Le Guillon Nr. 46 - DE

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ZEITSCHRIFT DES WAADTLÄNDER WEINS

WITH ENGLISH SUMMARY

NR. 46 1/2015

REVUELEGUILLON.CH


LEICHTIGKEIT BRAUCHT GL AS. Leicht, stabil, ökologisch. Leichtes Glas hat starke Argumente, wenn es darum geht unsere Umwelt zu schonen. Leichtglas reduziert den Energie- und Rohstoff-Verbrauch sowie die CO2-Emissionen. Stabilität und Festigkeit bleiben erhalten. Ebenso wie alle ökologischen Vorteile. Leichtigkeit braucht Glas – und Leichtglas braucht Vetropack.

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Inhalt Titelbild: Régis Colombo

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Editorial und Impressum

Waadtländer Wein 5 Französische Profis im Waadtländer Weingebiet 13 Das Erwachen der Reben 22 Lauriers de Platine 2014 25 Grand Prix du Vin Suisse 2014 30 Arvinis – Mit voller Fahrt voraus 34 Eine Schmuckschatulle in Rubin für Bonvillars 37 Die Waadtländer Weine zu Gast im Palace 39 Eine unwahrscheinliche Weinlese in Aigle Unsere Terroirs und ihre Talente 42 Der «Taillé aux greubons» – eine kulinarische Waadtländer Spezialität

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Bücher

Confrérie du Guillon 51 Botschaft des Gouverneurs 52 Die Ressats der zwölf Lustren 63 Propos de Clavende 64 Basler Cotterd 67 Die Quatre Heures du Vigneron 70 Lüften wir den Deckel 75 Guillon d’Or 79 Porträts zweier Préfets 80 Die Kolumne von Michel Logoz 80 Nachruf

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25.03.10 09:21


Editorial

Revue Le Guillon GmbH Chemin de la Côte-à-Deux-Sous 6 CH-1052 Le Mont-sur-Lausanne revue@guillon.ch www.revueleguillon.ch Le Guillon, die Revue des Waadtländer Weins erscheint zweimal jährlich in den Sprachen Französisch und Deutsch, mit englischen Zusammenfassungen. IMPRESSUM Geschäftsführung: Dr. Jean-François Anken (Präsident), Luc Del Rizzo, Daniel H. Rey. Partner: Confrérie du Guillon Office des Vins Vaudois Label de qualité Terravin Fédération des caves viticoles vaudoises Section vaudoise de l’Association suisse des vignerons encaveurs Service de l'agriculture (SAGR) – Office cantonal de la viticulture et de la promotion (OCVP) Service de la promotion économique et du commerce (SPECO). Verantwortlicher Redakteur: Pascal Besnard. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Philippe Bujard Ernst W. Eggimann Pierre-Etienne Joye Michel Logoz Claude­Alain Mayor Claude Piubellini Pierre Thomas Alexandre Truffer Jean­Claude Vaucher Fabrice Welsch Eva Zwahlen. Übersetzung ins Deutsche: Evelyn Kobelt (Confrérie), Eva Zwahlen. Anpassungen: Loyse Pahud (français), IP Communication in English. Art director: STLDESIGN – Estelle Hofer Piguet. Fotografen: Edouard Curchod – Studio Curchod Régis Colombo – photographeprofessionnel-lausanne.ch Sandra Culand – kairos-photos.ch Philippe Dutoit Sacha Fehlmann Bertrand Rey – bertrandrey.com Hans-Peter Siffert – weinweltfoto.ch

Pascal Besnard Verantwortlicher Redakteur

Fachwissen, Talent und Wagemut Die Tränen der Reben, das Aufbrechen der fragilen Knospen, die Rebberge, die plötzlich wieder ein zartes Grün tragen. Das Bild ist bukolisch, das Phänomen zutiefst natürlich. Dabei darf man allerdings den Beitrag der Menschen nicht vergessen, seien sie nun Rebschulisten oder andere Spezialisten: Sie sind die gut ausgebildeten Komplizen der Natur, ohne die keiner der köstlichen Nektare entstünde, die wir so gerne über unsere Zungen rollen lassen. Die Waadtländer Fachkompetenz muss nicht mehr unter Beweis gestellt werden. Sie zieht sogar französische Berufsleute an, Önologen und Rebmeister, die ihre Ausbildung auf hiesigen Weingütern vervollkommnen. Diejenigen, die in unserer Revue zur Sprache kommen, anerkennen die spezifischen Qualitäten des Waadtländer Terroirs. Nach ihrem bevorzugten Wein befragt, nennen die Franzosen einstimmig den Chasselas, die emblematische Rebsorte der Waadt, wo sie herstammt. Ein Terroir und seine Profis, die auch in der Lage sind, die besten Schaumweine des Landes zu keltern. Das beweist der Dreifachsieg der Waadtländer beim Grand Prix du Vin Suisse. Zum Fachwissen gesellt sich also Talent. So wie dasjenige, das Parker anerkennt, indem er dem Pinot Noir Raissennaz Grand Cru 2012 der Domaine Henri Cruchon 93 Punkte verleiht. Eine Bewertung, wie sie sonst nur die besten Burgunder erhalten. Fachwissen, Talent und Wagemut. Den Wagemut, den etwa das Haus Badoux zeigte, als es eine mit Pinot Gris bestockte Parzelle in Aigle am 24. Januar las, zwischen zwei Schneefällen. Zweifellos ein Rekord. Und die Gelegenheit, wieder einmal daran zu erinnern, dass man in der Waadt auch grosse Süssweine zu produzieren versteht. All diesen Qualitäten ist noch eine weitere hinzuzufügen: die der Gastfreundschaft. Die Weingüter und Kellereien der Waadt öffnen regelmässig ihre Türen für Besucher. Profitieren Sie davon!

Fotolitho und Druck: IRL plus SA. Anzeigenleitung: IRL plus SA, Arnold Krattinger Chemin du Closel 5 - CH-1020 Renens Mobil: +41 79 373 06 22 E-Mail: arnold.krattinger@irl.ch Abonnemente: www.revueleguillon.ch – revue@guillon.ch ISSNN 1423-7393

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P. S. A big welcome to those of you reading the magazine in English. Whether you live in Switzerland or are just visiting, we hope you enjoy learning more about the exceptional wines made in the Pays de Vaud and our unique art of living.

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Waadtländer Wein

Französische Profis im Waadtländer Weingebiet

Rot, Weiss… Blau

Immer mehr französische Berufsleute arbeiten in den Rebbergen und Weinkellern des Waadtlandes. Dazu gibt es weder Zahlen noch Studien. Auch keine Vereine. Aber eine Tendenz, die zweifellos der Nähe und der Sprache zu verdanken ist. Fünf Begegnungen «unter vier Augen». Pierre Thomas – Fotos: Bertrand Rey Der Fall ist nicht einzigartig in der Schweiz: Neuenburg hat bereits seit einigen Jahren einen kantonalen Weinbauverantwortlichen französischen Ursprungs. Doch die Ernennung des jungen Elsässers Philippe Meyer durch den Waadtländer Staatsrat zum Kantonsönologen und Nachfolger von Denis Jotterand, der diesen Posten zwölf Jahre lang innehatte, richtete die Aufmerksamkeit auf eine neue Realität. Changins seinerseits strebt nach einer frankopho-

nen Ausstrahlung, indem es Unterricht und Sektoren der Forschung Franzosen anvertraut – und, indem es, wie eines der nachfolgenden Beispiele zeigt, Schüler aus dem Hexagon auf seine Schulbänke lockt. In den Rebbergen und Weinkellern scheint die Präsenz unserer Nachbarn weniger augenfällig. Doch das ändert sich! Vor allem mit der neuen Generation. Die fünf nachfolgenden Porträts sind sehr unterschiedlich. Eine doppelte

«positive Überraschung» verbindet sie: zuerst betonen alle Interviewpartner ihre Passion für den Chasselas (den alle als ihren Lieblingswein nennen!), und dann wird die kleine helvetische Welt eher als reichhaltiges und vielfältiges denn als winziges, verwinkeltes Territorium angesehen, trotz dem schwachen Export (1%). Schliessen wir also Bekanntschaft mit den Inhabern eines BTS (Brevet de Technicien supérieur) oder DNO (Diplôme national d’œnologue).

Red, White… and Blue Increasing numbers of French wine professionals are working in the vineyards and cellars of the Vaud canton. There are no data and no surveys, but there is plainly a trend which is no doubt attributable to a common border and a common language. For some years now, Neuchatel has had a French cantonal wine-manager, but the State Council’s nomination two years ago of Philippe Meyer, a young wine professional from Alsace, to the post of cantonal oenologist, highlights this new reality. As for Changins, the school has a policy of spreading its influence in the French-speaking world: it hires French nationals for teaching and research, and attracts students from France. In the vineyards and cellars, the presence of our neighbours is less evident. But that

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is changing, especially with the new generation who are united in recognising some welcome surprises: firstly, that one can be passionate about Chasselas and secondly, that although small and with exports at a mere 1%, Switzerland is a land of richness and diversity. Chasselas wines selected by French professionals: • Philippe Meyer, cantonal oenologist, Cully Aigle 2013, Hospices cantonaux Full of elegance and finesse • Floriane Garçon, œnologist, Morges Mont de Vaux 2013, Grand Cru, Domaine Cruchon Lovely personality, original and complex

• Dorian Amar, oenologist and production manager, Etoy Vigne En Bayel 2013, Féchy, Raymond Paccot All the best qualities • Fabien Bernau, cellar hand and oenologist, Union vinicole Cully Son Excellence 2013, Epesses, Union Vinicole de Cully Cultivated by two wine-grower members, optimal maturity, controlled vine yield • Mathieu Le Saux, former production manager, Domaine des Faverges, Saint-Saphorin L’Enigme 2013, Domaine des Faverges, Saint-Saphorin Bio Bourgeon label 2015, spontaneous malolactic fermentation, long maturation on fine dregs. PT

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Waadtländer Wein

Philippe Meyer, Kantonsönologe, Cully

«Ein enormes Potential, das es auszuschöpfen gilt» «Die Schweiz bringt mir viel. Beispielsweise Changins, das nahe bei der Branche ist. Hier kann ein Winzer, der lernen und sich weiterbilden will, das auch tun.» Der 37-jährige Elsässer Philippe Meyer, seit Frühling 2012 Waadtländer Kantonsönologe, bleibt in Cully, dort, wo er von 2008 bis 2012 vier Jahrgänge auf der Domaine Louis-Philippe Bovard vinifiziert hat: «Ich fühle mich wohl hier, mit meiner Familie und meinen Freunden – ich schätze diesen Lebensraum.» Philippe Meyer stammt aus einer Winzerfamilie (seine Cousinen leiten die Domaine Josmeyer), hat sein Brevet in Weinbau und Önologie in Rouffach absolviert und danach in Reims das Diplom als Önologe gemacht. «Ich erinnere mich, dass wir in Verbier skifahren waren, da war ich 17, 18 Jahre alt; als wir am Lac Léman entlangfuhren, sagte ich: hierher komme ich zurück! Später wusste ich, dass man im Lavaux, einem Weingebiet jenseits aller Normen, Aussergewöhnliches leisten kann. Sobald ich hier Fuss gefasst hatte, hat sich meine Motivation verzehnfacht! Ich vergleiche das Lavaux mit der Côte Rôtie. Das Potential des Terroirs ist dasselbe. Was noch fehlt, ist das Bewusstsein im Marketing, um die Weine auf ein Preisniveau von 30 Euros pro Flasche zu bringen, wie in der Côte Rôtie.» «Im Elsass habe ich bereits Chasselas für eine weisse Cuvée vinifiziert. Hier habe ich festgestellt, das der reinsortige Chasselas ein Sich-in-Frage-stellen und ständige Reflexion erfordert», konstatiert der Mann, der für rund hundert Weingüter die Analysen macht, vierzig Betriebe ständig berät und an der Weinbauschule in Marcelin unterrichtet. «Ich verkoste Weine aus dem ganzen Kanton. Bei 66 autorisierten Rebsorten ist das höchst spannend. Die Terroirs sind sehr unterschiedlich. Ich mache jedes Mal neue Entdeckungen.» Welches Bild hatte er von den Waadtländer Weinen, bevor er sich hier nieder-

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liess? «Wenn wir in die Schweiz kamen, um Elsässer Wein zu verkaufen, nahmen wir immer Probeflaschen mit nach Hause. Ich wusste also, dass der Chasselas ein ausladender Wein mit viel Schmelz ist. Die Winzer legen Wert auf diese weiche Seite, fast zu sehr… Dieser Charakter ist vergleichbar mit der Frage nach dem Restzucker bei den Elsässer Weinen. Man hat mich auch gewarnt: Der Waadtländer Winzer mag keine Veränderungen, aber er ist gezwungen, offen zu sein: Gerade am Ufer des Lac Léman wird die Handarbeit in den Reben oft von Ausländern geleistet – und auch die Kunden stammen oft aus dem Ausland.» Und wie sieht er die Zukunft des Waadtländer Weins? «Der Spielraum beim tech-

nischen Fortschritt ist begrenzt, denn das Niveau ist hoch, aber enorm gross beim Verkauf. Die Kellereien sind gut ausgerüstet, die Rebberge bestens unterhalten. Drei klimatisch schwierige Jahrgänge haben gerade gezeigt, dass die Winzer hartnäckig ihre Ziele verfolgen. Wer Winzer sein will, muss überzeugt sein von dem, was er tut.» Philippe Meyer weiss, wovon er spricht. Ein Waadtländer würde über ihn sagen: «Er ist einer von uns.» Der Weintip von Philippe Meyer: Aigle 2013, Hospices cantonaux Ein Chasselas von grosser Eleganz und Finesse, ausgebaut von «Kellermeisterin» Marjorie Bonvin.

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Floriane Garçon, Önologin, Morges

«Die Qualitätsvielfalt hat mich überrascht»

«Ich hatte keine Ahnung von Schweizer Weinen, bevor ich hierherkam, aber ich war neugierig und bin dem Charme des Chasselas schnell erlegen», sagt die 26 Jahre junge und in Bugey, zwischen Genf und Lyon, geborene Floriane Garçon auf Anhieb. Nach der Matura hat sie ihr BTS «viti-œno» in MâconDavayé gemacht, gefolgt von einem Lizentiat in «Rebwissenschaft» und einem Diplom als Önologin in Dijon. Nach diversen Stages in Frankreich kommt sie im Januar 2013 in die Schweiz, um Raoul Cruchon auf seinem Familiengut in Echichens zu unterstützen. Rasch bittet sie der Önologe zu bleiben und sie sagt zu, bevor sie ins Burgund geschickt wird, um die Weinlese 2014 in Gevrey-Chambertin mitzumachen und Chardonnay und Pinot noir besser zu verstehen. «Diese Erfahrung hat mir die Augen geöffnet. Ich habe mir gesagt, dass ich mit 25 Jahren noch längst nicht alles gesehen

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habe und dass ich reisen muss…» Diesen Artikel wird sie in Neuseeland lesen, wo sie ihre ersten Pinots noirs in der Region Marlborough ernten wird. Auch wenn sie im Moment überzeugt ist, nicht in die Schweiz zurückzukehren, blickt Floriane Garçon auf die vergangenen beiden Jahre zurück. «Wenn in der Waadt nur noch Chasselas und Pinot noir wachsen würden, würde mich das nicht stören!» Beide Rebsorten verlangen Präzision im Keller, um «Delikatesse, Diskretion und Ausgewogenheit» auszudrücken. Eine echte Herausforderung für eine Önologin oder einen Önologen. «Wenn man Reichhaltigkeit und Komplexität sucht, hat man einen grösseren Spielraum, vor allem mittels Barriqueausbau; Finesse und Eleganz hingegen verlangen grösste Sorgfalt und Aufmerksamkeit.» Auf dem bekannten Weingut, das zu den am meisten diversifizierten der

Waadt gehört, hat die junge Önologin das «Vergnügen» der anderen Rebsorten nicht verschmäht, «aber ich erlebte nie derartige Emotionen wie mit dem Chasselas. Der grösste Wein, den ich getrunken habe, ist ein Dézaley du Clos des Abbayes 1979 der Stadt Lausanne, anlässlich der Degustation von Mémoire des Vins Suisses im Frühling 2014. Ich war völlig verblüfft. Die Altersnoten von Honig, Gewürzen oder Curry erinnern mich an die Weine aus dem Jura, wo meine Mutter herkommt. Solche Weine sind fabelhaft zu einer Käseplatte. Zu Hause tranken wir Vin jaune mit Comté!» Auf der Domaine Cruchon wurde die Önologin mit Biodynamik konfrontiert: «Auf ein und derselben Parzelle hatten wir konventionell und biodynamisch kultivierte Trauben nebeneinander. Die parallel zu probieren war wie Tag und Nacht. Biodynamik ist vor allem eine Reflexion über das Gleichgewicht der Rebe, nichts weiter!» Wenn sie einen Rat erteilen müsste, dann den, «sich auf die autochthonen Rebsorten zu konzentrieren und aufhören zu diversifizieren, ausser vielleicht in Genf. Im Kanton Waadt muss man auf den Chasselas und den Pinot noir setzen und den Gamaret und den Divico verbessern, indem man ihnen beim Ausbauprozess mehr Zeit lässt.» Denn die junge Französin bedauert, dass man die Gewohnheit hat, «rote und weisse Weine zu früh zu konsumieren.»

Der Weintip von Floriane Garçon: Mont de Vaux 2013, Grand Cru, Domaine Cruchon Ein Chasselas «ohne jede Zurückhaltung!», mit ausgeprägter Persönlichkeit, originell und komplex.

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Waadtländer Wein

Dorian Amar, Önologe und Rebmeister, Etoy

«Biodynamik aus Respekt vor der Tradition» «Zu sagen, dass ich die Schweiz nicht gekannt habe, bevor ich hierher kam, ist ein französisches Klischee», entschuldigt sich Dorian Amar, 33 Jahre alt. Nach einer sehr guten Ausbildung in Südfrankreich hat er sich am Ufer des Lac Léman niedergelassen: «Mein ganzes berufliches Netz habe ich hier geknüpft. Das ist auch der erste Ort, wo ich mir gesagt habe: hier könnte ich leben. Das Klima sagt mir zu. Ich liebe die Stadt und das Land – hier wechselt man schnell von den Rotlichtern zu den Kühen.» Der Ingenieur-Önologe, der 2009 sein Studium in Changins abschloss, hatte keinerlei Probleme, sich zu integrieren: «Die Kultur ist dieselbe, und die Unterschiede zwischen einem Schweizer und einem Franzosen sind etwa gleich gross wie die zwischen einem aus Cannes und einem aus Montpellier (woher er stammt und wo er studiert hat, AdR.).» Der junge Önologe ist schon recht herumgekommen in der Schweiz, hat verschiedene Stages absolviert, zuerst auf der Domaine Les Hutins in Genf, dann in der Waadtländer Côte bei Cruchon und Paccot, bevor er vier Jahre lang bei Gilles Wannaz im Lavaux gearbeitet hat, danach kurz bei den Frères Dutruy und schliesslich als Rebmeister bei Raymond Paccot in Féchy. Er gilt als Spezialist für Biodynamik; er hat zu diesem Thema schon mehrere Artikel in Fachpublikationen geschrieben, etwa für die französische «Revue des œnologues» oder für «Objectif», das Magazin für die Ehemaligen von Changins. «Ich wollte erfahren, ob es möglich ist, Qualitätstrauben zu produzieren, ohne auf traditionelle Weinbaumethoden zurückzugreifen. Die Antwort ist: ja!» Heisst das, die Biodynamik ist die Methode der Zukunft? Dorian Amar, der 2012 das Werk «L’essentiel de ce qu’il faut savoir sur le vin» bei Slatkine publiziert und nun gerade ein technisches Buch über Wein, Reben und Degustation

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abgeschlossen hat, antwortet: «Biodynamik ist eine Methode. Bis heute die kompletteste im Weinbau, doch die Techniken entwickeln sich weiter. Es ist sinnlos, die heutige Technik derjenigen unserer Vorfahren gegenüberzustellen. Tradition ist ein evolutionärer Begriff. Sollte ich ein eigenes Weingut haben, würde ich es biodynamisch bewirtschaften», bestätigt er, der die Reben von Raymond Paccot gemäss dem Pflichtenheft des Biodynamiklabels Demeter kultiviert. Aus dem Land des Pastis stammend, war er verblüfft von «der Apéro-Kultur des Chasselas»: «Das ist Teil der helvetischen Identität. Der Chasselas verlangt viel Fachwissen, wenn man einen Qualitätswein produzieren will. Die grossen Chasselas zeugen von echtem Savoirfaire. Der Kampf für sein Weiterleben ist nobel. Diese Rebsorte wird noch zu wenig verstanden, vor allem in Bezug

auf ihre Langlebigkeit. Zudem bietet sie zusammen mit Terroirprodukten – von Fischen aus dem See bis zu Alpkäsen – schöne sensorische Erfahrungen.» In Zukunft will Dorian Amar «mehr auf typisch schweizerische Rebsorten setzen, etwa auf Gamaret, Diolinoir, Mara oder Mondeuse. «Man muss sie auf verschiedenen Terroirs kultivieren, um ihnen mehr Identität zu verleihen. Ich glaube an die neuen Rebsorten aus Changins.»

