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Von Medaillen, Titeln und Kronen

Erfolgreiche Waadtländer Produzenten Von Medaillen, Titeln und Kronen

Zahlreiche Waadtländer Weinbetriebe haben im Jahr 2020 für Furore gesorgt. Drei von ihnen durften sich über herausragende Leistungen und Auszeichnungen freuen. Grund genug, ihnen einen Besuch abzustatten.

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Einen Pinot Noir zu vinifizieren, ist wie Surfen lernen: Man fällt immer wieder auf die Schnauze, bis man endlich das Gleichgewicht raushat!

Jean-Noël Favre

Der Überflieger aus Aigle

Im letzten September hob Jean-Noël Favre buchstäblich ab. Und überflügelte alle seine Mitkonkurrenten beim Mondial des Pinots. Sein Pinot Noir Combaz-Vy Grand Cru Ollon 2018 gewann eine von sechs grossen Goldmedaillen und wurde vor 1131 anderen Weinen aus 21 Ländern als bester Wein des Wettbewerbs ausgezeichnet. Eine Sensation!

Winzerkollegen des Preisträgers waren kaum überrascht. Denn Favre ist keine Eintagsfliege. Sondern einer, der trotz Hang zum kreativen Chaos in den Reben akribisch genau und mit grösster Sorgfalt arbeitet. Als Vigneron-Tâcheron im Dienst des Hauses Obrist wurde er an der Fête des Vignerons 2019 sogar gekrönt. Den Boden unter den Füssen hat er durch seinen Pinot-Weltmeister-Titel nicht verloren, im Gegenteil. «Klar habe ich mich gefreut, schliesslich heisst das, dass wir gute Arbeit leisten, aber da ist immer auch ein bisschen Glück dabei», wiegelt er

ab, schwärmt aber von der guten Ambiance am Mondial des Pinots, dem Fachsimpeln mit Gleichgesinnten. Dass ihm der Sieg nicht in den Kopf steige, dafür sorgten schon seine Reben: «Die stellen einen, falls nötig, gleich wieder in den Senkel», meint er augenzwinkernd. Vor allem wenn sie an derart steilen Hängen gedeihen, gestützt von Steinmauern, die viel Unterhalt verlangen.

Gewachsen ist der Siegerwein in Ollon, auf den Gipsböden der Coteaux de Verschiez, in einem heissen, trockenen Mikroklima, «wo man stets damit rechnen muss, einer Viper zu begegnen». Die dreissigjährigen Pinotstöcke ergeben hier einen Ertrag von 600 Gramm. Die Trauben, mit 100° Oechsle gelesen, werden nur teilweise entrappt und «en grain rond» vinifiziert, mit vorgängiger Kaltmazeration. Ausgebaut wird der edle Tropfen dann zwölf Monate lang in zur Hälfte neuen Barriques.

Ein Drittel seines Einkommens verdient Jean-Noël Favre als Vigneron-Tâcheron, ein weiteres als Traubenlieferant ans Haus Badoux und die Kooperativen von Aigle und Ollon, den Rest als hochdekorierter Selbstkelterer. «Ich kultiviere alle Reben gleich sorgfältig, na ja, die fremden vielleicht noch ein bisschen sorgfältiger», meint er, öffnet eine weitere Flasche und erzählt von seinen Passionen: Caravaggio, Musik, Literatur, Natur. Endlich haben wir den gekrönten Wein im Glas, dicht, kraftvoll, würzig, von tiefgründiger Eleganz. «Einen Pinot Noir zu vinifizieren, ist wie Surfen lernen: Man fällt immer wieder auf die Schnauze, bis man endlich das Gleichgewicht raushat!», lacht Favre, um anzufügen: «Eigentlich mag ich den Gamay lieber, er ist erfrischender…»

Die künftige Kellerei des Jahres?

Von aussen sieht die Union Vinicole de Cully aus, wie kleinere, 1937 gegründete Kooperativen eben gemeinhin so aussehen. Doch man sollte sich vom Schein nicht täuschen lassen, es sind die inneren Werte, die

Bei der letzten Fête des Vignerons gekrönt, triumphierte Jean-Noël Favre von der Domaine des Afforêts in Ollon beim Mondial des Pinots mit seinem Grand Cru Combaz-Vy 2018.

Einer unserer Winzer hat gefragt, wieso wir nur mit Weissweinen Medaillen gewinnen. Wir haben geantwortet: Wir machen, was wir können, aber halt mit den Trauben, die wir bekommen...

Martin Morgenthaler und Fabien Bernau, Union viticole de Cully

zählen. Kaum über die Schwelle getreten, findet man sich rechterhand in einem trendigen, loftartigen Degustationsraum wieder, der für Anlässe gemietet werden kann und in dem selbst hippe Städter gerne chillen… Hier ist der Geist spürbar, der durch die angejahrten Räume weht. Es ist ein weltoffener, unternehmungslustiger Geist, der nach Höherem strebt.

