Rundbrief 1-2000

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ISSN 0940-8665 36. JAHRG./JULI 2000, DM 7,50

BÜRGER GESELLSCHAFT SOZIALSTAA SOZIALST AATT SOZIALSTAAT

RUNDBRIEF 12000

UND

ZIVILGESELLSCHAFT GESTALTEN EINE FACHTAGUNG Z U G E G E N W A R T SUND ZUKUNFTSFRAGEN DES GEMEINWESENS

14. BIS 16. NOV. 1999

DOKUMENTATION U N T E R S T Ü T Z T D U R C H

R O B E RT B O S C H S T I F T U N G P A R I T Ä T I S C H E A K A D E M I E B E R L I N

PARITÄTISCHES BILDUNGSWERK BUNDESVERBAND

V E R B A N D F Ü R S O Z I A L - K U LT U R E L L E A R B E I T E . V. / B U N D E S V E R B A N D


INHALTSVERZEICHNIS Vorwort – Dietmar Freier,Berlin

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Einführung – Herbert Scherer,Berlin

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PRAXIS-ORIENTIERTE WORKSHOPS Wer will hier was und warum? Quartiersmanagement und GWA Planung und Gestaltung des sozialen Raumes von oben und/oder von unten? mit Heinz Altena,Duisburg

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Wer hat hier den Hut auf? Wie viel innere Demokratie brauchen sozial-kulturelle Einrichtungen, wie viel Bürgerbeteiligung brauchen die Stadtteile? Formelle und informelle Mitwirkung,Erfahrungen mit Mitbestimmungsgremien,Stadtteilkonferenzen und charismatischen Persönlichkeiten mit Herbert Scherer,Berlin und Monika Schneider,Köln

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Wer hilft hier wem und warum? Die Nutzung von Arbeitsförderungsprogrammen in der sozial-kulturellen Arbeit,Probleme und Lösungen mit Stephan Wagner,Berlin

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Was wollen die Kunden? Zur Qualität bürgernaher sozialer Dienstleistungen.Standards freigemeinnütziger bürger- und kieznaher Dienste in Abgrenzung zu obrigkeitlich organisierten staatlichen Leistungen auf der einen und gewerblich-kommerziellen Angeboten auf der anderen Seite mit Georg Zinner,Berlin

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Wer hat Spaß daran? Zum Lustprinzip in der sozial-kulturellen Arbeit.Freiheit,Freizeit,Fun – ohne Spaß kein Engagement mit Ralf Jonas,Bremen

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REFERATE Zwischen individuellen Almosen und sozialstaatlichem Rechtsanspruch Gemeinwesenarbeit als Auslaufmodell und Alternative C.Wolfgang Müller,Berlin

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Das soziale Gemeinwesen der Zukunft Andreas Brandhorst,Bonn – Berlin

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WORKSHOPS Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Lokale Ökonomie und GWA mit Hans-Georg Rennert,Berlin und Achim Richter,Leipzig

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Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement: Zum Selbstverständnis freiwillig Tätiger mit Reinhard Liebig,Dortmund

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Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement: Zum Selbstverständnis sozial-kultureller Einrichtungen Zwischenbilanz des Projektes ProBE – ein Projekt zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements in sozial-kulturellen Einrichtungen mit Eva-Maria Antz,Köln

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Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage: Überlegungen zu einer neuen Aufgaben- und Gewaltenteilung mit David Kramer,Berlin

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Bürgerengagement und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen bzw.Stadtteilebene mit Hannes Wezel,Nürtingen und Werner Matthes,Gerlingen

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Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung – mit dem Bürgerhaushalt zur Bürgerkommune? mit Hartmut Gustmann,Köln

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DER GROSSE RATSCHLAG

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Anhang: Literatur / Teilnehmerinnen und Teilnehmer / Impressum

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Bürgergesellschaft und Sozialstaat – Zivilgesellschaft gestalten Vorwort zur Dokumentation

Dietmar Freier,Verband für sozial-kulturelle Arbeit, Landesgruppe Berlin e.V.

Ein Vorwort zur Dokumentation dieser Tagung zu schreiben, ist nicht einfach. Zu vielfältig sind die Themen, zu reichhaltig die in den Diskussionsbeiträgen aufgeworfenen Probleme und die angebotenen Wege zur Lösung,als dass sie sich irgendwie zusammenfassen ließen.Die Themen sind mitten in der Gesellschaft angesiedelt – und die ist nun mal vielschichtig und kompliziert! – Ich war an der Vorbereitung dieser Tagung beteiligt,konnte dann aber krankheitshalber nicht dabei sein und wie geplant den Workshop über Beteiligung der Bürger moderieren. Umso interessierter las ich den Tagungsbericht;dabei kamen mir manche Fragen in den Sinn – unsystematisch, bruchstückhaft,einige von vielen: Die Rolle der Ehrenamtlichen in der nachbarschaftlichen Arbeit wie in der Sozialarbeit überhaupt wird offenbar nach wie vor undeutlich und unterschiedlich gesehen, sowohl im Verhältnis zu den Hauptamtlichen als auch sozialpolitisch in Bezug auf die Nutzung dieses Potenzials oder auf mögliche Substitutionseffekte.Wenn das allgemein so empfunden wird, so muss über diese zentrale Frage verstärkt gesprochen werden. Ähnlich die Rolle der Sozialarbeiter:Sind sie es,die sagen wo es langgeht, setzen sie die Standards oder haben sie im Verhältnis zum Bürger mehr ausführende, helfende Funktionen? Eine alte Diskussion! Und wichtig: Können Sozialarbeiter mit Bürgerengagement umgehen? Können sie es nutzen und fördern? Die Frage »wer nützt wem?«,die man bisher hauptsächlich in der ehrenamtlichen Arbeit gestellt hat,wird heute

Vorwort

offenbar auf ABM und ähnliche Formen übertragen. Die Entschädigung für Ehrenamtliche sieht man heute wohl pragmatischer als früher. Verglichen mit solchen Tagungen vor einigen Jahren war offenbar verhältnismäßig wenig die Rede von Selbsthilfe.Gilt sie heute als eine selbstverständliche Form von lebendigem, alltäglichem Bürgerengagement, oft ohne Sozialarbeiter? Erwartungsgmäß ist die Einstellung zum Quartiersmanagement speziell zu der Berliner Variante unterschiedlich: Ist das eine Fortentwicklung der Nachbarschaftsarbeit oder gleichsam eine mehr modernistische,eines konkreten Inhalts, des ursprüglichen Bürgerengagements, entkleidete Form, in der die Bürger mehr zum Objekt werden? Sind die Ansätze der »lokalen Ökonomie« im Rahmen der Nachbarschaftsarbeit wirklich wert verfolgt zu werden? Kann da mehr herauskommen als ABM und die Nutzung anderer Fördertöpfe als Dauerzustand? Dazu:Soll man den Ansatz Genossenschaft,z.B.Stadtteilgenossenschaft,in der Nachbarschaftsarbeit aufgreifen? Die Idee wird immer wieder mal in die Diskusion gebracht und hat ja auch zwischen Markt und Gemeinnützigkeit einiges für sich. Selbstverständlich kam man auch bei dieser Tagung auf die Frage zurück:Wie erreicht man die Bürger? Das ist eine zentrale Frage beim Bürgerengagement und bei jeder Art von Nachbarschaftsarbeit. Die Diskussion darüber darf nicht enden! Offen bleibt für mich eine Frage,die das Wesen der nachbarschaftlichen Arbeit betrifft und die Auswirkungen auf viele praktische Fragen hat.Wer ist in der nachbarschaftlichen Arbeit zuerst da: die ehrenamtlich engagierten Bürger und Bürgerinnen oder die professionellen Hauptamtlichen? Haben erstere zuerst gesagt: Wir haben die und die Bedürfnisse und wollen sie so und so lösen – helft uns dabei! Oder haben Hauptamtliche gesagt:Wir sind hier für euch da und wollen an den Problemen und den Möglichkeiten, die ihr hier in dieser Nachbarschaft seht, mit euch arbeiten! Heißt »Sozialstaat«, dass der Staat ein mehr oder weniger von ihm vorgegebenes Projekt mit Hilfe von Bürgern realisiert, oder heißt es, dass der Staat bzw. die Kommune ihre Ressourcen den Bürgern und Bürgerinnen zur Verfügung stellt und diese Zweck und Wege bestimmen? Oder kann beides gelten? Wer trägt für die Arbeit und für die Geldverwendung die Veranwortung? Sind die Professionellen in dieser Arbeit Nachbarn oder stehen sie den Bewohnern der Nachbarschaft gegenüber? Sollen sie mit zum Vereinsvorstand gehören oder ist diese Funktion den ehrenamtlich engagierten Nachbarn vorbehalten? Was ist die wahre Nach-

barschaftsarbeit,gewissermaßen die Urform,welches ist das künstliche,aufgesetzte Modell? Vielleicht wären diese Grundsatzfragen mit vielen sehr praktischen Wirkungen wert,Thema einer eigenen Fachtagung zu werden. Für eine Gesamtbetrachtung der Tagung fällt auf,dass die Diskussionsbeiträge vor allem in den Workshops die praktischen Erfahrungen der Teilnehmer aus den Einrichtungen widerspiegeln, die dort erlebten Probleme, Erfordernisse,Möglichkeiten,Enttäuschungen,Erfolge.Das macht die besondere Bedeutung der Tagung aus! Die Referate und die Beiträge der Experten vor allem in der Schlussdiskussion haben auch ihren Platz und sie sind natürlich systematisch aufbereitet, aber es ist ihnen anzumerken, dass sie nicht aus der täglichen Praxis kommen. Sie bringen die Rezepte, die aber oft nicht zu den Problemen aus den Diskussionsbeiträgen passen. Das gilt besonders für die berichteten Untersuchungen. Meist bleibt offen, ob sie auch die Meinungen der Forscher widerspiegeln bzw.deren praktische Erfahrungen. Sie treffen vielfach nicht die diskutierten Probleme.Man kann im sozialen Bereich empirisch nur erfassen, was man zuvor definiert hat, und das geht oft an den praktischen Problemen vorbei. Nirgendwo bei der Tagung ist z.B.Ehrenamt oder bürgerschaftliches Engagement definiert worden, obwohl es in den Diskussionen eine herausragende Rolle spielte und über das Potenzial spekuliert wurde. Jedoch ein anderer Einwand ist mir noch wichtiger: Empirische Untersuchungsergebnisse stellen oft Durchschnitte bzw. die vorherrschenden Meinungen dar.Aber z.B.beim bürgerschaftlichen Engagement sind oft die Minderheiten wichtiger, und die gehen in der Gesamtschau oft verloren.Gerade hier können die Möglichkeiten der Zukunft liegen, wenn man nach Wegen sucht,wie man engagierte Menschen erreichen kann.Nur als historisches Beispiel:Ich weiß nicht,ob man auch mit heutigen Methoden die Jugendbewegten zu Beginn des 20.Jahrhunderts »erfasst« hätte. Entsprechend der gesellschaftlichen Bedeutung der Themenstellung kann es keine universellen Antworten auf die diskutierten Probleme und Fragen geben.Die Gegenstände,mit denen die Tagung sich beschäftigt hat,sind in ständigem Fluss - in unterschiedlichen Stärken und oft in verschiedene Richtungen.Sie stellen sich in jeder Umgebung anders. Es kann für unsere Nachbarschaftsarbeit auch kein festes allgemeines Ziel und keine Vollendung geben. Unsere Aufgabe muss darin bestehen, mit den Menschen die jeweiligen für Ort und Zeit passenden Antworten zu finden.Das ist eine schwierige,immerwährende Aufgabe.Und dabei hilft das Lesen des Berichts!


EINFÜHRUNG

Herbert Scherer (Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.) Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde, ich freue mich zu Beginn dieser Tagung sprechen zu können, die den anspruchsvollen Titel hat »Bürgergesellschaft und Sozialstaat«.Ich möchte gleich zugeben,dass die Vorbereitung dieses Themas eine schwere Geburt war. Wir sind mindestens seit drei Jahren mit der Idee schwanger gegangen, um uns schließlich einer Fragestellung zu nähern, mit der sich Praktiker der sozialen Arbeit,die Verantwortlichen in sozial-kulturellen Einrichtungen, unbedingt beschäftigen sollten. Am Anfang stand die Idee, die Kommunitarismus-Debatte nach Deutschland zu holen.Das war dann nicht mehr nötig,sie war bereits in aller Munde,bevor wir uns ausführlich damit beschäftigt hatten. Die Debatte wurde, das ist mein Eindruck, als Strohfeuer entfacht, schnell wieder in die vorbereiteten Schubladen gepackt.Und dann war sie auf theoretischer Ebene schon wieder vorbei.Wir haben uns deswegen lieber den praktischen Fragen zugewandt und das Projekt »ProBE - Pro bürgerschaftliches Engagement« konzipiert und umgesetzt. Wir haben einerseits ohne zermürbende Diskussionen einfach vorausgesetzt, dass die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements eine zentrale Aufgabe zumindest des von uns vertretenen Sektors der sozialen Landschaft sein müsse. Andererseits steckt hinter der Inszenierung der Hauptaufgabe als Projekt, als Experiment, die ehrliche Selbsteinschätzung,dass unsere Einrichtungen,die Nachbarschaftsheime, Bürgerhäuser, große Anstrengungen unternehmen müssen,um sich diese ihre eigentliche Grundlage neu zu erarbeiten. Mich hat das an eine Erfahrung aus einem Jugendverband erinnert,der in den achtziger Jahren den Aufbau von ehrenamtlichen Verbandsstrukturen in Angriff genommen hatte. Also den Aufbau eines Jugendverbandes vom Bundesministerium als Handlungsforschungsprojekt bewilligt bekam.Weil es trotz aller permanent behaupteten Realität dieser Strukturen,aus denen die Verbände ihre Legitimation in der JugendhilfeLandschaft des KJHG beziehen,allen Eingeweihten glücklicherweise klar war, dass es einiger Wiederbelebungsanstrengungen bedürfe, um die neuerdings wieder gewünschte entsprechende Realität zu schaffen. Aber woher die Bauchschmerzen bei diesem Thema? Ich will wieder mit einem Ausflug in eine andere Erfahrung beginnen,aus der ich eine Analogie ableiten möchte.In den siebziger Jahren war ich mit einem Kader eines der stramm organisierten maoistischen Kaderzirkel befreundet. Dieser junge Genosse bekam mit seiner Organisation ganz seltsame Schwierigkeiten, weil er einen vorwärts gerichteten Vorschlag gemacht hatte, der von der Organisation mit Entschiedenheit abgelehnt wurde. Später wurde dieser junge Mann aus der Organisation ausgeschlossen, die sich in der Zwischenzeit um hundertachtzig Grad gewendet hatte und nunmehr in die Richtung ging,die der junge Genosse vorgeschlagen hatte.Die Begründung für den Ausschluss lautete:Da du damals deine Gedanken nicht in ausreichend begründeter Form vorgetragen hast,hast du uns dazu gebracht,dir ve-

hement zu widersprechen. Damit hast du uns objektiv daran gehindert, den einzig richtigen Weg zu gehen.Du bist schuld daran, dass wir weiter den falschen Kurs verfolgt haben. Die Nutzanwendung: Viele Begriffe und Gedanken werden in der öffentlichen Debatte von Menschen vertreten,mit denen wir nicht unbedingt in einem Boot sitzen wollen.Wir wittern Unrat,versuchen Gegenpositionen auch da zu beziehen,wo in diesem Gedanken mehr Substanz steckt als wir wahrhaben wollen.

und Selbsthilfe verschreibt, wer die freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeit für richtig hält, ist nicht gleich ein Steigbügelhalter des Konservatismus und des Sozialabbaus.Vor allem ist er nicht gleich ein heimlicher oder offener Sympathisant einer der großen oder kleinen politischen Parteien.Wir sehen,und das hat das Jahr nach dem Regierungswechsel gezeigt, in allen relevanten Parteien Anknüpfungspunkte und Positionen oder Strömungen, mit denen wir schwerlich übereinstimmen können.

Sicher ist Skepsis angebracht.Sicher stecken hinter mancher Propagandaoffensive für das Ehrenamt und für die freiwillige soziale Tätigkeit unlautere Gedanken oder Gesellschaftsvorstellungen, mit denen wir mit Recht nicht übereinstimmen wollen.Insbesondere die Verknüpfung dieser Ideen mit drastischen Sparmaßnahmen bei den öffentlichen Haushalten ist angetan,den Verdacht zu bestätigen, dass einige der Propagandisten mehr am Abbau als am Umbau des Sozialstaates interessiert sind. Und das hat uns ja schon der Trojanische Krieg gelehrt:Es kann sehr gefährlich sein die Mauern zu öffnen und ein

Betrachten wir das einmal aus der Vogelperspektive - und deswegen sicher ungerecht, an der einen oder anderen Stelle.In der CDU,die ja neuerdings zuweilen verdächtigt wird, sozialdemokratischer als die Sozialdemokraten zu sein, finden wir Positionen, die aus sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen das gute alte Subsidiaritätsprinzip ernst nehmen und den Bürgern deswegen mehr Verantwortung zurückgeben wollen, weil der Staat sich nicht in alles einmischen müsse.Und insbesondere nicht in die Angelegenheiten,die von den kleineren Einheiten, wie Familien und freiwilligen Vereinigungen, zufriedenstellend selbst geregelt werden können.Auf der anderen Seite gibt es in dieser Partei Tendenzen, einer Privatisierung sozialer Absicherung das Wort zu reden,die sich die schlechter Verdienenden in unserer Gesellschaft nicht leisten können und die Menschen ins Abseits drängt,die auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. Es gibt Bereiche, in denen staatliche Leistungen durch ehren-

Pferd hereinzulassen, in dessen Bauch sich die gegnerischen Krieger verbergen.Schotten dicht - eine verständliche Antwort auf gefährliche Gedanken.Wir haben gezögert. Wir wollten nicht von den eigenen Leuten verdächtigt werden,mit denen unter einer Decke zu stecken, die, so schien es, uns und den Leuten, mit denen und für die wir unsere Arbeit tun, das Leben und Überleben schwer machten. Glücklicherweise hat sich inzwischen die Lage etwas entspannt. Das hat vor allem mit dem Regierungswechsel in Bonn zu tun.Die Fronten sind nicht mehr so verhärtet.Wir sehen klarer und ich hoffe,dass das auch für unsere Mitstreiter gilt.Wer für mehr Beteiligung der Menschen an der Gestaltung ihrer Lebensumstände eintritt, wer sich der Förderung von Bürgerengagement

amtliches Engagement nicht zu ersetzen sind.Das Soziale kann,um es mit dem Grips-Theater Stück »Linie 1« zu sagen, nicht den Wilmersdorfer Witwen überlassen werden.Meines Erachtens fehlt auf konservativer Seite,wenn auf Bürgerengagement verwiesen wird,im übrigen auch die Sympathie für Aufmüpfigkeit, Ungehorsam und Widerständigkeit, die notwendige Bestandteile von Engagement,Zivilcourage und Eigeninitiative sind. Gehen wir weiter. Bei den Liberalen gibt es ja schon immer zwei Traditionen, die miteinander im Streit liegen und auch in diesen Fragen deutlich werden.Die nationalliberale Strömung,die recht einseitig ihren Schwerpunkt bei der Unterstützung der wirtschaftlich Stärkeren und deren Abwehr sozialstaatlicher Reglementierungen Einführung


sieht;und die freiheitlich-linksliberale Strömung,die die bürgerrechtlichen Freiheitswerte betont und von daher viel ehrliche Sympathie für die Eigeninitiative von Bürgern hat. Die soziale Verantwortung, die kein Gegensatz von bürgerlicher Freiheit sein muss, ist bei beiden Strömungen leider eher unterbelichtet. Und der sozial-liberale Flügel der Freien Demokraten ist derzeit ziemlich schwach vertreten. Machen wir einen großen Sprung zur PDS. Sie profiliert sich programmatisch als Partei des sozialen Gewissens und als Wachposten zur Verhinderung des Sozialabbaus. Aus der Oppositionsrolle heraus können die entsprechenden Positionen bezogen werden, ohne Haushaltszwänge und die damit einhergehenden Prioritäten selber berücksichtigen zu müssen.Insofern ist eine gewisse Vorsicht angebracht, wenn von dieser Seite z.B. für die Arbeit der freien Träger im Sozialbereich eine bessere Absicherung gefordert wird.Wenn es denn einmal richtig zur Sache geht,wie in Mecklenburg-Vorpommern,wo die PDS bekanntlich an der Regierung beteiligt ist,scheinen sich sogleich wieder Vorstellungen in den Vordergrund zu drängen,die dem öffentlichen Sektor einen eindeutigen Vorrang vor dem frei-gemeinnützigen Bereich geben und Sozialabbau am besten dadurch verhindert sehen, dass den Interessen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten nicht zu nahe getreten wird. Hier in Berlin kann jedoch festgestellt werden, dass das gründlichste Interesse an unserer Arbeit aus den politischen Lagern der Oppositionsparteien kommt.Das gilt für die PDS wie auch für die Grünen.Die Grünen scheinen auf den ersten Blick unser natürlicher Bündnispartner, verdanken sie doch in West und Ost ihre wesentlichen Gründungsimpulse den Bürgerinitiativen, in denen sich Menschen seit den siebziger Jahren zusammengefunden haben, die sich nicht mehr damit zufrieden geben wollten, dass »die da oben« schon alles richten werden. Bei näherem Hinsehen stellt sich aber auch bei dieser Partei die Lage eher widersprüchlich dar.Vielleicht sind zu viele Initiativbewegte von einstmals inzwischen in die Jahre gekommen und im öffentlichen Dienst gelandet.Jedenfalls hat inzwischen die Vorstellung vom Vorrang des öffentlichen Bereichs gegenüber den frei-gemeinnützigen Dienstleistungen bei den Grünen zumindest eine starke soziale Basis. Das wirkt sich verständlicherweise auf das Handeln vor Ort,in Bezirksparlamenten und Jugendhilfeausschüssen aus,auch wenn die Programmatik auf der höheren Ebene nicht so eindeutig ist. Aber auch auf Bundesebene sollte man mal hingucken. Dort scheinen die Grünen den massiven Versuchen der Sozialdemokraten, Grauzonen und Schlupflöcher zwischen Standarderwerbstätigkeit und totaler Abhängigkeit von Unterstützungssystemen zu schließen, nichts entgegenzusetzen. Ich erinnere an die Gesetzgebung zum 630-Mark-Modell und zur Scheinselbständigkeit. Jetzt noch zu den Sozialdemokraten.Die Sozialdemokraten scheinen sich noch nicht entschieden zu haben,bzw. ich sage einfach: sie haben sich noch nicht entschieden. Die Bandbreite ihres Profils vor den Bundestagswahlen reichte ja vom Beinahe-Neoliberalismus bis zum FastStaatssozialismus.Es ist folgerichtig,dass ein Großteil der damit geweckten widersprüchlichen Erwartungen an die Einführung

neue Bundesregierung bei der praktischen Umsetzung enttäuscht werden musste, was sich jetzt erst einmal in dramatischen Einbrüchen bei der Wählergunst niederschlägt. Die Partei wird die Aufgabe noch bewältigen müssen einen Kurs zu bestimmen, der die richtige Balance findet zwischen der sozialen Absicherung, die mit dem Sozialstaat alter Prägung verbunden war und der Einbeziehung bürgerschaftlicher Eigenverantwortung, die nicht nur wegen Staatsverschuldung und leerer öffentlicher Kassen, sondern auch im Sinne einer lebendigen Demokratie notwendig ist. Also, wir können beruhigt sein: Mit unserem Beitrag zur Debatte sind wir bestimmt nicht die Hilfstruppe einer der politischen Parteien.Wir werden auch nicht »everybodys darling« sein. Aber ich denke, wir stehen auch nicht auf verlorenem Posten.Anknüpfungspunkte sind überall vorhanden.Was wir für unsere Kursbestimmung brauchen, ist eine offene Debatte in unseren Einrichtungen und,etwas pathetisch gesprochen,in unserem Land.Wir sollten uns nicht scheuen dabei nach vorne zu gehen,auch wenn wir dabei manchmal das Gefühl haben uns in ein Minenfeld zu begeben.Ich bin mir ziemlich sicher,dass die meisten Tretminen,auf die wir dabei zu geraten fürchten,sich in der Realität nur als große Fettnäpfchen entpuppen werden. Die sollten wir nicht vermeiden wollen. Insbesondere nicht auf so einer Tagung wie dieser.Wir sollten hier vor offenen Fragen keine Angst haben und auch keine Angst davor haben,Blößen zu zeigen.Wir sollten vielmehr die Chance nutzen,dass wir keine Politiker sind,die ja in gewisser Hinsicht arm dran sind. Sie dürfen keine Gedanken öffentlich äußern ohne gleich an der falschen Stelle zitiert zu werden,weswegen sich viele lieber gleich einem Denkverbot unterwerfen. Die mangelnde Bereitschaft zur ehrlichen öffentlichen Debatte trägt dann aber gerade zu der Politikverdrossenheit bei,die in der Folge die Politiker beklagen.Wenn diese Politiker nur noch als gestylte Charaktermasken auftreten, die sich ihre Redetexte von Werbeagenturen schreiben lassen, die vorher sorgfältig haben erforschen lassen, wie viele Prozentpunkte in der Wählergunst dieser oder jener Adressatengruppe diese oder jene Äußerung bringen wird,ist schließlich,und das ist fatal,etwas ganz Wesentliches dahin, nämlich die Glaubwürdigkeit. Wir haben gerade ein paar spannende Tage erlebt, eine internationale Tagung des Internationalen Verbandes der Nachbarschaftsheime hier in Berlin. Und eine Kollegin aus Litauen hat das sehr schön dialektisch formuliert.Sie hat darauf hingewiesen,dass es manchmal nicht nur auf den Inhalt sondern auch auf die Form ankommt.Sie hat nicht gesagt,die Leute glauben nicht an die Versprechungen der Politiker, sondern sie hat gesagt, die Leute glauben den Politikern nicht, dass sie selbst an das glauben was sie sagen. Wenn man den Eindruck gewinnt, dass alles nicht ernst gemeint ist, dass alles nur Spiel ist, gibt es keine Bereitschaft sich mit den in der politischen Debatte geäußerten Positionen ernsthaft auseinander zu setzen.Ohne öffentliche Debatte,ohne Gespräch und ohne Streit gibt es aber keine Demokratie. Und in der Demokratie geht es nicht immer um die großen Fragen des Zusammenlebens auf nationaler Ebene oder auf der Ebene der Stadt, sondern

auch um das Zusammenleben in der Nachbarschaft. Wir sind darauf auch in diesen Tagen hingewiesen worden, indem wir an die Geschichte der Gründung der Nachbarschaftsheime anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Nachbarschaftsheims Schöneberg erinnert worden sind.Die Nachbarschaftsheime sind nach dem Zweiten Weltkrieg hier in Berlin mit dem sehr deutlichen Bemühen gegründet worden, Demokratie im Alltag, Demokratie im Nahbereich erfahrbar zu machen und damit einen Beitrag zur Demokratie in der ganzen Gesellschaft zu leisten.Die Nachbarschaftsheime können dabei mitwirken,dass aus der Politikverdrossenheit,von der ich schon gesprochen habe,keine Demokratieverdrossenheit wird.Dazu braucht es übrigens öffentliche Orte,an denen Gestaltung stattfindet und nicht nur ein Gequatsche um des Gequatsches Willen,sondern wo es möglich ist,handlungsorientierte Gespräche zu führen und Entscheidungen gemeinsam zu fällen. Es geht also nicht um den Stammtisch,wo über das geredet wird,was die anderen, »die da oben«, machen sollen, sondern es geht um das, was wir selbst,»die da vor Ort«,machen können. Vor 200 Jahren, um 1800,haben die Bürger das gewusst und haben Geselligkeitsvereine gegründet. Der Kollege aus Wien wird das wissen, die Kaffeehäuser sind zu der Zeit als öffentliche Orte entstanden, an denen man sich nicht nur zu politischen Gesprächen traf, sondern auch zum Zeitung lesen und Billard spielen.Kaffeehäuser haben also eine große Rolle bei der Demokratisierung der damals noch feudalen Gesellschaft gespielt.Vor 50 Jahren waren es, wie gesagt, die Nachbarschaftsheime, die solche Orte waren. In unserer Zeit sind es die Nachbarschaftsheime immer noch,aber sie haben Mitstreiter gefunden - Selbsthilfekontaktstellen, Bürgerhäuser, Stadtteilläden, Gemeinwesenprojekte, vielleicht auch den einen oder anderen Quartiersmanager. Heute sind wir zusammen in der »Werkstatt der Kulturen« in Berlin. Lasst uns in diesem Sinne nicht Stammtisch machen und über die Versäumnisse von anderen, von Geldgebern,Konkurrenten usw.klagen,sondern darüber gemeinsam sprechen, was wir tun können,um unsere Arbeit zu verbessern und in die öffentliche Debatte einzugreifen. Es muss dabei nicht alles ernst sein. Wir dürfen ruhig spielen, wir sollten sogar spielen - mit unseren Gedanken. Die Workshops spielen dabei natürlich die entscheidende Rolle. Nach unserem Verständnis geht es hier nicht darum, fertige Lösungen zu propagieren oder nur kluge Fragen um des Fragens Willen zu stellen.Es geht um eine gemeinsame, lösungsorientierte Arbeit, die von einem Problembewusstsein gesteuert wird. Es geht darum, voneinander zu lernen,sich gegenseitig in die Karten zu gucken, dabei möglichst wenig zu bluffen. Ich glaube, wenn wir dieses Klima miteinander schaffen,sind wir unschlagbar.

Zeichenerklärung für die folgenden Seiten: O< O>

weiblicher Redebeitrag männlicher Redebeitrag


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Wer will hier was und warum?

Quartiersmanagement und GWA Planung und Gestaltung des sozialen Raumes von oben und/oder von unten? mit Heinz Altena, Duisburg Heinz Altena: Was ist eigentlich Gemeinwesenarbeit aus dem Wörterbuchverständnis? Das ist erst einmal nichts anderes als eine Methode der Sozialarbeit, neben Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit. Es ist ein Arbeitsprinzip,methodenintegrierend und interdisziplinär. Und was ist Quartiersmanagement? Das ist erst einmal nichts anderes als eine Überschrift über ein Förderprogramm. Und es ist zweitens ein Sammelsurium aus Zielen,Methoden,Aufgaben,Strategien. Gemeinwesenarbeit wird in Deutschland seit Anfang der 70er Jahre praktiziert, die Ursprünge sind im angloamerikanischen Raum seit Ende des 19. Jahrhunderts. Quartiersmanagement oder Stadtteilmanagement wird in Deutschland seit Mitte der 90er Jahre praktiziert, hat unterschiedliche Wurzeln.Es kommt aus der Städtebauförderung und hat auch was mit der Verwaltungsreform und Regionalisierung zu tun. Aus diesem Kontext heraus ist dann eine ganz andere Linie eröffnet worden. Diese beiden Linien haben erst mal nichts miteinander zu tun. Zum Stand der Gemeinwesenarbeit: Ich habe das ziemlich intensiv verfolgt und festgestellt, dass GWA immer kontrovers diskutiert wurde. Extern stand die Gemeinwesenarbeit immer unter Ideologieverdacht, und intern wurden für mich erschreckend-sektiererische Wahrheitsdebatten über die »wahre« Gemeinwesenarbeit, über den »wahren« Ansatz geführt,sowohl von den Praktikern als auch von den Gurus, die an den Hochschulen ihre Methoden und Theorien vertreten haben.Es ist nicht gelungen,eine gemeinsame Linie zu entwickeln für das was GWA sein könnte,sein sollte.Und es ist vor allem nicht gelungen,für diesen fundamental guten Ansatz eine Lobby zu schaffen,die sich dann auf diese Verständigung berufen hätte und im politischen und im fachlichen Raum die Gemeinwesenarbeit hoffähig und förderfähig gemacht hätte. Gemeinwesenarbeit wurde theoretisch und methodisch nicht weiterentwickelt. Eine theoretische und methodische Fundierung hat nicht stattgefunden. Stadtteilmanagement dagegen hat gar nicht den Anspruch ein Konzept zu sein, das theoretisch und methodisch geschlossen wäre.Es ist ausgesprochen heterogen. Verbindend und verbindlich sind bisher einzig und allein die vagen programmatischen Vorgaben, die etwa das Land NRW,der Senat in Berlin und jetzt das Bundesbauministerium rausgebracht haben.Unter diesem Dach verbindet sich zwar das Stadtteil- und Quartiersmanagement. Zwischen den beiden Vorstellungen GWA und Stadtteilmanagement gibt es eine sehr große Differenz. Nichtsdestotrotz sagt uns jetzt die Fachwissenschaft folgendes (Dieter Oelschlägel im Mai ‘99): »Gemeinwesenarbeit bedarf der systematisch organisierten GWA als Stadtteilmanagement«.Und von anderer Seite heißt es: »Gemeinwesenarbeit, stadtteilorientierte Sozialarbeit, Stadtteilmanagement – über diese Stationen hat sich in ca. 25 Jahren ein sozialräumlicher Arbeitsansatz ent-

wickelt«.Wir haben gerade festgestellt,dass es immense Unterschiede gibt zwischen der GWA und dem Quartiersmanagement und jetzt scheint es doch eine Menge zu geben,was die Gemeinwesenarbeit durch Stadtteilarbeit befruchten könnte.Und das möchte ich jetzt zur Diskussion stellen. Was ist an diesen Thesen, an diesen Überschriften oder Bemerkungen wahrhaftig bzw.sinnreich? Oder warum werden Querverbindungen zwischen GWA und Quartiersmanagement jetzt hergestellt? Sehen Sie das auch so oder sehen Sie jetzt gerade in Berlin,dass es doch sehr unterschiedliche Ansätze gibt und dass man da fein trennen muss? Die Frage richtet sich nicht nur an Berliner,es sind natürlich auch andere hier,aus Hessen etwa. O> Ich bin aus Leipzig. Was die Stadt Leipzig jetzt macht, Quartiersmanagement, ist eine Form von Gemeinwesenarbeit. Ich identifiziere mich mit diesem Konzept und mir gefällt auch dieser Widerspruch. Ich denke, das ist eine unterschiedliche Herangehensweise, es kommt darauf an, was man daraus macht. Sicherlich, im Osten fehlt in diesem Bereich die Tradition, aber dadurch müssen auch nicht erst Blockaden überwunden werden. O> Wir als Nachbarschaftshaus haben uns auch um das Quartiersmanagement beworben, weil ich der Meinung bin, dass Nachbarschaftsarbeit und Gemeinwesenarbeit ganz enge Verbindungen zum Stadtteilmanagement, zu sozialarbeitsmäßigen Arbeitsansätzen haben. Ich würde da keinen Widerspruch, weder politisch noch fachlich,begründen wollen.Sondern ich denke eher, dass Nachbarschaftsarbeit und Gemeinwesenarbeit sehr viel stärker über ihre Wirkungsmöglichkeiten reflektieren müssen und darin auch effektiver werden müssen.Auch kleine,über Jahre hinweg gewachsene Ansätze im Stadtteil hätten vielleicht gute Voraussetzungen, sich zum Stadtteilmanagement zu entwickeln. Ich bin der Meinung,dass die Nachbarschaftsarbeit die ganze Diskussion um soziale Stadtentwicklung verpasst hat.Sie hätte sich viel früher mit ihren Kompetenzen,ihren Möglichkeiten, ihren Profilen in diese Diskussion massiv einbringen müssen. O> Es hat sich eine Entwicklung vollzogen,wo sich eins aus dem anderen entwickelt hat,wo eine gewisse Terminologie eine Rolle spielt.Und da muss man ein bisschen aufpassen, ob sozial-technokratische Seiten in dieser neuen Terminologie enthalten sind.Ich will einen neuen Begriff einführen,in Berlin gibt es den Kiez,damit können wir alle was verbinden,das Wort kommt aus dem Sorbischen und bedeutet: ungesunde Wohngegend in den Niederungen. Wenn man das im Kopf hat, weiß man auch, was soziale Verbesserungen für Menschen in diesem Kiez bedeuten, auf der einen Seite die nachbarschaftliche Orientierung,auf der anderen Seite die Selbst-

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hilfeorientierung und zum Teil eben auch darüber hinaus. Das sind also sozialpolitische stadtteilbezogene Orientierungen,und da sehe ich einen gewissen Fortschritt in der Debatte.Das heißt, wie bringe ich die Kleinteiligkeit des Kiezes in eine gesamtstädtische Debatte ein.Aber wohin wird denn eigentlich dieses Quartiersmanagement-Geld verteilt und wer entscheidet darüber? Das ist ein Punkt, an dem ich sehe, da kommt was Politischeres in die Debatte,was nicht diese interne ideologische Dimension aus den siebziger Jahren hat. Altena: In einem Artikel im »Rundbrief« wurde dieser Quartiersmanagementansatz fachlich, begrifflich und politisch vehement zum Teufel geschickt, im Sinne von: Lasst uns doch an den Dingen anknüpfen,die da sind.Gibt es niemanden hier,der die Meinung vertritt,die Stadtsoziologie Häußermanns und die moderne Politik Strieders treiben mit dieser Begrifflichkeit und diesem Konzept Schindluder? O< Was mich daran geärgert hat, hier in Berlin Stadtteilmanagement einzuführen, sich bestimmte Gebiete rauszupicken, die sicherlich als Kiez gelten können, war folgendes: man hat nicht geguckt, was es da schon gab, wer schon vor Ort ist,wie man die vielleicht stärken und unterstützen könnte. Sondern man hat von oben Leute reingedrückt, hat Befragungen gemacht, als handele es sich um einen weißen Fleck auf der Landkarte. Der Strieder hat in einem Werbespot im Jazz-Radio auf ziemlich platte Weise gesagt: Quartiersmanagement ist eine tolle Sache,da schicken wir Leute los,die fragen die Bürger,die sagen uns,was sie sich wünschen – die wünschen gar nicht mal so teure Sachen,kostet gar nicht viel Geld, da wollen sie mal dies,mal jenes,so bescheiden sind die – und wenn Sie selber eine Idee haben,worauf wir ja gar nicht gekommen wären in der Behörde,dann rufen Sie an unter dieser Nummer.Was mich daran ärgert ist,dass hier so viel Geld reinfließt,während Projekte,die in den Kiezen und den Stadtteilen gearbeitet haben und sicherlich auch gute Arbeit gemacht haben,nicht gestützt wurden,sondern dass da wieder was Neues reingedrückt wurde.Aus meiner Sicht hat die GWA versäumt, über die Zielgruppenarbeit hinaus andere Bereiche wie Arbeitgeber und Wirtschaft als mögliche Kooperationspartner einzubeziehen. Altena: Also hat die GWA ihrem Anspruch eigentlich nie Rechnung getragen, denn sie sollte ja eigentlich nie Zielgruppenarbeit sein. Vorrednerin: Ja,das ist der Knackpunkt daran. O> Man sollte es jetzt nicht an den Begriffen,an Strieder am wenigsten,festmachen.Strieder ist Politiker und Senator,man kann an Häußermann einiges festmachen, an einigen seiner Untersuchungen, an seiner Definition der sozialen Brennpunkte,die jetzt zum Gebiet für Quartiersmanagement erklärt worden sind. Und was mich daran auch massiv stört,ist,dass diese Quartiersmanagementgebiete jetzt in Berlin die höchste Priorität haben. Und da ist zwei Querstraßen weiter ein Gebiet in der gleichen benachteiligten Situation und das profitiert nicht Wer will hier was und warum?


von der Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe,profitiert nicht von dem Quartiersmanagement, profitiert nicht von all den Anstrengungen und von dem,was man da mit Gemeinwesenarbeit über all die Jahre versucht hat aufzubauen.Die zweite Sache ist,dass ich Quartiersmanagement in seinen Zielvorstellungen eigentlich unterstütze, dass jetzt aber Pilot- und Modellprojekte aufgebaut werden, die mit den Rahmenbedingungen, unter denen Quartiersmanagement gefördert wird, nicht vergleichbar sind. Damit kann ich nicht soziale Stadtentwicklung betreiben.Sondern dann muss ich auch diese Förderprogrammatik, die jetzt über das Quartiersmanagement entwickelt wird,für die Gesamtstadt ausgeben und bereit sein, sie einzusetzen. Die Kreuzberger Sozialstadträtin z.B. hatte mal gefordert, gebt mir Geld für Nachbarschaftsarbeit und nicht nur für Quartiersmanagement, damit wir im Bezirk wirklich was auf die Reihe kriegen und auch was weiterentwickeln können. O< Jetzt haben wir einen gemeinsamen Feind.Alle sind gegen das Quartiersmanagement. Ich denke, z.B. die Interessengemeinschaft Oranienstraße,die im Augenblick noch hauptsächlich aus Gewerbetreibenden besteht,sich aber für die Zukunft noch sehr viel vorgenommen hat,die wäre nie entstanden,wenn es nicht einen gemeinsamen Gegner gegeben hätte, nämlich das Quartiersmanagement von oben, das abwirbt, und das Quartiersmanagement von unten, das sagt, wir können uns selbst helfen.Bei dem Rest muss man einfach sehen,was sich daraus entwickelt. Auf der anderen Seite ist es ganz klar, wer vom Quartiersmanagement profitiert: nämlich die, die Jahrzehnte lang nichts getan haben. Wir müssen uns jetzt mit ihnen in der täglichen Arbeit arrangieren. Und meine Arbeit besteht darin, ich trete ihnen pausenlos auf die Füße.Also, ich sage ihnen, ihr seid da, also macht was.Wenn sie uns nicht wollen, dann sollen sie es besser machen. Altena: Sie haben wirklich nicht schwarz/weiß gemalt, sondern aus der Tradition Ihres Hauses verdeutlicht,welche Vor- und Nachteile und welche vielleicht gar nicht beabsichtigten Effekte diese Form der Einführung von Quartiersmanagement produziert hat. O> Für Berlin kann man ganz praktisch sagen,dass eigentlich die Träger des Quartiersmanagements in allererster Sicht tatsächlich Service-Beschäftigungsgesellschaften sind. Das ist ein Beschäftigungsprogramm für die Service-Gesellschaften, weil ein Teil ihrer Aufgaben weggefallen war.

hin, da ist ja gar kein großer Unterschied, jetzt höre ich große Unterschiede.Ist Quartiersmanagement,wie es in Berlin praktiziert wird, Gemeinwesenarbeit mit einem anderen Begriff oder eben genau nicht? Vorredner: Höchstens in Verbindung mit lokalen Akteuren, wenn sie die vernünftig einbinden, dann würde ich das so ansehen können. O> Wie kommt es überhaupt zu diesem Verfahren,wie sind die Träger für Quartiersmanagement gefunden worden? Einige Leute, die Quartiersmanagement machen, machen das eher in Richtung klassische Gemeinwesenarbeit, nach welchen Kriterien werden da eigentlich die Methoden ausgewählt? O> Ja, was heißt klassische Gemeinwesenarbeit? Das sollten wir in Bezug auf die Beschäftigung genau definieren. Die Stichworte lokale Ökonomie, soziale Ökonomie sind ja in der klassischen Gemeinwesenarbeit so nicht diskutiert worden.Es hieß ja immer,Gemeinwesenarbeit ist nur für den Reproduktionsbereich zuständig. Altena: Sie sind erst diskutiert worden, als es der GWA schon ganz schlecht ging,so in den letzten zwei Jahren. O> Ich würde sagen, dass da kein Widerspruch entstanden ist.Sondern was hier an Aufgaben und Methodik beschrieben wird,ist relativ identisch.Aber was praktisch umgesetzt worden ist, macht den Unterschied zwischen Gemeinwesenarbeit und Quartiersmanagement aus. Altena: Die Programmatik hat sich sozusagen selbst widersprochen,indem sie sagt,wir müssen von unten nach oben arbeiten,und dann ist aber das Programm von oben nach unten installiert worden, ohne Vermittlung in die Kieze rein. Die Bürger wird es vielleicht nicht so sehr interessieren, aber in den Kiezen sind ja jede Menge Institutionen, die sich seit Jahrzehnten um Belange dieses Kiezes gekümmert haben. Schulen, Kindergärten, Kirchen, Gemeinwesenprojekte, Kulturprojekte etc. sind in diesen Prozess nicht eingebunden gewesen – so habe ich Sie jetzt verstanden. Vorredner: Da waren eben andere Einrichtungen oder Institutionen wesentlich schneller als die Gemeinwesenarbeit vor Ort.Was wir in Dresden erlebt haben: ehe wir das Konzept des Quartiersmanagements in Absprache mit den Bürgern und unter Einbeziehung einer Fachkraft aufgenommen haben, hatte das Planungsbüro sein Konzept schon längst der Stadt präsentiert.

O> Was sind Servicegesellschaften? Vorredner: Servicegesellschaften sind Treuhänder der öffentlichen Hand für bestimmte Aufgabenbereiche und das heißt,die öffentliche Hand hat quasi über die Servicegesellschaften eine neue administrative Ebene geschaffen.Insbesondere für den Beschäftigungssektor und jetzt eben auch teilweise im GWA-Bereich.Wobei man sagen muss,dass die Servicegesellschaften sich von ihren Gründern teilweise auch schon wegentwickelt und sich privatisiert haben. Altena: Das spitzt die Frage noch mal zu.Sie sagten vorWer will hier was und warum?

Altena: Die Gemeinwesenarbeit kann da wieder Terrain zurückgewinnen.Die haben ja was zu sagen,die GWAler, ob an Fachhochschulen, an Universitäten oder in der Praxis. Und es ist natürlich wirklich bedauerlich, dass da auch in den Boomjahren nicht antizyklisch gearbeitet wurde,um die neuen Definitionen zu besetzen. Ich will Ihnen jetzt aus verschiedenen Textbausteinen Zitate zeigen, und zwar, was Ansprüche und Ziele von GWA und Quartiersmanagement angeht. Ich habe mir z.B. das Programm, die Selbstdarstellung der Gemeinwesenarbeit des Vereins SO 36 in Berlin-Kreuzberg ge-

nommen und den Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative »Soziale Stadt« – das Bundesprogramm – angeguckt. Zur Methodik: »...Möglichkeiten der offenen Beratung, sowohl im Einzelfall wie auch zur Unterstützung und Kooperation mit Stadtteilgruppen und Gewerbetreibenden und arbeitet eng mit der bezirklichen Regionalverwaltung zusammen.« Das ist SO 36. »Quartiersmanagement will selbsttragende Bewohnerorganisationen und stabile nachbarschaftliche Netze schaffen« - das könnte in jedem Gemeinwesenfachbuch und jedem Projekt der Gemeinwesenarbeit stehen. Aufgabe von Quartiersmanagement – was soll bewirkt werden: »Vernetzen der unterschiedlichen Interessengruppen vor Ort unter der Zielstellung eines gemeinsam zu entwickelnden Quartierskonzeptes«. Ist doch revolutionär! Weiter: »Initiierung und Aufbau von projektbezogenen oder dauerhaften Kooperationen zwischen Institutionen, Initiativen, Unternehmen und anderen lokalen Akteuren und Experten.« Und weiter:»Schaffung selbsttragender Bewohnerorganisationen und stabiler nachbarschaftlicher sozialer Netze« – das ist das Bundesprogramm, die haben irgendwie voneinander abgeschrieben. »Unterstützung für Bewohnervertretungen, -aktivitäten und -initiativen« – das hätte auch ein Gemeinwesenprojekt für Berlin schreiben können.Dann:»Als allgemeine Intention kann die Verbesserung defizitärer Strukturen im Gemeinwesen gelten«. Genau das macht der Gemeinwesenarbeiter: Verbesserung defizitärer Strukturen im Gemeinwesen. Jetzt noch mal SO 36: »Mit den BürgerInnen zusammen unter dem Motto ‘Hilfe zur Selbsthilfe’ einen Beitrag zur Verbesserung und zunehmend auch zum Schutz und Erhalt der Wohn- und Lebensverhältnisse im Altstadtquartier leisten.Diese Aufgabe erstreckt sich auf die Vielfalt sozialer, kultureller, pädagogischer, räumlicher und wirtschaftlicher Strukturen.« Im Grunde genommen könnte das eine Anforderung sein an das Quartiersmanagement. Jetzt noch mal ein Letztes: »...dazu zählen insbesondere die Aktivierung und Organisierung von Bürgeraktivitäten und Stärkung von Selbsthilfepotenzialen«.«Unterstützung vieler Möglichkeiten, die Bürger durch Selbsthilfe an Maßnahmen der Stadtteilentwicklung zu beteiligen« – Bundesprogramm.»Verbesserung von Lebensbedingungen,vornehmlich in benachteiligten Wohnquartieren,einerseits durch Aktivierung,Organisation und Training von betroffenen Gruppen,andererseits durch Aktivierung und Bündelung und Management von Ressourcen innerhalb der Verwaltung und bei anderen Institutionen zur Entwicklung spezifischer, auf die Bedürfnislage der Wohnbevölkerung bezogener Projekte.« Das ist stadtteilbezogene soziale Arbeit, wie wir sie seit 20 Jahren in Essen machen.»Die Moderation und Unterstützung von Interessenkonflikten im Stadtteil und die Entwicklung und Vernetzung von Projekten« – Oelschlägel noch mal.Wo man es auch hernimmt,Fazit ist,dass die Gemeinwesenarbeit in Theorie und Praxis und die Länder- und Bundesprogramme zum Stadtteil- und Quartiersmanagement ausgesprochen ähnlich bis austauschbar von ihrer Programmatik, ihrer Umsetzung und ihrer Zielorientierung her sind. Gibt es dazu Anmerkungen, Fragen,Widersprüche,Zustimmung? O< Ich finde,diese Ansätze gehen einfach dadurch weiter,dass sie praktisch mit dieser Hilfe zur Selbsthilfe ganz


andere gesellschaftliche Ressourcen bündeln.Man sammelt nicht nur in der offenen Gruppe seine Wünsche,sondern versucht gleich,sie mit ganz konkreten Arbeitsprogrammen zu verbinden, z.B. mit ganz konkreten Aufgaben im Kiez oder an einem bestimmten Haus.Also,sie gehen ein bisschen mehr in die Tiefe, indem sie sich die wirklichen Probleme angucken. Zusammen mit diesem Programm muss auch was passieren, damit Jugendliche in Wohnen und Arbeit kommen, da muss begleitend etwas stattfinden.Ich denke,das ist schon ein bisschen weiter,als wir vor 10 oder 17 Jahren waren.Wie das allerdings umgesetzt wird,muss man noch sehen. O< Es gefällt mir überhaupt nicht,dass wir mit unserer ganz tollen Arbeit nicht gefragt worden sind, ob wir die Aufgabe Quartiersmanagement übernehmen wollen. Aber da waren wir wohl politisch doch noch nicht so aktiv, wie wir gemeint haben.Offensichtlich haben andere bessere politische Mittel. Ich muss halt gucken, was ich mit ihnen zusammen machen kann. Ich kann mich da schlecht verweigern. O> Zum Beschäftigungsprogramm:Es ist als ein qualitativer Schritt gegenüber den letzten Jahren zu sehen, dass das auch auf die Gegebenheiten vor Ort reagieren kann, dass jetzt nicht mehr einfach Beschäftigungsprogramme gemacht werden, nur damit die Leute eine Beschäftigung haben.Aber der nächste Schritt wäre darauf zu achten,dass das den Leuten,die diese Beschäftigungsprogramme durchlaufen, auch tatsächlich nützt. Dass man an deren Fähigkeiten ansetzt. Dass man also nicht sagt,das nützt nun mal dem Stadtteil,und deswegen nehmen wir egal welche Leute und stecken die wahllos in Beschäftigungsmaßnahmen.Wenn das sinnvoll gemacht wird,ist das ja eine Mobilisierung einer Ressource, die o.k.ist. O> Aber das ist ja jetzt nicht eine Aufgabe speziell von Quartiersmanagement, sondern das ist unser aller Auf-

nächste Siegerehrung eigentlich so aussehen müsste:ob das jetzt Stadtplaner sind,Raumplaner,Pädagogen,Servicegesellschaften,Gemeinwesenarbeiter oder Nachbarschaftsheime, und ob die betreffenden Gebiete nun Wohngebiete,Quartier,Kiez,Stadtteil oder Gemeinwesen heißen, sie sollten miteinander umgehen, voneinander lernen, von ihren unterschiedlichen Berufstraditionen, Biografien, Fachlichkeiten. Die Stadtteile und die Menschen, die da wohnen, sollten möglichst bei dieser Kooperation die Gewinner sein.Wer jetzt oben auf dem Siegertreppchen steht, der muss nicht unbedingt bis in alle Ewigkeit der Bestimmer im Kiez bleiben. Das kann nicht die Zukunft sein, wie sich Professionalität in Stadtentwicklung oder Stadtteilentwicklung einmischt. Ich hatte gedacht,die Diskussion würde an diesem Punkt wesentlich politischer über diese von oben aufgepfropfte Quartiersmanagement-Entwicklung in Berlin werden. Aber vielleicht sehen Sie mittlerweile die ganze Sache eher aus der Richtung,dass Sie Möglichkeiten sehen,sich da einzubringen.Vielleicht geht’s ja dann auch mal,dass man zusammenkommt und die Vorteile, die Sie haben durch Ihre Form der Verankerung, mit den Vorteilen als Externe,mit einem anderen Know-how vielleicht,mit einer anderen Ausstattung auch mit einbringt. Vielleicht geht das zusammen. Jedenfalls kann es nicht sein, dass Quartiersmanagement als Berliner Politik an willkürlich gesetzten Gebietsgrenzen einfach aufhört. Und man kann dieses Programm vor allem nicht nach drei Jahren wegkippen, so etwas muss Stadtpolitik werden. Und wenn es Stadtpolitik wird, dann sind alle im Boot und dann werden die Karten neu gemischt.Und die GWA darf sich nicht wieder beleidigt zurückziehen, sondern muss die Position einnehmen, wachgerüttelt worden zu sein. Jetzt sollten Sie gucken und bereitstehen.Norbert Preußler sagte so schön: Jahrelang ging nichts, aber irgendwann ist die Tür mal so ein Stückchen weit auf und dann muss man mit vollem Gepäck durch! Und das will ich also jetzt hier auch den Nachbarschaftsheimen und der Gemeinwesenarbeit wünschen, dass sie aufsatteln, dass

der Landesregierung, das zum großen Teil gegen die Kommunen durchgesetzt wurde,vehement begrüßt,weil erstmalig Gemeinwesenbezug,Raumbezug,Sozialraumbezug ressortübergreifend gefördert wurde. Jahrelang hat die Gemeinwesenarbeit das gefordert.Dann passiert es und alle hängen sich rein.Da gab es keine Widerstände. Man konnte nur mitlaufen und gucken, ob man was abkriegt.Und das ist z.B.in Wuppertal ganz gut gelungen. Das Nachbarschaftsheim ist da toll integriert im Projekt, und die Stadt Wuppertal ist schlau,dass sie diese Einrichtung mit ihren ganzen Ressourcen nutzt. O> Ich erzähle mal aus Hannover von klassischer Gemeinwesenarbeit. Die haben die Bewohner aktiviert, die Bewohner haben was gefordert.Aber höchstens kleine Punkte sind durchgesetzt worden.Es wurde nicht nur gefordert, dass die Bewohner selber aktiv werden, sondern es wurde eben auch Geld gefordert.Und eines Tages kriegten die Gemeinwesenarbeiter große Augen,da kam die Anweisung von oben, da hatte die Stadt sozusagen entschieden zusammen mit dem Land und dem Bund,in diesen Stadtteil da müssen die Millionen reingesteckt werden. Und da hat dann die Stadt gesagt, ja natürlich müssen sich die Bewohner beteiligen. Es hat keinen Zweck, da neue Sachen zu machen und die Bewohner nehmen das nicht an.Bewohnerbeteiligung muss laufen, sonst sind die Millionen vergebens eingesetzt. Aber zur Leitung der Projekte wurden nicht die klassischen Gemeinwesenarbeiter eingesetzt,sondern da wurden neue Leute geholt. Die heißen jetzt Koordinatoren oder Projektleiter oder Manager. Es stimmt genau, wie es in diesen Zitaten war: das, was die von oben wollen und die von unten wollen,ist in den Zielsetzungen kaum zu unterscheiden. Aber die, die es von oben machen, sind eingebunden in die Hierarchie, z.B. was Vertraulichkeit betrifft. Wenn die also mit dem Gemeinwesenarbeiter von unten zusammensitzen,dann wissen die von oben sehr viel mehr und dürfen es nicht sagen.Und der andere Punkt ist:Diejenigen, die die Millionen geben,haben natürlich bestimmte Absichten,was gemacht werden soll,haben bestimmte Projekte,wo das Geld hin soll. Und die GemeinwesenarbeiterInnen von der Basis gehen anders vor.Die hören,wo in der Bevölkerung Ideen sind, haben ein viel breiteres Spektrum von Bewohnerinteressen, -aktivitäten und -kompetenzen, währenddessen die,die von oben das Geld reinpumpen, ein bestimmtes Projekt haben wollen, und deswegen versuchen die Gemeinwesenarbeiter von oben für das, was oben angedacht ist,unten Zustimmung zu kriegen. O> Wer ist denn Anstellungsträger von Moderatoren? O> In diesem Fall die Stadt oder stadtnahe Gesellschaften. O> Da hat GWA eine Chance verpasst.

gabe zu sagen,zur Verbesserung der Lebenslagen gilt es, sich auch mit der Erwerbssituation,Arbeitssituation und all den Begleiterscheinungen auseinander zu setzen. Altena: Ich fasse die bisherigen Äußerungen mal zusammen: Die beleidigte Gemeinwesenarbeit guckt zu, wie die anderen aufs Podium gehen.Aber ich glaube,die Probleme sind so gravierend und so eklatant, dass die

sie in die Diskussion treten und dass sie ihren Beitrag,den sie leisten können,gefälligst auch leisten. Diese Auseinandersetzung, wie es sie in Berlin gegeben hat,hat es in Nordrhein-Westfalen nie gegeben.Auch solche gut bestallten Projekte wie in Berlin, hat es dort nie gegeben. Wo es nichts zu verlieren gibt, gibt es auch nichts aufzuschreien. Und alle, die in der fachlichen Diskussion standen, haben dieses politische Programm

Altena: Wie meinen Sie das, GWA hat eine Chance verpasst? O> Wir starten auch Quartiersmanagement an drei Orten gleichzeitig - ganz bewusste Sache - und freie Träger stellen den Moderatoren ein, das muss unabhängig sein von der Stadt. Wer will hier was und warum?