Der Weintip von Dorian Amar: Vigne En Bayel 2013, Féchy, Raymond Paccot Ein Chasselas, der «sämtliche Qualitäten hat», auch wenn Dorian Amar eine Pirouette wagt: «Der Wein, auf den ich am stolzesten bin, ist der, den ich noch nicht gemacht habe.»

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Fabien Bernau, Kellermeister und Önologe, Union vinicole Cully

«Wir suchen die Reintönigkeit mittels Präzision»

Wir hielten ihn für einen Franzosen, aber er ist keiner. Obwohl… Vor 37 Jahren in Lausanne geboren, hat Fabien Bernau einen grossen Teil seiner Weinbauerfahrungen in Südfrankreich gesammelt, wo er auch seine Frau, eine gebürtige Pariserin, kennengelernt hat. Seine Karriere startet in der Waadt: Nach der Handelsschule macht er einen Lehrabschluss als Kellermeister bei Uvavins. Dann absolviert er im Fernstudium den «bac», mit häufigen Sitzungen in Bordeaux, gefolgt von einer Stelle in Cassis, auf dem Clos Sainte-Magdeleine, und einem «BTS viti-œno» in Erwachsenenbildung in Hyères. Danach arbeitet er auf verschiedenen Weingütern, bevor er in einer Kooperative «alles macht». Jeden Herbst kommt er aber zur Weinlese in die Waadt zurück. Nach

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einem Abstecher nach Bonvillars wird er 2009 Kellermeister und Önologe der Union Vinicole de Cully, aus «Interesse an der Vinifikation des Chasselas». Was ihn verblüfft, wenn er die Schweiz mit Frankreich vergleicht, ist «die hiesige Vielfalt. Um in Frankreich beachtliche Unterschiede anzutreffen, muss man die Region wechseln, während ich mit meiner Equipe zwischen Cully und Lutry 15 verschiedene Chasselas, ein halbes Dutzend weisse Spezialitäten und 15 Rotweine produziere, inklusive solche in Barriques.» Die Union Vinicole de Cully wurde in die Charta des Plant Robert aufgenommen und hat kürzlich eine anfangs November gelesene Mondeuse auf den Markt gebracht. Auf technischer Ebene hat der Önologe Betoncuves vorgefunden, so wie in Südfrankreich. Frankreich habe eine Länge Vorsprung, in zwei

Sektoren. Zuerst einmal wirtschaftlich: «Hier stehen wir zweifellos vor einer Zentralisierung der Kellereien, ein Schritt, den Frankreich schon gemacht hat. Die Herausforderung: Weine von besserer Qualität mit weniger Personal zu produzieren. In der Genossenschaft von Cully streben wir vor allem Qualität an, etwa indem wir die Verträge, die uns mit den Genossenschaftern verbinden, anpassen.» Und technologisch: «Angesichts weniger ausgeklügelter Ausrüstung in Frankreich habe ich die Erfahrung gemacht, dass die sehr guten Weine jene sind, die so einfach wie möglich bereitet werden. Die traditionellen Verfahren sind der hochspezialisierten Technik oft überlegen, und ich glaube, dass die Franzosen aus Respekt vor dem Terroir darauf zurückkommen. Der Wein entsteht vor allem im Rebberg. Frankreich bleibt eine Referenz: an erster Stelle stehen das Terroir und die Rebsorte, dann kommt die Vinifikation. In der Schweiz versucht man bisweilen im Keller zu korrigieren, was im Rebberg verpasst wurde.» Der Weintip von Fabien Bernau: «Son Excellence» 2013, Epesses, Union Vinicole de Cully Ein Chasselas, kultiviert von zwei Genossenschaftern, mit gezügeltem Ertrag und bei idealer Reife gelesen: Gleich bei seinem ersten Jahrgang hat dieser Wein das Finale der Lauriers de Platine 2014 von Terravin erreicht und wurde nur vom Trechêne der Gemeinde Yvorne übertroffen.

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Die zweite Collection Chandra Kurt ist dem Waadtland gewidmet und eine Hommage an die Chasselas Traube, deren Ursprungsort die Waadt ist. Diese Weinlinie umfasst zurzeit vier TerroirWeine, die – wie die meisten Waadtländer Chasselas – den Namen ihrer geografischenDécouvrez Herkunft tragen und deren geschmackliche stark les multiples facettes aromatiquesAusprägung de ce cépage issuvom desjeweiligen meilleurs Terroir terroirsgeprägt du payswird. de Vaud. www.chandrakurt.com www.bolle.ch


Waadtländer Wein

Mathieu Le Saux, ehemaliger Rebmeister auf der Domaine des Faverges, Saint-Saphorin

«Man muss die Identität der Weine mehr pflegen» die Bio-Knospe mit dem Vermerk «in Umstellung» seit 2013. Von den 6,5 Hektaren, die Gérald Vallélian bewirtschaftet, werden 2,5 ha biodynamisch und 4,5 biologisch kultiviert; zwei Drittel werden mit Hilfe eines kleinen Raupenfahrzeugs gespritzt, ein Drittel mittels Zerstäuber: «Ich folge weniger dem Mondkalender als dem Wetterbericht. Und ich bereite meine Kräuteraufgüsse selber zu, am Vorabend. Man sollte sich für Botanik begeistern: Meine Reben waren mein 6,5 ha grosser Garten. Und dabei nicht vergessen, dass man Trauben produzieren muss: das ist unser Beruf. Bio wird einiges in Bewegung bringen», prognostiziert er, «und es braucht Beispiele mit grossen Mengen, wie Les Faverges. Wie in Frankreich wird sich der Übergang mit der neuen Generation vollziehen.» Für Mathieu Le Saux ist es Zeit, «die traditionellen Rebsorten Chasselas, Pinot noir und Gamay anders zu behandeln. Und zwar nach Burgunder Vorbild, mit eigenen Hefen und langem Ausbau, auch wenn der Chasselas die Barrique nicht verträgt. Die Waadtländer Weine machen ihre Unterschiede, ihre eigene Identität zu wenig geltend. Trotz der Dorfnamen erkennt man eher die Hand der Önologen als das Terroir. Im Keller wendet man allzu oft ein Rezept an und bügelt jede Unebenheit aus, dabei gibt es so schöne Bitternoten und eine schöne Säure!» Wir erwischen ihn gerade noch, bevor er seinen «Ausstand» gibt auf der Domaine des Faverges. Der 27 Jahre junge Bretone, der vier Jahre lang als Rebmeister auf dem Weingut arbeitete, das dem Kanton Freiburg gehört, aber Gérald Vallélian (mittlerweile Bürgermeister von SaintSaphorin) auch im Keller zur Seite stand, will auf Reisen gehen. «Ins Languedoc und nach Montpellier, wo ich meine Lehre und mein BTS gemacht habe, ins Elsass, ins Burgund und ins Piemont.»

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Der junge Berufsmann fand seinen künftigen Patron auf der Website vitijob.com. «Ich hatte keine Ahnung von Schweizer Weinen, als ich ankam. Als ich meinen ersten Chasselas degustierte, fragte ich mich: was ist denn das? Das ist schlaff, das ist fett, das hat Kohlensäure…» Die Annonce der Domaine des Faverges erwähnte eine «mögliche Umstellung auf Bio». Mathieu Le Saux hat vorwärts gemacht damit: Auf der Etikette des «klassischen» Chasselas des Faverges prangt

Der Weintip von Mathieu Le Saux: L’Enigme 2013, Domaine des Faverges, Saint-Saphorin Dieser Chasselas wird ab 2015 das Label «Bio Knospe» tragen. Spontanvergärung, biologischer Säureabbau und langer Ausbau auf den Feinhefen. Seit 2012 hat er ein rotes Pendant, einen Pinot noir namens L’Evidence.

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Š Hans-Peter Siffert


Waadtländer Wein

Das Erwachen der Reben Zwischen der Weinlese und dem Austrieb der ersten Knospen fällt die Rebe in den Winterschlaf. Der Produzent seinerseits bereitet die künftigen Ernten vor. Im Fokus stehen für einmal die Herausforderungen, welche die am wenigsten bekannte Jahreszeit bereithält und die dem erneuten Erwachen der Vitis Vinifera vorangeht. Alexandre Truffer – Fotos: Sandra Culand Wenn die Weinlese zu Ende ist, verlieren die Reben ihre Blätter und halten Winterschlaf. In dieser Periode, die bis zu den ersten schönen Frühlingstagen dauert, verlässt der Saft die oberen Teile der Pflanze. «Das Weinen der Reben ist das erste Anzeichen für das Erwachen der Vegetation», erklärt Jean-Laurent Spring, Forscher von Agroscope Changins. «Dieses Ansteigen der Flüssigkeit, ausgelöst durch die Wurzeln, füllt sämtliche Leitungsbahnen der Rebe und vertreibt die kleinen Luftbläschen, die sich während des Winters gebildet

haben. Das setzt die Rebe gewissermassen unter Spannung und fördert ihren Austrieb», fährt der Wissenschaftler fort, der daran erinnert, dass neben der Rebe nur wenige andere Pflanzen diese Art von «Entschlackung» kennen. «Aus Wasser und organischem Material bestehend, sind die Tränen ein sehr variables Phänomen. Der Zeitpunkt ihres Auftretens sowie ihre Anzahl werden von der Luft- und Bodentemperatur beeinflusst, aber auch von der Zusammensetzung und dem Wassergehalt der Böden. Dieses erste Anzeichen von Vegetation

der Pflanze geht dem Anschwellen der Knospen und dem Austrieb voran.» Seit hundert Jahren unter Beobachtung Der Austrieb ist der Moment, da die Knospen der Rebe, welche die Embryonen der Blätter und Trauben enthalten und «Augen» genannt werden, ihre im Winter entstandene Schutzhülle sprengen. Von den Berufsleuten aufmerksam beobachtet, ist der Austrieb der erste wichtige «Angelpunkt» im Rebjahr. Seit 1925 notieren die Mitarbeiter der Forschungsanstalt sorgfältig alle Daten des

«Das Weinen der Reben ist das erste Anzeichen für das Erwachen der Vegetation» Jean-Laurent Spring, Forscher von Agroscope Changins

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SERVAGNIN MORGES GRAND CRU

Le vrai goût DU du SERVAGNIN Servagnin

LE VRAI GOÛT

DESCRIPTION Seules les vignes plantées en Pinot Noir, clone Salvagnin, situées dans le lieu de production Morges, ont droit à l’appellation Servagnin de Morges. La production maximale ne doit pas dépasser 50 hectolitres à l’hectare et son raisin doit atteindre un minimum de 82 degrés Oechslé. Vinifié obligatoirement en barrique de chêne, son élevage doit durer au moins 16 mois. Il ne peut pas être commercialisé avant le 1er avril de chaque année. La Commission du Servagnin, qui contrôle toutes ces normes, attribue l’appellation Servagnin de Morges après avoir jugé par une sévère dégustation que les qualités obtenues correspondent à la haute définition exigée. Les bouteilles ayant obtenu l’agrément portent la capsule rouge d’authentification Servagnin de Morges.

Association pour la promotion des Vins de Morges Case postale 72 1110 Morges 1 T 079 869 28 94 vinsdemorges@bluewin.ch www.vinsdemorges.ch


Waadtländer Wein

Austrieb

Entwicklung der durchschnittlichen Frühlingstemperatur in der Schweiz von 1864-2011

Ausschnitt aus der Studie «Klima und Phänologie der Rebe» (komplettes PDF auf http://www.vitiplus.ch/document/Phéno%2088%20ans%20Pully%20a.pdf)

«Diese Zyklen zeigen, dass die Schweiz in einer Übergangszone liegt, zwischen den Mittelmeerregionen, die wärmer und vor allem trockener werden, und Zentraleuropa, dessen Niederschläge stetig zunehmen. Im Moment scheinen die kurzfristigen Schwankungen genau so grossen Einfluss zu haben wie die grundsätzliche Tendenz.»» Jean-Laurent Spring, Forscher von Agroscope Changins

Austriebs, der Rebblüte, des Farbumschlags sowie der Weinlese und halten auch den Zuckergehalt des Mostes am 20. September fest. Diese Beobachtungen werden seit neunzig Jahren mit grosser Aufmerksamkeit in mit Chasselas bestockten Versuchsrebbergen gemacht. Sie ermöglichen einen präzisen Blick auf die klimatischen Entwicklungen am Lac Léman, die Laurent Spring in einer Studie mit dem Titel «Climat et phénologie de la vigne» zusammengefasst hat. Erste Feststellung: das Durchschnittsdatum des Austriebs in den letzten neunzig Jahren (13. April) scheint eher eine Demarkationslinie zwischen frühen und späten Jahrgängen zu sein als das übliche Datum für den Austrieb. So hatte 2013 etwa zehn Tage Verspätung, 2014 dagegen eine Woche Vorsprung auf diesen Mittelwert. Was die Extreme betrifft, so oszilliert man zwi-

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schen Ende März (1948, 1990 und 1994) und Anfang Mai (1956 und 1986). Wenn man das ganze Weinjahr mit einbezieht und nicht nur den Austrieb, dann zeigt die Studie recht deutlich das Nebeneinander von vier verschiedenen Perioden. Zwischen 1925 und 1939 waren späte Jahre die Regel. Von 1940 bis 1953 fand eine Umwälzung statt, Blüte und Farbumschlag erfolgten sehr früh, im Schnitt fast drei Wochen früher als in der vorhergehenden Periode. Nach 1954 änderte die Tendenz erneut, es brachen drei kühlere Jahrzehnte an. Von 1985 bis 2012 näherten sich die Werte der warmen Periode von 1940 bis 1953 an. Jean-Laurent Spring erklärt: «Diese Zyklen zeigen, dass die Schweiz in einer Übergangszone liegt, zwischen den Mittelmeerregionen, die wärmer und vor allem trockener werden, und Zentraleuropa, dessen Niederschläge stetig zunehmen. Im Moment

scheinen die kurzfristigen Schwankungen genau so grossen Einfluss zu haben wie die grundsätzliche Tendenz.» Der Rebschulist auf der Jagd nach Modeströmungen Kein Weinprofi ist so sehr darauf angewiesen, die Evolutionen in den Weinregionen vorwegzunehmen wie der Rebschulist. Philippe Rosset pflanzt jedes Jahr rund 250 000 Pfropfreben. «Um zu wissen, welche Rebsorten ich in welchen Mengen anpflanzen soll, muss ich die Moden der kommenden Jahre vorherahnen. Eine Pfropfrebe, die ich heute pflanze, wird in einem Jahr von einem Produzenten gekauft. Man muss vier Jahre auf die erste Weinlese warten, und die Lebenserwartung eines Rebstocks liegt bei vierzig oder fünfzig Jahren. Man muss also wissen, welcher Weintyp mittel- und langfristig gefragt sein wird.

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Waadtländer Wein

«Die Unterlagsrebe stammt von einer wurzelechten amerikanischen Rebe. Zuerst wird sie geschnitten, dann entfernt man alle sekundären Triebe, um möglichst gerade Holzstücke von mindestens 7 mm Durchmesser zu erhalten.» Philippe Rosset

Heute wird kaum noch Gamaret oder Garanoir gepfropft, wurde doch im vergangenen Jahrzehnt viel davon gepflanzt und alle Winzer sind eingedeckt damit. Gamay und Pinot noir dagegen gewinnen wieder an Bedeutung», erzählt der Rebschulist, der zu den bedeutendsten des Kantons Waadt gehört und 1,7 Hektaren seines Bodens für diese besondere Tätigkeit reserviert. Um die Bedeutung dieses wenig bekannten Berufs zu verstehen, muss man ein wenig in die Vergangenheit zurückblicken. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das Pflanzen einer Rebe völlig unkompliziert. Es genügte, einen Trieb in die Erde zu stecken, den man oberflächlich einschnitt, um die Bildung neuer Wurzeln

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zu beschleunigen. Das änderte in den 1860er Jahren, mit dem Auftauchen der Phylloxera in Europa. Die aus Amerika eingeschleppte Reblaus ist für europäische Reben absolut tödlich. In wenigen Jahrzehnten schaffte es das Insekt, 99% der Rebberge zu zerstören und den ganzen Kontinent zu verseuchen. 1886 tauchte die Rebblaus erstmals in Founex auf und verbreitete sich von hier im ganzen Kanton Waadt. Es gibt nur eine wirksame Methode gegen den Parasiten: die europäischen Reben auf amerikanische Unterlagsreben aufpfropfen; letztere sind resistent gegen die Reblaus, doch überzeugen ihre Trauben geschmacklich nicht. Um die 6600 Hektaren Reben zu ersetzen, die der Kanton zu jener Zeit

zählte, entstand eine neue Berufsgattung: die der Rebschulisten. Unter ihnen Philippe Rossets Urgrossvater, der 1901 mit dieser Aktivität begann. Damit ein Winzer zu Beginn des Frühjahrs eine neue Parzelle bepflanzen kann, braucht es vorgängig zahlreiche Etappen. «Die Unterlagsrebe stammt von einer wurzelechten amerikanischen Rebe. Zuerst wird sie geschnitten, dann entfernt man alle sekundären Triebe, um möglichst gerade Holzstücke von mindestens 7 mm Durchmesser zu erhalten. Bei diesen Unterlagsreben werden alle Augen entfernt, denn man braucht ja nur ihre Wurzeln; zum Schluss schneidet man sie auf die gewünschte Länge zurecht», erklärt Philippe Rosset. «Die Edelreiser werden gewonnen, indem man bei den traditionellen Rebstöcken Triebe abschneidet. Unterlags- und Pfropfrebe werden in Wasser und anschliessend in eine desinfizierende Lösung getaucht, bevor sie in einer Kühlkammer bei einer Temperatur von 3° C und hoher Luftfeuchtigkeit gelagert werden. Hier bleiben sie bis zum Veredeln (Pfropfen), das zwischen dem 15. und

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20. März stattfindet und gut drei Wochen dauert. Dann beginnt die Lagerung: Die Pflanzen werden zwei Wochen lang auf 30° C erwärmt, damit sich rund um die Veredelungsstelle schützendes Kallusgewebe bilden kann. Sobald dieses gut ausgebildet ist, sind die Jungreben bereit, in die Erde der Rebschule gesetzt zu werden.» Schneiden, um zu schützen Obwohl domestiziert, bleibt die Rebe ein Lianengewächs, das seine ganze Energie darein setzt, seine Triebe wachsen zu lassen. Um zuckerreiche Beeren zu erhalten, ohne die das edelste aller Getränke nicht denkbar ist, muss der Winzer die Vegetation mittels Rebschnitt, Ausbrechen und Zurückschneiden des Blattwerks zügeln. Obwohl der Rebschnitt so alt ist wie die Rebkultur selbst, organisiert Prométerre seit 2011 Perfektionierungskurse in dieser alten Kunst. «Schneiden, das bedeutet die Rebe zu domestizieren, um sie kultivieren zu können. Dieser grundlegende Arbeitsschritt erlaubt die Regulierung des Ertrags und der Wuchskraft», erläutert David

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«Die neuen Schnitt-Techniken wurden entwickelt, um Rebholzkrankheiten wie Esca einzudämmen.» David Marchand

Marchand. Der Rebbauberater erinnert daran, dass in der Schweiz vor allem die Erziehungssysteme einfacher Guyot und Cordon Royat verbreitet sind (da sie eine Mechanisierung der Parzellen erlauben), nebst dem traditionellen Gobelet (keine Mechanisierung, Unkraut muss aus der Parzelle entfernt werden). «Die neuen Schnitt-Techniken wurden entwickelt, um Rebholzkrankheiten wie Esca einzudämmen», präzisiert David Marchand. Diese endemische Krankheit, die von verschiedenen Pilzen ausgelöst wird, gab es schon immer, doch hat sie sich in den letzten Jahren stark ausgebreitet. 2012 war leider ein Rekordjahr. Im Kanton Waadt wird seit 2007 eine Vergleichsparzelle mit 1200 Stöcken Pinot noir beobachtet. In den ersten vier Jahren schwankten die Verluste zwischen 1% und 3%, 2012 erlag fast ein Zehntel der Reben der Seuche. Innerhalb von sechs

Jahren mussten mehr als 20% der Rebstöcke ersetzt werden. Die Träger von Esca sind von Natur aus auf gesunden Pflanzen vorhanden und werden über die Luft verbreitet; erfolgreich bekämpft werden können sie nur mittels phytosanitären Produkten oder prophylaktischen Massnahmen. «Mehr und mehr nimmt man an, dass die Pilze nicht die Ursache für die kranken Reben sind, aber dass sie das Austrocknen eines Rebstocks verschlimmern, an dessen Ursprung ein inadäquater Schnitt steht», erläutert der Fachmann, der Kurse anbietet mit dem Titel «Schneiden und Ausbrechen nach der Methode Simonit & Sirch, um Rebkrankheiten zu begrenzen». «Beim Schneiden fügt man der Rebe eine kegelförmige Wunde zu, die austrocknet. Das führt zu einer Nekrose in einem Teil des Holzes. Diese Nekrose ist meistens eineinhalbmal so gross wie der Durch-

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messer des Triebs, den man abgeschnitten hat. Je kürzer der Schnitt, je tiefer die Schnittwunde, desto mehr wird der Fluss des Safts behindert», verdeutlicht David Marchand. «Die Schnitt-Techniken der Zeit um 1900 wurden vereinfacht, unter anderem wegen der Mechanisierung, wobei verschiedene wichtige Prinzipien vergessen gingen. Etwa, die Schnittwunden auf der oberen Seite anzubringen, um die Pflanze nicht von der Zirkulation des Lebenssaftes abzutrennen. In der Schweiz wurde diese Regel zwar immer angewandt, dagegen hat man hier die Tendenz, nur einen einzigen Saftzustrom zu bewahren. Zudem neigen die traditionellen Schnitte dazu, zu kurz zu sein. Der Win-

zer will zu sauber, zu ästhetisch arbeiten und lässt nicht genügend lange Stümpfe übrig. Das hat sich noch verschärft, seit man elektrische Rebscheren verwendet, die mühelos auch grosse Holzstücke wegschneiden. Wenn man einen nach helvetischer Methode geschnittenen Rebstock in der Längsache aufschneidet, sieht man gut, dass ein bedeutender Teil des Triebs aus totem Holz besteht. Was nicht der Fall ist, wenn man die Prinzipien der Methode Simonit & Sirch befolgt. Vor rund zehn Jahren von italienischen Fachleuten entwickelt, nimmt sie die alten Techniken wieder auf und fasst sie zusammen – mit dem Ziel, die Lebensdauer der Reben deutlich zu verlängern.»

