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BIOGRAFIE

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ICH TONI ROTH

ICH TONI ROTH

Antonia Gütermann kommt als Tochter eines Ehepaars von Kurzwarenhändlern im heutigen Proseč nad Nisou (Proschwitz an der Neiße) zur Welt. Ihr genaues Geburtsdatum ist unbekannt.

Sie lebt seit dem frühen Tod der Eltern bei ihren Großeltern. Im Zuge der Vertreibung Sudetendeutscher aus der Tschechoslowakei muss die Familie 1946 nach Deutschland umsiedeln.

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Nach Stationen in Sachsen und Franken erhält die Familie eine provisorische Unterkunft im Dorf Elmstein in der französischen Besatzungszone der Bundesrepublik. Bald darauf bezieht Antonia Gütermann mit Großeltern, Tante und Onkel ein Siedlungshaus im Ortsteil Schafhof. Hier im Pfälzerwald verbringt sie prägende Jahre, in denen sie erste künstlerische Versuche mit Fundstücken macht: sie sammelt Zweige, Federn, Zapfen und Schneckenhäuser im Wald sowie Scherben aus Glas, Keramik und Porzellan im Speyerbach. Sie vervollständigt das Unvollständige und bringt die rekonstruierten und veränderten Fundstücke zurück an ihre mit roter Wolle markierten Fundorte. Aus später gefundenen Briefen ist nachzuvollziehen, dass sie zu dieser Zeit auch ein Vertrauensverhältnis zu der Elmsteiner Kurzwaren­ und Textilhändlerin Hedwig Roth entwickelt.

Antonia Gütermann, die sich bereits Toni nennt, reist 1961 per Anhalter zum ersten Mal nach Paris. Sie lernt dort zahlreiche Künstler*innen kennen, darunter Niki de Saint Phalle, und nimmt selbst den Kunstnamen Toni Roth an. Inspiriert von de Saint Phalles Schießbildern (französisch: Tirs), die heute als bedeutende Werke der Aktionskunst gelten, versucht sich Toni Roth zurück in Elmstein an eigenen Farb­Experimenten mit Schüssen auf Leinwand. Es folgen mehrere Aufenthalte in Paris und die Eröffnung der kollektiven Galerie Réserve de Chasse (deutsch: Jagdrevier).

Die Spur von Toni Roth verliert sich an der Ostküste der USA.

Eine kleine Kiste mit Briefen und Fundstücken aus dem ehemaligen Elmsteiner Textil­ und Kurzwarenladen Roth taucht auf. Das Geschäft war bereits Anfang der 1980er Jahre aufgelöst worden, in etwa zur gleichen Zeit, zu der sich die Spur von Toni Roth verliert. In der Kiste befindliche Notizen, Briefe und Postkarten von Toni Roth richten sich an die Besitzerin Hedwig Roth und erzählen vom Leben und Wirken der Künstlerin in Frankreich und den USA.

Ausgehend von den Spuren beginnt die Recherche, wie das Leben und Werk von Toni Roth ausgesehen haben könnte. Elmsteiner Bürger*innen tragen gemeinsam mit deufert&plischke Fundstücke zusammen, erfinden Toni Roths Leben und vervollständigen ihr Werk. Entlang der Geschichte des Ortes und den Erinnerungen der Einwohner*innen werden sie selbst Toni Roth, Künstlerin aus und für Elmstein. So ist die Suche nach Toni Roths Leben in Elmstein auch eine Reise in die Vergangenheit des Ortes.

Im Oktober 2022 eröffnete die Ausstellung ICH TONI ROTH. Ausgewählte Arbeiten und der künstlerische Prozess standen im Mittelpunkt der Präsentation im protestantischen Pfarrhaus. Zwei in Elmstein entstandene Filme feierten Premiere: eine Dokumentation* über das Leben und Wirken von Toni Roth und der live vertonte Film „Rote Beine“** nach einem ihrer Gedichte. Ein performativer Rundgang führte am Eröffnungswochenende zu Orten, an denen sich das Leben von Toni Roth nachvollziehen ließ und lud gleichzeitig ein, ihre künstlerische Praxis selbst auszuprobieren. Die Ausstellung war bis Ende 2022 zu sehen und wird durch die vorliegende Dokumentation vervollständigt.

Die Mordkammer, ein Talkessel in Elmstein, in dessen Mauerresten Toni Roth Fundstücke und Vervollständigtes sowie klein gerollte Zeichnungen auf Papier versteckt.

Ein handgestrickter, roter Pullover ihrer Mutter begleitet die Künstlerin als Kleidungs­ und Erinnerungsstück.

Roter Pullover im ehemaligen Textilgeschäft Roth in der Elmsteiner Hauptstraße.

Ansichtskarte an Frau Roth von 1961

Ausstellung in der Galerie Réserve de Chasse, Wachsarbeiten von Elfriede Voss, Datum unbekannt

Letzter Brief von Toni an Hedwig Roth von 1982 (Ausschnitt)

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