Altena: Das ist wahrscheinlich nur im Osten möglich. O> Aber,was heißt denn frei,wenn Sie die Millionen zu verwalten haben,wenn Sie ein Projekt machen,in das die Millionen fließen sollen.Ob man da nun angestellt ist bei der Stadt oder einen Vertrag hat mit ihr, das ist ziemlich Jacke wie Hose. Altena: Wir müssten noch einmal diskutieren,ob das ein gradueller oder wirklich ein qualitativer Unterschied ist. Ich denke,das hängt auch von den jeweiligen Bedingungen ab. Ich könnte mir vorstellen, dass es in manchen Kommunen gelingen kann,freien Trägern auch eine freie Entfaltung zu ermöglichen und in manchen Kommunen geht das halt nicht.Das würde ich nicht von vornherein so problematisieren. O< Es ist ganz unterschiedlich.Es gibt diese Neubaugebiete oder auch Gebiete mit hohem Altbaubestand, das ist in Hannover genauso wie am Kottbusser Tor in Berlin, da stehen die Wohnungsbaugesellschaften und damit ein ganz anderes Interesse dahinter.Wenn sie die Wohnungen nicht mehr vermieten können,die Leute da nicht mehr wohnen wollen, weil einfach das soziale Gefüge kaputt ist und nichts mehr stimmt, da haben die Wohnungsbaugesellschaften einen ganz anderen Druck,eine ganz andere Stärke, gemeinsam mit der Verwaltung. Da kann das Quartiersmanagement nicht viel ausrichten. Altena: Wenn man das Bundesprogramm »Soziale Stadt« ernst nimmt,gibt es eine Mischung aus investiven und nichtinvestiven Mitteln. Jetzt sagt der Bund natürlich, ich kann nicht überprüfen, ob meine Kriterien auch eingehalten werden, die ich mit dem Programm verbinde. Er überträgt das den Ländern, die ja auch ein Drittel dazugeben müssen,wie die Kommunen auch.Die Länder suchen jetzt die Vorschläge aus den Kommunen aus und die Frage ist, gelingt es den Ländern oder auch den Projekten selbst, Standards zu entwickeln, die diesem Programm von seinem Anspruch her genügen.Das heißt, in den nichtinvestiven Bereich genauso viele Mittel (von der Qualität her) reinfließen zu lassen,damit das,was da alles steht – selbsttragende Strukturen,Beteiligung,Mitbestimmung, Trägerkonferenzen - geschaffen werden, die dann über Wohnumfeldgestaltung und Häusermodernisierung mitentscheiden können.Da muss noch eine Menge passieren,um das hinzukriegen.Viele Wohnungsgesellschaften sagen, wir würden ja mitmachen, wenn wir einen Quartiersmanager oder Koordinator bezahlt bekommen. Viele Wohnungsgesellschaften sind, was Stadtteilmanagement, soziales Management in ihren Einrichtungen angeht,viel weiter als man denkt,und viel weiter als manche Kommunen sind. Bei denen geht’s richtig ans Geld. Und deshalb denken sie über solche Strategien ernsthaft nach und sind auch bereit,in diesem Bereich eine Menge zu tun.Und deshalb bekommt auch das Bundesprogramm aus den Reihen des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft (BdW) nur Applaus. Herr Hunger,jetzt im Vorstand des BdW,hat mit empirica die Studie »Überforderte Nachbarschaften« vorgelegt. Ich bin in diesem Bereich als Weiterbildender tätig und da sitzen dann genauso viele Leute wie hier - alle aus Wohnungsgesellschaften. Ob das nun Sozialarbeiter, Geschäftsführer oder Prokuristen sind – die diskutieren das Wer will hier was und warum?

Thema mit dem gleichen Elan wie Sie.Gemeinwesenarbeit müsste man denen noch mal erklären.Aber was sie brauchen,können sie deutlich sagen und wo die Probleme stecken auch.Sie hoffen,dass ihr eigenes Konzept,das sie im Hause entwickeln,mit so einem Bundesprogramm gestützt wird. Ich warne davor, dass man immer wieder alte Feindbilder pflegt.Man sollte genau hinsehen, welche Wohnungsgesellschaft, welcher Ansprechpartner steht wofür, und wo können wir die Dinge miteinander verbinden, damit das auch funktioniert.Wir haben vielleicht das Know-how, wir haben auch das Herz auf dem rechten Fleck,aber die haben das Geld,das muss man immer wissen. O> Ich komme aus einem kleinen Gemeinwesenverein in Berlin-Spandau.Ich habe schon Bauchschmerzen und Bedenken mit dem, was Sie hier vortragen, weil Sie offensichtlich die Millionen immer im Rücken haben. Wir dagegen haben die zehnprozentigen Kürzungen immer im Rücken,das heißt,wir kriegen immer weniger Personal, können immer weniger ausstatten, obwohl der Bedarf immer größer wird. Dieses Quartiersmanagement hat aus meiner Sicht auch Alibifunktion. Wir haben gesellschaftliche Einbrüche,die wirklich nicht mehr zu übersehen sind, die sich immer weiter zuspitzen, gerade in dicht besiedelten Wohngebieten.Und Wohnungsbaugesellschaften,die vorher wirklich korrupte Mitarbeiter beschäftigt haben, entwickeln sich jetzt mit dem Quartiersmanagement zum Gegenteil – sie organisieren Trödelmärkte, Hoffeste und weiß ich was alles. Das sieht immer ganz toll aus, wir pflegen auch eine gute Zusammenarbeit mit den Wohnungsbaugesellschaften, überhaupt kein Thema, nur das Problem ist – was mache ich denn eigentlich mit den Ursachen von diesen Missständen? Wir haben z.B. überlegt, in einem sozialen Brennpunkt in einem Neubaugebiet, wo man gar nicht mehr weiß,wie man die Ratten vertreiben,die leer stehenden Wohnungen belegen und den Streit zwischen den Mietern schlichten kann,ob man da ein Bürgeramt installieren kann.Dort könnte man die Meldestelle reinsetzen,die Polizei installieren und sonst was, das kommt alles zusammen, und dann ist das auch ein Teil eines Quartiersmanagements.Das ist wunderbar.Bloß,wenn ich die Arbeitslosigkeit in diesem Wohngebiet nicht auch reduziere,wenn ich da keine Möglichkeiten sehe,da auch andere Leute zu integrieren, dann kann ich noch so viel managen,die Grundlagen sind nicht da.Und dann muss ich sagen,ich liebe solche Programme,was ist aber,wenn diese Programme weg sind? Altena: Kein Mensch, ob Gemeinwesenarbeiter oder Quartiersmanager, würde sagen, wir können jetzt das Übel an der Wurzel packen.Das Übel ist ja die Arbeitslosigkeit, die Verarmung, also wesentlich größere gesellschaftliche Probleme.Und ob es GWA ist oder Quartiersmanagement, was zu machen ist, ist zu versuchen, aus den gesellschaftlichen Bedingungen heraus den Leuten Überlebens- und Beteiligungsstrategien an die Hand zu geben.Die Konjunktur für solche Projekte des Quartiersmanagements steigt im Moment noch. Vorredner: Dann muss ich doch aber ehrlich hinsehen. Es gibt in Berlin-Mitte z.B. einen hervorragenden Computer-Schulungskurs für Jugendliche, ganz toll ausge-

stattet.Wir als kleiner Träger haben von den Mitteln nicht viel,wir haben nichts.Wir können eine Zusammenarbeit anbieten, wir können uns vielleicht auch aus dieser Zusammenarbeit nähren,aber wirtschaftliche Sicherheit haben wir nicht. Da entsteht schon manchmal ein bisschen Neid. Altena: Das ist jetzt die Frage,worüber der Neid entsteht. O> Im Prinzip wird ja nur umverteilt.Aus Studien geht hervor:der Topf für Soziales ist in den letzten 10 – 20 Jahren gleich.Man kürzt entweder bei den Behinderten oder bei den Frauen oder woanders, um woanders wieder drauf zu laden.Das Quartier ist nun mal in,hat ein Politiker entdeckt, macht sich dann einen Namen damit, man will ja auch Wahlen gewinnen.Das Geld bleibt im Prinzip tendenziell gleich,eher sinkt es sogar insgesamt.So sollen Krisenherde in dieser Gesellschaft befriedet werden, die wirklich revoltierend sind nach außen. Altena: Dann muss ja die Frage gestellt werden, ob es bessere oder schlechtere Verwendungsmöglichkeiten gibt für das knappere Geld, ob Stadtteilmanagement eine bessere Verwendungsmöglichkeit ist. O> Man sollte zugreifen und das Beste draus machen. O> Es geht um Stadtteilentwicklung,um Infrastruktur, Ressourcen, Arbeitsbeschaffung, und auch darum, dass die Bewohner an dieser Entwicklung beteiligt werden, sich identifizieren, und das nicht wie ein Schicksal von oben aufgepfropft kriegen,sondern dass sie ihre Kompetenzen einbringen können. O> Es ist wirklich lohnend, dass es zu einer möglichst weitgehenden Kooperation kommt, nur, man muss sich eben klar machen,wie schwierig dies ist. Altena: Das heißt, man muss diese Kooperation auch realistisch betreiben und nicht illusorisch, sonst wird sie scheitern. O> So zu tun, als würde das in der Praxis so aussehen, was wir alle wollen ist gleich,und dann nehmen wir uns in den Arm – wenn wir die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen nicht mit bedenken, das ist Illusion. Aber was sich in diesem Prozess tatsächlich verändert mit der Terminologie und der Art und Weise der Geldverteilung und der Träger, das ist die Steuerung – hin zur zentralen Steuerung. Das ist in Berlin zumindest anhand des Begriffs Quartiersmanagement zu sehen, das ist eben die Senatsverwaltung,die steuert.Diese Steuerungsmechanismen verändern sich offensichtlich, und zwar trotz gleicher Methoden und Ziele. Altena: Es gibt nicht per se eine Qualität oder eine Quantität,die einen Sozialraum beschreiben würde,sondern je nachdem, welche Sichtweise und welche Problemdefinition man hat,wird man den Sozialraum immer sehr unterschiedlich von der Größe her wahrnehmen müssen. Der Sozialraum interessiert uns als solcher in dem Komplex GWA und in dem Bereich Stadtteilmanagement vordergründig erst mal nicht.Vordergründig interessiert uns der Sozialraum da,wo er als problematisch definiert wird,


wo die intern und extern wahrgenommenen Unzulänglichkeiten, Defizite und Gefahren zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualitäten führen.Einen sozialen Raum,der mit bestimmten Problemen konfrontiert ist,nennen wir sozialer Brennpunkt,Armenviertel, Ghetto, Slum. Das ist die klassische Negativbezeichnung.Die Förderprogrammatik bedient sich jetzt einer anderen Begrifflichkeit und nennt das Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf,Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf,Stadtteil mit Entwicklungspriorität.Da steckt auch das Angebot an die Kommunen dahinter,nehmt das Programm,macht was.Die würden das nicht tun, wenn man ihnen ein Armutsprogramm, ein Ghetto-Programm oder ein Brennpunktprogramm gibt. In NRW kam es zu Irritationen, als die zuständige Ministerin in einer Pressekonferenz von »Armutsinseln«,die es jetzt zu bekämpfen gilt, gesprochen hat.Das hat in einigen Kommunen zu großem Unmut und Aufstand geführt. Ich sage Ihnen noch mal allgemein etwas zu den Hintergründen,warum es zu solchen Stadtgebieten gekommen ist: Anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, die Armuts-Reichtums-Schere.Diese Entwicklung ist überhaupt noch nicht gestoppt.Wir haben eine staatliche kommunale Finanzkrise,staatliche Deregulierungsmechanismen,wir haben eine Spaltung der Städte, es findet eine Entmischung statt. Das Problem ist, dass wir gleichzeitig eine ausgesprochene Heterogenisierung der Bevölkerung, unterschiedlichste Kulturen,unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen haben,die in diesen Quartieren mit kumulierten Problemen wohnen,und das macht die ganze Sache brisant und auch politisch brisant. Die örtlichen Problemlagen sind Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Veränderungen oder eben Ergebnis nationaler Politik.Die örtlichen Probleme sind sehr komplex und zur Lösung sind keine sicheren Konzepte vorhanden,weil viele nicht wissen, wie es geht, es aber nicht zugeben dürfen, alle aber wissen, wie es nicht geht, und sich als Bedenkenträger bestätigen.Das findet man sehr häufig, wenn man an Stadtteilentwicklungsprozesse herangeht. Weil es vor allem um die Überwindung von Routinen,das Aufgeben von Besitzständen, die Möglichkeit der Profilierung und um Karrieren geht, ist es sehr schwierig, anders zu arbeiten, anders zu denken und bestimmte Gewohnheiten mal zu überprüfen. Außerdem hat man es häufig mit Menschen zu tun,die andere Überlebensstrategien und Kulturtechniken entwickelt haben – andere als die mittelständischen sind da gemeint - die wir teilweise gar nicht kennen. Deshalb ist es ausgesprochen schwierig,diese Leute in die Lage zu versetzen,die Dinge im Stadtteil selbst in die Hand zu nehmen. Und last but not least ist es schwer,weil das Ganze Geld und sehr viel Mut kostet.Warum wird Stadtteilentwicklung trotzdem gemacht? Weil die Kosten der passiven Sanierung zu groß sind.Passive Sanierung heißt:ich mache nichts,was dann passiert in solchen Stadtteilen, kann sich jeder ausrechnen. Der Imageverlust durch Negativberichte in den Medien ist kontraproduktiv für den lokalen Strukturwandel, das merken wir besonders im Ruhrgebiet. Die Zukunft der Städte hängt von der Zukunft der Stadtteile ab. Der öffentliche Druck zwingt die Verantwortlichen zum Handeln. Welches sind die Voraussetzungen, unter denen Stadtteilarbeit gelingen kann? Sie sollte auf einer differenzier-

ten Situationsbeschreibung und -analyse basieren. Man muss sich die Sachen genau angucken vor Ort.Es sollten klare Zielvorstellungen existieren: Was will ich denn eigentlich machen? Wo soll das hingehen? Ich finde, dass da gute Leute zum Einsatz kommen sollen.Alle Beteiligten sollten bereit sein, voneinander zu lernen, Verwaltung von GWA und Politik von Bürgern.Eine angepasste Organisationsform sollte gewählt werden, auch das ist ganz wichtig.Wenn Sie also Kiezmanagement machen, dass Sie die Organisationen-Träger-Frage, die Organisationen-Struktur so entwickeln, dass es angemessen ist, dass es praktikabel ist und dass es funktional ist; dass man sich wirklich Gedanken macht, wo gehört dieses oder jenes hin,damit das auch ein Erfolg wird.Wenn das als Gemeinschaftsaufgabe konzipiert ist, heißt das, dass man diese Ressortübergreifung auch tatsächlich praktiziert und sich die Beteiligten in der Gemeinschaftsaufgabe im Alltag dann auch wiederfinden als Gemeinschaftsträger. Die Ressourcen,die örtlichen Potenziale sollten auch genutzt werden,die Fördermittel und die gesamte Organisation, auch die vorhandenen Strukturen, die es ja in jedem Ortsteil gibt,sollten wahrgenommen und ernst genommen werden.Dann ist es ganz wichtig,dass die Maßnahmen für die BewohnerInnen auch einen konkreten Gebrauchswert haben, dass sie merken, hier wird eine Wohnung gemacht, hier wird ein Kinderspielplatz gemacht, hier kriege ich einen Arbeitsplatz, auch wenn es nur für zwei Jahre ist,dass sie merken,das ist was für mich und nicht nur für Sozialarbeiter und Stadtteilmanager. Wenn es eine transparente und variable Planung sowie echte Beteiligungsmöglichkeiten gibt,die tatsächlich offen sind und nicht mit versteckten,verdeckten Planungen operieren.Die Planung muss variabel sein,ich kann nicht heute sagen,das und das Projekt mache ich,sondern ich muss gucken,welches ist der Bedarf,was ist da nötig und jetzt muss ich auch mal freie Mittel haben,um das zu machen, was vorher noch nicht sichtbar war. Echte Beteiligung heißt: es gibt wirklich ein gemeinsames Aushandeln von Projekten,die umgesetzt werden sollen.Das ist sehr schwierig.Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit ist unbedingt nötig.Raus aus diesen alten Klischeebildern.Da müssen die Medien genutzt werden,um Impulse zu setzen für die gesamtstädtische Bevölkerung. Die gesamtstädtische Bevölkerung, die nicht in diesem Stadtteil wohnt, muss sehen, da tut sich was und das ist tatsächlich was,wo man nach Jahren vielleicht hoffen kann,dass dieser Stadtteil, diese Straße ihr Stigma verlieren. »Tue Gutes und rede drüber.« Einmischung und Störung zulassen,ist auch sehr wichtig;also eine Störung oder eine Einmischung nicht als ein Problem begreifen,das wir ausgrenzen müssen,sondern eine Störung als integralen Bestandteil von so einem Prozess annehmen.Einmischung und Störung sind immens wichtig.Irritationen sind sozusagen der Lernstoff,den wir brauchen.Auch,dass ausreichende Mittel flexibel eingesetzt werden können,ist sehr wichtig. O> Ausreichende Mittel sind gut und schön,aber Mittel können ja auch erschlagen. Manchmal werden dadurch andere, qualitativ bessere Wege unmöglich, weil man ja das Geld hat, ohne das man die Potenziale besser nutzt. Die nutze ich ja nicht,wenn ich mehr Geld habe.Habe ich eine Million,brauche ich nicht örtliche Vernetzungen vor-

anzutreiben,da ich ja auf die Firmen oder auf die Unterstützung der Leute gar nicht angewiesen bin. Solche Mittel können auch kontraproduktiv sein. Altena: Das ist wahr. Zuviel Geld macht faul, es macht denkfaul und es wird tatsächlich nicht mehr gerungen um einzelne Sachen.Wichtig ist auch eine effektive Wirkungskontrolle dessen,was an Geld ausgegeben,was an Fachlichkeit eingesetzt wird, wie der Prozess gesteuert wird, wie Beteiligung organisiert wird, wie Vernetzung gestaltet wird. Das gehört für mich genauso zu einer effektiven Wirkungskontrolle wie die Frage,wo das Geld hingegangen ist.Und wenn klar ist,dass die Entwicklung von solchen Stadtteilen Zeit braucht, ist auch klar, dass Rückschläge unvermeidlich sind.Da hat mal einer gesagt, die Stadtteile,über die wir reden,die haben 30-50 Jahre gebraucht,um da unten zu sein,wo sie jetzt sind.Und da kann ich nicht erwarten,dass die sich in fünf Jahren wieder erholt haben.Sondern das braucht auch noch mal eine Generation an Zeit und es wird nicht immer nur alles schön sein, sondern es wird auch immer wieder Rückschläge geben und die müssen wir dann auch wegstecken. Wenn es darum geht, selbstkritisch zu sein, wo gibt es denn bei der GWA mal ein Manko oder mal was Tolles? Was hat GWA erreicht? Viele von Ihnen arbeiten ja mit gemeinwesen-orientierem Ansatz oder sehr nahe mit den Menschen aus bestimmten Problemstadtteilen oder aus problematischen Zielgruppen zusammen. O> Eine Beständigkeit im Angebot, wirklich ein langfristiges beständiges Angebot im Wohngebiet,das ist die Stärke unserer Arbeit. O< Zum Teil wirkt das allerdings auch sehr negativ,weil vieles, was schon sehr lange existiert, auch sehr festgefahren ist. Es bewegt sich nichts mehr, passt sich nicht mehr Neuem an.Ich habe in den letzten drei bis vier Jahren ein bisschen intensiver die GWA-Szene verfolgt, um etwas mitzubekommen von aktiven Projekten und Initiativen.Und GWA war in den letzten Jahren kaum öffentlich präsent oder wahrnehmbar. Das habe ich sehr bedauert und ich finde jetzt die Diskussion um Stadtteilmanagement und Quartiersmanagement von daher sehr belebend, weil sie auch die Diskussion um Gemeinwesenarbeit verstärkt,als Impuls neu anregt und wieder auf die Tagesordnung setzt.Ich selber mache Stadtteilarbeit in Berlin-Kreuzberg. Wir organisieren AnwohnerInnenund BürgerInnenbeteiligung. Es gibt ja auch zwei Quartiersmanagements in Kreuzberg.Für uns ist es nicht immer einfach mit diesen Projekten,die natürlich auch sehr viele Schwierigkeiten haben, zum einen, weil sie oft aus vielen verschiedenen Trägern zusammengesetzt sind und weil sie ja auch sehr interdisziplinär arbeiten. Das empfinde ich aber andererseits als einen großen Vorteil dieser Quartiersmanager und als eine große Bereicherung. Gleichzeitig sehe ich das aber auch als große Schwierigkeit an, weil ein Stadtplaner und ein Sozialpädagoge und jemand aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich, die benutzen sehr unterschiedliche Sprachen und die haben sehr große Schwierigkeiten sich verständlich zu machen oder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Insgesamt sehe ich das Stadtteilmanagement eigentlich als eine Art Organisationsentwicklung für den Wer will hier was und warum?


Stadtteil und ich schätze das Ganze als extrem schwierig ein, einfach aufgrund der vielfältigen Probleme und der vielfältigen Menschen, die zusammenarbeiten. Ich bin gespannt, welche Menschen dies letztendlich sein werden,die diese Organisationsentwicklung umsetzen,weil die meisten von denen, die dazu fähig sind, in der freien Wirtschaft arbeiten.Und die werden da gut bezahlt. O< Wir haben bei uns in Berlin auch einen Vertreter von Community dabei und die haben einfach das Problem, dass sie gegenüber den von oben nach unten Gebenden nicht nur Berührungsängste, sondern auch Absicherungsbedenken haben.Sie sagen,so wie die sich das vorstellen, kann es nicht gehen, vor allem, wenn der Programmzeitraum nur für drei oder vier Jahre angelegt ist. Diese Arbeit braucht nun mal einen langen Atem.Und der wird mehr der alten klassischen GWA zugetraut. O> Dass GWA wenig interdisziplinär arbeitet,liegt einfach an fehlenden Ressourcen. Altena: Man kann in einer Position immer interdisziplinär denken und arbeiten und nicht einfach nur summarisch interdisziplinär.Summarisch heißt,da hab ich einen,der macht Wohnungen,der andere macht Arbeit und der dritte ist für die Kultur zuständig und das Ganze nennt sich dann interdisziplinär. So ist interdisziplinär, glaube ich,nicht zu verstehen,sondern interdisziplinär ist in der gesamten Sicht der Dinge zu sehen.Einzelne sollten vielleicht spezielle Aufgaben haben,aber die Sichtweise und die Analytik sollten immer ganzheitlich sein. O> Ich sag das mal aus der Sicht der Praxisvergleiche. Wenn GWA jetzt zuständig ist für Stadtteilentwicklung, ist sie strukturell überfordert.Die GWA-Kolleginnen und -Kollegen arbeiten mit den Bewohnern,sie hören auf deren Sprache, das kostet sehr viel Zeit, sehr viel Aufmerksamkeit,das Vertrauen zu gewinnen,die Sprache verstehen zu können. Auf der anderen Ebene kooperieren sie mit den Fachleuten vor Ort.Und auf dritter Ebene arbeiten sie zusammen mit den Entscheidern im Arbeitsamt, in Politik, in Administration, in den Verbänden usw. Da gibt es wieder ganz andere Sprachen.Das Übersetzen von dem, was die Suffköppe vorm Kiosk formulieren in die Ebene der Entscheider,das ist eine ganz schwierige Kiste. Und das kostet sehr viel Zeit,sehr viel Kraft und es ist fast eine strukturelle Überforderung.Es kann nur dann gelingen,wenn GWA vor Ort als ein Team arbeitet.Da,wo Gemeinwesenarbeit mit ein oder zwei Leuten besetzt ist, kann es überhaupt nicht gelingen,sich für die soziale,kulturelle,ökonomische Entwicklung eines Stadtteils einzusetzen. Und darunter, denke ich, leiden die Kollegen. Es kann nicht nur darum gehen, die Interaktion und die Nachbarschaft zu fördern, sondern wir müssen die ökonomische Struktur verbessern und die kulturelle usw. Aber wer soll das denn überhaupt schaffen? Altena: Also Leidensdruck durch die Vielfältigkeit der Anforderungen. O< Ich habe da eine ganz andere Sichtweise.Ich sehe nicht ein, dass ich als GWA alles neu erfinden muss, neu investieren muss. Sondern ich sehe meine Aufgabe in Richtung Koordination und Vernetzungsarbeit.Das heißt, Wer will hier was und warum?

ich stoße ein Projekt an,versuche die Finanzierung zu begleiten und dann mache ich was anderes.

wickelt man Qualitäten, an die man vorher nicht geglaubt hätte.

O> Das bringt ein neues Problem. Wenn man nicht mehr selber mit den Leuten redet, sondern das, was andere wissen verwendet,wen vertritt man dann?

O> In den Vokabeln Quartiersmanagement, Stadtteilmanagement steckt zumindest ein Fragezeichen für mich: wir managen Probleme. Das könnte dazu führen, dass eines der Arbeitsprinzipien,nämlich das von-untennach-oben-Prinzip, vernachlässigt wird. Ich halte es für ein strukturelles Problem im Stadtteilmanagementbereich,dass eben nicht von oben nach unten Entscheidungen getroffen werden sollten.Und wir sehen ja in Berlin, es wird praktisch auf diese Stadt geguckt und da gibt es Problemkieze, da müssten wir was tun, da müssen wir Probleme managen.Was spielt denn Demokratie noch für eine Rolle, wenn alles nur noch unter Managementgesichtspunkten gesehen wird? Darin sehe ich eine große Gefahr. Die Debatte verengt sich auf Fragen des Problemmanagements.Das Prinzip »von unten nach oben« wird verkehrt in ein »na-wir-regeln-das-schon«.Ich finde das sehr fragwürdig.

Vorrednerin: Da haben Sie mich falsch verstanden. Ich nehme etwas auf, was im Stadtteil geäußert wird, was fehlt, was nicht da ist, ich bezeichne mich auch als eine Dolmetscherin für die Belange, die die BewohnerInnen äußern.Und dann gehe ich hin,suche mir die Fachleute, suche mir die Professionellen vor Ort,mit einer Stadtteilkonferenz. Das Netzwerk habe ich mir natürlich aufgebaut, das setzte ich mal voraus, und dann fange ich an. Und die entstehenden Prozesse begleite ich dann nur noch. O> Genau so muss man arbeiten,dass man sich in völlig verschiedenen Feldern bewegt und auf allen Ebenen fit sein muss.Das ist gerade die besondere Kompetenz in der Sozialarbeit,das wirklich machen zu können,auch im Gegensatz zu Stadtplanern, die den Einblick auf der unteren Ebene nicht haben. Und deshalb gehört Stadtteilmanagement auch in die Hand von Sozialpädagogen,Sozialarbeitern oder Gemeinwesenarbeitern. Ich kann es von der evangelischen Kirche sagen, da war Gemeinwesenarbeit ganz klein geschrieben bis vor kurzem.Das Bild der Sozialarbeit sah so aus:die Sozialarbeiter machen ein bisschen Einzelfallarbeit,ein bisschen Gruppenarbeit und sie haben eben nicht den Blick für das Ganze. Da ist dann auch klar,dass da andere Berufsfelder reinbrechen. O> Das Quartiersmanagement, wie ich es teilweise kennen gelernt habe,hat immer die Chance gehabt,dass man neue Möglichkeiten der Mittel-Akquirierung gezeigt bekommt,die nicht diesem klassischen Verfahren – ich stelle einen Antrag und kriege eine Summe – entsprechen, sondern dass ich selber aktiver, breiter gefächert und ein bisschen kreativer mit Finanzen umgehen kann. Darin könnte eine Chance bestehen auch für die GWA,wenn man wirklich näher mit kleinen Betrieben zusammenarbeitet,die in einem bestimmten Sozialraum auch Geld verdienen. Wenn ein Unternehmen sagt, ich verdiene hier ganz gut an euch,da bin ich auch verpflichtet, was reinzugeben. Solange GWA sich immer nur abhängig macht von dem öffentlichen Kuchen, entwickelt sich ja auch keine neue Verantwortlichkeit.

Altena: Entspricht denn für die Menschen selbst der soziale Raum überhaupt noch seiner Lebenswelt? Da habe ich meine Zweifel.Früher hat man an einem Ort gearbeitet und gewohnt, kommuniziert und konsumiert. Diese Geschichten finden im Stadtteil nicht mehr statt,weil z.B. die Tante-Emma-Läden nicht mehr da sind. Und Kommunikation findet auch nicht mehr statt, weil die Leute sich woanders treffen. O> Bei den Jugendlichen kann ich aus meiner Erfahrung sagen: die, die fit sind, sind mobil; die, die nicht fit sind,sind lokal gebunden. Altena: Ich überspitze meine Frage mal: Tun wir nicht den Menschen oder auch einem bestimmten Raum Gewalt an, wenn wir permanent auf unserem Gemeinwesenbezug, der ja etwas Sozialromantisierendes hat, herumreiten? O> Die Menschen, zu denen wir Kontakt bekommen, mit denen wir kooperieren,mit denen wir was aufbauen, die wollen tatsächlich ihre Wohnung als ihre Wohnung empfinden und dazu auch das entsprechende Umfeld haben.Das ist nicht identisch mit einem Heimatbegriff,sondern man wird flexibel, wenn man Sicherheit und Vertrauen in seinen Sozialraum hat.Dann kann ich nämlich auch flexibel reagieren, kann rausgehen, kann mich interkulturell betätigen.

O< Wir wollen versuchen, über Stiftungen Gelder zu kriegen.Man kann nicht immer nur zur Stadt gehen,aber natürlich mit Unterstützung der Stadt. Man sollte gemeinsam gucken,gibt es nicht noch andere Geldgeber als die öffentlichen Töpfe?

Altena: Sie meinen, um überhaupt soziale oder andere Netzwerke zu bilden, bedarf es einer gesunden Heimat mit einer eigenen Souveränität, und die bekomme ich, wenn ich zu Hause vernünftige Bedingungen habe.

O> Wenn ich mir andere Geldgeber als den Staat mit ins Boot hole, entsteht dadurch ja auch eine neue Qualität der Arbeit.Dadurch entstehen völlig andere Netze.Selbst der Unternehmer um die Ecke,der Autos verkauft,könnte ein Kooperationspartner sein, nicht nur auf dem finanziellen Sektor,sondern in der ganzheitlichen Verantwortung in einem bestimmten Stadtteil.Da habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht, manchmal aus der Not geboren, aber Not macht erfinderisch. Plötzlich ent-

O< Das Zuhause,der Kiez,also Orte der Kommunikation,Ansprechpartner zu haben,Orte,die man auch mit einer persönlichen Geschichte verbindet, das heißt also auch ein funktionierendes System,eine funktionierende Nachbarschaft. Und das Ganze ist natürlich auch altersgruppenabhängig. Besonders Ältere und Jüngere sind natürlich eher abhängig von ihrem unmittelbaren Umfeld, weil sie einfach weniger mobil sind, und das trifft auch für Arme zu. Und natürlich die Frage, welche


Möglichkeiten man hat, Räume mitzugestalten und sie vielleicht auch mit eigenen Befindlichkeiten zu verbinden, scheint mir etwas ganz Zentrales zu sein – also Stadtraum als Ort zu begreifen,wo ich mich wiederfinde und auch behaupte. Altena: Stadtteil hat also immer noch eine sehr prägende Bedeutung, gerade bei ganz entscheidenden Personengruppen. Wir werden ja nicht für Reichtumsversorgung bezahlt,sondern wenn es um professionelles Stadtteilmanagement und GWA geht,dann geht es immer um Menschen, die aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse Defizite zu erleiden haben. Und in dem Fall ist der soziale Raum nachdrücklich sehr wichtig für die Leute. O> Es ist eine Tatsache,dass z.B.diese Autogesellschaft, in der wir leben,die Leute auch trennt und isoliert.In einem Stadtteil sind praktisch immer nur die Leute auf der Straße zu sehen,die kein Auto fahren,nämlich Alte oder hin und wieder Jugendliche.Die anderen sind tatsächlich aus dem Stadtteil raus, die gehen auch woanders einkaufen.Da sind Strukturen,die darf man nicht einfach ignorieren. O< Aber wenn ich im Stadtteil gute Lebensbedingungen habe,dann gehe ich als Mittelschicht nicht aus dem Stadtteil heraus, sondern bleibe da. Und deshalb ist es doch ganz wichtig, gemischte Wohngebiete zu haben, dem Wegzug entgegenzuwirken und diese Sozialstruktur zu schaffen. Altena: Wenn das nicht passiert, gehen die, die es sich leisten können,raus. O< Aber nicht nur die Mittelschicht,auch die anderen, die es sich auch vom Kopf her leisten können. Es gibt in unserer Gesellschaft Menschen, die haben Lebensent-

würfe,die können sie nur in bestimmten Stadtteilen verwirklichen.Und da stelle ich mir die Frage:Ist es gewollt, dass sie dableiben? Altena: Solange es Ungleichheit in dieser Gesellschaft gibt, wird es auch ungleich bewertete Räume geben, da wird man nicht drum herum kommen. Wie geht Politik damit um,das ist die Frage. O> Die Wohnungswirtschaft spricht jetzt nicht mehr von Wohnungen, mit denen sie handelt, sondern von Wohnen, z.T. von »Wohnen und Mehr«. Es geht ihnen nicht nur darum,Wohnungen zu verkaufen,sondern das gesamte Wohnumfeld zu verkaufen.Die Wohnungen sind aber nur verkaufbar und teuer,wenn auch das Wohnumfeld stimmt. Das heißt, da, wo knallhart gerechnet wird, kommt also doch das Quartier, das Lebensfeld mit ins Spiel. Altena: Der Sozialraum hat nach wie vor funktionale und auch wichtige Bedeutung. O> Das hörte sich eben so an, dass es auch vom Bildungsgrad abhängig ist, wie sehr man seinen Kiez braucht – da stimme ich überhaupt nicht zu.In Kreuzberg leben Professoren und weiß der Geier was,die kriegst du da nie aus Kreuzberg weg oder aus Spandau. Das ist ihr heiliger Kiez,das hat aber nichts mit Bildung zu tun. Altena: Die Frage ist, ist das die Ausnahme oder die Regel? O> Das ist die Ausnahme.Ich denke,es gibt tatsächlich Gebiete,wo der Mittelstand sich rauszieht,wo die Struktur einfach nicht stimmt,weil sie ihm nichts bietet. Vorredner: Aber sie finden wieder neue Kieze,wo sie sich einbürgern möchten.Es gibt psychologische Studien,die

Wer hat hier den Hut auf?

Wie viel innere Demokratie brauchen sozial-kulturelle Einrichtungen, wie viel Bürgerbeteiligung brauchen die Stadtteile? Formelle und informelle Mitwirkung, Erfahrungen mit Mitbestimmungsgremien, Stadtteilkonferenzen und charismatischen Persönlichkeiten

belegen, wie wichtig der Raum für die einzelne Person und die Einzelentwicklung ist. Das ist unumstritten. Das heißt, ich muss mich irgendwo heimisch fühlen, den Bäcker,den Nachbarn kennen,muss öffentliche Breite haben,um mich entwickeln zu können.Ich denke nicht,dass das in irgendeiner Form von Bildung abhängig ist. Altena: Bildung bringt Entscheidungsmöglichkeiten mit sich. Auch Geld erhöht die Entscheidungsfreiheit. Und Netzwerke sind das Dritte.Diese drei – wenn die gut ausgebildet sind – dann hast du jedenfalls immer die Möglichkeit zu gehen.Andere haben die Chance nicht. Vorredner: Wir müssen ja nicht nur von einem Ghetto ausgehen, sondern einfach von dem Patchwork Berlin. Das sind doch einzelne Kieze,ob die nun einen sozial hohen oder niedrigen Standard haben,sei dahingestellt.Da gibt es eben Bereiche,die sind bürgerlich,und jeder gute Bürger bleibt da wohnen, wie in Zehlendorf, da herrscht doch kaum Fluktuation. O> Es ist sehr schwierig,den sozialen Raum zu definieren, weil er wirklich unterschiedlich wahrgenommen wird.Wer sehr mobil ist,wer das Geld hat,für den ist ganz Berlin der soziale Raum,weil er weiß,er kann überall hin, da gehe ich einkaufen,da gehe ich zur Kultur.Man muss Stadt manchmal auch als Ganzes sehen,nicht nur immer den Kiez.Ich glaube,diese Vorstellung vom romantischen Stadtteil ist wirklich überholt,den werden wir nicht mehr hinkriegen. O> Ich gehe davon aus, dass es uns hier um Stadtteile mit Entwicklungs- und Erneuerungsbedarf geht und in diesen Stadtteilen wohnt zum Großteil eine ganz bestimmte Bevölkerung, die unter Armut leidet und die nicht über Entscheidungsmöglichkeiten verfügt. Das ist für mich der Punkt und da gibt es nichts drüber zu diskutieren,ob der Sozialraum auch ein Lebensweg ist.

nur den Verein angeht, wird entschieden einerseits vom Geschäftsführer, der Vorlagen macht, über die der Vorstand entscheidet.Die tägliche Arbeit wird meistens von den Mitarbeitern vor Ort entschieden. Scherer: Ein kleiner Hinweis, natürlich ist die Direktorin bei einer Stiftung nicht das höchste Organ.

mit Herbert Scherer, Berlin und Monika Schneider, Köln Vorstellungsrunde: O> Ich komme aus Hamburg, aus einem Problemstadtteil im Osten der Stadt. Ich bin als Geschäftsführer tätig bei einem Beschäftigungsträger mit ca. 60 Angestellten. Das Ganze hat derzeit noch eine Organisationsstruktur als e.V.,wir befinden uns aber im Umbruch zu einer gemeinnützigen GmbH. Interessant ist, dass wir da stadtteilorientiert eine vertikale Vernetzung herstellen zwischen unterschiedlichen Professionen,d.h.wir schließen uns zusammen mit einem Beschäftigungsträger,einem Jugendzentrum und einer Kultureinrichtung im Stadtteil. Und formal, nur für den Verein, aus dem ich komme, ist es so, die täglichen Entscheidungen werden von der Geschäftsleitung vorbereitet und durchgezogen. Dann gehen die Informationen an den Vorstand, der be-

fasst sich damit, also bei Satzungsgeschichten, aber im Regelfall nach Vorlage von der Geschäftsleitung. Herbert Scherer: Der spannende Punkt ist, wenn die Rechtsform geändert wird, hat das ja auch was mit Entscheidungsstrukturen zu tun, insbesondere beim Übergang von einem eingetragenen Verein zu einer GmbH,da gibt es ja massive Veränderungen. O< Ich komme aus der Kiezoase Schöneberg in Berlin. Das ist eine Einrichtung, die zwei Teile hat, nämlich eine Stiftung öffentlichen Rechts und einen Verein. In der Stiftung ist ganz oben formal eine Direktorin,die als letzte entscheidet,praktisch entscheidet aber der Geschäftsführer zusammen mit der Steuerungsgruppe.Der Teil,der

Vorrednerin: Nein,das ist das Kuratorium,aber das sind ja dann wieder die so großen Entscheidungen, dass das dann auch oft nicht wirklich eine Rolle spielt, aber ganz oben entscheidet letztendlich ein Kuratorium. O< Ich komme vom Stadtteil-Kulturzentrum »Die Motte« aus Hamburg, eines der ältesten und größten Stadtteil-Kulturzentren in Hamburg.Wir sind ein gemeinnütziger Verein, haben Mitgliederversammlung und Vorstand,da sollen die Entscheidungen getroffen werden von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitgliedern. Und es ist so, dass der Tagesbetrieb im Grunde genommen von den Festangestellten geschmissen wird. Die Gremien der Selbstverwaltung haben sich gerade im ehrenamtlichen Bereich aufgelöst und nach einer dreijährigen Umstrukturierungsphase müssen wir Wer hat hier den Hut auf?


jetzt Entscheidungen treffen, wie wir uns in Zukunft organisieren wollen. Scherer: Die Umbrüche sind die Punkte,an denen wir am meisten Erfahrungen sammeln können: Wir haben das und das mal gemacht und jetzt hat sich etwas verändert und jetzt wollen wir in die und die Richtung gehen, und welche Überlegungen stellt man dabei an? O> Ich komme vom Verein »für gemeinschaftliches Wohnen im Alter«. Wir sind ein bundesweiter Verein. Umbrüche gibt es auch,das hängt damit zusammen,dass wir Vertretungen in vielen Bundesländern haben,die z.T. ehrenamtlich,z.T.hauptamtlich arbeiten.Die bestimmen dann vor Ort auch die täglichen Geschicke. Die schlussendliche Entscheidung über Satzungsänderung oder über wichtige Sachen hat die Mitgliederversammlung.Es ist allerdings so, dass die Vertreter aus den Ländern und die Hauptamtlichen, die natürlich die ganze Zeit die Ar-

langfristige Ausrichtung im Sozialsystem, im Wiener Sozialbereich, die werden vom Vorstand getroffen. Und das wird runtergetragen in alle Abteilungen, bis zu den Nachbarschaftszentren,wo es dann umgesetzt wird. O< Ich bin aus dem Nachbarschaftsheim Mittelhof in Berlin, wir sind ein Verein, ein Trägerverein. Alltägliche Entscheidungen treffen wir im Team, also im Team Stadtteil- und Kulturarbeit,ich arbeite in der Selbsthilfekontaktstelle, das ist einer von mehreren Arbeitsbereichen.Wir versuchen gerade, Strukturen einzuführen, die ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an Entscheidungen beteiligen.Das ist das,was ich bei uns als Umbruch bezeichnen würde. Wir haben jetzt ein Besucherinnen- und Besucherplenum eingeführt,um herauszufinden, wie mehr Beteiligung möglich ist.Wir sind da relativ am Anfang.Es ist in vielen Punkten trotzdem sinnvoll,auch bei alltäglichen Entscheidungen die Geschäftsführerin einzubeziehen. Ansonsten werden wichtige

ben, das ist bei Magdeburg in einer ländlichen Region. Wir versuchen u.a.in zwei Kleinstädten soziale Netzwerke aufzubauen,haben verschiedene Projekte,die an sich erst mal relativ autonom funktionieren, z.B. ein soziales Möbellager und diverse Jugendzentren. Ich selber leite ein alternatives Jugendzentrum. Wir wollen jetzt in Haldensleben ein Bürgerhaus errichten.Die Anträge sind gestellt,im Verein ist intern die Diskussion im Gange,wie damit umgegangen wird. Die einzelnen Projekte arbeiten, auch was Entscheidungsstrukturen betrifft, relativ autonom.Bei uns im Laden gibt es einen Klubrat,wo auch wir MitarbeiterInnen nur einfaches Stimmrecht haben,es gibt auch keine gewählten Mitglieder.Das ist eine ziemlich stark basisdemokratische Organisationsweise.Es gibt andere Projekte, die eher autoritär organisiert sind. Im Verein selber entscheidet der Vorstand.Und da sind jetzt Diskussionsprozesse im Gange, wenn wir jetzt ein Stadtteilzentrum errichten, womit wir uns auf Neuland begeben,wie geht man am besten damit um? O> Ich bin mit dem Thema eher auf dem Papier befasst,weil ich eine Arbeit mache über Anspruchskonflikte in der sozial-kulturellen Arbeit.Dazu habe ich eine ganze Zahl von Interviews gemacht in den Einrichtungen in Berlin, vor allem auf der Leitungsebene, und dann auch im Verband,ich bin also eher ein Zuhörer. Scherer: Nein, wir können doch Ihre Arbeit nutzen, Sie wissen ja viel mehr als wir darüber, wie der Unterschied zwischen Theorie und Praxis vielleicht aussieht.

beit machen,dem Vorstand Vorschläge machen,der dann darüber entscheidet.Wenn das aber Sachen sind,die den Verein direkt betreffen, die die Mitglieder fordern, dann muss das die Mitgliederversammlung entscheiden. O> Ich komme aus Wien. Die Firma heißt Wiener Hilfswerk, ist ein Verein, ein sozialer Dienstleistungsbetrieb. Scherer: Das klingt verblüffend – die Firma ist ein Verein. Übrigens, in Österreich ist das Wort Bürgergesellschaft total verpönt, weil es politisch besetzt ist von einer der Parteien, der ÖVP, Bürgergesellschaft wird da gar nicht benutzt. Vorredner: Es ist ein eingetragener Verein.Wir diskutieren die Entscheidungen zwar, aber die meisten werden von der Geschäftsführung getroffen, in Theorie und Praxis. Die Entscheidungsfindung läuft in zwei Richtungen. Es gibt firmeninterne Diskussionen, wenn es neue Anforderungen gibt,die daraus resultierenden Ergebnisse und neuen Fragen werden dann dem Vorstand übermittelt zur Entscheidung. Das ist der Prozess von unten nach oben.Und die ganz großen Entscheidungen,wie die Wer hat hier den Hut auf?

Entscheidungen von der Geschäftsführerin getroffen und sie werden vor allem natürlich nach Rücksprache mit Vorstand und Vereinsmitgliedern getroffen. Scherer: Da ist ein Projekt in Angriff genommen worden, die Nutzer stärker zu beteiligen. Welche Überlegungen stecken dahinter, welche Formen werden real versucht, welche ersten Erfahrungen gibt es? Das Nachbarschaftsheim Mittelhof ist eine der ganz alten Einrichtungen in Berlin, es besteht seit 1947 und ist eine Einrichtung, die die ganz klassischen, radikalen Mitbestimmungsformen der Quäker entwickelt hatte.Die sind irgendwann so ausgehöhlt und so unpraktisch gewesen,dass die hierarchische Organisationsform darauf gefolgt ist.Die Quäker haben ein Konsensprinzip,d.h.es gibt da grundsätzlich keine Mehrheitsentscheidungen,sondern man diskutiert alles aus wie bei der Papstwahl. Und wenn man einen Betriebsrat hat und gleichzeitig in den Leitungsgremien alle paritätisch beteiligt sind, funktioniert nichts mehr, kann man nichts mehr entscheiden.Das ist im Mittelhof so gewesen – also Konsensprinzip und Betriebsrat gleichzeitig,das funktioniert nicht. O< Ich komme vom Sozialen Netzwerk in Haldensle-

O< Ich komme vom Nachbarschaftshaus »Donizetti« in Berlin-Mahlsdorf. Wir sind ein Projekt der MUT-Gesellschaft für Gesundheit gGmbH, die ein Unternehmen der Ärztekammer Berlin ist.Die ganz übergeordneten Fragen werden von dort entschieden, von den Gesellschaftern, von der Gesellschafterversammlung,über die Geschäftsführung der MUT an die einzelnen Projekte weitergegeben.In der MUT gibt es eine Handlungsbevollmächtigte, die speziell für unser Projekt zuständig ist.Grundsätzliche Entscheidungen werden dann im Gespräch der Leitung des Nachbarschaftshauses mit der Handlungsbevollmächtigten geklärt. Scherer: Sitzt die vor Ort oder woanders? Vorrednerin: Die sitzt in der Geschäftsstelle der MUT,das ist woanders,also Warschauer Straße. Scherer: Das ist ein Modell,das es an verschiedenen anderen Stellen auch gibt.Das Nachbarschaftshaus hat seine reale Entscheidungsetage woanders.Wie funktioniert das in der Praxis, was bedeutet das für Bürgerbeteiligung? »Donizetti« hat ja damals,weil das so eine Diskrepanz war – man macht ein Nachbarschaftshaus,aber eigentlich ist man unselbständige Untereinheit – noch eine Konsequenz gezogen und einen Verein gegründet, so ähnlich wie ihr in der Kiezoase, vielleicht können Sie dazu noch kurz was sagen. Vorrednerin: Der Förderverein Donizetti e.V. Mahlsdorf ist gerade dabei, sich mehr Entscheidungsbefugnisse zu erarbeiten,er gewinnt also an Bedeutung.Vorher war er eher ein wenig untergeordnet und diente vor allem da-


zu, die Arbeit im Haus finanziell zu stützen durch ehrenamtliche Beteiligung einzelner Vereinsmitglieder.Aber er hatte weniger Entscheidungsbefugnisse,was inhaltliche Rahmen oder was die Arbeit selbst anging. Scherer: Darin ist natürlich auch eine wichtige strukturelle Frage enthalten. Sie haben gesagt, die Ehrenamtlichen haben das, was dort geschehen ist, unterstützt; also Ehrenamtliche als Helfer von etwas, was da ist, und nicht umgekehrt.Wir werden sehen, ob das so funktioniert. Vorrednerin: Sie haben sich eingebracht auf ihrer Ebene, haben einen Kurs übernommen, eine Werkstatt geleitet oder ähnliches. Das Nachbarschaftshaus selbst hat auch wieder eine Besonderheit,was die Leitung angeht.Es gibt nämlich nicht einen Leiter, sondern die Leitung teilt sich auf.Im Grunde gibt es Projektleiter und zwei dieser Projektleiter haben Leitungsanteile.Es ist natürlich mitunter ein bisschen kompliziert,sich abzustimmen und Grenzen zu ziehen. Schwerpunktmäßig leitet die eine Leiterin mehr den administrativen, operativen Teil, die andere mehr den konzeptionellen Bereich. Scherer: Diese Doppelkonstruktion,die ich auch von anderen Einrichtungen kenne, ist sehr problematisch. Besonders wenn der geschäftliche und der ideelle Bereich nicht in einer Person vereinigt sind, entsteht möglicherweise die Frage,wo läuft es lang,wer hat den Hut auf,das Geschäft oder die Idee? O> Ich bin im Bezirk Berlin-Marzahn in der Jugendförderung und vernetze da zwei Sozialräume. Für Kernfragen ist im Bezirk der Jugendhilfe-Ausschuss,für inhaltliche Fragen sind wir als Jugendförderung vom Amt koordinierend, vorbereitend, fördernd, beratend tätig. In der Praxis sind dann die Einrichtungen der Kommune für ihre Entscheidungen zuständig. Es gibt ein Gremium, das das Amt in bestimmten Detailfragen berät, es gibt Vernetzungsrunden, wo freie und kommunale Träger zusammen gucken, was ist hier nötig, was brauchen wir, was wird hier gemacht,gibt es Probleme? Scherer: Das sind aber keine Entscheidungsgremien. Vorredner: Das sind inhaltliche Entscheidungsgremien. Da kann entschieden werden, wir wollen hier zusammenarbeiten.Natürlich,bestimmte Entscheidungen sind da nicht drin,z.B.Finanzen werden da nicht entschieden, aber inhaltliche Arbeit.Wenn entschieden wird,hier muss für diese Jugendgruppe etwas passieren, so etwas ist möglich. O< Ich bin Projektkoordinatorin im Stadtteiltreff Kaulsdorf-Nord in Berlin, das ist ein Projekt von Paula e.V. Die Rechtsform ist ja im Namen enthalten. Ich bin eine von drei Koordinatorinnen, unsere Entscheidungen werden vor Ort im Team getroffen. Kaulsdorf-Nord gehört zu Hellersdorf.Paula e.V.ist ein Westträger,der in den Osten gegangen ist.Unser Team ist absichtlich so besetzt worden, dass Mitarbeiter aus der ehemaligen DDR und aus dem Westen zusammenarbeiten. Entscheidungen, die unsere Arbeit direkt vor Ort betreffen, fallen im Team. Dazu zählen u.a.auch konzeptionelle Veränderungen,die

jetzt anstehen.Wir bereiten eine lokale Partnerschaft vor, werden eventuell auch einen Stadtteilbetrieb gründen und beteiligen uns natürlich an der Diskussion bezüglich der Stadtteilzentren.Unsere Arbeit ist im Moment überwiegend generationsübergreifend und gemeinwesenorientiert,wobei wir nicht im Kinder- und Jugendhilfebereich arbeiten. Und wir arbeiten mit Freiwilligen, einer hat sich auch zu dieser Fachtagung angemeldet. Scherer: Die formale Struktur Verein, spielt die eine Rolle? Vorrednerin: Ja, die spielt insofern eine Rolle, dass wir nur ein Projekt von Paula sind.Und Paula gehört zu einem so genannten Projekteverbund. Der Verein spielt nicht nur formal eine Rolle, sondern einmal pro Woche trifft sich der Paula-Geschäftsführerkreis. Es steht den Mitarbeitern offen,daran teilzunehmen. Scherer: In welchem Verhältnis steht der Geschäftsführungskreis zur Vereinsstruktur? Der Verein hat ja wahrscheinlich, wie jeder bürgerliche Verein, einen Vorstand, ein Geschäftsführungskreis kommt wahrscheinlich in der Satzung nicht vor. O> Das ist eine komplexe Struktur.Vielleicht kann ich das zusammenführen. Ich arbeite beim TechnologieNetzwerk Berlin e.V., das ist ein Verein. Wir arbeiten im Bereich Forschung, Bildung und Beratung, Gemeinwesenarbeit, Gemeinwesenökonomie und im Bereich europäischer Austausch.Ich bin Koordinator eines europäischen Netzwerkes zu den Themen Gemeinwesenökonomie und Lokalökonomie. Zur Struktur: Das sind drei Vereine,die gehören zum Paula-Projekte-Verbund.Paula e.V. ist ein Verein, Technologie-Netzwerk ist ein Verein, der dritte ist Kommunales Forum Wedding e.V.,Wedding ist ein Stadtteil von Berlin.Es gibt einen Geschäftsführungskreis, das ist so eine Art Kollektivrunde, wo sich alle Mitarbeiter aus allen Projekten, allen Vereinen, treffen können. Diese Runde trifft sich einmal in der Woche, tatsächlich nehmen gar nicht alle daran teil, sondern es trifft sich ein Kernkreis von Leuten,die schon lange dabei sind. Projekte, die vor Ort arbeiten, wie aus BerlinHellersdorf,nehmen unregelmäßig daran teil.Früher gab es noch eine Kiezküche im gleichen Ort, davon hat niemand teilgenommen,da gab es kein Interesse.Dieser Geschäftsführungskreis trifft im Prinzip die Hauptentscheidungen.Vereinssatzungen werden in den Vereinen entschieden, aber in erster Linie in diesem Geschäftsführungskreis vorbereitet. Das ist bei uns eine reine Formsache, diese Vorstandstätigkeit, diese Vereinstätigkeit. Die entscheidenden inhaltlichen und praxisrelevanten Entscheidungen werden in den Teams getroffen. Scherer: Das sind Teams von Leuten, die dort auch beschäftigt sind.Also ist es in der Realität eher eine genossenschaftliche Struktur. O< Arbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte in Bottrop.Wir machen Kinder-,Jugend- und Erwachsenenarbeit im sozialen Brennpunkt,früher in einer klassischen Obdachlosensiedlung, heute auf den Stadtteil ausgedehnt.Der Verein ist entstanden vor 30 Jahren als klassi-

scher Bürgerinitiativ-Verein mit ganz viel Ehrenamt und ganz wenig Hauptamt. Das hat sich sehr geändert: relativ gute hauptamtliche Besetzung,sehr wenig Ehrenamt. Die Vereinsstrukturen sind aber noch die von vor 30 Jahren, was heißt, es müssen formale Wege eingehalten werden, wie eine jährliche Mitgliederversammlung, die aber so ein bisschen eine Alibi-Veranstaltung geworden ist, letztendlich aber immer noch über Satzungsfragen und Konzeptionsänderungen entscheiden muss,die aber natürlich vorher im Team zusammen mit dem ehrenamtlichen Vorstand vorbereitet werden.Wir hatten eine Zeit lang eine Entwicklung,dass das hauptamtliche Team immer mehr Entscheidungskompetenzen bekommen hat. Wir versuchen jetzt wieder, eine Wendung zu machen und den Vorstand wieder mehr ins Boot zu holen, auch bei inhaltlichen Fragen. Was wir jetzt inhaltlich in der Arbeit ganz stark forcieren, ist eine stärkere Mitbestimmung der Kinder, der Jugendlichen und der Erwachsenen, weil uns das bei der Professionalisierung irgendwann abhanden gekommen war. Es gab zwar immer noch Plenen, woran noch drei Aktive teilnahmen. Jetzt gucken wir, wie wir die wieder mehr einbeziehen können. O< Von der Stadt Kreuztal bei Siegen.Ich arbeite in der AWO-Beratungsstelle in einem Stadtteilbüro. Der Kreisvorstand trifft die Hauptentscheidungen,aber wir in den Institutionen fällen die Entscheidungen vor Ort,was den Inhalt anbelangt. Das ist natürlich auch abhängig vom Geld und von den Angeboten, die überhaupt möglich sind.Wir entscheiden im Team,das sind die Hauptamtlichen.Unsere Arbeit ist Gemeinwesenarbeit,also Arbeit mit Erwachsenen, aber auch mit Kindern und Jugendlichen.Und wir versuchen jetzt, das Ehrenamt mehr einzubeziehen. O> Ich komme vom Nachbarschaftsheim Neukölln in Berlin und habe ein besonderes Problem,weil ich dort ein ziemlicher Frischling bin und daher vor allem die informellen Strukturen noch nicht durchschaue.Formell lässt sich sagen,das ist ein eingetragener Verein mit Vorstand, mit Mitgliederversammlung,mit Geschäftsführung.Und entsprechend, denke ich, werden auch formal die Entscheidungsstrukturen sein. O> Ich arbeite im Koordinierungszentrum auf lokaler Ebene in Berlin-Hellersdorf,im Osten von Berlin.Wir sind ein Arbeitsförderprojekt,Träger ist eine GmbH, die dann auch über alles,was mit Finanzen zu tun hat,entscheidet. Gleichzeitig sind wir Dienstleister für den Stadtbezirk,so dass alles,was inhaltlich läuft,auch mit dem Stadtbezirk abgestimmt ist. Was Bürgerbeteiligung betrifft, versuchen wir das, was an lokalen Agenda-Strukturen und Initiativen vorhanden ist, zu unterstützen, zu vernetzen und in diesem Zusammenhang verschiedene Formen der Beteiligung in verschiedenen Arbeitsgruppen und zu verschiedenen Themen auszuprobieren. Scherer: Bei Entscheidungen entscheidet der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin der GmbH? Vorredner: Die Geschäftsleitung entscheidet über alle finanziellen Belange oberhalb einer bestimmten Grenze. Das Inhaltliche passiert in den einzelnen Arbeitsgruppen, Wer hat hier den Hut auf?