Bisher gibt es noch nicht genügend Zahlenmaterial zum Einfluss der Schnittart, denn die Krankheitszeichen treten erst auf, wenn die Rebe 15 Jahre alt ist. Die Resultate, welche die italienischen Fachleute in ihren Demonstrationsrebbergen sammeln, beurteilt David Marchand allerdings als «eindrücklich». Er folgert daraus: «Mit einer etwas konsequenteren Arbeitsweise, welche die Rebe beim Schneiden nicht traumatisiert, kann man die Verluste wegen Holzkrankheiten stark begrenzen und das Altern der Reben fördern – ein Garant für Qualität. Diese neuen Techniken sind nicht nur ökonomisch rentabel, sondern auch vorteilhaft für den Konsumenten.»

Frost: eine seltene, aber tödliche Gefahr Man unterscheidet zwei Arten von Frost. Der bekanntere Frühjahrsfrost tritt auf, wenn das Thermometer unter –1° C fällt. Sobald die Temperatur dieses Niveau erreicht, können die Knospen und Triebe Schaden nehmen. Das Ausmass der Schäden hängt nicht nur von der Temperatur ab, sondern variiert je nach Feuchtigkeit, Rebsorte oder Art der Erziehung. Es gibt Mittel gegen den Frost – das Versprühen von Wasser, kleine Öfen oder Ventilatoren, welche die bodennahen Kaltluftschichten mit der weiter oben liegenden wärmeren Luft vermischen –, sie werden aber wegen ihrer hohen Kosten nur selten angewandt. Ein Frühjahrsfrost kann zwar Knospen und gewisse Triebe zerstören, verursacht in der Regel aber keine irreversiblen Schäden an den Rebstöcken. Im Gegensatz zum Winterfrost. Dieser zeichnet sich durch deutlich tiefere Temperaturen aus (ab –15° C) und tötet jeweils den ganzen Stock. Winterfrost

ist selten in der Waadt, aber nicht unbekannt, und er führt zu namhaften Schäden. So hat der «grosse Frost von 1956» drei Viertel des Waadtländer Rebbergs zerstört. Das Phänomen wurde dadurch verschlimmert, dass sich der Monat Januar frühlingshaft mild zeigte. Am 31. des Monats publizierte die Gazette de Lausanne gar eine Liste mit schneelosen Wintern und erwähnte, «dass man 1288 an Weihnachten Veilchen pflückte, der Herbst 1725 erst im darauffolgenden März endete und der Winter in den Jahren 1939, 1948 und 1953 kaum auftauchte.» Zwei Tage später hielten polare Strömungen ganz Europa im Griff. Man mass –19° in Toulouse, –10° auf den Balearen und 0° in Tanger, am Ufer des Mittelmeers. Nach mehreren Wochen intensiver Kälte waren schätzungsweise 20 000 der 25 000 Hektaren Getreide und Raps des Kantons zerstört. Der Weinbau verzeichnete mehr als 1 775 000 erfrorene Rebstöcke.

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The Awakening of the Vine In the post-harvest period, the vine loses its leaves and goes into a state of dormancy. During this period, which lasts until the first fine days of spring, the sap leaves the above-ground parts of the plant. “Tears are first signs of the awakening of a vine”, explains Jean-Laurent Spring, a researcher at Agroscope in Changins. “This root liquid flushes through the vine’s central network. It expels the little air bubbles and blockages, which are formed during winter, which has an energising effect on the vine stock and helps it take off again”, continues the scientist, adding that this purge is specific to the grapevine and several

other plants. “These tears, made up of water and organic materials, are very varied phenomena. They are conditioned by air and soil temperatures, as well as their composition and hydrous state. These first signs of the plant’s vegetation are followed by the swelling of the buds and the beginning of the annual growth cycle”. This is called bud break; the buds which contain the embryos of the leaves and grapes, break their protective envelope formed during winter. A nursery gardener and a trend expert Philippe Rosset plants about 250,000 grafts a year. “To know which grape va-

Jean-Laurent Spring, a researcher at Agroscope in Changins

rieties to plant and in what proportions, I need to take a guess at future trends. The graft I plant today will be purchased by a producer in a year’s time, but we have to wait four years for the first harvesting and a vine’s lifespan is around forty to fifty years. So it’s important to know what the best-sellers are going to be in the medium to long term. Nowadays, Gamaret

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Philippe Rosset

and Garanoir are rarely grafted because a lot was planted over the last decade and everyone has all they need. In contrast, Gamay and Pinot Noir are making a strong comeback”, observes the nursery gardener, who is one of the leaders in the Vaud canton and dedicates 4.2 acres of agricultural land to this specific activity. Pruning to protect In order to obtain the kind of grape berries that are indispensable for making the noblest of drinks, the wine grower has to limit the amount of vegetation by pruning, debudding, leaf-thinning and trimming. “Pruning is an essential step that optimises the vine’s potential and determines its fruiting and vigour”, explains David Marchand, a viticultural consultant. He points out that the most wide-

David Marchand, a viticultural consultant

spread techniques used in Switzerland are simple Guyot and Cordon pruning (which allow mechanical farming), and the Goblet technique (mechanical farming is not possible – the plot has to be weeded). “New pruning techniques have been developed to limit the potential for grapevine wood diseases such as esca”, explains David Marchand. “This endemic disease, caused by different fungi has always existed, but has developed strongly in recent years. 2012 was the worst year ever. Esca vectors, naturally present on healthy plants and spread by air-borne spores, can be efficiently managed only by plant protection products and protective measures. It is now increasingly believed that the fungi are not the cause of the stress, but that they amplify the dry-

ing of sap which comes from incorrect pruning. Pruning creates cones of dissecation and part of the wood dries out. These can reach the size of one and a half times the diameter of the shoot that has been pruned. The closer the secateurs cut, the deeper the wound and the greater the disruption of the flow of sap. With the traditional pruning method, the secateurs tend to cut too close; winegrowers try to be too neat and don’t leave enough growth. This is more frequent now that growers use electric secateurs which can easily cut large sections of wood”. We do not have enough statistical data yet on the impact of different pruning techniques. This is due to the fact that stress problems only appear once the grapevine has reached the age of about fifteen years. AT

Frost: a rare but mortal enemy There are two types of frost. The most common is spring frost which appears when temperatures fall below -1° C. Whenever temperatures fall to this level, buds and twigs can suffer. The degree of damage depends not only on the temperature, but varies according to the level of humidity, the grape variety and the pruning technique. There do exist means of grappling with this problem – the use of water sprinklers, or giant fans that mix layers of cold air close to the ground with the warmer air above the vines – but they require substantial investment and are therefore not widely used. If the spring frost does destroy some buds and twigs, the damage to the vine is generally not irreversible. However, the reverse is true in the case of winter frost when temperatures drop below -15° C and invariably kill the vine.

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Waadtländer Wein

Lauriers de Platine 2014 Mit dem Sieg der Platinlorbeeren 2014 erntet die Gemeinde Yvorne die Früchte für ihre rigorose Qualitätspolitik, die von zwei Passionierten umgesetzt wird: dem Önologen Frédéric Blanc und dem Behördenmitglied Alain Bassang. Alexandre Truffer Frédéric Blanc, verantwortlicher Önologe der Gemeinde Yvorne, und Alain Bassang, für die Reben verantwortliches Behördenmitglied, sitzen am Tisch von Staatsrat Philippe Leuba und geniessen… Den Gemsrücken von Benoît Violier? Den Merlot 2011 von Pierre Monachon, der das wunderbar rosa gebratene Wild begleitet? Selbstverständlich. Aber die beiden kosten vor allem ihren Sieg bei den siebten «Lauriers de Platine» aus. Ein Duell, das sie beherzt gewonnen haben. Das Finale, in welchem der Trechêne 2013 der Gemeinde Yvorne dem Epesses Grand Cru der Union Viticole de Cully gegenüberstand, entschied der Wein aus dem Chablais mit 15 zu elf Stimmen für sich. Der Wettkampf begann allerdings nicht erst am 20. November in Crissier. Der Trechêne musste wie die anderen 16 Nominierten (zwei Dézaleys, fünf Calamins, je vier Lavaux und Chablais sowie ein Vertreter aus den Côtes-del’Orbe) einen langen Selektionsparcours überstehen. So wie über 600 weitere Chasselas musste der Gewinner der Platinlorbeeren zuerst eine Jury von fünf Degustatoren überzeugen und den Kriterien des Labels Terravin genügen – die «Terravin Gold-Lorbeeren» werden sich 2015 übrigens ins «Terravin Gold-Label» verwandeln. Dieser Areopag stellte fest, dass der Trechêne 2013, blind verkostet, keinerlei Fehler aufweist, seinen Jahrgang und seine Appellation perfekt repräsentiert und alle 25 Kriterien des Terravin-Degustationsblatts erfüllt. Die Juroren spürten auch dieses kleine Plus

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auf – ideales Gleichgewicht, besondere Tiefgründigkeit oder bemerkenswerte Finesse –, die es rechtfertigten, den Wein zu den «coups de cœur», zu den Lieblingsweinen zu zählen. Diese, rund vierzig an der Zahl, wurden im Lauf des Herbstes ein weiteres Mal degustiert, vom Komitee des Labels Terravin, das schliesslich 16 Weine auswählte, die für die «Lauriers de Platine» nominiert wurden. Um den Sieger zu bestimmen versammelten sich am 20. November in Crissier 26 Fachleute – vorwiegend Journalisten und Sommeliers von Sternehäusern. Ihre Aufgabe? Die Weine in Viererserien verkosten und sie in der Reihenfolge ihrer persönlichen Präferenz zu plazieren. So gelangte man von 16 Nominierten zu acht Viertelfinalisten, dann zu vier Halbfinalisten und schliesslich zum Finale, das der Trechêne für sich entschied. Aller guten Dinge sind drei Die Gemeindereben, insgesamt sechs Hektaren, kamen in der Revue Le Guillon schon mehrmals zu Ehren. Bereits 2008 schrieb Eva Zwahlen, Frédéric Blanc gelte als «einer der besten Önologen der Region» und erinnerte daran, dass dieser Profi, der auch auf dem Familienweingut Charly Blanc & Fils vinifiziert, seine Karriere bei der Gemeinde mit einem Sieg beim Chasselas-Cup im Jahr 1994 begonnen hatte. Damals hiess der Siegerwein Clos de l’Abbaye. 1999 wiederholte Charly Blanc den Exploit mit dem Clos de l’Ombren. 2013 interessierte sich

Le Guillon für die Aufnahme des Clos de l’Abbaye in die Premiers Grands Crus (er spricht sich übrigens «abeille» aus, hat er doch seinen Namen von der Gemeinde im Waadtländer Jura, mit der Yvorne eine Partnerschaft eingegangen ist). Doch zurück zum Gewinner der Lauriers de Platine 2014, «zum armen Verwandten, der noch keinen grösseren Wettbewerb gewinnen konnte», scherzt Frédéric Blanc. «Das ist der älteste Chasselas der Kellerei. Er wächst oberhalb des Dorfes, in einer Lage, deren Flurname Trechêne auf drei seit langem verschwundene Eichen anspielt. Unsere angestellten Winzer, Claude Perotti und Jean-François Franceschini, kultivieren hier etwas mehr als eine Hektare Reben auf einem Schuttkegel. Dieser kiesige, gut drainierende Boden begrenzt die Erträge.» Wegen der Höhe von 500 bis 550 Metern reifen die Beeren ganz sanft und ergeben einen ausgewogenen Weisswein, den der Önologe in grossen Eichenholzfudern oder im Inoxstahltank ausbaut. Wer über den Verkauf der 11 000 Flaschen Trechêne reden will, welche die Gemeinde Yvorne jedes Jahr produziert, muss sich an Alain Bassang wenden. Bei

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seiner Wahl 2011 in den Gemeinderat meldete er sich freiwillig für das Ressort Rebbau. Mittlerweile hat er, der im «Zivilleben» Verkaufsdirektor einer Druckerei ist, eine richtige Passion für «seine» Rebberge entwickelt. Mit Preisen von Fr. 15.50 (Clos de l’Ombren), Fr. 17.– (Trechêne) und Fr. 21.– (Clos de l’Abbaye) sind die Chasselas der Gemeinde Yvorne ein gutes Beispiel für Wertschätzung. Um so mehr, als sich die Gemeinde weigert, die Produzenten des Dorfes zu konkurrenzieren. Sie verzichtet darauf, potentielle Kunden anzugehen, die be-

reits einen Yvorne in ihrem Sortiment führen. «Die Platinlorbeeren haben ein gewaltiges Medieninteresse ausgelöst», erklärt Alain Bassang. «Die Verkäufe des Trechêne sind in die Höhe geschnellt.» Um diese Nachfrage aufrechtzuerhalten, will der für Reben zuständige Gemeinderat die Kommunikationsarbeit fortsetzen: «Wir sind letztes Jahr mit dem Clos de l’Abbaye, der auch zu den Premiers Grands Crus gehört, der Vereinigung Clos, Domaines & Châteaux beigetreten. Damit konnten wir die Verkäufe unseres Spitzenchasselas verdoppeln.»

Alain Bassang ist überzeugt davon, dass Medaillen oder Auszeichnungen wie die goldenen Lorbeeren von Terravin echtes Potential haben, «vorausgesetzt, dass man gut kommuniziert und sie nicht zuhinterst in einem Kasten versorgt». Seine Strategie: die Gemeindeweine in den Vordergrund rücken, und zwar mittels Weinwettbewerben (Vinalies von Paris, Grand Prix des Schweizer Weins, Selektion der Waadtländer Weine, Mondial du Chasselas) und Terravin, «einem Label, um das man nicht herumkommt». www.commune-yvorne.ch  Alain

Bassang und Frédéric Blanc

«Das ist der älteste Chasselas der Kellerei. Er wächst oberhalb des Dorfes, in einer Lage, deren Flurname Trechêne auf drei seit langem verschwundene Eichen anspielt.» Frédéric Blanc

© Philippe Dutoit

Platinum Laurels 2014 The Platinum Laurels award collected by the Yvorne Commune is the payoff from the quality policy developed by two aficionados, the oenologist Frédéric Blanc (right) and the local councillor Alain Bassang (left). Trechêne went through the same long selection process as did all the other fifteen nominees. Together with more than 600 other Chasselas wines, the Platinum Laurels winner had first of all to satisfy the five-man jury of tasters in order to make the Terravin label grade. At a blind tasting, the panel found that the Trechêne 2013 was faultless, that it was a perfect expression of its year and appellation, and met the 25 tasting crite-

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ria. They also identified some extra qualities - an ideal balance, a particular depth, and a remarkable finesse - which won it a place on the ‘favourites’ list. The prizewinner was selected on 20 th November, in Crissier, by a group of 26 professionals including journalists and sommeliers mainly from starred restaurants. The winner of the Platinum Laurels 2014 award “was the poor relation in our estate, the one that hadn’t ever won any

major competition”, jokes Frédéric Blanc. “It’s the oldest Chasselas in our cellar. It comes from a locality called Trechêne, just above the village, whose name refers to three oak trees (chênes) which died long ago”. At an altitude of 500 to 550 meters, the grapes ripen very slowly to give a balanced white which the oenologist vinifies in huge oak casks or stainless steel vats. AT

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Les Artisans Vignerons d’Yvorne ont réservé leurs meilleures terres et leurs meilleurs raisins à cette ligne d’exception. Microclimat, orientation, pente, ensoleillement et aptitude du sol à absorber et restituer l’eau confèrent à chaque parchet sa nature, sa force et sa personnalité. Cette rigoureuse sélection permet d’exprimer la parfaite adéquation des terroirs et des cépages, en donnant à ses vins une grande complexité aromatique et une empreinte hors du commun.

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Waadtländer Wein

Die Waadtländer Weine beim Grand Prix du Vin Suisse 2014

Waadtländer an der Spitze Neben der Kategorie Chasselas, in der die Waadtländer Önologen ihre Dominanz bestätigten, konnten sich Waadtländer Weine auch in anderen, sehr unterschiedlichen Kategorien auszeichnen: bei den roten Assemblagen, den Schaumweinen und den reinsortigen Weissweinen.

Nicht nur mit den unten vorgestellten drei Weinen ist dem Kanton Waadt ein insgesamt sehr gelungener Auftritt gelungen, konnten sich doch drei Waadtländer jeweils auf der zweiten Stufe des Siegertreppchens plazieren: Le Petit Cottens 2013 bei den Chasselas, der Brut Impérial von Daniel Marendaz, der damit den Waadtländer Dreifacherfolg bei den Schaumweinen realisiert, und der Pinot Gris Les Solistes 2013 der Artisans Vignerons d’Ollon bei den reinsortigen Weissweinen. Die Waadt sicherte sich auch Bronze in der Kategorie der roten Assemblagen, und zwar mit Le Cardona 2012 von Jean-François Neyroud-Fonjallaz. Nicht zu vergessen die acht Nominierten, die den Sprung aufs Podium nur haarscharf verpasst haben, so bei den Chasselas der Calamin L’Arpège 2013 von der Domaine Blondel, die Réserve 2013 der Gemeinde Aigle und Les Délices 2013 von Obrist. Le Frimeur 2013 der Arc-en-Vins SA und der Œil-de-Perdrix 2012 der Domaine CroixDuplex zeichneten sich bei den Rosés

© www.grandprixduvinsuisse.ch

Alexandre Truffer

 Emile Blum jubelt: Er hat sich mit seinem Puissance 5 des Jahrgangs 2012

in der Kategorie der roten Assemblagen durchgesetzt.

aus. Und der Mousseux Bio 2013 von Reynald Parmelin, der Gewürztraminer 2012 der Cave des Rossillones und die Cuvée Origine 2013, Château de Valeyres, brillierten in den Kategorien Schaumweine, reinsortige Weissweine und Gamay. Eine Bemerkung zur Kategorie Chasselas: Der Siegerwein, der Fendant von Maurice Gay,

und der Drittplazierte, der Chasselas der Domaine des Molards in Genf, werden beide von Thierry Ciampi vinifiziert, dem Önologen von Schenk. Damit gelingt diesem talentierten Profi ein Dreifachsieg, zeichnet er doch auch verantwortlich für den zweitplazierten Chasselas vom Gut Petit Cottens.

Vaud Wines at the 2014 Swiss Wine Grand Prix

Vaud wines at the top Vaud wines excel not only in Chasselas. The canton’s wineries shone in a range of different categories such as assemblage, sparkling, and pure whites.

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In addition to the three wines presented below, the Vaud canton achieved excellent overall results including three second prizes (Le Petit Cottens 2013, Chasselas; Daniel Marendaz’s sparkling Brut Impérial, for the third time; and

the pure white, Pinot Gris Les Solistes 2013 from Artisans Vignerons d’Ollon). And in the red assemblage category, the Vaud winery, Jean-François Neyroud Fonjallaz, won a bronze medal with their Cardona 2012. cont. p. 26 >

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Waadtländer Wein

Uvavins, the masters of bubbly The two wines from Uvavins which won prizes at the Swiss Wine Grand Prix Cuvée Auguste Chevalley, top of the category, and Bertrand de Mestral Brut, third place - are two versions of one and the same wine. What changes is the dosage (the amount of sugar added at the end of the carbonation process) and the labelling. It’s a dry Chardonnay which

is made using the closed tank method, that is, instead of adding sugar and yeasts to the bottle to create effervescence (as is done with traditionally produced Champagnes), the yeasts and sugar are mixed with the wine base in a special pressure-resistant tank. This way it is possible to put competitively priced wines on the market, at about 14 francs a bottle.

