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SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES

Baricitinib aus dem Rennen, dafür womöglich zwei neue Hoffnungsträger

Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) bleiben die Zulassungsstudien das große Problem, so scheiterten auch zwei Phase-III-Studien zu dem Januskinase (JAK)-Inhibitor Baricitinib, SLE-BRAVE-I und -II – beide recht gut „versteckt“ als Poster präsentiert. Da auch Baricitinib eigentlich gute Phase-II-Ergebnisse vorweisen konnte, bleibt die Skepsis gegenüber zwei neuen Therapiekandidaten doch recht groß. Recht aussichtsreich erscheint womöglich der als tsDMARD den JAK-Inhibitoren „verwandte“ Tyrosinkinase (TYK)-2-Inhibitor Deucravacitinib, der recht gute Phase-II-Daten lieferte. Nachdem bislang sämtliche BrutonTyrosinkinase (BTK)-Inhibitoren (nicht nur) bei SLE enttäuschten, war eine positive Phase-I/II-Studie zu Orelabrutinib durchaus eine Überraschung. Wenngleich auch nur für mehrfach therapierefraktäre, schwer kranke SLE-Patienten eine Option, scheinen sich die hoffnungsvollen Daten zur CAR-T-Zelltherapie zu bestätigen.

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Zunächst zu den von Eric F. Morand, Melbourne (Australien), und Kollegen als Poster präsentierten randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien SLE-BRAVE-I und SLE-BRAVE-II. In den beiden identisch designten Studien wurden Patienten mit Autoantikörper-positivem, aktiven SLE (im Mittel SLEDAI-2K 10,1) auf dem Boden einer stabilen Hintergrundtherapie (75 % Glukokortikoide [GK], >50 % Immunsuppressiva [IS]) im Verhältnis 1:1:1 für 52 Wochen auf Baricitinib 2 oder 4 mg oder Placebo randomisiert. In SLE-BRAVE-I wurden 760, in SLE-BRAVE-II 775 Patienten eingeschlossen, stratifiziert nach Baseline-Krankheitsaktivität, PrednisolonGebrauch (eine Reduktion auf <7,5 mg/Tag bis Woche 40 war zwar nicht zwingend, wurde aber angeraten) und geografischer Region (im Mittel 40 Jahre, >90 % Frauen, Krankheitsdauer 7-8 Jahre, 50 % mit einem SLEDAI-2K >10). Arthritische und kutane Beschwerden waren die am häufigsten betroffenen SLE-Domänen. Primärer Endpunkt beider Studien war der Anteil von Patienten, die in Woche 52 ein SLE Responder Index-4 (SRI-4)Ansprechen erreichten.

In SLE-BRAVE-I erreichten unter Baricitinib 4 mg (56,7 %), aber nicht Baricitinib 2 mg (49,8 %), signifikant mehr Patienten ein SRI-4-Ansprechen in Woche 52 als unter Placebo (45,9 %; p=0,016). Kein solcher Unterschied war hingegen in SLEBRAVE-II auszumachen (47,1 und 46,3 vs. 45,6 %). In keiner der beiden Studien wurden die wichtigsten sekundären Endpunkte wie das SRI-4-Ansprechen in Woche 24, ein Lupus Low Disease Activity State (LLDAS), eine GK-Reduktion oder die Zeit bis zum ersten schweren Schub (SFI) erreicht. In SLE-BRAVEI wurde unter Baricitinib 4 mg eine signifikante Verbesserung arthritischer und kutaner Domänen (sowohl im SLEDAI-2K als auch BILAG) verzeichnet, nicht aber in SLE-BRAVE-II.

Schwere unerwünschte Ereignisse (UE) wurden bei 7,1 und 8,6 % (Placebo), 9,4 und 13,4 % (2 mg) bzw. 10,3 und 11,2 % (4 mg) der Patienten dokumentiert; das Sicherheitsprofil war konsistent mit früheren Daten. Die Gründe für die nach der positiven Phase-II-Studie enttäuschenden Ergebnisse sind noch offen, weitergehende Analysen laufen noch. (1)

Positive Phase-II-Studie zu Deucravacitinib

Wiederum Eric F. Morand präsentierte stellvertretend für eine internationale Gruppe als Late-breaking Abstract die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie PAISLEY zu dem ebenfalls oralen, selektiven TYK-2-Inhibitor Deucravacitinib, der sich bereits bei Psoriasis und Psoriasis-Arthritis als effektiv erwiesen hatte. Die Rationale für die Studie war, dass TYK-2 in die Signalwege von Typ IInterferonen sowie Interleukin (IL)-23 und -12 eingreift, die eine wichtige Rolle in der SLE-Pathogenese spielen.