im Projekt und mit der Projektleitung, wird aber auch monatlich der Geschäftsführung vorgestellt. O< Ich arbeite im Stadtteilausschuss Kreuzberg hier in Berlin.Das ist ein ganz kleiner Verein.Wir arbeiten in einem Team von drei Hauptamtlichen und haben auch nur einen Dreier-Vorstand. Die alltäglichen Entscheidungen im Zusammenhang mit den Projekten treffen wir im Team oder sogar alleine – je nachdem wie groß oder klein das Projekt ist.Wenn wir z.B. kooperieren mit Bürgerinitiativen oder anderen Vereinen, dann ist es in Abstimmung mit den anderen, also wirklich projektbezogen.Es findet auch einmal im Jahr eine Mitgliederversammlung statt, die zumindest über Satzungsänderungen entscheidet.Ansonsten versuchen wir,ganz viel,auch was das Konzept angeht, den Vorstand einzubeziehen. Wenn es Auseinandersetzungen gibt, versuchen wir auch, den Vorstand einzubeziehen, einfach als eine andere Perspektive.Und entscheiden tut letzten Endes der Vorstand. O< Ich komme aus dem Rabenhaus in Köpenick,das ist am Rande von Berlin. Wir sind ein kleines Nachbarschaftshaus,die Rechtsform ist ein Verein.Uns gibt es seit 1992, wir sind von Anfang an als Sparmodell gefahren und waren immer auf ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen.Wir haben seit 1992 einen kontinuierlichen Abbau an bezahlten Sozialarbeiterstunden, so dass die ehrenamtliche Arbeit für uns immer wichtiger wurde, um überhaupt existieren zu können. Und auch die hauptamtlichen Mitarbeiter arbeiten immer mehr ehrenamtlich, was zu Anfang eine Notwendigkeit war,mit der Zeit aber auch dazu führte,dass etliche Mitarbeiter ihre Arbeit ehrenamtlich weiterführen würden. Das ist eine neue Qualität, dass es uns ein Bedürfnis ist, dies auch weiterzuführen. Die täglichen Entscheidungen, was Projektinhalte,Angebote betrifft,werden im Team von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen gemeinsam beredet und beschlossen.Wir haben einen dreiköpfigen ehrenamtlichen Vorstand.Finanzielle Fragen,die Buchhaltung oder auch komplexe Fragen wie die Diskussion zum unlängst geschlossenen Vertrag – damit wollen und können sich die Ehrenamtlichen gar nicht beschäftigen,sie stecken da inhaltlich überhaupt nicht drin, das delegieren sie an die Hauptamtlichen und den Vorstand, das wird dann auf dieser Ebene entschieden. O< Wir sind zwei Ehrenamtliche vom Gemeinwesenverein Haselhorst in Berlin-Spandau. Wir sind seit 1984 dort, haben inzwischen zwei Treffpunkte, einen in der neuen Wasserstadt.Bei uns gibt es zunächst die Satzung, dann die Mitgliederversammlung, dann den Vorstand. Wir machen praktisch die Arbeit von der Geburtsvorbereitung bis zu alten Menschen, alles was vor Ort gewünscht wird,das versuchen wir aufzugreifen.Wir wohnen im Stadtteil,wissen was Sache ist,versuchen,uns den Gegebenheiten, ich will nicht sagen anzupassen, aber dieser Entwicklung zu folgen – z.B. Quartiersmanagement. Und wir entscheiden gemeinsam mit dem Team. Das ist deshalb einfach,weil der Vorstand von Anfang an ehrenamtlich mitarbeitet, in allen Gremien vertreten ist und auch weiß, was Sache ist. Wenn es Probleme gibt, entscheidet dann der Vorstand, über mangelndes Ehrenamt brauchen wir uns nicht zu beklagen,wir haben Wer hat hier den Hut auf?

ganz viele, wir sind auch Träger einer Schulstation. Und selbstverständlich nehmen wir auch an Stadtteilkonferenzen teil, und was Sie gesagt haben von der Jugendförderung,da werden natürlich auch Entscheidungen getroffen,wie sieht es aus im Stadtteil,was gibt es für Probleme,wo können wir einspringen,was können wir leisten. Das Problem ist die Finanzierung, aber das geht wahrscheinlich allen so. Bei uns sind aber nicht hauptsächlich hauptamtliche Mitarbeiter,sondern hauptsächliche ehrenamtliche Mitarbeiter. O> Ich lege großen Wert darauf,dass ich ehrenamtlich bin,ich bin Vorsitzender des Bürgerhauses in Oslebshausen, das ist ein Stadtteil von Bremen. Und bei uns bestimmen die Bürger.Wir,der Vorstand,sind Vollzugsleute dessen,was die Bürger wollen. Scherer: Das kann ja jeder sagen, und wie funktioniert das? Vorredner: Das funktioniert so, dass wir nur Leute aufnehmen als Mitglieder, die nachweisen können, dass sie ehrenamtlich für das Haus arbeiten und nicht nur den Mitgliedsbeitrag bezahlen.Das ist ein Unterschied zu einigen anderen,das haben wir im Laufe der Jahre so entschieden, wir bestehen jetzt 23 Jahre.Wir haben zurzeit 60 Mitglieder und der Vorstand bestimmt mit dem Geschäftsführer zusammen, wo es langgeht. Der Vorstand ist Arbeitgeber,und als solcher verstehe ich mich auch als Vorsitzender, der Verantwortung übernimmt.Wir haben im Vorstand eine strikte Aufgabentrennung, wer was zu erledigen hat, das wird vorher ausdiskutiert bzw. bestimmt.Wir hatten früher auch einen Verband,und wenn ich die Strukturen hier so höre,dann ist es genau das gewesen, was wir aufgelöst haben, nämlich die Endlosdiskussion mit dem Verband.Da waren acht Häuser drin,wir haben Geld gespart.Wir sind jetzt schneller und aktiver geworden,seit die Häuser selbständige Vereine sind. Scherer: Ich denke mal, das ist jetzt sehr gefährlich für mich als Geschäftsfüher eines Verbandes. Vorredner: Also diese Strukturen infrage zu stellen,das darf ich wohl als Ehrenamtler.Es ist sicherlich so, das sage ich mal ein bisschen ketzerisch,dass sich viele Hauptamtliche mit sich selbst beschäftigen, also nicht mit der eigentlichen Arbeit, diese Endlossitzungen usw. Ich bin ein bisschen enttäuscht,weil die meisten von Ihnen ja in Vereinen sind,wie negativ häufig über Ehrenamtliche geredet wird. Das liegt auch ein bisschen an der mangelnden Fähigkeit der Hauptamtlichen,die Ehrenamtlichen in die Arbeit einzubeziehen. O> Ich bin Mitarbeiter der Geschäftsführung der Volkssolidarität Spree-Neiße e.V.Die Volkssolidarität ist neben dem Mitgliederverband auch Träger einer Vielzahl von verschiedenartigsten Zentren, wie Altenhilfezentrum, Sozialstation, Kinderheim, Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit.Die täglichen Entscheidungen treffen die Teamleiter,die wichtigen Entscheidungen fallen in der Geschäftsführung und die ganz wichtigen trifft der Vorstand nach Vorarbeit und Zuarbeit durch die Geschäftsführung.Daneben gibt es empfehlend die Landesverbände,den Bundesverband,die,gerade was die Arbeit

als Mitgliederverband angeht, dort ganz stark Einfluss nehmen auf die Arbeit. O> Ich komme vom Sozialpädagogischen Institut, das ist eine Stiftung. Und wir haben den Auftrag, über Projekte was in Gang zu bringen.Wir sollen Jugendliche in Kreuzberg, Wilmersdorf, Steglitz, Schöneberg und Zehlendorf aufsuchen mit einem mobilen Ansatz, sie beraten,Berufsförderung,Benachteiligtenförderung,aus dem 100.000-Job-Programm entstanden,sie dem Arbeitsamt zuführen.Alles wird im Team besprochen. Scherer:Wobei die höchste Instanz im SPI der Vorstandsvorsitzende ist, der auch Geschäftsführer ist. Da ist also auch noch eine andere Struktur. O< Aus Berlin-Kreuzberg, wir sind ein eigenständiger Verein und gehören zum Nachbarschaftsheim Urbanstraße. Wir nutzen die Räume im Nachbarschaftsheim. Wie das Nachbarschaftsheim konkret organisiert ist,kann ich nicht sagen, außer dass es ein Verein ist. Wenn es Probleme gibt, lösen sie die Mitarbeiter oder die Geschäftsführung. Es gibt das Gesamttreffen,Aktiventreffen nennen wir es, das ist offen, da kann jeder dazu kommen, wo die wichtigeren Entscheidungen gefällt werden. Und wir haben uns intern eine Art Satzung gegeben. Ganz wichtige Sachen wie Teilnahmebedingungen usw.werden auf der Mitgliederversammlung besprochen.Ich finde schon,das ist ein spannender Prozess,überhaupt Strukturen zu finden, zu gucken, was geht und was geht nicht. Und das läuft gerade. O> Ich arbeite in der Zentrale des Kulturamtes in Hannover. Von daher sind die Entscheidungsstrukturen einigermaßen klar.Man könnte sagen,dass die Bürger an den Entscheidungen über die Ratsgremien beteiligt sind, aber das ist ein bisschen weit hergeholt.Meine Aufgabe ist die Entwicklung und Koordination von Stadtteil-Kulturangeboten im Osten von Hannover und in der Funktion bin ich auch gleichzeitig Entscheider,Vorgesetzter für die Mitarbeiter in diesem Bereich.Ich bin aber heute hier aufgrund der Fragestellung, welche Möglichkeiten man entwickeln könnte, um Bürger an den Kulturangeboten im Stadtteil zu beteiligen,und da vor allem im Bereich der kommunalen Angebote. O< Ich arbeite in dem Projekt ProBE,es geht um Unterstützung und Weiterentwicklung von bürgerschaftlichem Engagement in sozial-kulturellen Einrichtungen. Ich habe in dieser Funktion z.Z. mit zehn unterschiedlichen Einrichtungen zu tun, wo sich das bestätigt, was auch in dieser Runde sichtbar wird, dass es sehr unterschiedliche Strukturen gibt, dass sie auch sehr abhängig sind von Formen,von Geschichte,von Ausprägungen der Einrichtungen.Ein Bestandteil meiner Arbeit ist zu erforschen,was sind vorhandene Strukturen und wie hängen die zusammen mit informellen Strukturen, was ist eine Kultur der Zusammenarbeit, welche Haltungen gibt es zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen? Monika Schneider: Ich bin die ehrenamtliche Vorsitzende des Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit.Es gibt eine traditionelle Struktur in unserem Verband, dass im Vor-


stand viele Menschen waren,zumindest über lange Zeit, die aus Mitgliedsorganisationen kommen. Ich bin irgendwann meinen Job in einer Mitgliedsorganisation losgewesen, bin aber immer noch im Vorstand und seitdem beschäftigt mich zunehmend die Frage,wie mache ich das im Alltag. Weil ich finde, es ist eine wesentlich schwierigere Situation,in so einer Verbandsstruktur eine losgelöste ehrenamtliche Tätigkeit zu haben.Meine Verbandskollegen,die alle aus Einrichtungen kommen,sind natürlich auch ehrenamtlich tätig, aber ich habe noch nicht mal eine Einrichtung hinter mir. Scherer: Ich bin Geschäftsführer im Verband für sozialkulturelle Arbeit. Der Verein hat 32 Mitglieder, die sind selber Einrichtungen – die Berliner Nachbarschaftsheime. Und es gibt einen Vorstand, der ist paritätisch zusammengesetzt.Wir haben im Vorstand zwei Menschen von außen und zwei Menschen von Nachbarschaftsheimen, die selber Verantwortung in den Nachbarschaftsheimen haben,also Hauptamtliche sind.Wir haben gerade eine Satzungsänderung beschlossen,die übrigens viele Einrichtungen auch gemacht haben und die sicher recht problematisch ist. Nämlich: der Geschäftsführer nach § soundsoviel BGB ist alleinvertretungsberechtigt für bestimmte Projekte des Vereins – aus praktischen Gründen natürlich, aber gleichzeitig sage ich, dass der Vorstand einen Teil von seiner Entscheidungskompetenz dann auch abgibt und in die Rolle eines Aufsichtsrates für die Geschäftsführung rutscht.Viele Einrichtungen haben diese Entwicklung mitgemacht oder haben sie vorgemacht und wir haben das jetzt nachvollzogen, also da gibt es Änderungen,darüber müssen wir reden. Wir können uns jetzt inhaltlich mit einzelnen Themen beschäftigen. Und wir sollten uns entscheiden, an welcher Stelle wir einsteigen.Wo ist ein spannender Punkt? Gibt es Vorschläge? O< Es gibt ja einen Unterschied zwischen bürgerschaftlichem Engagement und direkter Beteiligung im Rahmen von Mitbestimmung in den Strukturen.Bei uns ist das eine sehr wohl da, das andere aber nicht. Meine Behauptung ist,dass bürgerschaftliches Engagement im Stadtteil und die Mitbestimmung innerhalb der Struk-turen eines Vereins oder Trägers oder innerhalb der Einrichtung nicht dasselbe ist. Man kann in einer Einrichtung sehr wohl bürgerschaftliches Engagement in Bezug auf einen Stadtteil haben und keine Mitbestimmung innerhalb der Strukturen. Mich persönlich würde das zweite Thema interessieren, wirklich genau zu durchleuchten, wie ist die Mitbestimmung, Mitarbeit und wirkliche Mitwirkung innerhalb der Einrichtung? Und wie kann man da Veränderungsprozesse in Gang setzen? Für mich ist das schon immer das Dilemma, wenn ich als hauptamtliche Mitarbeiterin sage, ich möchte, dass die Ehrenamtlichen mehr mitarbeiten,dann möchte ich das schon wieder und ich initiiere das schon wieder. Und ich frage mich,ob das auf dem Wege überhaupt geht.Wenn ein ehrenamtlicher Mitarbeiter käme und zu mir sagte, hier müsste jetzt mal was passieren, das würde mir leichter fallen,weil ich dann denke,da könnte ich anknüpfen und ich initiiere es nicht schon wieder als Hauptamtliche. O> Was heißt mitarbeiten – Kaffee einschenken und so was?

Vorrednerin: Ich meine mitbestimmen der Strukturen, das andere ist nicht mein Thema. O> Es geht also um Umbrüche, Aufbau neuer Strukturen, das hat ja damit zu tun.Ich würde gerne mehr dazu erfahren.So ist es ja oft:es passiert ein Umbruch,der sich über Jahre ankündigt, und plötzlich haben ganz andere den Hut auf als vorher.Wie ist das eigentlich gekommen, fragt man sich hinterher. O> Ich setze mich seit längerem in unserem Nachbarschaftszentrum mit dem Begriff Ehrenamt auseinander, der ja sehr verschieden besetzt ist.Was bedeutet der für mich? Was bedeutet das Denken oder Definieren im Kopf von Ehrenamt, macht man da nicht schon Schleusen zu für Leute, die sich engagieren wollen? Wir in Österreich verwenden eben diesen Ehrenamtsbegriff und das hat dann bei Leuten, die nur Kleinigkeiten tun wollen, eine abschreckende Wirkung.Viele Leute sind nicht in Vereinen organisiert,sind aber freiwillig für das Gemeinwesen tätig,auch wenn sie sich nicht in eine Rechtsform oder in eine Vereinsstruktur eingliedern wollen.Die Frage ist,wie könnte man die mit Know-how oder mit anderen Ressourcen unterstützen,dass sie das,was sie tun,noch besser machen können, man es ihnen erleichtern könnte. Und was bedeutet das dann für uns, die wir mehr in der Verwaltung sind,diese freie Weise,dass sie nicht Mitglieder und nicht Mitarbeiter sind, sondern einfach für das Gemeinwesen arbeiten.Was für eine strukturelle Veränderung bedeutet das für uns? O< Mich würde auch das Thema Umbrüche, neue Strukturen interessieren.In Hellersdorf finden Umbrüche statt, im Team wird beispielsweise diskutiert über das Zulassen von Aufgabenübertragung an Leute, die von außen kommen, die nicht hauptamtlich zu unserem Team gehören.Dieses Zulassen und Delegieren-Können, viele die in der Sozialarbeit tätig sind, können das nicht, weil sie immer meinen, dass sie für alles verantwortlich sein müssen. Und vielleicht können wir in dem Zusammenhang auch diskutieren,welche Formen sich anbieten würden, z.B. die Erweiterung bisheriger Sozialraumkonferenzen,die z.T.von den Ämtern vorgegeben sind,die zu tatsächlichen Bürgerforen zu erweitern. O> Für mich ist die Frage,gibt es Modelle,Erfahrungen, wie man Ehrenamtliche integriert, wie man sie auch finanziell unterstützen kann? Es wird immer gefordert, Ehrenamtliche sollen alle möglichen Aufgaben übernehmen,aber für eine angemessene Bezahlung.Und für mich ist es wichtig – ich komme aus der Benachteiligtenförderung – wie man sich in Nachbarschafszentren einbringen kann mit seinem Projekt, weil es oft Schwierigkeiten gibt. O> Ich verbinde mit dem Thema Bürgergesellschaft vor allem den Partizipationsanteil und die Frage, wo ist die Möglichkeit der Einflussnahme für die Bürger.Und in einer dieser Arbeitsgruppen geht es auch um die Abgrenzung zwischen so genannten frei-gemeinnützigen und obrigkeitsstaatlichen sozial-kulturellen Angeboten. Für mich ist die Frage, wie weit ergeben sich wirklich Möglichkeiten für die Bevölkerung vor Ort, auf diese Einrichtungen Einfluss zu nehmen.Und dann die Frage,wie vie-

le von den Leuten in den Vereinsstrukturen sind denn wirklich ganz normale Bürger? Oder sind irgendwelche Pädagogen in diesem Verein organisiert, die dann die Geschicke der Bürger genauso fernsteuern, wie so ein Großkonzern, wie Diakonisches Werk oder AWO oder Stadtverwaltungen? O> Zum Thema der Tagung – wie viel Bürgerbeteiligung braucht der Staat: Einerseits wird der Sozialstaat abgebaut, weil die ökonomische Krise es nicht zulässt, dass alle sozialen Dienste ausfinanziert werden können. Und daraufhin wird auf das ehrenamtliche Engagement der Leute spekuliert.Die Frage ist,wie weit ist Sozialstaat und ehrenamtliches Engagement zu verbinden? Haben die momentanen Tendenzen, dass man sozialstaatliche Aufgabenbewältigung durch ehrenamtliches Engagement ersetzt,überhaupt etwas zu tun mit partizipativen Elementen? Scherer: Das eine ist das Thema dieser Tagung und das andere ist das, was wir hier in diesem Workshop diskutieren. Und natürlich ist klar, das hängt zusammen. Ich will das vielleicht an einem Beispiel sagen. Die Berliner Finanzsenatorin, Annette Fugmann-Heesing, hat einen Vortrag über die Notwendigkeit der Bürgerbeteiligung gehalten. Und dann hat sie den sehr verdächtigen Satz gesagt,dass die Bürger dazu aufgefordert werden müssten,den Staat bei der Führung seiner Aufgaben zu unterstützen. Das ist in anderen Worten der Versuch, das Sozialstaatsdenken – es bleibt alles in den Händen des Staates,dort haben die staatlichen Institutionen den Hut auf – mit der Notwendigkeit der Beteiligung der Bürger auszustaffieren.Das wird ein Modell sein,dem wir Widerstand entgegensetzen müssen,so etwas wird nicht funktionieren.Ohne Beteiligung und ohne Partizipation wird dieser Aufruf verhallen,weil es dann nur darum geht,ehrenamtlich zu helfen bei dem,was sowieso schon da ist. Stichwort Umbruch und die Frage,welche Formen bieten sich an und welche Erfahrungen gibt es mit welchen Formen von realer Beteiligung und ist eine formelle Mitwirkung,z.B.in den formellen Strukturen,unbedingt notwendig oder auch sinnvoll oder absorbiert sie möglicherweise Energien? Oder umgekehrt die These:Ist ohne eine solche Mitwirkung in den Strukturen alles andere nur Kosmetik? Also, Provokation Nr. 1: Über die Bürgerbeteiligung in der Einrichtung in Oslebshausen wurde gesagt, bei uns haben wir gerade die Demokratie abgeschafft.Und das sagte ein Vertreter von real existierender wirklicher Bürgerverantwortung und Bürgerbeteiligung in der Rolle der Verantwortung.Das müsstest du vielleicht den Kollegen hier mal erklären, was du damit gemeint hast. O> Also,Demokratie abgeschafft,ist provokativ,wir haben sie nicht abgeschafft, nur war sie in der Form nicht mehr durchhaltbar.Wir waren mal angetreten,in Bremen in allen Stadtteilen ein richtig selbstverwaltetes Bürgerhaus zu machen,mit einem Dachverband.Und wir haben uns alle schön zurückgelehnt.Auch,weil ich sowohl zum Vorstand eines Vereines als auch zum Verbandsvorstand gehörte,haben wir gesagt:lassen wir den Geschäftsführer machen. Wir haben das nicht mehr durchgehalten, weil wir uns zu viel mit uns selbst beschäftigt haben. Auch haushaltstechnisch wurde dann der Verband so Wer hat hier den Hut auf?


aufgebläht, so dass wir gesagt haben, irgendwo kappen wir das jetzt – opfern wir ein Haus oder schaffen wir den Verband ab? Das ist von Untersuchungen und Gutachten begleitet worden. Dann waren wir auf einmal in der Situation, der Bürgerhaus-Verein ist Zuschussnehmer, d.h.der Verein kriegt den Zuschuss,ist Arbeitgeber und alles.Wir hatten demokratisch 13-18 Leute im Vorstand,die Alten,die Jungen,die Krummen,die Schwarzen,die Weißen,die Gelben,alles musste irgendwie im Vorstand vertreten sein. Und dies war für einen ehrenamtlichen Vorstand nicht mehr durchhaltbar. Wir haben uns also, von 19 Uhr bis Mitternacht über Taschentücher, die vor dem Haus lagen, über Reinigungsaktionen unterhalten, all das,was es immer so gibt.Das hält kein Mensch durch, das nebenbei zu einem ganz normalen Job zu machen. Dann haben wir in einer Nacht- und Nebelaktion mit 95% der Stimmen die Satzung geändert.Wir haben uns vom Anwalt eine anständige Satzung ausarbeiten lassen, haben den Leiter zum Geschäftsführer gemacht.Und der Vorstand besteht jetzt aus drei Leuten,wo die Aufgabenstruktur klar ist.Der Rest sind Arbeitsgruppen.Ich will als Beispiel die Dielendienste nennen.Die Dielendienste machen bei uns die Ehrenamtlichen,weil uns die hauptamtlichen Stunden zu schade sind. Meistens sind das junge Leute, die 7,50 DM die Stunde kriegen, die im Haus arbeiten,Getränke ausgeben,Schlüssel rausgeben für Räume,die vermietet werden usw.Das sind die Dielendienste am runden Tisch,das ist ganz bekannt bei uns.Jeder,der reinkommt, muss an den runden Tisch. Und die haben Sprecher.Und was ist Ehrenamt? Ehrenamt sind maximal noch die schlecht bezahlten Dielendienste.Ein Gruppenleiter,der neben seiner bezahlten Arbeit noch 20 Mark die Stunde kriegt, ist für mich kein Ehrenamtler mehr. Da fängt das vielleicht an sich zu scheiden. Diese Leute haben ebenfalls einen Vertrag,wo bestimmte Sachen geregelt sind.Das betrifft verschiedene Kursangebote,wo die Leiter einen Vertrag als Selbständige haben.Damit ist die Trennung da.Und intern ist es so,dass wir viele Dinge gemeinsam besprechen, wir machen Mitgliederversammlungen, je nach Bedarf, was ansteht im Haus, manchmal rappelt es,dann machen wir eben öfter eine,aber formal ist eine im Jahr zur Berichterstattung. Wir gehen dann über den Verein, über die 60 Mitglieder. Bei einer guten Mitgliederversammlung sind 25 oder 30 da.

O< Ich weiß nicht,ob das bei uns nicht eine Ausnahme ist, weil wir ja wirklich beide von Anfang an dabei sind. Und wir sind in der Arbeit mit drin,wir machen Gruppen, die ganze Geschäftsführung mache ich,was Buchhaltung und Personalkosten angeht.Es ist doch ein bisschen anders also woanders.Wir würden z.B.nicht sagen,du pass auf,wenn du hier bei uns drin bist und du machst nichts, dann kannst du nicht kommen. Wir haben ja auch Mitglieder, die uns einfach nur ideell unterstützen, die sagen, wir finden gut, was ihr für andere Leute macht. Aber die Leute zu motivieren, teilzuhaben an der Arbeit, die wir da machen, das kann natürlich kein Zwang sein. Es gibt Leute,die machen freiwillig z.B.Eltern-Kind-Gruppen oder so etwas,weil sie selber auch betroffen sind.Das kann nicht jeder. Es gibt manchmal schon Gruppen, da brauchst du eine Anleitung, da nimmst du jemanden rein, weil es doch Probleme gibt.Ich meine, warum treffen sich Eltern,unterhalten sich über Erziehungsprobleme? Da kannst du nicht sagen,nun tagt mal schön,und irgendwann ist alles bestens.Da musst du schon reingehen und gucken,was da Sache ist.Aber was ganz normale einfache Arbeiten sind, ob ich jetzt beim Stadtteilfest Hilfe brauche, ob ich Einkaufsdienste habe, ob ich sage, holt die doch mal ab, oder Ausflüge, die du machst, das funktioniert alles, ohne dass man sagen muss, ihr müsst das,ihr müsst das.Und die Struktur im Verein ist durch die Mitgliederversammlung,durch unsere Satzung,durch die Finanzierung vorgegeben.

Einwurf: Und diese Mitglieder sind alles Aktive,die müssen also alle aktiv sein,hast du vorhin gesagt.

O< Ich denke auch:wer traut sich denn schon mitzureden und wer traut sich,Verantwortung zu übernehmen. Freiwilliger Vorstand heißt ja nicht automatisch, dass er handlungsfähig ist. Für viele aus dem ehrenamtlichen Bereich ist es wahnsinnig viel Verantwortung, die sie da übernehmen,und es ist unklar,was da alles reinfällt.Es ist schwer,einen Einblick zu bekommen in Geschäftsabläufe, dass sie auch Anweisungen an die Geschäftsführung geben oder Forderungen stellen können.

Weiter: Die müssen, wenn sie aufgenommen werden, nachweisen, dass sie irgendwas im Haus ehrenamtlich machen. Honorarkräfte, habe ich gerade gesagt, die 20 Mark kriegen, gelten nicht als Ehrenamtliche.Bei uns dürfen Hauptamtliche nicht in den Vorstand, das ist per Satzung festgelegt. Scherer: Die Frage ist:funktioniert Demokratie wirklich gar nicht? Wenn ihr sagt, ihr habt die Demokratie abgeschafft,heißt es eigentlich nur,ihr habt die Quatschbude abgeschafft, damit es einen Vorstand gibt, der handlungsfähig ist.Das ist natürlich interessant,wenn man gerade nach Modellen guckt, wie man die Leute mehr beteiligen kann. Heißt das vielleicht, das ist eine Lehre? Könnt ihr etwas sagen, wie ihr das macht? Wie handlungsfähig ist euer Vorstand und wie demokratisch ist er? Wer hat hier den Hut auf?

Scherer: Heißt jetzt Mitglied zu sein, wirklich an der Macht teilzuhaben? Vorrednerin: An der Macht teilzuhaben, ist ein schwieriges Wort, an dem ich mich ein bisschen stoße. Die »Macht« der Mitglieder besteht darin, aktiv mitzuarbeiten und etwas zu verändern,ansonsten eigentlich nur in der Wahl,wenn ich das ganz hart sehe.Die Mitglieder sind für mich persönlich eigentlich das höchste Gremium,danach kommt erst der Vorstand,denn der Vorstand kann ja ohne die Mitglieder nicht agieren.Und in den Mitgliederversammlungen bestimmen ja auch die Mitglieder die Richtung.Solange sie nicht sagen,guck mal Vorstand,so geht das nicht, sind sie auch weitestgehend zufrieden und auch interessiert.

O> Ein eingetragener Verein,der öffentliche Gelder erhält, ist doch in der Art verantwortlich, ich bin doch persönlich haftend.Ich habe mal mit meinem Haus gehaftet für eine Million Zuschüsse. Da muss ich doch mitreden können! Vorrednerin: Das ist genau das Problem.Also wir sind im Moment auf der Suche nach einem Vorstand.Finden wir den überhaupt noch bei unseren ehrenamtlichen Mitar-

beitern oder müssen wir ihn uns von außen holen? Wir haben Kinder- und Jugendarbeit,wir haben einen Werkstattbereich,wir machen Kulturprogramme,das funktioniert.Aber wer übernimmt das für das Gesamthaus,eine Ausrichtung und auch eine Politik des Hauses nach außen und nach innen zu machen,das ist total schwierig. O> Aber das sind doch eingetragene Vereine.Und da ist das doch klar.Wenn der Verein Geld bekommt, dann ist der doch verantwortlich,nicht der Leiter,nicht der Hauptamtliche,sondern der Verein. Vorrednerin: Die Struktur ist klar.Es geht darum,wie finde ich unter den Mitgliedern Menschen,die diese Verantwortung übernehmen, mitreden wollen und sich so schlau machen,dass sie das auch können. O< Was mich noch interessiert: woran kann ich festmachen, dass Vereinsmitglieder wirklich so richtig mitentscheiden? Gibt es z.B.einen Mitarbeiter, der sagt, wir machen jetzt ein neues Projekt auf,mit Finanzierung und so.Wer entscheidet das? Bei grundlegenden Entwicklungen des Hauses entscheiden die Vereinsmitglieder so etwas mit bzw.der Vorstand. O< Kein Mitarbeiter kann bei uns sagen, ich mache jetzt ein neues Projekt.Letztlich entscheidet das der Vorstand, der Vorstand besteht aber nicht aus einer Person, sondern aus der Gruppe, aber kein anderer entscheidet. Erst wenn der Vorstand entschieden hat,kann ein Projekt anfangen. O> Ich denke, es ist sehr hilfreich, die Entscheidungsstrukturen ganz klar zu kennen, sich nicht hinter dem Begriff Team zu verstecken. Es muss klar sein, wo die Entscheidungen gefällt werden. Wir haben genau die Probleme, die hier genannt wurden, auch festgestellt, nämlich welcher Ehrenamtler erklärt sich überhaupt noch bereit, bei Aufgabenfeldern, die er selber kaum überblicken kann,Verantwortung zu übernehmen.Klassisches Beispiel: Bei der Kulturinitiative soll ein neues Haus gebaut werden,es geht um 300.000-400.000 Mark. Vorstand sagt, ältere Dame, sehr lieb, hat zehn Jahre im Verein mitgearbeitet: ich kann nachts nicht mehr schlafen,ich weiß nicht,was da läuft,ist nicht mehr mein Einfluss, ich trete als Vorstand zurück. Auf solche Sachen muss man eingehen.Wir wollen das dadurch hinkriegen, dass wir als oberstes Ziel die Ehrenamtler behalten und stützen.Wir müssen sie dann aber von dem Teil des Geschäftes entlasten,der für sie nicht mehr zu vertreten ist. Also wir wollen sie vom Tagesgeschäft entlasten,das mit Abwicklung und Abrechnung und solchen Geschichten zu tun hat. Da lauern Gefahren, die kann ein Ehrenamtler kaum überblicken. Es gibt in einer GmbH Gesellschafter,die sind Eigentümer und das sollen in diesem Falle die Mitgliedsvereine werden.Also die Vereine kaufen Anteile an dieser GmbH und sind Eigentümer und haben damit die Möglichkeit, die Ziele und Bewegung dieser Gesellschaft, die politische Steuerung mit zu übernehmen.Und gleichzeitig bleiben die einzelnen Bereiche, Kulturinitiative, Jugendzentrum selbstständig.Diese Vereine werden ihr Budget weiterhin selbst verwalten. Die Beteiligung bleibt zum einen vor Ort,bei den Angeboten,die sie gemacht haben und ma-


chen, zum anderen können sie auch noch auf den Gesamtbetrieb, der mit für den ganzen Stadtteil zuständig ist,Einfluss nehmen. Scherer: Entscheidend ist – vertreten wird die GmbH durch den Geschäftsführer. Vorredner: Das macht die Geschäftsleitung – ob einer oder zwei. Das ist rechtlich ganz klar geregelt. Den Vorstand gibt es nicht mehr.Es gibt nur noch die Vereine,die Vereine sind Gesellschafter und die Gesellschafterversammlung benennt den Geschäftsführer und der hat die Haftung.Die Entscheidungen werden dort gefällt,wo sie auch zu vertreten sind.Das ist der entscheidende Unterschied. Die Rechtsprechung ist allerdings in letzter Zeit zunehmend so, dass die Durchgriffshaftung auch auf Vorstände ausgedehnt wird, die werden zunehmend so behandelt wie Geschäftsführer in GmbHs. Gerade bei Lohngeschichten haftet auch der Vorstand eines Vereins. O< Aber nur,wenn sie sich wirklich schuldhaft verhalten haben. O> Ich finde, diese Diskussion führt jetzt in eine völlig falsche Richtung.Wir sollten doch wirklich ein bisschen über Partizipation diskutieren. Man kann einen Verein, der Ehrenamtlichkeit organisiert, natürlich autoritär führen,man kann ihn aber auch demokratisch führen.Ist nur die Frage, was kommt dabei raus, was für eine Qualität haben die Leistungen und wie sieht die Identifikation der Beteiligten in den Vereinen aus? Darüber kann man reden – das hat aber erst mal mit Partizipation nichts zu tun.Insofern sollten wir uns entscheiden,worüber reden wir hier eigentlich? Ich finde diese Frage der Partizipation, wie sie vorhin von dem Kollegen aus Hannover angesprochen wurde, ganz interessant. Ich würde gern in der Richtung diskutieren. O> Es kann durchaus sein,dass man u.U.keinen findet, der bereit ist zu sagen,ich mache hier den Vorstand.Man muss dann schon nach Entlastungsmöglichkeiten suchen. Und ich glaube, das hat auch noch eine andere Komponente, wenn das, wie bei uns, als bundesweiter Verein geführt wird,wo man Mitglieder in allen Bundesländern hat, die unterschiedliche Bedingungen vor Ort haben, da ist es schon schwierig, Leute zu finden. Und man muss es dann letztendlich auch pragmatisch ausrichten,das ist auch ein Unterschied zu den bisher vorgestellten Modellen, man muss pragmatisch danach entscheiden,wer bereit ist,diese Arbeit zu tun. O> Ich verstehe das irgendwie nicht.Ein eingetragener Verein ist ein eingetragener Verein, da gibt es Gesetze und da gibt es einen Vorstand.Und der hat dann im Sinne des Gesetzes zu handeln.Wenn der Verein Zuschüsse bekommt, hat er im Sinne der Verwendung von Mitteln nach der Landeshaushaltsordnung zu agieren. Das können sie mit den Hauptamtlichen gemeinsam machen.Ich habe einen Geschäftsführer,der hat einen Vertrag,wo das drin steht.Und wenn er Mist macht,kriegt er ein Disziplinarverfahren an den Hals. Und er wiederum ist Dienstund Fachaufsicht für die Mitarbeiter des Hauses und hat dem Vorstand Rechenschaft abzulegen.Und wenn es da einen Streitfall gibt,ist es der Vorstand,der diesen Streit-

fall beendet.So einfach sind die Linien.Jetzt komme ich zur Mitbestimmung. Die Mitgliederversammlung bestimmt, was wir machen wollen. Und das ist der Unterschied zu dem, was bei euch ist. Ad hoc gibt es nicht. Es gibt bei uns z.B.den Grundsatz,dass in den nächsten zwei bis drei Jahren Jugendarbeit Vorrang hat. Das ist der Auftrag, den die Hauptamtlichen über den Vorstand bekommen,dann haben sie ein Konzept zu entwickeln,wie sie sich diese Jugendarbeit vorstellen.Und das tragen wir dann gemeinsam.Ich weiß,dass die Hauptamtlichen ein Problem damit haben, das ist seit 20 Jahren so. Das hat mit Kommune nichts zu tun, sondern die Leute, die aus dem Stadtteil kommen, wissen doch am besten, was im Stadtteil ist, die Hauptamtlichen wohnen nicht alle im Stadtteil. Und wir sind doch als Bürgerhaus dazu da, die Bedürfnisse des Stadtteils abzudecken.Dafür sind wir angetreten,und das ist die Idee,die mich vor über 25 Jahren zu dieser Ehrenamtlichkeit gebracht hat, diese faszinierende Idee, so etwas im Stadtteil zu machen und die Bürger einzubinden.Ich tue das,auch wenn es schwieriger geworden ist – und das sagen alle Vereine – jemanden für zwei Jahre zu wählen,mit allen Risiken,die dabei sind.Auch das haben wir gehabt.Da sind wir hingegangen und haben gesagt, wir wollen öffentlich erklären, wir – die ehrenamtlichen Vorstände – können nicht unser kleines Häuschen da hineinziehen.Da hat die zuständige Senatorin gesagt, das ändere ich. Ich befreie euch von der Haftbarkeit.Damit ist auch das erledigt. O> Was passiert,wenn da wirklich Leute kommen und was tun wollen in dem Bürgerhaus oder dem Zentrum, das mit dem Vorstand nicht übereinstimmt? Das sind doch Bürger von dort und die wollen partizipieren. O> Wir haben bis jetzt noch die Möglichkeit,jedem,der was machen will, die Möglichkeit zu geben, das zu tun. Denn Schlange zu stehen, um was zu tun, das wäre mir neu,dass das der Fall ist. O> Ich bringe ein Beispiel.Zu mir kommen Ehrenamtliche,sagen,sie wollen am Wochenende einen CaféhausBetrieb einrichten bei mir im Zentrum.Das kann ich nicht genehmigen, wenn ich es verantworten muss und nicht da bin am Wochenende.Ich muss einen Schlüssel hergeben, ich muss die ganze Haftung übernehmen, aber ich kann und will es nicht verantworten. O> Das ist bei uns gang und gäbe. Ich habe es vorhin gesagt mit den Dielendiensten. O> Ja,bei euch ist es gang und gäbe,aber vielleicht ist es in anderen Punkten ein Problem. O> Bei der Partizipation stellte sich oft die Frage, wie kann man Leute reinholen, beteiligen. Die Frage auf der anderen Seite ist, wie sehen denn die Beteiligungswünsche aus? Und sind das nicht eigentlich welche, die sich eher konkret auf Projekte beziehen? Das war aus den Interviews,die ich geführt habe,oft das Fazit,dass Leute sagen,die Bürger oder Nutzer,wie sie bezeichnet werden, wollen gar nicht unbedingt strukturell eingebunden werden, dazu haben sie gar keine Lust, wollen nicht in den Gremien sitzen, wollen nicht dauerhaft verantwortlich gemacht werden, sondern die wollen sehr konkret, auf

bestimmte Projekte bezogen, Ansprüche befriedigt sehen.Da die Schnittstelle hinzukriegen, ist das nicht eher die Frage? Scherer: Es gibt aber dieses Beispiel aus Wien, wo die Bürger etwas ganz bestimmtes wollen, aber wegen der Strukturen können sie es nicht machen. O> Unter Partizipation verstehen wir doch wohl, dass die Leute,die von der Arbeit konkret betroffen sind,Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte kriegen. Ich habe die Erfahrung gemacht,dass Pädagogen besonders stark den Drang entwickeln,autonom zu arbeiten und sich weder von Vorgesetzten noch von Nutzern gerne sagen lassen,was sie zu tun und zu lassen haben.Wie sieht es aus, wenn sich jetzt die Bürger gegen ein fachliches Interesse der pädagogisch Tätigen äußern? Das klassische Beispiel: Da ist eine Initiative gegen die 30% Ausländer im Stadtteil,die fordert eine Veranstaltung zu diesem Thema,damit die abhauen.Also die Frage,wo ist diese Schnittstelle, bis wohin geht Bürgerbeteiligung und wo fängt Fachlichkeit an? O< Wir haben eine Menge geschaffen, das auch auf Interesse stößt,das hat mich bei Ihnen vorhin sehr fasziniert,als Sie gesagt haben,»das war damals meine Motivation, was zu machen, für mich und für den Stadtteil«. Wie kann man ein solches Milieu schaffen, fördern und erhalten? Bei uns sind da totale Rückzugsprozesse, die Leute haben keinen Bock mehr,höchstens noch,wenn sie direkt einen Nutzen davon haben, ganz simpel z.B. im Jugendzentrum eine Party zu organisieren oder so.Was kann man für ein Milieu schaffen, wo direkt sichtbar ist, da geht es nicht nur um Diskussion,denn da schalten die sofort ab, sondern wo sie direkt was draus ziehen. Wie kann ich das nach außen vermitteln,ohne dass es wieder gleich heißt,dass ich alle abschrecke? O> Man muss differenzieren,was für Beteiligungswünsche es gibt. Auf der einen Seite machen wir positive Erfahrungen mit Projekten draußen im Stadtteil.Und bei uns im Haus haben wir eben das Problem, dass diese Aktivierungsprozesse immer von uns ausgehen,von den Hauptamtlichen. Wie geht man mit so einer Situation um, wenn ein hoher Anspruch an Selbstverwaltung so zurückgefahren wird, sich aus dem Bereich niemand mehr zu Wort meldet, wenn es um inhaltliche Dinge geht? Bei der Jugendarbeit wird z.B.gesagt,dafür haben wir doch Leute angestellt,das sollen die mal machen.Das meinte ich vorhin mit Verantwortung übernehmen – sich nicht nur in fertige Strukturen reinzusetzen, sondern auch Inhalte mitdiskutieren zu wollen und zu sagen, ja das brauchen wir, die Richtung soll es sein, und damit dann auch den Vorstand zu beauftragen.Aber diese Ideen müssen ja erst mal da sein und dann diskutiert werden und dafür muss es eine Basis im Haus geben.Und wenn man drinsteckt in dem Dilemma, weiß man oft nicht mehr, wie man sich gegenseitig aktivieren kann. Das ist die Fragestellung, mit der wir uns in den letzten Jahren beschäftigt haben. O> Die Partizipation lebt davon, dass die Leute ernst genommen werden.Das ist eine ganz wichtige Sache und dass sie mit den Arbeiten, die sie übernehmen wollen, Wer hat hier den Hut auf?


auch eine Verantwortung übernehmen.Es ist äußerst bedauerlich, dass beispielsweise die Leute in Wien den Schlüssel nicht gekriegt haben, um ihren Cafébetrieb durchzuführen. O> Haben sie dann doch,aber ich habe gezittert. Vorredner: Wir diskutieren die ganze Zeit von der Seite des Haftungsanspruchs her.Wir reden zu wenig von der wirklichen Beteiligung der Leute, die Haftung ist doch nur die andere Seite der Medaille.Die sollte eigentlich in den Hintergrund treten, das kann nicht der Ausgangspunkt unseres Denkens sein. Wenn jemand kommt, der fragt doch nicht als erstes, wie sind die rechtlichen Bedingungen, sondern er fragt, was kann ich machen? Ich frage nach der Partizipation, die ich haben möchte, wen ich einbeziehen will und vor allen Dingen,was die Leute selber machen können oder sollen. Die Einrichtung, der Verein, der Träger kann nicht bestimmen, was die Leute machen sollen.Wenn ich Stadtteilarbeit mache,dann ist es das Anliegen der Leute, selber zu bestimmen, was sie machen wollen. Und dann bin ich nur Teil einer Einrichtung, die etwas zur Verfügung stellt, so ähnlich wie die Nachbarschaftshäuser das mal gemacht haben. Und da können sich die Leute dann beteiligen, da können sie auch Verantwortung übernehmen. Die rechtliche Ebene sollte die Hülle sein, das notwendige Fundament, damit die Leute überhaupt handlungsfähig werden. O> Ich bin in Marzahn in der Jugendförderung für Jugendklubs zuständig,und für mich geht es auch darum: Wozu beteiligen? Für mich ist der wichtigste Grund für die Beteiligung von Jugendlichen, dass sie sich entwickeln können, damit sie Demokratie lernen.Wozu soll Beteiligung führen? Im Stadtteil, in der Jugendeinrichtung oder wo sonst, was sollen die Leute denn machen, wo sollen die sich hin entwickeln,das ist meine Frage als Stadtteilbetrachter. O> Ich finde das eigentlich erschreckend.Es kann doch wohl nicht sein, dass ein hauptamtlicher pädagogischer Mitarbeiter sein gutes Geld kriegt für inhaltliche Arbeit und dann aufpasst auf eine Kinderdisco, die da stattfindet. Da gibt es doch genug Leute, die das ehrenamtlich machen. Und mit einem ganz einfachen Vertrag mache ich das, damit bekommst du Hausrecht, die Verantwortung geht an dich,hier hast du den Schlüssel.Wir erwirtschaften ein Drittel der Gesamteinnahmen über Vermietung. O> Das muss der Vorstand beschließen. Vorredner: Aber der Vorstand ist doch dafür da,Dinge zu machen oder eben Gelder zur Verfügung zu haben, die nicht staatlicherseits kommen,das machen wir über Einnahmen, über Eigenveranstaltungen, Kinderdiscos und ähnliche Dinge.Ich wäre doch bescheuert,wenn ich dafür auch nur eine hauptamtliche pädagogische Stunde einsetzen würde.Die sollen gefälligst ihren Job als Pädagogen machen und nicht als Cola-Verkäufer. Das kann ich doch vertraglich ohne weiteres ändern.Und wenn ich an Familienfeiern vermiete, dann setze ich auch einen Dielendienst ein,der muss bezahlt werden,der kriegt einen Vertrag,was er zu tun oder zu lassen hat. Wer hat hier den Hut auf?

Scherer: Es geht darum, dass du den Hut aufhast, deswegen kannst du das so sagen,und er hat den Hut nämlich nicht auf und muss mit denjenigen darüber reden,die den Hut aufhaben.Wobei seine Leute,die den Hut aufhaben, mit den Menschen, die etwas wollen, nicht unmittelbar in die Konfrontation gehen, sondern er steht dazwischen.Das ist eine andere Situation. Vorredner: Wir müssen gemeinsam mit den Hauptamtlichen die Ehrenamtlichen stärken. O< Was ist denn Partizipation, Mitbestimmung, Mitwirkung? Ich denke Mitwirkung ist manchmal sogar noch mehr als mitzubestimmen. Die Beispiele von Konflikten führen mich noch einmal auf den Begriff »Interessen«. Konflikte entstehen da, wo Interessen gegeneinander stehen oder wo sie unklar sind.Und ich denke,dass Strukturen für Partizipation bedeuten müssten,dass es so was wie eine Dialogform oder Kommunikation gibt,wo Interessen ausgehandelt werden können. Das kann ein Vorstand sein, das können Besprechungsformen sein. Ich glaube,dass es wirklich um das Aushandeln von Interessengegensätzen und Konflikten geht, dafür müssten Strukturen geschaffen werden. Scherer: Die Frage, die in dem anderen Workshop gestellt ist,was wollen die Leute eigentlich,ist ja hier auch gestellt worden. Wollen sie denn wirklich partizipieren oder ist das unser Wunsch,dass sie doch bitte partizipieren wollen sollen? O< Um mit einer Zusatzfrage anzuschließen,wo es um die Möglichkeiten und Formen geht: Partizipation steht und fällt vielleicht mit den Führungspersönlichkeiten,die im jeweiligen Kontext vor Ort zugange sind.Das hat was mit Macht zu tun, hat was mit Männern und Frauen zu tun,mit denen,die zuerst da waren,mit denen,die noch dazu kommen und die Geschichte von fünfzehn Jahren nicht kennen und trotzdem dabei sein möchten.Andere fühlen sich dann angepinkelt und sagen,nein,du nicht. O< Nutzer und Nutzerinnen,Ehrenamt,das scheint mir alles ein bisschen verwischt zu sein. Bürgerbeteiligung und Partizipation muss man jetzt in jeden Antrag reinschreiben, sonst kriegt man kein Geld mehr.Wenn man das aber dann auch tatsächlich macht,dann spielen wieder andere Mechanismen nicht mit. In Nordrhein-Westfalen gibt es das Programm »Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf«. Organisationen müssen da herangeholt werden aus dem Stadtteil,die Bürger sollen partizipieren,sollen mitentscheiden,wie ihr Wohnumfeld gestaltet wird. Das läuft ganz toll bei den Bürgern, bei den Organisationen,die daran beteiligt sind.Und es läuft genau bis zu dem Punkt,an dem Politik und Verwaltung ins Spiel kommen,da bricht sich das Ganze.Weil die nämlich längst nicht so fortschrittlich sind,wie z.B.das Land NRW. Dann sitzt da auf einmal die Kommune,da sitzen die Verwaltungsleute, die eine Historie haben in ihrer eigenen Berufsbiografie,die sich auf einmal miteinander vernetzen und Informationen austauschen sollen.Da gibt es so viele Widerstände. Und jetzt soll ich als Sozialarbeiterin die Leute bei der Stange halten,teilweise über Jahre hinweg und bei Entscheidungsprozessen,die sie überhaupt nicht mehr nachvollziehen können.Da kann ich die Leute

gut verstehen, die dann der Reihe nach sagen – und tschüß! Meine Frage ist,nimmt man die Bürger auf diese Weise wirklich ernst? O> Die Behörden zu einer Zusammenarbeit untereinander zu bewegen,ist das Schwierigste bei der Quartiersentwicklung.Das ist so gut wie unmöglich,das ist jedenfalls unsere Erfahrung. Aber eine andere Sache ist Partizipation und die Fragestellung,was wollen die Leute.Ich kann nur sagen,in der Aufbauphase haben wir die Leute motiviert zu eigenen Aktivitäten, bis etwas stand. Und dann wollten alle plötzlich nur noch die Beine hochlegen und bedient werden.Plötzlich hatten wir nur noch User, unsere Angebote, d.h. die Aktivitäten brachen zusammen. Und ich finde es dann durchaus legitim, dass ich mich frage,was will ich in meiner Arbeit.Und ich kann sagen,es ist mir dann vielleicht auch ein Stück weit egal,ob die Leute eine Partizipation wollen,ich will,dass sie sich beteiligen,dass sie Apathie und Ohnmacht überwinden, dass sie dieser Atomisierung der Gesellschaft entgegenwirken,dass sich nicht jeder in sein kleines Häuschen zurückzieht und abends sein Video anguckt. Sie sollen, wenn schon, dann wenigstens zusammen dasitzen und über den neuen Video-Beamer sich gemeinsam einen Film angucken und vielleicht hinterher darüber reden. Ich muss auch für mich, wenn ich professionell rangehe, definieren und dazu stehen, dass ich etwas von den Leuten will. Auf der anderen Seite finde ich es auch akzeptabel, wenn zu mir einer sagt, sag mal, du redest immer von Stadtteilkonferenz, ich wohne hier, du kannst gerne was machen, aber ich möchte abends zu Hause bleiben,ich arbeite den ganzen Tag,da will ich mich nicht noch mit 100 Leuten hinsetzen und labern.Ich finde,beides hat durchaus seine Berechtigung. Ich fordere sogar auch von den Mitarbeitern,dass sie sagen,was sie selber wollen, dass wir unser Ziel definieren, wenn wir tätig werden.Und davor darf man nicht zurückschrecken und immer nur fragen,was wollen die Leute. Scherer: These zu der Frage, was wollen die Leute: Sie wollen, dass nicht jemand anderes bestimmt, sondern dass sie das, was sie machen wollen, tun können. Das heißt jetzt nicht Partizipation, das heißt Interessen durchsetzen.Aber jetzt versuche ich noch mal,Partizipation zu übersetzen:Mitwirkung,es geht um »teilnehmen an«.Was ist jetzt aber Mitwirkung? Wir haben aus Bremen gehört, die »Quatschbude« wurde abgeschafft, die so zusammengesetzt war, dass jede Nutzergruppe im Vorstand vertreten war,um dort ihre Interessen durchzusetzen.Ist das Partizipation oder Mitwirkung? Möglicherweise ist es etwas ganz anderes, nämlich Interessengerangel. Mitwirkung würde irgendetwas Gemeinsames voraussetzen,an dem die einen und die anderen sich beteiligen.Und das führt mich zu der Frage:Ist es möglich, ohne ein gemeinsames Ziel zu haben und sich darüber zu verständigen, wirklich Mitwirkung zu haben? Oder werden nicht alle demokratischen Strukturen zu Interessengerangel-Gremien? Das als kleine Anregung für die weitere Diskussion. Und dann würde ich gerne zurückkommen zu der Frage, die ganz zentral war – Umbrüche. Da können wir diejenigen noch mal befragen, die Umbrüche erlebt haben oder vor Umbrüchen stehen.Wir haben das eine gehabt, wo es wegen der Verantwortlichkeiten und der Haftungs-


frage vom Verein zur GmbH geht. Wir haben aber auch verschiedene experimentelle Überlegungen angestellt, wie können wir mehr Beteiligung haben, als pädagogisches Ziel möglicherweise, aber vielleicht auch, um den Leuten noch mehr das Gefühl zu geben oder die wirkliche Situation zu geben,dass sie mehr mit dabei sind.Bei euch war das so,im Mittelhof,vielleicht kann der Mittelhof mal berichten, was eure Überlegungen waren oder wie der Auftrag aussah,von wo er gekommen ist. O< Der Auftrag kam aus zwei Richtungen.Einerseits ist es so,dass der ehrenamtliche Vorstand immer sehr vehement fordert, die Hauptamtlichen sollen sich mehr darum kümmern, dass ehrenamtliche Mitarbeiter ins Haus geholt werden. Daraufhin wurden dann aus dem Nachbarschaftshaushalt vor zwei Jahren zehn Stunden freigemacht für den Arbeitsbereich Werbung und Betreuung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Andererseits haben wir durch den Vertrag ganz klar seit dem 1.1.1999 die Aufgabe der Förderung von bürgerschaftlichem Engagement.Im Zuge der Umstrukturierung zu Stadtteilzentren ist das ein Aufgabenschwerpunkt, der auch Förderungsbedingung geworden ist.Diese beiden Interessen gibt es. Der Vorstand fordert also einserseits, da solle mehr passieren,hält sich aber andererseits aus allem,was in diese Richtung geht,sehr raus.Alles was ich anbiete und wozu ich einlade – es kommt nie ein Vorstand. Scherer: Kommt denn sonst jemand? Vorrednerin: Ja,es kommen mittlerweile Interessenten, es gibt auch schon eine ganze Menge Ehrenamtliche, also es funktioniert langsam. Scherer: Kannst du denn sagen,was die Leute wollen? Vorrednerin: Die Leute, mit denen ich viel zu tun habe, wollen Angebote machen.Was gut funktioniert bei uns ist die Idee Wissensbörse,also Kurse,und mehr wollen die nicht, sage ich mal ganz krass. Sei es das Einbinden in Strukturen,sei es ein eigenes Gremium zu kriegen,all das wird nicht unbedingt gewollt.Das ist aber doch schon unser Anspruch, Strukturen zu schaffen, in denen sich die Ehrenamtlichen wiederfinden und einen eigenen Boden kriegen in so einer Einrichtung. Und das wird nicht besonders gut angenommen.Es gibt inzwischen z.B.einen Ehrenamtlichen, der in der Öffentlichkeits-AG mitarbeitet, und es funktioniert wunderbar auf so einer Beraterebene und auch Entscheidungsebene, das ist also auch ein Entscheidungsgremium. Scherer: Das hatten wir übrigens in der letzten Woche diskutiert mit anderen Kollegen. Eine unbezahlte englische Kollegin sagte, bei uns gibt es nur Mitarbeiter und als Mitarbeiter haben wir Unbezahlten ein gleiches Recht wie die Hauptamtlichen,an Entscheidungen der inhaltlichen Arbeit mitzuwirken und brauchen nicht ein Extragremium,einen Zoo,ein Reservat. Vorrednerin: Ich verstehe das ein bisschen anders.Wir wollen uns nicht ehrenamtliche Helfer ranziehen,wie das früher war,es gab halt eine große Gruppe von Ehrenamtlichen,die wollten für »die armen Kinder« was tun – dieses ganz heroische Ziel. Sondern wir wollen eher Struk-

turen schaffen, die Nutzer und Nutzerinnen befähigen, die Arbeit mitzugestalten,indem sie uns ganz klare Aufträge geben. Die Kinder sagen, wir wollen dieses, jenes und das, und entscheiden, wenn sie das machen, dann muss vielleicht auch das und das wegfallen,also dass sie lernen,aha,es gibt eine gewisse Kapazität und einen gewissen Rahmen.In dem ist aber auch viel gestaltbar.Genauso gilt das bei den Erwachsenen.Ich kann eine Forderung stellen, aber ich muss sie dann auch mittragen.Ich kann nicht sagen, macht mal was für mich und nehme dann gar nicht selbst dran teil. Eigentlich geht es eher wieder um dieses »zurück zur Basis«.Dann ist auch entscheidend,dass projektorientiert gedacht wird.Ich glaube,die würden nicht kommen zu einer Versammlung,so, wir sprechen jetzt mal über das ganze Paket,über diesen Verein als solchen. Das wurde mir jetzt gerade wieder deutlich. Es gibt einen Ehrenamtlichen, der stellt sein Wissen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Punkt. Mehr will er nicht.Wir haben alles Mögliche versucht, auch dass wir dachten, das ist eine zu nüchterne Atmosphäre,man sitzt immer so in einem Raum.Gut,wir treffen uns also mal in der Kneipe,machen einen Stammtisch für Ehrenamtliche.Wer saß da? Da saßen die Hauptamtlichen,die Ehrenamtlichen waren nicht gesehen.Und ich denke,das sind so Sachen,wo man auch wieder über seine eigenen Ansprüche nachdenken sollte. Scherer: Welche Begrifflichkeit benutzt ihr denn bei dem Prozess,den ihr anstrebt? Vorrednerin:Wir nennen es bedürfnisorientiertes Arbeiten.Das steht auch in der Konzeption. Scherer: Das ist aber die Frage,wie spricht man die Leute an, wenn ihr sagt, ich möchte mit euch bedürfnisorientiert arbeiten? O< Genau dieses Problem möchte ich ansprechen.Wir stehen jetzt,Gott sei Dank,nicht in der Pflicht,zehn Stunden unserer hauptamtlichen Tätigkeit abzuzwacken,um Ehrenamtliche zu rekrutieren,fortzubilden oder ihnen zu sagen,was für Ziele sie haben sollen oder was für sie gut ist.Das ist auch teilweise so eine Erinnerung an die DDR, die wir tunlichst vermeiden. Sie wissen sehr genau, was sie wollen,wir müssen sie auch nicht befähigen – das ist vielleicht auch eine Definitionsfrage. Auch in unseren Kreisen reden wir so nicht.Wir bezeichnen unsere Arbeit als hauptamtlich, nebenamtlich, ehrenamtlich, bezahlt und unbezahlt,also es gibt ganz verschiedene Definitionen.Die Ehrenamtlichen sehen das aber noch anders,sie haben teilweise ganz unterschiedliche Ziele, sie können sich auch jederzeit aus ihrer Arbeit wieder ausklinken. Aber das gemeinsame Ziel ist, dass es unser Haus gibt, dass diese Möglichkeit bestehen bleibt,dass jeder,wann und wie er will,etwas tun kann.Wir haben eine ganz tolle Erfahrung gemacht während unseres Umzuges. Wir hatten kein Geld,den Umzug zu bezahlen,neue Möbel zu kaufen oder Malerzeug.Wir hatten über 800 ehrenamtliche Stunden.Und wir haben etwas ganz Tolles erfahren, wir wussten nicht, wie die Beteiligung sein wird, es kamen mehr als wir uns je erhofft hatten,und es ist jetzt ihr Haus. Es ist ein anderes Kiezgefühl. Wir haben seitdem auch einen anderen Zuspruch, dass Leute z.B. sagen, ich habe zwar keine Zeit, das ist mir auch alles viel zu kom-

pliziert, verstehe ich nicht, aber ich möchte das einfach unterstützen, ich werde Mitglied und biete euch meine Hilfe an,und es gibt wieder andere,die wollen mehr mitbestimmen.Also dieses zielgerichtete »um zu« – ich tue etwas als Pädagoge »um zu« – wer sind wir denn, dass wir ihnen sagen, was ihre Interessen sind. Das finde ich sehr problematisch. O< Ich möchte mal ein Beispiel erzählen, wie wir Beteiligung geschafft haben: Ein Auftrag, den ich mit meinem Arbeitsvertrag auch unterschreiben musste,war die Initiierung oder die Aktivierung von nachbarschaftlicher Selbsthilfe.Das fand ich damals als Arbeitsziel ziemlich arrogant, weil bei uns die Situation so war, dass ein Westträger in einen Ostberliner Stadtteil gegangen ist. Wir haben dazu ein Modell entworfen und nach der Methode Planning for real versucht,mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Dabei haben wir festgestellt, Planning for real geht allen am »hmm« vorbei, aber das Stadtteilmodell finden sie irre spannend, weil sich aus den Gesprächen darüber sozialraumbezogene Themen und Probleme für Informationsveranstaltungen ergeben haben.Wir machen einmal im Monat eine Informationsveranstaltung zu den vorrangigen Themen oder Problemen, die die Nachbarn tatsächlich interessieren. Bisher war es so,dass das Team für diese Informationsveranstaltungen Fachleute herangezogen hat, inzwischen haben wir auch eine Sozialraumanalyse gemacht.Ein Fazit war, die Leute besuchen die Informationsveranstaltungen, dort meckern sie erst mal ab, da übernehmen sie nicht selber Verantwortung, sondern möchten, dass jemand anderes Verantwortung übernimmt – um dann zu kontrollieren, ob das auch gemacht wird, was sie in dieser Info-Veranstaltung gefordert haben.Und um dann zu sagen,wenn es nicht geklappt hat,die da oben machen sowieso was sie wollen.Das ist ein Prozess gewesen,das ist immer noch ein Prozess, wenn man etwas entwickeln möchte. Ein interessantes Nebenprodukt, oder inzwischen eben nicht mehr Nebenprodukt, ist die Tatsache, dass bestimmte Sachen kein Ergebnis brachten.So brachte eine Begehung zu Verkehrsproblemen in diesem Gebiet kein Ergebnis für die Bewohner,weil sie selbst nicht beteiligt waren.Wir nehmen als Team vor Ort eine Vermittlerrolle ein, also wir haben in gewisser Weise auch diese Sandwich-Funktion: einmal haben wir die InfoVeranstaltung angeleiert, dann haben wir mitgekriegt, eine Idee wurde aufgenommen,aber eben nicht so realisiert, wie die Bewohner das gerne hätten. Jetzt können wir als Vermittler hingehen und sagen,wir erkennen das Problem auf der Seite und erkennen das Problem auf der Seite,und können die Leute,die immer nur meckern,ansprechen und tatsächlich fragen,möchten Sie etwas verändern? Wenn ja, dann können Sie sich in diese Begehungsgruppe einklinken. Sie haben offensichtlich ein ganz berechtigtes Interesse und möchten diesen Prozess auch kontrollieren. Und das nehmen die Anwohner so nach und nach wahr.Und für das Team ist noch mal wichtig, vor Ort zu sehen, das ist unser Arbeitsplatz, das ist aber nicht unser Zuhause.Diesen Unterschied zu machen, auch in bezug auf Räume vermieten, Schlüssel abgeben können und delegieren können,ist wichtig. Scherer: Könnt ihr aus Bremen das akzeptieren,dass es manchmal anders ist als bei euch? Wer hat hier den Hut auf?