© Philippe Dutoit

Uvavins, Meisterin der Bläschen «Uvavins kommerzialisiert schon seit langem Schaumweine. Früher vertrauten wir den Ausbau dem Haus Bourgeois Vins an. Nachdem wir 1995 dieses Unternehmen kaufen konnten, übernahmen wir auch das Savoir-faire der Schaumweinbereitung», erklärt Thierry Walz,

Direktor der Kooperative in der Waadtländer Côte. Die beiden beim Grand Prix du Vin Suisse prämierten Schaumweine – die Cuvée Auguste Chevalley, Sieger der Kategorie, und der Drittplazierte Bertrand de Mestral Brut – sind zwei Versionen desselben Weins. Nur die Dosage, also der Zucker, der am Ende der «prise de mousse» zugesetzt wird, sowie die Etikette ändern. Es handelt sich um einen nach dem «Cuve close»-Verfahren bereiteten Chardonnay Brut: Statt dass man wie beim Champagner nach der traditionellen Methode dem Jungwein in der Flasche Zucker und Hefe hinzufügt, was eine zweite Gärung auslöst und zur Bildung von Kohlenstoffdioxid führt, werden Hefen und Zucker dem Basiswein in einem geschlossenen Gärtank beigemischt, der dem Druck standhält. Dieser Prozess, ökonomischer und schneller als das traditionelle Verfahren, ermöglicht die Kommerzialisierung von konsumentenfreundlichen Weinen zu konkurrenzfähigen Preisen. «Unsere Positionierung ist recht schwierig», präzisiert Thierry Walz. «Wir produzieren keinen Champagner und sind teurer und weniger bekannt als Prosecco oder Cava. Trotzdem spüren wir ein wachsendes Interesse der Kundschaft für Schweizer Schaumweine. Wir rechneten damit, dass unsere 6000 Flaschen der Cuvée Auguste Chevalley bis März reichen würden, doch am 23. Dezember war bereits die letzte Flasche verkauft…»

 Thierry Walz und Rodrigo Banto

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Domaine de la Combaz - red assemblage winner Emile Blum, who owns 3.5 hectares of vines at the Ollon vineyard, explains that his Puissance 5, which originated more than 10 years ago, was intended as an upmarket assemblage of reds, and that’s why he planted the four varieties Gamaret, Garanoir, Ancellotta, and Cabernet Franc. The Swiss Wine Grand Prix gold was

the best recognition he could hope for. Competition in that category was very tough with a Ticino wine and Cardona 2012 from Jean-François Neyroud Fonjallaz, Chardonne, coming second and third respectively. What’s Emile Blum’s secret? He refines Puissance 5 with his Pinot Noir which comes in three versions: made in stainless-steel tanks, Œil-de-Perdrix, and a selection matured in barrels.

© Philippe Dutoit

Die Domaine de la Combaz setzt sich bei den roten Assemblagen durch Emile Blum besitzt 3,5 Hektaren Reben in Ollon. Rund um das Winzerhaus im Weiler Les Fontaines gedeihen Chasselas, Viognier und rote Sorten. Milon, wie er von seinen Freunden genannt wird, engagiert sich sehr für die Promotion seines Heimatorts. Und freut sich, auf der Strasse von allen Seiten zu seinem Erfolg beglückwünscht zu werden. Emotionen zeigt er vor allem, als er von der Möglichkeit spricht, dass seine 22-jährige Tochter Laurine, die mit ihm

zusammen die Trophäe entgegengenommen hat, eines Tages das Gut übernehmen und sein Werk weiterführen könnte. «Vor mehr als zehn Jahren plante ich eine rote Assemblage im Spitzensegment und pflanzte deshalb Gamaret, Garanoir, Ancellotta und Cabernet Franc», erzählt Emile Blum. Dieser Sieg beim Grand Prix du Vin Suisse, fügt er hinzu, sei zweifellos die allerschönste Auszeichnung, die er je erhalten habe. Sein Puissance 5 verwies einen Tessiner Cru und den Cardona 2012 von Jean-François NeyroudFonjallaz aus Chardonne auf die Plätze und setzte sich damit in einer heftig umkämpften Kategorie durch. Sein Geheimnis? Der Pinot Noir, den Emile Blum in drei Versionen dekliniert – im Stahltank vinifiziert, als Œil-de-Perdrix und als barriquegereifte Selektion – erlaube es, den Puissance 5 zu verfeinern: «Gamaret, Garanoir, Ancellotta und Cabernet Franc werden zusammen vinifiziert. Diese Basiskombination liefert Tannine, Struktur, Gewürze und das Gerüst des Weins. Der Pinot dagegen bringt Frucht. Das Ziel ist ein Charakterwein, eingekleidet in seidigen Stoff.» Das ist in der Tat gelungen, hat der Jahrgang 2012 doch nicht nur die Jury des Grand Prix du Vin Suisse 2014, sondern auch die Kunden der Domaine de la Combaz überzeugt. Letztere haben bereits die gesamte Produktion bis auf die letzte Flasche unter sich aufgeteilt…

 Laurine und Emile Blum

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Š Siffert/weinweltfoto.ch


Waadtländer Wein

Prix Bio Suisse für die Stadt Lausanne Tania Gfeller, verantwortlich für die fünf historischen Domänen der Waadtländer Hauptstadt, geniesst den doppelten Erfolg für den Gamaret Barrique Château Rochefort Allaman Grand Cru 2011, Zweiter in der umkämpften Kategorie der reinsortigen Rotweine und bester Biowein beim Grand Prix du Vin Suisse. Auf Anregung des Vigneron-Tâcheron Aimé Berger, der seit Herbst 2014 in Pension ist, werden die Reben des Château Rochefort seit 2009 biodynamisch kultiviert.

2011 erwies sich als wichtiges Jahr für das Gut: Das Château de Rochefort beantragte die Demeter-Zertifizierung und Tania Gfeller beschloss, Gamaret und Garanoir separat zu vinifizieren. «Bis 2010 verarbeiten wir die beiden Sorten zu einer Assemblage. Ich dachte, man könnte die Wucht des ersten und die Frucht des zweiten besser zur Geltung bringen, wenn man sie reinsortig vinifiziert», präzisiert die Önologin. Im Herbst 2012 abgefüllt und im März 2013 auf den Markt gebracht, wurde der kraftvoll, aber seidig strukturierte Gamaret etwas

mehr als ein Jahr in Barriques ausgebaut (Terroir Chêne zertifiziert). Zuvor war er in 600-Liter-Behältern eine Woche lang an der Maische stehen gelassen und dann vergoren worden, alles bei niedriger Temperatur, bevor er in helvetisches Holz umgezogen wurde, wo er seine Patina und seinen Schmelz erlangt hat. «Wir bemühen uns, die Weine ein bis eineinhalb Jahre im Keller zu behalten, damit wir offene, trinkreife Crus anbieten können. Offensichtlich verdiente er noch ein Jahr in der Flasche, um seinen Höhepunkt zu erreichen.»

Tania Gfeller und Aimé Berger

© Philippe Dutoit

The Bio Suisse award for Ville de Lausanne Tania Gfeller, who is in charge of the five Lausanne estates, is very pleased about the two Swiss Wine Grand Prix awards: second place in the pure reds category for Gamaret Barrique Château Rochefort Allaman Grand Cru 2011, and best organic wine. On the initiative of the wine-grower, Aimé Berger, now re-

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tired, the Château Rochefort vines have been cultivated biodynamically since 2009. In 2011, Tania Gfeller decided to vinify Gamaret and Garanoir separately. Bottled in the autumn of 2012, this wellstructured, silky red was matured for a little over a year in barrels certified byTerroir Chêne, a quality label that warrants that the wood comes from trees grown exclusively in Swiss forests. AT

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Waadtländer Wein

Mit voller Fahrt voraus Im April 2015 feiert die Arvinis ihr zwanzigjähriges Jubiläum. Nadège und Philippe Fehlmann, Erfinder, Organisatoren und gute Seelen des Weinsalons von Morges, erinnern sich an ihre Anfänge – und wagen einen Blick in die Zukunft.

Eva Zwahlen

15. Dezember 2014. Der Morgen danach. Definitiv kein guter Termin für ein Gespräch mit Nadège und Philippe Fehlmann, die fünf sehr anstrengende Tage hinter sich haben. Der Weihnachtsmarkt von Morges in «ihren» SBB-Hallen hat am Vorabend seine Tore geschlossen. Erwartungsgemäss ist das eingespielte Duo todmüde, wirkt aber ausgesprochen vergnügt, fast euphorisch. «Ich freue mich auf etwas Warmes zu essen», meint Nadège und steuert zielbewusst auf den Club Nautique zu, gefolgt von ihrem Mann und dem gutmütigen Familienhund Fripouille, der den Weg so gut zu kennen scheint wie seine Menschen. Kein Wunder, drinnen werden die drei begrüsst wie Familienmitglieder, von jedem Tisch winkt jemand und ruft einen Gruss, der Chef des Hauses eilt hinter der Theke hervor. Das warme Essen ist bestellt, ein Glas Chasselas steht vor uns. Zeit, von

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Fehlmanns ältestem Kind zu sprechen, der Arvinis, die im April 2015 ihren 20. Geburtstag feiern kann. Ein stolzes Jubiläum für die Organisatoren des erfolgreichen Weinsalons, der mittlerweile 150 Aussteller zählt und 22 000 Besucher nach Morges zieht. «Wir lieben unsere Arbeit wie am ersten Tag und sind total motiviert», meint Philippe Fehlmann schlicht, und seine Frau doppelt nach: «Wir gehen jeden Morgen mit echtem Vergnügen zur Arbeit!» «Ich würde ja sonst zu Hause bleiben, schliesslich habe ich das Pensionsalter erreicht», schmunzelt Philippe mit einem Augenzwinkern.

Die zündende Idee im Supermarkt Auslöser für das Abenteuer Arvinis war eine Szene im Grossverteiler: Ein junges Paar, das einen Wein für seine Gäste suchte, würdigte die Schweizer Weine keines Blickes, sondern wählte einen ausländischen Wein – aufgrund der Etikette… «Wir waren schockiert! So sucht man doch keinen Wein aus! Und kamen auf die Idee, einen Weinsalon mit vorwiegend Schweizer Wein zu gründen. Alle unsere Freunde – von denen damals kein einziger Schweizer Wein kaufte – fanden, nun seien wir komplett verrückt geworden», erzählt Nadège. «Dass die jetzt alle Schweizer Weine trinken, ist also uns zu verdanken…!», lacht Philippe. Und betont, wieder ernst werdend: «Es ist ja etwas sehr Schweizerisches, sich selbst zu unterschätzen und nicht an sich zu glauben. Deshalb war unser Start nicht leicht. Von Anfang an unterstützten uns allerdings die Vins de Morges, allen voran Raoul Cruchon

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 Ein perfekt eingespieltes Duo: Philippe und Nadège Fehlmann.

und Thierry Walz von der Uvavins. Dagegen dauerte es zehn Jahre, bis uns die ersten Produzenten aus dem Lavaux Beachtung schenkten… Die Ehrengäste bei der 20. Ausgabe der Arvinis heissen deshalb: Les Vins de Morges. Das ist unser Dankeschön an sie!» Ein Weinsalon mit Ausstrahlung Mittlerweile ist die Arvinis der Westschweizer Weinsalon schlechthin, für gewisse Produzenten gar schweizweit. Die Kundenstruktur hat sich seit den Anfängen grundlegend verändert. «Wir hatten zu Beginn Angst davor, dass zu viel getrunken wird», erzählt Nadège Fehlmann, «das war glücklicherweise nie der Fall. Heute besuchen viel mehr Frauen, Junge und Paare den Salon.» Wichtig sei ihnen die Qualität, nicht die Menge der Besucher. Deshalb ist der Eintritt auch nicht mehr gratis wie zu Beginn. Kurzzeitig gingen die Eintritte etwas zurück, der Umsatz blieb sich

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aber gleich. Die Weininteressierten haben viel Platz zwischen den Ständen, die Atmosphäre am Salon ist gepflegt und professionell, weit weg von Festzelt-Stimmung und Fonduegeruch. «Wir wählen unsere Aussteller sorgfältig aus. Bei den ausländischen Ausstellern legen wir Wert darauf, dass die Winzer anwesend sind. Schliesslich soll man das Terroir spüren.» Von jenseits des Röstigrabens ist ein einziger Produzent vertreten, mit Kaspar Wetli aber immerhin der Präsident des Branchenverbands Deutschschweizer Wein. Mit Optimismus in die Zukunft Als wir vor vielen Jahren ein Gespräch mit den Fehlmanns führten, war ihnen die Anspannung anzumerken. Denn der Ort, an dem die Arvinis (die übrigens keinen Rappen staatliche Unterstützung erhält) stattfindet, ist in Gefahr: Die alten SBB-Hallen aus Holz haben viel Charme, sollen aber einem Neubau wei-

© Sacha Fehlmann

chen. «Klar, das hat uns anfangs total gestresst. Wir wussten nie, ob und wie es weitergeht. Seit 18 Jahren leben wir mit dieser Unsicherheit, bekommen wir von der SBB doch immer nur für weitere zwei Jahre eine Zusage. Mittlerweile machen wir uns nicht mehr verrückt deswegen – wir sind richtige Fatalisten geworden», meint Philippe Fehlmann gelassen. Nadège ergänzt mit Nachdruck: «Der Standort direkt neben dem Bahnhof ist natürlich absolut ideal. Aber eines ist sicher: Auch wenn es die Hallen eines Tages nicht mehr geben sollte, wird die Arvinis weiterbestehen!» Schliesslich ist sie jetzt erwachsen, die grosse Tochter der Fehlmanns.

Die Jubiläums-Arvinis findet vom 15. bis 20. April 2015 in den SBB-Hallen direkt neben dem Bahnhof Morges statt. Infos: www.arvinis.ch

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Un autre regard sur Lavaux...

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Waadtländer Wein

Ein Pate namens Burki… und selbstverständlich ein Ehrengast! Der frisch gebackene Rentner Raymond Burki, Liebhaber erlesener Weine, wurde zum Paten der 20. Ausgabe der Arvinis erwählt. Ein Status, der den Westschweizer Karikaturisten ins elitäre Clübchen von Rebbesitzern im Rebberg der Berühmtheiten in Vufflens-le-Château katapultiert. So gesellt sich Burki zu Jean-Pierre Coffe, Yann Lambiel und Bernard Stamm, um nur einige zu nennen. In Sachen Ehrengast mussten die Organisatoren nicht weit suchen, so klar schien ihnen die Wahl für einen derartigen Geburtstag: Es handelt sich um die Vereinigung Les Vins de Morges, welche den Anlass seit seinen Anfängen im Jahr 1996 unterstützt.

Die Weinregion Morges umfasst 38 Winzergemeinden und 620 Hektaren Reben in der Appellation La Côte. Kultiviert werden hier zahllose Rebsorten, darunter die Klassiker Chasselas, Pinot Noir und Gamay, aber auch Spezialitäten wie Viognier, Altesse, Pinot Blanc, Mondeuse, Merlot oder Syrah. Und – last but not least – der bemerkenswerte Servagnin de Morges, eine Burgunder Spielart des Pinot Noir, die Ende des Mittelalters in der Region eingeführt wurde. PB  Raymond Burki präsentiert das Namenstäfelchen und seine Urkunde, die ihn als Rebbesitzer im sogenannten Rebberg der Berühmtheiten ausweist.

© Pascal Besnard

The 20th Anniversary of Arvinis Arvinis will be celebrating its 20th anniversary in April. Nadège and Philippe Fehlmann, the founding couple and organisers, reflect on their beginnings and look into the future. Arvinis now attracts 150 exhibitors and 22,000 visitors. An idea that came to them in a supermarket What triggered the Arvinis adventure was an ordinary scene in a store. The Fehlmanns saw a young couple walk straight past the Swiss wines and on to the foreign wines, and then select a bottle – on account of its label! “We were shocked”, says Nadege, “and that’s how we came up with the idea of creating a wine fair chiefly for Swiss wines. Our friends thought we were crazy. In those days, no-one used to buy Swiss wines”. “Nowadays, thanks to us”, her husband continues with a smile, “They all drink Swiss wines! It wasn’t an easy start at all, but the Morges wineries were always there to support us, in particular Raoul Cruchon and Thierry Walz from Uvavins. And that’s why the Vins de

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Morges Association will be our guest of honour at the 20th anniversary edition. That’s our way of saying thank-you”. Arvinis has become the fair of the French-speaking part of Switzerland and, for certain producers, the Swiss fair. Nadège Fehlmann tells us that at first they were afraid that people might drink too much, but fortunately that was never the case. Nowadays more and more women, young people and couples come to the event. For the Fehlmanns what counts is the quality and not the quantity of visitors. Optimism about the future The venue of the event (which, by the way, does not get any government support) is destined for demolition. The huge wooden building that was a Swiss

railway depot will have to disappear. Philippe explains that from the start they never knew how much longer they would be able to use it. They’ve now lived with this uncertainty for eighteen years and have adopted a fatalistic attitude. So far, every two years, Swiss Rail has given them the authorisation to carry on. Of course, the place is ideally situated right next to the station, but the Fehlmanns assure us that even if some day the building disappears, Arvinis will certainly not. EZ

The 20th edition of Arvinis will take place 15th-20th April in the Swiss Rail depot, next to Morges station. For further information: www.arvinis.ch

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Waadtländer Wein

Eine Schmuckschatulle in Rubin für Bonvillars Unmöglich, daran vorbeizugehen und es zu übersehen. Ein richtiger Knaller! Rot. Das neue Gebäude der Cave des Viticulteurs de Bonvillars ist in der Tat so richtig rot. Eine Farbwahl, die der Lebensweisheit «Wer glücklich leben will, lebt unauffällig» buchstäblich eine lange Nase dreht. Text und Fotos: Pascal Besnard Die Appellation Bonvillars umfasst 190 Hektaren Reben auf dem Waadtländer Ufer des Neuenburgersees und den Ausläufern des Jura. Die Weinregion profitiert von einem besonderen, vom See beeinflussten Mikroklima. Die 1943 gegründete Cave des Viticulteurs de Bonvillars, das Flaggschiff der Appellation, zählt 14 Mitarbeiter und mehr als hundert Genossenschafter, die zusammen 100 Hektaren Reben kultivie-

 Pierre Keller (links), Präsident des OVV, Sylvie Mayland,

Direktorin, und Denis Taillefert, Präsident der Cave des Viticulteurs de Bonvillars.

ren, also etwas mehr als die Hälfte der gesamten Rebfläche. Sieben weisse und sieben rote Rebsorten sind zugelassen von der CVB, deren Einkellerungskapazitäten sich auf 2 Mio. Liter belaufen. Die Aushängeschilder unter ihren Marken sind der Chasselas L’Arquebuse und der Pinot noir Vin des Croisés. Doch das ganze Sortiment verdient Interesse. Es trägt die Handschrift des Önologen Olivier Robert.

Die Opfer der Winzer Kommen wir auf das famose Gebäude in sattem Rubin zurück. Denis Taillefert, Präsident der Genossenschaft, erklärt, dass es die Vollendung eines Restrukturierungsprozesses ist, der 2003 angefangen hat, als Abschluss einer schwierigen Periode, die um ein Haar zum Konkurs geführt hätte. Die Genossenschafter und andere Partner der CVB einigten sich damals auf fi-

A Ruby-Coloured Building for Bonvillars Denis Taillefert, the president of Cave des viticulteurs de Bonvillars (CVB), explains that the building was the result of the restructuring begun in 2003, after a difficult period bordering on bankruptcy.

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CVB members had agreed to the financial sacrifice of forgoing payment for the 2003 and 2004 harvests. Ten years later, the wine-growers voted in favour of a 2.5 million credit to build new facilities which would live up to their expectations and talents, and also serve their clients. Since 2007, the cellar has been run by

Sylvie Mayland. According to her, the Swiss wine market requires an unyielding search for excellence. That is exactly what the Bonvillars winegrowers are doing. Pierre Keller, president of the Office des Vin Vaudois, has congratulated them on their dynamism and courage. PB

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nanzielle Opfer: Sie verzichteten auf die Bezahlung der Weinlese 2003 und 2004. Ein Jahrzehnt später stimmten die Genossenschafter einem Kredit von fast 2,5 Mio. Franken zu, um ein Gebäude zu errichten, das auf der Höhe ihrer Ambitionen und Talente ist. Und grosszügig auch der Kundschaft gewidmet wird. Seit 2007 wird die Kellerei von einer Frau geleitet, der Direktorin Sylvie Mayland, die wie ein Kapitän das Steuer in der

Hand hält: voller Energie und Autorität. Und mit Klarsicht. Vom Schweizer Weinmarkt sprechend, unterstreicht sie: «Dank seiner Enge und der Vielzahl seiner Mitspieler verlangt er permanente Anstrengungen punkto Einfallsreichtum und Kreativität in der Promotion sowie

ein unermüdliches Ringen um Vorzüglichkeit.» Etwas, was die Cave des Viticulteurs de Bonvillars Tag für Tag leistet, keine Frage. Pierre Keller, Präsident des Office des Vins Vaudois, lobt die Dynamik und den Mut der CVB, «die den Weg aufzeigt, dem es zu folgen gilt».