«Wir punkten vor allem mit unseren Weissweinen», gesteht Martin Morgenthaler, der den Betrieb seit zwanzig Jahren leitet. «Fabien Bernau, unser Önologe, ist ein grosser Könner, mit viel Fingerspitzengefühl für den sensiblen Chasselas und seine Finessen.» Der Angesprochene schätzt es, nach Herzenslust pröbeln zu können, immerhin führt die Kooperative etliche ChasselasVersionen im Sortiment, selbst einen Süsswein aus getrockneten Trauben.

Gross herausgekommen ist im letzten Jahr der Bouton d’Or 2019, der beim Grand Prix du Vin Suisse als allerbester Chasselas der Schweiz brillierte. «Was uns durchaus überrascht hat», wie die beiden betonen. Sie hätten eher den mineralischen, wunderbar ausgewogenen Epesses Le Replan 2019 auf dem Podest erwartet, den meistprämierten Wein des Hauses, und nicht den im Betontank ausgebauten, schmeichelnden Bouton d’Or mit seinem Hauch Restsüsse, der die gestrengen Juroren aber offensichtlich zu bezirzen wusste. Auch beim Mondial du Chasselas räumte die Union Vinicole de Cully ab und heimste nicht weniger als fünf Goldmedaillen ein.

Doch wer hier nur Chasselas erwartet, wird aufs angenehmste enttäuscht. In Cully finden auch Fans von Loireweinen ihr

Medals, Titles and Crowns

Last September, Jean-Noël Favre, a winemaker from Aigle, outstripped all the competitors at Mondial des Pinots organised by VINEA, in Sierre. His Grand Cru d’Ollon Combaz-Vy 2018 was awarded one of the six grand gold medals and was selected the best wine from among the 1,132 contestants, from 21 countries. Jean-Noël Favre is no novice, and despite what might look like creative chaos in his vineyards, he is known for his thorough and precise workmanship. He was crowned at the 2019 Fête des Vignerons for the excellence of his work at Obrist. And even the title of World Champion Pinot Noir producer did not go to his head: “Of course I was happy because it means that we’re doing a good job, but it’s also a question of luck.” The grapes of the winning wine were grown in the Ollon wine-producing district, in a warm and dry microclimate, in the gypsiferous soil of Coteau de Verschiez, “where you can sometimes see an adder.” Jean-Noël Favre earns a third of his income as a wine-grower, another third delivering grapes to the Badoux winery and also to the Aigle and Ollon Cooperatives, and the rest as a regularly award-winning winemaker. “Making a Pinot Noir, it’s like learning to surf: you keep falling until you find the right balance.” And he then adds, “In fact, I prefer Gamay, it’s more refreshing.”

Glück: mit dem raren Chenin blanc, der sich im Jahrgang 2019 von seiner besten Seite zeigt, kraftvoll, mit saftiger Säure und vielschichtiger Aromatik. Auch bei den Rotweinen ist das Sortiment mit Mondeuse, Plant Robert oder diversen Assemblagen reich bestückt, «aber bei den Rotweinen haben wir eindeutig noch Luft nach oben», wie Martin Morgenthaler selbstkritisch einräumt. «Wir arbeiten daran!», unterstreicht Fabien Berneau energisch. Die beiden schauen sich komplizenhaft an. «Einer unserer Winzer hat gefragt, wieso wir nur mit Weissweinen Medaillen gewinnen. Wir haben geantwortet: Wir machen, was wir können, aber halt mit den Trauben, die wir bekommen…» Haben sie einen Traum? Morgenthaler grinst: «Nein, ein Ziel: Wir wollen Kellerei des Jahres werden!»

Vom Professor zum Biopionier

Es gibt Winzer, bei denen Erfolgsmeldungen derart selbstverständlich sind, dass man sie kaum mehr wahrnimmt. Zu ihnen gehört der Waadtländer Biopionier Reynald Parmelin. Einst wurde er belächelt und in die «Seide-Wolle-Bast-Ecke» gestellt: «Als ich anfing, 1990, hatte Bioweinbau das Image von Holzzoccholi, krautigen Bärten und handgestrickten Pullis, das musste ich erst einmal entstauben. Und beweisen, dass ich als Lehrer an der Ingenieurschule von Changins kein blosser Theoretiker bin.» Wer sich sein topmodernes Weingut anschaut, die blitzsauberen Keller mit Stahltanks in allen Grössen, Betoneiern und edlen Eichenbarriques, die grosszügigen Degustations- und Eventräume oder die unverwechselbaren blauen Flaschen, die sein Markenzeichen

