und Jean-Philippe Weisskopf, zwei Professoren der Hotelfachschule Lausanne (EHL), hat Alexandre Mondoux die Reaktionen des Marktes auf COVID untersucht. Das Trio hat Interviews über die Zukunft des Schweizer Weins geführt. Befund: «Nicht-Winzer haben oft die positivste und langfristigste Sicht.» Die Autoren unterstreichen, es brauche «eine echte Strategie für den Schweizer Wein (…), eine starke Leadership und eine bedeutendere staatliche Unterstützung.» Anzufügen ist, dass Swiss Wine Promotion im Jahr 2020 vom Bund eine Million Franken mehr bekommen hat als in den drei «normalen» Jahren zuvor – und diese zusätzliche Hilfe auch 2021 erhalten wird.

werden nicht im Grossverteiler erworben, der Schweizer Wein darunter direkt beim Produzenten oder im Fachgeschäft gekauft. Ohne Hotellerie, Restaurants und Cafés (HoReCa) zu vergessen. Genau dieser Sektor ist jetzt analysiert worden, um das Funktionieren der Versorgung mit Wein zu verstehen, und zwar auf Verlangen der SWP, die vom Waadtländer Nicolas Joss geleitet wird. 2020 hat Alexandre Mondoux’ kleine Equipe eine Datenbasis erstellt, die auf 250 Restaurantkarten der Schweiz beruht.

Das klingt nach nichts. Doch eine der Schwierigkeiten, um den Schweizer Weinmarkt zu verstehen, liegt im Mangel an Zahlen. So verfügen die Waadtländer seit zehn Jahren über einen «Marktbericht». Es ist nicht nur wichtig, die Mengen der kommerzialisierten Weine zu kennen, auch die Preise ab Keller für den Direktverkauf, die Sparte HoReCa und die Grossisten zeigen Tendenzen des Marktes auf. So hat das OSMV im dritten Trimester des Jahres 2019 einen starken Preisrückgang für Waadtländer Weiss- und Rotweine bei den Grossisten festgestellt. Die Daten für den «Marktbericht» werden auf freiwilliger Basis von den Kellereien mitgeteilt, und Waadtländ ist die einzige der sechs Weinregionen der Schweiz, die sie auf repräsentative Weise liefern.

Drei typisch waadtländische Sujets

Die Waadtländer erweisen sich auch als Musterschüler, weil sie auf Veranlassung der Direction générale de la Viticulture, de l’Agriculture et des Affaires vétérinaires (DGAV) Studien beim OSMV bestellen. Über drei Jahre hinweg sind drei für die Zukunft der Waadtländer Weine bedeutende Dossiers in Arbeit, im Auftrag von Olivier Viret, dem Verantwortlichen für den Sektor beim Kanton Waadt. Die vom OSMV erhobenen Zahlen dienen seit 2018 als Diskussionsbasis, um die jährlichen regionalen Produktionsquoten festzulegen. «Das ist ein Modell, das bei der Entscheidung hilft», betont Alexandre Mondoux: Die Partner der Weinwelt verhandeln danach frei.

Ein weiteres Sujet, das die Waadtländer skizziert haben und das danach schweizweit übernommen wurde: die Schaffung einer sogenannten «Klimareserve», um das Weinangebot zu glätten. Bei guten Ernten können die Winzer mehr produzieren (aber weniger als die eidgenössischen Grenzwerte verlangen), um diesen Wein in einem kleinen Jahr auf den Markt zu bringen. «Die verlorenen Marktanteile der wegen der Trockenheit klein ausgefallenen Ernte 2015 etwa konnten bis heute nicht zurückgewonnen werden», konstatiert der Ökonom, der «die Erschütterungen des Angebots, welche den Markt negativ beeinflussen», abfedern möchte. Laut Bern verlangt diese Klimareserve eine Änderung des Landwirtschaftsgesetzes. Der letzte Stand der Diskussion, Mitte Februar 2021: Guy Parmelin erklärt, dieses Werkzeug sei «nicht kompatibel mit der ökonomischen Freiheit der Unternehmen.»

Und zum Dritten die ökonomischen Auswirkungen einer Anpassung des aktuellen AOP-IGP-Systems: Das OSMV erarbeitet, auch hier auf Verlangen des Kantons Waadt, Szenarien und Simulationen auf der Basis einer Neueinteilung der Waadtländer Weinlandschaft. Die Waadt ist davon mehr betroffen als andere Kantone, wegen der angewandten Toleranz im Gesetz zum Verschnitt von AOC-Weinen.

Grundsätzlich konstatiert Alexandre Mondoux, dass es in diesem Mikrokosmos des Schweizer Weins «sehr wenig Zahlen gibt, an denen man Entscheidungen ausrichten und die Folgen dieser Entscheidungen messen könnte. In diesem Kontext ist das OSMV ein zuverlässiges und neutrales Werkzeug, um die Branche zu lenken. Ihr Mehrwert geht weit über die Publikation von Marktstatistiken hinaus. Und wir versuchen immer, noch weiter zu gehen.»

Der Anteil der Waadtländer Weinregionen an den Weinen, die im Jahr 2019 in den Supermärkten verkauft wurden (gelb = Weisswein, rosa = Rosé, rot = Rotwein). Beispiel aus einer Studie, die auf Verlangen des Office des Vins Vaudois und der CIVV erstellt wurde.

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