«Dank seiner Enge und der Vielzahl seiner Mitspieler verlangt der Schweizer Weinmarkt permanente Anstrengungen punkto Einfallsreichtum und Kreativität in der Promotion sowie ein unermüdliches Ringen.» Sylvie Mayland, Direktorin der Kellerei

Cave des Viticulteurs de Bonvillars Chemin de la Cave 1 1427 Bonvillars Tel. 024 436 04 36 www.cavedebonvillars.ch Mo-Mi: 8-12 Uhr // 13.30-18 Uhr Do-Fr: 8-12 Uhr // 13.30-19 Uhr Sa: 9-12.30 Uhr // So: geschlossen

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Waadtländer Wein

Die Waadtländer Weine zu Gast im Palace Pascal Besnard – Foto: Edouard Curchod Die Waadtländer Crus nehmen seit langem einen prominenten Platz ein auf den Weinkarten der Restaurants des Lausanne Palace & Spa. Doch nichts ersetzt den direkten Kontakt, deshalb tun sich das Office des Vins Vaudois und das Luxushotel seit einigen Jahren zusammen, um den Waadtländer Winzern die Möglichkeit zu geben, ihre Produktion in diesem prestigereichen Rahmen vorzustellen. Zwischen Mitte November und Mitte Dezember 2014 haben acht Weingüter* ihre Weine zur Degustation ausgeschenkt, jeden Montag zwei andere. Präzise Richtlinien regeln die Teilnahme: Die Weingüter dürfen bei den letzten Austragungen nicht teilgenommen haben (2014 war bereits die vierte Ausgabe). Jeder Winzer muss den Liebhabern mindestens einen bei einem grossen Wettbewerb ausgezeichneten Wein präsentieren (Grand Prix des Schweizer Weins, Selektion der Waadtländer Weine oder Mondial du Chasselas). Pro Domäne sind drei Weine zugelassen, ein Chasselas, ein Rotwein und ein dritter Wein, den der Produzent frei wählen kann. Das mag etwas streng tönen, zeugt aber vor allem von der Seriosität der ganzen Operation. Die Erklärungen von Nicolas Joss, Direktor des OVV: «Das Ziel ist es, aufzuzeigen, dass nicht nur die historischen Marken Zutritt zu den prestigereichen Etablissements geniessen. Wenig bekannte, aber * Cave des 13 Coteaux, Arnex-sur-Orbe; Olivier Ducret, Chardonne; Abbaye de Salaz, Ollon; Domaine Haute-Cour, Mont-sur-Rolle; Domaine Antoine Bovard, Cully; Parfum de Vigne, Dully; Domaine de Terre-Neuve, Saint-Prex; Les Celliers du Chablais, Aigle.

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talentierte Winzer haben die Gelegenheit, einen Fuss in ein Fünf-Sterne-Haus zu setzen und auf sich aufmerksam zu machen. Aber es gibt keinen Kannibalismus: Ihre Weine werden nicht diejenigen verdrängen, die auf den Weinkarten des Palace stehen.» Kein Kannibalismus also, aber eine Aktion, die den direkten

Kontakt zu einer Kundschaft ermöglicht, die sich nicht unbedingt die Mühe macht, die Weingüter selbst zu besuchen. Im letzten Herbst wurden 800 Einladungen verschickt. Zahlreiche Amateure haben geantwortet und sind ins Lausanne Palace gekommen, um ihre Neugier und Entdeckerfreude zu befriedigen.

Vaud Wine Tasting at the Palace Hotel The Office des Vins Vaudois (OVV) and the Lausanne Palace & Spa have for some years now partnered an event giving the Vaud wine-growers the opportunity to present their produce at the prestigious hotel. Every Monday, from mid-November to

mid-December, eight estates representing two wineries were offering tastings of their wines. Nicolas Joss, OVV director, pointed out that this way not only historic brands had access to such a prestigious establishment. PB

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IRL plus AG, mehr als eine Qualitätsdruckerei IRL plus AG ist stolz, die Fachzeitschrift Le Guillon auf seinen hochmodernen und einzigartigen Maschinen zu produzieren. Seit diesem Jahr kümmern wir uns auch um die Anzeigenakquisition dieses Referenzmagazins. Dank unserer neuen Abteilung Verlag & Anzeigenverwaltung sind wir ab sofort in der Lage, Ihnen zusätzliche Verlagsleistungen anzubieten. Möchten Sie mehr über die zahlreichen Dienstleistungen der IRL plus AG erfahren? Rufen Sie Kurt Eicher unter der Tel Nr. +41 79 250 50 00 an. IRL plus AG, eine bekannte und anerkannte Marke im Westschweizer Verlagsbusiness.

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Waadtländer Wein

 Daniel Dufaux (links) und Jean-Pierre Lüthi, verantwortlich für die Rebberge

des Hauses Badoux, lesen Trauben, die aussehen wie Korinthen.

Eine unwahrscheinliche Weinlese in Aigle Pascal Besnard – Fotos: Edouard Curchod Es ist eine reine Mutsache, am 24. Januar zu lesen! Zweifellos Waadtländer Rekord, vielleicht gar eine Schweizer Premiere. Natürlich ist das Datum bedeutungsvoll: der Jahrestag der Waadtländer Unabhängigkeit. Ein Marketinggag? Daniel Dufaux, stellvertretender Direktor und verantwortlicher Önologe bei Badoux, bestreitet nicht, dass das Datum dazu beigetragen hat, das Interesse der Medien zu wecken. «Doch zu Beginn rechneten wir nicht mit einer derartig späten Lese. Diese ganz besondere Ernte praktizieren wir auf dieser Parzelle seit 2009, normalerweise Ende Dezember oder Anfang Januar. Doch zu diesem Zeitpunkt waren die Trauben noch nicht genügend verschrumpelt. Weshalb es also nicht auf einen Versuch mit dem 24. Januar ankommen lassen? Das war natürlich nicht ohne Risiko…»

Lettres de Noblesse Pinot Gris d'Aigle, Vendange tardive, Chablais AOC, barrique www.badoux-vins.ch

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Rare Traubenbeeren Am Samstag, 24. Januar 2015, begann es gegen 14 Uhr zu schneien in Aigle. Doch in diesem Moment waren die Trauben bereits sicher im Keller – dank den rund zwanzig effizienten Erntehelfern. Rare, am Stock verschrumpelte Pinot-grisBeeren, «flétries sur souche», mit dem Aussehen von Korinthen. Dunkelbraune, fast trockene Früchte, gewachsen in einer Parzelle von rund 2000 Quadratmetern mit dem charmanten Namen En Chantemerle. Charakterisiert durch

ihr starkes Gefälle, ihre bemerkenswerte Exposition und ihren kiesigen Boden. Die Spätlese drückt sich auch in Zahlen aus: 600 Kilo Trauben, 225 Liter, 600 halbe Flaschen. Sondierung nach dem Pressen: stolze 163 Grad Oechsle! «Der Wein wird zweifellos nicht mehr als 12,5%-vol. Alkohol haben, aber viel Restzucker», präzisiert Daniel Dufaux. Wer diesen Nektar degustieren will, muss sich gedulden: Vor dem nächsten Jahr wird nämlich kein einziger Tropfen davon getrunken.

An Unlikely Harvest A harvest on 24th January! That’s certainly a record in the Vaud canton, perhaps in the whole of Switzerland. 600 kg of rare Pinot Gris berries withered on the vine that look rather like Corinthian raisins were harvested on a very steep and gravelly 2,000 m 2 lot called En Chantemerle (Aigle). The test after pressing showed 163° on the Oechsle scale! PB

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BE DIFFERENT. BE SWISS.

WYSCHIFF RAPPERSWIL, LUZERN, BASEL, THUN, ZUG EINE REISE IN DIE ERLEBNISWELT DER SCHWEIZER WEINE

Auf dem Wyschiff präsentieren renommierte Schweizer Winzer mit Stolz ihre neuesten Weinkreationen. Die meisten von ihnen sind Selbstkelterer aus traditionellen Familienbetrieben. Viele der teilnehmenden Produzenten haben sich in den letzten Jahren durch höchste nationale und internationale Medaillenränge ausgezeichnet. Sie freuen sich, mit Ihnen ihre 300 Weine zu kosten. Sie sind gespannt auf Ihr Urteil – auf ein Gespräch unter Kennern in persönlicher Atmosphäre. Lassen Sie sich verführen und begeben Sie sich auf eine Reise in die Erlebniswelt der Schweizer Weine. Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Verein Wyschiff Schweizer Winzer

WYSCHIFF-DATEN 2015: Wyschiff Rapperswil

26. Februar – 1. März

Wyschiff Luzern

19. – 22. März

Wyschiff Basel

26. – 29. März

Wyschiff Thun

09. – 12. April

Wyschiff Zug

12. – 15. November

www.wyschiff.ch


Waadtländer Wein

Parker adelt Cruchons Pinot noir! Pascal Besnard 93 Punkte für den Raissennaz Grand Cru 2012 der Domaine Henri Cruchon in Echichens. Eine Note auf der Höhe der Burgunder Stars wie Rousseau oder Trapet mit ihren Chambertins! Die Revue The Wine Advocate, gegründet vom unumgänglichen Robert Parker, hat sich (endlich!) für Schweizer Blauburgunder interessiert. Sie hat 150 Proben selektioniert und schliesslich 67 zurückbehalten und nach ihrem berühmten 100-PunkteSchema bewertet. Der Raissennaz ist auf dem dritten Platz gelandet, hinter zwei Weinen des talentierten Neuenburgers Jacques Tatasciore. Die Réserve des Hérauts der Domaine des Frères Dubois (Cully) und Les Romaines der Frères Dutruy (Founex) figurieren ebenfalls im Klassement des Wine Spectators, das im Januar publiziert wurde. Der Kalk setzt sich in Szene Raoul Cruchon lässt sich dieses Resultat auf der Zunge zergehen: «Das ist der Lohn für eine enorme Arbeit, besonders im Rebberg. Zusammen mit meinem Bruder Michel habe ich einen Stil weit weg von Standardweinen entwickelt.

 Drei Generationen von Cruchons: (von links) Michel, Anne, Lisa, Raoul, Catherine und Henri.

Raissennaz ist ein ganz besonderes Terroir. Der Rebberg ist kein nach Süden orientierter Steilhang, sondern schaut nach Westen, auf die untergehende Sonne und den Berggipfel La Dôle. Wir lesen die Trauben hier immer sehr spät. Wichtig ist der Untergrund. Pinot noir verlangt Kalk, und den bietet die Lage Raissennaz. Wir kultivieren die Reben so, dass ihre Wurzeln tief wachsen und den Kalk aufnehmen. Dieses Terroir bringt die Sinnlichkeit und Tiefgründigkeit des Pinot noir ans Tageslicht.» Dazu kommt das Alter der Rebstöcke: 40 Jahre zählen die ältesten, 25 Jahre alt

sind sie im Schnitt. Seit 14 Jahren werden sie biodynamisch bewirtschaftet und mittels Ganztraubengärung vinifiziert. Ein wichtiges Element bei den Cruchons ist der familiäre Zusammenhalt: drei Generationen, die sich ganz in den Dienst der schönen Terroirs stellen, welche Weine von hoher Qualität ergeben. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Dank dem «Parker-Effekt» sind die 3000 Flaschen des Pinot noir Raissennaz 2012 bereits ausverkauft. So bleibt uns nur, auf den 2013er zu warten. Diesen erachtet Raoul Cruchon allerdings als dem ausgezeichneten 2012er überlegen!

Parker Points for a Vaud Pinot Noir! Ninety-three points for Raissennaz Grand Cru 2012 from the Henri Cruchon estate in Echichens! Robert Parker’s Wine Advocate selected 150 Swiss Pinot Noirs retaining just 67 of them which were rated on the famous 100-point scale. Raissennaz won third place, behind two wines from the tal-

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ented Neuchatel wine-grower, Jacques Tatasciore. Raoul Cruchon is delighted with this result: “My brother and I have developed a special style, but above all Pinot Noir must have a limestone subsoil – and Raissennaz has it”. The age of the vines is another factor:

the oldest are 40 (the average age is over 25 years), with 14 years of biodynamic wine-making, and maceration in whole bunches. And then there are the strong ties within the Cruchon family: three generations at the service of those fine terroirs that produce such high-quality wines. PB

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Der «Taillé aux greubons» – eine kulinarische Waadtländer Spezialität Vor etwas mehr als zehn Jahren wäre diese Spezialität fast verschwunden. Der «Taillé aux greubons» (Griebenkuchen), ein Monument der Waadtländer Bäckerkunst, bleibt ein sinnbildliches Produkt. Eine traditionelle Köstlichkeit, welche die Talente der Mehlkünstler wie der Asse der Metzgerzunft vereinigt. Kurz: ein Gebäck für karnivore Zeitgenossen. Pierre-Etienne Joye Fotos: Sandra Culand

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Unsere Terroirs und ihre Talente

 Patrice Oberson aus St-Prex präsentiert Taillés aus Blätterteig, gefüllt mit ganzen Grieben.

Es ist so gut wie unmöglich, im Kanton Waadt eine Bäckerei zu betreten, ohne auf goldbraun glänzendes, viereckiges Gebäck zu stossen, das mit appetitlichen Körnern bestreut ist. Diese Köstlichkeit ist nicht bereit, ihren Platz auf den Verkaufsständen zu räumen. Doch um ein Haar hätte man den «Taillé aux greubons», zu deutsch Griebenkuchen, nur noch in Geschichtsbüchern über die Waadtländer Küche gefunden, und damit basta. Denn nachdem die letzte grosse Fettschmelze des Kantons 2001 ihre Tore geschlossen hatte, bereitete die Lieferung der Grieben Probleme. Wir kommen darauf zurück. Doch zuerst wollen wir definieren, was diese famosen Grieben überhaupt sind. Das fette Gold, der Gral Grieben sind ganz einfach kleine, feste Rückstände, die man erhält, wenn man Speck auslässt, um Schmalz zu gewinnen. Die Definition stammt aus dem Buch «A la mode de chez nous»* von Michel Vidoudez und Jacqueline Grangier, das die Freuden der Westschweizer Küche erforscht. Als die Bauernfamilien noch selber schlachteten, wurden diese Glanzstückchen im Herbst gewonnen, wenn das kostbare Schwein getötet wurde. Alles am Schwein ist gut. Diese Lebensweisheit könnte gar nicht besser auf die Grieben passen. Es durfte ums Himmels *

Willen nur nichts verloren gehen! Nicht weiter erstaunlich also, dass ein Teil des Specks – von der Brust und vom Rücken – dazu diente, Schmalz zu produzieren, das in Krügen aufbewahrt wurde. Ja, besser noch: Um wirklich gar nichts übrig zu lassen, wurden selbst die Rückstände vom Fettschmelzen verwendet. Diese kleinen Körner wurden zu kostbaren Schmuckstückchen, die man gemäss ihrem Wert zu Recht «l’or gras» nennt, fettes Gold… Ein (Blätterteig-) Gebäck mit inneren Werten Gemäss dem Inventar des Kulinarischen Erbes der Schweiz findet man in Schriftstücken vom Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Erwähnungen der «Taillés aux greubons». Ein salziger Teigkuchen, oft aus Blätterteig, angereichert mit Fettkügelchen und so gut, dass die Bauern ihn selber assen, ohne den Leuten in der Stadt davon zu erzählen. Die Griebenkuchen wurden entweder in Form von runden Fladen oder als salzige beziehungsweise süsse Streifen gebacken. Das Gebäck, wie wir es heute kennen, nahm in den 1940er Jahren seinen Aufschwung. Eine technologische Neuheit war die Ursache dafür: die Erfindung der Fettschmelze, ein Werk der mechanischen Ateliers von Vevey. Dort wurde der fette Schweinespeck unter Vakuum geschmolzen, wodurch

Michel Vidoudez, Jacqueline Grangier: A la mode de chez nous, Editions Cabedita.

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man Grieben von respektabler Grösse produzieren konnte – und vor allem ohne den Geschmack nach Verbranntem, eine Bedingung sine qua non, um die konstante geschmackliche Qualität des Griebenkuchens zu garantieren. So belieferte die von den Schlachthöfen von Lausanne gekaufte Fettschmelze die meisten Waadtländer Bäckereien und auch Metzgereien, Ein «Taillé aux greubons»-Rezept Bevor wir von Mengen und Zubereitung sprechen, vergegenwärtigen wir uns, dass der «Taillé aux greubons» aus einem Teig gebacken wird, der aus Mehl, Wasser und Hefe besteht und dem Grieben zugefügt werden. Diese können einen Viertel bis die Hälfte der Masse einnehmen. 750 g Mehl sieben und mit 500 g Grieben, 125 g Schmalz und zwei Kaffeelöffeln Salz vermischen. Die Hefe in warmem Wasser auflösen und dann einen Deziliter Milch hinzufügen. Alles zum Teig hinzugeben, tüchtig kneten und eine Stunde lang aufgehen lassen. Den Teig rechteckig auswallen und in 3 cm breite Bänder schneiden. Diese mit Eigelb bestreichen und rund eine halbe Stunde im vorgeheizten Ofen backen. Voilà, das ist im Grunde ganz einfach. Oder besuchen Sie bei Ihrem nächsten Stop im Waadtland eine Bäckerei, welche die Spezialität im Angebot führt. PEJ

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Unsere Terroirs und ihre Talente

bis zu ihrer endgültigen Schliessung an jenem verhängnisvollen und schicksalhaften Tag im Mai 2001. Keine Fettschmelzen, keine Grieben mehr? Nein! Und nun? Und nun? Nein, Zorro ist leider nicht aufgetaucht. Es herrscht Krisenstimmung. Petitionen zirkulieren. Die Vereinigung der Bäcker und Konditoren sammelt 10 000 Unterschriften. Ein Handwerker, der den Betrieb übernehmen will, wird ausgebremst. Die Rettung lässt auf sich warten. Doch schliesslich macht Einigkeit stark: die lokalen Metzger übernehmen es, die Bäckereien in der Region zu beliefern. Konsequenz: Die Grieben sind kleiner geworden, ihr Preis dagegen ist nicht geschmolzen, ganz im Gegenteil. Doch diese heikle Episode hat dazu beigetragen, dem Griebenkuchen neues Leben einzuhauchen. Mehr denn je gehört er ins Pantheon der gastronomischen Waadtländer Spezialitäten und hat sich selbst jenseits des Lac Léman und der Ufer von Venoge, Orbe oder Thièle einen verflucht guten Namen gemacht. Ein Terroirprodukt, das – warum nicht? – nur noch auf seine Appellation d’origine protégée (AOP) wartet. Zögern Sie deshalb nicht, es zu kosten. Sobald man herzhaft in den «Taillé aux greubons» beisst, hat man die Empfindung von knusprig und schmelzend zugleich. Der Geschmack ist einzigartig, auch wenn es subtile Unterschiede gibt, in Dosierung und Ausgewogenheit. Kurz:

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Es gibt so viele verschiedene «Taillés aux greubons» wie Bäcker und Patissiers. In Saint-Prex beispielsweise produzierte Patrice Oberson zwei Varianten: weiche und knusprige. Er hat nur die beliebtere knusprige Blätterteigvariante behalten. Die andere kann bestellt werden. Seine Grieben hingegen sind ganz und nicht zerbröckelt. Man kann den «Taillé aux greubons» sogar selber herstellen, wenn man genug Passion und Zeit mitbringt (siehe Rezept). Und was trinkt man dazu? Wein natürlich. Einen Chasselas. Einen Waadtländer Chasselas, versteht sich! Interviews In Penthalaz ist der grosse Spezialist der «Taillé aux greubons», Roger Neuenschwander, in Pension gegangen. In der Bäckerei «Au pain gourmand» haben Christophe Bauer und Sébastien Godineau mittlerweile seine Nachfolge angetreten. Drei Fragen an den Letztgenannten. Le Guillon: Bleibt der Taillé aux greubons eine der grossen Spezialitäten Ihrer Bäckerei? Sébastien Godineau: Aber sicher. Das ist ein grosser Erfolg. Wir verkaufen schätzungsweise 70 bis 100 Taillés pro Tag. Wir verwenden dasselbe Rezept, das unseren Vorgänger berühmt gemacht hat. Und was ist besonderes daran? Dieses Rezept ist in erster Linie ein Savoir-faire. Es geht darum, auf welche

Art man den Teig bearbeitet. Man muss ihn kneten, ohne ihn zu brüskieren. Die Mischung enthält Schweineschmalz, Bäckerfett, aber keine Butter. Es ist der Geschmack der Grieben, der überwiegen soll. Diese Grieben machen einen Drittel des Gewichts des Taillé aus. Sie verzichten auch nicht auf die Zubereitung des Taillé in Lyraform… Im Gegenteil. Natürlich produzieren wir die traditionellen, stangenförmigen Taillés, doch konnten wir die Lyra selbstverständlich nicht in der Versenkung verschwinden lassen. Das ist eine Spezialität, die Roger Neuenschwander ausgearbeitet hat: grosse Gebilde, geformt aus mehreren Teilstücken, die wir vor allem auf den Märkten anbieten (am Mittwoch in Penthalaz und am Freitag in Cossonay, AdR.). Sehr beliebt ist die Lyra auch bei Empfängen. Ich garantiere Ihnen: eine Taillé-aux-greubons-Lyra auf dem Tisch verfehlt niemals ihre Wirkung! Pierre Marendaz, Metzger in Champvent, hat schon immer Grieben hergestellt. Drei Fragen an ihn. Le Guillon: Was bedeutet das für Sie, Grieben für Bäckereien herzustellen? Pierre Marendaz: Das ist fester Bestandteil der Metzgerarbeit. Viele haben aber damit aufgehört. Ich selber habe immer Grieben produziert. Als die Fettschmelze von Malley zu Beginn der 2000er Jahre ihren Betrieb einstellte, war das nur kurzzeitig ein Problem. Viele haben um die

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 Gehackte Grieben, frisch aus dem

Heizkessel: das Savoir-faire von Pierre Marendaz.  Richtige Asse der Bäckerskunst in Penthalaz, in der Bäckerei «Au pain gourmand» mit ihrem Werk: einem «Taillé aux greubons» in Lyraform.