In die 48-wöchige Studie eingeschlossen wurden die SLICCKriterien erfüllende, seropositive (ANA/anti-dsDNA/anti-Sm) Patienten mit aktivem SLE (SLEDAI-2K ≥6 und ≥1 BILAG Index A oder >2 BILAG B-Manifestationen der arthritischen oder mukokutanen Domäne). Die 363 Patienten (im Mittel 40 Jahre, 92 % Frauen, 80 % auf GK, SLEDAI-2k 10,8) auf einer stabilen Hintergrundtherapie wurden im Verhältnis 1:1:1:1 auf Placebo oder Deucravacitinib (2x 3 mg/Tag [BID], 6 mg BID oder 1x 12 mg/Tag [QD]) randomisiert. Ein GK-Tapering auf 7,5 mg/Tag in den Wochen 8-20 war obligatorisch, ein weiteres von Woche 32-40 fakultativ. Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten mit einem SRI-4-Ansprechen in Woche 32, sekundäre Endpunkte in Woche 48 waren der SRI-4, BICLA, LLDAS, eine CLASI-Reduktion um ≥50 % (CLASI-50) und Reduktion von SJC/TJC um ≥50 % (JC-50).

Die komplette Studie schlossen 275 Patienten ab (76 %). Der primäre Endpunkt SRI-4 in Woche 32 wurde mit Deucravacitinib 3 und 6 mg BID, aber nicht 12 mg QD, signifikant im Vergleich zu Placebo erreicht (58,2, 49,5 und 44,9 % vs. 34,4 %; p=0,0006, p=0,021 bzw. p=0,078) (Abb.). Alle sekundären Endpunkte wurden signifikant erreicht oder klinisch relevant gebessert mit der auch in Woche 48 durchweg stärksten Effektivität der 3 mg BID-Dosis (so z. B. SRI-4 57,1 vs. 34,4 %; p=0,0011, BICLA 47,3 vs. 25,6 %; p=0,0012, LLDAS 36,3 vs. 13,3 %, p=0,0002, CLASI-50 69,6 vs. 16,7 %; p=0,0006, JC-50 68,3 vs. 45,3 %). Keine relevanten Unterschiede gab es im Hin-

blick auf alle und schwere UE, unter Deucravacitinib kam es zu ≥10 % zu Infektionen der oberen Atemwege, des Harntrakts, Nasopharyngitis und Kopfschmerzen. Somit zeigte sich bei guter Verträglichkeit eine bis dato beachtliche Wirksamkeit des TYK-2-Inhibitors, eine Weiterentwicklung in Phase-III dürfte gesichert sein. Offen bleibt aber, warum die niedrigste Dosierung am besten abschnitt. (2)

BTK-Inhibitor Orelabrutinib mit vielen Fragezeichen

Die Resultate einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-Ib/IIa-Dosisfindungsstudie zu dem hochselektiven BTK-Inhibitor Orelabrutinib (in China für B-Zell-Malignitäten zugelassen) stellten Zhanghuo Li, Peking (China), und Kollegen ebenfalls als Late-breaker vor. In die kleine 12-wöchige Studie eingeschlossen wurden 60 Patienten (55 schlossen sie ab; mittleres Alter 34 Jahre, 97 % Frauen) mit leichtem bis mäßigem, Autoantikörper-positivem SLE für ≥6 Monate gemäß den ACR-Kriterien (SLEDAI-2K ≥5). Diese wurden im Verhältnis 1:1:1:1 zusätzlich zu einer Standardtherapie (SoC) auf Placebo oder orales Orelabrutinib 1x50 mg, 80 mg oder 100 mg/ Tag randomisiert. UE traten (in aufsteigender Dosierung) bei 80, 93,3 und 100 % vs. 85,5 % (Placebo) der Patienten auf.