O> Also ich kann allgemein etwas nicht akzeptieren: Wenn ich mir vorstelle,dass ich so angesprochen werden würde wie viele von euch die Leute ansprechen, würde ich mit entschiedener Abwendung weggehen.Diese Art: Jetzt machen wir ehrenamtliches Engagement, da nehmen wir zehn Stunden, da wird jemand delegiert, sieh mal zu, wie du jetzt ein paar Ehrenamtliche reinkriegst. Das sind Dinge, die nicht funktionieren. Deswegen sage ich:Bürgerhaus.Unser Haus steht in einem Stadtteil,Mittelstand,Handwerker,kleine Häusl,kein Drogenproblem, wesentlich mehr Alkohol, viele Werftarbeiter usw. Jetzt kommt der große Knall,Werftprobleme.Jetzt stehen auf einmal hundert Werftarbeiter, fünfundfünfzig, achtund-

fünfzig Jahre alt,vor der Tür,die von heute auf morgen arbeitslos sind.Da können wir uns nicht hinstellen und sagen, das interessiert uns alles nicht, wir haben doch unsere Programme.Da haben wir diese Menschen ins Haus geholt. Die kann ich nicht in die Altentagesstätte zum Kaffeetrinken tun,die sind voller Saft und Kraft.Wir hatten noch ein paar alte Werkstätten,die wir gerade auflösen wollten,weil kein Mensch die benutzte.Da fingen die an zu basteln und nach zwei Monaten hatten wir wieder funktionierende Kurse für Holzverarbeitung. Damit hatten die Hauptamtlichen nichts zu tun, die haben nur organisiert,dass es funktionierte,denn das läuft dann von selbst.

»Wer hilft hier wem und warum?«

Die Nutzung von Arbeitsförderprogrammen in der sozial-kulturellen Arbeit, Probleme und Lösungen mit Stephan Wagner, Berlin Vorstellungsrunde: O< Ich arbeite im Gemeinwesenverein HeerstraßeNord in Berlin-Spandau.Wir haben seit etwa 12 oder sogar 15 Jahren in Folge ABM-Stellen eingesetzt.Wir sind ein kleiner Verein, dementsprechend haben wir keine großen ABM-Projekte, sondern ein bis zwei, höchstens drei ABM-Beschäftigte bei uns gehabt.Zurzeit haben wir eine SAM-Beschäftigte und eine schon seit Jahren beschäftigte ehrenamtliche Mitarbeiterin.Meine Erfahrung ist:es gelingt um so besser,je besser die ABM-Kräfte oder ehrenamtlichen Kräfte ins Team integriert sind.Und je intensiver wir uns auch zuständig gefühlt haben, für eine Vollbeschäftigung zu sorgen. Entweder bei uns, und da gab es entweder Wechsel von ABM zu Honorarstellen oder sogar in auf drei Jahre befristete Stellen; oder eben die Möglichkeit für die ABM-Kräfte,Kontakte zu knüpfen zu anderen Trägern oder Einrichtungen,um dort weiterbeschäftigt zu werden. Insgesamt würde ich sagen, es waren immer gute Erfahrungen. Die Beschäftigten sind danach nie in ein richtiges Loch gefallen. O> Ich komme von der Kiezoase in Berlin-Schöneberg. Bei uns spielt die Einbeziehung von Arbeitsförderungsprogrammen eine sehr große Rolle. Seit etwa zehn Jahren haben wir in der Regel zwischen 20 und 25 Mitarbeiter aus ABM, SAM und was es so an verschiedenen Programmen gibt. Und wir sind sicherlich ein bisschen anders strukturiert, weil wir das Glück hatten, über eine relativ gute Anzahl von Stammkräften zu verfügen.Und unser Konzept war ein anderes.Wir haben Teams,die nur aus Stammkräften bestanden,umstrukturiert und haben verschiedene neue Projekte gebildet,weil wir fanden,es gab so viele neue Aufgaben,da wurden aus den Stammkräften Projektleiter.Wir haben jetzt eine Konstruktion, dass immer ein oder zwei Stammkräfte plus ABM, plus Praktikanten,plus SAM usw.Teams bilden in der Größenordnung von vier bis sieben Leuten. Insofern würde ich sagen,dass wir mit der Einbeziehung dieser Maßnahmen sehr gute Erfahrungen gemacht haben.Dann gibt es noch das Phänomen der Wiederkehrer.Wir haben welche, die Anfang der 90er Jahre auf ABM waren,zwei Jahre später wiedergekehrt sind auf SAM oder damals LKZ,dann späWer hilft hier wem und warum?

ter noch mal auf ABM,so dass es für sie zwar gewisse Pausen gegeben hat,wir aber kaum noch mitkriegen,dass sie gar keine Stammkräfte der Einrichtung sind,weil sie richtig mit hineingewachsen sind. Ein weiterer Vorteil war, dass durch die Differenzierung in diese verschiedenen Projekte auch neue Aufgaben wahrgenommen werden konnten, die dann z.T. so erfolgreich waren, dass wir in Förderungen reingekommen sind.D.h.wir konnten über ABM sogar Stellen schaffen.Wir sind keine Hochburg von Ehrenamtlichen. Das hat auch was damit zu tun, dass durch den ständigen Wechsel von Mitarbeitern aus ABM und anderen Programmen sehr viel Aufmerksamkeit auf den inneren Prozess in diesen Teams verwendet werden muss.Zahlenmäßig steht das in keinem Verhältnis – also wenige Ehrenamtliche, viele ABM und immer noch ein gesunder Stamm von Stammkräften. Es sind ca. 20-25, die in einer Maßnahme laufen, dazu dann noch mal 20 Stammkräfte, wobei von denen sieben ein gesondertes Leben führen ohne ABM – das ist eine Familienberatung– und der Rest,die 13,das sind die Stammkräfte,die mit den 20 ABM-Kräften arbeiten. O> Ich komme aus Köln, arbeite bei dem Träger Internationaler Bund,Arbeitsprojekt,was ausgegliedert wurde aus dem e.V. der Bundesverwaltung, habe da mit Arbeitsprojekten,die über die Stadt laufen,und mit ABM zu tun.Ich selber arbeite in der Jobbörse,wo wir im Auftrag der Stadt Köln Langzeitarbeitslose in Arbeit vermitteln sollen, sprich auf den ersten Arbeitsmarkt. Da habe ich mit einer Vielzahl von Klienten zu tun, die alle diesen Lebenslauf haben,wo man immer auf ABM kommt,dann wieder anders finanziert,dann wieder raus,dann wieder 1.Abeitsmarkt.Dieses Projekt ist prämienfinanziert,letztlich kopfgeldmäßig, was ganz neu ist auch für die freien Träger. Das Ganze ist angesiedelt in einem Stadtteil, der die höchste Arbeitslosigkeit in Köln hat.In diesem Projekt haben wir mehrere Gewerke,wo alle,auch die Vorarbeiter über ABM finanziert sind.Und ich soll die Leute wieder in den 1.Arbeitsmarkt bringen. O< Ich komme vom Kiek in e.V. Berlin. Wir haben in Marzahn ein Nachbarschaftshaus aufgebaut und ein

Scherer: Du beschreibst einen Zustand, nachdem bestimmte Dinge schon gelaufen sind. Nur, andere stehen vor der Situation vor dieser Zeit, wie Du sie jetzt beschreibst.Und die Frage ist, wie kommt man da hin, wie kriegen wir das geregelt? Und der politische Auftrag ist Bürgerbeteiligung,von oben gewollt,aber vielleicht nicht in der Form,wie die Bürger das wollen.Und wo stehen wir da in dieser Sandwich-Situation? Hier ist es aber von dieser Einrichtung zumindest genauso ernst gemeint wie bei euch,nur die Situation,die geschichtliche Situation ist eine andere. Deswegen sitzen wir hier zusammen,um voneinander zu lernen.

Jugendhilfezentrum,betreiben zwei Blockhäuser für Kinder und Jugendliche und haben in Hellersdorf ein Projekt Nachbarschaftshilfe aufgebaut. Alle Projekte unseres Vereins sind über ABM begonnen worden,dann meist in SAM weitergeführt worden, so dass wir die Chance hatten, relativ stabil fünf Jahre Fachkräfte an der Spitze der Projekte zu haben.Wir haben alle Höhen und Tiefen der Arbeitsförderung in diesen Jahren miterlebt,wir mussten mit dem Spagat leben, dass es einerseits geheißen hat, solange ihr ABM-Kräfte habt, solange eure Häuser offen sind, braucht ihr keine Zuwendungsfinanzierung. Andererseits mussten wir aber auch mit dem Vorurteil leben, dass man uns sagte, wenn ihr ausschließlich mit ABM und SAM arbeitet, könnt ihr ja nicht diese Fachlichkeit vorweisen, die es im Bereich der Nachbarschafts- und Jugendarbeit geben muss. Wir haben es irgendwie geschafft, dass wir aus diesen ABM- und SAM-Projekten stabile Projekte machen konnten im Bereich der Jugendhilfe, wo jetzt über Kostensätze eine relativ sichere Finanzierung dahinter steht. O> Ich komme aus Wiesbaden, aus einem Nachbarschaftshaus mit etwa 40 Teilzeit- und Ganztagsbeschäftigten.Es gibt in dem Haus regelmäßig ABM-Stellen und BSHG 19-Stellen, die aber alle nur Ergänzungscharakter haben. Nach meiner Beobachtung gibt es keine Durchlässigkeit zu Beschäftigungsverhältnissen oder nur durch reinen Zufall.Und es gibt ganze Bataillone von Straffälligen o.ä.,die da gemeinnützige Arbeit ableisten oder vom Sozialamt geschickt werden,das ist für mich nicht immer ganz durchschaubar. Das ist keine Entscheidung des Vorstandes oder der Hausleitung,sondern das ergibt sich aus unserem Arbeitsbereich. Mich interessiert in dem Zusammenhang auch über meine Funktion im Betriebsrat die Tendenz zu untertariflicher Beschäftigung und allgemein die Frage der Durchsetzung von Arbeitszwang über die sozialen Arbeitsverwaltungen. Die Tendenzen im BSHG sind erheblich verstärkt worden in den letzten Jahren.Parallel gibt es in der ganzen Diskussion über die Existenzsicherung ja auch die Frage,inwieweit sich über die Aufforderung,ehrenamtlich oder in solchen Maßnahmen tätig zu werden, dieses Existenzgeld daran zu binden, nicht sehr weitgehende Härten durchsetzen. Denn wer sich dem verweigert,der soll aus jeder Unterstützung rausfliegen. Das konnte man auch beobachten, wie dieses 100.000-Stellen-Programm für Jugendliche von der neuen Bundesregierung aufgelegt worden ist.Die hatten noch nicht alle Jugendlichen angeschrieben, da wurde schon aus Bonn geschrieen,wer jetzt nicht am Ball ist,der


kriegt keinen Pfennig mehr,keine Sozialhilfe und nichts. Das ist der Aspekt, der mich in diesem Zusammenhang interessiert. O> Ich arbeite als geschäftsführender Mitarbeiter im Elele-Nachbarschaftsverein, der ist in Berlin-NeuköllnNord und betreibt dort einen Nachbarschaftsladen. Die inhaltliche Arbeit ist größtenteils offene Kinder- und Jugendarbeit für die Nachbarskinder,meist für ausländische Kinder, Bildungs- und Beratungsangebote hauptsächlich für türkische Frauen aber auch andere Nationalitäten.Uns gibt es ungefähr 15 Jahre.Und die ersten Berührungen, die wir mit ABM hatten, entstanden so: wir hatten immer nur eine halbe Stelle und haben dann über ABM tatsächlich eine zweite halbe Stelle geschaffen,die es immer noch gibt.Unsere etwas abschreckenden Erfahrungen und auch die Situation,dass man bei ABM immer wechselnde Mitarbeiter hat, hat den Verein veranlasst, dieses Mittel nicht in größerem Stil einzusetzen.Wir haben jetzt in Zusammenarbeit mit einem anderen Verein, den wir gegründet haben, um ein anderes Projekt durchzubekommen, angefangen, über die Einrichtung Combishare-Menschen zu bekommen, die von ihren Arbeitgebern zeitweise freigesetzt werden, um in gemeinnützigen Einrichtungen zu arbeiten.Sie bekommen also ihr Gehalt weiter, müssen dann aber im Jahr etwa 900 Stunden in Einrichtungen ableisten, die einen gemeinnützigen Charakter haben. Das ist eine ganz interessante Geschichte.Wir wollen uns weiter öffnen,um für bestimmte Projekte über die Möglichkeiten des Programms »Integration durch Arbeit« einfach noch Kräfte für bestimmte Tätigkeiten,für bestimmte Projekte zu bekommen, die man dann ein ganzes Jahr zur Verfügung hat. Aber wir sehen da auch eine Grenze, denn kaum ist die Einarbeitungsphase vorbei,die Durcharbeitungsphase da,steht schon wieder der Ablösungsprozess bevor. O< Vom Sozialamt Marzahn,ich bin mit der Frage,wer hilft hier wem und warum, im Sommer 1990 noch als DDR-Bürgerin in die Senatsverwaltung für Arbeit am Fehrbelliner Platz gegangen und habe mich auf dem Gebiet von der Verwaltungsseite her kundig machen lassen.Und habe nach neun Jahren Arbeit in der Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland die Frage immer noch. O< Ich bin Geschäftsführerin des Nachbarschaftsheims Mittelhof in Zehlendorf. Das ist das älteste Nachbarschaftsheim in Berlin. Die Nachbarschaftsheime haben fast ein Jahrzehnt ohne staatliche Förderung existiert.Es gab bei uns Mittel von außen,aus Fonds der Amerikaner und der Engländer, und 90% der Mitarbeiter waren in den Einrichtungen ehrenamtlich tätig.Erst mit dem Rückzug der ausländischen Hilfsorganisationen entschlossen sich die Nachbarschaftsheime, die es damals gab, eine staatliche Förderung zu beantragen, wobei lange gezögert wurde, das zu tun, weil damit auch eine Einflussnahme auf Inhalt und Politik der Einrichtung gegeben war. Mit der Professionalisierung der Arbeit in den folgenden Jahrzehnten hat es dann auch feste Beschäftigungsverhältnisse gegeben. Das hat aber zum Rückzug von ehrenamtlichen Mitarbeitern geführt. Im Nachbarschaftsheim Mittelhof ist es so gewesen,dass eine große Initiative von bürgerschaftlichem Engagement in den Zeiten der Kinderladen-Bewegungen entstanden ist.Das

Nachbarschaftsheim hat diese Elterninitiativen unterstützt. Heute beschäftigen wir nur am Rande ABMMitarbeiter für Aufgaben, die wir zusätzlich und vorübergehend machen.Allerdings sind wir da auch bemüht, feste Stellen zu schaffen. Die Frage des bürgerschaftlichen Engagements spielt bei uns heute eine erhebliche Rolle.Es war ausdrücklicher Wunsch des ehrenamtlichen Vorstands und der Vereinsmitglieder, das wieder zu befördern.Wir haben einen Anteil einer Sozialarbeiterstelle dazu eingesetzt, die Programme dazu zu entwickeln. Allerdings muss man sagen,dass die Arbeiten,die in den vergangenen Jahren geleistet wurden,nicht ohne ehrenamtliche Hilfe hätten gemacht werden können.Wenn es heute um ABM geht, fände ich es sinnvoll und wichtig, dass wir es im Nachbarschaftshausbereich schaffen würden, dass an zentraler Stelle die ganzen Formalitäten übernommen würden,weil sowohl die Beantragung der Mittel als auch die Abrechnung,als auch die Findung von Arbeitsfeldern gerade für kleinere Einrichtungen oftmals gar nicht zu leisten ist und dann abgewehrt wird. O< Ich arbeite als Geschäftsleitung bei Stadtteil-VHS Nachbarschaftsarbeit im Schöneberger Nordosten,das ist der hässliche Teil, den der Fraktionsvorsitzende der CDU so sehr liebt, dass er ihn plattlegen wollte.Ich habe eine halbe Stelle,bei uns gibt es drei bis vier halbe Stellen im Nachbarschaftsbereich als Kernausstattung des Projektes. Wir haben z.Z. 26 Mitarbeiter, die sind aber fast ausschließlich im Kita-Bereich beschäftigt.Das ist inzwischen ein großer Arbeitsbereich,der auch recht gut läuft. Wir haben reichlich Erfahrung mit AB-Maßnahmen,weil die Anfänge des Vereins mit professioneller Arbeit auch mit Leuten aus AB-Maßnahmen entstanden,und Projekte sind zum Teil auch von ihnen initiiert worden. Inzwischen gab es bei uns eine inhaltliche Veränderung dieser Arbeit, denn wir versuchen nicht so sehr, die inhaltliche Arbeit und den professionellen Teil mit AB-Maßnahmen zu stützen,sondern ergänzen die wenigen festen Stellen, decken in einem Schülerladen zusätzliche Arbeitsbereiche ab, die in der Förderung nicht drin sind, die aber in diesem Stadtteil notwendig sind,machen bei der Öffentlichkeitsarbeit mit. Mit Kernstellen sind wir nur sehr knapp ausgestattet. Wir arbeiten in einem Stadtteil, in dem Arbeitslosigkeit das wichtigsteThema für einen großen Teil der Bewohner ist.Wir haben einen großen Druck, weil Ehrenamt für viele schlichtweg unbezahlte Arbeit ist,die sich diese Leute kaum leisten können.Und das ist in unterschiedlichen Stadtteilen halt unterschiedlich.Wir haben trotzdem ein paar Leute, die sagen, ich bin abgesichert,ich habe Zeit,ich möchte etwas tun,das sind aber Ausnahmen.Bei uns sind es Leute,die sagen,ich halte es zu Hause nicht mehr aus,darf ich was tun.Und wir haben Leute, die kommen durch »Arbeit statt Strafe«.Von dort gibt es eine unheimliche Nachfrage,weil immer weniger geringfügig Verdienende Geldstrafen bezahlen können. Wir haben eine große Nachfrage nach Einsätzen nach dem BSHG 19, also diese Zwangsarbeit des Sozialamtes. Viele Leute möchten das sinnvoll machen,in einem Rahmen wie bei uns.Wir haben einen Arbeitsbereich,der sich mit Arbeitslosigkeit und Perspektivfindung beschäftigt. Und es gibt immer wieder Leute,die wir dann ansprechen und sagen, wir könnten dir helfen, du könntest hier was versuchen. Es ist wichtig, dass das Hand in Hand geht. Dass wir Leute kennen lernen, denen wir helfen sich zu

betätigen, aber auch wieder in Arbeit zu kommen und mit jedem einzelnen Perspektiven zu planen. Das beißt sich mit Tendenzen beim Arbeitsamt, Maßnahmen bitte nur paketweise so an hundert Stück zu machen.Es geht aber nur gut, wenn es individuell ist, wenn sie an Teams angeschlossen sind.Wir haben viele Leute aus Maßnahmen des Sozialamtes und über das SAM-Programm sind es bei uns zurzeit elf.Das reicht aber auch.Wir haben noch Anträge laufen, wo wir Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für Stadtteilbewohner planen. Und zwar sind das nicht Maßnahmen, die direkt in unsere Arbeit hineingehen,sondern die mit dem Stadtteil zu tun haben.Das ist eine neue Qualität,die wir aufgreifen müssen, denn im sozialen Wohnungsbau, in dem wir tätig sind, leben zwei Drittel der Haushalte ohne Arbeitseinkommen.Wir müssen Arbeit schaffen vor Ort für Leute, die da sind. Vor allem ist es wichtig, dass Leute wieder Strukturen erfahren können. In vielen Familien sind die Kinder die einzigen, die noch einen geordneten Alltag haben. In dieser Richtung sind deshalb große Kraftanstrengungen notwendig. Ein Problem ist dabei für uns, dass das Arbeitsamt kaum regionale Maßnahmen hat, sondern das geht stadtweit, so dass dann in den Maßnahmen bei uns Leute von irgendwoher landen. O< Ich komme aus Dortmund, vom Institut für Gerontologie, und bin hier hauptsächlich als Lernende und Interessierte,weil wir ein Projekt zum freiwilligen Engagement Älterer durchführen mit einem Schwerpunkt auf Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf,das ist ein Landesprogramm in NRW. Und vor diesem Hintergrund bin ich auf den Ansatz der sozial-kulturellen Arbeit gestoßen. Ich habe da einmal Interesse, mich mit dem Arbeitsansatz vertraut zu machen und auch mit den Erfahrungen, die gesammelt worden sind bei der Gewinnung von Ehrenamtlichen. Stephan Wagner: Als Sozialarbeiter hat mein Kontakt mit ABM ganz gut angefangen. Es gab so eine spezielle Beschäftigungskultur in den 80er Jahren: Du machst eine Arbeit, die machst du drei bis vier Jahre, dann wirst du arbeitslos,dann kriegst du vielleicht wieder einen Job oder eine AB-Maßname.Gerade im Berliner Umfeld ging das.Das hatte aber überhaupt nicht die Dimension,die es heute hat.Und ob das Auswirkungen auf ehrenamtliche Arbeit hatte, darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht,da hatten wir eher die Diskussionen, welche Auswirkungen haben die Ehrenamtlichen auf Hauptamtliche. 1991 machten wir im Rahmen einer Untersuchung ein Interview mit einem kleinen Verein. Das waren zwei Menschen, die waren in einem Programm drin,die organisierten Ehrenamtliche,die Behinderte besuchten oder einmal in der Woche mit denen was machten,damit die auch Kontakt zur normalen Welt hatten. Die hatten zwei Festangestellte und 40 Ehrenamtliche. Der Senat zahlte diesen Ehrenamtlichen 50 Mark im Monat,ein so genanntes Handgeld,aber nur diese 40 Leute kriegten die 50 Mark.Wenn sie mehr Leute reingenommen hätten, hätten sie denen die 50 Mark nicht geben können und damit wäre eine Ungleichbehandlung der Ehrenamtlichen da.Dieses Handgeld hatte also Lohncharakter,und es fing jetzt an,das Projekt nicht nur zu festigen und anzuschieben, sondern es auch zu strukturieren und in seiner Größe festzulegen.Im Prinzip Wer hilft hier wem und warum?


kann man sagen, dass AB-Maßnahmen Gesellschaften auf allen Ebenen strukturieren, und zwar viel weiter gehend als wir glauben. Ein relativ neues Phänomen ist, dass wir jetzt in diesem Bereich auch noch unbezahlte Arbeit haben,die über Straffälligenmaßnahmen reingekommen ist. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern Regionen gefunden, wo 50, 60, 70% der Menschen arbeitslos sind oder wären, wenn es dort keine AB-Maßnahmen gäbe. Auch hier ist das ein zweischneidiges Schwert. Die Region würde ohne die AB-Maßnahmen überhaupt nicht funktionieren,aber die AB-Maßnahmen setzen die Mobilität der Menschen herab.Und das heißt, es ist sehr fraglich, ob das Verbleiben der Menschen in diesen Regionen wirklich dazu führt, dass dann Wirtschaftsräume entstehen,in denen es irgendwann wieder nichtgestützte Arbeit geben kann. Viele der von der Bosch-Stiftung geförderten Projekte berichteten, dass in der ersten Phase folgendes passierte. Sie kriegten AB-Maßnahmen für einen bestimmten Zeitraum und dann gingen die Leute raus,es wurden wieder neue eingestellt und die gingen wieder raus.D.h.,sie hatten einen ständigen Kompetenzverlust zu verkraften, das war ein riesiges Problem. Die hatten Leute für ein halbes Jahr, für ein dreiviertel Jahr, in den ersten Jahren nach der Wende haben sie danach noch was auf dem Arbeitsmarkt gefunden,als die Wirtschaft sich restrukturierte. Dann trafen wir aber auch auf Projekte,die sagten,ja wir kennen das Problem, wir lösen das aber anders, wir sind kreativ. Die hatten einen Kreis von 10-15 Leuten, denen war klar,am 1.Arbeitsmarkt haben wir keine Chance.Und dann haben sie irgendwelche ABM-Projekte an Land gezogen, oft ganz bewusst nur mit einer Stellenausstattung, die niedriger war als die Anzahl der interessierten Personen. Dann hat man gesagt: Jetzt gehst du ein Jahr in die AB-Stelle. Dann machst du ehrenamtlich weiter, dann geht der andere rein.Und in der Zwischenzeit haben sie einen neuen Antrag gestellt,das ganze Projekt wurde neu beschrieben, kriegte einen neuen Namen oder ein neues Ziel,war aber dasselbe Projekt.Also man hat nicht den Kern der Arbeit verändert, sondern hat nur diesen Kreislauf verändert.Das ist so eine Art Chamäleon-Taktik. Und dann gingen die Leute wieder zurück als Hauptamtliche oder in ABM oder SAM,und die Kompetenz blieb in den Projekten. Damit ging natürlich einher, dass das Lohnniveau eindeutig unter das BAT-Niveau sank, berücksichtigt man die Zeiten, in denen die Leute keine Arbeit haben. Das waren sozusagen die goldenen Gründerjahre. Der innere Steuerungsaufwand dieser Projekte wächst enorm. Deshalb haben sie eine ganz andere Verteilung ihrer Energie in Bezug auf Personalsteuerung, Einarbeitung, Zeitperspektiven. Es finden also Veränderungen statt über die ABM,die in die inhaltliche Konstruktion der Arbeit wirken.Ein Teil dieser Projekte wäre völlig anders geplant,wenn man mit hauptamtlichen Kräften arbeiten könnte, weil man mit den Zeitbudgets anders umgehen würde. Die Planung mit Ehrenamtlichen zwingt diese Projekte, in kurzen Zeiträumen zu denken. und mit der Situation des ständig wechselnden Personals umzugehen, oder aber, wenn sie das Personal halten, beständig gegenüber dem Zuwendungsgeber die Form zu verändern,also dieses Chamäleon-Spiel zu treiben.Und das ist durchaus aufwendig. Wer hilft hier wem und warum?

Bei Ehrenamtlichen passiert jetzt folgendes. Wenn die Zusammenarbeit ein integratives Ziel hat, dann gibt es einen festen Kreis von Ehrenamtlichen,die sich hier in einer bestimmten Komplicenschaft Arbeit besorgen,nicht jeder kriegt die.Ich benutze das Wort bewusst,um zu zeigen, dass hier ein Einverständnis existiert. Das ist aber eine besondere Sorte Ehrenamtlicher, die haben andere Motive als die Ehrenamtlichen, von denen vorher die Rede war,die unter dem Motto mitmachen:ich habe Zeit, ich bin abgesichert, ich mache das.Trotzdem haben diese Ehrenamtlichen in der ehrenamtlichen Phase einen sehr hohen Identifikationsgrad mit dem Projekt und arbeiten dann auch bis zu 60 Stunden, damit der Laden läuft. Dort, wo Sie klassische Ehrenamtliche haben, gibt es,wenn Sie ABM reinnehmen,dann aber einen weiteren Effekt,nämlich dass die Ehrenamtlichen nach kurzer Zeit sagen, Moment mal, bisher haben wir Ehrenamtlichen das unentgeltlich gemacht und jetzt kriegt der das bezahlt.Warum soll ich denn hier noch weiter ehrenamtlich tätig sein? O< Wir haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Sicherlich,wenn man das vergleicht mit unserer Anfangszeit, wo man doch meist Hochschulabsolventen oder Fachschulabsolventen in ABM bekommen hat,hat sich da eine sehr negative Entwicklung vollzogen. Wir meinen aber dennoch, dass es für bestimmte ergänzende oder zusätzliche Bereiche in der Sozialarbeit möglich ist,auch heute mit ABM-Kräften zu arbeiten,aber nur dann,wenn eine Fachkraft die ABM-Mitarbeiter auch tatsächlich betreut.D.h.es muss in jedem Projekt eine fachlich versierte Kraft sein,die die anderen befähigt,pünktlich und ohne Alkoholfahne zur Arbeit zu erscheinen. Und die auch auf die Qualität der Leistungen achtet. Ohne diese Fachkräfte ist so eine Arbeit einfach nicht möglich.Und da kommen wir jetzt natürlich wieder in diesen Kreislauf rein.Wir haben vorhin gesagt, es gibt Träger, die haben ganz viele ABM-Kräfte, das hat natürlich einen Grund. Erstens sind es sowieso nur 36 maximal, zweitens geht die Qualifizierungszeit von der regulären Arbeitszeit ab, drittens ist der Krankenstand relativ hoch und viertens muss ein Träger,der den Anspruch für sich noch nicht abgelegt hat zu sagen, ich will Nachbarschaftsarbeit machen,ich will niedrigschwellige Angebote für Kinder und Jugendliche machen, so ein Träger muss einfach, um die Qualität der Arbeit seiner Stammkräfte abzusichern,letzten Endes auch eine bestimmte Anzahl von ABM-Kräften haben, ansonsten funktioniert das System nicht mehr. Man ist da immer irgendwo in einer Zwangssituation. O> Wenn es so ist,dass das Thema Arbeitslosigkeit mit all seinen negativen Auswirkungen sicherlich auch im Stadtteil und der Nachbarschaft zu spüren ist,warum ist es dann nicht so, dass die Nachbarschaftsheime diesen Aspekt, nun wirklich Beschäftigungspolitik im Stadtteil zu machen,als ihren begreifen? Warum wird die Konzeption der Nachbarschaftshäuser nicht dahingehend erweitert zu sagen, o.k. das ist jetzt unser Auftrag, das ist jetzt die Wirklichkeit hier im Stadtteil und der müssen wir uns annehmen. O< Ich vergnüge mich ab und an mit Ehrenamt im Selbsthilfebeirat des Landes Berlin. Und dort ist die Diskussion dann immer,wie viele Stellen braucht ein Projekt

die haben ja noch ABM, die brauchen also keine Stellen. Das ist kein Ostphänomen mehr hier in Berlin. Bemüht sich ein Projekt gar noch um eine EG-Förderung,kriegt es gesagt, oh, ihr habt ja mehr Geld, dann braucht ihr hier weniger.Das ist eine neue Denkweise und die wird sich, fürchte ich,auch woanders ausbreiten.Die große Menge an ABM-Stellen geht an stadtweite Träger.Wir haben uns z.B. um eine Schulmensa bemüht, die wollten wir mit einem Beschäftigungsprojekt betreiben. Wir hatten ein gutes Konzept vorgelegt. Gekriegt hat sie ein großer stadtweiter Trägerverein. Jetzt arbeiten dort nicht 20 Mütter aus dem Schulumfeld, sondern es arbeiten irgendwelche ständig wechselnden Leute aus der Stadt von überall her, die überhaupt keinen Bezug zu dem Stadtteil und zu dem Projekt haben. Und genau dieser Aspekt regionaler Arbeitsmarktpolitik ist nicht bis zu dem ja keineswegs überregional arbeitenden Arbeitsamt Südwest durchgedrungen. O> Es gibt ja noch ein paar andere Sachen,die Gemeinwesenarbeit und Stadtteilarbeit ausmachen, nicht nur die Arbeitslosigkeit.Und da muss man sich schon überlegen, wen man unterstützt. Geht es mir wirklich um die Leute, die arbeitslos sind und wo die Familien dranhängen,die in der zweiten Generation Sozialhilfe beziehen, dass die mal eine Chance haben,da rauszukommen? Das geht nur mit Qualifizierung, das geht nur mit Stabilisierung, da muss einiges passieren.Die Träger sollten wirklich daran interessiert sein, auf politischer Ebene immer wieder Türen zu öffnen.Wir sollten nicht beim Beschreiben der Probleme stehen bleiben, sondern sollten auch bestimmen,wohin wir wollen. Wagner: Ich habe ein Modell aus Holland im Kopf.Dort macht man folgendes, wenn Menschen arbeitslos werden: Man teilt sie in drei Kategorien, eine ganz brutale Methode. Kategorie 1 sind Leute, bei denen man davon ausgeht, dass sie so fit sind, dass sie innerhalb von drei Monaten zu vermitteln sind.Kategorie 2 ist das, was wir auch in Deutschland kennen:das sind Leute,die haben in irgendeiner Weise Qualifikationen,die nicht mehr angemessen sind,die werden qualifiziert.Und Kategorie 3,da packt man alle rein,von denen man meint,dass sie keine Chance mehr haben.Das sind Leute,die von ihrer Struktur her so viele Nachteile haben oder so runter sind,dass sie normale Arbeitsprozesse nicht mehr hinkriegen.Und diesen Leuten bietet man dann an,ihr kriegt Unterstützung, wenn ihr ehrenamtlich arbeitet. Wo ihr das tut, ist uns egal.Aber ihr müsst eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Woche nachweisen.Hier sind 140 Adressen, das sind die Organisationen,die das tun in dieser Stadt.Wenn ihr das ein Jahr lang tut,kriegt ihr ein Jahr lang Arbeitslosenunterstützung. Das ist eine Qualifizierungsmaßnahme, weil man festgestellt hat,dass die Leute über solche Methoden dazu kommen.Dass wieder Struktur in die Familien kommt. Und es ist ein sehr niedrigschwelliger Zugang.Die Leute müssen selbst aktiv werden, sie müssen sich selbst etwas suchen, sie müssen aber in einem Bereich aktiv werden, wo die normalen Arbeitsanforderungen nicht gegeben sind. Da sind auch Zwangselemente drin,aber auf eine andere Art und Weise und es ist anders verkoppelt. Und ich glaube, dass wir mit diesen Zwangselementen ein großes Problem kriegen, weil ich davon ausgehe,dass sie zunehmen werden.


O> Mich irritiert eure Sortierung der Arbeitslosen.Wir haben doch heute auch mit ganz anderen Arbeitslosen zu tun,nämlich mit denen,die jetzt über 45 sind,die durchaus qualifiziert sind,aber vielleicht zu teuer,zu hoch qualifiziert. Man kann einen Architekten nicht einfach zum Parkgärtner machen, erst mal hat er die Qualifikation nicht und außerdem lässt er sich da nicht führen.Für mich ist das nicht einleuchtend,dass solche Ressourcen derartig verschleudert werden.Es sind ja nicht alles Leute,die nicht mehr in der Lage sind,morgens zur Arbeit zu finden oder wegen Alkoholproblemen zu Hause bleiben.Es gibt viele Leute,die haben eine Menge Potenzial,das sie einfach nicht vernünftig einbringen können, stadtteilbezogen oder kiezbezogen oder wo auch immer. Bloß, wie kann man diese Grenzen, diese Räume denn erweitern, verändern? Jetzt einfach nur nach dem holländischen System diese drei Kategorien festlegen, damit komme ich nicht klar. Wagner: Das war nur ein Ansatz. Ich wollte nur zeigen, dass es auch anders zu organisieren ist.Dass es mehrere Auswege aus dem Desaster gibt. O> Ein Aspekt an der Diskussion stört mich manchmal. Dass wir die Lage auf dem Arbeitsmarkt so betrachten,als gäbe es die qualifizierten Fachkräfte und die minderqualifizierten defizitären ABM-Leute und andere. An einem Projekt kann man das sehr deutlich machen,am Juxirkus. Den Kinder- und Jugendzirkus gibt es seit über zehn Jahren,der ist vor ‘89 entstanden,als die Töpfe im Westen noch sehr voll waren, zusammen mit dem KünstlerDienst des Arbeitsamtes,dass nämlich arbeitslose Künstler mit Pädagogen zusammen für Kinder einen Zirkus aufbauten.Da haben wir festgestellt, die bringen solche Fähigkeiten und Kompetenzen ein, die kann kein Pädagoge in der Weise einbringen.Und erst die Verknüpfung von beiden macht eine bestimmte Qualität aus. Bei Handwerkern haben wir das ähnlich erlebt. Gut ist nach unserer Erfahrung gerade diese Mischung der Bereiche. Wie muss aber die Struktur aussehen, damit durch das Reingreifen in dieses Reservoir die Qualität nicht absackt, sondern ein Mindeststandard gesichert ist? Dazu gehört für mich, dass man eine Einrichtung nicht auf Dauer mit rein arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen aufrecht erhalten kann. Wenn deutlich wird, dass ein Projekt den Durchbruch nicht schafft, dann ist eben die Frage, soll man es am Leben erhalten,indem es dauerhaft mit ABM verlängert wird? Nach meiner Ansicht gibt es einen Punkt,an dem der Bezirk,wo das Projekt lokal verankert ist, sich irgendwann fragen muss: würde uns etwas Wichtiges fehlen, wenn wir dieses Projekt nicht mehr hätten? Und wenn ja, dann muss zumindest eine feste Personalstruktur geschaffen werden, damit sich dieser dauernde Erfahrungsverlust durch wechselnde ABM nicht fortschreibt.Man müsste ein paar Grundregeln aus dieser ganzen Erfahrung entwickeln.Von der EG kommt jetzt die Vorgabe,dass Arbeitsmarktpolitik in Zukunft viel stärker auf den jeweiligen Bezirk und die Region bezogen sein soll.Alle Ressourcen sollen möglichst zusammengefasst werden,all das,was ein Bezirk einbringt,vom Sozialamt über das Arbeitsamt bis hin zu den Trägern.Vielleicht entsteht dadurch doch ein besseres Ineinandergreifen von Strukturpolitik und Beschäftigungspolitik.Das wäre ein Fortschritt und genau da könnten nämlich Nachbar-

schaftseinrichtungen eine ganz zentrale Rolle spielen, weil sie vor Ort verankert sind.Wenn sie in der Lage sind, Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik zu entwickeln,dann wären sie ein ernst zu nehmender Partner. Andernfalls passiert es,dass sich die Service-Gesellschaften in Berlin die einzelnen Regionen aufteilen. Deshalb wäre mein Plädoyer: wer immer diese Erfahrungen gemacht hat,sollte diesen Bereich ausbauen und dann über eine Vernetzung nachdenken.Ich halte allerdings nichts davon, dass der Verband für sozial-kulturelle Arbeit die neue große Beschäftigungsgesellschaft für das gesamte Stadtgebiet von Berlin würde, aber richtig ist, es muss über die einzelne Einrichtung hinausgehen in Richtung lokaler Einheiten. Wagner: Ich versuche jetzt mal zusammenzufassen,was aus dieser Organisationsdebatte herausgekommen ist. Das ist zum einen, wenn man das Problem Arbeitslosigkeit hat, dann entsteht dadurch auch ein notwendiges Arbeitsfeld für die Nachbarschaftsheime,und zwar nicht nur als Ressource für die Einrichtung selber. Eine zweite Sache, die haben wir gar nicht angesprochen und die schwingt die ganze Zeit mit: Im Prinzip sind wir gerade dabei, das amerikanische Modell sozialer Arbeit zu etablieren. Ich habe hochbezahlte Spezialisten in Steuerungsfunktionen,ich habe in den Projekten selber,wenn es hoch kommt,ein oder zwei ausgebildete Sozialarbeiter und die leiten mehr oder minder unqualifizierte Leute an, die dann aber ihre Erfahrungen einbringen, was zu sehr kreativen Sachen führen kann.Es beginnt sich – zumindest in den Bereichen,wo wir stark mit ABM-Kräften arbeiten – eine andere Form von Sozialarbeit mit anderen Strukturierungsmomenten zu formieren.Und das schafft uns im Bereich der ehrenamtlichen Arbeit eine Menge Probleme. Weil die Leute zwischendurch immer wieder auch als Ehrenamtliche in unseren Projekten auftauchen, aber mit einer völlig anderen Motivlage als der Ehrenamtliche, der sein Auskommen in Form von Arbeit oder Rente hat und tatsächlich ehrenamtlich arbeitet.Wir haben jetzt einen Riesenbereich,in dem der Staat mit mehr oder minder großen Finanzmitteln operiert, mit unterschiedlichen Motiven – BSHG,Straffällige,Leute über 55, ABM usw.– der sich überschneidet mit dem Bereich der ehrenamtlichen Arbeit. Ich sag das mal bösartig: Haben wir hier einen staatlich organisierten Billiglohn-Sektor oder was haben wir da vor uns? O> Ich finde es nicht gut, die unterschiedlichen Gruppen,die Sie benannt haben,zusammenzupacken.Sie haben vorhin gesagt,unter ehrenamtlich engagierten Menschen gibt es welche mit hohen Qualifikationen,während andere möglicherweise Menschen sind,die eher Defizite mitbringen und mehr Unterstützung brauchen.Von daher finde ich das problematisch,das alles als einen Sektor zu beschreiben.Im übrigen – wo sehen Sie denn tatsächlich massive Kampagnen, Finanzmittel usw.des Staates, um freiwilliges ehrenamtliches Engagement zu fördern? Ich arbeite in einer Freiwilligen-Agentur,ich übersehe die bundesdeutsche Freiwilligen-Agenturen-Szene und wir stehen jetzt vor dem Problem, dass wir unser bundesweites Netzwerk, eine Personalstelle, die wir über Stiftungsmittel finanziert hatten,zum Jahresende aufgeben müssen. Und da ist auch keine Anschlussfinanzierung, keine staatliche Unterstützung für den Aufbau von so ei-

nem Netzwerk zu sehen.Und da frage ich mich,wo sehen Sie da Geld oder Unterstützung oder Strukturen, die in dem Bereich aufgebaut werden? O< Für uns ist es immer ein ganz klarer Unterschied,ob jemand über »Arbeit statt Strafe« oder vom Sozialamt kommt oder als Ehrenamtler, der was machen will. Die Motivlage ist ganz unterschiedlich und sie binden sich auch auf unterschiedliche Art ein.Unser Umgang mit ihnen muss deshalb auch unterschiedlich sein.Für die Leute von »Arbeit statt Strafe« sind wir eine Anlaufstelle,es ist mehr Sozialarbeit und Beratung gefragt,die haben meistens nicht nur das Problem, dass sie eine Strafe abarbeiten müssen, sondern es gibt Leute, die haben halt irgendwas Blödsinniges angestellt, haben ein Verkehrsdelikt begangen,wollen oder können aber nicht zahlen. Und die sagen dann, das und das kann ich und sie kommen dann und leisten ihre Stunden ab.Aber die meisten, die kommen, haben ganz massive soziale Probleme und würden niemals in einem anderen Rahmen eine Beratung in Anspruch nehmen.Da ist es unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass sie sinnvoll beschäftigt sind, dass das für die keine Horrorerfahrung wird bei uns,sondern dass sie eine Startbasis kriegen,auch ihre anderen Probleme anzusprechen und zu klären. Denn meistens ist die Arbeit bei uns der Anfang von einem Klärungsprozess, der das Problem Arbeitslosigkeit angeht. Für die meisten Menschen ist es auch eine Chance, wenn man sie gut berät, wenn man rausfindet, was sie können, und mit ihnen auch einen Qualifizierungs- und Karriereplan ausarbeitet. Sie dürfen nicht verheizt werden und irgendeine Arbeit aufgedrückt bekommen, die uns gerade in den Kram passt,sondern eine,an der sie wachsen können.Das gehört für mich zu unserer Verantwortung dazu. Ehrenamtliche dagegen wissen meist sehr genau,was sie wollen, was sie können und was sie einbringen wollen. Die wollen auch was dafür haben, und zwar nicht Mark und Pfennig.Die wollen Anerkennung,die wollen einen neuen Bekanntenkreis,die wollen,dass wir an ihnen interessiert sind.Diese klassischen Ehrenamtler möchte ich nicht vermischen mit den anderen Leuten,die über Institutionen zu uns geschickt werden. O< Ich glaube, dass der Erfolg von Maßnahmen wesentlich mit von der Kompetenz der Träger abhängt. Im Ostteil der Stadt,wo so vieles weggebrochen ist,und die Menschen versuchten,selbst über ABM Projekte zu steuern, ist das häufig gescheitert, weil sie alle dieselben Probleme und Notlagen hatten.Und es gibt Träger in der Stadt, Nachbarschaftsheim Kiezoase ist einer, der beispielgebend ist, oder das FIPP-Fortbildungsinstitut für die pädagogische Praxis,die im östlichen Teil der Stadt so was wie Horte für Schulkinder entwickelt haben. Dieses Projekt wurde stadtweit nur über ABM über viele Jahre finanziert, jetzt wird es teilweise von den Bezirken finanziert.Aufgrund ihrer Kompetenz haben sie feste Arbeitsplätze schaffen können. Solche Erfolge haben wirklich was mit der Kompetenz der Träger zu tun,wie sicher und etabliert Träger sind.Wo solche Träger sind,sind auch positive Maßnahmen gelaufen,aber leider zu wenig. O> Euer Modell betrifft, so glaube ich, nur einen ganz bestimmten Sektor,nämlich diejenigen,die aus ABM heraus ein Projekt entwickelt und versucht haben,es zu staWer hilft hier wem und warum?


bilisieren. Ich kann von uns sagen, dass bei einer ganz großen Zahl von Leuten kein einziger in dieses Schema passt. Ich sprach von Wiederkehrern, da haben wir ganz klare Regeln. Wenn der Vertrag beendet ist, dann wars das. Aber wir erinnern uns an sie, wir haben auch lockeren Kontakt miteinander. Und wenn in zwei Jahren die Frage ansteht, dass wir eine Finanzierung haben, fragen wir diejenigen, die wir kennen, hättest du wieder Lust, wir haben gute Erfahrungen mit dir gemacht,du mit uns, bitte entscheide dich.Deswegen gibt es in vielen Projekten nicht dieses Problem des Nebeneinanderher,was normalerweise mit ABM einhergeht.Aber Ehrenamtlichkeit hat einen ganz anderen Charakter.Die Frage,die hier immer wieder entsteht, ist, wie steht das im Wechselverhältnis zueinander. Ich habe vorhin von Reservaten gesprochen.Es ist schon so,da darf man sich nichts vormachen – um Ehrenamtliche zu gewinnen, muss ich nicht nur eine bestimmte Einstellung haben,sondern auch als Hauptamtlicher viel Kraft aufwenden, Bereiche zu öffnen, Menschen anzusprechen und einzuladen.Wenn ich aber den anderen Weg gehe,für andere Gruppen – sprich BSHG und ABM usw. – Programme zu entwickeln, dann entstehen Zwänge.Ich kann dann gar nicht mehr die richtige Botschaft aussenden,dem Ehrenamtlichen zu sagen, du wirst gebraucht bei uns,komm zu uns;nein,ich sage, es wird zwar jemand gebraucht für die Aufgabe, aber es würde mir besser passen, er käme über das Arbeitsamt. Denn ich habe meine Regiekräfte zu bezahlen, ich habe meinen administrativen Aufwand,ich habe im Laufe der Zeit eine Verwaltungseinheit aufgebaut. Man muss also auch sehen,es entstehen bestimmte Zwänge,eine Logik, die eine Wiederbesetzung von Arbeit genau in diesem Sinne erforderlich macht.Und von daher kann ich nur sagen,da wir das originäre Ehrenamt auch wichtig finden, kann ich es nur in diesen kleinen Reservaten erst mal weiter betreiben. O> Ich würde sagen, dass man einfach mal über den Verband versucht initiativ zu werden, das ist ja heute mehrfach angerissen worden.Weg von diesem typischen ABM-Projekt-Denken, der Begriff der Bürgerarbeit muss neu eingebunden werden. Wenn man davon ausgeht, dass wir Kompetenz bei uns versammeln, dann muss man ganz andere Modelle entwickeln als bisher. Dann müsste Bürgerarbeit definiert werden und es müssten mit dem Arbeitsamt Projekte entwickelt werden,die über acht bis zehn Jahre aufgelegt werden, wo die Bezirke in die Pflicht genommen werden,wo die Kieze in die Pflicht genommen werden, woraus sich dann Projekte entwickeln könnten,die sich selber tragen müssten,die sich dann in den 1. Arbeitsmarkt integrieren ließen. Wagner: (Bericht über eine Umfrage zur Ehrenamtlichkeit) ...Es gibt bestimmte Faktoren,die Ehrenamtlichkeit begünstigen oder nicht begünstigen. Ein Strukturelement ist die 55-Plus-Geschichte, die im Prinzip in allen neuen Bundesländern unter jeweils verschiedenem Namen gemacht wird.Wir haben hier ein Element,wo Menschen, die keine Chance haben, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, in irgendeiner Form sozial abgesichert sind,entweder über Frühberentung oder dass sie Sozialhilfe beziehen, sich eine bestimmte Summe – meistens sind das 200 Mark – hinzuverdienen können, wenn sie eine bestimmte Stundenmenge ehrenamtlich arbeiten. Wer hilft hier wem und warum?

Das hat den Projekten eine Menge ehrenamtlicher Mitarbeiter gebracht.Es ist aber auch eine versteckte Rentenzahlung. Man muss das einfach so benennen, weil diese Leute sofort aufhören ehrenamtlich zu arbeiten oder sich anders verhalten, wenn man das Geld rausnimmt. Wir haben im Rahmen der Befragung die Frage gestellt, wie hoch soll die Aufwandsentschädigung sein? Was haltet ihr für angemessen? Und wir haben verschiedene Kategorien angeboten,das ging von »gar nichts«,ich glaube, eine Kategorie war bis 50 Mark,bis 100 Mark,eine war bis 200 Mark,eine war mehr.Das Spannende war,die Ehrenamtlichen haben sich weitgehend eingependelt um die 50 Mark-Grenze.Das wurde von denen,die selber ehrenamtlich tätig waren, wenn sie Aufwandsentschädigungen nicht überhaupt ablehnten, als eine angemessene Entschädigung angesehen,was Buskosten,»Sohlengeld« usw.beinhaltet.Die Hauptamtlichen fanden 100-150 DM gut.Sie hatten hier eine andere Position. Zwischenrede: Der Bundestag hatte unlängst 300 Mark beschlossen. Ab Januar 2000 können für Ehrenamtliche Aufwandsentschädigungen bis 300 Mark steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt werden. Wagner: Ja, aber das hat noch einen anderen Hintergrund.Das ist auch ein Teil unserer Frage »Wer nützt hier wem?« Die 200 Mark liegen jedenfalls eindeutig jenseits dessen, was der normale Ehrenamtliche zum Zeitpunkt der Befragung als angemessen angesehen hat, und sie sind eindeutig als Schmiermittel in die Gesellschaft reingegeben worden,um Ruhe zu haben.Denn viele Leute in den neuen Bundesländern sind sehr unzufrieden über den Verlauf ihrer Karrieren und ihres Lebens,wo man mit 44 Jahren auf dem Arbeitsmarkt schon als schwer vermittelbar gilt. In einem solchen Klima schafft das Ruhe, wenn ich mir mit einem bisschen Arbeit etwas dazuverdienen kann,das wird aber im Programm als Ehrenamtlichkeit behandelt. Auf der Ebene der konkreten Organisation haben wir einen erhöhten Steuerungsbedarf, wir haben teilweise Konkurrenzen,wir haben z.T. aber auch die Möglichkeit, Projekte zu betreiben, die wir vorher nicht betreiben konnten, und wir haben die Möglichkeit, ganz viele Menschen in die Arbeit zu integrieren.Wir haben also positive und negative Effekte auf der konkreten Ebene.Wir haben dann die gesellschaftliche Ebene mit dem Effekt, dass hier offensichtlich sozialpolitische Überlegungen reinspielen in ein Feld, das bisher bürgerschaftliches Engagement war,wo der Staat sich rausgehalten hat,und wo jetzt mit bestimmten Programmen versucht wird – etwa im Bereich der Straffälligen, im Bereich der Sozialhilfe – Einfluss zu nehmen. Ich glaube nicht, dass wir es durchhalten werden, weiterhin einfach nur Unterstützung zu geben an Menschen, ohne dass wir auf der anderen Seite Druck ausüben, dass sie arbeiten. Das ist ja mittlerweile auch gesellschaftlicher Konsens. Die Politik hat Ehrenamtlichkeit als Steuerungsfunktion entdeckt und benutzt sie auf verschiedenen Ebenen.Und das bringt uns in Schwierigkeiten. Der Begriff ist schwammiger geworden. Ehrenamtlichkeit hieß früher, ohne Geld zu arbeiten.Das heißt es heute nicht mehr.In Ehrenamtlichkeit stecken jetzt verschiedene Formen versteckter Bezahlung und gekoppelt mit den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ist hier ein spezieller Arbeits-

markt entstanden,in dem verschiedene Formen von freiwilliger und bezahlter Arbeit auf unterschiedliche Art und Weise kombiniert werden. Und es ist nicht klar, wer hier wem nützt. Sondern das ist ein sehr verwobener Prozess,der noch sehr wenig beschrieben ist. O< Ich würde gerne etwas sagen zu diesem Absinken in die Ehrenamtlichkeit, wie man räumlich gesehen sagen könnte.Sie sinken aber nicht in die Ehrenamtlichkeit ab,sondern in die »Freiwilligkeit«.Ehrenamtlich ist nämlich aus der Verwaltungssicht ganz klar beschrieben in dem Gesetz von 1978 über die Aufwandsentschädigungen für Bürgerdeputierte. Dort ist eben Ehrenamt nicht unentgeltlich,sondern Ehrenamt ist entgeltlich,und zwar in zig Kategorien.Und als letztes aus dieser Zeit hat sich wirklich dieser 50-Mark-Schein für die Ehrenamtlichkeit im sozialen Bereich, sprich Sozialkommission, erhalten. Diesen 50-Mark-Schein für Sozialkommissionsmitglieder bekämpfen mehr Verwaltungsleute in Berlin als Ehrenamtler in den Sozialkommissionen sind.Zurzeit wird über eine Wahnsinnsaufstockung um 10 Mark diskutiert. Der Hintergrund ist schlicht folgender: Diese 152.000 Mark z.B.für den Bezirk Marzahn kommen aus dem Personalhaushalt des Bezirksamtes. Sie sind also ein Haushaltsposten und als solcher zu planen. Und da gibt es eine Anweisung des Senats über den ehrenamtlichen sozialen Dienst im Land Berlin und dort gibt es sogar Schlüsselzahlen. Es heißt: 4.000-5.000 Einwohner haben eine Sozialkommission von fünf bis sechs Leuten,fünf kriegen 50 Mark, einer kriegt 170 Mark. Das muss man wissen, wenn man mit so einem Verwaltungsmenschen wie mir dann redet und ich eben sage, o.k., wir könnten eine Maximalausstattung im Bezirk haben, also 4.000 Einwohner macht 142.000:4. Dann könnten wir aber auch eine Minimalausstattung haben – 142.000:5. Dann haben wir immer noch 152.000 Mark, die stückeln wir auf. Mehr ehrenamtliches Engagement im Bezirk können wir uns nicht leisten. Wagner: Ich bin Ihnen äußerst dankbar für das,was Sie jetzt gesagt haben,weil Sie einen Teil dessen,was ich vorher versucht habe,theoretisch zu sagen,praktisch unterlegt haben. Vorrednerin: Und jetzt geht die Tür auf und Frau... kommt rein und sagt, bei mir arbeiten aber Ehrenamtliche. Dann sage ich, bei Ihnen arbeiten Freiwillige, aus meiner Sicht. Und für die kann ich Ihnen nichts geben. Ehrenamtliche gibt es nur bei mir. Und die werden alle drei Jahre von der BVV gewählt.Das ist Verwaltungsrecht seit 1978.Das Leben ist zwar mit Riesenschritten weitergelaufen,aber das Gesetz ist da.Und an das habe ich mich zu halten.Wenn einer versicherungspflichtig Schaden hat oder anrichtet,spielt das eine ganz große Rolle.Das kann sich keiner vorstellen, der diese Tortur noch nicht erlebt hat. Nachbarin geholfen, auf die Schnauze gefallen – Pech gehabt. Nachbarin im bezirklichen Auftrag geholfen – Arbeitsunfall. Wagner: Wir haben uns bei dieser Untersuchung genau überlegt, wonach wir fragen sollen.Wir haben uns dann für den, aus Ihrer Sicht falschen, aber aus unserer Sicht richtigen Begriff der Ehrenamtlichkeit entschieden, weil das der Begriff ist, der in aller Munde ist. Wenn ich die


Oma an der Ecke frage,die ein Nachbarschaftscafé macht, was machen Sie da, dann sagt die, da arbeite ich ehrenamtlich. Und dann interessiert die überhaupt nicht, was die Verwaltung definiert. Sie haben aber sehr deutlich aufgezeigt,dass der Staat hier offensichtlich Steuerungen vornimmt, die sehr weitgehend sind und dass wir ein fürchterliches Begriffsdurcheinander in dem Bereich haben und deswegen große Schwierigkeiten, das zu beschreiben. O> Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt. Das andere ist die Scheinselbständigkeit.Ich denke,wir können jetzt ebenso von der Scheinehrenamtlichkeit sprechen.Ich habe das selber mitgemacht in diesem Jahr,als im April/Mai die Unsicherheit immer größer wurde,was mit den kleinen Honorarempfängern wird,die den Yogakurs oder was auch immer machen. Wir haben ein Formblatt entwickelt, haben Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Mitarbeiter gemacht,haben uns sachkundig gemacht,200 Mark im Monat ist das Maximum,haben uns bei der Kasse erkundigt und bei der Sozialversicherung. Wir haben also vormals kleine Honorarempfänger umgetütet in Ehrenamtliche,aber das hat natürlich mit dem Charakter ihrer Arbeit gar nichts zu tun. Dann kommt natürlich die Frage, Moment mal, der eine bekommt 194 DM – das geht nicht.Wenn,dann kann man nur pauschal 200 Mark schreiben,weil 194 Mark auf ein geregeltes Honorar hindeuten.Da war die nächste Frage die nach der Bemessungsgrundlage. Man muss in der Schublade das eigentliche System haben, wie man jemanden entlohnen will, und muss es dann übersetzen in eine Aufwandsentschädigungspauschale. Was jetzt die Bundesregierung beschlossen hat, wird das natürlich noch beschleunigen. Denn es werden viele sagen: das ist doch wunderbar für mich, da brauche ich das auch nicht dem Finanzamt zu melden. Also laufen alle jetzt bei uns in diesem Limit unter Ehrenamtlichkeit.Das ist vielleicht eine Randgeschichte dieser ganzen Debatte,aber sie zeigt natürlich auch so eine Vergewaltigung dieses Begriffes. O< Zur Definition von Ehrenamtlichkeit würde ich auch gerne etwas sagen.Unser Theater hat über 40 ehrenamtliche Mitspieler und Mitspielerinnen,alle über 50 bis weit in die 80.Wir werden hauptsächlich finanziert aus diesem Topf »Erfahrungswissen nutzen«, der ist wahnsinnig gekürzt worden, das Projekt ist auch um ein Drittel gekürzt worden.Diese Spieler waren immer ehrenamtlich. Jetzt kam der Senat zu Besuch vor anderthalb Jahren und sagte,diese Spieler haben doch unheimlichen Spaß.Und eigentlich werden die doch fachlich angeleitet. Sie sind doch theaterpädagogische Kräfte, oder? Und die zahlen keine Kursgebühr? Eigentlich müssten sie doch für jede Probe eine Kursgebühr bezahlen,die werden angeleitet, erhalten eine gewisse Qualifizierung. Ich kann mir vorstellen,wenn man hier 5,6,7,8,10 Jahre spielt,dann werden doch Spielfähigkeiten besser, das ist doch wie eine Schulung.Da hat er schwer argumentiert und meinte,die bekommen auch noch Aufwandsentschädigungen bei dieser qualifizierten Schulung. Da habe ich gesagt: das spielen sie ja selber ein, so ein Auftritt kostet 335 Mark pro SpielerIn. Na, das war ja nun völlig falsch. Also die Eintrittsgelder sollten massiv erhöht werden,eingespielt werden sollten Sachmittel,Personalmittel,Geschäftsbedürfnisse des Projektes und außerdem sollte dann eben

eine Kursgebühr für die ehrenamtlichen Leute erhoben werden. Und als wir gesagt haben, wir spielen fast 150mal in einem Jahr,es ist nicht immer nur freiwillig,es sind Verpflichtungen,wenn eine Tournee oder ein Auftritt angenommen werden, da werden Geburtstage oder die goldene Hochzeit abgesagt, für viele wird es manchmal schon zur freiwilligen Strapaze.Es entsteht wirklich eine starke Eingebundenheit durch die Form Theater, denn wenn die Rolle ausfällt,kann nicht gespielt werden.Und in irgendwelche Seniorenheime zu fahren,die Bühne aufzubauen,das artet schon in Arbeit aus.Aber da hält man uns entgegen,das ist eine regelmäßige Qualifizierung – die sprach ganz stark gegen uns. O< Mir fehlt noch eine sehr wichtige Frage in der Diskussion. Man sollte einmal auf die Seite derjenigen schauen, die unbezahlt oder ehrenamtlich arbeiten. Mit welchen Motiven tun die das? Daraus ergeben sich auch bestimmte Konsequenzen, was erwünschte Bezahlung oder Nichtbezahlung angeht. Und welche Erwartungen haben die Einrichtungen,die die Leute beschäftigen? Aus welchen Gründen beschäftigen sie sie, aus Geldmangel oder gibt es auch andere Gründe – Engagement? Und was will der Staat eigentlich mit dieser ganzen Sache?

nicht gut oder wie gut ist das? Wollen wir das als Verband der Nachbarschaftsheime überhaupt,was die Teilnahme an bestimmten Programmen politisch und gesellschaftlich beinhaltet? Passiert hier unter Umständen gesellschaftlich etwas während wir konkret arbeiten, was unseren Zielen entgegen läuft? Und für mich wäre außerdem die Frage, was ist freiwillige Arbeit oder ehrenamtliche Arbeit,brauchen wir unter Umständen neue Begriffsdefinitionen, müssen wir uns anders strukturieren, um dieser Offensive des Staates in der Freiwilligentätigkeit Herr zu werden,oder sind wir schon längst überrannt? Oder ist das eine Chance, die wir nutzen können, die uns völlig neue Einflussmöglichkeiten bietet? Gehen wir noch mal auf die Organisationsebene.Mir sind Projekte bekannt,die nie ABM-Finanzierung haben.Und mir sind auch Projekte bekannt, wo man sich nach der Salami-Taktik seine Grundsätze verstümmelt hat. Am Ende waren sie dort,wo sie nie hin wollten.Was sind Ihre Erfahrungen? Gibt es Rezepte oder Ratschläge, die man weitergeben kann?