The Taillé aux Greubons (a savoury pastry with bits of bacon crackling) is a genuine Vaud speciality When you go into a bakery shop in the Vaud canton, more likely than not you will see some of these golden brown rectangles with shiny bits of mouthwatering crackling. This ever-popular delicacy could simply be mentioned in books about the history of Vaud cuisine, and you’d probably never hear any more about it. But there’s more to the story. After the closing of the last fat-melting plant in the canton, in 2001, the supply of bits of crackling dried up.

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Gold nuggets, a holy grail Greubons are little solid bits of residual crackling obtained in the process of melting bacon fat to produce lard. When peasants used to slaughter their own animals, these nuggets were obtained in the autumn, when the ‘precious’ pig was slaughtered. As the saying goes, everything in a pig can be used but for the oink! This couldn’t be truer than in the case of greubons. Nothing was wasted! Unsurprisingly, therefore, part of the belly and loin fat was used to produce

lard, and preserved in jars. Better still, to make sure nothing at all was wasted, even the residue from the melted fat was used. These bits of crackling became really precious and were appropriately called: gold nuggets. As noted in the Inventory of Swiss Culinary Heritage, the first mentions of taillés aux greubons appeared at the end of the nineteenth century. Savoury puff pastry cakes with bits of lard inside that were so good that the peasants used to eat them among themselves, cont. p. 47 >

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Unsere Terroirs und ihre Talente

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Unsere Terroirs und ihre Talente

Nachfolge gewetteifert und die grossen Häuser haben ebenfalls angefangen mit der Produktion. Sogar im Kanton Genf… Doch die Grenzen für die Nachfrage sind nicht unbedingt kantonal: In der Region Lausanne und im Kernland der Waadt verkaufen sich Grieben super. Hinter Aigle aber ist Schluss. Sind die Grieben seither wirklich kleiner geworden? Ich glaube nicht. Auf alle Fälle nicht bei mir. Es gibt verschiedene Grössen. Die grossen gleichen Kieselsteinchen von 5 bis 10 mm Durchmesser. Gewisse Bäcker verlangen aber klein gehackte Grieben. Wie gehen Sie vor, um die Grieben zu extrahieren? Zuerst braucht es Material. Sehr gut eignet sich der Rückenspeck, vor allem aber wird Schlachtfett weiterverarbeitet. Das Fett wird in Wasserkesseln bei Temperaturen von 130˚, 140˚ C erhitzt. Die festen Bestandteile, die nach dem Abgiessen des flüssigen Fetts zurückbleiben, das sind die Grieben, also die Fasern des Fetts.

keeping them a secret from the towndwellers. They came in different shapes, round or in strips, both savoury and sweet. The pastries as we know them today took off in the 1940s thanks to technological innovation: a melter for lard, developed by Ateliers mécaniques de Vevey. Lard or pig fat was melted in a vacuum, making it possible to produce greubons of a respectable size and, importantly, with no burnt taste, which is absolutely indispensable for obtaining a puff pastry with a consistent taste and flavour. The melter acquired by the Lausanne slaughter house was thus able to supply most of the bakeries – and butchers - in the Vaud canton until its ‘fatal’ closure in May, 2001. No more melters, no more greubons? No! So, what next? Unfortunately Zorro didn’t come to the rescue. Times were

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Knuspriges Fett auf der ganzen Welt Die Idee, Fettgewebe zu schmelzen, um kleine Fettstückchen zu erhalten, blieb nicht auf den Kanton Waadt beschränkt. Das Verfahren wird weltweit angewandt. In Frankreich, in der Auvergne oder in der Region von Lyon, spricht man von grattons. Man kann sie definieren als im Fett gekochte Überbleibsel vom Schwein oder fritierte Fettstückchen, sprich geröstete Schwarten. An Begriffen für die Grieben, auch Grammeln genannt, fehlt es im Französischen nicht, im Gegenteil, man findet eine ganze Armada: grillons, grabons, gratterons, griaudes oder rillons. Auch fritons, doch die bezeichnen vor allem Entenfett. Besonders im Südwesten Frankreichs, wo es unzählige Stopfenten und -gänse gibt. Die fritons enthalten zwar Fettkügelchen, allerdings vermischt mit eingemachten Hautstückchen. Gesalzen geniesst man die fritons wie die grattons zum Aperitif oder zu einem Salat. Dem Waadtländer Griebenkuchen schon ähnlicher sind die von den Bäckern in den Cevennen produzierten fougasses mit Gänseschmalz. Im Hexagon findet man auch Brioches oder Galettes mit griaudes. In Deutschland, vor allem in Berlin, können Sie ein Weissbier mit Waldmeistersirup und einer Stulle mit Griebenschmalz geniessen. In Spanien heissen die Grieben chicharrones, in Italien ciccioli. Jenseits des Atlantiks verschlingt man in den USA pork rinds oder cracklings, in Kanada scrunchions und in Mexiko cueritos. In China, auf den Philippinen oder in Vietnam sind diese fetten Spezialitäten genau so begehrt. Ihre Namen und deren Aussprache ersparen wir Ihnen. Ah, noch etwas anderes: Der «Taillé aux greubons» hat in der Romandie auch noch einen anderen Namen. Im Kanton Neuenburg heisst die Spezialität «razure». PEJ

rough. Petitions abounded. The bakers’ and pastry-makers’ association collected 10,000 signatures. Takeover of the activity was officially refused. Rescue plans made very slow progress. In the end, unity won the day. The local butchers took up the torch and started supplying the bakers. But the greubons got smaller. Their price didn’t melt, quite the contrary! Luckily, that delicate episode actually helped to give a boost to the greubons. Increasingly, they now feature among the finest gastronomic specialities of the Vaud canton and have acquired quite some reputation beyond Lake Geneva and the shores of the Venoge, Orbe and Thiele rivers. A terroir product which seems only to be missing its appellation d’origine protégée. For the time being, don’t hesitate to try one. As soon as you take a bite, it’s crunchy, and

melts in your mouth. It’s got a unique flavour even though there are loads of subtleties in dosing and balancing the ingredients. There are as many types of taillés aux greubons as there are bakers. And to go with them? Some wine, of course. A Chasselas wine – from Vaud. PEJ

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Bücher

Chasselas – Von Féchy bis Dézaley Ein weinkulinarisches Abenteuer im Waadtland Bloss zu sagen, Chandra Kurt möge gerne Chasselas, wäre eine grobe Untertreibung. Und würde ihren aussergewöhnlichen Kenntnissen dieser emblematischen Waadtländer Rebsorte nicht gerecht, auch wenn sie zugibt, den Chasselas in der Vergangenheit verkannt zu haben. Heute versteht sie ihn nicht nur, sondern erzählt auf perfekte Weise von ihm, in ihrem neusten Buch mit dem Titel Chasselas – Von Féchy bis Dézaley, und wagt dabei folgenden Vergleich: «Chasselas ist wie Chanel – zeitlos, elegant, feminin, klassisch». Oder: «Chasselas ist für mich wie eine Sonate von Chopin oder ein Bild von Modigliani.» Je mehr man sie schätze und ihre unvergleichliche Grösse erfasse, desto mehr wünsche man sich, sie immer um sich zu haben. Doch Chandra Kurt beschränkt sich nicht auf das lyrische Fach. Mit Talent praktiziert sie auch die Register Geschichte, Geographie, Technik, Önologie, Didaktik und Statistik. Ohne die Gastronomie zu vergessen, ist doch ein Drittel ihres Buches Rezepten gewidmet, die danach verlangen, von Waadtländer Chasselas eskortiert zu werden oder bei denen der Chasselas gar zu den Zutaten gehört. Manche Rezepte entstammen der Phantasie von Persönlichkeiten der Waadtländer Weinwirtschaft oder solchen, die sehr eng mit ihr verbunden sind. Grafisch präsentiert sich das Buch schlicht, aber elegant. Massvoll bebildert von der Fotografin Patricia Von Ah und illustriert mit zwölf bemerkenswerten Holzschnitten aus La Grande Année Vigneronne von Paul Boesch (1935). Die Hälfte dieser Holzschnitte ziert bereits die Etiketten der Waadtländer Chasselas aus der Collection Chandra Kurt by Bolle. PB Chandra Kurt: Chasselas – Von Féchy bis Dézaley: Ein weinkulinarisches Abenteuer im Waadtland, Orell Füssli Verlag.

Die Gesichter des Schweizer Weins Ganz genau 60 Porträts von Frauen und Männern aus der helvetischen Weinwelt. Ausgewählt aus 500 Produzenten und präsentiert in einer von der Vereinigung Vinea publizierten Broschüre. 60 Weinprofis, unterteilt in fünf «Familien»: Grosse Kellereien, Innovative, Bewahrer der Tradition, solche, die im Auge zu behalten sind und schliesslich Diskrete und Talentierte. Im Inhaltsverzeichnis des Werks finden sich elf Waadtländer. Weitere werden folgen, plant doch die Vinea, jedes Jahr ein ähnliches Heft mit 60 Porträts herauszugeben. PB

Ein Guide mit renommierten Hotels Oft sind Hotels nichts weiter als eine Etappe auf dem Weg in die Ferien, wo man sich verpflegen und schlafen kann. Manchmal aber lohnen sie einen Umweg – oder, noch besser, werden gar zum Ziel der Reise. Die Hotels der Romandie, die in diesem Guide präsentiert werden, gehören diskussionslos zur zweiten Kategorie. Die Waadtländer Etablissements nehmen dabei den Löwenanteil für sich in Anspruch; nicht weniger als 18 wird der geneigte Leser kennenlernen, in der Côte, in der Region Lausanne, im Nord Vaudois, im Jura und den Alpen. Die «Palasthotels» nehmen natürlich den ihnen gebührenden Platz ein, doch auch weniger prestigereiche Hotels sind aufgeführt, weil ihre reiche Geschichte, ihr Charme, ihr exzellenter Service sie zur unumgänglichen Unterkunft für Liebhaber schöner Häuser macht. Die Autoren erinnern daran, dass der Aufschwung der Hotellerie eng mit dem Aufkommen der Eisenbahn in der Mitte des 19. Jahrhunderts verbunden ist. Zahlreiche Hotels wurden allerdings noch früher gebaut. So zählte etwa die Waadtländer Riviera schon vor der Ankunft der Eisenbahn nicht weniger als dreissig Hotels. PB Alexandre Metzener und Antoine Viredaz: Le Guide des hôtels de renom, Collection Creaguide.

Die Gesichter des Schweizer Weins (in Deutsch/Englisch oder in Französisch/Englisch), gratis zu bestellen bei der Vinea in Sierre: www.vinea.ch.

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What is a Ressat? In the Vaud canton, a ressat was the festive meal that the vineyard manager would lay on for the labourers to mark

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the close of the planting, hoeing and, of course, harvesting work jointly accomplished. The Confrérie du Guillon perpetuates this tradition of thanksgiving to celebrate the winegrowers’ generosity by holding ritual ressats at the chateau of Chillon, four in the spring and ten in the autumn. After the initiation ceremony, known as tirer au guillon during which new members draw their own wine from the barrel and promise to observe the spirit of the Confrérie by promoting Vaud wines, there follows a festive meal for the 250 guests who revel in an exalting experience of fine cuisine and wines. The

nectars are selected to represent the different wine-growing regions in the Vaud canton and enhance the cuisine of the evening’s starred chef. Hauteville hunting horns and the Gais Compagnons vocal group provide lively rhythms to accompany the ressat, and announcements are introduced by a brass quartet. The ressat concludes with the Governor thanking all the participants, and in particular the guests, thanks to whom everyone has enjoyed a moment of shared generosity and conviviality. Fabrice Welsch

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Botschaft des Gouverneurs Jean-Claude Vaucher

Die Diktatur des Glücks Verhütungskreise, unterstützt von «konformistischen» Moralisten, setzen alles daran, unsere Schuldgefühle bezüglich unseres Konsumverhaltens und unserer Konsumgewohnheiten zu schüren, indem sie gewisse Produkte kriminalisieren, anstatt an die individuelle Verantwortung zu appellieren. Verbissen bekämpfen sie unsere «kleinen Glücksmomente», die für Lebensfreude und Wohlbefinden sorgen und sehr konkret zu unserem physischen und psychischen Gleichgewicht beitragen. Unsere Lebensweise und unsere Ernährungsart werden unter die Lupe genommen und von Ayatollahs gegeisselt, die uns ohne unser Wissen glücklich machen wollen. Ihr einziger Ehrgeiz besteht darin, uns in einem faden und langweiligen Malstrom zu formatieren, den man als politisch korrekte Verhaltensweise bezeichnen kann. Die Verteufelung der Tischfreuden ist das offensichtlichste Beispiel dafür. Der Konsum von Fleischprodukten wird strikt geregelt und sogar verboten, jener der Früchte unserer Meere und Seen auf ein Minimum reduziert, ganz zu schwei-

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gen vom Verzicht auf Fette, eigentliche Plagen, die aber unseren bevorzugten Gerichten so viel Sämigkeit verleihen. Die Milchprodukte verstopfen unsere Arterien, die Laktose ist ernsthaft allergen, während das Salz unseren Blutdruck aus dem Gleichgewicht bringt. Und selbstverständlich müssen Süssigkeiten und Gebäck strikt eingeschränkt und warum nicht verboten werden, denn sie sind in erster Linie für unser Übergewicht verantwortlich. Kohlenhydrate sind gefährlich, denn sie enthalten viel Gluten, ganz zu schweigen von den satanischen alkoholischen Produkten, die sich – ganz so wie die Rauchspiralen einer selbstmörderischen Zigarre – «endlich» in Richtung programmiertes Verbot bewegen. Heute heisst politisch korrekte Ernährung fünf dampfgegarte Gemüse im Tag, fünf rohe Bio-Früchte, kleine Körner ohne Gluten, begleitet von einem Glas Hahnenwasser. Man isst nicht mehr, um sich zu ernähren oder für das Vergnügen, man isst aus physiologischer Pflicht, auf die Schnelle, denn nach der «Mahlzeit» muss man sich gezwungenermassen bewegen. Der

Body Mass Index ist genau vorgegeben und die sportliche Aktivität wird obligatorisch, mindestens eine Stunde pro Tag. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Totengräber unseres Glücks nach der Bereinigung unserer Ernährung und unserer Körperform mit unserer Mobilität, unseren Sitten und warum nicht unseren Denkweisen befassen werden. Sie alle, die diese Lehrmeister nicht länger ertragen, müssen ihre Ohren verschliessen und diese falschen Verhütungsbotschaften abprallen lassen. Stoppen wir diesen übermässigen Schutz des Individuums, lassen wir die Menschen frei leben und auf der Suche ihres Glücks Verantwortung übernehmen. Und vor allem loben wir ohne jegliche Einschränkung das Vergnügen, in einem genüsslichen und gastfreundlichen Geist gut zu trinken und gut zu essen. Vergessen wir diese Vitamin-Kapsel-Esser und Aspirin-Konsumenten und huldigen wir – über Epikureismus und Hedonismus instruierend – den Wohltaten einer vielfältigen, schmackhaften und köstlichen Ernährung.

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Ressats

Die Ressats der zwölf Lustren Zwölf Lustren? Übersetzen Sie mit 60 Jahre, dreimal Zwanzig, fünf Dutzend, sechs Jahrzehnte usw. Ignorieren können Sie es nur schwerlich, wird reden schon seit mehreren Vollmonden darüber, insbesondere in dieser Zeitschrift (vgl. Nr. 45): Ja, Ihre bevorzugte Confrérie ist sechzig geworden. Im Herbst verbreitete unser Prévôt mit Talent und Witz die Neuigkeiten aus unserer Weinwelt und verwies auf die ruhmreiche Vergangenheit. Gekonnt fasste er sechzig Jahre Geschichte in ein paar treffenden Sätzen zusammen: Vor sechzig Jahren wollten einige Waadtländer Winzer den Schwierigkeiten beim Vertrieb ihrer Ernte entgegenhalten. Utopisch aber mutig, inspiriert von den Chevaliers du Tastevin de NuitsSaint-George, entschieden sie, eine Weinbruderschaft ins Leben zu rufen. Ohne Angst, sich lächerlich zu machen, zögerten diese schollenverbundenen Leute nicht, mehrfarbige Roben überzustreifen und sich pompöse Titel zu geben: Conseiller au Trésor, Légat, Echotier, Tabellion und andere mehr. Schliesslich sind die Könige unsere Cousins! Am 29. April 1954 wurde auf Schloss Glérolle die konstituierende Versammlung abgehalten, während der die Statuten verabschiedet und der erste Petit Conseil eingesetzt wurden, mit – an der Spitze – dem Gouverneur François Cuénoud, umrahmt von François Vuilleumier, Trésorier, Gérard Olivet, Maisonneur, Prévôt Philippe Chessex, Kellermeister Maurice Cossy, Chantre des vins LouisPhilippe Cherix und Clavendier Pierre Pelot. Dann, ohne anderen Zwang als die Ungeduld der Gaumen und der Sinne, ging man über zu den Ressats, die von Thomas Neeser (ein Neuer) und dann von Edgard Bovier (ein Wiederholungstäter) kulinarisch aufgemischt und stimmlich von mehreren Rednern gelobt wurden. Der simple aber ehrenwerte Ehrgeiz bestand darin, die Gäste der Confrérie du Guillon zu erfreuen. Pascal Besnard, Echotier Edouard Curchod, Fotograf

Alle Fotos der Ressats sind abrufbar auf www.guillon.ch

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Ressats

Freitag 31. Oktober Compagnon Juré Bianca Vetrino Gran Maestra Ordine dei Cavalieri del Tartuffo e dei Vini di Alba Compagnon majoral Michel Roux Küchenchef, Kochbuchautor und Kochlehrer Compagnon François Garcia Gland Benjamin Massy Epesses Grégory Massy Epesses Sepp Trütsch Schwyz

Samstag 1. November Compagnon d’Honneur François Margot Abbé-Président der Confrérie des Vignerons Châtelaine d’un Soir Olivia Bessaud Zentralpräsidentin Les Gourmettes

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Compagnon Majoral Josiane Lei Stv. Stadtpräsidentin von Evian Compagnon Didier Badan Aigle Charly Emery Mézières (VD) Jérémy Hayoz Saint-Aubin (FR) Stéphane Jordan Rueyres René Lehmann Evian François Pradelle Thonon-les-Bains Enrico Slongo Muri bei Bern

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Freitag 7. November Compagnon d’Honneur Aldo Ferrari Mitglied Geschäftleitung der UNIA Markus Hongler CEO der MobiliarVersicherungsgruppe Compagnon Majoral Michel Jeanneret Journalist, Chefredaktor von L’Illustré Compagnon Juré Thibaut Panas Sommelier des Jahres 2014, Beau-Rivage, Lausanne Compagnon Lionel Apollaro Les Avants Gilles Bovay Lausanne Quentin Gallay Mont-sur-Rolle Raphaël Gaudin Monthey Edouard Millet Crissier 3

1. Ämterkumulation für den Waadtländer Wein: der AbbéPrésident François Margot wird Compagnon d’Honneur 2. Olivia Bessaud, Präsidentin der Gourmettes, geniesst die Worte von Jean-François Anken 3. Das ist kein Inter-Vioud, aber sehr wohl Bernard, der über Josiane Lei spricht 4. Am 1. November wurde eine schöne Schar inthronisiert

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Ressats

Samstag 8. November Compagnon d’Honneur Jean Studer Präsident des Bankrats der SNB Compagnon Majoral Thomas Neeser Küchenchef, Grand Hôtel du Lac, Vevey Conseiller Patrick Rütsche Anwalt, Préfet des Cotterd von St. Gallen Compagnon Jean-Pierre Allaz Bottens Sylvia Bonanomi Schumacher Pully Pierre-Yves Brélaz Aigle Jean-Luc Estermann Cully Eric Girardet Suchy Linus Haas Andwil (SG) Rahel Isenschmied Miège Lothar M. Kiolbassa Herisau Beat Lussi Stans Theodor Mamaïs Villars-le-Terroir Patrick Neuhaus Cousset Tanja Nicole Luzern Daniel Ochsner Zollikerberg Yves Progin Freiburg Christian Roux Jongny Fabian Rütsche Wil (SG) Lothar Schmidt Kastanienbaum Thomas Stiegler St. Gallen Beat Stofer Meggen