Bei allen (per Protokoll) auswertbaren Patienten betrug das SRI4-Ansprechen in Woche 12 50,0, 61,5 und 64,3 % unter Orelabrutinib 50, 80 und 100 mg/Tag gegenüber 35,7 % unter Placebo, noch größer waren die Differenzen bei Teilnehmern mit einem Baseline-SLEDAI-2K ≥8 mit 70, 70 und 66,7 vs. 30 % (man bedenke aber die sehr geringen Fallzahlen von ≤10 Patienten pro Gruppe). Im Trend zeigte sich unter dem BTK-Inhibitor eine Reduktion der Proteinurie, anti-dsDNA, Immunglobulin (Ig)G, B-Zellen und Komplement C4. Bei insgesamt guter Sicherheit und Verträglichkeit sind die Ergebnisse durchaus vorteilhaft, aber mit großen Fragezeichen zu versehen – ob diese Substanz auch in einer Studie mit größeren Fallzahlen überzeugen kann bleibt ebenso abzuwarten, wie, ob sie in Europa und den USA jemals verfügbar und ernsthaft geprüft wird. (3)

Update zur CAR-T-Zelltherapie und Lupusnephritis

Für viele Schlagzeilen hatte letztes Jahr die Präsentation eines Falls zum Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie bei einer schwer erkrankten therapierefraktären SLE-Patientin durch Georg Schett, Erlangen, und Kollegen gesorgt. Auf dem EULAR wurden inzwischen positive Daten zu 5 Patienten vorgelegt (Beobachtungsdauer 1-10 Monate). Die Machbarkeit des allerdings sehr teuren Verfahrens wurde eindrucksvoll bestätigt, eine rasche, anhaltende Entfernung von B-Zellen aus der Zirkulation, Verschwinden von anti-dsDNA-Antikörpern, Normalisierung der Komplementspiegel und Proteinurie nachgewiesen. In allen Fällen konnte bislang eine medikamentenfreie Remission etabliert werden. (4)

Interessant war auch die von Noemi Jourde-Chiche, Marseille (Frankreich), und Kollegen vorgestellte erste randomisierte, kontrollierte Studie WIN-Lupus zum Ausschleichen von IS bei proliferativer LN. Zwar wurde der Nachweis einer Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem Fortführen der IS-Therapie bei den 96 Patienten nach 2-3 Jahren verfehlt (höheres Risiko auch schwerer renaler/nicht-renaler Schübe), andererseits blieben gut 70 % der Teilnehmer ohne Schub. Was fehlt, sind genaue Anhaltspunkte, beim wem ein solches Tapering gefahrlos möglich ist. (5) m

100

SRI-4-Ansprechen (%) 80

60

40

20

0 p=0,0781 p=0,021 p=0,0006

58,2

34,4 Placebo Deucravacitinib 3 mg BID Deucravacitinib 6 mg BID Deucravacitinib 12 mg BID

49,5

44,9

n=90 n=58,2 n=49,5 n=44,9

Woche 32

Quellen:

1 Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 327-328 (Poster POS0190) 2 Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 209 (Abstr. LB0004) 3 Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 210 (Abstr. LB0005) 4 Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 185 (Abstr. OP0279) 5 Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 185-186 (Abstr. OP0280)

IDIOPATHISCHE ENTZÜNDLICHE MYOSITIDEN Abatacept nur in einigen Subgruppen effektiv

Bei idiopathischen entzündlichen Myopathien (IIM) sind die Therapieoptionen weiter stark limitiert. US-amerikanische und südkoreanische Rheumatologen um Rohit Aggarwal, Pittsburgh (USA), prüften nun die Effektivität und Sicherheit des T-Zell-Co-Stimulationsmodulators s.c. Abatacept in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III Studie bei Patienten mit aktiver IIM – mit eher mäßigen Gesamtergebnissen, aber Hinweisen auf eine Wirksamkeit in bestimmten Subgruppen.

In der 24-wöchigen Studie wurden 148 Patienten mit einer aktiven, therapierefraktären IIM (Manueller Muskeltest-8, MMT-8 ≤135) zusätzlich zu einer Standardtherapie (Glukokortikoide und/oder Immunsuppressiva) im Verhältnis 1:1 auf s.c. Abatacept (125 mg wöchentlich) oder Placebo randomisiert. Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten, die in Woche 24 das IMACS DOI-Kriterium (International Myositis Assessment and Clinical Studies definition of improvement) erfüllten. Veränderungen ab Baseline im Myositis Functional Index-2 (FI-2), HAQDI, Myositis Disease Activity Assessment Tool (MDAAT) und den Myositis Response Criteria (MRC) sowie die Sicherheit waren sekundäre Endpunkte. Die post hoc analysierten IIM-Subtypen waren Dermatomyositis (DM; 53,3 vs. 57,5 %), Polymyositis (PM; 25,3 vs. 34,2 %) und autoimmune nekrotisierende Myopathien (ANM; 21,3 vs. 8,2 %). Die mittleren MMT-8- und HAQ-DI-Scores zu Baseline betrugen 112,7 bzw. 1,5.