Wagner: Ich nehme jetzt mal so eine Einrichtung wie den Mittelhof als Beispiel. Das ist eine alte Einrichtung mit alten Prinzipien und Forderungen. Ihr habt einen großen Kern von hauptamtlichen Mitarbeitern, mit denen ihr bestimmte Projekte betreiben könnt. Solche Einrichtungen hängen in der Regel ABM-Stellen nur dort ein,wo sie sinnvoll sind,und benutzen ABM höchstens als ergänzende Maßnahmen.Was viele neue Einrichtungen in den neuen Bundesländern machen,die nach 1990 entstanden sind, ist eine völlig andere Geschichte. Es gibt dort oft gar keine hauptamtlichen Mitarbeiter,oder wenn es sie gibt,entstehen sie ganz spät,und zwar als Steuerfunktion der ABM- oder SAM-Stellen. Und ansonsten ist die ganze Einrichtung nur über die staatlichen Förderungsprogramme mit kurzen Zeittakten organisiert. Diese Einrichtungen haben ganz andere Perspektiven, haben ganz andere innere Ökonomien. O> Für mich dreht sich die Kernfrage um die Entwicklung einer Organisation, die soziale Arbeit betreibt.Wie stark darf sie sich abhängig machen von den jeweiligen Finanzierungs- und Realisierungsmöglichkeiten, die ja ganz anderen Gesetzen folgen? Wir erleben das mit dem Arbeitsamt ständig. Wir haben auf der einen Seite die Strukturpolitik unserer Einrichtung im Kopf – während die aber Arbeitsmarktpolitik im Kopf haben. Es ist ein ständiges Aushandeln, aber manchmal geht man auch Kompromisse ein, womit man sich vielleicht schon auf eine Seite begibt, die dem gar nicht mehr förderlich ist, was man eigentlich betreiben will.Das ist,so glaube ich, bei allen Programmen eine Frage, die man sich sehr genau angucken muss.Wo ist die Grenze erreicht,bei der das eigene Ziel verwässert wird? Wagner: Ich würde gerne noch einmal unsere Diskussionspunkte sammeln. Das eine wäre das, was du jetzt angesprochen hast. Was machen diese Programme auf der Organisationsebene, also in den Projekten? Auf welche Logik lassen wir uns da ein,ist das immer gut,ist das

O> Ich habe keine Ratschläge,aber ich habe eine Frage zu der 630-Mark-Diskussion.Ich bin ein absoluter Gegner dieser Jobs, weil hier ein Ausbeutungsmechanismus installiert wird.Wenn man aber dann wieder sieht,dass soziale Projekte darauf angewiesen sind, weil Leute sonst ihre Arbeit verlieren, dann ist das eine zweischneidige Sache.Denn dieser Ehrenamts- oder Freiwilligkeitsbegriff ist ja denjenigen, die diese Arbeit machen wollen, erst mal schnurz.Die Frage nach der Aufwandsentschädigung ist für mich erst dann relevant,wenn es darum geht,dass dahinter eine weitgefächerte öffentliche Arbeits- oder Sozialverwaltung steht, um abzulenken vom Arbeitsmarktproblem. Ich halte diese Aufwandsentschädigung nicht für ein Mittel, um Ehrenamt zu belohnen oder Ehrenamt den richtigen Stellenwert zu geben, sondern für mich ist das einfach ein Mittel, um Statistiken zu bereinigen. O> Ich glaube,es geht um mehr als um Statistiken bei der Aufwandsentschädigung. Man wird kaum EhrenWer hilft hier wem und warum?


amtliche finden,die im klassischen Sinne ehrenamtliche Arbeit machen, die direkt angelockt würden von einer Aufwandsentschädigung von 50 Mark.Alles andere sind ja verkappte ehrenamtliche Tätigkeiten, also alles, was wir uns als Hilfskonstruktionen gedacht haben, hat mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun. Dafür dass Menschen soziale Arbeit machen möchten, haben sie persönliche Motive.Und wenn man denen dann sagt,du sollst aber für die Blumen,die du jemandem ins Krankenhaus mitnimmst, noch ein paar Mark als Kostenerstattung im Monat erhalten, dann geht es wirklich nur um Kostenerstattung und nicht um eine Art von materieller Entlohnung. Der andere Punkt bezieht sich auf deine Ausgangsfrage: Wir sind angetreten, um mit Hilfe solcher Programme wie ABM,unsere Arbeit besser,also umfangreicher,tun zu können, neue Projekte damit zu eröffnen. Im Laufe der Zeit sind wir an den Punkt gekommen, dass heute die Hälfte unserer ABM-Kräfte gar nicht Leute sind,die unsere Aufgaben im engeren Sinne machen, sondern es sind Handwerker, Köche usw. Und da stellt sich das Problem dann plötzlich ganz anders. Jetzt sind es also nicht nur diejenigen, die unsere Facharbeit unterstützen, sondern die ABM-Kräfte sind selber ein Teil des Problems.Wir haben plötzlich einen neuen Arbeitszweig,der da heißt,mit Menschen,die von Langzeitarbeitslosigkeit geprägt sind, ein sinnvolles Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm zu entwickeln. Damit ist etwas entstanden, was wir gar nicht so beabsichtigt hatten. Für Einrichtungen, die in größerem Umfang solche Maßnahmen durchführen, kommt sicher auch der Aspekt zum Tragen, dass die Mittel reichlicher fließen, wenn sie Qualifizierungskonzepte entwickeln. Beschäftigung und Qualifizierung wird ein eigener originärer Arbeitsbereich.Etwa 80% der Leute,die bei uns auf diese Art beschäftigt sind,haben wir nicht gewonnen aufgrund von Bewerbungsgesprächen, sondern weil sie sich bereits vorher aktiv um eine Stelle gekümmert hatten und wir ihnen dann geholfen haben, dass sie die Zuweisung vom Arbeitsamt bekommen haben.Das berührt die Frage der Freiwilligkeit.Es gibt ja einen Zwang, sie müssen die ABM-Stelle, die sie zugewiesen bekommen,annehmen,sonst verlieren sie ihren Anspruch.Diese 80%,von denen ich sprach,kommen allerdings zu uns, weil sie gerne ihre Tätigkeit machen möchten.Das ist ein Aspekt,der dem Ganzen doch einen Charakter von Freiwilligkeit gibt. Wagner: Was du sagst, zeigt sehr gut die Doppelseitigkeit dieser Programme. Es ist in vieler Hinsicht sinnvoll, etwas zu tun, wenn staatliche Förderungen da sind – warum nicht. Das Problem ist aber, dass man das in der Regel nicht mit der Zielsetzung Qualifizierung und soziale Absicherung macht,sondern man will z.B.Jugendprojekte, einen Jugendzirkus machen.Und stellt auf einmal fest, man hat zwar seit fünf Jahren einen Jugendzirkus gemacht,aber man hat gleichzeitig angefangen,auch etwas ganz anderes zu tun.Und jetzt muss man das verändern.Und dann verändert sich die Institution.Auf der anderen Seite gibt es dann in der Gesellschaft noch einmal verändernde Momente. ABM-Stellen werden ja nicht nach Notwendigkeit eingerichtet, ein ganzer Teil der Kofinanzierung und anderer Sachen wird auch über so genannte Blockverteilung gemacht. Wir hatten z.B. in Berlin zeitweise die vier »Grafschaften« Nord, Süd,West, Wer hilft hier wem und warum?

Ost, die Steuerstellen also, d.h. der Staat hat gar kein Interesse, viele kleine Träger zu haben, die mal eine ABMStelle haben, weil der Steueraufwand unheimlich hoch wird. Das ist eine Sache, auf die wir in den Untersuchungen gestoßen sind,dass die Leute uns gesagt haben:wir waren alle arbeitslos und dann haben wir uns überlegt,der Kindergarten bei uns im Dorf ist geschlossen,wir können vielleicht eine ABM-Stelle kriegen und den Kindergarten wieder aufmachen. Dann sind sie zu den Steuerstellen gegangen,da haben die gesagt:also mit einer Stelle können wir Ihnen nicht helfen,wollen Sie nicht zehn haben? Und dann haben die gedacht,es ist Weihnachten und gefragt, wieso zehn? Dann sagten die, wir fördern Projekte erst ab zehn Stellen. Die Leute hatten eine Vorstellung, was sie für ihr Dorf,für ihr Wohngebiet wollen.Und jetzt geht eine Beratung los,getrieben von den Interessen der Steuerungsstelle, wie kann ich zehn Stellen loswerden, damit ich von meinem Stundenkontingent, das ich verbrauchen muss, möglichst viel wegkriege. Und jetzt beginnt etwas sich zu verändern. Die Leute finden das natürlich erst mal gut,weil sie gedacht hatten,wir haben alle keine Arbeit,da kriegt einer eine Stelle und zehn arbeiten ehrenamtlich.Und auf einmal taucht die Perspektive auf, zehn kriegen eine Stelle und einer arbeitet ehrenamtlich, das ist wesentlich besser. Es gibt also ein Beziehungsnetz zwischen den Projekten und den staatlichen Stellen,das man nicht unterschätzen darf. O> Vielleicht kann ich das noch unterfüttern. Im Bereich des Arbeitsamtes Süd-West z.B.werden für das Jahr 2000 die gesamten ABM-Stellen vorweggeplant. D.h. jetzt kommen bereits die Rückläufe. Das ist ein Vorteil, weil man sich auf den Bedarf einstellen kann.Auf der anderen Seite waren zu den Versammlungen nur Träger ab einer bestimmten Größe eingeladen.Und dann hat man gesagt,5% der Plätze bleiben noch für die kleinen übrig, die werden reserviert. Das führte in diesem Jahr dazu, dass man im Frühjahr Verschiebungen vorgenommen hat zwischen ABM und Eingliederung und Lohnkostenzuschüssen, die dann gestrichen wurden.Das macht deutlich,dass das Arbeitsamt an einer solchen strukturierten Planung mit Hilfe der Service-Gesellschaften – das ist ja dann noch mal eine Größe,die dazwischen tritt – großes Interesse hat.Aber das hat aus meiner Erfahrung nur einen Sinn, wenn man dieses Instrument auch langfristig sinnvoll einsetzen will.Kleine Einrichtungen,die ihre sozialpolitischen Ziele verfolgen und nur nebenher das Instrument der Beschäftigungsförderung nutzen, müssten ihre Bedarfsanmeldung delegieren an eine Organisation, die auch kontrolliert ist vom fachlichen Ziel, wie etwa die sozial-kulturellen Zentren.Wenn es in die Richtung ginge,sähe ich darin einen Sinn. O< Aus der Not heraus haben wir in Marzahn und Hellersdorf bereits so einen Versuch gestartet, der zwar noch nicht in der Praxis existiert,aber mit Arbeitsamt und Service-Gesellschaft abgestimmt ist.Wir sind anerkannt als Beschäftigungsträger vom Senat,werden für den Club 74 in Hellersdorf, das ist auch eine Nachbarschaftseinrichtung,ergänzend ABM-Stellen beantragen.Wir haben erst mal positive Signale von allen Stellen erhalten.Und ich denke,so eine Zusammenarbeit ist notwendig,weil es überhaupt nicht mehr möglich ist für einen kleinen Trä-

ger, der vielleicht vier oder fünf ABM-Stellen hat, diesen ganzen Verwaltungsaufwand zu beherrschen,die Qualifizierung abzusichern und letzten Endes auch die Qualitätsstandards einzuhalten. O< Bei den großen Beschäftigungsträgern ergibt sich u.U.das Problem,dass die Arbeit nicht wirklich mit Inhalt gefüllt ist. Die haben eine große Menge von ABM-Kräften,ich weiß das aus eigener Erfahrung,weil wir mit zwei Beschäftigungsträgern Kontakt haben, die dann Hände ringend bei uns anrufen und sagen, könnt ihr uns zwei Leute abnehmen. Und das ist für die Betroffenen überhaupt nicht gut.Wir haben das zweimal probiert und es ist nicht gut gelaufen.Im Unterschied zu den Leuten,die wir selber beschäftigt hatten, sind die anderen dann bei uns nicht richtig drin, weil sie nur delegiert sind und an bestimmten Tagen aber noch beim Beschäftigungsträger ihre Zeit verbringen. Sie sind eigentlich nirgendwo so richtig integriert und können sich nicht identifizieren mit der Arbeit.Wenn das nicht auf eine bestimmte Aufgabe bezogen wird, für die tatsächlich Leute gebraucht werden,dann ist das wirklich eine ganz blöde Richtung,in die das geht.Die Beschäftigungsträger wiederum brauchen eine möglichst große Anzahl von ABM-Kräften, um ihre eigenen Regiestellen zu finanzieren. Das wird dann ein Selbstlauf. O< Wir haben Erfahrungen gemacht mit einem Projekt, das eine große Gesellschaft geplant hat und durchführt. Da kommen auch Arbeitsinhalte mit ins Spiel,wo ich sage,das ist kontraproduktiv zu dem,was wir machen wollen. Das Projekt bietet an, Kinder vom Kindergarten abzuholen.Unsere Arbeit in dem Bereich sieht so aus, dass wir Freunde oder Nachbarn vernetzen,wenn es Engpässe oder Probleme gibt. Wagner: Das ist ein Problem,das es in der Organisation, in der ich Verantwortung trage,auch gibt.Wir haben ein Qualifizierungsprojekt, wo wir z.B.Leute haben, die machen als Qualifizierung Vorlesen für Kinder in Krankenhäusern.Ich bin da immer ganz gespalten.Das als Qualifizierung zu bezeichnen, ist irgendwo schon tragisch. Jedenfalls tauchen eine Menge Projekte auf, die nicht sinnvoll sind. Vorrednerin: Ich hatte das weniger auf die Qualifizierung bezogen als auf einen Arbeitsinhalt,wo ich sage,der schafft Abhängigkeiten,statt Leute bei ihren Problemen zu unterstützen,selbständig zu werden.Und das ist eine ganz fatale Tendenz in solchen Projekten.Wenn wir sagen, wir möchten Nachbarschaftlichkeit fördern, dann gehört für mich dazu, in der Kita Bescheid zu sagen, ihr müsst euch kümmern, da gibt es ein Problem mit den Schichten, könnt ihr nicht Eltern ansprechen, ihr wisst, wer da in der Nähe wohnt oder welche der Kinder befreundet sind.Diese Netze aufzubauen,die oft nicht mehr so von alleine funktionieren, das ist die Aufgabe, und nicht einen Service anzubieten, der die Leute abhängig hält.Wenn das Projekt zu Ende ist oder gerade mal Finanzierungspause ist für sechs Monate,ist dieses Netz nämlich nicht da, aber die Gewöhnungseffekte der ServiceEinrichtung halten sich.Sie zerstören eine Chance,Bezüge untereinander und Verbindlichkeiten aufzubauen. Das halte ich für etwas Wichtiges in einer großen Stadt.


Was wollen die Kunden?

Zur Qualität bürgernaher sozialer Dienstleistungen Standards freigemeinnütziger bürger- und kieznaher sozialer Dienste in Abgrenzung zu obrigkeitlich organisierten staatlichen Leistungen auf der einen und gewerblich-kommerziellen Angeboten auf der anderen Seite mit Georg Zinner, Berlin O> Wir haben in relativ kurzer Zeit eine Wachstumsund Entwicklungsphase hinter uns gebracht,und es entstand die Frage, wie können wir für uns Methoden und Verfahren entwickeln um festzustellen,stimmt die Qualität unserer Arbeit,und wie können wir aus dem,was wir an Defiziten und auch an Entwicklungsmöglichkeiten feststellen, eine Strategie für die Zukunft ableiten, mal über das hinausgehen, was reine Existenzabsicherung, reine zahlenmäßig messbare Weiterentwicklung angeht. Also zu ermitteln,was die spezielle Qualität unserer Leistung ist, die uns auch gegenüber Mitbewerbern oder staatlichen Anbietern als die Besseren dastehen lässt.

Georg Zinner: Spezielle Qualität als freigemeinnütziger und nachbarschaftsorientierter Verein,ja? O< Das Wort,das für mich ganz wichtig war,war Standard.Was ist für uns Standard? Legen wir einen fest, inwieweit lässt er sich definieren? O< Bei uns in der Kindertagesstätte gibt es schon rege Zusammenarbeit mit den Eltern oder auch den Versuch, ihre Ideen als Mitwirkung in unser Konzept einzufügen. Trotzdem bin ich hier in der Annahme,dass es auch noch neue Anregungen gibt.

O< Wir diskutieren gerade in der Landesgruppe und im Vorstand des Verbands für sozial-kulturelle Arbeit die Frage von Förderkriterien und qualitativen Merkmalen für Nachbarschaftseinrichtungen. Die Diskussionen führen wir jetzt schon eine ganze Weile und ich habe heute den Wunsch, zu lernen und mich anregen zu lassen, aus anderen Einrichtungen was mitzunehmen. In der ufaFabrik selber sind wir auch gerade dabei, über Kundenorientierung zu reden.Und meine These ist,dass Kundenorientierung unumgänglich ist, weil es interne und externe Kunden gibt, also die eigenen Mitarbeiter zählen für mich z.B. auch zu unseren Kunden – sowohl die ehrenamtlichen als auch die hauptamtlichen Mitarbeiter. Was heißt Kundenorientierung,wenn man das auf die eigenen Mitarbeiter bezieht und wenn man das dann weiter bezieht auf die Menschen, die unsere Angebote nutzen, und auch auf die öffentlichen Träger, die uns finanzieren und von uns ja auch ganz klar Rechenschaft verlangen? Oder auch die gesamte Öffentlichkeit, die von uns erwartet,dass wir ihnen klar machen,ob wir das,was sie von uns wünschen und wollen, auch umsetzen. Das sind so die Stichpunkte,die für mich heute von Interesse sind. O< Ich erhoffe mir Anregungen für die Praxis und für die Öffentlichkeitsarbeit.Wir sind bislang ein sehr junges Haus,wir sind vor kurzem 7 Jahre alt geworden.Und es ist so, dass wir sehr bedarfsgerecht und kundenorientiert waren in der Anfangszeit, was jetzt immer schwieriger wird durch die knapper werdenden Mittel oder durch gar keine Mittel mehr in dem Bereich. Wir haben jetzt das Problem, dass wir die Kursgebühren nicht so gestalten können, dass wir bestimmte Sachen aufrecht erhalten können. Deswegen würde mich einfach mal interessieren, wie ist das in anderen Bereichen oder anderen Einrichtungen.

O< Unsere Nachbarschaftshilfen im Landkreis halten sich für bedarfs- und angebotsorientiert.Und wir haben neulich eine Umfrage unter 1.000 Senioren im Landkreis gestartet, um herauszukriegen, ob die Angebote an unsere Alten und Kranken tatsächlich den Bedürfnissen und dem Bedarf entsprechen. Und da sind überraschende Ergebnisse herausgekommen.Ich verspreche mir hier von dem Austausch einige neue Aspekte.

O< Ich erhoffe mir auch Anregungen und neue Ideen. Unser Projekt ist auf zwei Jahre begrenzt,ein Jahr ist bereits ins Land gegangen und zurzeit überlegen wir,wie es weitergehen kann nach Beendigung der EU-Förderung, vielleicht etwas anderes auf die Beine zu stellen.Und dabei sehe ich das, was hier angegeben war, als einen sehr interessanten Aspekt,weil wir auch in die Richtung überlegt haben, welche Möglichkeit man mit Dienstleistungen hat,die von den Leuten,die in dem Stadtteil wohnen, angeboten werden; das sind ja alles Dinge, die es schon gibt, z.B.Tauschbörsen. Dass man da einfach mal guckt, was gibt es für Möglichkeiten, was machen andere Einrichtungen bereits und wie ist der Bedarf.

O< Für mich geht es um die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen innerhalb der Einrichtung, denn Ehrenamtliche sind ja auch Kunden.

O> Wir haben breit gefächert in der Kinder- und Jugendarbeit, in der Seniorenarbeit, in der Selbsthilfetätigkeit viele Gruppen und Maßnahmen aufgebaut.Ich habe den Eindruck – sechs Jahre mache ich das jetzt –

O< Ich erhoffe mir einen theoretischen Hintergrund für meine Öffentlichkeitsarbeit.

dass man ein bisschen auf der Stelle tritt und dass wir im eigenen Saft schmoren.Deshalb ist es natürlich sehr günstig, wenn man hier im Rahmen eines solchen Erfahrungsaustausches viel Neues hört, was man in seine eigenen Zusammenhänge einbauen kann.Unser Haus ist in Marzahn-Nordost, das ist so am letzten Ende, im nordöstlichen Teil von Berlin. Mein Prinzip ist, immer wieder mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.Wir haben unterschiedliche Methoden, so haben wir Befragungen durchgeführt, persönliche Unterhaltungen, die sehr ergiebig sind, wo man tatsächlich hört, dieses und jenes sollte man machen. So ist bei uns das ganze Feld der Stadtwanderungen und Spaziergänge geboren worden, dass wir ganz Berlin erschließen,das kommt sehr gut bei unseren Senioren an, weil das kundenorientiert ist. Und so versuchen wir immer, Schritt für Schritt den Bedarf weiter zu erfassen. O< Wir wollten das Besondere von uns herausstellen. Ein wichtiger Punkt ist immer wieder,bürgernah,flexibel auf den neuen und vorhandenen Bedarf einzugehen.Und meine Frage ist,wie kann ich diesen Bedarf,die Wünsche, die da sind, auch institutionalisiert ermitteln; nicht nur sporadisch durch die einzelnen Mitarbeiter,die subjektiv hören und entscheiden. Wie kann ich da ein systematisches Verfahren in der Institution aufbauen? Und wie bewerte ich dann diesen Bedarf,wie setze ich den um und wo sage ich auch ganz klar nein,hier will ich diese Wünsche und den Bedarf gar nicht dulden, weil sie nicht ins Konzept passen. O> Mich haben bei der Arbeitsgruppe die Stichworte Kunde und Qualität angesprochen.In meiner beruflichen Tätigkeit interessiert mich das seit längerem und ich bin gespannt auf das,was hier kommt.Und ich finde es spannend, ich habe dieses Heft vom Verband angeguckt zu den Qualitätsmerkmalen, gerade die Formulierung Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen finde ich noch verbesserungswürdig. O< Ich bin viele Jahre schon im Nachbarschaftshaus tätig und für mich ist die Frage wichtig,was bieten wir an, entspricht das dem,was unsere Klientel möchte,wie finde ich Wege, das Angebot entsprechend zu gestalten. Zum anderen hat es in Bremen einen Wechsel gegeben vor einigen Jahren, dass die Nachbarschaftshäuser bzw. Bürgerhäuser einem anderen Ressort angegliedert worden sind, und zwar sind wir von Soziales zu Kultur gewandert mit einer anderen Ressort-Chefin. Und mit einem Mal ist es so,dass wir,die wir uns mehr verstanden haben als eine soziale Einrichtung, auf einmal mehr gefordert sind, und zwar wegen des Zuschusses, unsere Kundenorientierung und unsere Fähigkeiten dem Bürger gegenüber mehr darzustellen. Zinner: Es geht also darum,dass der Zuwendungsgeber sagt, ihr sollt mehr sozial-kulturelle, mehr kulturelle Angebote für die Bevölkerung vorhalten,nicht so sehr klassische Sozialarbeit machen. O< Mir geht es auch um Begrifflichkeiten,also welche Qualitätsstandards entwickeln wir für Nachbarschaftseinrichtungen und wie weit sind sie vergleichbar, nur dann haben sie einen Sinn. Und wie kriegen wir diesen Was wollen die Kunden?


Vergleich geregelt. Als zweites haben wir Probleme mit dem Begriff »Kunde«,der Kunde als das große Einkaufspotenzial.Aber wer kauft sich bei uns ein oder nicht,also wir haben Schwierigkeiten mit diesem Begriff,wir sagen BesucherIn oder NutzerIn und nicht Kunde. Zinner: Ich habe schon darauf gewartet, dass das jetzt endlich mal jemand sagt. Vorrednerin: Und dann geht es uns auch um Marktanalyse,wir sind auch im Projekt ProBE,haben da eine Menge Befragungen unserer Ehrenamtlichen und NutzerInnen durchgeführt,und wir sehen Ehrenamt nicht nur als Kunden, sondern eben vor allen Dingen auch als Kundenbefriediger. Wie erreichen wir die Anerkennung dieser Arbeit,das wäre für mich noch eine Frage. O< Was mich angesprochen hat, waren die drei Begriffe Kunde, Qualität und Standards. Und die Frage, ob man in einer Einrichtung,die ein so wahnsinnig breit gefächertes Angebot hat wie ein Gemeinwesenzentrum oder Nachbarschaftsheim, überhaupt Standards festlegen kann für die Arbeit.Bei uns liegt der Schwerpunkt auf der sozialen Beratung von ganz vielen Kunden,die wirklich sonst durch alle Beratungslücken fallen,weil sie eben eine sehr vertraute Atmosphäre und eine sehr persönliche Beratung,bis hin zur Betreuung,brauchen,und zwar im Wohngebiet, also ganz nah, auch mit vielen Ängsten rauszugehen, bis hin zu den BerufsrückkehrerInnen, die ich im Projekt habe,die oft ganz anders in die Welt gehen, sehr viele Anregungen aufnehmen können. Und in diesem breiten Feld Standards festzulegen, finde ich sehr schwierig.Darüber würde ich gerne mit anderen Einrichtungen diskutieren. O> Was mich bewegt hat,sind Dinge,die wir in Diskussionen an mehreren Stellen in den letzten Wochen gemerkt haben.Das eine ist,egal mit wem man spricht,also wer auf dem Gebiet tätig ist, der engagiert sich ja eigentlich, um das Leben der Menschen lebenswerter zu gestalten.Und deswegen reizt mich diese Diskussion,wo auch eine Abgrenzung/Überschneidung stattfinden kann zwischen den Dienstleistern,von kommunalen Anliegen bis hin zu dem,was die Wohlfahrtsverbände machen und was freie oder private Anbieter machen. Es gibt wirklich Überangebote – oder es wird suggeriert,dass es Überangebote gibt. Daraus ergibt sich dann immer wieder die Frage der Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage. Und wenn es hier um Angebote geht,entsteht wieder die Frage der Flexibilität,also wie schnell sind wir in der Lage, Angebote,die sich jahrelang etabliert haben,mit neuem Bedarf und neuen Erwartungen zu vereinbaren. Daraus entsteht dann die nächste Frage: Wenn wir Angebote weiterentwickeln oder verändern,wo setzen wir da Prioritäten? Haben wir nachgefragt bei den Leuten oder machen wir es,weil es eben Geld gibt dafür? Oder weil es etwas sein kann, wo man wieder die Existenz der Einrichtung abfedern kann? Das hängt auch mit der Profilbestimmung der Einrichtung zusammen. O< Für uns im Ministerium ist wichtig zu sehen,ob das, was wir tun oder versuchen, auch wirklich da ankommt, wo wir es haben wollen bzw. die Rückmeldung zu bekommen von unten,ob es wirklich die Probleme löst und Was wollen die Kunden?

angeht, die da gesehen werden. D.h. wir nutzen solche Veranstaltungen wie diese als Information und als Austausch. Zinner: Das ist dann die Kundenfreundlichkeit des Ministeriums.Schön,dass Sie da sind. O> Als Kommunale Gemeinschaftsstelle haben wir ein neues Steuerungsmodell entwickelt für die Kommunen. Die Kollegin aus Frankfurt hat eben so was beschrieben, Kontraktmanagement in sozial-kulturellen Einrichtungen. Das ist Bestandteil von dem Versuch, strategische Steuerung in den Kommunen zu etablieren,vor dem Hintergrund, die knapper werdenden Mittel halbwegs vernünftig einzusetzen, vor allem im breiten Konsens mit Kunden.Es gibt mittlerweile einige Gesetzesänderungen, die jetzt auch von vielen sozial-kulturellen Einrichtungen verlangen, dass sie in ihrem Kontrakt selbstbestimmte strategische Ziele darstellen und Controlling machen.Die stärkere Zielorientierung, auch in der sozial-kulturellen Arbeit, führt letztlich dazu, dass auch die Effizienz der Arbeit verbessert werden kann. Wir selber haben zu Qualitätsmanagement verschiedene Arbeiten vorgelegt, die eine sehr starke Rollendifferenzierung von Kunden und auch von Mitarbeitern ergeben haben. Auch die Investoren werden als Kunden in der Stadt angesehen. Dann gibt es die hoheitlichen Verhältnisse, die Bundessozialhilfegesetze.Und dann gibt es noch den Bereich der freiwilligen Aufgaben im sozio-kulturellen Bereich,auch da sind Kunden. O> Mein Interesse hat den Hintergrund,dass der Träger von unserem Jugend- und Freizeitzentrum ein Verein ist, der ein soziales Netzwerk aufbauen will. Dieser Verein hatte die Idee,ein Projekt aufzubauen,bei dem es um solche Dinge geht wie Aufbau von Nachbarschaftshilfe, Selbsthilfestrukturen usw. Eigentlich hätte mich unter dem Gesichtspunkt jeder Workshop interessiert, aber man muss sich ja nun mal für einen entscheiden. O> Ich gehöre vielleicht zu denjenigen, die Kunden sind.Mich interessiert in erster Linie die Arbeit mit Senioren.Ich leite eine Seniorengruppe und habe dadurch auch sehr enge Verbindung zum Sozialamt, zum Wohnungsanbieter, mache Öffentlichkeitsarbeit. Wir geben eine Seniorenzeitung raus,dort arbeite ich mit.Und dort treffen sich manche Dinge.An einem Punkt habe ich Schwierigkeiten,und ich erzähle mal ein Beispiel.Wir haben unsere Seniorengruppe gegründet, wir waren noch gar nicht alle im Saal drin,da waren schon die ersten da,die mir Werbeprospekte gebracht haben. Senioren wollen doch verreisen, sie wollen ihre Wohnung umbauen und sie wollen eine neue Badewanne haben und wir machen ihnen den Teppich sauber.Und ich sage immer,wenn ich mich jetzt auch um diese Dinge kümmere und wenn ich die Interessen der Senioren vertreten will,dann muss ich überlegen,was ist denn da eigentlich richtig.Vielfach habe ich den Eindruck, es geht in erster Linie um die kommerziellen Dinge, also ums Geldverdienen. Das möchte ich von hier mitnehmen,welche Erfahrungen es auf dem Gebiet gibt,die ich für mich im Interesse der Senioren,mit denen ich mich beschäftige,nutzen kann. Zinner: Jetzt müssen wir aus dem Teig einen Kuchen

backen.Ich versuche mal, meine Gedanken dazu zu entwickeln.Es hat ja eine Veränderung gegeben, man kann schon fast sagen – einen Paradigmenwechsel,in der Sozialarbeit,seit es Sparmaßnahmen gibt.Seither muss die öffentliche Hand genauer überlegen,wie sie ihr Geld ausgibt. Und da sie auch viel Geld an freie Träger gibt, fragt man die genauer als in der Vergangenheit, was sie mit diesem Geld machen.Es gibt einen weiteren Aspekt,den der Konkurrenz.In der Vergangenheit war man als freier Träger oft allein auf weiter Flur und das einzige Nachbarschaftsheim oder die einzige sozial-kulturelle Einrichtung weit und breit.Heute schießen diese Einrichtungen, ich übertreibe mal, wie Pilze aus dem Boden und man muss sich der Konkurrenz erwehren. Und auch da entsteht der Zwang, ein besseres Angebot zu machen. Darüber hinaus haben sich viele Einrichtungen zu Trägereinrichtungen entwickelt.Also sie machen nicht nur mit 1,2,3 Leuten einen Treffpunkt,machen ein paar Angebote, zu denen sie Leute einladen, sondern sie sind richtig professionelle Einrichtungen und Träger von Kindertagesstätten, Sozialstationen, Heimen, Selbsthilfetreffpunkten usw.geworden.Und das erfordert auf der einen Seite die Behauptung auf dem Markt gegenüber anderen Konkurrenten, die vielleicht auch gerne Träger wären, aber auch professionelle Dienstleistung und die Kundenzufriedenheit, weil z.B. Eltern, die ihre Kinder bei uns in der Kindertagesstätte abliefern,natürlich wollen,dass ihr Kind optimal betreut wird. Wenn das nicht geschieht, dann beschweren sie sich oder nehmen ihr Kind raus. Und das kann heute in Berlin für die Einrichtung zum Problem werden, weil leistungsfinanziert wird, also pro belegtem Platz. Es gab in Berlin schon immer eine Platzgeldfinanzierung, aber es gibt keine pauschale Zuwendung mehr. Wir haben im Bereich der Pflegeversicherung zum ersten Mal die gesetzliche Grundlage für die Nichtbevorzugung der freien Wohlfahrtspflege im sozialen Bereich. Früher galt das Subsidiaritätsprinzip mit einem doppelten Vorrang, mit dem Vorrang vor dem öffentlichen Träger, verbunden auch mit der Förderung durch die öffentliche Hand.Man hat den gemeinnützigen Träger auf jeden Fall gegenüber einem anderen Träger, vor allem dem kommerziellen, bevorzugt.In der Pflegeversicherung ist das zum ersten Mal bei einem ganz großen Komplex auf dem Gesundheitssektor, auch auf dem sozialen Sektor, aufgehoben worden. Und jede Sozialstation muss sich heute voll und ganz der privaten Konkurrenz erwehren, hat also überhaupt keinen Wettbewerbsvorteil. Auch da muss man sich anstrengen, um der Cleverness und der Schnelligkeit Privater entsprechen zu können. Und zum ersten Mal sind im Pflegeversicherungsgesetz Standards festgeschrieben und Qualitätssicherung wird gesetzlich gefordert. Ich springe jetzt mal zurück zu der Zeit,als ich Geschäftsführer eines Nachbarschaftsheimes wurde.Da hatte dieses Nachbarschaftsheim so gut wie keine Besucher mehr, aber durchaus eine auskömmliche Förderung. Das hat aber weiter kaum jemanden interessiert. Ähnlich sah es auch in anderen Nachbarschaftseinrichtungen aus.Viele der Mitarbeiter waren damit recht zufrieden.Und die Öffentlichkeit hat das auch nicht weiter gestört.Außer dass sie eben weggeblieben ist.Die Politiker hatten zumindest hier in Berlin noch so viel Geld in den Kassen,dass sie das stillschweigend hingenommen haben, weil sie sich vermutlich gedacht haben, in unseren eigenen Einrichtun-


gen ist es ja auch nicht anders.Es gibt eine Entwicklung, eine Dynamik in den Nachbarschaftseinrichtungen, die heute sehr kundenorientiert arbeiten.Diese Entwicklung hat sich in den öffentlichen Einrichtungen nicht ohne weiteres vollzogen, das behaupte ich. Also, ich kenne Jugendfreizeitheime in der Umgebung des Nachbarschaftsheimes Schöneberg, wo Kinder oder Jugendliche nur ausnahmsweise hinkommen, die Mitarbeiter fühlen sich dort aber durchaus wohl,jedenfalls nach außen hin. Das ist auch bekannt in den zuständigen Bezirksämtern, aber es ändert sich nichts.Da hat es also eine gegenläufige Entwicklung gegeben,da ist etwas passiert,was den freien Trägern doch eher Ansatzpunkte für Veränderungen und Entwicklungen gibt als kommunalen Einrichtungen. Ich sage jetzt nicht, alle kommunalen Einrichtungen sind so wie diese Jugendfreizeitheime,von denen ich gesprochen habe. Die sind die wirklich privatisierten Einrichtungen, weil die Mitarbeiter dort ihren privaten Hobbys nachgehen,in einem pflegt man Rennautos von Mitarbeitern und Freunden,da würden die Jugendlichen nur stören; die Räume sind immer gerade defekt,ob das der Computerraum ist oder sonst irgendwas.Da finde ich das wieder, was ich auch vorgefunden habe, als ich der Geschäftsführer eines Nachbarschaftsheimes wurde.Nur, bei uns gab es eine Veränderung.Und diese Veränderung versuche ich jetzt mal zu beschreiben. Die fängt meiner Meinung nach mit Qualitätssicherung an, mit der Entwicklung von Standards. Ich sage: in der sozialen Arbeit oder in der sozial-kulturellen Arbeit ist das gut, was den Bürgern nutzt, was konkret nützlichen Wert für sie hat, was einen Gebrauchswert für sie hat. Das war die erste Überlegung.

vorne und hinten bedruckt, mit Programmangeboten und Veranstaltungen,ein paar Kursen,Yoga,alles was damals so ein bisschen modern oder auch noch nicht bekannt war, wo man gesagt hat, da könnte man versuchen, das mal bekannt zu machen. Aber auch Nähkurs, was es überhaupt nicht mehr gegeben hat, Gruppenangebote für Kinder,was verpönt war zu der Zeit.Und siehe da, die Leute haben manche Angebote gebucht und andere haben sie nicht gebucht.Und so haben wir uns rangetastet.Und auf diese Art und Weise ist dieses Nachbarschaftsheim wieder in der Bevölkerung bekannt geworden.Wir haben jahrelang in einer Auflage von 12.000 – 15.000 Stück in alle Hausbriefkästen der Umgebung unser Programm eingeworfen.Und so entstand Vertrauen. Als die Leute wussten, es ist keine Eintagsfliege, sind sie gekommen. Was wir versprochen hatten, mussten wir dann auch halten. Wir haben das also etwa fünf Jahre lang gemacht und dann waren wir eine bekannte Ein-

niedrige Flamme gestellt oder ganz eingestellt. Man arbeitet nicht mit den bekannten und bewährten Strukturen,baut also die vorhandenen Strukturen nicht aus,sondern macht ein neues Modell.Der Glanz fällt auf den Politiker und er hat etwas für seine Kunden, sprich die Wähler, getan und hofft, dass er es in Stimmenzahlen ummünzen kann. Was ich mir wünsche, ist, dass man hinhört, mit den Leuten spricht,aufnimmt,was die Leute wollen,und versucht, das dann umzusetzen, dass man in der eigenen Einrichtung und u.U. auch mit den Mitarbeitern zusammen Geldquellen erschließt,um dann das,was die Leute wollen, zu finanzieren. Diese Öffentlichkeitsarbeit, diese Transparenz,dieses Hinhören,das ist sehr wichtig für jeden Entwicklungsprozess. Wenn man das nicht mehr macht,dann bleibt man an irgendeiner Stelle stehen. Ein weiterer Punkt,der sehr wichtig ist und häufig in unseren Einrichtungen unterschätzt wird, das sind die

richtung.Unser größtes Problem war,immer neue Räume zu schaffen,immer neue Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen, um der Nachfrage der Bevölkerung gerecht zu werden. Wir haben natürlich auch Bauchlandungen gemacht, weil es bestimmte Sachen gab, die die Leute nicht angenommen haben.Aber im Großen und Ganzen war etwas in der Bevölkerung da, das uns gezeigt hat, was die Leute sich wünschen.Und diese Wünsche haben wir aufgenommen,versucht umzusetzen. Der zweite Punkt, der wichtig ist, das ist die Öffentlichkeitsarbeit.Indem man einfach darstellt,was bietet man an, man zeigt, wer man ist, wird transparent, durchschaubar und demonstriert Verlässlichkeit. Und dieses Programmheft-Verteilen in der Größenordnung bis zu 15.000 halten wir bis heute ein.Dann gibt es noch spezielle Programmhefte, etwa für den Türkischen Frauenladen oder den Arabischen Frauenladen oder die Kinderund Jugendeinrichtungen. Die andere Sache,die wichtig ist,ist dass man sich natürlich seinen Stadtteil oder seinen Einzugsbereich anschaut. Das ist Markterkundung, aber vielleicht auf eine andere Art, als man es gemeinhin betreibt. In Berlin haben wir zur Zeit das Projekt Quartiersmanagement, wo viel Geld reingesteckt wird, was ich als eine politische Stichflamme ansehe.Da wird schnell irgendetwas angezündet kurz vor den Wahlen,das soll hell leuchten.Wenn die Wahlen vorbei sind, dann wird das auch wieder auf

Räume.Wie schauen die Räume aus,wie ist die Zugänglichkeit der Räume,wo sind die Räume? Die Räume müssen einladend sein,eine Atmosphäre ausstrahlen,die den Leuten, die reinkommen, das Gefühl gibt, hier sind sie willkommen, dass sie sich entspannen und sich frei fühlen können.Die Räume müssen auch so sein,dass sich sehr unterschiedliche Gruppen dort treffen können.Und das muss nicht teuer sein. Ein Vorwurf an das Nachbarschaftsheim Schöneberg war lange Jahre,wir würden zu viel Geld ausgeben für schöne Räume statt für Stellen.Es hat gar nicht viel Geld gekostet,es war nur in den Köpfen der Leute,dass es viel Geld kosten würde.Man kann auch mit wenig Mitteln schöne Räume gestalten. Der Geschmack muss sozusagen etwas neutraler sein, kann nicht extrem sein.Und die Räume müssen natürlich dann zur Verfügung stehen, wenn die Leute Zeit haben, also nicht nur, wenn unsere Arbeitszeit ist. Auch das ist ein zentraler Punkt der Kundenzufriedenheit. Ich benutze das Wort jetzt mal,die Zufriedenheit der Bürger,von denen ich sage,es ist ihr Steuergeld oder auch Versichertengeld oder sonstiges Geld,das auf irgendeinem Weg,meist über die Politik oder die Verwaltung,zu uns kommt.Und wir sind nur Treuhänder dieses Geldes,wir sind auch nur die Treuhänder dieser Räume,die gehören uns nicht,und wir haben die so zu verwalten,dass dieses Steuergeld optimal zu den Bürgern zurückkommt. Das muss man im Kopf haben, dass es nicht unser persönliches Eigentum

O< Nach dem Prinzip,ich weiß,was gut für dich ist? Zinner: Nein, nicht nach dem Prinzip, ich weiß, was gut für dich ist. Danach ist es vorher nämlich gelaufen, da sind die Leute weggeblieben. Vorher war ja die soziale Arbeit ideologisiert,im Westen jedenfalls,dass wir Sozialarbeiter wussten,was für die Bürger gut ist,dass wir wussten, das sind die armen Benachteiligten, da gab es die berühmte Randgruppenstrategie,und wir müssen denen zeigen, dass sie sich wehren müssen unter der Führung von uns professionellen Sozialabeitern.Nur,die Leute haben das nicht verstanden. Das war ein Ausfluss der 68er Bewegung.Es gab aber auch schon Ansätze,in denen sich das konkret Nützliche niedergeschlagen hat.Eine der ersten Sachen war, dass man Kinderbetreuung aufgebaut hat,also Kinderladen-ähnliche Betreuung,mit Eltern,die ihre Kinder nicht mehr unbedingt in staatliche Kindergärten geben wollten, oder Schularbeitsläden eingerichtet hat, die ortsnah waren, weil man eine sinnvolle Freizeitgestaltung am Nachmittag haben wollte für Kinder. Da haben sich die Elemente schon wiedergefunden, ohne dass einem bewusst war, was konkret nützlich war. Und was konkret nützlich war, das kann man unter Umständen auch nur herausfinden,indem man Angebote macht. Wenn keine Leute mehr kommen, wenn die Einrichtung nicht mehr bekannt ist,dann muss man ja etwas tun,um bekannt zu werden. Man macht den Versuch, irgendetwas in die Bevölkerung zu werfen und wartet die Reaktion ab um zu schauen,ist es das,was die Leute wollen oder ist es das nicht.Und so ist es bei uns auch gewesen.Unser erstes Programmheft war eine DIN-A 4-Seite,

Was wollen die Kunden?


ist, sondern dass es von den Bürgern finanziert ist. Und damit man die richtige Haltung oder Einstellung dazu bekommt, ist dieses der Standard, den man in sich drin haben muss, sonst nützen alle anderen Standards nämlich nichts,wenn ich diese Haltung nicht habe.Und das ist ein Punkt,den nicht alle Mitarbeiter mit vollziehen können.Und die das nicht können,von denen muss man sich u.U.auch trennen. Dieser Punkt ist von zentraler Bedeutung,dass die Räume dann zur Verfügung stehen,wenn sie gebraucht werden. Da gibt es auch andere Systeme,die man nutzen kann.Es heißt ja nicht, dass bei Selbsthilfegruppen, die sich zu 90% abends treffen,immer der Sozialarbeiter dabei sein soll.Das wäre dann auch wieder nicht kundenfreundlich, wenn der Sozialarbeiter immer die Selbsthilfegruppen beobachtet und überwacht.Sondern dann gibt man halt den Schlüssel raus.Wir haben bestimmt 200–300 Schlüssel an irgendwelche Gruppenverantwortlichen gegeben und es hat noch nicht einen ernsthaften Zwischenfall gegeben.Ich weiß,wie schwer es ist,öffentliche Räume im Rathaus oder in einer Seniorenfreizeitstätte oder sonst irgendwo zu bekommen,die Leute müssen einen Hürdenlauf machen, bis sie aufgeben. Und das ist auch so gewollt.Neuerdings müssen sie ja auch noch Miete bezahlen dafür,dass sie ihr eigenes Rathaus nutzen.Räumlichkeit, Öffnungszeit, hat letztlich immer was mit der Einstellung der Mitarbeiter zu ihrer Aufgabe und zur Bevölkerung zu tun. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Beteiligung.Fast alle von uns, die in Nachbarschaftsvereinen, in sozial-kulturellen Zentren arbeiten, haben ja als Träger einen eingetragenen gemeinnützigen Verein.Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass manche das als notwendige Form betrachten. Das braucht man, weil man sonst nicht handlungsfähig ist. Umgekehrt gibt es viele Vorstände oder Vereine,die sich nicht einmischen wollen,die sagen,das ist die Sache der Hauptamtlichen,damit wollen wir nichts zu tun haben. Beides ist eine sehr fatale Einstellung. Nachbarschaftseinrichtungen haben sehr viel mit Demokratie und Beteiligung zu tun oder sollten es haben.Und das ist ein Qualitätsmerkmal,ein Qualitätsvorsprung gegenüber allen anderen Einrichtungen.Das ist etwas,was wir bis heute zu wenig nutzen,was wir als Merkmal stärker in unser Bewusstsein rücken müssen,damit wir besser damit umgehen.Der Verein als Träger kann in vielfacher Weise nützlich sein.Einmal sind das vielfach Bürger aus dem Stadtteil,aus der Umgebung,also Leute,die sehr gut informiert sind,die Informationen zu den hauptamtlichen Mitarbeitern tragen können.Umgekehrt ist es so, dass die Mitarbeiter den Vorstand gut gebrauchen können, weil es ab einer bestimmten Entscheidungsebene vorteilhaft ist, Konflikte nicht intern regeln zu müssen, sondern jemanden an der Seite zu haben,wenn man um Geld kämpft, wenn man mit der Politik zu tun hat oder wenn man nach außen auftritt.Diese Bürgerbeteiligung muss sich nicht auf die formale Vereinsform beschränken, sie kann weit darüber hinausgehen und empfiehlt sich vor allem dort,wo die Einrichtungen größer werden,wo sie an verschiedenen Orten sind und wo sie sehr verschiedene Arbeiten machen. Es ist nicht leicht, Vereinsmitglieder zu gewinnen, vor allem dann nicht, wenn die Einrichtungen offen für jeden Bürger sind und die Bürger wissen, sie müssen nicht erst Vereinsmitglied sein, um bestimmte Angebote wahrnehmen zu können.So soll es Was wollen die Kunden?

bei uns ja nicht sein, so darf es auf keinen Fall sein. Da muss man dann Formen von Beteiligung entwickeln.Ich will ein paar Beispiele nennen, wie sie sich bei uns entwickelt haben,von denen ich glaube,dass sie sehr wichtig sind.Bei uns gibt es z.B.einen Seniorenrat.Die ehrenamtlichen Gruppenleiter sind es im wesentlichen,die den Seniorenrat bilden und sich alle sechs bis acht Wochen treffen, zum einen um ihre eigenen Probleme, die sie in der Gruppe oder als Gruppenleiter haben,zu besprechen. Gleichzeitig ist das so etwas wie eine Schulung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Damit entsteht eine Qualitätsverbesserung der Arbeit.Oder:Es gibt in den Kindertagesstätten Elternvertreter, die von den Eltern gewählt und bei der Einstellung von Mitarbeitern beteiligt werden. O< Das ist was Besonderes, das ist das erste Mal, dass ich so etwas höre. Zinner: Oder sie werden beteiligt bei der Aufnahme von neuen Kindern.Und die Kriterien werden da auch offengelegt von der Arbeit her. Da gibt es ja auch Konfliktsituationen, warum darf der sein Kind reinbringen und der nicht. O< Ist das ähnlich, wie es in Kinderläden, in Elterninitiativläden läuft? Zinner: Es gibt einen großen Unterschied zu Elterninitiativeinrichtungen, weil dort die Eltern unmittelbare Arbeitgeber der Erzieher und damit in einer schwierigen Rolle sind.Diese Rolle haben die Eltern bei uns nicht,sondern da gibt es die neutraleren Träger und die Eltern sind die Eltern,sind viel freier und unbefangener.Wenn sie ein Problem haben, können sie zum Geschäftsführer oder zum Vorstand gehen und sich beschweren. O< Aber das ändert sich ja zurzeit in Berlin ganz massiv,weil tatsächlich alle Kindertagesstätten,Elterninitiativkindertagesstätten und Kinderläden gucken müssen, dass sie ihre Läden voll kriegen.Demzufolge müssen sie auch schauen, dass ihre Angebote den Bedürfnissen der Kinder und Eltern entsprechen. Zinner: Diese Berliner Situation speziell, dass sich die Kinderläden ändern müssen, hat damit zu tun, dass es erstmals ausreichend Kita-Plätze gibt und die Eltern die Wahl haben. Es ist ja jetzt auch so, dass z.B. kirchliche Kitas Schwierigkeiten haben,ihre Plätze zu belegen,oder Kitas,die ein bestimmtes Leistungsprofil nicht mehr bringen.Wir haben das nicht,wir haben nach wie vor eine unendliche Warteliste. Es spricht sich natürlich rum, es ist auch geschäftlich interessant, so zu handeln, weil die Eltern wissen, da haben sie Mitspracherecht, Beteiligungsmöglichkeiten.Und man kann die Eltern natürlich auch an den eigenen Problemen beteiligen.Wenn man ein Problem hat in einer Einrichtung,dann kann man sie auch dafür interessieren,es zu lösen.Und sie können auch wieder verschiedene Qualitäten mitbringen, z.B. Beziehungen zu Geschäftsleuten, die vielleicht Sponsor werden können usw. Man multipliziert seine eigenen Möglichkeiten, ohne dass man dafür viel tun muss, weil die Leute, indem sie das erfahren, sich Gedanken machen. Man vervielfacht also durch die Beteiligungsform seine