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Freitag 14. November

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1. Alles Gold der SNB ist diesen Titel nicht wert: Jean Studer erhält den Ritterschlag zum Compagnon d’Honneur

4. Der Dienstgrad eines Compagnon Juré für eine grosse Expertin der Waadtländer Weine, Chandra Kurt

2. St. Galler «Tiré au guillon» unter Waadtländer Kontrolle: Patrick Rütsche und Jean-François Potterat

5-6. Gestik und Sprache: Claude Piubellini, Clavendier, Eric Loup, Anhänger (und Chantre des vins)

3. Auf Chillon kommunizierte Swisscom-Chef Urs Schaeppi schriftlich!

Compagnon d’Honneur Urs Schaeppi CEO von Swisscom Compagnon Juré Chandra Kurt Autorin, Weinexpertin Compagnon Alain Dobler Lutry Sébastien Fabbi Grand-Saconnex Chris Fluckiger Genf Lionel Freymond Jongny Luc Gagnebin Aran François Goumaz Corseaux Daniel Gremaud Epalinges Jean-Luc Guerry Chevilly Emmanuel Metraux Lausanne Donato Mottini Lutry Marc Charles Séchaud Pully Stephan Sommer Lutry Thomas Suter Saint-Légier

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Ressats

Samstag 15. November Compagnon d’Honneur Michel Albert Präsident der Generaldirektion der Freiburger Kantonalbank Compagnon Majoral Nicolas Isoz Direktor und Konservator des Weinbaumuseums und von Schloss Aigle Compagnon Julien Aerni Romanel-sur-Lausanne Guido Brivio Mendrisio Nicolas Chervet Morges Eric Diserens Lavey-Village Claire Halmos Chexbres Marc-Antoine Jaccard Crissier Silvano Parini Vaglio Jacques Rubattel Romanel-sur-Lausanne Jean-Marc Rüeger Paudex Michel Wieser Attalens Jean-Pierre Zutter Lonay

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Freitag 21. November Compagnon d’Honneur Pascal Clivaz Stv. Generaldirektor des Weltpostvereins Christophe Darbellay Nationalrat, Präsident der CVP Schweiz Compagnon Caroline Borloz Lausanne Blaise Clerc Mur (VD) Claude-Eric Corthésy La Tour-de-Peilz Samantha Filipinetti Clarens Jacques Joly Grandvaux Nathalie Noverraz Saint-Saphorin

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Samstag 22. November Compagnon d’Honneur Pierre-André Meylan Generaldirektor von Piguet Frères, Präsident des Centre patronal Compagnon Majoral Ian Logan Oberst, Pilot, Direktor Air 14 Payerne Compagnon Ministérial Grégoire Dromelet Student, Trompe d’Hauteville Compagnon Didier Borgeaud La Croix-sur-Lutry Patrick Frehner Saint-Oyens Aude Genton Le Mont-Pélerin Hans-Rudolf Moser Oberglatt (ZH) Vincent Payot Etoy Jean-Marc Schlaeppi Etoy Christian Schnyder Le Mont-sur-Lausanne

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Freitag 28. November Compagnon d’Honneur Andreas Koopmann Präsident von Georg Fischer, Vizepräsident von Nestlé Compagnon Corinne Chalon Villars-sur-Ollon Daniel Herrera Orbe Eric Jordan Evionnaz Marie-Paule Nobel Savigny Marie-Paule Piubellini Pully 1. Walliser-Post-Lächeln: Pascal Clivaz 2. Walliser-Politik-Lächeln: Christophe Darbellay 3. Für dich, für mich, und… Gesundheit! Jean-François Anken und Christian Roussy 4. Die (elektrische) Kraft ist mit ihm: Fabrice Welsch, Conseiller Jedi 5. Die Gais Compagnons unter der Leitung von Claude-André Mani

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Ressats

Samstag 29. Oktober

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Compagnon d’Honneur Bernard Lehmann Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft Compagnon Juré Pierre-Emmanuel Buss Journalist, Wein- und Weinbauaktualität, Le Temps Compagnon Patrick Berger La Sarraz Patrick Bertholet Renens Battiste Briatico Villeneuve Christophe Dubois Villeneuve Jean-Claude Favre Savigny François Fragnière Echichens Maxime Henry Lugnorre Janine Schaer Cudrefin Eric Thut Valeyres-sous-Montagny

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1. Ein Weinbau-Produkt für den Landwirtschaftschef: Bernard Lehmann, Compagnon d’Honneur 2. Pierre-Emmanuel Buss, Journalist der 99 Chasselas, leistet den Eid.

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3. Schock-Trio für erfolgreiche Ressats: Edgard Bovier, Küchenchef, Hans-Ruedi Gerber, Maisonneur, und Chantal Casagrande, Generalin der Fanchettes

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Propos de Clavende

Le Vacherin Mont-d’Or et le Dézaley Grand Cru 2011 Philippe Bujard, conseiller Vous l'aurez certainement constaté avant moi, dans notre univers, beaucoup de choses vont par deux et rarement l'une sans l'autre. Pour notre plus grande joie, souvent, comme pour notre plus grand malheur, parfois. Pensez-donc, que serait le jour sans la nuit? La vie sans la mort? Le ciel sans les étoiles? Que seraient les pauvres sans les riches? La planète Saturne sans son anneau de gaz et de poussière? Ou sous des aspects nettement plus réjouissants, que serait Paris sans sa Tour Eiffel? Rome sans le Vatican? Les meringues sans la double crème de gruyère? Enfin entre nous, que seraient les Valaisans sans Christian Constantin? Ou encore plus réjouissant que serait l'homme sans la femme? La femme créature grandiose, que serait-elle sans ses deux seins, perchée sur ses deux jambes interminables qui sont comme des compas qui arpentent le monde? Portant au firmament des robes légères qui sont pour nous la seule chose qui tourne sur terre! Oui mais parfois la dualité a ses mauvais côtés: les chaussures vont par deux, les chromosomes vont par deux, les mariages se font à deux… en tous cas au début! Et tout à l'heure, vous constaterez peut-être, ce que je vous ne souhaite pas bien évidemment, les patrouilles

de la gendarmerie vaudoise vont également par deux: oui, il y a toujours un policier qui sait lire et l'autre qui sait écrire! Enfin trêve de balivernes, il est des associations culinaires qui sont plus que des alliances gastronomiques, mais de véritables unions sacrées. Le Vacherin Mont-d’Or, c'est tout vaudois. Enfin pour celui qui vous est servi ce soir. Car l'appellation Vacherin Mont d'or est aussi bien suisse que française. En effet la plus grande partie du vacherin est produite en France dans le Haut-Doubs. A une seule différence typographique près, le Mont d'Or français n'a pas de trait d'union alors que l'AOP Vacherin Mont-d’Or suisse arbore le trait d'union. Le trait d'union géographique du Vacherin est en effet le Mont d'Or, massif montagneux trans-frontalier qui a vu le jour au jurassique et sur le pourtour duquel prend naissance le fromage. Le Vacherin, disais-je c'est tout vaudois, ça voit le jour l'été à la Vallée, ça descend pour l'automne sur la Riviera pour finir dans votre assiette. Certes ça n'a pas l'exotisme d'un gorgonzola, ni l'aristocratie d'un stilton britannique. Et encore moins l'aura d'un camembert dit Président. C'est présenté avec discrétion et élégance dans une petite boîte en bois. Cela dit, j'en connais en France voi-

sine, qui aimeraient bien voir leur Président dans une petite boîte en bois! Oui, le Vacherin c'est tout vaudois disais-je, c'est tout en nuance, crémeux à souhait, velouté à volonté, riche et onctueux. Ça a le sens de la mesure. Car, vous le savez, dans le Pays de Vaud tout est mesuré. A commencer par l'effort. Nos amis alémaniques ont pour coutume de dire: «Les vaudois ils aiment le lac depuis le bord, la montagne depuis le bas et l’église depuis dehors». Il fallait donc trouver pour ce fromage une élévation suprême, un catalyseur gustatif, un vin faramineux, pour une véritable eucharistie vaudoise célébrée dans ces murs depuis plus de 12 lustres, j'ai nommé le très illustre Dézaley Grand Cru. Véritable cathédrale à ciel ouvert, ces 55 hectares de vignes juchées sur une pente incroyable, retenues par des murs vertigineux, face aux paysages féériques du bleu Léman. Les Bourguignons l'estiment, les Bordelais nous le jalousent et les Toscans nous l'envient. C'est le plus grand vin blanc du monde! Nous vivons une époque inconcevable, mais avec des repères éblouissants. Alors, avant de savourer un dessert salvateur puis un café libérateur, appréciez sans heurt ce Dézaley Grand Cru et ce vacherin Mon-Bonheur!

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Basler Cotterd

Im Zeichen der Fasnacht Claude Piubellini, Conseiller – Fotos: Edouard Curchod Während fast die ganze Schweiz unter einer grauen Decke nach Sonne lechzte, beleuchtete an diesem 7. Februar ein tief blauer Himmel die Stadt Basel, um den Cotterd unter der Leitung des dynamischen Préfet Ivo Corvini zu begrüssen. Um 18 Uhr verliessen wir die Sonne, um uns der Lichter im Fasnachtskeller am Nadelberg 6 mitten in der Stadt zu erfreuen. Oben an einer grossen Treppe mit uneingeschränktem Blick auf den Saal, in dem sich der Abend abspielen sollte, wurden wir von der Gattin des Préfet empfangen, die die eintreffenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer registrierte. Für die Gewohnheitsgäste der Fasnacht ist es nichts Ungewohntes, aber die Neulinge erfreuten sich an einer Vielzahl von

Masken, Figuren und Laternen, alle reich dekoriert mit den mythischen Gewändern der grössten Fasnacht der Schweiz. Unter den Conseils machten wir die Präsenz des Gouverneurs des Guillon und seiner Frau aus, des Légat, des Prévôt und seiner Frau, des Tabellion, sowie einiger Conseillers, darunter Daniel Dufaux, der stellvertretende Direktor des Weinhauses Badoux in Aigle. Ebenfalls vertreten war der Compagnon d’honneur Kurt Egli, Direktor des gleichen Weinhauses, das die Weine für das Essen und schon den Aperitif lieferte, einen Aigle les Murailles 2013, der von allen Gästen gleichermassen geschätzt wurde. Nach der Begrüssung durch unseren Préfet war die Reihe am Prévôt, die mehr als siebzig Compag-

 Im Fasnachtskeller versammelten sich mehr als siebzig Personen

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nons und Gäste im Namen der Confrérie mit schelmischen Worten zu begrüssen. Etwas später wurde dann alles für den Jean-Louis bereit gemacht, damit sich die Kenner der Waadtländer Weine im Wettbewerb messen konnten. Ein Jean-Louis «Spezial Chablais» Wenn der üblicherweise in den Cotterds organisierte Degustationswettbewerb die fünf grossen Regionen des Waadtländer Weinbergs (Waadtländer Norden, La Côte, Lavaux, Dézaley und Chablais) umfasst, so wurde uns hier eine schwierigere Auswahl vorgesetzt. Tatsächlich waren nämlich ausschliesslich fünf Chasselas aus dem Chablais im Rennen. Zwei aus dem Haus Badoux,


 Degustation und Konzentration

nämlich ein Ollon (Domaine Grange Volet, Clos Domaines et Châteaux) und der Petit Vignoble (Yvorne). Diese Weine wurden von Kurt Egli präsentiert. Die drei andern Chasselas kamen vom Gut Veillon au Cloître in Aigle, nämlich der Clos de la Cure, der Cloître und der Clos du Paradis. Diese Weine präsentierten die Brüder Simonius aus dem Weinhaus Veillon. Einmal degustiert und beschrieben wurden diese Weine erneut in veränderter Reihenfolge und blind serviert. Was zuvor offensichtlich schien, wurde zu einer ziemlich schwierigen Übung, denn unsere geschmacklichen Erinnerungen können uns täuschen… Eine Waadtländer Mahlzeit mit Basler Akzenten Die Wettbewerbsscheine eingesammelt gingen wir über zum Essen. Zur Vorspeise wurde die traditionelle Mehlsuppe der Basler Fasnacht aufgetischt, die jeder nach eigenem Gutdünken mit Parmesan bestreuen konnte. Begleitet wurde die Suppe von einem Viognier d’Aigle, Lettres de Noblesse, von Badoux, der in Amphoren reifte. Dann folgte ein Papet und Saucisson Vaudois von erster Güte und sehr appetitlich präsentiert, zu dem ein roter Clos des Murailles aus Aigle serviert wurde, der bestens zum Gericht passte. Zum Hauptgang wurde noch ein zweiter

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 Der Préfet Ivo Corvini sammelt die Talons ein

Wein angeboten, nämlich ein Assemblage Malbec-Cabernet franc aus SaintSaphorin, eine Neuheit im Angebot des Weinhauses Badoux. Alle diese Weine wurden nacheinander von unserem Conseiller Daniel Dufaux vorgestellt. Wenn sich der King und Tom Jones einladen… Nach dem Hauptgang, sozusagen als Zwischengang, kündigte unser Préfet den Besuch von Elvis Presley an, um den Abend zu beleben. Steven Day mit seiner Gitarre spielte die Rolle perfekt. Zwischen den Tischen stimmte er die Lieder des King und von Tom Jones an, und der Saal stimmte in die bekanntesten Refrains ein. Die Stimmung unter den Gästen erwärmte sich zusehends und der Künstler musste eine verdiente Verlängerung einlegen. Nach dem endgültig letzten Lied wurde lautstark applaudiert. Schliesslich beendete eine prachtvolle Käseplatte das Essen. Sie wurde begleitet von einem roten Merlot aus Yvorne, Lettres de Noblesse, oder einem Chasselas aus dem Fass aus Yvorne, Lettres de Noblesse. So kamen alle auf ihre Rechnung, die Liebhaber von rotem und weissem Wein zum Käse. Aber es wurde langsam spät (23.15 Uhr) und damit Zeit, die Resultate des Jean-Louis bekannt zu geben. Trotz der schwierigen Ausgangs-

lage wurden unter den eingegangen Talons fünf richtige Antworten registriert. Ehre, wem Ehre gebührt: Der Gouverneur des Guillon, Jean-Claude Vaucher, gehört zu den Auserwählten, und auch Tabellion Claude-Alain Mayor sowie Compagnon d‘Honneur Kurt Egli. Weil sie alle selbstverständlich von den Geschenken für die Preisträger ausgenommen waren, blieben zwei Preisträger – in diesem Fall Preisträgerinnen – die die fünf Weine in der richtigen Reihenfolge zugeordnet hatten. Franziska Lischer und Armella Krattiger gewannen beide einen Platz an einem der Ressats auf Schloss Chillon. Sie wurden für ihren Scharfsinn und ihren verlässlichen Geschmacksinn gebührend gefeiert. Sie erhielten auch ein Diplom, damit sie sich an den Erfolg erinnern können. Der Préfet bedankte sich nochmals bei allen für die Teilnahme am Cotterd. Er ermunterte alle, am Ressat vom 2. Mai auf Schloss Chillon teilzunehmen, weil dann eine wichtige Basler Vertretung präsent sein werde. Ein paar Flaschen zirkulierten noch, um den letzten noch vorhandenen Durst zu stillen. Dank der Grosszügigkeit unserer Winzer aus Aigle, den Weinhäusern Veillon au Cloître und Badoux, bei denen wir uns hier nochmals ausdrücklich bedanken, war das kein Problem.

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Die Quatre Heures du Vigneron

Villeneuve: 800 Jahre und… 4 Stunden! Pascal Besnard, Echotier Fotos: Edouard Curchod Etappenhalt vor der Riviera in der einen Richtung, vor den Alpen in der andern, oder einfach Seebadeort an heissen Sommertagen, Villeneuve ist das eine wie das andere. Aber es ist noch viel mehr als das. Acht Jahrhunderte Geschichte, das ist nicht nichts. Das mittelalterliche Städtchen zeugt von dieser besonderen Vergangenheit. Und genau da, in den gastfreundlichen Strässchen und den gemütlichen Höfen, fast abseits von neugierigen Blicken, haben die ortsansässigen Winzer die Gäste der Quatre Heures empfangen. 1100 Personen an zwei sonnigen Samstagen, ein Rekord!  Verdiente Pause für die Trompettes des Guillon  Die Kunst der Gastfreundschaft

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Die Quatre Heures du Vigneron

Eine Masse von ungeduldigen Weintestern wollte die Qualitäten der lokalen Produktion entdecken oder bestätigen lassen, vielleicht auch deren gesundheitliche Tugenden, um nicht zu sagen harntreibenden: «Was in Villeneuve getrunken wird, bleibt in Villeneuve», rief Stadtpräsidentin Patricia Dominique Lachat in Erinnerung! Der Eau Froide, der örtliche Bach und zugleich Gemeindegrenze, wurde unter diesen besonderen Umständen etwas vernachlässigt. Zugunsten – wie bereits gesagt – der Villeneuver Tropfen, aber auch der Gaumenfreuden, die von der mobilen Brigade des Montreux Palace unter der Leitung des effizienten Küchenchefs Frédéric Breuil zubereitet wurden. Vom Tartare du féra du Lac zum Gruyère de Jaman über die genüssliche Etreinte d’un saucisson vaudois dans un carré de porc und die zarte Tarte Chiboust aux poires rôties gab es ebenso viele Vorwände, um auf die köstlichen lokalen Weine zurückzugreifen… und niemand konnte widerstehen!  Der Charme des alten

Städtchens Villeneuve

 Strahlende Sonne und entsprechendes

Lächeln, jenes der Gemeindepräsidentin Patricia Dominique Lachat

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 Der Prévôt vor seinem zahlreichen Publikum

Grusswort des Prévôt Gilbert Folly

(Auszug) Das laufende Weinjahr ist nicht einfach gewesen und die Arbeit und das Können des Winzers und des Önologen waren nötig, damit – trotz der drohenden Krankheiten – die gute Qualität der künftigen Ernte einwandfrei ausfallen wird. Wenn wir mit etwas Glück im September die Regenschirme im Schrank lassen können, sind alle Zutaten vereint, die zu einem ausgezeichneten Jahrgang führen. Dieser wird die Weine von der Côte erleuchten, jene aus dem Lavaux glänzen lassen, die Dézaley in den Himmel heben, die Bonvillars, Côtes de l’Orbe

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und Vully mit Ruhm überhäufen. Er wird den Wein aus dem Chablais und insbesondere den Villeneuve über den grünen Klee loben. Erfreuen wir uns an der Aussicht, bald schon einen ausgezeichneten Jahrgang rühmen zu dürfen. Und vielleicht werden wir es mit dem Richter halten, den eine Journalistin fragte, ob er einen Chablais oder einen Dézaley vorziehe. Als genauer und unparteiischer Magistrat antwortete der Richter: Ach! Wissen Sie, im Prozess Chablais gegen Dézaley bereitet mir das Nachschlagen in den Unterlagen so viel

Freude, dass ich den Urteilsspruch von Woche zu Woche verschiebe. So sei es! Wir hingegen, Compagnons, meine Damen, meine Herren, meine Brüder Conseillers, beugen uns über das Dossier Villeneuve. Konsultieren wir die Unterlagen, holen wir Beweise ein, lassen wir die Zeugen nicht fallen, denn sonst könnte man die Medaille verpassen. Zum Abschluss des Prozesses gehe ich jede Wette ein, dass Sie zum gleichen Urteil kommen wie der Prévôt. Sie werden laut und klar erklären: Gelobt sei der Wein!

