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Väterkram: Farben haben kein Geschlecht

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Farben haben kein Geschlecht

Raus aus der Rosa-Hellblau-Falle!

Falls wir uns einmal persönlich begegnen sollten, fällt Ihnen womöglich auf, dass ich an diesem Tag Nagellack trage. Auch wenn Sie das verwundern mag, sind die Gründe dafür ziemlich schnell erklärt. Zum einen mag ich Farben. Und da Männer in unserer Gesellschaft nicht gerade darin bestärkt werden, bunt und leuchtend aufzutreten, kompensiere ich das über Kleinigkeiten. Ich bin also der, der auf einer Party oder Preisverleihung knallrote Schuhe oder einen lackierten Fingernagel trägt. Angesichts der Tatsache, dass ich mich wie alle anderen Männer zu solchen Anlässen oft genug in den gleichen Männernichtfarben uniformiere (schwarz, grau, beige, braun), könnte man meinen, das würde nicht weiter auffallen. Tatsächlich werde ich angesprochen als hätte ich ein Bad in glitzerndem Feenstaub genommen und mir die Haare grün gefärbt. Allein das lohnt schon den Farbklecks. Zum anderen mache ich mit. Das mag jetzt vielleicht harmlos klingen, kann aber für ziemlich viel Tulmult sorgen, wenn man es konsequent durchzieht. Wenn meine jüngste Tochter sich von ihrer Schwester die Nägel lackieren lässt und mich fragt, ob ich nicht auch will, sag ich ja. Und wenn mein 4-jähriger Sohn mit pinken Haarspangen zu seiner „Kindergartenarbeit“ geht und mich auch ausstatten will, gehe ich auch entsprechend aufgehübscht in meine Arbeit. Das ist schon insofern kein Problem, als dass ein Teil meines Arbeitslebens darin besteht, für einen Verein tätig zu sein, der sich genau das auf die Fahnen geschrieben hat: Vielfalt für alle. Farben haben kein Geschlecht. Das ist ein Märchen, das uns erzählt wird – und es ist nicht einmal besonders alt. Wenn Sie mal die Gelegenheit haben, mit ihren Kindern, die alte Disneyversion von Peter Pan zu sehen, werden Sie feststellen können, dass Wendy ein hellblaues Kleid trägt, während ihr kleiner Bruder Michael in einem rosa Pyjama ins Nimmerland fliegt. In den neueren Zeichentrickadaptionen ist es genau umgekehrt. Denn während Rosa früher als das kleine Purpur für königliche Männlichkeit stand und Hellblau als die Farbe der Jungfrau Maria galt, hat sich die Bedeutung der Farbpalette vor einigen Jahrzehnten in das gedreht, was wir heute als alltäglich, ja natürlich wahrnehmen: Rosa für Mädchen, hellblau für Jungen. Sie werden das so gut kennen wie ich: Wenn man einen Spielzeug- oder einen Klamottenladen betritt, ist die Einstiegsfrage immer dieselbe. Nicht wie hoch das Budget ist. Noch nicht einmal die nach dem Alter. Die Frage aller Fragen lautet immer: Junge oder Mädchen? Und sobald man die beantwortet hat, wird man mit sanfter Gewalt in die eine oder andere Ecke geschoben, wo es die entsprechenden Artikel zu erwerben gibt. Irgendwas Süßes, Niedliches, Verzierendes, Hihi für Mädchen. Irgendwas Krachbumm, Abenteuer, Action, Yeah für Jungen. Damit wir uns nicht missverstehen: Es spricht überhaupt nichts dagegen, wenn Mädchen sich schminken und verschönern wollen und Jungen Bock auf Fußball, Krach und Dreck haben. Aber es spricht etwas dagegen, sie dazu aufzufordern, gefälligst so zu sein. Unsere eigenen Annahmen über Geschlechtereigenschaften zu bestätigen, damit wir sie als Jungen und Mädchen akzeptieren. Und wehe, wenn nicht. Das gilt ganz besonders für Jungen, die sich in den Augen ihres Umfelds „ohne Not verweiblichen“, weil sie Röcke tragen, auf Disneyprinzessinnen stehen und sich für Ponys und Einhörner begeistern. Sie werden als schwach bezeichnet, als weich, mädchenhaft oder sogar schwul. So als wären Mädchen nicht etwas ganz und gar Großartiges. So als wäre irgendetwas falsch daran, das eigene Geschlecht zu lieben und zu begehren. So als könnten derlei Farbvorlieben wirklich Aufschluss darüber geben, für wen wir uns begeistern. Nichts davon ist wahr. Farben haben kein Geschlecht und an Jungen, die mit Puppen spielen, ist nichts, aber auch gar nichts falsch. Genauso wenig wie an Mädchen, die Boxweltmeisterin werden wollen. Vielfalt ist Schönheit! Darauf gebe ich Ihnen die fingernagellackierte Hand.

Nils Pickert ist vierfacher Vater, Journalist und Feminist. Jeden Monat lässt er uns an seiner Gedankenwelt teilhaben.

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