Möglichkeiten und ist auch noch »geschäftlich erfolgreich« damit. Ein anderes Beispiel: Wir versuchen, in unseren Kinderund Jugendeinrichtungen Beteiligungsformen zu entwickeln,die es früher schon mal gegeben hat.Wir fassen z.B. die kleineren Kinder in Gruppen zusammen. Und in den Gruppen gibt es natürlich Funktionen,da kann einer die Kasse verwalten,der andere hat eine andere Aufgabe. Damit die Kinder sehr frühzeitig Aufgaben bekommen, sich engagieren können und darüber ihr Selbstbewusstsein entwickeln und Bestätigung erfahren. In unserer Jugendetage haben wir einen Sprecherrat, eine Gruppe von Jugendlichen, die sich regelmäßig trifft und auch sehr verantwortlich an Planungen beteiligt wird und selbständig Aufgaben übernimmt,bis dahin,dass einzelne Leute selbst Öffnungszeiten übernehmen oder Reisen machen, ältere Jugendliche mit jüngeren Jugendlichen, und richtig zum Jugendgruppenleiter ausgebildet werden.Das hat auch wieder eine Qualität,die sich positiv auf die Arbeit auswirkt,weil diese Jugendlichen mit anderen Jugendlichen besser und auf einer anderen Ebene umgehen können als wir Professionelle. Überhaupt sind die Ehrenamtlichen bei uns das wichtigste Element der Arbeit.Wir haben für uns einen Leitfaden entwickelt oder »Goldene Regeln« zur Arbeit mit Ehrenamtlichen, die ungefähr so lauten: Wenn einer sich bei uns ehrenamtlich engagieren möchte,dann lässt du alles stehen und liegen und kümmerst dich um den. Das ist keineswegs selbstverständlich. Es war viele Jahre Bestandteil des Bewusstseins, jeder Ehrenamtliche ist ein Feind, weil er dir die Arbeitsstelle wegnimmt. Diese Legende ist bei uns nicht mehr aktuell,es ist aber durchaus auch so, dass Mitarbeiter immer noch Schwierigkeiten haben,mit Ehrenamtlichen umzugehen.Sozialarbeiter werden dafür nicht ausgebildet, Erzieher schon gar nicht. Es ist nicht selbstverständlicher Bestandteil einer sozialen Einrichtung, aber auch das verankert einen vor allem im Stadtteil. Es geht sicher um die Qualität, die Ehrenamtliche einbringen können, die freiwillige Arbeit leisten,eine Qualität,die keiner von uns erbringt,und es geht darum,dass diese Ehrenamtlichen ja Bewohner aus der Nachbarschaft sind und Multiplikator. Und sie sind Interessenvertreter,die sich mit unserer Einrichtung oder zumindest mit der,in der sie arbeiten,identifizieren können. Das ist ein Qualitätsmerkmal, das nicht unter dem Gesichtspunkt von Sparsamkeit betrachtet werden darf. Wenn man ehrlich ist,kann man damit auch Geld sparen, aber eigentlich kann man in erster Linie seine Qualität verbessern und zusätzliche Angebote machen. Und es kostet vielleicht sogar auch Geld. Also es erspart nicht Geld, in dem Sinne wie Politik in den letzten Jahren Ehrenamtlichkeit in den Vordergrund gestellt hat. Das Ehrenamt, gerade die Freiwilligkeit, erfordert ein hohes Maß an Bereitschaft, auf diese Leute zuzugehen, mit ihnen zu sprechen, ihnen Fortbildung anzubieten, ihnen »Belohnung« zu geben. Es geht nicht um Geld, es geht auch nicht darum, dass die sozialversichert werden oder Rentenversicherungszeiten angerechnet bekommen wollen. Wir haben entsprechende Umfragen gemacht. Sie haben keine Forderungen, allenfalls nach Ersatz von Aufwand, Fahrtkosten, keine weiteren finanziellen Forderungen.Aber sie wollen anerkannt werden und wollen sich wohlfühlen.Und das zu Recht. Das hat noch eine weitere wichtige Dimension und das


hat jetzt was mit Konkurrenz auch gegenüber Privaten zu tun: Diese Qualität des ehrenamtlichen Engagements können eigentlich nur gemeinnützige Einrichtungen haben. Niemand anderes kann ehrenamtliches Engagement so für sich mobilisieren und damit zugleich für sich etwas tun. Man muss sich öffnen dafür. So wie man die Räume schön macht und damit demonstriert, dass man sich öffnet, so wie man Öffentlichkeitsarbeit macht und regelmäßig Programminformationen herausgibt, so offensiv muss man auch um ehrenamtliche Mitarbeiter werben.In unserem Programmheft machen wir das seit einigen Jahren. Unsere Mitarbeiter tun sich sehr schwer damit,bei jeder Herausgabe des Programms muss ich reden,dass sie darüber etwas reinschreiben.Aber wenn sie es dann gemacht haben, gibt es fast immer positive Rückmeldungen. O< Ich kann mir vorstellen,dass diese Rückmeldungen nicht immer nur positiv sind, sondern dass Sie z.T. auch Anfragen bekommen von Leuten, die vielleicht auch Aufgaben übernehmen wollen, denen sie aber in Wirklichkeit gar nicht gewachsen sind. O< Was ganz wichtig ist, wenn sich jemand meldet zum Ehrenamt, sich dann wirklich die Zeit zu nehmen und gemeinsam herauszufinden,wo sind die Interessen, wo sind Möglichkeiten und da genau hinzuhören.Natürlich gibt es Menschen,die sich übernehmen,die fünf Tage die Woche kommen möchten.Wenn sich jemand tatsächlich übernimmt,muss man eine vorsichtige und respektvolle Art entwickeln und den Vorschlag machen,ein bisschen kleiner anzufangen. O< Nach einem Erstgespräch, wenn jemand kommt, der Lust hat,etwas mitzumachen,welche Möglichkeiten habt ihr denn, den einzubeziehen? Ihr habt einen Sprecherrat bei den Jugendlichen, dann gibt es die Elternvertretung und die Ehrenamtlichen.Habt ihr auch Treffen zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen,dass sie auch insgesamt ins Geschehen mit eingebunden sind? Zinner: Wir haben jetzt einen Tag des Ehrenamtlichen – das haben wir in diesem Jahr zum zweiten Mal gemacht. Da haben wir die Leute geehrt mit Urkunden, z.T. über den Paritätischen Wohlfahrtsverband ehren lassen. Es waren alte Leute dabei, es waren mittelalte Leute dabei und es waren Jugendliche dabei,die z.T.schon fünf oder acht Jahre ehrenamtlich mitarbeiten. Die Leute waren perplex,wir selbst auch,wie das angekommen ist.Es hat dann auch einen Erfahrungsaustausch gegeben,der moderiert wurde.Und da saßen nun von jeder Gruppierung Ehrenamtliche und haben erzählt, warum sie das gemacht haben, wie sie dazu gekommen sind, wie sie sich fühlen. Ich glaube, diese Ehrung unterschätzen wir, welchen Stellenwert sie für die einzelnen Personen hat.Der wichtigste Punkt ist aber nicht diese Ehrung.Wir haben sehr viele ehrenamtliche Betreuer auch nach dem Betreuungsgesetz, etwa 100 in den letzten vier bis fünf Jahren, gewonnen. Da sind viele Berufstätige dabei, die das sehr gerne machen. Da gibt es einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch einmal im Monat, das ist noch wichtiger als die Ehrungen. O< Vor der Hierarchie,die sich zwischen den Professio-

nellen und den Ehrenamtlichen bilden kann, sollte man sich hüten.Wir sind da vielleicht ein Sonderfall, weil wir eine andere Startbasis haben,alle 15 Nachbarschaftshilfen bilden eine Bürgerinitiative, ohne Professionelle. Deshalb sind wir auch ganz anders strukturiert.Da gibt es diese Hierarchie nicht zwischen den von der Kommune eingesetzten Sozialarbeitern und den Ehrenamtlichen, die von denen sozusagen betreut werden.Deswegen haben wir diese Schwierigkeiten nicht.Wir stellen zwar im Pflegebereich professionelle Kräfte ein, aber der Dienstleistungsbereich ist ein separates Ressort. Alle anderen Bereiche und alle 15 Nachbarschaftshilfen haben ein riesiges Spektrum an Angeboten, die nicht etwa aus Ideen der Leute resultieren, die das anbieten, sondern aus einem gefundenen Gedanken.Da kommt z.B.einer ins Büro oder in das Haus und meldet ein Problem an.Dann wird das zunächst mal unter den entsprechenden Leuten in einem Arbeitskreis versucht zu lösen. Wenn sich herausstellt,dass dieses Problem eine etwas allgemeinere Breite hat, dann wird versucht, etwas zu finden, um diesen Bedarf zu decken, z.B.der Bedarf für die psychisch Kranken ist so gedeckt worden,aber ehrenamtlich.Deswegen fürchten wir erstens den Begriff des Kunden in dem Bereich,der nicht die Dienstleistung betrifft,ein Kunde ist für diese Art der Arbeit völlig unmöglich.Das Motto dieser 15 Dienste heißt:Jeder für jeden.Da kommt z.B.einer, der will helfen,und wird übermorgen selber betreut.Das wechselt.Da gibt es Arbeitskreise,da gibt es Selbsthilfegruppen,die alle autark sind,die sich dann mal an einem Tisch zusammensetzen und wenn es Probleme gibt, die dann lösen.Alle Dienste haben von der Kommune eingesetzte professionelle Kräfte. Wir werden zwar von der Kommune unterstützt mit einer Pro-Kopf-Summe von 1 Mark oder so,trotzdem sind alle diese Initiativen absolut gesund.Die sind alle im Landkreis Starnberg,jede Gemeinde hat einen solchen Dienst, und zwar entstanden aus den Bürgern selber. Und keine dieser Nachbarschaftshilfen ist angewiesen auf eine staatliche Förderung, weil sie von den Bürgern auch finanziert wird. Das Spendenaufkommen ist bei allen dreimal so hoch wie die Beitragssätze. Deswegen kann ich jetzt eigentlich gar nicht mitreden, weil ich diese Probleme bei uns so nicht sehe.Wir haben andere. Zinner: Bei uns war es ja so ähnlich.Wir hatten auch einen ehrenamtlichen Verein,der dann langsam professionalisiert wurde,mit hauptamtlichen Kräften ausgestattet wurde, dann aber die Ehrenamtlichkeit vollkommen rausgedrängt hat.Es gab da mal eine Phase in der deutschen Sozialarbeit,in der man Ehrenamtlichkeit als fachlich nicht geeignet aus der Sozialarbeit verschwinden lassen wollte,und jetzt kommt man seit einigen Jahren wieder darauf zurück. Viele unserer Einrichtungen sind für dieses Bürgerengagement nicht offen genug,aber das ist das, was wir erreichen müssen, ob das im Bereich der Selbsthilfe ist oder der Betreuungen oder bei den Jugendlichen oder in den Kitas.Wir müssen uns für dieses Bürgerengagement wieder öffnen. O< Bei uns in der Kita haben wir z.Z. drei Ehrenamtliche. Das ist eine junge Frau, die ist Märchenerzählerin, die kommt dreimal in der Woche und macht eine Stunde mit zwei Kita-Gruppen, wirklich gut vorbereitet als Projekt. Dann haben wir einen Senior, der sich gerne hand-

werklich betätigen möchte, der kommt einmal in der Woche und repariert Spielzeug oder baut Regale. Und dann haben wir eine Frau, die kommt einmal in der Woche in unseren Hort,die ist u.a.auch in unserem Chor als Sängerin aktiv tätig,und die macht Schularbeiten.Das hat sich im Laufe der Zeit über die Anzeigen in unserem Programmheft entwickelt. O< Ich möchte das gerne ergänzen um das,was bei uns ehrenamtlich die Eltern machen.Das ist ganz ähnlich.Ich glaube, dass wir Professionalität und ehrenamtliche Tätigkeit nicht gegeneinander zu stellen brauchen, sondern ich erlebe immer wieder,dass ganz hoch professionelle und hervorragend ausgebildete Menschen aller Altersklassen sich ehrenamtlich betätigen,so auch in unserem gesamten Beratungssystem.Wir haben Rechtsberater, das sind Anwälte, die neben ihrem normalen Job kommen und sagen,sie wollen ihre Fähigkeiten ins Nachbarschaftszentrum eingeben; oder auch pensionierte SozialarbeiterInnen. Zinner: Es gehört meines Erachtens unbedingt zu den Qualitäten von Mitarbeitern in solchen Einrichtungen, dass sie mit Ehrenamtlichen umgehen können und verstehen, was es heißt, ehrenamtlich oder freiwillig zu arbeiten, diese Leute von der Warte des Partners, nicht als Vorgesetzte, zu betrachten, nicht als »ich bin der Fachmann«,sondern jeder hat seine eigenen Qualitäten.Und diese Qualitäten gilt es gegenseitig zu respektieren. Die Sozialarbeiter haben mehrere Mängel. Sozialarbeiter wollen immer helfen und vergessen darüber, dass die Leute selbst Fähigkeiten haben. Diese Fähigkeiten herauszufinden und zur Entfaltung zu bringen, ist eine der zentralen Aufgaben von Nachbarschaftsarbeit. Mit den Stärken,Fähigkeiten und kreativen Potenzialen der Leute zu arbeiten,sie zur Geltung kommen zu lassen,heißt sich selbst zurücknehmen.Ein zweiter Punkt,den Sozialarbeiter häufig nicht können, ist: fördern durch fordern. Den Leuten etwas abverlangen heißt, den Leuten etwas zutrauen und sie nicht in Fürsorglichkeit ersticken.Das passiert in vielen öffentlichen Einrichtungen,auch in kirchlichen,die Leute werden zugeschüttet mit Kaffee,Kuchen und Torte,damit sie ihren Mund halten und der Gruppenleiterin treu ergeben sind. Solche Strukturen haben bei uns keinen Platz und dürfen auch keinen Raum bekommen. Es gibt Leute, die wollen nur Kaffee trinken und Kuchen essen,die haben ihr gutes Recht,sich auch bei uns zu treffen.Aber es geht vor allem darum,dass man in der Sozialarbeit nicht nur fürsorglich auftritt, sondern dass man herausfindet,was können die Leute selbst dazu beitragen, dass es ein lebendiges vielfältiges Haus ist. Und die Leute wollen auch nicht alles umsonst, es kann Geld oder was anderes sein,was sie als Gegenleistung geben. Es macht ein gutes Gefühl,dass,wenn ich etwas bekomme,ich auch etwas gebe,und das bringt die Leute in eine andere Rolle. Nichts ist schlimmer, als Leute in Rollen zu bringen, aus denen Abhängigkeit entsteht und das Gegenteil des mündigen Bürgers das Ergebnis ist. Das ist, was unsere Einrichtungen häufig unterscheidet von öffentlichen Einrichtungen, aber oft auch von kirchlichen Einrichtungen oder auch der AWO. Wichtig ist auch die Vernetzung. Die kann auf verschiedene Weise entstehen.Die Grundlage ist »Kundenorientierung«,die bedeutet,sich in die Lage desjenigen zu verWas wollen die Kunden?


setzen,der etwas möchte oder etwas braucht.Wenn eine Selbsthilfegruppe einen Raum braucht und ich habe als Regionale Kontaktstelle keinen mehr, dann ist es meine Aufgabe, dass diese Gruppe einen Raum findet, dass sie in eine Kirchengemeinde gehen kann, in eine staatliche Einrichtung,in ein Jugendfreizeitheim usw.,oder wenn es mehrere sind,dass man selbst Räume anmietet und versucht,diesen Gruppen einen Raum zur Verfügung zu stellen und nicht nur einfach sagt,tut uns leid,wir haben keinen Raum.Wenn eine Familie ein Fest feiern möchte,wir haben aber keine Räume für Feste, dann ist es unsere Aufgabe,einen Katalog von Anbietern zu haben und den den Leuten in die Hand zu drücken und zu sagen, dahin können Sie sich wenden. Oder die Frage: wie muss eine Seniorentagesstätte aussehen oder ein Altenheim – dann stelle ich mir vor,wenn ich mal alt bin,wie es dann aussehen sollte,dann weiß ich,wie es aussehen könnte. Man muss also immer von dem ausgehen, wie man es selber erwartet, um zu verstehen, was die Leute sich wünschen.Dann ist es gar nicht so schwer,einen Standard festzulegen.Den muss man dann nur noch aufschreiben und in einen Ordner legen, aber man muss ihn auch im Kopf haben, vor allem aber im Herzen.Wir haben systematisch Vernetzungen mit unseren eigenen Einrichtungen geschaffen. Es gibt quasi für jede Lebenssituation eine Möglichkeit, Angebote des Nachbarschaftsheimes zu nutzen. Und die Kinder aus unserem Hort gehen wie selbstverständlich anschließend auch in die Jugendeinrichtung.Und die Eltern wissen sehr früh schon,was möglich ist. Wenn man Nachfolgeeinrichtungen nicht hat, kann man die vielleicht schaffen, eventuell mit anderen Einrichtungen zusammen. Wir haben unsere Sozialstationen so aufgebaut,dass es inzwischen ein äußerst differenziertes Angebot gibt – von der kleinen Sozialstation bis hin zum Aufbau eines stationären Hospizes. Jedes Spektrum, das man in der Pflege braucht, wird früher oder später auch realisiert,weil wir gemerkt haben,es ist eine Nachfrage dafür da. Und die Finanzierung, das Wissen,das man dafür braucht,das kann man sich holen oder erwerben. Da kann man sich auch wieder anderer bedienen, die das schon mal gemacht haben, Kollegen fragen,andere Einrichtungen fragen,den Spitzenverband fragen. Man muss einen Vorstand haben, der mitmacht, ihn überzeugen,dass er mitmacht,die Vereinsmitglieder – da muss man vielleicht auch kämpfen.Vernetzung ist dann auch eine Qualität,oder auch Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand,die bei uns immer besser wird.Die haben uns jahrelang bekämpft,als Konkurrenz empfunden, und inzwischen gibt es Kooperation, und immer, wenn sie ihre Einrichtungen heruntergewirtschaftet haben,kommen sie zu uns und fragen,ob wir sie übernehmen.Das machen wir dann auch und in einigen Fällen ist das äußerst positiv und wesentlich preiswerter und effektiver geworden. Jetzt würde ich gern zu Ihrer Umfrage kommen, die Sie gemacht haben. O< Überraschend war,dass es einen Durchschnitt durch alle Bildungsschichten gab bei den Senioren.Und da war sehr überraschend,dass bei den Anbietern die Unterhaltungsangebote bei 60% lagen,während von den Senioren nur 17% Unterhaltungsangebote wollten.Die Anbieter sind z.B.die Altenclubs.Wir haben uns das so erklärt, dass zu diesen Nachmittagen zwar immer ein volles Haus Was wollen die Kunden?

ist,dass aber die Anbieter nicht registrieren,dass sie nur einen ganz speziellen Teil der alten Menschen damit angesprochen haben. Die kommen natürlich. Und dass Angebote wie Information,auch politische oder kommunalpolitische Informationen, weniger angeboten als gewünscht werden, vor allem auch Angebote zur Mithilfe. Es hatten sich sehr viel mehr von den jungen Alten zur Mithilfe gemeldet oder Wünsche geäußert mitzuwirken, als vorher angefordert wurden.Was sich bewährt hat,ist die Einrichtung z.B.von Bildungsangeboten, klassischen Konzertnachmittagen.Diese Nachbarschaftshilfen haben z.T. von den Gemeinden Häuser zur Verfügung gestellt bekommen. Da machen wir klassische Konzerte einmal im Monat oder Filmnachmittage, zu denen ganze Gruppen gehen, die einen speziellen Film sehen wollen. Und hinterher gibt es ein Filmgespräch. Wir haben einen Seniorendienst aufgebaut, wo alte Menschen, die qualifizierte Handwerker sind, anderen Alten helfen. Die Gefahr ist natürlich,dass das ein grauer Markt wird,aber das nehmen wir in Kauf.Die Selbsthilfegruppen sind sehr gefragt, vor allem die Gruppen der pflegenden Angehörigen,da halten sich Angebot und Nachfrage die Waage. Aber bei Bildungsangeboten zeigt die Umfrage,dass die Angebote häufig als zu anspruchslos empfunden werden. Die, die kommen, sind zufrieden. Aber es kommt eben eine ganze Gruppe von Alten nicht. Zinner: Das passt ja in das Bild, das wir vorhin von der Fürsorglichkeit gezeichnet haben.Man macht Angebote für Senioren, denkt, die sind automatisch hilfsbedürftig, dabei sind das heute die Aktiven.Durch Ehrenamtlichkeit kann auf diese Weise Politik beeinflusst werden, da entsteht in diesem Land politisch etwas. Vorrednerin: Für uns ist das nur eine Zusammenarbeit, gegen eine Bevormundung durch die politische Kommune würden wir uns sehr wehren.Wir werden ja auch nicht bezahlt von denen. Zinner: Jetzt sage ich noch was zu Leitfäden,Standards und Qualitätsentwicklungen. Das wird uns immer mehr beschäftigen.Das hat gute Seiten,aber auch problematische Seiten.Problematisch wird es dort, wo das in Bürokratie ausartet. Und die Gefahr ist in Deutschland regelmäßig gegeben. Standards sind durchaus von Vorteil, sind aber teilweise auch kindisch.Jemand, der nicht versteht, mit Leuten zu sprechen, wird es auch mit einem Standard nicht besser können. Ich habe kein Verständnis, wenn Leute denken, sie müssten unseren Pflegekräften vorgeben,wie sie die Leute waschen, genau den Prozessablauf beschreiben, und wenn man sich daran hält,dann hält man sich an die Qualität. Ich kann nur sagen, das ist Quatsch hoch zehn. Leuten,die vielleicht 20,30,40 Jahre im Berufsleben stehen, denen wird nun plötzlich ein Standard in die Hand gedrückt,ihr müsst das so machen.Es gibt ja inzwischen auch viele Bücher darüber. Das Bundesministerium gibt eine Arbeitshilfe heraus, wie man für sich selbst Standards und Qualitätsmerkmale entwickelt.Dann gibt es einen Leitfaden der EU zur Projektevaluation. Da sind durchaus ein paar praktische Hilfen drin, wie man einen Fragebogen erstellt oder Umfragen macht.Ich habe auch ein Mitarbeitermerkblatt,wo ein paar Regeln drinstehen, z.B. wenn Leute anrufen und man weiß nicht Bescheid,

bietet man an zurückzurufen und sagt nicht, rufen Sie noch mal an,solche banalen Sachen machen es aus.Es ist viel einfacher, als man denkt. Und man braucht keinen Katalog,kein dickes Buch. Zur Qualitätssicherung: Im Frühjahr 1998 hatten wir einen holländischen Organisationsberater eingeladen,der erste Organisationsberater, mit dem ich mal zufrieden war,und der auch alles auf niedrigem Level gebracht hat und nicht immer die Leute eingeschüchtert hat mit diesen Standards,Qualitätsmerkmalen,Qualitätssicherung. Der sagt,es ist nützlich,wenn man ein Buch hat,wo alles gesammelt wird,aber das ist nicht so wichtig.Wichtig ist der Prozess,er muss sich immer wieder ändern,anpassen. So schnell kann man es gar nicht da drin verändern, wie sich die Wirklichkeit verändert. Es ist wichtig, dass man das im Kopf hat,dass man das richtige Gespür dafür hat, dass man sich nicht wie ein Bürokrat an dem festhält,was in dem Buch steht. Von dieser Tagung will ich ein paar Sachen wiedergeben.Henk Mensing,so heißt der Mann, hat gesagt:Der Kunde steht im Mittelpunkt und damit im Wege.Er ist sozusagen das Hindernis, mit dem man sich permanent beschäftigt, das man permanent überwindet,an dem man sich permanent reibt und stößt,um ihn dreht sich alles,er ist derjenige,der einen am bequemen Leben in der Einrichtung hindert.Man muss immer wieder nachdenken,wie mache ich das jetzt noch besser,wie erreiche ich die Menschen am leichtesten,wie werde ich ihren Bedürfnissen am ehesten gerecht.Aber es ist natürlich immer eine Anstrengung damit verbunden, damit steht er immer irgendwie im Wege. Das ist eine harte Arbeit, Leute zu gewinnen, freiwillig in eine soziale Einrichtung zu gehen,von einem Angebot Gebrauch zu machen, und zwar nicht erst dann, wenn sie wirklich große Probleme haben,sondern möglichst schon vorher. Herr Mensing geht also davon aus, dass im Mittelpunkt jeder Qualitätssicherung der so genannte Kernprozess steht.Es geht immer um mindestens zwei Beteiligte,den Kunden, »der da im Wege steht«, und den Mitarbeiter. Kernprozesse lassen sich sehr kleinteilig definieren.Jedes Telefongespräch ist ein Kernprozess,ein zentraler Prozess in der Kommunikation,auch jedes andere Gespräch,deswegen ist es wichtig, dass man freundlich ist, man Klarheit ausstrahlt,dass der Kunde am Ende zufrieden ist.Die Weitergabe jeder Information ist ein Kernprozess. Gebe ich die Information so weiter,dass jeder Empfänger,ob intern oder extern,so gut informiert ist,dass er kompetent handeln kann? Auch dann, wenn es unbequem ist, oder erst recht dann.Die Pflege eines Patienten,die Ansprache eines Jugendlichen, die Raumgestaltung, die Werbung, die Darstellung nach außen,die Situation am Eingang einer Einrichtung, die Gestaltung eines Werbeblattes, die Planung und die Durchführung eines Kurses, das Schreiben eines Briefes, eine Raumvermietung, der Umgang mit den Geldgebern,die Präsentation eines Mittagessens usw.– das sind alles Kernprozesse,die sich detailliert darstellen lassen und die auf Dauer entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sind. Ich kann auch für die Präsentation eines Mittagessens einen Standard entwickeln.Aber die Entwicklung des Standards ist nicht die Gewähr, dass es dann auch so umgesetzt wird. Da muss dann wieder ein anderer Prozess einsetzen, der die Umsetzung sicherstellt.Kernprozess ist praktisch jede Aktion, die die Einrichtung nach außen vertritt. Noch einmal: Kernprozesse sind entscheidend für den Erfolg eines


Unternehmens,und wir sind auch Unternehmen.Es reicht nicht die Einstellung: da wir gemeinnützig sind, können wir das alles ein bisschen lockerer machen. Oder: der Kunde zahlt nichts, deswegen muss es auch nicht so gut sein.Auch deswegen war ich immer dafür,dass Besucher unserer Einrichtung Geld bezahlen, weil dann ihr Anspruch auf eine gute Leistung für alle offensichtlich ist.Es ist also für die Mitarbeiter gut,die Leute an den Kosten zu beteiligen,damit man selber die Verpflichtung hat,diese Leistungen auch optimal zu erbringen.Kernprozesse richten sich an die Außenwelt,in der sich der anzusprechende Kunde befindet. Dagegen steht die Systemwelt des Unternehmens, des Mitarbeiters oder der Einrichtung, deren Beharrungsvermögen und deren Routine. Das ist das starre System,das sich dem sehr flexiblen Prozess der Außenwelt dauernd stellen muss.Es ist für ein System mit festgefügten Hierarchien, Aufgaben, Zuständigkeiten, Ressourcen, naturgemäß schwer, auf jede Anforderung von außen einzugehen. Aber es kommt sehr darauf an, das innere System so auszurichten,dass es diesen Anforderungen von außen so gut wie möglich gerecht werden kann. Es ist sozusagen eine ständige Herausforderung, dem eigenen Beharrungsvermögen,der eigenen Routine die Flexibilität gegenüber zu stellen, die es braucht, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden.Wir ermuntern unsere Mitarbeiter immer wieder, sich die notwendige Flexibilität zu bewahren,und das können sie natürlich nur,wenn das System in sich flexibel bleibt. Noch ein Satz,den ich mir gemerkt habe:Jede Beschwerde ist ein Geschenk,das hinweist auf Probleme,die existieren.Wenn einen eine Beschwerde erreicht, dann gibt es im Hintergrund noch ganz andere Sachen, die einen nicht erreicht haben, worum man sich – auch als Geschäftsführer – kümmern muss.Mensing ist z.B.der Auffassung, dass die Geschäftsführer oder Leiter einer Einrichtung über jede einzelne Beschwerde Bescheid wissen müssen.Das haben wir bei uns noch nicht geschafft. O< Man muss aber auch Wichtiges von Unwichtigem trennen, ich würde auch nicht jede Beschwerde als Geschenk auffassen,die weisen vielleicht auch nicht nur auf interne Probleme oder Systemprobleme hin,sondern weisen auch auf Probleme in der Person hin. Zinner: Das ist richtig, aber das kann man ja herausfinden.Es gibt natürlich auch unbegründete Beschwerden. Wenn die Mitarbeiter einer Einrichtung eine Beschwerde bekommen, sollten sie die weitergeben an den Leiter, auch wenn sie selber betroffen sind. Das hat natürlich

was mit dem internen Umgang zu tun, wenn die Mitarbeiter wissen, das wird sofort gegen sie benutzt, dann werden sie das nicht machen. Also muss ich eine Unternehmenskultur schaffen, in der Mitarbeiter Vertrauen in die Leitung haben. Man sollte im Bewusstsein haben, dass Beschwerden eine kostenlose Marktforschung sind. Wichtig sind für Leitungspersonen und Geschäftsführer auch eigene Wahrnehmungen.Ich gehe immer wieder in unsere Einrichtungen, kann es schon nicht mehr sehen, schaue trotzdem in unsere Schaukästen,an unsere Wände, in die Prospekte, stelle immer wieder fest, da hängt was, was schon veraltet ist. Diese scheinbaren Belanglosigkeiten haben deshalb Bedeutung,weil ich damit demonstriere, wie wichtig mir die Leute sind, für die diese Informationen gedacht sind.Es ist eine Zumutung,wenn ich einen Schaukasten mit alten Sachen drin habe.Das ist eine Verarschung der Leute. Das ist vielen Mitarbeitern gar nicht bewusst. Diese Kleinigkeiten, auch dass die Sachen lesbar sind,in einer Sprache,die die Leute verstehen, haben was mit der Nähe zu den Menschen, den Nutzern,den Kunden zu tun.Anfragen,die kommen und denen wir nicht gerecht werden können,müssten aufgeschrieben werden.Wünsche,die man nicht erfüllen kann, darf man nicht vergessen.Man muss überlegen,ob man das vielleicht an eine andere Einrichtung als Aufgabe geben kann,ob wir mit dem Bezirk oder dem Senat darüber sprechen müssen oder dergleichen. Wir haben in unserem Gebiet z.B.festgestellt, dass es da viele junge Familien gibt, die zugezogen sind. Wir haben uns also auf Familienarbeit ausgerichtet und gekämpft wie die Löwen,dass es dafür einen Fördertopf gibt.Es hat ihn irgendwann gegeben,es hat enormer Anstrengungen bedurft mit Politik im Abgeordnetenhaus,aber es war möglich.Und solche Sachen haben wir schon öfter gemacht. Darauf ist Politik auch angewiesen. Da haben wir einen Transformationsprozess auf den Weg gebracht.Wir haben auch oft betroffene Leute mitgenommen zu solchen Verhandlungen,weil das niemand besser vertreten kann, und weil man uns unterstellt, wir wollen unsere Stellen erhalten. Natürlich wollen wir das, aber diejenigen, die davon profitieren, können am allerbesten darstellen, worum es geht. Die Politiker haben auch größere Probleme,dem dann zu widersprechen,das ist ein authentischer Eindruck, der auch in die Emotionen von Leuten eindringt.Man kann nur beschränkt planen,die Planung von heute ist der Irrtum von morgen.Man muss natürlich in gewisser Weise dennoch vorplanen, aber man muss über die Planung hinweg flexibel bleiben und sie immer wieder dem Bedarf anpassen.

Wer hat Spaß daran?

Zum Lustprinzip in der sozial-kulturellen Arbeit Freiheit, Freizeit, Fun – ohne Spaß kein Engagement mit Ralf Jonas, Bremen Ralf Jonas: Ich arbeite im Bürgerhaus Bremen-Oslebshausen seit 12 Jahren als Leiter und Geschäftsführer. Habe dort schwerpunktmäßig jahrelang mit Jugendlichen gearbeitet.Soweit die Zeit das zulässt,auch heute noch,besonders weil es mir am meisten Spaß macht.Ich lebe auch dort, wo ich arbeite und bin dort in einem

großen Sportverein ehrenamtlich tätig als Trainer und als Vorstandsmitglied. Der Stadtteil hat einen schlechten Ruf.Ich fühle mich da inzwischen sehr wohl,nachdem ich als Neuling ziemliche Schwierigkeiten hatte und das liegt vor allen Dingen auch daran,weil ich das Gefühl habe,inzwischen in einem relativ guten Gemeinwesen zu arbei-

Standards sind nur bedingt hilfreich, weil sie immer nur einen momentanen Stand festschreiben.Wenn man bestimmte Ziele in einer Organisation hat,ist aber überlastet oder fühlt sich nicht als die Person,die das kann – man kann ja nicht alles können – dann ist es u.U.sinnvoll,diese Aufgabe einer Gruppe von Leuten zu übertragen, die innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens dafür die Verantwortung übernehmen,dass z.B.Ehrenamtlichkeit »installiert« wird. Es gibt dafür auch einen Begriff aus der Organisationsberatung – jemanden zu einem Prozesseigentümer zu machen.Wir haben das gemacht mit dem Leitfaden für Ehrenamtliche und auch beim Handbuch unserer Sozialstationen. Eine Hauspflegekraft hat dafür z.B. die Verantwortung übernommen. Es gibt immer Mitarbeiter mit besonderen Fähigkeiten, die findet man oder die kennt man ja auch, die machen das dann auch gerne. Erreichbarkeit, Zugänglichkeit, attraktive Räume, Transparenz,Kompetenz – das sind alles zentrale Faktoren für die Qualität. Und das wird von den Leuten dann früher oder später auch gewürdigt.Mir fiel bei unserer 50-JahrFeier auf, dass der Bürgermeisterin von Schöneberg und dem Stadtrat von Steglitz die Freundlichkeit unserer Mitarbeiter besonders aufgefallen ist. Das kann ich mir gut vorstellen.Die gehen in ihre eigenen Einrichtungen (großes Gelächter) und dann gehen sie in unsere Einrichtungen, das ist wie ein Klimawechsel.Das hat sie derart beeindruckt, dass sie sich bei ihren Grußworten länger als wir das wollten darüber ausgelassen haben. Diese Freundlichkeit ist also sehr wichtig und offensichtlich haben wir da einen Standard erreicht – ohne Handbuch.Ich frage mich sowieso, warum die Anforderungen immer höher werden.Es gibt ja bestimmte Qualitätsnormen,die sich auf den Einsatz von Fachkräften beziehen. In den Kitas müssen Erzieher beschäftigt sein. Ich behaupte, es wäre viel besser, es würden in der Kita neben den Erziehern auch andere Leute beschäftigt sein, wie Künstler oder die Leute,die einfach eine natürliche Begabung haben.Die dürfen da nicht arbeiten,weil wir eine gesetzliche Vorschrift haben.Wir schießen uns selbst ins Bein mit solchen Vorschriften – das beweisen uns auch die Ehrenamtlichen.Wir müssen die so genannten Fachleute wieder zurückdrängen, das ist meine persönliche Auffassung.Und das ist kein Verstoß gegen Qualität,das hat damit nichts zu tun. Dass man Qualität sichern muss, ist eine alltägliche Aufgabe,unabhängig davon,ob es diese Fachleute gibt, ob es ein Qualitätshandbuch gibt, ob es ein Siegel gibt oder eine gesetzliche Regelung.

ten, in dem viele Menschen gerne zusammenarbeiten, egal, ob sie bezahlt werden oder nicht.Das hat den Ausschlag gegeben,dass ich angefragt worden bin für diesen Workshop. Ich habe wohl in der Vergangenheit den Eindruck gemacht,dass das,was ich mache,mir einfach Spaß macht und den Leuten auch, die dort in den Einrichtungen sind. Vorstellungsrunde:. O< Ich arbeite in Berlin-Kreuzberg im Nachbarschaftscafé des Gemeinwesenvereins Kotti e.V.Schwerpunkt unserer Arbeit ist interkulturelle,soziokulturelle Tätigkeit in Bezug auf Migrantenarbeit, weil wir im Brennpunkt Wer hat Spaß daran?


arbeiten,wo es auch einen sehr großen Migrantenanteil gibt.Das Thema »Lustprinzip« hat mich besonders in letzter Zeit beschäftigt,weil wir in den meisten Fällen Mitarbeiterinnen vom Sozialamt, Sozialhilfeempfängerinnen geschickt bekommen. Am Anfang hatte ich große Probleme damit. Habe gedacht, das ist irgendwie Ausbeutung,3 DM die Stunde.Mittlerweile denke ich anders darüber, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass die Menschen auch dadurch wieder ins soziale Netz reinrücken und Tätigkeiten übernehmen, die ihnen Spaß machen. Und das stärkt natürlich auch die Arbeit im Alltag.

ke, die meisten gehen nur ehrenamtlich irgendwohin, wenn es ihnen auch Spaß macht dort zu arbeiten und wenn sie auch anerkannt werden wegen ihrer Tätigkeit. Ich arbeite mit in dem Projekt ProBE und insofern bin ich jetzt zu dem Thema »Lust« am liebsten gegangen, weil ich es satt habe,überall aus Pflichtgefühl zu sitzen.

O> Ich komme aus Hamburg und arbeite im Stadtteilzentrum Motte e.V. Das ist ein selbstverwaltetes Stadtteilzentrum und ich bin dort seit 20 Jahren hauptamtlich

Vorrednerin: Vielleicht darf ich ergänzen, wenn Sie so bescheiden sind. Sie ist Mitarbeiterin unserer Zeitung »Hallo Nachbar« in der Redaktion.Sie ist Vorleseoma bei der Kita im Haus und sie arbeitet ehrenamtlich bei Tandem mit. Das ist eine Gruppe, die sich mit Immigranten und Ausländern trifft,um Deutsch zu machen.Und sie hat ehrenamtlich mitgearbeitet an einem Buchprojekt. Sie arbeitet, wenn wir Theater spielen. Sie ist dann eben da und macht mit. Aber das sind die bescheidenen Ehrenamtlichen,die immer meinen,wenn ein Hauptamtlicher da ist, hätten sie nicht zu viel zu sagen und das finde ich besonders schade,denn die haben was zu sagen.

O< Ich bin eine ehrenamtliche Mitarbeiterin im Nachbarschaftshaus Wiesbaden und mehr habe ich dazu nicht zu sagen,denn ich bin ja,wie Sie sehen,schon alt.Ich bin also nicht mehr berufstätig.

O< Ich habe lange Zeit im Nachbarschaftshaus Schönhauser in Berlin gearbeitet und jetzt bin ich beim SPI im Projekt »Anstoß«. Am Thema Lust hat mich interessiert, wie lange man über Lust mit Lust reden kann.

tätig. Wir haben zehn profimäßig ausgerüstete Werkstätten, Werkstattbereiche, die von Ehrenamtlichen geleitet werden. Ich habe in dem Haus seit 15 Jahren Jugendarbeit gemacht, auch eine werkstattbezogene Jugendarbeit, und habe jetzt mein Tätigkeitsfeld geändert. Ich bin als Werkstattkoordinator für die Ehrenamtlichen und für die Werkstättennutzung für außerhäusige Bildungseinrichtungen, um diesen Werkstattbereich zu beleben, tätig.Wir haben trotz der 120 Ehrenamtlichen, die bei uns im Hause in den Arbeitsbereichen arbeiten, das Problem,dass dieses Lustprinzip,sich über das Hobby hinaus zu engagieren, mit anderen Leuten im eigenen Bereich wirklich zu arbeiten, schwer durchzuhalten ist. Was den Verein angeht, was Vernetzung mit den Stadtteilen,was Vernetzung mit dem Haus angeht,haben wir Schwierigkeiten, neue Impulse zu bekommen. Mich interessiert ganz besonders auch im Rahmen dieses ProBE-Projektes, das geänderte Freizeitverhalten von Menschen zu ergründen und die Menschen für unsere Arbeit, für unseren Verein zu gewinnen. Meine Frage ist auch,wie wir uns so verändern können,dass das passiert. O< Ich komme aus dem Nachbarschaftshaus Wiesbaden und arbeite dort seit 17 Jahren mit Altersgruppen von 55 aufwärts. Ich habe mit ca. 40 Ehrenamtlichen zu tun und mich interessiert das Thema »Lust«,weil ich denWer hat Spaß daran?

O< Ich arbeite in einem Nachbarschaftshaus in BerlinKöpenick.Ich arbeite hauptamtlich und ehrenamtlich als Sozialarbeiterin und Geschäftsführerin. Wir haben viele Ehrenamtliche.Wir arbeiten mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren.Und mir macht es Spaß.Also ich finde den Job richtig toll. Ich denke, gerade in dieser Zeit ist Spaß und Lust etwas,was man nicht kaufen kann und nicht kaufen muss,und dass man damit unheimlich was bewegen kann. O< Ich arbeite mit Jugendlichen,mobile Jugendarbeit. Im Rahmen dieser Arbeit haben wir Anfang dieses Jahres einen Verein gegründet,der praktisch,wenn wir mal den Sozialraum oder Kiez verlassen, unsere Arbeit weiterführt.Wenn man so einen Verein gründet,gibt es immer einen Papierwust, dann sehe ich Eltern und Anwohner, die im Verein sind,und die Jugendlichen,die auch stimmberechtigt sind,und dann habe ich immer Angst,dass die bis zur nächsten Sitzung abspringen,weil ihnen das keinen Spaß macht. Immer wieder überlege ich, was kann man machen,damit das auch Spaß macht. O> Ich arbeite bei der Bosch-Stiftung,bin jetzt Rentner. Ich habe Industriekaufmann gelernt bei der Firma Bosch, die die Stiftung speist und bin dort ehrenamtlicher Berater und als solcher auch hier. Aber ich mache auch noch was anderes,und zwar bin ich in Gerlingen bei Stuttgart zu Hause.Und da haben wir vor sechs Jahren einen Bürgertreff gegründet.Ich bin Vorsitzender des Bürgertreffs, der ehrenamtlich betrieben wird und da ist es unser tägliches Brot, die Menschen anzusprechen und mit ihnen etwas anzufangen, ihnen etwas möglich zu machen. Es ist ein Ort der Begegnung und des bürgerlichen Engagements, mit sehr vielen Programmen. Gestaltet wird das

Programm von Menschen,die Spaß an der Sache haben, etwas anzubieten für andere oder etwas mit anderen zusammen zu machen.Die meisten sind aus dem Beruf heraus.Das Problem ist,dass vielen dann die Ansprache fehlt und Einsamkeit entstehen kann. Wir haben sehr viele Alleinstehende und die finden bei uns Menschen,mit denen sie was anfangen können. Das wichtigste in dem Umfeld ist meines Erachtens,dass man Freude daran bekommt und ein paar Aufgaben hat, dass man gebraucht wird. Und wenn man nur gebraucht wird als Gesprächspartner für andere. Das ist der Kern- und Angelpunkt, dass man Freude hat, dass man eingebunden ist. Und jetzt wollte ich mal hören,wie es hier so geht.Wir sind in der Minderzahl,drei Ehrenamtliche und sonst nur Hauptamtliche, die auch Spaß am Beruf haben wollen.Ich finde es natürlich herrlich, wenn man im Beruf auch Spaß hat. O< Ich bin die ehrenamtliche Vorsitzende des Bürgerbüros in Tübingen. Die Stadt hat Probleme, da sie in Gruppen zerfällt: Universität mit 20.000 Studenten und 80.000 Einwohnern. Die Uni ist wie ein Vatikanstaat innerhalb der Stadt. Es gibt wenig Industrie. Uns fehlt ein wenig die wirtschaftliche Grundlage, solche Sachen wie Nachbarschaftsheime zu finanzieren. So etwas gibt es nicht. Wir haben uns beworben beim Wettbewerb »Bürgerorientierte Kommune«, haben dort einen Preis unter elf Teilnehmern gemacht.Unser Bestreben ist eine Zusammenarbeit von Verwaltung und Bürgern, Aktivierung von Bürgern zur Unterstützung von bürgerschaftlichem Engagement zu fördern. Im Zusammenhang mit Spaß gibt es bei dieser Geschichte mehrere Aspekte:wie verbinde ich Spaß und Verbindlichkeit? Mit Spaß macht man was fünf Minuten und dann nicht mehr. Wie bekomme ich da Kontinuität rein? Das zweite ist mein eigener Spaß.Der hat ein bisschen aufgehört aus verschiedenen Gründen;wie kann ich vermitteln,dass auch meine Tätigkeit Spaß machen soll? Das wäre jetzt meine persönliche Frage.Zu unserer Arbeit ist zu sagen,wir haben verschiedene Projekte. Das ist einmal die Freiwilligenzentrale, das ist der Tauschring und das ist die Stadtteilarbeit.Das Bürgerbüro ist praktisch dieser Knotenpunkt, die Anlaufstelle. Wir haben eine halbe hauptamtliche Stelle. Das ist alles. Die Stadt zahlt die Miete. Aber die Bürger müssen das Geld für Infrastruktur und Projekte selber aufbringen. Jonas: Es sind in dieser Runde fast alle Stichworte gefallen,die zum Thema aktuell sind.Das finde ich schon mal ganz interessant.Ich denke immer so:Worte vergisst man schnell. Ich möchte unsere eingebrachten Fragen noch mal stellen.Und dazu stehen wir mal auf.Wir gruppieren uns danach,wer von uns schon selber gerne mitarbeitet. Ich möchte einfach mal darstellen,wie das in der Gruppe aussieht. An diesem Punkt stellen sich die Leute auf, die ganz viel ehrenamtlich arbeiten. An diesem Punkt steht jemand,der als Professioneller arbeitet und dessen Arbeit so viel Raum einnimmt, dass er zu nichts anderem Zeit hat.Wir lernen dabei auch den Partner kennen und müssen uns selbst fragen, wo wir uns eigentlich hinstellen wollen. Die dritte Frage ist: Seht ihr diese ganze Diskussion um das Ehrenamt eher als Sparstrategiediskussion oder als eine Chance für das funktionierende Gemeinwesen?


O< Das Diskutieren über das Ehrenamt macht überhaupt keinen Spaß. Das andauernd zu vermitteln an die Mitarbeiter, andauernd zu kämpfen, damit die endlich mal das Thema wichtig nehmen, das macht überhaupt keinen Spaß. Spaß macht nur die Arbeit mit den Ehrenamtlichen. Jonas: Die Frage war,ob ihr diese Diskussion,die permanent abläuft, eher als Sparstrategie einschätzt oder als eine Chance für das funktionierende Gemeinwesen. Auf dieser Seite steht die Fraktion,die sagt,das ist eine ganz gefährliche Geschichte, auf der anderen Seite steht die Fraktion, die sagt, das ist eine große Chance. Und in der Mitte stehen dann die Übrigen. Ich habe schon viele Diskussionen zu diesem Thema erlebt und es gibt immer noch Handlangerfraktionen, die jegliche Denkansätze über das Sparen blockieren.Es steht immer die Angst dahinter, es werden dadurch Arbeitsplätze eingespart und deswegen ist die Sache von Grund auf schlecht. Es ist schön, dass wir in dieser Runde die Grundsatzdiskussion nicht führen müssen. Ich habe aus meiner Einrichtung vier Menschen mitgebracht,allerdings nur in Form von kurzen Biographien: Der erste ist Andreas. Er ist 30 Jahre alt. Macht seine Zivildienstzeit in einer sozial-kulturellen Einrichtung. Danach absolviert er ein Ingenieurstudium.Während des Studiums hilft er im Bereich Kinder- und Jugendarbeit und bei Ferienfahrten mit.Nach seinem Studium schließt er einen Arbeitsvertrag mit einem Institut ab.Auf Grund der Arbeitsmarktlage kann er seinen Arbeitgeber so unter Druck setzen, dass der ihm erlaubt, einen Tag in der Woche frei zu haben,um weiterhin ehrenamtlich tätig zu sein. Andreas arbeitet 38,5 Stunden wie jeder andere auch, allerdings auf vier Arbeitstage verteilt. Er arbeitet für die Einrichtung 10 bis 20 Stunden in der Woche und manchmal auch mehr. Noch mal zur Klärung:Wenn ich von Ehrenamt spreche, dann meine ich Leute, die nicht auf Honorarbasis oder Entschädigungsbasis arbeiten,sondern die wirklich ohne Bezahlung arbeiten. Saheb ist eine türkische junge Frau,deren Eltern wohlhabend sind.Saheb ist in der Ausbildung als Textilkauffrau. Sie organisiert mit anderen Frauen zusammen regelmäßig Veranstaltungen für Jugendliche oder Frauen oder deutsch-türkische Benefizveranstaltungen. Die Erlöse werden eingesetzt, um Einzelpersonen in Deutschland oder in der Türkei zu unterstützen. Der Arbeitseinsatz beträgt 10-20 Stunden die Woche. Die dritte Person ist Frieda, eine 70-jährige Frau, die von einer kleinen Rente lebt.Sie ist in der Altentheatergruppe aktiv,außerdem unterstützt sie die Einrichtung als Helferin, wo sie nur kann, backt Kuchen, passt auf die Kinder auf.Arbeitseinsatz 10-20 Stunden die Woche. Als viertes habe ich eine Gruppe genommen, eine Elterngruppe.Sie organisieren regelmäßig Veranstaltungen mit dem Ziel,für Ferien und Freizeit Mittel zu erwirtschaften.Ihre eigenen Kinder nehmen zum Großteil in ihrer Freizeit daran teil. Außerdem sind sie an der Gestaltung des Hauses interessiert und helfen bei Renovierungs- und Dekorationsarbeiten. Arbeitseinsatz fünf bis zehn Stunden in der Woche. Es sind sechs oder sieben Frauen,die das machen. Jetzt die Frage an euch:Es sind ja zum Teil ganz typische

Leute, die ich beschrieben habe. Mich würde interessieren, was ihr den Leuten unterstellt, warum sie mitmachen.Sie leisten ja teilweise einen enormen Einsatz. (Gründe werden auf Karten geschrieben.) Der wichtigste Punkt für diese Personen ist, dass sie gemeinsam für eine Sache arbeiten. Siehe das junge Mädchen oder den Mann, der die Kinderarbeit macht. Aber der wichtigste Punkt für alle ist eindeutig, die Gemeinschaft zu erleben, und das in einer Form, die auch mit Spaß und Freude verbunden ist. Ich denke, für uns Profis,die teilweise mit Ehrenamtlichen arbeiten,ist immer die Frage:wie kriegt man eine Gemeinschaft hin? In unterschiedlicher Weise brauchen sie immer für diesen gemeinsamen Rahmen die Einrichtung, um auch diesen Spaßeffekt zu haben. Die Aufgabe der bezahlten Kräfte in so einer Einrichtung ist es, Anlässe und Zusammenkünfte zu schaffen,die dazu führen, dass ein Gemeinschaftserlebnis überhaupt möglich wird. Normalerweise kennt in einem großen Haus mit vielleicht 40 Gruppen keiner den anderen. Da entsteht die Identifikation mit einer Einrichtung nicht. Damit ehrenamtliche Arbeit Spaß macht,muss es so sein wie ein funktionierendes Gemeinwesen in einer Stadt.Es ist im Prinzip ein ganz einfacher Ansatz.Aber das bedeutet ganz viel Arbeit,um so etwas auch hin zu bekommen. Der zweite Punkt ist die persönliche Ansprache. Das bedeutet,die Rolle der Professionellen in der Einrichtung ist, dass die Ehrenamtlichen wissen,es gibt da jemanden,zu dem sie auch einen persönlichen Kontakt haben. Damit es nicht auf einer Ebene ist wie von Schreibtisch zu Schreibtisch,sondern die persönliche Ansprache stattfindet.Bei mir geht es so weit,dass darüber Freundschaften geschlossen worden sind.Meine Erfahrung ist,dass diese Arbeit mit den Leuten, die sich engagieren, immer von Personen abhängig ist.Und zwar von Personen,die in irgendeiner Form auch abgesichert sind und klar arbeiten können,ohne sich ständig über Finanzen ärgern und hinter dem Geld herlaufen zu müssen. Diese Leute müssen Zeit haben,sich auf andere Leute einzulassen,sie müssen einen Teil ihrer Arbeitszeit tatsächlich für diese Ansprache reservieren.Das kann ein Gespräch am runden Tisch sein. Das wird oft als die Kaffee trinkenden Sozialpädagogen angesehen. Für mich ist das aber ein Herzstück meiner Arbeit. O< Wir haben vor zehn Jahren einen Beirat gegründet, in dem alle Gruppen vertreten sind. Das ist eine feste Einrichtung.Einmal im Monat trifft sich dieser Beirat mit mir.Das Gute daran ist:Es hängt nicht alles nur von mir ab. Wir haben ganz unterschiedliche Rückmeldungen.Wenn die meckern oder irgendwas wollen,dann hören sie auch, was die Anderen dazu denken.Es ist nicht alles nur zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in eine private Sache reingepresst. Das kann mal gut gehen oder mal nicht.Das hat ein etwas breiteres Fundament.Ich habe festgestellt,dass diese Gespräche wichtig sind.Aber es gibt bei uns im Hause viele, die diesen Aufwand mit Ehrenamtlichen nicht betreiben wollen, weil sie die Gesprächsebene zu viel Zeit kostet.

unsere Arbeit,sondern sie machen andere Arbeit.Sie machen Arbeit, die ihnen Spaß macht und uns vielleicht noch mehr Arbeit macht, weil wir für die Gruppe dann auch noch einen Raum brauchen. Jonas: Wobei bei uns der Andreas jemand ist, der eine halbe Stelle im Jugendbereich ersetzt. O< Wir haben auch Ehrenamtliche, die sofort hauptamtlich einsteigen könnten. Vorrednerin: Wir arbeiten nicht mit Ehrenamtlichen,die sozusagen einen Hauptamtlichen ersetzen, denn dann wären wir Jobkiller.Sondern wir arbeiten mit Ehrenamtlichen in einem Bereich, für den sonst kein Hauptamtlicher da wäre, weil es dafür keine Stellen gibt.Wir wollen ja nicht eine Stelle durch ein Ehrenamt ersetzen.Wir wollen zusätzliche Angebote schaffen und nicht jemand anderem seine Stelle wegnehmen, weil der Ehrenamtliche es billiger macht. O< Auch wenn die Arbeit zusätzlich ist,ist es trotzdem Jobkilling.Wenn man eine zusätzliche Arbeit einrichten würde,könnte man damit auch einen Arbeitsplatz schaffen. O< Wir haben klar gesagt,die hauptamtlichen Stellen stehen nicht dafür zur Verfügung, sondern es muss eine zusätzliche Nebenarbeit sein, die sonst vom Haus nicht geleistet wird. O< Ich gehe von unserem Bürgerschaftshaus aus, das eigentlich nichts weiter zu tun hat als Gemeinschaft zu ermöglichen.Ich frage mich öfters,wozu macht man das eigentlich? Muss das denn sein? Es ist dringend notwendig,und das erschreckt mich,denn in einer kleinen Stadt kennt man sich eigentlich, die Nachbarschaft könnte funktionieren.Funktioniert aber nicht.Und die Menschen brauchen dringend diesen Platz,wo sie hinkommen.Das ist ein Raum mitten in der Stadt,in dem alles stattfindet, wo Kommunikation möglich ist.In dem Raum haben 50 Leute Platz, die sich drängeln oder eng sitzen. Es findet dreierlei gleichzeitig statt.Es ist immer eine Beratung da und es gibt eine Verantwortliche an jedem Tag. Auch alles ehrenamtlich.Wenn jemand reinkommt, wird er von diesen Leuten begrüßt. Das ist schon mal eine persönliche Ansprache. Man kennt seine Leute, man weiß den Namen,man geht aufeinander zu,nimmt sie in Empfang, und sagt: wie geht´s denn heute? Also das Persönliche. Und die Leute, die da hinkommen, treffen sich da auch und kennen sich.Gemeinschaft erleben ist das wichtigste für die Menschen, die etwas mitmachen. Sie sind dafür bereit, auch Aufgaben zu übernehmen. Mit denen »bezahlen« sie die Gemeinschaft.Die Aufgabe, die sie übernehmen, ist das Dritte. Nämlich, gebraucht zu werden. Jeder möchte irgendeine Aufgabe haben, um gebraucht zu werden. Jonas: Der dritte wichtige Punkt war für die Ehrenamtlichen der Erfolg.

O< Aber die Zeit bekommt man doch wieder, indem man mit Ehrenamtlichen zusammenarbeitet.

O> Erfolg kann es nur geben,wenn man etwas tut.