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Lüften wir den Deckel

Von der bayrischen Landschaft an den Genfersee Thomas Neeser, Hôtel du Lac, Vevey Pascal Besnard, Echotier Fotos: Edouard Curchod

Mit seiner schlanken Statur und den feinen Zügen, dem klaren Blick und der eleganten Gestik könnte Thomas Neeser im Kino sehr wohl die Rolle eines romantischen Helden im 19. Jahrhundert spielen, fragil und städtisch… Die Realität ist wahrhaftig eine andere: Thomas Neeser ist ein Landkind, dessen Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern Landwirte waren. Er stammt aus Franken, das seit 1815 zu Bayern gehört. Als kleiner Junge träumte Thomas nicht von Tieren und fetten Weiden, sondern von der Küche. Fachleute gab es in der unmittelbaren Umgebung aber nicht eigentlich, wenn man von der Mutter absieht, die auf Puddings und Früchtekompott spezialisiert war. Und dann war da noch eine Urgrossmutter, die Landwirtin war, aber auch einen kleinen Landgasthof betrieb. Thomas Neeser legte einen Blitzstart hin. Er war erst 15-jährig und fand eine Anstellung im besten Hotel in der Region (Maritim-Kette), wo er verschiedene Funktionen übernahm: Hausdiener, Mitglied der Reinigungsequipe, Portier…

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Darauf folgte eine Etappe in Wiesbaden, in einem Hotel mit einem SterneRestaurant (Die Ente vom Lehel): «Als ich diese Stelle bekam, wusste ich nicht einmal, was ein Sterne-Restaurant ist!», gesteht Thomas Neeser. Aber er lernte schnell. Und es folgten verschiedene Sterne-Lokale in Deutschland. In Frankreich, in Pont de l’Isère, gab es sogar einen Doppelstern: «Hart, intensiv und sehr schlecht bezahlt»! Weiter ging es in La Palme d’Or, Gastronomietempel (mit zwei Sternen) im legendären Hôtel Martinez in Cannes. Fehlte ein Dreisterne-Lokal? Nein, dieses fand sich mit L’Auberge de l’Ill im Elsass. Zweieinhalb Jahre arbeitete Thomas unter dem grossen Marc Haeberlin. Dann führte die Reise im 2000 nach Berlin, im «Gepäck»

von Marc Haeberlin, dem Berater im Restaurant Lorenz Adlon. Thomas Neeser wird stellvertretender Chef, und drei Jahr später Chef des Sternelokals. Im Herbst 2009 kontaktierte ihn die Direktion des Hôtel du Lac in Vevey. Die Herausforderung reizte ihn. Zusammen mit seiner Frau und dem ersten von heute drei Kindern reiste Thomas Neeser nach Vevey. Anfang 2010 wurde er als Küchenchef angestellt. Das FeinschmeckerRestaurant Les Saisons war noch nicht benotet. Es erhielt 15 von 20 Punkten Gault & Millau im 2012 und 16 Punkte im 2013. Blieb noch eine Herausforderung: Die Ressats auf Chillon. Seit dem letzten Herbst ist auch da alles im Lot. Thomas Neeser zieht eine positive Bilanz.

«Die Kundschaft des Guillon ist anspruchsvoll. Schon am ersten Abend musste alles top sein. Wir haben dann noch kleine Korrekturen vorgenommen. Die Equipe hat hier eine wichtige Erfahrung gesammelt, die uns sogar zusammengeschweisst hat.». Le Guillon Nr. 46 1/2015


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Lüften wir den Deckel

Trio von Genfersee-Felchen, Pastinaken-Püree, glatte Petersilie und Arganöl (Rezept für 4 Personen)

Zubereitung Rillettes • Mit der Gabel die geräucherte Felche zerkleinern und nach und nach die andern Zutaten hinzufügen. • Gut mit dem Schwingbesen mischen, bis die Masse homogen ist. • Würzen und mit zwei Suppenlöffeln kleine Würste formen. Kalt geräucherte Felche Mit einem Messer die Haut abziehen und das Filet in kleine Würfel schneiden.

Felchen-Tatar Das Felchenfilet in feine Scheiben schneiden (3 mm) und im Tiefkühler die Bakterien abtöten. • Aus dem Tiefkühler nehmen und noch im gefrorenen Zustand in kleine Würfel schneiden. • Alle Zutaten vermischen. • Würzen und nach Belieben frischen Zitronensaft zugeben. • In einer runden Form auf dem Teller anrichten. •

Pastinaken-Püree Die Butter in einer Pfanne schmelzen. • Pastinaken zugeben, mit der Brühe und dem Rahm Flüssigkeit zugeben. • Würzen. Bei kleinem Feuer in der offenen Pfanne kochen. • Mixen, bis die Püree-Konsistenz erreicht ist. • Mit einem Löffel in Tropfenform auf den Tellern anrichten. • Genug Püree zurückhalten, um etwas auf das Tatar zu geben. •

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Zutaten Den Teller fertig anrichten mit den Pastinaken-Chips und der glatten Petersilie. (Thomas Neeser fügt als Dekoration «pulverisiertes» Arganöl hinzu, wobei 20 g Arganöl mit 20 g Malto sec gemischt werden). Der Wein Als Begleiter für sein Gericht empfiehlt Thomas Nesser einen Chasselas, den Réserve Blanche 2012 vom Château de Glérolles (Saint-Saphorin). Dieser Wein stammt von einer ausgewählten Parzelle. Er wird zu rund einem Drittel im Fass gelagert. Er ist üppig, mit Nachgeschmack, und zeigt eine holzige Note, die seiner Frische aber keinen Abbruch tut.

Felchen-Rillettes 60 g warm geräucherte Felchen 2 EL Olivenöl extra virgin 10 g Fischbrühe 1 EL Pastinaken-Püree 1 EL im Salzwasser blanchierte Pastinaken-Würfeli 1 KL fein gehackte glatte Petersilie 1 Prise Salz, Pfeffer und Paprika 1 KL Chasselas Kalt geräucherte Felchen an Szechuanpfeffer und Whisky 80 g kalt geräucherte Felchen, etwa aus der Räucherei in Chailly Tatar mit frischen Felchen 120 g frische Felchen ohne Haut und Gräte 1 MS kandierte Zitrone klein gewürfelt 1 EL Arganöl 2 EL Olivenöl extra virgin 1 EL fein geschnittener Schnittlauch 1 KL Schalotten-Würfeli Pastinaken-Pürée 100 g geschälte Pastinake in feinen Scheiben 20 g Butter 60 g weisse Geflügelbrühe 60 g flüssiger Rahm 1 Sternanis 1 Prise Salz, Pfeffer und Muskat Dekoration 4 Pastinaken-Chips 4 Blatt glatte Petersilie

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Guillon d’Or

Interview mit Jean-Claude Biver, Preisträger des Guillon d’Or – Clos, Domaines et Châteaux 2014

«Der Wein ist die Fusion von Gott und Mensch!» Claude-Alain Mayor, Tabellion Foto: Edouard Curchod Der Preis Guillon d’Or – Clos, Domaines & Châteaux wurde im 2014 zum vierten Mal verliehen. Er zeichnete dieses Jahr einen vorbildlichen Unternehmer im Waadtland aus, Jean-Claude Biver, Präsident von Hublot und Leiter des Uhrengeschäfts von LVMH. Anstatt über die Preisverleihung zu berichten, für die sich am vergangenen 15. September

rund hundert Personen im Lausanne Palace versammelten, zog es der Autor dieser Zeilen vor, einige Passagen aus dem Interview wiederzugeben, das ihm der Preisträger gewährte, und das amüsant die Beziehung illustriert, die JeanClaude Biver mit unserem Kanton und insbesondere den Waadtländer Weinen unterhält.

(CAM) Wie ist ganz allgemein ihre Beziehung zum Wein? (JCB) Der Wein ist für mich die Fusion von Gott und Mensch. Es gibt nur wenige Produkte, die sich zugleich auf göttliche und menschliche Herkunft berufen können, aber meiner Meinung nach gehört der Wein unwiderruflich dazu, deshalb sein sakraler Charakter. Ich trinke Wein, seit ich fünf Jahre alt bin. Meine Grosseltern lebten im Beaujolais, im Gebiet des Moulin-à-Vent. In den Burgunderfamilien gab man damals den Kindern immer ein paar Tropfen Wein, damit sie an der festlichen Tafel teilhaben konnten und früh lernten, zu degustieren anstatt zu trinken. Wein trinken ohne zu kosten, das ist eine Sünde, und zweifellos das sicherste Mittel für Missbrauch. >

 Der Autor des Artikels,

Claude-Alain Mayor, Jean-Claude Biver, der Gouverneur de la Confrérie du Guillon, Jean-Claude Vaucher und André Fuchs, der Präsident von Clos, Domaines et Châteaux.

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Nachruf

Heinrich Schnyder zum Gedenken Ernst W. Eggimann, Compagnon juré

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Bis zum Jahr 1998 war er in der Confrérie du Guillon der Préfet des Cotterd de Berne: Heinrich Schnyder. Am 20. Oktober 2014, einen Monat vor der Vollendung seines 87. Lebensjahres, ist er verstorben. Heinrich Schnyder aus Münsingen übernahm 1984, als der spätere Nationalratspräsident André Perey Gouverneur der Confrérie wurde, als Berner Préfet von seinem Nationalratskollegen Rudolf Etter das Steuer. Seither gibt es auch hier jedes Jahr den Guillonneur, den von den Luzernern erfundenen gesellig-lehrreichen Austausch der Waadtländer Winzer mit den Weinfreunden in den anderen Landesteilen. Heinrich Schnyder, Nationalrat von 1971 bis 1987, war Ingenieur Agronom der ETH Zürich und leitete 31 Jahre, bis 1992, die Landwirtschafts- und Haushaltungsschule Schwand-Münsingen. Für die landwirtschaftliche Ausbildung setzte der Schwand-Direktor als Reformer Massstäbe, die im ganzen Land Geltung erlangten. Vielen bäuerlichen Organisationen diente er in den Führungsgremien, dem Bernischen Bauernverband als Präsident. In seinem Beruf und den Ämtern in Politik, Wirtschaft und Bildungswesen lag ihm ein auf gegenseitigem Respekt und Verständnis beruhendes Zusammenleben in einer fortschrittlichen Gesellschaft am Herzen. Das zeigte sich gerade auch in seinem Bemühen um freundschaftliche Beziehungen zum Waadtland und seinen Winzern im Rahmen der Confrérie.


Guillon d’Or

Zudem erfordert die Degustation die Entwicklung des Wein-Gedächtnisses. Mein Grossvater verlangte von uns unerbittlich die Herkunftsbestimmung des getrunkenen Weins. Diesen Test bestanden wir meistens ehrenhaft dank einer gutmütigen Grossmutter, die uns die Antwort zuflüsterte. Über diese Anekdote hinaus bin ich sicher, dass es allein die Arbeit mit Degustation und Gedächtnis erlaubt, einen Wein vollumfänglich zu erfassen, in der Symbiose zwischen göttlichem und menschlichem Anteil.

das Hinzufügen von Vacherin erreicht wird. Und wenn Sie einmal Gelegenheit erhalten, dieses Fondue zu essen, dann werden Sie mit mir einig sein, dass es ausgezeichnet ist. Ausserdem kommt es vor, dass ich eine Rösti zubereite, ein Huhn im Rotwein: eine grosszügige Küche, im Schmortopf zubereitet, die meine Burgunderabstammung verrät. Welche Analogien erkennen Sie zwischen der Wein- und der Uhrenwelt? Wie die Uhrmacherei lebt der Wein in der zeitlichen Dimension: Er appelliert an die Erinnerung. Wenn Sie einen Wein degustieren, dann geht es ganz natürlich darum, sich an den Jahrgang zu erinnern, selbst wenn er neueren Datums ist: Das Som-

Jahrgangs ist ein aussergewöhnliches Abenteuer, das einlädt in die Ewigkeit. Eine Erfahrung, die uns sonst nur der Tod gewährt. Zudem ist die Analogie zwischen der Arbeitspräzision und der Liebe zum Detail des Uhrmachers und des Winzers offensichtlich. Man denkt sogleich an die Zisterzienser, deren exakte, geduldige und hartnäckige Arbeit die prächtigen Terrassen im Dézaley geformt hat. Zudem ist der Chasselas keine einfache Rebsorte, man muss wohl Schweizer sein, also Uhrmacher, um ihn gedeihen zu lassen.

Welches sind ihre bevorzugten Weine und Rebsorten? Was ist ihr Rezept, um sich zu erholen? Wenn ich auf meinen Wohnort Bezug Einen Tag zuhause verbringen, in diesem nehme, dann ziehe ich eindeutig die Weine Rahmen (zeigt mit einer Geste den Raum von Montreux und dem Lavaux vor, denn ich und den Blick auf den Genfersee). Für bin ein echter Regionalvertreter. Was die mich ist ein Tag zuhause eine Woche FeRebsorte betrifft, so bekunde ich grosse Wie die Uhrmacherei rien, stellen Sie sich somit vor, wenn Mühe, hier etwas anderes als Chasich drei Tage zuhause verbringe! selas zu trinken, wenn ich den See lebt der Wein in der Diese Region, dieses Gut, dieund die Berge betrachte. In der zeitlichen Dimension: Er appelliert ses Haus verströmen etwas Provence baue ich Syrah an. an die Erinnerung. Wenn Sie einen Wein Magisches. Wer so lebt, der Im Wallis bin ich ein Cornimmt ein ständiges Vernalin-Liebhaber. Gerne degustieren, dann geht es ganz natürlich jüngungsbad. Und das tauche ich in eine Region darum, sich an den Jahrgang zu erinnern, selbst in jeder Jahreszeit. Im ein und verinnerliche wenn er neueren Datums ist: Das Sommerwetter, Winter stehe ich auf die ihre Produkte. Wer in der das Datum und die Umstände der Lese, der fellbespannten Skis und Provence einen Bordeaux steige auf den Folly, hier trinkt, der verweigert sich Oechsle-Grad der Trauben usw. In diesem über uns, auf 1725 m Höhe. der Reise, bleibt in seinen Sinn ist der Wein ein Erinnerungsträger. Von dort lässt einem der Gewohnheiten gefangen. Ich Er ruft uns die Arbeit der Menschen Ausblick nicht mehr los, und aber liebe die Dynamik der und von Gott in Erinnerung. wenn ich dann zurückkomme, Reise und deshalb trinke und Jean-Claude Biver dann habe ich den Eindruck, eine esse ich lokal. Dies ist der Grund, Woche in Grönland verbracht zu haben! dass in meinem Keller vor allem Chasselas lagern. Wir brechen hier ab und Jean-Claude merwetter, das Datum und die Umstände Biver, der nicht einmal auf die Uhr geStehen Sie sich auch gelegentlich der Lese, der Oechsle-Grad der Trauben schaut hat, gibt sich völlig erstaunt: hinter den Herd? Aber sicher! Ich mache Raclette … und Fon- usw. In diesem Sinn ist der Wein ein Erin- Dieser Mann könnte stundenlang erzähdue, das ich mit 100% von dem Käse zube- nerungsträger. Er ruft uns die Arbeit der len. Nicht anbiedernd oder aus Eitelkeit, sondern grosszügig und aus geteiltem reite, der auf unserer Alp hergestellt wird Menschen und von Gott in Erinnerung. und von dem ich Jahr für Jahr weltweit fünf Degustiert man einen 1976, dann denkt Vergnügen. Seine Antworten begleitet Tonnen meinen Kunden und Freunden ver- man unmittelbar an ein sehr heisses Jahr, er mit Lachern und amüsiert sich über schenke. Für seine Herstellung greifen wir man erinnert sich an die damaligen Ereig- alles: die Situation, sich selbst, seine auf ein altes Rezept aus dem 12. Jahrhun- nisse, man lässt Geschichte aufleben. Wie Erinnerungen, wie das grosse Kind, das dert zurück: Die Milch wird auf 55° erwärmt die Zeitmesser erlaubt es der Wein, sich er in seinen Antworten erkennen lässt. und nicht entrahmt. Der Vorteil besteht zu erinnern. Zudem zeugt der Wein nie von Um ihn zu paraphrasieren: Wer ihm eine darin, dass der Rahm dem Fondue eine Ge- einem Zustand, sondern immer von einer Stunde zuhört, der schöpft Kraft für schmeidigkeit verleiht, die sonst nur durch Entwicklung. Die Degustation eines alten einen ganzen Tag!

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Depuis 1933

w w w. c i d i s . c h

Le savoir-faire au service de l’excellence


Porträts zweier Préfets Fotos: Edouard Curchod

Simon Vogel, ein Mann mit Charakter In dem Jahr geboren, als das Farbfernsehen seinen Durchbruch erlebte, ist unser neuer Conseiller Simon Vogel definitiv ein lustiger und ein bunter Vogel. Je nach Stimmung und Ort wird sein Name deutsch ausgesprochen oder dann französisch «Vogelle». Verheiratet ist er mit Josée, einer blonden Quebecerin mit singendem Akzent. Nach einer Ausbildung zum Faulpelz an der EPFL (Primarschule in ForelLauvaux) begann er eine Lehre in Stäfa (ZH), führte sie weiter in Bremgarten (AG), um sich mit den nordöstlichen Nebeln anzufreunden, und absolvierte ein drittes Jahr auf dem Familiengut La Croix-Duplex in Grandvaux. Von seinen Eltern Jean und Marlyse übernahm er zusammen mit seiner jüngeren Schwester Maude im 2012 das kleine Pa-

radies hoch über dem blauen Genfersee. Der Hitzkopf, aber Weinliebhaber aus familiärer Veranlagung, sucht bei der Perfektionierung seiner Weine echte Resultate. Regelmässig wurde er von Terravin für die meisten seiner guten Tropfen geehrt und verbuchte 2002 einen besten Chasselas, der an der Expo Vina sowie den Vinalies prämiert wurde. Die Auszeichnungen folgen sich bis zum vorläufigen Höhepunkt im 2010, wo er mit den Platin-Lorbeeren für seinen Chasselas 2009 ausgezeichnet wurde. Mit seinem ausgeprägten, aber nicht nachtragenden Charakter und seinem Hang zum genussvollen Leben ist unser Frühaufsteher auch ein Festbruder, der gerne Leben in das Caveau Corto oder die Auberge de la Gare in Grandvaux bringt, die er als sein zweites Heim betrachtet.

Der Segelfreund, Skifahrer und Weintester sitzt zudem seit rund zwanzig Jahren im Rat seiner Gemeinde. Die Conseils des Guillon können sich zu diesem Neuling in der Runde nur beglückwünschen. Claude Piubellini, Conseiller

Daniel Dufaux, ein wortreicher Weinkenner

Müsste man unseren neuen Conseiller Daniel Dufaux mit einem Wort definieren, so wäre das zweifellos «leidenschaftlich». Vor allem wenn sich alles um das Thema Wein - in welcher Form auch immer - dreht! Nach einer Lehre in einer Kellerei in Montreux drückte er in Changins nochmals die Schulbank und bildete sich wei-

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ter zum Ingenieur FH für Weinbau und Önologie. In Changins ist er heute noch als externer Lehrbeauftragter wie auch als Experte für die eidgenössisch anerkannten Abschlüsse tätig. Als erprobter Weinprüfer stellt er sein Talent bei fast allen Schweizer Wettbewerben und auch verschiedenen internationalen unter Beweis, oft auch als Jurymitglied. 2009 nahm der Önologe im Betrieb Badoux Vins S.A. in Aigle seine Arbeit auf und wurde drei Jahre später stellvertretender Direktor. Er präsidiert heute die Schweizer Önologen und wirkt als Generalsekretär des Internationalen Önologen-Verbands. Als exzellenter Weinkenner beherrscht er alle Geheimnisse und setzt sich für

eine Reduktion des menschlichen Einflusses auf die Reben und ihre Umgebung ein. Er ist überzeugt, dass man auf Zeit die Behandlungen - ausser in Ausnahmefällen oder bei zu starken Einflüssen auf die Produktion - aussetzen kann. Der Initiant des Clos de Chillon, dessen Fässer man im Bonivard-Keller bestaunen kann, überwacht mit eifriger Sorgfalt das Gedeihen seiner Weine. Weil sich bei ihm die Liebe für den Wein mit jener für die Küche vereint, kompensiert er seine gesellige Seite in den Rennschuhen, um sich in Form zu halten. Nachdem er 2014 in die Conseils der Confrérie du Guillon aufgenommen wurde, ist er ausersehen, die Reihe der Chantres und Clavendiers zu ergänzen. Claude Piubellini, Conseiller

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Die Kolumne von Michel Logoz

Weine mit Ursprungsbezeichnung oder Markenweine? Die Liberalisierung der Märkte hat die Weinwelt erschüttert. Gemächlich basierte unser Konsum auf althergebrachten Gewohnheiten und Kaufbeziehungen. Jetzt wird er mit Weinen von allen vier Ecken der Welt auf den Kopf gestellt! Weine für jeden Geschmack, für jedes Portemonnaie, zu Preisen mit einer Spannbreite von ein paar bis zu über hundert Franken. Mit diesem Zufluss konfrontiert kämpfen die traditionellen Produkte aus unseren Regionen und den europäischen Weinbergen an allen Fronten und müssen sich erneuern, um ihre Marktanteile zu erhalten und auszubauen. Sie müssen sich gegen neue und äussert liberale Klassierungen zur Wehr setzen, die sich über die bewährten Qualitätsnormen (AOC oder Premiers Crus) hinwegsetzen. Und das in einem Umfeld, wo die Medien, die sozialen Netze, die Kaufempfehlungen, Vergleichstests, Chronisten und Klassierungen jeder Art die Karten neu mischen und für ständige Bewegung sorgen, indem die Meister jeder Kategorie laufend neu klassiert werden. Schon seit geraumer Zeit haben dynamische Unternehmen wie etwa die Champagnerproduzenten eine wirksame Strategie gefunden: Eine Marke, in der Form eines Familiennamens oder einer Unterschrift als einziges Wiedererkennungszeichen. Auch bei uns profilieren sich zahlreiche Produzenten unter ihren sinnbildlichen Namen, um sich in die Reihe der Stars aufzuschwingen. Auch grosse Häuser werben mit Handelsmarken für ihre Produkte. Wird die Marke in Zukunft die Ursprungsbezeichnung übertrumpfen?

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