A medal-winning cooperative

“We focus above all on our white wines”, explains Martin Morgenthaler who has been managing the Union vinicole de Cully (UVC) cooperative for the last 20 years. “Our oenologist, Fabien Bernau, is a true expert who has mastered the subtleties of Chasselas.” He likes to experiment, and so the Cooperative features a number of varieties of Chasselas wines, including a rare sweet wine produced from raisin grapes. Last year saw the coming out of Bouton d’Or 2019, selected best Chasselas at the Grand Prix du Vin Suisse. It came as a surprise as they were rather expecting the winner to be their most awarded wine, the mineral and marvellously balanced Epesses Le Replan 2019. They had not reckoned that Bouton d’Or, might appeal to the strict competition jury on account of its maturation in cement vats and its flattering residual sugar content. The UVC also triumphed at the Mondial du Chasselas, where it picked up no less than five gold medals. But they’re not only masters at making Chasselas. Those who think that the UVC produces only that variety will be pleasantly surprised. Enthusiasts of Loire wines can find the object of their desire at the Cully Cooperative in a rare Chenin Blanc: at its best in 2019, it is powerful, has good levels of acidity and a nice palette of aromas. And as for reds, their range includes Mondeuse, Plant Robert and a variety of blends.

From teaching, to pioneering organic wines

One used to make fun of Reynald Parmelin, the champion of organic culture, and refer to him as a dreamer. “When I started, in 1990, the image of organic wine was associated with

sind, der merkt: hier versteht einer etwas von Marketing. Und vom Weinmachen.

Nicht weniger als fünfmal hat Reynald Parmelin beim Grand Prix des Schweizer Weins den Prix Bio gewonnen. Letztes Jahr konnte er beim Mondial du Merlot mit seinem strahlenden, facettenreichen Merlot-Cabernet Sauvignon 2017 als einziger Nichttessiner eine Kategorie (die der Assemblagen) für sich entscheiden und den Preis für den besten Biowein gewinnen. «Auszeichnungen und Medaillen sind wichtig für mich als Önologen, um zu überprüfen, ob ich gut arbeite oder nicht. Und für meine Kunden, die sich so in ihrer Wahl bestätigt sehen.» Reine Biowein-Wettbewerbe interessieren ihn weniger, «ich will mich mit allen messen». Seit 2010 besitzt die Domaine La Capitaine nicht nur die Bio Knospe Schweiz, sondern auch das Biodynamik-Label von Demeter. Und während Reynald Parmelin früher allein auf weiter Flur für ökologischen Weinbau kämpfte, ist er heute zum begehrten Ratgeber für alle geworden, die auf Bioweinbau umsatteln möchten.

Die Hände in den Schoss legen und über die Corona-Krise jammern? Das ist nicht Parmelins Stil. Er, der kaum einen Moment stillsitzen kann, nutzt die Zwangspause, um einen neuen Barriquekeller und einen weiteren Degustationsraum mit Zugang zu Terrasse und Garten zu bauen; der Eventbereich ist auf dem Gut ein wichtiges Standbein. Der Winzer, der leidenschaftlich gerne pröbelt, hat unzählige Sorten im Angebot, viele Klassiker, aber auch vielversprechende Neuzüchtungen. Sein bekanntester Wein im höchst spannenden Sortiment ist zweifellos der Johanniter. Parmelins älterer Sohn Johann ist zwar nicht nach der Varietät benannt. Aber ein gutes Omen ist die Namensverwandtschaft allemal…

Auszeichnungen und Medaillen sind wichtig für mich als Önologen, um zu überprüfen, ob ich gut arbeite oder nicht. Und für meine Kunden, die sich so in ihrer Wahl bestätigt sehen.

Reynald Parmelin, Domaine de la Capitaine, Begnins

wooden sandals, flowery beards and hand-knitted pullovers. I had to dust off the cliché, and prove that what I taught at Changins wasn’t just theory.” Reynald Parmelin has managed to carry off the Organic Wine award, at the Grand Prix du vin suisse, five times. Last year, at the Mondial du Merlot, his complex and luminous Merlot-Cabernet Sauvignon 2017, the only wine in the competition not from Tessin, won the Best Blend and the Best Organic Wine awards. “As an oenologist, awards and medals are important as they give me the chance to check if I’m doing a good job. It’s also good for my clients, it corroborates their choices.” He says he is less interested in only-organic wine competitions because he wants to “compete against everyone”. Since 2010, the Domaine La Capitaine displays not only the Bio Suisse bud label, but also the Demeter label (biodynamic agriculture). At the start, Reynald Parmelin had fought a lone battle for the cause of organic viticulture; today, he has become the most sought-after mentor for those who want to switch to organic farming. It is not Parmelin’s style to stay put in his chair and complain about the coronavirus crisis. Always on the go, he is taking advantage of the forced break to build a new barrel cellar and a tasting room with access onto a terrace and a garden. Organising events is an important activity on the estate.

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