Vorrednerin: Aber die Ehrenamtlichen machen ja nicht

O< Ja sicher.Wenn man die renovierten Räume sieht Wer hat Spaß daran?


oder sie führen ein Theaterstück auf, und man sagt: das habt ihr toll gemacht oder die ganze Presse jubelt über die Theateraufführung. Anerkennung braucht der Mensch auch. Jonas: Oder in der Zeitung ist ein großer Bericht über die letzte Sommerferienfahrt.Oder eine Aktion der Frauen in einem Geschäft, wo sie Kuchen verkaufen, bringt 1.000 Mark für die nächste Kinderferienfahrt. Oder eine Veranstaltung, die sie selber organisieren, ist sehr gut besucht, es kommt was für die Einrichtung.Wir haben bei uns auch Gruppen,die selbstständig Veranstaltungen organisieren, wo wir nur Hilfen geben, also funktionelle Hilfe bei Öffentlichkeitsarbeit,um das Gelingen ein bisschen abzusichern. Erfolg und Spaß scheinen in unserer Arbeit total eng zusammenzuhängen. O< Haben Sie auch gefragt, was für sie ein Erfolg ist? Ich meine,nur in der Zeitung zu stehen,das kann man ja schon gleich streichen.Dann bin ich von der Zeitung abhängig. Jonas: Erfolg ist für sie, wenn was für die Einrichtung rumkommt.An Geld wird ganz viel festgemacht,ob eine Veranstaltung erfolgreich ist oder nicht, ob was erwirtschaftet worden ist,ob sich ihr Einsatz gelohnt hat.Sie bekommen zwar kein Geld, aber sie wollen, dass durch die Gemeinschaft ein Erfolg da ist. O> Um einen Erfolg zu registrieren,muss man ein Ziel haben. Ein Ziel, das man sich setzt und dann kann man feststellen,ob das Ziel erreicht wurde. O< Bei mir ist die Arbeit eher Frust. Jonas: Wenn das so ist, ist eine Einrichtung gefährdet. Und das sehe ich als eine meiner Hauptaufgaben an,dass ich an manchen Stellen Hilfen gebe. Ich versuche aber möglichst, mich im Hintergrund zu halten. Und da sehe ich den vierten Punkt,der muss noch unbedingt dazu:die Eigenverantwortung. O> Es ist wichtig sich Ziele zu setzten, die erreichbar sind. Ohne erreichbare Ziele ist der Frust groß. Davon hängt der Erfolg oder Misserfolg ab. Jonas: Wir versuchen, in größeren Abständen im Team oder in größeren Kreisen solche Ziele wieder jedes Jahr neu zu setzen und ganz klar zu definieren.Also praktisch für ein Jahr.Im November, Dezember versuchen wir Veranstaltungen, die von verschiedenen Gruppen organisiert werden, für ein Jahr im voraus zu planen und auch Ziele festzusetzen, was damit erreicht werden soll und was gemacht werden muss, wo es hapert, an welchen Stellen noch Leute eingesetzt werden müssen.Wir schicken dann teilweise auch zusätzlich Leute los,um ein Ziel zu erreichen, weil die Leute, die hier sind, nicht ausreichen.Wir gucken an der Uni,ob da vielleicht noch jemand Lust und Spaß hat, sich ehrenamtlich zu engagieren. Ich finde,Eigenverantwortung ist eine ganz wichtige Sache. Das ist für mich das Schwierigste an der Arbeit mit den Ehrenamtlichen, also mit den Engagierten, die nicht bezahlt werden, im Gegensatz zu mir, der teilweise aber auch ganz ähnliche Sachen macht. Sie wollen ganz klar Wer hat Spaß daran?

ihren Bereich haben,für den sie verantwortlich sind.Andererseits wollen sie uns aber dabei haben.Und die Kunst ist, jemandem nicht seine 12-jährige Erfahrung überzustülpen und zu sagen, das kann nur so und so gehen, sondern den Leuten auch Raum zu geben, diese Eigenverantwortung zu lernen, vielleicht auch mal ein paar Rückschläge einzustecken.Vielleicht sich selber mal zurückzuziehen,auch wenn man sieht,das kann eigentlich nicht so richtig gut gehen.Aber ein bisschen Risiko gehört zur Eigenverantwortung dazu. O> Die Eigenverantwortung ist ein ganz kritisches Spielchen.Es ist ja das,was beklagt wird,dass Menschen kaum noch bereit sind, Aufgaben zu übernehmen. Aufgaben sind dann auch Verantwortlichkeiten.Da wird vieles im ehrenamtlichen Bereich blockiert, weil die Menschen sagen, ich gebe mich dafür nicht her, das Risiko übernehme ich nicht.Ich fürchte mich,als Dummer da zu stehen, der etwas angefangen hat und dann nicht weiterkommt. Eigenverantwortung zu übernehmen setzt voraus,dass ein geschützter Raum oder eine Aussicht auf Erfolg vorhanden ist.Also da muss vorgearbeitet werden. Bei den Zielen muss eben der Rahmen abgesteckt werden.Für die,die das hinkriegen,ist das ein gutes Gefühl, manche schaffen es nicht. Manche meinen, sie müssten alles selber tun und trauen anderen nicht genug zu.Und das ist dann ein Anlass,viele kleine Möglichkeiten zu bieten, wo Eigenverantwortlichkeit übernommen wird.Das heißt aber auch,dass Aufgaben in viele Teile zerlegt werden müssen,dass jeder ein bisschen Eigenverantwortung haben kann. O< Bei dieser persönlichen Ansprache und Eigenverantwortung haben die Professionellen auch eine gewisse Verantwortung zu tragen. Ehrenamtliche sind ja mit dem bürokratischen Wust,Anträge zu stellen und mit den Finanzen überfordert. Deswegen brauchen sie eine Person,die diese Aufgabe für sie übernimmt,den Professionellen.Die Eigenverantwortung liegt dann in der praktischen Tätigkeit.Die professionelle Person,die gewährleistet,dass die ehrenamtliche Person die Eigenverantwortung in ihrer Tätigkeit übernehmen kann, ist für ihre Verantwortung von Wichtigkeit. Ich kenne das auch bei uns.Wir haben eine Immigrantin, die ist jetzt um die 60 und macht Arbeit mit türkischen Immigranten der ersten Generation. Sie ist wirklich nicht zu bremsen. Sie macht unheimlich viel in ihrer Freizeit. Aber sobald es um Finanzen geht, braucht sie mich als Ansprechpartnerin. Ich bin da die Sicherheit für sie. Jonas: Ich habe jetzt überlegt:was macht keinen Spaß? Bei uns hatten wir vor fünf Jahren endlose Diskussionen um Kürzungen. Da haben wir alle eindeutig gesagt: das macht keinen Spaß.In dem Moment,wo um den Bestand der Einrichtung diskutiert werden muss,bei uns war das ein Zeitraum von 20 Jahren,ist es so,dass sich alle Mitarbeiter in ihrer Arbeit nicht ernst genommen fühlen, und zwar von außen. Das geht den Professionellen genauso. Es entsteht das Gefühl,als hätten wir nicht genug dargelegt oder dargestellt, dass wir eine vernünftige Arbeit machen. Wir müssen immer wieder rechtfertigen, was wir für eine Arbeit machen.Diese Geschichte hat bei vielen dazu geführt,dass sie fast aufgehört hätten.Sie brauchen so etwas wie einen geschützten Raum. Man kann

auch sagen, es müssen vernünftige Rahmenbedingungen da sein, damit ehrenamtliche Arbeit oder bürgerschaftliches Engagement funktionieren kann. Ohne vernünftige Rahmenbedingungen, personell und auch räumlich, kann diese Arbeit nicht funktionieren. Das ist einfach ein Irrglaube.Das ist genau diese Geschichte,die von konservativer Seite postuliert wird: immer weniger Einsatz von Arbeitskraft und immer mehr Pflichtarbeit von Ehrenamtlichen.Das wird nie funktionieren. O< Ich als ehrenamtlicher Vorstand kann mir den Spaß leider nicht aussuchen. Und dann muss ich Verantwortung tragen für den finanziellen Mist,den unsere Hauptamtlichen machen. Insofern, wenn es um finanzielle Dinge geht,muss ich als Ehrenamtliche vieles leisten,wovon die Hauptamtlichen keine Ahnung haben. O< Die Vorstände bei uns müssen sich auch mit dem Bestand und mit Geldern beschäftigen, und das sind Ehrenamtliche. Die müssen mit der Stadt und mit dem Landeswohlfahrtsverband kämpfen.Und das macht keinen Spaß. Vorrednerin: Als ich dieses Amt blauäugig übernommen habe,weil ich mich bürgerschaftlich interessiere,habe ich das nicht geahnt. Und deswegen macht mir das auch keinen Spaß. Da spielen die Hauptamtlichen auch eine Rolle, weil die eigentlich die Geschäftsführung machen müssten, aber das, was sie dafür brauchen, nie gelernt haben. O< Bei uns ist der Vorstand nur kontrollierendes Organ für die Sachen, die nicht immer Spaß machen. Dafür sind die Hauptamtlichen da und dafür werden sie bezahlt. Jonas: Das muss man in solchen Situationen auch immer wieder sagen: Es ist einfach ein Irrglaube, dass man viel Engagement von oben verordnen kann. Wenn diese Punkte nicht erfüllt sind – persönliche Ansprache, Gemeinschaftserleben, Erfolg, Eigenverantwortung – wird nie ein Engagement erfolgen.Es wird einfach nichts passieren. O> Das,was Sie eben als Beispiel gebracht haben,ist ja nicht lebensnotwendig. Entweder sind Rahmenbedingungen vorhanden oder lassen sich schaffen, um diese Arbeiten zu machen, dann kann man sie machen, dann findet man Leute.Die finden auch Spaß daran oder finden einfach eine Aufgabe.Oder aber es ist nicht möglich und dann fallen die eben unter den Tisch.Ich kenne das Spiel, ich leide selbst darunter, dass kein Geld da ist oder nicht genügend, aber irgendwo sind doch auch für uns Grenzen.Wir sind in der guten Lage,dass es gerade läuft.Aber woanders ist es eben gefährdet und eng. Aber wir müssen auch die Realität im Sinn behalten.Was nicht machbar ist,ist nicht machbar. O< Die Schwierigkeit bei den Ehrenamts-Agenturen, die jetzt überall wie Pilze aus dem Boden schießen, wo die Leute sehr wohl willig sind,Ehrenamtliche zu vermitteln, aber an der Basis noch nicht gearbeitet haben, ist folgende: Sie vermitteln jemand in eine Institution und die fallen dort in ein Loch. In dieser Institution hat man


noch nicht gelernt,mit Ehrenamtlichen zu arbeiten.Man weiß gar nicht, dass die auch Gemeinschaft brauchen, persönliche Ansprache brauchen. Die gehen da hin und sollen irgendwas machen,z.B.in irgendwelchen Museen Aufsicht machen. Dann kommen sie hin und die Rahmenbedingungen sind schlecht.Sie wissen nicht, wo sie ihre Sachen hintun sollen, um wie viel Uhr die Ablösung kommt,oder solche Dinge.Sie sind bereit,sie wollen sich kulturell einbringen, sie machen sogar die niedrigsten Dienste, obwohl sie hochqualifizierte Lehrer oder sonst was waren.Aber wenn diese Rahmenbedingungen in der Institution,wohin man sie vermittelt,nicht da sind,ist das sehr frustrierend.Dann gehen sie einmal hin und danach nicht mehr.Die Agentur sagt dann:das liegt an der Institution.Dann muss diese Agentur auch mit der Institution arbeiten und dort fragen: Seid ihr bereit, jemanden aufzunehmen und was bietet ihr ihm an Gemeinschaftsmöglichkeiten,Gesprächen usw.? O< Ich komme genau aus dem Bereich und es brodelt wirklich in mir.Es gibt tatsächlich viele Freiwilligenagenturen, Ehrenamtsbörsen, Freiwilligenzentren usw., die natürlich alle ihre eigenen Arbeitsschwerpunkte haben. Ich kann nur für den Treffpunkt Hilfsbereitschaft sprechen,und natürlich gucke ich mir jede Einrichtung,die ich vermittle, an. Und genau die angesprochenen Sachen frage ich auch ab. Vorrednerin: Sie sind Hauptamtliche. Bei uns sind die Freiwilligenagenturen nämlich auch Freiwillige,die über diesen ganzen Mechanismus gar keine Aufklärung haben und keine Ausbildung dafür.Sie machen ein Aktivbüro für Frauen nach dem Beruf,sind wunderbar motiviert,haben aber von Tuten und Blasen keine Ahnung. Sie sind wohl willig,aber es ist ja nichts Professionelles dabei. Vorrednerin: Aber die Schwierigkeit liegt in der Agentur, dass da die persönliche Ansprache fehlt, dass sie niemanden haben,der ihnen erzählt,was man braucht,um sich wohlzufühlen,damit es ihnen Spaß macht,damit sie dort kontinuierlich bleiben und hinterher sagen: es war gut,dass ich hier war. O> Unsere Hauptamtliche arbeitet z.B.nur im zentralen Freiwilligenbereich und den Tauschring machen wir mit Ehrenamtlichen, wo ich selber mitmache.Eine Möglichkeit ist,Projekte mit den Institutionen zu vereinbaren. Und da bin ich völlig Ihrer Meinung, ohne Zusammenarbeit mit den einzelnen Initiativen für freiwillige Mitarbeit geht es nicht.Sonst ist das ganze ein Flop.In Tübingen ist das nicht so optimal. Aber in Eppingen weiß ich, dass die mit den Einrichtungen ganz spezielle Projekte vereinbaren und genau sagen:das kostet wöchentlich für die Dauer von zwei Jahren die und die Zeit.Und sie kriegen eine Fortbildung in dem Bereich und Beratung. Das muss ganz genau festliegen, und dann kann man die Freiwilligen hinterher immer noch mal zusammenrufen und fragen:hat das geklappt oder nicht? Aber das ist die Aufgabe von Hauptamtlichen. Das können nicht ungeschulte Ehrenamtliche machen. Vorrednerin: Das können sie schon machen.Sie müssen dann aber selber auch unheimlich viel Zeit investieren. Denn ich arbeite da wirklich die ganze Woche über und

muss mit diesen vielen Einrichtungen zusammenarbeiten,muss sie kennen,muss auch die Leute dahin vermitteln. Es hat keinen Sinn, dass ich die Einrichtung kenne, aber eine Freiwillige die Vermittlung macht, die die Einrichtung nicht kennt.Man muss also sehr viel wissen und Informationen bündeln, um sie dann weitergeben zu können. Das ist die Schwierigkeit, wenn man nur kurze Zeit oder wenig Zeit in einer Einrichtung verbringt. Als Freiwillige ist das Tolle, dass ich entscheiden kann, wie viel Zeit ich investiere.

wenn man sich mal ein Werbeangebot mit Holzverbindungskurs für Frauen oder irgendwas anderes überlegt. Das ist ein großes Problem,dass diese alten Leute sich an den Haaren herbeireißen,um weiterzumachen und nicht totzukriegen sind.Aber der Sprung,mit neuen Menschen zusammenzuarbeiten mit den alten Angeboten, ist schwer.Wir haben auch Computerwerkstätten.Aber es ist sehr schwer,da jetzt Anreize zu schaffen für andere Leute, die mit ihnen dann wieder Spaß haben.Weil sie nur Spaß haben,wenn auch immer wieder neue Leute kommen.

Jonas: Hier ist noch ein wichtiges Wort gefallen.Ich sage mal als Beispiel:Es kommt jemand in die Einrichtung rein,und möchte gerne ehrenamtlich was machen.Dann stehst du erst einmal da: was machst du mit diesem Menschen? Mir ist es ganz selten gelungen,die Leute zu greifen und für irgendwas zu begeistern. Die sind teilweise mit der Vorstellung gekommen,dass sie von mir einen kleinen Arbeitsplatz serviert kriegen, wo sie sofort anfangen können.Und da fällt auch das Stichwort Qualifikation. Um bestimmte Sachen machen zu können, musst du auch als Ehrenamtlicher eine gewisse Qualifikation haben. Du kannst nur in dem Bereich arbeiten, Spaß und Erfolg haben,wo du auch zumindest ein Stück qualifiziert bist.Es kann sehr frustrierend sein,wenn man nur,um sich irgendwie zu betätigen,irgendwas machen will.Man macht mit,und irgendwie funktioniert es nicht. Der Erfolg fällt dann ganz schnell flach.

Jonas: Die zwischenmenschliche Begegnung ist eine starke Motivation z.B.für Leute,die in hochqualifizierten technischen Bereichen arbeiten,wo sie all das nicht mehr finden, es ist da ein harter Konkurrenzkampf. Und diese ganzen Teamgeschichten haben sich im Arbeitsleben auch nicht so verbreitet, wie es eigentlich wünschenswert wäre.Und bürgerschaftliches Engagement ist dann für diese Leute ein Ausgleich für solche Tätigkeiten.Deswegen suche ich meine Leute aus solchen Bereichen.Ich versuche auch Kontakt zu Firmen aufzubauen, über Leute, die wiederum das Haus kennen, um an solche Leute erst einmal heranzukommen. In Amerika kriegen Manager bezahlten Urlaub,um sich ehrenamtlich zu engagieren. Die haben festgestellt, dass die sozialen Komponenten sehr produktiv sind. Wir müssen zum Abschluss noch drei Fragen formulieren. Wobei ich finde,zwei stehen da schon fest:Warum arbeitet man eigentlich umsonst? Bürgerschaftliches Engagement – ein Verantwortungssyndrom? Wir müssen uns noch eine dritte Frage dazu überlegen.

O> Die Menschen müssen sich erst einmal integrieren und wissen, warum was gemacht wird. Und erst dann kann aktiv was passieren.Solche Leute kommen bei mir ständig.Die bitte ich dann, einfach mal dabei zu sein, zu gucken wie es geht und sich mit anderen zu unterhalten. Und dann kann man darüber sprechen. Aber es muss in den Rahmen passen. O> Das ist eben der Unterschied zwischen Klientel und Mitarbeiter.Bei uns in der Einrichtung nennen wir das ehrenamtliche Mitarbeiter und hauptamtliche Mitarbeiter. Und die ehrenamtlichen Mitarbeiter sind in der Hauswerkstatt,acht Leute,die verbindlich zwei Abende in der Woche mitmachen und Kindernachmittage organisieren. Die arbeiten seit zehn Jahren ohne Zuschuss.Die erwirtschaften ihren Etat selber. Haben einen Umsatz von 18.000 DM im Jahr, wovon sie Holz kaufen und andere Sachen.Die kriegen das irgendwie hin,trotz veränderter Familienverhältnisse.Der Jüngste,der da arbeitet,der ist da auch schon seit zwölf Jahren ein fester ehrenamtlicher Mitarbeiter. Man kriegt kaum neue Leute. Es kommen Menschen und sagen: baue mir mal ein Bett, bei Ikea ist mir das zu teuer. Stell du dich mal an die Kreissäge und mach mir das mal. Und dann sagen die Ehrenamtlichen auch:Stop! Da haben sie ihre Regeln.Aber auf der einen Seite sind die Ehrenamtlichen unzufrieden, wenn keine Leute kommen.Auf der anderen Seite macht es unheimlich Mühe, wieder jede Woche aufzutauchen und zu arbeiten, jede Woche die Werkstatt aufzumachen, das Werkzeug zum Schleifen zu bringen und sich um die ganze Infrastruktur zu kümmern. Es gibt zehn Gruppen bei uns im Haus.Aber die Ehrenamtlichen auch zu schulen, Klientel zur Ehrenamtlichkeit zu führen, das ist von hauptamtlicher Seite gar nicht zu leisten, weil wir gar nicht ständig die Zeit dazu haben.Und da reicht es nicht,

O< Was tut die Kommune für den Spaß der Freiwilligen? O> Die braucht nichts zu tun.Wenn du etwas machst, dann hast du Spaß O< Genau.Dazu brauche ich die Kommune überhaupt nicht Wenn ich Kindern vorlesen will, mache ich das. Kinder gibt es überall.Wenn man Spaß an so etwas hat, dann findet man das auch.Es gibt so viele Möglichkeiten. Die anderen haben sich ihre Nachbarschaftshäuser selber geschaffen,haben sich ihre Vereine selber geschaffen,ihre Zentren selber geschaffen.So wie Sie.Um die Rahmenbedingungen kämpft man dann.Aber ich denke,man soll nicht alles von der Kommune abhängig machen, nach dem Motto: Der Staat soll gefälligst was tun, damit wir Spaß haben. Sondern wir müssen was tun, damit wir Spaß haben. O< In unserer heutigen Zeit finde ich das utopisch,dass an mir alleine hängt,ob ich mir Spaß schaffe,ob ich was auf die Beine stelle,was mir Spaß macht. O< Das ist auch eine Frage:Schafft man überhaupt was alleine? O> Aufgaben entstehen auch aus Situationen heraus. Meistens ist eine Geschichte davor,bevor etwas passiert. Wenn die Rahmenbedingungen nicht da sind,wenn kein Raum vorhanden ist, man nicht die Grundausstattung hat, dann findet das eben nicht statt. Man muss doch nicht alles machen, was man machen könnte. Da kann Wer hat Spaß daran?


man lieber die Dinge tun, für die sich Voraussetzungen bieten. O< Welche Voraussetzungen brauchen Sie? O< Man braucht Rahmenbedingungen und dann ist auch die Frage zu überlegen:Wie sicher sind die? Jonas: Das sind jetzt zwei Punkte.Der eine ist: da ist eine Einrichtung,welche Rahmenbedingungen muss es für diese Einrichtung geben,damit sie weiter vernünftig arbeiten kann? Und der andere ist:Wie entsteht was ganz Neues? Wir haben ja gesagt,es gibt sehr viele Menschen, die was machen wollen,auch für die Einrichtung.Es ist ja auch immer die Frage, wie man Rahmenbedingungen oder Möglichkeiten schafft,dass Leute was Neues anfangen,sich in neue Sachen reinbegeben. O> Ich kann Ihnen ein paar Beispiele sagen, wo die Stadtverwaltung das gerade getan hat, was Sie einklagen,nämlich Räume und Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen,einen Verein zu gründen und verfolgen was passiert.Und die Dinge kommen nicht in Gang.Es wird nichts draus, weil die Leute fehlen. Da hat man die Voraussetzungen geschaffen,und der Bürgermeister findet es auch wunderbar und dann findet er die Leute nicht. Es fehlt auch die Begeisterung für irgendein Thema, weil von oben aufgesetzt wird,hier habt ihr einen Raum und jetzt macht mal was. Jonas: Die Frage könnte heißen: Wer schafft die Rahmenbedingungen für eine Einrichtung? O< Wer schafft es überhaupt, dass jemand in einen Rahmen reinmöchte? O> Der Weg ist das Ziel.Wenn man sich einmal auf den Weg macht,entwickelt sich auch eine Kraft,mit der man auf das Ziel hinarbeitet.Da finden sich auch Leute,die sich das auf ihre Fahnen schreiben, und dann wird alles in Bewegung gesetzt,um das zu erreichen.Nur ist es oft so, wenn das Ziel erreicht ist, dann sind die Leute verschlissen, gerade im ehrenamtlichen Bereich. Ich finde, man muss nicht immer an allem Bestehenden festhalten,sondern man muss um was Neues ringen.Es muss ein Hunger nach neuen Sachen entstehen. O< Wer schafft welche Rahmenbedingungen und wie? O< Wer koordiniert Angebot und Bedarf? Es scheint ja alles da zu sein,dass Leute sich engagieren wollen,etwas haben wollen, wer kann das koordinieren und dann fördern? Wer ist dafür verantwortlich? Das kann ja nicht alles die Basis übernehmen. Die Ehrenamtlichen, die sich für eine Sache einsetzen,sollen dann auch noch die Leute für eine Sache motivieren. Jonas: Viele Sachen scheitern im Vorfeld daran, dass Leute nicht wissen,an wen sie sich wenden müssen. Als Beispiel:Man will eine Tierfarm für Kinder aufbauen. An wen kann man sich da wenden, wie komme ich weiter? Sie brauchen ja eine Menge Fachwissen heutzutage, um erst einmal bei einem solchen Thema durchzusteigen.Dazu braucht man fast ein Leben lang. Wer hat Spaß daran?

Wie kann man da Unterstützung kriegen? O> Das sind die alten Zentren,die sich das erkämpft haben.Die müssen bereit sein,solche neuen Sachen zu fördern.Wir haben eine Kollegin ein Jahr freigestellt von ihrer Jugendarbeit, um den neuen Beschäftigungsträger zu gründen. Wir sind ein Freizeitzentrum und machen bisher keine Ausbildung. Aber das war nötig. Und dann haben wir gesagt, die Frau gründet einen neuen Verein. Die lässt die alten Sachen sein und kümmert sich um was Neues. Die Notwendigkeit dazu zu erkennen und dafür die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, das bringt Erfahrungen auch mit diesem Behördenkram. Die Leute kommen zu uns und sagen, ich habe da eine Maschine gefunden. Ich will eine Buchdruckwerkstatt machen. Dann sagen wir o.k. Oder einen Hühnerhof mitten in Altona, wo morgens früh der Hahn kräht mitten in der Stadt.Das sind verrückte Sachen, die müssen aber möglich sein.Wenn man die gespeicherte Erfahrung mit verrückten Geschichten verbindet mit den Vorteilen freier Träger, die mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit nicht in dieser Behördenglocke stecken, dann kann man wirklich verrückte Sachen denken und ausprobieren und auch mit der Wirtschaft zusammenarbeiten.Das ist dann ein Pott, wo Neues gekocht wird. Jonas: Die Frage müsste sein:Sind sozial-kulturelle Zentren Keimzellen für neue Ideen und Projekte? Vorredner: Man muss auch mal bereit sein, an dem Ast zu sägen, auf dem man selber sitzt, um etwas Neues zu schaffen. O> Wir haben bei uns viele Beispiele,wie kleine Pflänzchen,Ideen,gepflegt worden sind,aus denen manchmal was geworden ist oder auch nicht.Aber da ist eben richtig Breitenarbeit vorhanden.Der Sozialminister gibt ständig irgendwelche Programme raus, wo dann schwerpunktmäßig dies oder das gefördert wird, nicht nur mit Geld, sondern auch mit Ideen.Aber es ist immer nötig, dass dafür Menschen gefunden werden, die das Ding lebendig machen. Ich habe den Eindruck, dass wir Rahmen-bedingungen genügend haben. Das Wesentliche an den Einrichtungen,die man da schafft,ist, dass man möglichst ehrenamtliche Menschen findet,die das dann auch betreiben und bewegen. Es gibt zwei Sorten von Men-schen.Die einen finden es prima,etwas Neues auf die Schiene zu setzen. Wenn das dann läuft, braucht man die andere Gruppe von Menschen,die so etwas tragen und durchhalten,die den langen Atem haben. Es muss immer eine Idee da sein,die den Leuten Appetit und Tatendrang gibt.Eine Idee, die auf jeden Fall umgesetzt werden sollte,weil es ihnen wichtig erscheint. O< Der Bedarf muss aber von unten kommen. Jonas: Die Frage,die ich eben gestellt habe:Müssen sozial-kulturelle Einrichtungen Keimzellen für neue Ideen und Projekte sein?

O> Kann eine bestehende Einrichtung Keimzelle für neue Ideen und Einrichtungen sein und erkennt man sie auf Behördenebene als kompetenten Gesprächspartner bzw.Verhandlungspartner an? Gibt es überprüfbare Normen für Einrichtungen,wo gesagt wird,das sind kompetente Leute, da gehen wir ran? Bewegen sich die Behördenleute mal von sich aus in die Zentren rein? Müssen wir da immer hinterherkriechen? Der zweite Schritt ist:Wie können wir die Fähigkeit entwickeln,unsere Qualität nach außen zu tragen,um diese Qualität deutlich werden zu lassen auch in Behörden,mit denen wir zusammenhängen? Und da sind die Behörden, gerade im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen, meilenweit entfernt. O< Das kann ich von Tübingen gar nicht sagen.Wir haben Verwaltungslotsen. In jeder Abteilung gibt es einen Ansprechpartner, der namentlich bekannt ist. Der ist für bestimmte Stadtteile oder Bereiche zuständig und der weiß, wer im Bürgerbüro oder in der Altenbegegnungsstätte als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Das haben wir im Bürgerbüro geschafft. Aber auf der Wirtschaftsseite stimmt es bei uns überhaupt nicht. O> Gerade der Gerling-Konzern, mit dem wir zusammengearbeitet haben,hat sich als fachlich kompetent erwiesen,nachzuprüfen,ob Einrichtungen kompetent sind, ihre ausgelobten Stiftungsvorhaben auch wirklich in den Einrichtungen durchführen zu können. Die haben sich Fachleute rangeholt für diese Sache und damit auch Interesse und ein Wissen um die Qualität dieser Arbeit bewiesen. Das ist bei den Behörden in Hamburg ganz schlecht. O< Es gibt ein großes Desinteresse bei den Behörden. O< Wir können noch Elemente sammeln,die in einem »idealen« Nachbarschaftshaus drin sein müssten. Alle: Eingangsbereich, großer freundlicher Raum mit Cafeteria mit Selbstbedienung,Empfang mit einer Theke aber auch die Möglichkeit einen Kaffee zu trinken, und mit kleinen,runden Tischen,wo man auch mit mehreren sprechen kann, Licht und Transparenz, gläserne Schaufenster,dass man auch nach draußen gucken kann.Transparenz von außen und innen,Kinderspielecke,Büroraum mit Fax, Kopierer, PC mit Internet, eine Abhängecke für Jugendliche, verschiedene Eingänge für verschiedene Bereiche,Garten mit Terrasse,Vernetzung der Gruppen im Haus,gemeinsame Projekte. Jonas: Das ist z.B.ein Arbeitsprinzip von uns,dass wir jedes Jahr bestimmte Punkte setzen,an denen tatsächlich auch verschiedene Gruppen gemeinsam arbeiten.Wir gehen dann auch in Gruppen rein,um sie zu motivieren.Wir wollen die starren Gruppen öffnen, damit man erleben kann:wir sind gemeinsam eine Einrichtung.

O> Da sitzt jedenfalls die Kompetenz und das muss anerkannt werden.

O> Da haben wir eine Motte-Gala,wo alle Werkstätten und Kurse eine kurze Darbietung machen.Das läuft über den ganzen Abend, wo dann einer Motorrad fährt auf dem Drahtseil oder andere verrückte Geschichten.

O< Wie sieht so eine Keimzelle wirklich aus?

Jonas: Bei uns heißt das Stadtteilvarieté.


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Zwischen individuellen Almosen und sozialstaatlichem Rechtsanspruch Gemeinwesenarbeit als Auslaufmodell und Alternative C.Wolfgang Müller, Berlin Der Begriff »Auslaufmodell« setzt eine industrielle Produktion von Konsumgütern voraus,die für eine meist kurze Zeit »in Mode« (en vogue) sind und danach auf Schlussverkäufen verramscht werden. Dabei gibt es immer noch den feinen Unterschied zwischen »in sein« und »out sein« einerseits und »Auslaufmodellen« andererseits. Was »out« ist, das muss noch kein Auslaufmodell sein – es ist nur innerhalb der geschmacksbildenden Kreise der Trendsetter und Avantgardisten kein Gesprächsthema mehr. Das heißt aber nicht, dass es schon ein Auslaufmodell wäre. Winterschuhe mit den Spitzen eines Breitmaulfrosches sind zwar nicht mehr »in«. Die Models tragen sie nicht mehr im Defilee, aber in den Schaufenstern sind sie noch zu sehen. Erst wenn ein Kraftfahrzeug endgültig aus der Produktion herausgenommen worden ist und es auch keine fabrikneuen Ersatzteile mehr dafür gibt, dann ist es »ausgelaufen« – der Wiederverkaufswert sinkt gegen Null, und das Gleiche gilt für die Wahrscheinlichkeit,dass es jemals geklaut werden wird. Der Begriff »Auslaufmodell« setzt also das Vorhandensein von »Moden« voraus, die vorübergehen und eine künstliche »Veralterung« von Produkten und Dienstleistungen bewirken. Moden in unserem industriellen Zeitalter sind eine Folge der Umwandlung unserer ursprünglichen Bedarfsdeckungsgesellschaft in eine modische

Bedarfsweckungsgesellschaft, die unsere Wintermäntel in die AWO-Kleiderkammer lockt,obwohl sie immer noch voll intakt sind und keine Mottenlöcher zeigen. Gibt es Moden in der Sozialen Arbeit? Es scheint so, als würden die Arbeitsweisen von SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen,von KommunalpolitikerInnen und Gemeinderäten anderen Gesetzen folgen als denen launischer spätkapitalistischer Markt-

beherrschung. Demnach hat es auch in der Sozialen Arbeit – großräumig betrachtet – so etwas wie Entwicklungsphasen gegeben, die dem jeweiligen Zeitgeist geschuldet waren. Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Reiches hatten wir eine Phase der »Demokratisierung durch Methodenlehre«,die in der Einzelhilfe im Vier-Augen-Gespräch und der anleitenden Arbeit in der kleinen, überschaubaren Gruppe eine dominante Rolle spielten. Nach 1970 kam Gemeinwesenarbeit als »dritte der klassischen Methoden« hinzu.Sie kam vergleichsweise spät, weil die kommunalpolitischen Verhältnisse in den USA,in England,in den Niederlanden und später auch in anderen westlichen Ländern prinzipiell andere waren als in der Bundesrepublik.Bei uns gab es keine Regelungslücke im Hinblick auf die infrastrukturelle Ausstattung von Dörfern, Landkreisen und Städten – wir mussten uns vielmehr,ähnlich wie Italiener und Franzosen, von der Übermacht kommunaler Verregelungen befreien und mobilisierbare Bürger auf die Straße bitten, damit sie einen Teil ihrer Interessen im Wohnquartier wieder selber in die Hand nehmen oder im Rathaus vertreten würden.Dazu kamen die ehrwürdigen Organisationsprinzipien »linker« Parteien, die aus guten Gründen den Schwerpunkt ihrer Organisations- und Mobilisierungsarbeit am »Arbeitsplatz«, das heißt im Betrieb sahen und die Arbeit im »Wohnquartier« – im »Reproduktionsbereich« als nachrangig betrachteten. Gemeinwesenarbeit wurde also in Westdeutschland vergleichsweise spät entdeckt. Und sie hatte eine zunächst kurze Blütezeit in den siebziger Jahren. Aus zwei Gründen. Einmal entdeckten politisch-ökonomisch orientierte Studentenbewegte das Wohngebiet als Agitations- und Mobilisierungsplattform,nachdem ihnen Arbeitgeber wie Arbeitnehmer die Tore zu den Fabriken versperrt hatten, weil sie sie für Spinner hielten. Der zweite Grund war, dass anspruchsvolle SozialarbeiterInnen bei ihrer lebensweltorientierten Arbeit in Krippe und Kindergarten,in Jugendamt und Erziehungsberatung, beim ASD und im Jugendclub erkannten, dass die Probleme, unter denen ihre Klienten litten, nicht überwiegend individuelle Probleme waren und auch nicht nur »gesamtgesellschaftliche«. Sondern dass sie mit den infrastrukturellen blinden Flecken und Disfunktionalitäten ihres Wohngebietes zusammenhingen.Und dass es vernünftig wäre,sie nicht nur individuell therapieren zu wollen.Und auch nicht warten zu müssen, bis eine neue Gesellschaftsordnung uns mit neuen kommunalen Infrastrukturen beglücken würde.Sondern in solidarischer Zusammenarbeit eine Geschwindigkeitsbegrenzung vor einer Grundschule durchzusetzen oder eine Verkehrsberuhigung, den Heizkostenanteil an der Miete nachzuprüfen, den die marktbestimmende Wohnungsbaugesellschaft auf die Jahresabrechnung setzte oder auf eine Verlängerung der Öffnungszeiten der benachbarten Kita zu drängen. Nebenbei: Ich bekenne, dass ich ursprünglich diese

Formen der kleinteiligen Gemeinwesenarbeit als »unpolitisch« belächelt habe. Inzwischen habe ich gelernt, die Sorgen der BürgerInnen, vor allem auch in den neuen Bundesländern,ernst zu nehmen,die sich von einer besseren Straßenbeleuchtung einen Schutz vor der zunehmenden Alltagskriminalität erhoffen. Gemeinwesenabeit als Mobilisierungsstrategie der Wohnbevölkerung im Stadtteil gegen die zunehmenden Widersprüche spätkapitalistischer Stadtpolitik – vor allem in heruntergewirtschafteten innerstädtischen Altbaugebieten,aber auch in den neuen Satellitenstädten in West und Ost – hatte eine vergleichsweise kurze Blüte in den siebziger und frühen achtziger Jahren. Aber nur auf der Oberfläche. Mein Freund und Kollege Dieter Oelschlägel vermittelte durch seine praktische Arbeit in der Berliner Heerstr.Nord und durch seine theoretische Arbeit mit Jaak Boulet und E.Jürgen Krauss zwischen der (alten) Gemeinwesenarbeit als Methode und der (neuen) Gemeinwesenarbeit als Prinzip (Bielefeld: AJZ 1980). Die KollegInnen suchten auf ihre Weise, GWA von ihrer Einengung als spezifische Methode Sozialer Arbeit im Stadtteil zu befreien und sie als zeitgenössisches Prinzip des Zusammendenkens von unterschiedlichen Ansätzen Sozialer Arbeit als Ressourcenarbeit zu erweitern. So, wie beispielsweise auch die alte Gruppenpädagogik durch neuere Entwicklungen von Gruppendynamik, themenzentrierte Interaktion, Referenzgruppenarbeit und Straßensozialarbeit erweitert und bereichert worden ist und die alte soziale Einzelhilfe durch mannigfaltige neue Formen von Beratung, Gruppentherapie und Case Management. Es ist richtig,dass Spaßvögel im Herbst 1975 auf einer Tagung über konfliktorientierte Gemeinwesenarbeit in Berlin eine Todesanzeige formulierten, die anzeigen sollte, dass »nach einem kurzen,aber arbeitsreichen Leben unser liebstes und eigenwilligstes Kind GWA verstarb und zwar an • Allzuständigkeit,Eigenbrötelei und Profilierungsneurose • methodischer Schwäche und theoretischer Schwindsucht • politischer Disziplinierung und finanzieller Auszehrung. Wir, die Hinterbliebenen, fragen uns verzweifelt, ob dieser frühe Tod nicht hätte verhindert werden können?« (siehe Müller 1997,249,Fußnote 69). Die Todesanzeige der Gemeinwesenarbeit war verfrüht. Ich denke, es ist immer so, wenn kurzfristige Trends für den Atem der Geschichte gehalten werden.Dann werden neue Zeiten ausgerufen und neue Denkmodelle entworfen.Dann rufen alle Neuerer nach »Visionen« und bieten gleichzeitig ihre häufig kleinkarierten Tageslösungen an. Neues erscheint häufig nur jenen neu,die sich kein histo-

Zwischen individuellen Almosen und sozialstaatlichem Rechtsanspruch


risches Gedächtnis aneignen konnten und die deshalb Schwierigkeiten haben,in Jahrzehnten zu denken statt in Etatjahren. Wer die gegenwärtig aktuelle Fachliteratur verfolgt und nicht auf eingefahrene Begriffe fixiert ist,der wird immer wieder neue (und »modische«) Begrifflichkeiten finden, die unschwer in die Tradition etablierter Gemeinwesenarbeit einzuordnen sind. Ich erinnere daran, dass Hans Tiersch in den achtziger Jahren das Prinzip der Lebensweltorientierung in die sozialpädagogische Diskussion einführte und damit auch einem der Jugendberichte der Bundesregierung Grundlage und Richtung gab. Diese Lebensweltorientierung wurde zwar von vielen (und nicht zu Unrecht) als eine Abkehr vom alten Prinzip der Orientierung an der Klassenlage unterschiedlicher Bevölkerungsschichten verstanden – und damit als eine Umorientierung von

Marx auf Husserl. Aber richtig war doch, dass die Lebensweltorientierung eine alte Grundrichtung sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Denkens wieder in Erinnerung brachte: die Zielgruppenorientierung, das Prinzip,anzufangen,wo die Klienten stehen,und das Gebot,Menschen,die in Schwierigkeiten sind,nicht notwendig aus ihren alten Loyalitäten und Bezügen zu lösen, sondern ihnen zu helfen, die Stärken und die Hilfen zu nutzen,die ihnen »vor Ort« zur Verfügung stehen oder zur Verfügung stehen könnten. Eng mit dem Prinzip der Lebensweltorientierung ist das Prinzip der Ressourcenarbeit verbunden.In vielen Krisensituationen und bei vielerlei Mangelerscheinungen ist es wenig angemessen,die Hilfesuchenden an ferne Orte zu verpflanzen oder für sie weit entfernte Helfer zu suchen. Häufig ist es sinnvoller, mit ihnen gemeinsam Hilfsquellen in ihrer Nähe zu erschließen, die sie bisher nicht gesehen haben und die zu sehen ihnen Scham bereitet hätte. Ressourcenarbeit ist in den meisten Fällen Nachbarschaftsarbeit und Nachbarschaftsmobilisierung.Ich weiß, dass diesem Prinzip eine moderne Erscheinungsform entgegensteht,die Ulrich Beck und andere mit Individu-

alisierung umschrieben haben, mit dem Verlust der Bereitschaft, sich wieder auf die Traditionen und auf die Netzwerke zu besinnen, aus denen wir gekommen sind. Das mag richtig sein,aber gerade deshalb ist die Rückbindung von Hilfesuchenden an ihr Gemeinwesen die Neuformulierung einer alten sozialarbeiterischen Aufgabe. Eng verwandt mit Lebensweltorientierung und Ressourcenarbeit ist sicher auch ein neues Modewort,das in diesen Jahren Karriere gemacht hat und das sich »Case management« nennt.Insbesondere in einem Land wie den USA,wo es ein unterentwickeltes und in viele Winde zerstreutes System Sozialer Dienste und Sozialer Hilfen gibt, erscheint es immer notwendiger, die unterschiedlichen, partiellen Hilfemöglichkeiten für den »Einzelfall« durch jemanden zu bündeln und zu koordinieren, der den Überblick hat oder behält.In Deutschland ist es in vielen Fällen der Allgemeine Soziale Dienst, und gerade auch dieser ASD wird mehr und mehr auf eine Sichtweise orientiert, die weniger von der Fixierung auf den Einzelfall ausgeht, sondern mehr auf den Panoramablick über die Möglichkeiten des gesamten Gemeinwesens. Case management,so könnte man sagen,ist die Beheimatung einer gemeinwesenorientierten Sichtweise bei der Bearbeitung von so genannten Einzelfällen. Die Organisationsentwicklungen in der Sozialen Arbeit der letzten zwanzig Jahre haben deutliche Dezentralisierungstendenzen gezeigt. Die klassischen »Ämter«, die sich häufig in ihren Rathäusern einmauerten,haben sich in die Stadtteile geöffnet und dezentrale Stützpunkte geschaffen, die mehr und mehr Unabhängigkeit von den Vorgaben der Zentrale beanspruchen. In einigen (noch wenigen) Kommunen hat das zu einer vorsichtigen Einführung von »Sozialraumbudgets« geführt, in denen die Einzeletats aller sozialen Dienstleistungen für ein bestimmtes geografisch wie sozial genau umschriebenes Gebiet zusammengefasst und vor Ort »gemanagt« werden. Das klingt erst einmal verlockend. Der Charme dieser neuen Verfahrensweise hängt aber letztlich davon ab, welche der unterschiedlichen sozialen, kulturellen, bildungsspezifischen und kommerziellen Interessen im Stadtteil so artikulations- und durchsetzungsfähig sind, dass sie nicht gegenüber publikumswirksamen Ansprüchen schwächeln. In der Sozialen Arbeit vertreten wir häufig Interessen,die in der konkurrenzorientierten »freien« Marktwirtschaft nicht immer auf euphorische Gegenliebe stoßen.Eine neue Version dessen,was wir früher unter Gemeinwesenarbeit verstanden haben, hat Peter Strieder,der Berliner Senator für Stadtentwicklung,unter dem Begriff »Quartiersmanagement« erfunden. In vier, durch eine aufwändige Untersuchung von Professor Hartmut Häußermann (Humboldt-Universität) identifizierten Berliner Wohnquartieren sollen eigens eingesetzte Quartiersmanager in Zusammenarbeit mit den BürgerInnen, HändlerInnen, PolitikerInnen und den VertreterInnen ethnischer Gruppen den Versuch machen, Ressourcen zu bündeln und destruktive Tendenzen zurückzudrängen. Das scheint mir ein gutes Beispiel nordamerikanischer,integrativer Gemeinwesenarbeit zu sein, vor allem,wenn es funktioniert.Und nicht allzu weit entfernt von den Enkeln Saul Alinskys und seiner »Industrial Areas Foundation«, die ja auch auf der Zusammenarbeit mit kapitalkräftigen Unternehmern im Stadtteil beruht – und auf ihrem »natürlichen« Interesse, die Loyalität der BewohnerInnen (die ja KundInnen sind) nicht völlig in

Zwischen individuellen Almosen und sozialstaatlichem Rechtsanspruch

den Wind zu schießen. Nebenbei: Ich bekenne, dass ich nach meinen Erfahrungen an der nordamerikanischen Westküste in den frühen sechziger Jahren nicht sehr bereit war, die Zusammenarbeit mit »Wirtschaft und Handel im Stadtteil« als wesentliches Element von GWA zu propagieren.Ich habe in dieser Frage meine Position revidiert.Ich denke heute – so wie viele progressive GemeinwesenarbeiterInnen in den USA, in England und in den Niederlanden es beschrieben haben – dass die Aufwertung und die Befriedung eines problematischen Wohngebietes nicht ohne die aktive Mitarbeit der dort ihr Gewerbe betreibenden Handwer-kerInnen, HändlerInnen und DienstleisterInnen zu machen ist. Deshalb heißt für mich heute »Quartiersmanagement« in sozialen Brennpunkten nicht die Konflikte hochkochen, bis sie explodieren. Sondern: Gegenkräfte mobilisieren und stärken, die verhindern, dass die Gegend auseinander fliegt. Das vorerst letzte Beispiel, das mir einfällt, wenn ich mit der Frage konfrontiert werde,ob Gemeinwesenarbeit ein Auslaufmodell sei und gleichzeitig eine Alternative, ist das Grazer Modell zur Befriedung von »Gewalt in der Stadt«,das Rainer Steinweg 1994 in einem lesenswerten Buch dokumentiert hat.Dabei geht es um die alte GWAFrage:Wo finde ich ein Thema (einen issue),das stark und mobilisierend genug ist, um die wichtigsten MeinungsführerInnen in einem Gemeinwesen zu mobilisieren und um einen »runden Tisch« zu versammeln? Am Beispiel der Wahrnehmung von Gewalt durch Grazer Bürgerinnen und Bürger dokumentiert Steinweg einen mehrjährigen Prozess von – in der Tat – Gemeinwesenarbeit am Beispiel eines »runden Tisches« – nicht um Schuldige zu finden,sondern um das Thema »Gewalt in der Stadt« zu erweitern und eine allgemeine Sensibilität herzustellen, »was wir in Graz eigentlich uns in Graz antun«. Und um daraus vom runden Tisch entwickelte und vom runden Tisch verantwortete Lösungen zu suchen,durchzusetzen und zu verantworten. Dieses Beispiel ist für mich eigentlich das beste Beispiel bei der Beantwortung der Frage,ob Gemeinwesenarbeit ein Auslaufmodell sei und gleichzeitig eine Alternative. Auslaufmodell und Alternative Es mag Leser geben,die sich über die merkwürdige Überschrift dieses Beitrags gewundert haben:»Auslaufmodell und Perspektive«. Sie mögen an der Formulierung von Alternativfragen orientiert sein:»Entweder oder«,»Auslaufmodell« oder »Alternative«. Ich bin seit einiger Zeit beeindruckt von dem Satz Wassili Kandinskis, dieses Jahrhundert der »Alternativen«! Er meinte dies in der Auseinandersetzung zwischen der konservativen Kunst des neunzehnten Jahrhunderts und der »Moderne«, die ja keine einheitliche Richtung war, wie sie gern dargestellt wurde,sondern ein Ensemble von Alternativen. Gemeinwesenarbeit nicht gegen, sondern zusammen mit den anderen Formen Sozialen Handelns in der Sozialen Arbeit. Deshalb denke ich im Hinblick auf die Entwicklung methodischen Arbeitens in der Sozialen Arbeit,dass eine allzu enge, fast schon dogmatische Sichtweise auf diese Methoden und ihren genau definierten Geltungsbereich in der Tat »out« ist – wenn nicht sogar eine Art »Auslauf-


modell«.Gleichzeitig aber denke ich,dass die Methoden in ihrer Gesamtheit eine sinnvolle Alternative zu jener unprofessionellen Werkelei darstellen, bei der alles erlaubt ist, was mit den Begriffen von »Zielgruppe«, »Betroffenheit« und »Empathie« auch nur einigermaßen zur Deckung zu bringen ist. Gemeinwesenarbeit erscheint mir immer noch und immer wieder als eine sinnvolle Alternative zur unvernünftigen, prinzipienlosen Handwerkelei.Und zwar nicht gegen,sondern zusammen mit den anderen Spezialformen Sozialen Handelns in der Sozialen Arbeit. Es gibt in der Tat individuell verursachte und individuell zu bearbeitende Probleme von Menschen.Einzelfallhilfe und Beratung mögen hier eine hilfreiche Rolle spielen. Es gibt in der Tat kleingruppen- und bezugsgruppen-spezifische Probleme von Menschen,die auch in der Bezugsgruppe bearbeitet werden können.

Und es gibt Probleme,die vom gesamtgesellschaftlichen Kontext bestimmt werden und nur in diesem Kontext zu vermeiden, zu dämpfen, zu lösen sind. Dazwischen aber liegen Probleme,die in der Lebenswelt und im Alltag von Menschen entstehen und in der Lebenswelt und im Alltag dieser Menschen bearbeitet und gelöst werden können. Nicht durch Zähnezusammenbeißen und durch den Amoklauf einsamer Wölfe,sondern durch gemeinsames,solidarisches Handeln in den Netzwerken von Menschen,die ich kenne und die mir vertraut sind.Im Hinblick auf solche Probleme – und die gibt es zuhauf – ist Gemeinwesenarbeit eine Alternative zum Achselzucken ebenso wie zum Kurzschlusshandeln. Aus der Diskussion: Frage nicht zu verstehen,dafür heftiges Gelächter Müller: Auf jeden Fall hat Allinski (USA) eine Wandlung durchgemacht, hat dann sehr stark die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den strukturbestimmenden Kräften im Stadtteil betont.Und in dieser Richtung hat er

doch die Organisation von Fondsbetrieben vorangebracht, die dann in der Tat durch relativ unabhängige Bürgerkomitees verwaltet und benutzt worden sind.Das hat er in Amerika tun können aus mehreren Gründen, weil die amerikanische Gemeindeverfassung eben andere Möglichkeiten sieht, weil sie wesentlich weniger Regelungen haben; z.B. die amerikanischen Gemeinden können eigene Steuern erheben, was in Deutschland nicht möglich ist.In dieser Entwicklung von Allinski sehe ich durchaus Parallelen zu dem, was im Quartiersmanagement in Berlin angedacht worden ist.Man muss allerdings sehen, dass es nur angedacht worden ist. Wie es weitergeht,weiß keiner.Die Manager sind ja gerade erst eingestellt worden. Und die Art und Weise, wie sie mit Mitteln nicht ausgestattet worden sind, lässt eigentlich befürchten oder hoffen,dass es sich wieder um eine eher kosmetische Maßnahme handelt. Man muss auch Entwicklungen sehen,die stattgefunden haben;und dass viele der Gegenmachtpositionen,die wir vertreten haben in den siebziger Jahren,im Moment keine von Mehrheiten der Bevölkerung, nicht mal von meinungsführenden Gruppen getragene Heimat haben.Das sehe ich einfach, das kann in zwanzig Jahren wieder anders sein. Georg Zinner: Die Euphorie zu den Quartiersmanagern kann ich nicht teilen, das zeigt sich schon an dem gewählten Begriff Quartier und Manager.Das ist ein Begriff, der in der Bevölkerung nicht verwandt wird, der nur irgendwo im Überbau erfunden werden kann und der sachlich kühl, wie er klingt, bestimmt nicht mit den Menschen in einem Stadtteil oder einem Stadtgebiet verbunden ist. Das zweite ist, man muss den Hintergrund dieses Quartiersmanagements betrachten,insofern ist es schon auch irgendwie wieder diese etwas merkwürdige technokratische Idee von Gemeinwesenarbeit,dass Leute von außen kommen mit einem bestimmten Auftrag,um irgendwelche vermeintlichen oder wirklichen Probleme in einem Kiez oder in einem Stadtteil zu lösen.Die Strukturen, die es in einem Stadtteil oder einem Stadtgebiet gibt, werden parallel dazu ausgehöhlt. Gut ist für einen Stadtteil oder die Bevölkerung, was den Leuten konkret nützt, was die nutzen können. Die Quartiersmanager können keine Jugendfreizeiteinrichtung auf Vordermann bringen,die haben in der Regel keine eigenen Räume zur Verfügung, die können also eigentlich das, was die Bevölkerung vielleicht braucht,gar nicht zur Verfügung stellen, statt dessen berufen sie Versammlungen ein, noch mal ‘ne Versammlung, noch ‘ne Versammlung, solange, bis die Leute wegbleiben. Zwischenruf: Haben wir auch gemacht! (Lachen) Weiter Zinner: Ja, genau. Und die Politiker können sagen, wir haben ja jetzt Quartiersmanager, die lösen Ihre Probleme. Also, ich glaube, in dem Maße, in dem soziale Strukturen und Grundeinrichtungen in Berlin (ist ja eine Berliner Geschichte) ausgehöhlt werden, schafft man wieder irgendetwas,was als Alibi dient um zu sagen,wir tun ja was für euch, für die Bevölkerung. Es kommt darauf an, die vorhandenen Strukturen, die vorhandenen Nachbarschaftszentren,die vorhandenen Stadtteilläden, die vorhandenen Einrichtungen zum Funktionieren zu bringen und der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

Und was die Quartiersmanager machen, was viele von uns ja auch beruflich erleben, ist, dass sie sich erst mal über uns sachkundig machen, was ist eigentlich hier in dem Bezirk los. Also dass die erst mal ein Jahr lang oder zwei Jahre lang nichts anderes tun,als uns mit Fragebögen zu drangsalieren, mit Interviews zu drangsalieren um zu sagen,was ist hier in diesem Stadtteil los.Also das ist nicht das, was ich mir unter Gemeinwesenarbeit, Stadtteilarbeit vorstelle. Müller: Ich will Ihnen da gar nicht widersprechen. Ihr letzter Satz ist aber gerade eine Illustration dessen, was ich zum Schluss versucht habe zu sagen. Jeder von uns definiert sich seinen methodischen Ansatz – und das ist völlig in Ordnung. Nur, es muss möglich sein, unterschiedliche Ansätze nebeneinander stehen zu haben. Und der Streit darf nicht auf Konferenzen darum gehen, wer den richtigen Ansatz hat, sondern wer die wirksamere Arbeit macht.Das denke ich mir. O< Ich möchte noch mal auf dieses Quartiersmanagement kommen. Ich bin vollends Ihrer Meinung, dass ein Streit nicht um Methodik gehen kann, aber gemeinnützige Arbeit – oder alle Methoden – sollten doch das Ziel haben,was mit den Bürgern gemeinsam zu machen und die Bedürfnisse, das sage ich jetzt mal ganz platt, der Bürger,der Bürgerinnen aufzunehmen.Und ein Beispiel: In Kreuzberg, in SO 36, gibt es Initiativen gegen diese Quartiersmanager.Und da kann doch irgendetwas nicht mehr stimmen.Wenn Quartiersmanager oder Quartiersmanagerinnen eingesetzt werden,die Leute aber,für die da was gemacht werden soll,ganz klar sagen,das wollen wir nicht,trotzdem bleiben die Quartiersmanager,bleibt diese Struktur und es wird versucht, die Leute in diese Struktur reinzuzwängen. Hier sollen dann die Bürgerinnen und Bürger passend gemacht werden. Das kann nicht stimmen. Müller: Sehe ich genauso. In Kreuzberg ist der Quartiersmanager wirklich zynisch. Aus dem Publikum: Oder die Bürger. Müller: Ja,vielleicht beides. Herbert Scherer: Man kann das ja auch anders sehen. Die Tatsache, dass sich eine Bürgerinitiativbewegung in Kreuzberg bildet,um den Quartiersmanagern zu zeigen, was besser ist als das was sie tun, ist ja vielleicht schon eine erste positive Reaktion auf das Wirken des Quartiersmanagers.Was kann denn eigentlich besseres passieren? Lachen im Saal Hartmut Gustmann, Kommunale Gemeinschaftsstelle in Köln: Die Diskussion provoziert mich jetzt,was zum Quartiersmanagement zu sagen. Die Idee ist ja grundsätzlich gar nicht so schlecht.Was dahinter steckt, ist ja, eine Kooperation von Akteuren auf lokaler Ebene anzuschieben. Es ist also nicht nur eine Idee, die es in Berlin gibt,sondern die in verschiedenen Orten auch unter verschiedenen Namen aufkeimt,ob das jetzt bedrohte Nachbarschaften sind oder wie auch immer Sie das

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nennen wollen,diese Idee vor Ort von der Politik initiiert, so was anzubieten.Die Frage ist doch,warum geht Politik mit so einem Instrument heran, wenn es offensichtlich eine Gemeinwohlarbeit gibt,die sich damit in Konkurrenz sieht? Warum ist Gemeinwohlarbeit im Denken der Bürger bei Vorortproblemen nicht so präsent, dass die Politik von sich aus dieses Quartiersmanagement zusammen mit Gemeinwohlarbeit macht? Da scheint also das Problem enthalten zu sein: wie politiknah positioniert sich Gemeinwohlarbeit? Und die zweite Geschichte ist,Quartiersmanagement jetzt als Konkurrenz zu sehen, scheint mir ein gewisses Problem einer Szene zu sein,die sich ganz gerne in sich selber dreht,anstatt das,was damit an guten Ideen gemeint ist, aufzugreifen, nämlich eine Kooperation aller Akteure; und warum denn nicht auch Wirtschaft und Handel da zu integrieren. O< Für mich ist das Problem – wie entdeckt man einen Bedarf? Entdeckt man ihn so,dass man einen konstruiert und dann mit Versuch und Irrtum ausprobiert,ob das,was man konstruiert hat, auch ankommt? Oder muss ein Bedarf von unten nach oben wachsen? Der Widerstand etwa in Kreuzberg ist ein Widerstand gegen dieses Initiieren von oben nach unten.Und der ist ganz gesund. O> Also ich würde die Diskussion mal ein bisschen von Kreuzberg abrücken, ich kenne die Diskussion aus vergleichbaren Stadtteilen auch in Hannover.Es gibt Stadt-

teile, in denen sich von unten nichts formuliert und wo die Frage ist,wie geht man denn da mit BürgerInnen um. In solchen Stadtteilen wurde auch vorher schon Gemeinwesenarbeit,quasi von oben herab,hineingegeben.Und nun nennt sich das Ganze Stadtteilmanagement oder Quartiersmanagement – da muss man im Grunde genommen die Frage nach der Qualität der Arbeit stellen und nicht so sehr danach,wo kommt sie her. Zinner: Das Problem, das damit angesprochen wird, ist ein anderes.Quartiersmanager ist ein Modewort – und es wird auch irgendwann wieder verschwinden. Das Problem,was ich hierbei sehe,ist,dass vorhandene Strukturen nicht gestärkt,sondern ausgehöhlt werden,dass vor-

handene Strukturen nicht genutzt und einbezogen werden, sondern dass man an ihnen vorbei etwas Aufgesetztes politisch gut Verkaufbares danebensetzt,egal ob es effektiv ist und es den Bürgern nützt oder nicht,das ist das Problem. Das ist das Gegenteil von Gemeinwesenarbeit,weil es neben den vorhandenen Strukturen etwas Neues schafft,was sich mühsam erst mal den Weg in das Gemeinwesen suchen muss. Und ich bin dafür, die vorhandenen Strukturen so auszustatten und so zu gestalten,dass die vorhandenen Einrichtungen in der Lage sind, das,was mit Quartiersmanagement gemeint ist,in ihrem Stadtgebiet mitzumachen. Dort, wo es noch nichts gibt, kann es sinnvoll sein, Quartiersmanagement aufzubauen, damit man Einrichtungen schafft, die den Bürgern nützen. Müller: Also da kann ich mich anschließen,weil ich auch ein bisschen weiß, wie die Identifizierung der vier Problemzonen für Quartiersmanagement zustande gekommen ist. Früher gab es den Sozialatlas Berlin – der Versuch,mit bestimmten Indexzahlen die Qualität eines Wohngebietes zu erfassen, und eine dieser Indexzahlen war die Frage,wer zieht dort weg,wer zieht dort hin und gibt es so etwas wie das Ausbluten von Eliten – Eliten meint Leute,die sich und anderen selber helfen können. Und ein Teil der Identifizierung dieser vier Bezirke war in der Vokabel gefasst:diejenigen,die sich und anderen helfen können, ziehen laufend weg und in dieses Vakuum kommen Fremde, die einfach noch nicht den Überblick haben,um sich selber zu organisieren,und von daher hätte der Manager schon eine gewisse Bedeutung.Das Entscheidende ist, dass wir aus gutem Grunde misstrauisch sind gegenüber Reformbestrebungen, die aufgrund von sehr allgemeinen empirischen Untersuchungen und deren Ergebnissen von oben installiert werden.Also da sehe ich schon, dass der Ansatz schwierig ist, selbst wenn das gute Leute wären und selbst wenn sie das Richtige machen würden,werden sie erst mal ein Jahr brauchen, um gegen die Schwierigkeiten,die sie durch ihre Inthronisierung selber hergestellt haben,anzugehen. O> Ich habe das Bedürfnis, erst mal eine Kritik loszuwerden, weil das ein Spleen von mir ist.Ich halte das für eine Unart, eine Veranstaltung mitzuschneiden, und das erst mittendrin anzukündigen. Ich finde, mitgeschnittene Dinge sollten angekündigt werden.Und ich hoffe,dass das in der Tagungsdokumentation auftaucht. Inhaltlich glaube ich, dass die Frage, ob man bei Gemeinwesenarbeit mit Kommerz und Handel zusammenarbeiten sollte, für mich ziemlich eindeutig ist, denn ich glaube, der entscheidende Wandel in den Vereinigten Staaten kam, als man wirklich gesehen hat:in dem Moment,wo es einem Stadtteil schlecht geht, geht es auch Handel und Kommerz schlecht, und insofern gibt es partielle gemeinsame Interessen und man wäre relativ dumm, diese nicht auszunutzen. Und ich stimme Wolfgang Noack voll zu, dass man heutzutage wirklich sehr tolerant Methodenpluralismus dulden sollte – allerdings denke ich, dass sehr viel Skepsis angebracht ist,wenn der Staat,der ja sehr viele Methoden schon zur Hand hat,versucht,sich auch in der Gemeinwesenarbeit zu betätigen, denn er sollte erst mal das richtig machen,was er schon an Möglichkeiten hat, die ausschöpfen, und dann könnte man darüber reden, ob wir nicht seine Dienste auch bei der