In Woche 24 betrugen die IMACS DOIRaten unter Abatacept und Placebo 56,0 vs. 42,5 % (adjustierte Odds ratio [OR] 1,8; p=0,083). Eine prä-spezifizierte IMACS DOI-Analyse zeigte keine Unterschiede für DM-Patienten, aber doch einen relevanten Nutzen von Abatacept bei Nicht-DM-Subtypen, PM und ANM (p=0,040). In den sekundären Endpunkten zeigte sich ein ähnliches Bild. Der Anteil von Patienten mit unerwünschten Ereignissen (UE) (69,3 vs. 75,3 %) und schweren UE (5,3 vs. 5,5 %) war in beiden Therapiearmen vergleichbar.

Im Ergebnis verfehlte somit Abatacept den primären und die sekundären Endpunkte, jedoch deuten Post-hoc-Analysen einen möglichen Vorteil bei PM- und ANM-Patienten an. Die Verträglichkeit von Abatacept war gut. m

Quelle: Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 711 (Poster POS0839)

Nächste Enttäuschung für Lenabasum in Phase-III-Studie

Der Cannabinoid-Rezeptor 2 (CB2)-Agonist Lenabasum wurde und wird in mehreren rheumatologischen Indikationen untersucht. Nachdem zunächst nach einer negativen Phase-III-Studie dessen Weiterentwicklung bei systemischer Sklerose gestoppt wurde, wiederholte sich dies – eine Meldung des Herstellers verkündete dies bereits im letzten Sommer - nun auch bei Dermatoyositis (DM). Dennoch seien die Ergebnisse der von einem internationalen Team um Victoria Werth, Philadelphia (USA), präsentierten randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie DETERMINE, die vorzeitig beendet wurde, hier kurz dargelegt.

In DETERMINE eingeschlossen wurden 175 DM-Patienten (im Mittel 52 Jahre, 81 % Frauen) mit aktiver Haut- mit/ohne Muskelbeteiligung. Auf dem Boden einer stabilen Basistherapie (>40 % Glukokortikoide, >50 % andere Immunsuppressiva, je <10 % Immunglobuline oder monoklonale Antikörper) wurden diese im Verhältnis 2:1:2 auf Lenabasum 2x 20 mg/Tag (BID), Lenabasum 5 mg BID oder Placebo für 52 Wochen randomisiert (Abstand der Visiten ≤8 Wochen). Primärer Endpunkt war der ACR/EULAR Total Improvement Score (TIS) in Woche 28, als sekundärer Endpunkt wurde dieser in Woche 52 erhoben (Lenabasum 20 mg vs. Placebo). Nachdem alle Patienten Woche 28 absolviert hatten, wurde die Studie gestoppt (für 103 lagen 52-Wochen-Daten vor).

Der primäre Endpunkt wurde mit einem TIS von 28,3 (Lenabasum 20 mg BID) vs. 27,2 (Placebo) klar verfehlt (p=0,3311), in Woche 52 betrug er 40,6 vs. 34,8 (p=0,2290). Bei separater Analyse von Patienten mit stärkerer Muskelbeteiligung zu Baseline (MMT-8 <142) waren die Unterschiede im TIS größer und waren nominal signifikant in Woche 40 (p=0,0172). Auch die mittlere Verbesserung der Haut (CDASI-Score) war in Woche 28 und 52 unter Lenabasum 20 mg BID nur numerisch besser (-7,1 vs. -5,8 Punkte; p=0,2775, bzw. -10,0 vs. -6,2 Punkte; p=0,0932). Beim CDASI war bei Patienten ohne Muskelschwäche (MMT8 =150) nominal ein signifikanter Vorteil von Lenabasum 20 mg BID in Woche 28 (p=0,0461) und 52 (p= 0,0059) gegeben. Trotz guter Sicherheit und Verträglichkeit wurden somit die relevanten Effektivitäts-Endpunkte verpasst, daran ändern auch einige positive Subgruppenanalysen nichts. m

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