Zwischen individuellen Almosen und sozialstaatlichem Rechtsanspruch

Gemeinwesenarbeit benötigen. Ich halte es in der Tendenz für ein Ablenkungsmanöver, das der Staat da veranstaltet und das schließt nicht aus,dass da nicht jemand hier oder dort gute Arbeit leistet,aber prinzipielle Skepsis ist aus meiner Sicht angebracht. O< Was ich an Quartiersmanagement eigentlich gut und wichtig und richtig finde – ich arbeite in Kreuzberg, ich war auch erst beleidigt,das gebe ich durchaus zu,weil wir nicht adäquat in einen Prozess einbezogen worden sind – die Quartiersmanager kommen jetzt auf uns zu,sie haben ein Stück Chance verschenkt, aber sie werden es noch lernen, mit wem sie wohl zusammenarbeiten sollten. Was für mich, wenn es gut klappt, neu an Quartiersmanagement ist,ist eine Professionalität von vielen verschiedenen beruflichen Disziplinen,die es vorher nicht gab.Was wir auch vorher versäumt haben,ist eine Öffentlichkeit herzustellen, die gar nicht an uns vorbeikommt, hinterher sagen wir alle, warum berücksichtigt uns keiner,aber ich denke,das haben wir uns ein Stückchen selber zuzuschreiben, insbesondere in Berlin. Das andere, was ich vielleicht auch als einen Erklärungsfaktor mit einbeziehen würde,weshalb der eine oder andere nicht berücksichtigt worden ist,ist,dass wir in den letzten Jahren auch immer sehr aufmüpfig waren und vielen auf die Füße getreten sind, gerade auch Politikern und großen Wohnungsbaugesellschaften. Und wenn ich das ernst meinte, dann kann ich mich jetzt auch nicht hinstellen und sagen,ja warum wollt ihr mit uns nicht zusammenarbeiten? Ich bin mir immer nicht ganz sicher:bin ich inzwischen froh, dass ich nicht gefragt worden bin, oder vielleicht ist es auch eine Ehre,dass ich nicht gefragt worden bin.Weil ich denke,es ist ein anderer Ansatz,aber ich hoffe natürlich. Aber auch Wohnungsbaugesellschaften verkaufen Wohnungen als Ware, auch sie besinnen sich auf neue Werte, weil sie ihre Wohnungen nicht loswerden.Wir sollten die Chance der Stunde nutzen,vielleicht auch,indem wir mit dem Quartiersmanagement zusammenarbeiten und aufzeigen,was daraus werden könnte. Ich sehe da durchaus auch eine Chance für uns alle,noch mal zu gucken: wo haben wir auch wirklich Gemeinwesenarbeit so gemacht, wie sie den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen nicht ganz entspricht? Die Arbeitslosigkeit steigt,wir haben neue ethnische Kulturen, wir haben ganz neue Auseinandersetzungen,die wir vor zehn Jahren noch nicht hatten und ich denke,wir sind da noch nicht adäquat drauf eingestiegen. O> Mir hat ein kleiner Versprecher, der sich in Ihrem Vortrag eingeschlichen hatte,gut gefallen:Sie hatten von Gemeinwesenarbeit als Auslaufmodell gesprochen und dann rutschte ihnen raus, Gemeinwesenarbeit als Auslauschmodell.Wenn wir uns gerade mit Quartiersmanagement auseinandersetzen, finden wir immer wieder Aspekte heraus, die kritikwürdig sind, aber woher nehmen wir die Kritik? Ich nehme diese Kritik aus meiner Arbeit und aus der Ausbildung als Gemeinwesenarbeiter. Ich denke, uns hat damals die Gemeinwesenarbeit ein gutes Rüstzeug dazugegeben, um auch Kriterien zu finden, und diese Kriterien sind für mich nach wie vor gültig,und ich bin auch sehr überzeugt davon,dass wir jetzt nicht ein verbissenes Vokabular tradieren. Aber es ist schon bedenklich, wenn wir sagen, es kommt eigentlich nicht darauf an,wie man unsere Arbeit benennt,sondern


nur, wie sie wirkt. Dann tun wir uns natürlich schon schwer mit unserem Austausch hier und dann braucht es viele solcher Tagungen,um auch die Sprache des anderen zu lernen und nachzuvollziehen, wie er es versteht und was er darunter versteht. Müller: Diese Art von postmoderner Beliebigkeit mag ich auch nicht. Nur, ich bin dagegen, dass Leute sich um Begriffe streiten, bevor sie geguckt haben, ob die Sache, die hinter den Begriffen steht,nicht sehr ähnlich ist,also darum gehts mir.Und deshalb bin ich eher katholisch und guck auf die Wirkung und weniger protestantisch und guck weniger auf die Absichten und Ziele. Gerade unter Profis sollte man nicht so sehr um Begriffe streiten, sondern um die Praxis,die dahinter steht.Und dabei spielt sicher auch eine Rolle, ob sie wirksam ist. Aber ansonsten bin ich völlig Ihrer Meinung, das ist ein professionelles Geschäft, und das muss man gelernt haben und man muss bereit sein,aus der eigenen Praxis und aus fremder Praxis lebenslang zu lernen, sonst geht es einfach nicht. Amateure sind was anderes, sind Liebhaber, aber Profis sollen nicht lieb haben,sondern sollen es gut machen. O> Mir hat der Satz gut gefallen zu sagen, wir orientieren uns an den Wirkungen, daran, was dabei rauskommt.Das ist ja eine Provokation in beide Richtungen. Das ist eine Provokation hier an den überwiegenden Adressatenkreis, auf andere zu gucken, das ist aber auch eine Provokation in die Richtung der klassischen Verwaltung zu sagen,guck mal drauf,was wirkt da.Trennt auch ihr euch von euren lieb gewordenen Ideologien und guckt mal, ob nicht andere Sachen genauso erfolgreich sind, insoweit habe ich das verstanden als Plädoyer für eine Interdisziplinarität,also ein Kooperieren der Akteure für eine gemeinsame Sache, auf die man sich allerdings verständigen muss,und auf Werte,auf die man sich eben auch verständigen muss, das ist unabdingbar in dem Zusammenhang. O> Es ist ja richtig und notwendig,dass diejenigen,die im Stadtteil schon seit Jahren die klassische Gemeinwesenarbeit machen, die die Kulturtreffs leiten oder Nachbarschaftsheime, notwendig zusammenarbeiten

müssen mit denen, die jetzt als Projektleiter, als Koordinatoren oder Stadtteilmanager eingesetzt worden sind – zum Besten des Stadtteils.Aber es gibt dort ein strukturelles Problem.Die Projektleiter,Manager oder Koordinatoren sind meistens in der Administration viel höher angesiedelt.Das heißt,sie wissen auch einiges,was dort bereits angedacht, geplant ist, was aber noch nicht öffentlich gesagt werden darf, weil es so etwas gibt wie ein einheitliches Verwaltungshandeln, es darf also das, was in internen Leitungszirkeln bereits besprochen worden ist,nicht ausgeplaudert werden von den Managern.Und jetzt ist da ein Team, eine Zusammenarbeit zwischen Leuten,die etwas wissen,es aber nicht sagen dürfen und denen, die das fordern und artikulieren, was in der Bevölkerung gedacht wird. Das macht die Zusammenarbeit oft schwierig. Wenn also z.B. die Leute aus dem Stadtteil sagen, wir fordern die Ausstattung dieses Jugendzentrums und die Manager wissen, dieses Jugendzentrum wird sowieso in zwei Jahren gestrichen und kann gar nicht ausgebaut werden, aber das dürfen wir jetzt nicht sagen,dann ist diese Zusammenarbeit mit einem strukturellen Problem belastet,und das zeigt meines Erachtens, dass es dann doch schwierig ist, diese Projektleitung als eine neue Form der Gemeinwesenarbeit zu verstehen, ein neuer Name für eine sehr alte Sache, denn da spielt die Interesseneinbindung doch eine sehr große Rolle. Wenn man deren Ziele und die Wünsche ansieht, dann ist das sehr gleich. Wenn man sich jedoch die Interessen beguckt, dann ist es wieder sehr unterschiedlich, und ich gehöre zu der Generation, die gelernt hat,auf die Interessen zu achten. O< Ich wackle die ganze Zeit hier schon rum,weil mich das auch so furchtbar aufregt.Ich war zu einer der ersten Veranstaltungen,als es das Quartiersmanagement noch nicht gab, da war Peter Strieder da und Frau Ahlisch aus Hamburg.In Hamburg gab es auch das Projekt Quartiersmanagement,und es wurde erzählt:es hat doch nicht so geklappt, wie man eigentlich gedacht hat. Das Interessante für mich war,dass Herr Strieder gesagt hat:Oh,das sind also nicht die Leute, die im Strickpullover zu den Menschen vor Ort gehen, sondern das muss schon einer in Schlips und Kragen sein. Und diese Aussage war für

Das soziale Gemeinwesen der Zukunft Andreas Brandhorst, Bonn – Berlin

Ich habe mich in meinen Vorüberlegungen etwas stärker auf das eigentliche Thema der Tagung bezogen,nämlich Bürgergesellschaft und Sozialstaat.Das hat was damit zu tun,dass mich dieses Thema auch aus eigener Erfahrung anspricht. Ich habe zu Beginn der 90er Jahre für die damalige Landtagsfraktion in Thüringen in der Bürgerbewegung gearbeitet,als sozialpolitischer Referent.Ich kam recht fachfremd zur Sozialpolitik,das damalige Interesse an DDR,an Wende,an Bürgerbewegung war stärker als an Sozialpolitik, und ich habe damals lebenspraktisch vor Ort erfahren, wie das ist, wenn durch ein Institutionssystem versucht wird, etwas auf gesellschaftliche Verhältnisse zu übertragen, die dazu eigentlich nicht ganz passen. Vom Aufbau der Wohlfahrtsverbände, wie vom

Vorhandensein und Nichtvorhandensein von Selbsthilfegruppen,wie nehmen Leute was wahr,das wird alles sehr stark auch dadurch geprägt, was für alltagskulturelle Vorerfahrungen es gibt. Ich glaube, wenn man über Sozialstaat spricht,spricht man im Allgemeinen viel zu wenig darüber, was das eigentlich für gesellschaftliche Verhältnisse sind, die er hervorbringt; und was sind das für gesellschaftliche Verhältnisse,die da sein müssen,damit so etwas wie Sozialstaat überhaupt existieren kann. Dieses Wechselverhältnis von Sozialstaat und Bürgergesellschaft ist etwas, was mich seitdem sehr stark beschäftigt.Darauf möchte ich jetzt etwas näher eingehen. Ich habe in den 80er Jahren vor allem Friedenspolitik ge-

mich schon ungeheuerlich.Und ich kann das, was Georg Zinner vom Nachbarschaftsheim Schöneberg sagt, eigentlich nur unterstützen.Was machen wir denn vor Ort, es ergibt sich doch einfach, dass wir mit den Leuten vor Ort zusammenarbeiten,wer das auch immer ist.Wir wissen, dass es Arbeitslosigkeit gibt, wir wissen, dass es Gewalt gibt, wir haben unsere Stadtteilkonferenzen, wir arbeiten doch daran,nur das Problem ist natürlich:Quartiersmanagement, prima – 6 Mio. Mark gab es dafür – würden wir auch ganz gerne haben wollen.Was glauben die Politiker denn,was wir für Arbeit leisten? Das Problem ist doch,dass die Ausstattung so gering ist,sie fehlt uns, um überall tätig zu werden.Wir wissen,was vor Ort notwendig ist, und da ärgert mich dieses aufgesetzte Quartiersmanagement total, und in Kreuzberg ist es heute schlimm oder in Neukölln, obwohl es die Quartiersmanagements gibt,aber kommen sie doch mal in die anderen Bezirke,da fängt es auch an.Wir reden doch seit Jahren über Prävention, wir wollen vorbeugen, bloß, wenn wir nicht genug ausgestattet sind,können wir das nicht. O> Ich halte nichts davon zu sagen, es funktioniert, wenn wir mehr Ressourcen haben.Das haben wir immer gemacht und es hat nie funktioniert, weil wir nie die Ressourcen gekriegt haben, die wir verlangt haben und weil wir in der Regel nicht in der Lage waren,das,was wir versprochen haben, umzusetzen, wenn wir die Ressourcen hatten,weil die Wirklichkeit widerspenstiger war als unsere Theorie. Ich gehe davon aus, dass, wenn wir was verändern wollen, dann müssen wir so arbeiten, wie es für mich sehr vorbildhaft das Nachbarschaftsheim Lankwitz gemacht hat. Die haben gesagt, wir haben keine Ressourcen und wir fangen mit dem an,was wir haben – mit den Ressourcen, die vorhanden sind und mit den Menschen,die kommen.Und mittlerweile haben sie eine Menge Ressourcen, denn wenn man nämlich was bewegt, kommen die Ressourcen auch. Und ich denke, wir müssen lernen,so rum anzusetzen.Wir müssen nicht sagen, für unsere Arbeit ist das und das notwendig, und wenn wir das haben, dann funktioniert es. Sondern wir müssen sagen, für unsere Arbeit sind Menschen, die Probleme haben,notwendig und wir werden versuchen, die zu vernetzen und ihre Interessen zu organisieren.

macht,hatte mit Sozialpolitik,mit sozial-politischen Auseinandersetzungen, eigentlich weniger zu tun. Aber etwas, was sich mir damals auch als allgemein politisch Interessiertem mitgeteilt hat, war, dass es in Berlin eine große Auseinandersetzung gab um das Selbsthilfeförderprogramm, das Sozialsenator Ulf Fink Mitte der 80er Jahre auflegte, mit dem Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeprojekte in Berlin gefördert werden sollten.Daraufhin brach dann auf Seiten der Projekte eine heftige Diskussion darüber aus, ob man diese Gelder, diese »Staatsknete«,überhaupt annehmen dürfe.Der Verdacht war groß, der Staat wolle die Selbsthilfe nur als Alibi für den Rückzug aus seiner Verantwortung benutzen. Man könnte sicherlich sagen, o.k., das Ganze war in den 80er Jahren, das ist damals anders diskutiert worden als es heute diskutiert würde,und letztendlich ist es auch so gewesen, dass die meisten Projekte die Gelder angenommen haben.Aber ich glaube,dass diese Auseinandersetzung auch exemplarischen Charakter hatte für etwas,was

Das soziale Gemeinwesen der Zukunft


noch bis heute in den Diskussionen zumindest mitschwingt,dass nämlich in Deutschland das Verhältnis von individuellem Bürgerengagement einerseits und sozialstaatlicher Versorgung andererseits oft als problematisch und oft sogar als gegensätzlich gesehen wird. Die einen befürchten als Verfechter sozialstaatlicher Solidarität, dass durch die Arbeiten in Familien, im Ehrenamt, durch viele andere freiwillige Tätigkeiten,professionelle soziale Arbeit ersetzt und der Abbau sozialer Anrechte legitimiert werden soll. Die anderen klagen, dass der vermeintliche Vollversorgungsstaat die Eigenverantwortung und Selbsttätigkeit seiner Bürger untergrabe. Sehr instruktiv waren in den vergangenen Jahren einige Vorträge aus dem konservativen Spektrum, etwa von Wolfgang Schäuble,wo dies immer wieder ein tragender Gedanke gewesen ist.Ich denke aber, dass diese Gegenüberstellung von individueller Selbsttätigkeit einerseits

und sozialstaatlich organisierter Solidarität andererseits einer Überprüfung nicht standhält.Wenn man sich zum einen Untersuchungen anguckt, wenn man sich Befragungen anguckt, wer engagiert sich eigentlich, wer engagiert sich ehrenamtlich,wer engagiert sich in selbstorganisierten Projekten und Selbsthilfegruppen usw.,dann stellt man immer wieder fest, dass es gerade die Bevölkerungsgruppen sind, die im Erwerbsleben am besten abgesichert sind und auch über eine entsprechende soziale Absicherung verfügen, die sich überdurchschnittlich häufig engagieren, und dass dagegen Personen, die eher in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen leben, und Erwerbslose eher unterrepräsentiert sind. Das ist wichtig bei dieser ganzen Debatte, die es in den letzten Jahren immer wieder um den 3. Sektor und die Bürgerarbeit gegeben hat,wo auch von wissenschaftlicher Seite aus etwa vorgeschlagen wurde, man möge doch die Erwerbslosen in Bürgerarbeit integrieren und wo man einem Fehlschluss aufsitzt über die Kompetenzen und die Voraussetzungen,die da sein müssen,um sich zu engagieren.Offensichtlich ist es so,dass die Leute eine vernünftige Absicherung auf dem Arbeitsmarkt und auch eine vernünftige Absicherung in dem System kollektiver Daseinsvorsorge brauchen, um überhaupt die Möglichkeiten und Neigungen auszubilden, auch die Bereitschaft, sich zu engagieren. Man kann auch mit anderen Worten sagen, der Sozialstaat hält seinen Bürgern den Rücken frei,damit sie sich überhaupt engagieren können. Aber ich denke, dass man auch in der umgekehrten

Richtung, nämlich vom Sozialengagement zum Sozialstaat hin, einen engen Zusammenhang herstellen kann. Seit jeher ist es so, dass den Sozialstaat nur dasjenige auszumachen scheint,was sichtbar über der Wasseroberfläche liegt. Tatsächlich aber ruht er auf einem breiten Sockel familiärer, auch ehrenamtlicher Hilfs- und Sorgeleistungen, vorrangig von Frauen erbracht. Ein Großteil der Leistungen in der Pflege,in der Kindererziehung und der Behandlung einfacher Krankheiten wird in Familien, Nachbarschaft oder Freundeskreisen erbracht.Allein das ehrenamtliche Engagement erreicht nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ein jährliches Arbeitsvolumen von 2,8 Milliarden Stunden. Wenn man das mal umrechnen würde in bezahlte Arbeit,kämen dabei rund 50 Milliarden Mark jährlich heraus.Das heißt,zum einen kann man sagen, freiwillige, familiäre, auch ehrenamtliche Arbeit ist so etwas wie ein Leistungserbringer innerhalb des Sozialstaates, ohne den die sozialen Sicherungssysteme längst überfordert und in sich zusammengebrochen wären. Ein zweiter Punkt,den man sicherlich nachweisen kann, ist,dass das Sozialengagement sich historisch als Pionier für die Entdeckung und berufliche Bearbeitung sozialer Problemlagen herausgestellt hat. Angefangen bei den großen Laienbewegungen und wohltätigen Vereinen im 19. Jahrhundert, also praktisch in der Gründungs- und Entstehungsphase des Sozialstaates, bis hin zu den selbstorganisierten Initiativen, Vereinen und Projekten und den neuen sozialen Bewegungen in den 70er, 80er und 90er Jahren,sind durch das ehrenamtliche und freiwillige soziale Engagement neue und bis dahin vernachlässigte soziale Problemlagen auf die Tagesordnung gesetzt worden. Ein in den letzten 20 bis 25 Jahren enorm beschleunigter Trend auf Verberuflichung der sozialen Arbeit war eine Folge. So hat sich z.B. alleine in den Wohlfahrtsverbänden die Zahl der Beschäftigten von rund 380.000 1970 auf rund 1,1 Millionen zurzeit verdreifacht. Das wäre ohne derartige zivilgesellschaftliche Impulse undenkbar gewesen.Das reicht von den Frauenzentren bis hin zur Schuldnerberatung,Einrichtungen,die aus dem freiwilligen Engagement heraus gewachsen sind und wo dann auch Professionalisierungsschritte stattgefunden haben,die ohne dieses Entstehen aus der Zivilgesellschaft heraus nicht zustande gekommen wären. Ein dritter Punkt, was das Verhältnis von Bürgerengagement und Sozialstaat angeht, ist sicherlich, dass soziales Engagement ein Innovationsfaktor für die professionelle Hilfe ist.Aus den Kulturläden,selbstorganisierten Kindertagesstätten und Selbsthilfezusammenschlüssen sind in den letzten Jahrzehnten wichtige Anstöße für die professionellen Versorgungssysteme entstanden. Ich denke auch, dass das Berufsbild der professionellen Helfer sich bei allen Defiziten,die es noch geben mag,in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten erheblich verändert hat. Was sich in der Sozialarbeit verändert hat in dieser Zeit, hat ganz stark mit diesen externen Impulsen zu tun. Und ein vierter Punkt,der in der Diskussion systematisch ausgeblendet wird, liegt auch in einer Art mechanistischem Fehlverständnis des Sozialstaates.Das Sozialengagement sorgt für das moralische Unterfutter sozialstaatlicher Systeme. Im Unterschied zu Privatversicherungen

Das soziale Gemeinwesen der Zukunft

haben Sozialversicherungssysteme immer auch stark umverteilende Wirkungen zwischen Jungen und Alten, Erwerbstätigen und Erwerbslosen, Kranken und Gesunden, Familien und Singles, sowie auch besser und schlechter Verdienenden.Und diese umverteilenden Wirkungen der Sozialversicherungssysteme,die sich nun mal von Privatversicherungssystemen unterscheiden, diese Umverteilungswirkungen sind immer auch auf solidarische Haltungen angewiesen,die diese Systeme nicht aus sich selbst hervorbringen. Das ist auch ein Problem zurzeit in der Diskussion, dass etwa die ganze Kritik am Sozialstaat sehr stark mit einem Privatversicherungsverständnis verbunden ist,nach dem Motto,man bekommt nicht das raus,was man eingezahlt hat. Aber das ist ja gerade der Clou der ganzen Angelegenheit, dass es nämlich in solchen Systemen immer auch Leute geben muss,die nicht mehr rausbekommen, die vielleicht weniger rausbekommen,als sie reingezahlt haben, damit alle vernünftig abgesichert sind. D.h. also, hier braucht es so etwas wie moralische Voraussetzungen auch sozialstaatlicher Systeme, ich denke das gilt noch stärker als für die Sozialversicherungssysteme für steuerfinanzierte,an Bedürftigkeitskriterien organisierte Bereiche. Man denke nur etwa an die Sozialhilfe, die ja auch immer wieder Missbrauchskampagnen ausgesetzt ist. Dass in diesem Bereich diese Kampagnen gefahren werden,hat ja was damit zu tun,dass hier von der Mehrzahl der Bürger,die von diesen Systemen nicht profitieren,etwas verlangt wird, auch moralisch etwas verlangt wird, was natürlich angreifbarer ist als ein System, bei dem man auch etwas rausbekommt. Das heißt,der Sozialstaat baut seit jeher auf Solidaritätshaltungen auf,die sich nicht staatlich erzeugen lassen,er braucht Solidarnormen, die sich in sozialen Zusammenhängen entwickeln,in denen Solidarität auch erlebt und erlernt werden kann. Das ist ja nichts, was im Frontalunterricht laufen kann, sondern so etwas müssen die Leute auch erlebt und erfahren haben, um es zum eigenen Verhalten zu machen. Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels wird dieses wechselseitige Verhältnis von Sozialstaat und sozialem Engagement zugleich voraussetzungsvoller und zerbrechlicher. Durch die gewachsenen Selbstbestimmungsansprüche von Frauen, die sich nicht mehr umstandslos als unentgeltliche »Sozialarbeiterinnen« zur Verfügung stellen,sowie durch die Veränderung und den Bedeutungsverlust traditioneller Gemeinschaftsformen steht der Sozialstaat nicht nur vor dem Problem,helfende Hände zu verlieren. Auf dem Spiel stehen auch seine moralischen Grundlagen. Das bedeutet für den modernen Sozialstaat:da er sich immer weniger darauf verlassen kann,von überlieferten Gewohnheiten und Wertbeständen zehren zu können, wird für ihn der Schutz und die stete Reproduktion seiner lebensweltlichen und moralischen Grundlagen zu einer eigenständigen Aufgabe. Besonders wichtig für solch ein gewissermaßen sichselbst-Erzeugen des Sozialstaates ist der Aufbau und die Förderung einer »moralischen Infrastruktur«, in der die Sozialstaatsbürger aktiv werden und soziale Kompetenzen entwickeln können.Der Umbau und die Veränderung sozialstaatlicher Strukturen und Verfahren mit dem Ziel, soziale Selbsttätigkeit herauszufordern und zu ermöglichen,erhält damit einen völlig neuen Stellenwert.


Wenn man sich anguckt,wie eigentlich heute mit dieser neuen sozialstaatlichen Aufgabe umgegangen wird und was für theoretische und rechtliche Möglichkeiten es gibt, diesen Aufgaben gerecht zu werden, kann man sagen: grundsätzlich stehen Bund und Ländern drei Wege offen, um dort fördernd einzugreifen. Als Gesetzgeber haben sie die Möglichkeit, über das Sozialrecht bundesoder landesweit günstige Rahmenbedingungen für das freiwillige soziale Engagement zu schaffen.So misst der Bund etwa im Kinder- und Jugendhilfegesetz der öffentlichen Förderung selbstorganisierten Engagements von Jugendlichen und Kindern besondere Bedeutung bei,im Pflegeversicherungsgesetz werden ehrenamtliche Pflegeleistungen mit Geld, Stichwort Pflegegeld, Anwartschaften der Rentenversicherung und Fortbildungsangeboten für die Pflegepersonen unterstützt. Zweitens ist es so,dass zur Umsetzung und Ergänzung gesetzgeberischer Maßnahmen der Bund verschiedene Fördermaßnahmen und Programme aufgelegt hat. Besonders hervorzuheben ist hier natürlich zum einen die institutionelle Förderung der Wohlfahrts- und Jugendverbände,mit all den Problemen und Ungerechtigkeiten, die damit auch verbunden sind. Darüber hinaus werden seit einigen Jahren ausgewählte Bereiche und Formen des freiwilligen sozialen Engagements durch so genannte Modellprogramme gefördert, so wurden im ganzen Bundesgebiet Selbsthilfekontaktsstellen, Seniorenbüros und in den neuen Bundesländern der Aufbau freier Träger gefördert. Ein dritter Förderungsweg, der möglich ist, der häufig aber in der Diskussion bisher noch keine Rolle spielt,ist sicherlich, mittels empirischer Bestandserhebungen den Stand und die Entwicklung des sozialen Engagements im Bundesgebiet zu beschreiben und politisch zu bewerten. Das hat es in der letzten Legislaturperiode gegeben. Damals hat es eine große Anfrage der CDU/CSU gegeben zum Stand der ehrenamtlichen Arbeit in Deutschland,da hat damals dann das zuständige Bundesfamilienministerium drauf geantwortet. Die Anfrage und vor allem auch die Antwort auf die Anfrage hat dann für einige Diskussionen gesorgt.Darüber hinaus befassen sich auch andere Berichte der Bundesregierung,Jugend- und Sozialberichte,eingehender mit Aspekten und Fragen des ehrenamtlichen Engagements. Das heißt, in ihrer Rolle als Gesetzgeber und Förderinstanzen haben Bund und Länder eine erhebliche Bedeutung für die Bestands- und Entwicklungsbedingungen traditioneller und auch neuer Formen sozialer Selbsttätigkeit. Trotzdem ist die Wirksamkeit einer zentralstaatlich-hierarchischen von-oben-nach-unten-Förderung freiwilligen sozialen Engagements mit den klassischen Förderinstrumenten Geld und Recht eher begrenzt.Bund und Länder können positive sozialrechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen schaffen.Die konkrete Ausgestaltung dafür ist aber eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, was sicherlich auch sehr viel damit zu tun hat, dass es eben nicht nur um Geld und Recht geht,sondern um konkrete Bereitschaft und darum, konkrete Gelegenheiten bereitzustellen. Wo eine gewisse lebensweltliche Nähe erforderlich ist und einfach auch die Fähigkeit und das Wissen, das in Verhältnissen vor Ort erforderlich ist, was in zentralen Bund- und Länderadministrationen nicht

vorausgesetzt werden kann.Bisher ist es aber so, dass – dies werden viele der hier Beteiligten tagtäglich erleben – nur wenige Kommunen der Förderung des sozialen Engagements politische Priorität beimessen,in der Regel beschränkt sich die kommunalpolitische Unterstützung des Engagements auf die institutionelle Förderung der etablierten Sportverbände und der Kultur- und Jugendarbeit, der etablierten Wohlfahrts- und Jugendpflege. Darüber hinaus versuchen einige wenige Kommunen,die lokale Infrastruktur des sozialen Engagements durch Kontaktstellen wie Seniorenbüros und Selbsthilfezentren,eine stärkere Beteiligung in kommunalen Planungsund Entscheidungsprozessen und bürgerorientierte Verwaltungsstrukturen zu fördern. Alles in allem ist aber zu konstatieren,dass angesichts der wachsenden sachlichen und legitimatorischen Bedeutung des sozialen Engagements für den Sozialstaat der bisherige Umgang mit dem Bürgerengagement eher nachlässig ist.Allzu oft beschränken sich die Verantwortlichen auf eine Politik der warmen Worte, die das Engagement der Bürger nicht hoch genug loben kann, ohne daraus hinreichend praktische Konsequenzen zu ziehen.Als eigenständige politische Aufgabe kommt die Förderung der Bürgergesellschaft in den großen Reformdebatten,wie etwa über die Zukunft der Alterssicherung, die Veränderungen in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik oder auch die Reform in der öffentlichen Verwaltung, allenfalls am Rande vor. Die Eigenverantwortung der Bürger wird auf steigende finanzielle Eigenbeteiligung reduziert,als Aktivbürger werden Menschen im Sozialstaat kaum wahrgenommen. Ich denke, wenn man künftig die Selbsttätigkeit von Bürgern stärker und umfassender in Rechnung stellen möchte, ihr auch den Stellenwert geben will, wie es erforderlich ist, dann wird man sehr stark auf den Abbau sanktioneller und rechtlicher Barrieren setzen müssen. Man wird vor allem auf die Schaffung von Gelegenheitsstrukturen setzen müssen, die soziales Engagement ermöglichen.Ich glaube, dass dabei auch die zentralstaatlichen Bewegungsspielräume eher begrenzt sind. Ich möchte dabei auf zwei Bereiche eingehen.Im eher sozial- und arbeitspolitischen und arbeitsrechtlichen Bereich, wo etwas machbar wäre, betrifft das zum einen die arbeitszeitrechtlichen Rahmenbedingungen für die Verknüpfung von Erwerbsarbeit mit sozialem Engagement. Verglichen mit anderen europäischen Ländern sind die Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik immer noch eher schlecht, außerhalb des Erziehungs- und des Bildungsurlaubs bestehen kaum überbetriebliche,rechtlich und sozial abgesicherte Übergänge zwischen sozialem Engagement einerseits und Erwerbsarbeit andererseits. Zu den wenigen Ausnahmen, die es gibt, zählen die Freistellungsregelungen, die es in verschiedenen Bundesländern für die Arbeit in der Jugendhilfe gibt. Es hat auch in den letzten Jahren etwa aus der katholischen Jugend heraus Versuche gegeben,über Kampagnen diese Freistellungsregelungen auch auf andere Bereiche auszudehnen.Ich habe allerdings den Eindruck,dass aufgrund der Diskussion um die Lohnnebenkosten zurzeit die Aussichten der Förderung relativ gering sind. Aussichtsreiche Ansätze für die Schaffung von mehr Sozialzeit könnte ich mir bei der Diskussion über die Flexibilisierung von Arbeitszeiten vorstellen.Das Problem ist,dass

wir in den letzten Jahren eigentlich eine Flexibilisierungsdiskussion gehabt haben,die immer zwischen zwei Polen lief. Auf der einen Seite die Verfechter alter Zeitstrukturen und auf der anderen Seite diejenigen, die Flexibilität nur immer als Arbeitnehmerflexibilität buchstabiert haben,d.h.als Anforderung an die Beschäftigten, sie mögen sich an die Betriebszeiten, an die zeitlichen Vorgaben der Unternehmen anpassen. Ich denke allerdings,dass man an ausländischen Beispielen zeigen kann, dass es eine Alternative zu dieser Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Polen gibt, und dass auch innerhalb des Erwerbslebens Zeitstrukturen denkbar sind, bei denen die Öffnung der tariflichen, der gesetzlichen Arbeitszeitregelung so vonstatten geht, dass für die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität entsteht und damit auch ein erweiterter Spielraum für freiwilliges soziales Engagement. Und das ist eben sehr wichtig,besonders wenn man daran denkt,dass es ganz offensichtlich einen engen Zusammenhang zwischen Integration in Arbeitsmarkt und Sozialstaat und der Bereitschaft und der Möglichkeit,sich sozial zu engagieren gibt.So gibt es seit einigen Jahren in Dänemark und Schweden Job-Rotationsmodelle, in denen der Lebensunterhalt der freigestellten Arbeitnehmer auch über längere Phasen durch Lohnersatzleistungen der Arbeitslosenversicherung finanziert wird.In Dänemark gibt es z.B. seit 1994 ein Urlaubsgesetz, das allen abhängig Beschäftigten garantiert, für ein halbes oder auch ein ganzes Jahr zur Fortbildung, zur Kinderbetreuung oder einfach auch ohne besondere Begründung (Stichwort Sabattical) aus dem Berufsleben auszuscheiden; für die Zeit ihres Ausscheidens haben die Urlauber Anspruch auf Arbeitslosengeld. Da sie während dieser Urlaubszeit durch Erwerbslose vertreten werden, die eben in dieser Zeit auf kein Arbeitslosengeld angewiesen sind,fallen für die öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungskassen keine nennenswerten Zusatzkosten an. In Deutschland gibt es seit der letzten Reform des Arbeitsförderungsrechts vor zwei Jahren die Möglichkeit für Personen, die zeitweise ihre Vollzeit- zugunsten einer Teilzeitbeschäftigung zurückstellen, den Anspruch auf ein volles Arbeitslosengeld zu behalten.Das ist es aber auch. Alles in allem steckt die soziale Absicherung im Falle von Freistellungsregelungen und Arbeitszeitvariabilität in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Die Umwandlung von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld, Unterstützung während frei gewählter Freistellungsphasen oder auch vergleichsweise Urlaubs- und Stellvertretermodelle, wie es sie in Schweden gibt, spielen in Deutschland noch keine besondere Rolle. Besonders ernüchternd in diesem Zusammenhang war etwas,das ich in der letzten Legislaturperiode erlebt habe,als ich in der Grünen Bundestagsfraktion gearbeitet habe.Dort war ein Thema,mit dem wir immer wieder konfrontiert waren, die Verfügbarkeitsregelungen des Arbeitsförderungsrechts,die besagen, dass Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe,die einer zeitintensiven ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen,als für die Arbeitsvermittlung nicht mehr verfügbar gelten und deshalb ihren Leistungsanspruch verlieren können.Hier spitzt sich dieses Problem und dieses deutsche Defizit besonders zu.Ähnlich unzureichend wie die arbeitszeitrechtliche Flankierung ist die rentenrechtliche Flankierung flexibler Arbeitszeiten und

Das soziale Gemeinwesen der Zukunft


Arbeitsverhältnisse. Das deutsche Rentenrecht folgt immer noch dem Bild des vollbeschäftigten männlichen Famili-enernährers, der acht Stunden am Tag und fünf Tage in der Woche möglichst 40-50 Jahre am Stück erwerbstätig ist.Eine Rentenreform,die die Veränderungen der Arbeitswelt wahrnimmt und das System der gesetzlichen Alterssicherung entsprechend neu ausrichtet, könnte Übergänge zwischen Erwerbstätigkeit und sozialem Engagement besser als bisher absichern. Zu einer solchen Reform würde z.B.eine bessere rentenrechtliche Bewertung von Teilzeitarbeit gehören, außerdem wäre sicherzustellen, dass durch Zeiten, in denen z.B. wegen Arbeitslosigkeit, familiärer Verpflichtungen oder auch eines umfangreichen sozialen Engagements keine oder nur geringe Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden, das spätere Rentenniveau weniger stark als heute belastet wird. Aber auch das spielt in der derzeitigen Diskussion um die Zukunft des Alterssicherungssystems keine besondere Rolle.Es gibt von Seiten der Grünen ein entsprechendes Konzept dazu, aber tatsächlich ist die Diskussion sehr stark auf die Frage von zusätzlichen Belastungen durch den demografischen Wandel reduziert.Eine darüber hinausgehende Diskussion,auch über notwendige Strukturveränderungen innerhalb des Systems,findet zurzeit kaum statt. Ich glaube aber, dass durch diese beiden Bereiche, also durch Veränderungen im Arbeitszeit- und Sozialversicherungsrecht, tatsächlich von Bundesseite aus die Bedingungen,die Gelegenheitsstrukturen für freiwilliges Engagement verbessert werden könnten.Das führt nicht dazu, dass Leute es dann automatisch machen, aber es

würde dazu führen,dass diejenigen,die sich auch zeitintensiver engagieren,nicht mehr das Gefühl haben müssten, sie müssten dafür noch bezahlen. Ich denke aber, dass das entgegen aller kulturpessimistischen Behauptungen steigende Interesse an sozialem Engagement sich erst entfalten kann, wenn es tatsächlich auch konkrete Angebote und Gelegenheiten gibt und eine ent-

sprechende öffentliche Infrastruktur, und dass hier vor allem die Kommunen gefordert sind. Die traditionellen Strukturen des sozialen Engagements wie die Vereine, Verbände und Kirchengemeinden,in denen man sich zusammenschloss und gemeinsam aktiv wurde, werden insbesondere von vielen jüngeren Menschen nicht mehr als geeignete Ansprechpartner wahrgenommen. Die Erwartungen an soziales Engagement haben sich erheblich verändert. Es geht nicht mehr um die traditionelle Opfermentalität, die damit vielleicht auch verbunden war,die sehr stark in christlichen Diskursen wurzelt,sondern es geht schon seit einiger Zeit viel stärker um Fragen von Selbsterfahrung, von Selbstentfaltung, darum, neue Dinge lernen und erledigen zu können.Und das ist etwas, was bei einigen der traditionellen Großorganisationen, die sehr stark auf dem ehrenamtlichen Engagement aufbauen, so vielleicht nicht hinreichend angeboten wird, und von denen,die sich engagieren,auch nicht erwartet wird. Das heißt, man braucht eigentlich so etwas wie neue und zusätzliche Zugänge zum Engagement, man braucht Stellen,an die die Leute sich wenden können,damit sie sich überhaupt, ohne schon in eine ganz bestimmte Szene integriert zu sein,engagieren können. Ich habe das selbst in den letzten Jahren mehrfach miterlebt. Ich bin relativ oft umgezogen und ich war es eigentlich immer gewohnt,mich irgendwo zu engagieren. Früher in der Friedensbewegung, da habe ich was in der Bewegung gegen die Wohnungsnot gemacht,und dann bei der Beratung von Sozialhilfeempfängern.Ich kannte ja alle möglichen Leute,wo ich gewohnt habe,und es ergab sich dann halt. Nachdem ich aber in den letzten Jahren ein paar mal umgezogen bin, stand ich regelmäßig vor dem Problem,wo gibt es denn hier überhaupt die Möglichkeit, etwas zu tun. Dann mache ich auch noch hauptberuflich Sozialpolitik, man sollte also erwarten,dass sich die Gelegenheiten zum Engagement für mich hinreichend stapeln.Trotzdem ist es dann vor Ort oft schwierig,einen Anknüpfungspunkt zu finden. Einen Ort zu finden,wo man anfangen kann,ist ein ganz großes Problem,mit dem man immer wieder zu tun hat. Die Orte sind für die Leute, trotz der Vielzahl an Engagement-Möglichkeiten, die es durchaus geben mag, nicht hinreichend transparent.Das ist sicherlich etwas,worauf man in einer kommunalen Infrastrukturpolitik für Bürgerengagement sehr stark zu achten hat.Ich bin von daher in den letzten Jahren immer sehr angetan gewesen von der Entstehung von Freiwilligen-Agenturen und Vermittlungsbüros,Freiwilligen-Zentralen,wie sie in anderen Ländern,Niederlanden,Großbritannien,USA,auch schon sehr viel verbreiteter sind als hier.Ich habe mir vor zwei Jahren einige dieser Vermittlungszentralen in Holland angeguckt.Ich fand es ganz fantastisch, wie die Freiwilligen-Organisationen dort praktisch in die Verwaltung vor Ort integriert waren.Nicht in dem Sinne,dass sie im selben Gebäude sind,das würde zu Schwellenängsten führen, aber in dem Sinne, dass sie da mit bedacht und mit unterstützt werden und so was wie Freiwilligenzentralen vor Ort sind, wo Leute sich relativ unkompliziert und auch zeitlich befristet – vielleicht,weil sie keine Lust haben,sich für ihr Leben lang da zu binden – engagieren können. Sei es in einem Sportverein, sei es in einem Altenheim, oder sei es auch bei der Arbeit mit Jugendlichen.Und wo ihnen entsprechende Angebote gemacht

Das soziale Gemeinwesen der Zukunft

werden und wo sie während der Zeit, in der sie sich engagieren, auch immer wieder Beratung finden können und gegebenenfalls auch mal anwaltschaftliche Vertretung finden, also »parteiliche« Vertretung.Weil es ja natürlich mit den Professionellen in den Verbänden,in den Zusammenschlüssen,mit denen man da arbeitet,immer wieder zu Problemen kommen kann. Solche Infrastruktureinrichtungen, Vermittlungseinrichtungen, sind in Deutschland bisher eher selten, aber seit einigen Jahren nehmen die Diskussionen darum zu. Dazu kommt, dass seit einigen Jahren bestehende neue Formen, neue Zusammenschlüsse sozialen Engagements, von den Frauenhäusern über die Tafeln für Wohnungslose bis zu den Kinderläden usw.,dass diese neuen Infrastrukturen sozialen Engagements trotz der erheblichen Bedeutung,die sie vor allem in Großstädten inzwischen haben, als regulärer Kostenfaktor in den öffentlichen Haushalten kaum berücksichtigt werden. Ich habe mal eine Zeit lang in einer ostdeutschen Großstadt als sachkundiger Bürger in einem Sozialausschuss gesessen und da war das dann immer klar,dass die Einrichtungen etwa der großen Verbände regelmäßig in der Förderung drin waren.Für das selbstverwaltete Jugendzentrum gab es z.B.nur dann Geld,wenn am Jahresende vielleicht noch etwas übrig war. Das Geld war nicht erwartbar, man konnte nicht damit kalkulieren und seine Arbeit halbwegs vernünftig aufbauen,anders als bei den etablierten Einrichtungen. So eine Kultur sozialen Engagements entsteht aber nur dann, wenn den sozial Engagierten mehr als nur allgemeine Wertschätzung durch diverse Ehrennadeln entge-

gengebracht wird. Sondern sie müssen in diesen selbst gewählten Tätigkeitsfeldern auch mitgestalten können und Gestaltungsspielräume erhalten, für viele neue sozial Engagierte ist die Chance zur Partizipation fast das wichtigste Motiv. Und dieses basisdemokratische Anliegen stößt in Deutschland mal wieder an enge Grenzen, das deutsche Ehrenamt gründet in starkem Maße auf den


konventionellen christlichen Traditionen.Im Sinne tätiger Nächstenliebe ging es vor allem darum,Gutes für andere zu tun, ihnen zu helfen und dabei gleich seinen eigenen Status als guter Christenmensch im nachirdischen Leben zu festigen. In Deutschland wurde das soziale Engagement bisher nachhaltig durch derartige Traditionen geprägt,während republikanische Tugenden,das heißt demokratische Mitentscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, dem deutschen Ehrenamt im Sozialsektor nach wie vor eher wesensfremd sind.Somit überrascht es nicht,wenn sozial engagierte Bürger mit basisdemokratischen Vorstellungen und Erfahrungen in etablierten Institutionen des Ehrenamtes auf kein Verständnis stoßen. Aber auch kommunale Verwaltungen und Politiker reagieren, wenn sie um ihre Entscheidungsmacht fürchten, nicht selten mit Ablehnung gegenüber derartigen Partizipationsforderungen.In Deutschland kommt es also nicht nur darauf an, hinreichend Angebote für das Bürgerengagement zu schaffen, sondern vor allem auch das soziale Engagement politisch aufzuwerten. Zur besseren Unterstützung des sozialen Engagements werden Staat und Kommune dabei in einigen Bereichen auch die Tugenden des Unterlassens lernen müssen – durch die Selbstbeschränkung auf öffentliche Kernaufgaben, da, wo das vertretbar ist. Und durch den Verzicht auf Versuche,bürgerschaftliche Selbsttätigkeit direkt zu stören,zu administrieren, soll das soziale Engagement die Spielräume erhalten,die es zu seiner Entfaltung braucht. Konkret stelle ich mir darunter vor allem drei Anforderungen vor.Zum einen müssen die Bürger stärker als bisher in Entscheidungsprozesse vor Ort einbezogen wer-

den, denn engagierte Bürger sollen bei der Schul- und Stadtentwicklung oder Verkehrs- und Sozialplanung nicht nur mittun, sondern auch mitreden und mitentscheiden können. Die durch die 89er Revolution in der DDR auch in den alten Bundesländern angestoßenen Veränderungen in den Kommunalverfassungen (Stichwort Direktwahl von Bürgermeistern,Landräten,Bürger-

begehren,Bürgerentscheide) sind ein erster Schritt hin zu mehr direkt-demokratischen Verfahren in Kommunen, wo weitere folgen müssen.Das betrifft insbesondere die Planungsverfahren. Zweitens: Die Bürger sollen stärker als bisher die Gelegenheit erhalten,öffentliche Aufgaben zu übernehmen, dafür gibt es eine ganze Palette von Ideen und vereinzelt auch schon in die Realität umgesetzte Beispiele, angefangen bei den selbst organisierten sozio-kulturellen Zentren über die Schulgemeinde bis hin zur Übertragung z.B. von Sportstätten und Schwimmbädern an Vereine, hier sind dann verschiedene Varianten denkbar. Und drittens:Dort,wo Bürger selbst organisierte Zusammenschlüsse bilden und öffentliche Angebote schaffen, sind Kommunalpolitik und Verwaltung auch in der Pflicht,die dafür notwendigen Ressourcen,Infrastruktur, fachliche Beratung,Organisationshilfen – gerade auch in den Bereichen, in denen man nicht davon ausgehen kann,dass die Leute auch das soziale Kapital mitbringen, was sie zur Selbstorganisation per se befähigt – entsprechend bereitzustellen. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch diese Ansätze,darüber hat es auch eine heftige Diskussion in der Selbsthilfebewegung schon in den 80er Jahren gegeben,auch die Ressourcenverantwortung dorthin zu übergeben, wo es entsprechende Zusammenhänge gibt.In Berlin gab es damals eine Diskussion, die dann auch in vielen anderen Städten stattgefunden hat, über den so genannten Selbsthilfetopf, wo die Ressourcen, die für die Selbsthilfeförderung da waren, in die Verantwortung und Mitverantwortung der Projekte und Gruppen gegangen sind, die dann darüber entscheiden sollten.Das ist natürlich ein durchsichtiger Versuch der Politik, ihren eigenen Legitimationsnöten zu entfliehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch – das macht den Doppelcharakter der Geschichte aus – ein Beitrag zur Aufwertung bürgergesellschaftlicher Strukturen. Ich bekam das zuletzt in Potsdam mit, wo die Mittel,die dort für die Kulturarbeit in der Stadt zur Verfügung gestellt werden, jetzt in die Verantwortung der Träger übergegangen sind, wo das sozio-kulturelle Zentrum, die diversen Initiativen und Projekte, gemeinsam darüber entscheiden. Das heißt, Übertragung von öffentlichen Aufgaben, mehr Eigenverantwortung dort, wo sie möglich ist. Das bedeutet aber auch, dass Leistungsstandards und Angebote vor Ort nicht davon abhängig werden dürfen,ob sich genügend Bürger finden, die hinreichend eigene Ressourcen, Kreativität und soziales Kapital mitbringen.Das ist z.B.ein Problem,das ich in den USA mehrfach gesehen habe, dort ist es so, dass man sehr viel stärker auf die Gemeinschaft vor Ort hin organisiert ist, dass die zentralstaatlichen Interventionsmöglichkeiten und Direktionsabsichten viel geringer sind. Das führt aber auch dazu, dass Schulen etwa in guten Teilen der Städte weitaus besser sind als in den benachteiligten Quartieren, d.h. die Qualität öffentlicher Einrichtungen, soweit vorhanden, wird unmittelbar abhängig davon,wie viel Geld und auch soziales Kapital die Leute vor Ort mitbringen. Das ist natürlich ein riesiges Problem. Es wird immer so sein, wenn man den Leuten die Möglichkeit gibt,sich vor Ort zu engagieren,z.B.in ihrer Schulgemeinde, dass dann natürlich das, was da zusätzlich geschieht, davon abhängig ist, dass entsprechende Leute da sind.Aber es muss sichergestellt sein – darauf muss man beharren – dass bestimmte Mindest-

standards,bestimmte Richtlinien,bestimmte Ressourcen gleichmäßig da sind und überall gelten. Das, was dann noch dazukommt, mag die Sahne obendrauf sein, aber der Kuchen hat für alle zu reichen. Das heißt, Staat und Kommunen als Gesetzgeber und Kostenträger stehen in der Verantwortung dafür,dass gesetzlich festgeschriebene Aufgaben erbracht werden, entsprechende Mengen- und Qualitätsstandards eingehalten und notwendige öffentliche Gelder zur Verfügung stehen. Bei der stärkeren Einbeziehung bürgerschaftlicher Selbsttätigkeit in die vor allem lokale Daseinssicherung geht es also nicht darum, einem Sozialabbau das Wort zu reden, sondern Partizipationschancen auszubauen und politisch deutlich zu machen, dass Bürger viele ihrer Angelegenheiten weitgehend selbst regeln können, wenn sie die hierfür notwendigen Freiräume und Ressourcen erhalten. Staat und Kommunen haben unter diesen Bedingungen ein neues Selbstverständnis – weg von der Vorstellung einer staatlichen kommunalen Allzuständigkeit hin zu einem Selbstverständnis als gewährleistende, moderierende und ermöglichende Instanzen. Bundes- und Landesgesetzgeber tragen die Verantwortung dafür,dass die Mindeststandards öffentlicher Versorgung gewährleistet sind,durch Veränderungen im Arbeitszeit- und Sozialversicherungsrecht sichern sie Übergänge zwischen Erwerbsrecht und sozialem Engagement kollektiv ab. Durch Modellprojekte und regelmäßige Berichterstattungen tragen sie zur Förderung einer innovativen politischen Kultur sozialen Engage-ments bei.Die Kommunen ermöglichen wieder-

um durch die Förderung von Vermittlungsagenturen und anderen Infrastruktureinrichtungen einen lokalen Markt der Engagement-Möglichkeiten, auf dem engagementbereite Bürger und freie Träger des sozialen Engagements miteinander in Kontakt treten können.Durch die Öffnung der lokalen Versorgungsstrukturen,die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und neue Formen der Bürger-

Das soziale Gemeinwesen der Zukunft


beteiligung unterstützen sie das soziale Engagement.Als Moderatoren regen sie soziale Innovationen an und stiften Kooperationen zwischen den Bürgern. Die jetzt skizzierte, für viele vielleicht idealtypische bessere Verknüpfung von eigenständiger Existenzsicherung, gemeinschaftlicher sozialer Sicherung und sozialem Engagement wäre sicherlich gleichbedeutend mit einem politischen Paradigmenwechsel. Keine bloße Projekteförderung,sondern Aufwertung einer zivilgesellschaftlichen Perspektive auch innerhalb des Sozialstaates, ich denke,wir haben in Deutschland noch viel nachzuholen. Aus der Diskussion: O> In Ihrem Referat haben Sie an einigen Stellen traditionelle Möglichkeiten des Engagements vor Ort erwähnt,Kirchengemeinden und Kirchen haben Sie insbesondere genannt.Sehen Sie eigentlich eine Möglichkeit, dass diese traditionellen Bereiche noch mal in Schwung kommen,um da auch in dem Sinne eine Rolle zu spielen, wie Sie sie beschrieben haben? Brandhorst: Ich glaube, dass diese traditionellen Formen nie mehr die dominierende Rolle spielen werden, wie sie sie mal gespielt haben.Ich denke,das ist auch gut so.Also, diese Gesellschaft ist wesentlich verschiedenartiger geworden, die Erwartungen, die die Leute an ihr Engagement stellen,sind auch sehr verschiedenartig geworden und von daher muss das Angebot hierfür, um es mal so zu nennen, auch plural sein. Das zum einen. Zum zweiten muss man sich darüber klar sein,dass,wenn sich die Erwartungen an das Engagement verändert haben, es sowohl neue als auch traditionelle Erwartungen gibt, d.h.die Menschen,die sich im traditionellen Sinne engagieren wollen, die vielleicht auch sehr stark immer noch im traditionellen Sinne weltanschaulich geprägt sind,die gibt es natürlich auch weiterhin. Bei der ganzen Diskussion,die wir in den letzten Jahren um das traditionelle und das neue Ehrenamt hatten,ist mir sehr oft unterbelichtet geblieben, dass es um die Diversifizierung geht und dass es nicht darum geht, dass das eine durch das andere ersetzt wird. Es muss auch weiterhin verschiedene Formen geben. Und ein dritter Punkt, der mir immer wieder auffällt,ist:Ich habe in den letzten Jahren einiges mit Wohlfahrtsverbänden zu tun gehabt und gerade auch mit konfessionellen Wohlfahrtsverbänden, sprich Caritas und Diakonie.Und es gibt dort eine recht intensive Diskussion,gerade auch in den Landesverbänden, wie man damit umgehen soll,dass einem die Ehrenamtlichen wegbleiben, oder dass die große Zahl der Ehrenamtlichen,die man eigentlich braucht,um seine Dienste auf dem bisherigen Niveau zu halten, zunehmend gefährdet ist.Und da habe ich viele interessante Ansätze erlebt, wie versucht wird, vor Ort in diesen traditionellen Institutionen neue Formen des Umgangs mit Engagierten zu finden – das reicht bis dahin,dass man alles etwas professioneller angeht als bisher.Das ist ja in Deutschland immer so eine Geschichte gewesen, entweder die Leute organisieren sich selbst, gründen einen Zusammenschluss und haben dann Schwierigkeiten,sich gegen die Administration durchzusetzen; oder sie gehen in so ein großes Wohlfahrtsunternehmen oder in die Kirche und laufen da so mit.Man kann sich aber natürlich auch vor-

stellen, dass Engagierte so viel Wertschätzung erfahren, dass in diesen großen Unternehmen auch Leute sind,die sich speziell um sie kümmern.Das ist auch wieder in den USA ganz interessant, wo es in solchen Organisationen durchaus üblich ist,dass man eine Art Personalabteilung hat, die sich um nichts anderes kümmert als um die Gewinnung, Unterstützung und Beratung von Ehrenamtlichen und freiwillig Engagierten. Das ist auch ein Weg, den ich in Verbänden an der einen oder anderen Stelle sehe – wie gesagt,noch nicht flächendeckend,aber dafür gibt es Ansätze.Also insofern wäre ich noch nicht so weit,die abzuschreiben. O> Ich spreche aus der Erfahrung eines Landesnetzwerkes in Baden-Württemberg, wo wir uns darum bemühen, eben kein isoliertes Programm zu machen, sondern vernetzte Programme. Sie sagen: Partizipation, Teilhabe.Auch dort,da haben Sie völlig Recht,sind Caritas und Freiwilligenzentren auf dem Weg.Allerdings sind sie gerade wieder dabei, ihre Bemühungen einzustellen, weil das Programm zu Ende geht. Andere sind auf dem Weg, holländische Erfahrungen haben Sie erwähnt. Bei der Teilhabe haben wir in Deutschland eine reiche Tradition von Bürgerbeteiligung, Stadtplanung etc. Ich erlebe Stadtplaner zurzeit eher als suchend, weil die Stadtplanung-Bürgerbeteiligung auch an Grenzen kommt. Wir hatten vorher die Quartiersmanager-Diskussion,weil die schlechte Wahlbeteiligung z.B.auch darauf hinweist, dass Bürger nicht nur in Heerscharen daherkommen,sondern sie wollen im Kleinen,im Lokalen, Mitwirkung, während im Großen eher durchaus Misstrauen da ist.Zusammengefasst drei Wege:Infrastruktur, Alimentierung und Teilhabe.Eigentlich müssten Sie doch sagen, Politik muss die Kunst fertig bringen, eine Kultur des Engagements zu schaffen. Dort sehe ich allerdings keinerlei Ansätze,wo die Bundesregierung für eine solche Kultur Zeichen setzt. Ich hätte gerne ein paar Hinweise, wo Sie Ansätze einer Politik sehen für eine Art Kultur der Förderung. Brandhorst: Ich gehe mal diese drei Punkte durch: Stichwort Alimentierung: Ja, damit hängt es natürlich auch zusammen. Aber ich glaube, wenn es tatsächlich darauf hinausläuft,dass man sagt,da legen wir jetzt halt noch mal Geld drauf – Stichwort rentenrechtliche Absicherung ehrenamtlicher Tätigkeit – dann ist das tatsächlich nett gemeint,aber kaum in absehbarer Zeit realisierbar. Wir haben ein Sozialversicherungssystem, und gerade im Rentensystem macht sich das besonders bemerkbar,das sehr stark an einem Leistungsbegriff hängt, an einem vor allem auf die Erwerbsarbeit bezogenen Leistungsbegriff.Das bedeutet für diejenigen,die relativ lange kontinuierlich einer bezahlten Tätigkeit nachgingen,dass sie davon ausgehen konnten,ein ausreichendes Alterseinkommen zu bekommen. Ich glaube, dass aber praktisch alle diejenigen, die mit Unterbrechungen zu tun hatten, die familiären Tätigkeiten nachgegangen sind, die lange Zeit nicht in dieses System integriert waren, immer das Problem hatten, eine entsprechende Absicherung auf einem vernünftigen Niveau zu erlangen und vernünftig behandelt zu werden – die Sozialhilfe zähle ich nicht dazu. Sie mussten eigentlich das Gefühl haben:verdammt,meine Leistung,die auch eine ist,wird da nicht anerkannt.Das ist für mich das Dilemma,in dem

Das soziale Gemeinwesen der Zukunft

man steckt. Auf der einen Seite bin ich mir darüber im Klaren,dass wir nicht einfach das Leistungsvolumen,das Gesamtvolumen, ausweiten können, jedenfalls nicht nennenswert, wie ich befürchte. Auf der anderen Seite möchte ich, dass die unterschiedliche Leistung auch anerkannt wird, das wird nicht anders gehen, als dass man in einem derartigen System sehr viel stärker auf Grundsicherungselemente setzen muss als bisher und damit im Gegenzug weniger stark auf Lebensstandard sichernde Elemente. Stichwort: Staatsbürgerabsicherung, wie wir sie aus den skandinavischen Ländern und auch aus Holland kennen,würde meines Erachtens in einer derartigen Perspektive eine wesentlich größere Rolle spielen. Zum Stichwort Infrastruktur.Ja,ich glaube auch,dass das, was in Infrastrukturen erforderlich und möglich ist, natürlich sehr stark mit den Gegebenheiten vor Ort zusammenhängt.Das war auch der Grund,wieso ich an dem Punkt immer wieder die Kommunen ins Spiel gebracht habe. Das ist tatsächlich nur bedingt zentralstaatlich zu machen.Bei aller Kritik am Detail sind die Programme,die unter der letzten Regierung gelaufen sind, wie etwa zur Förderung der Selbsthilfe-Kontaktstellen und Seniorenbüros,positiv zu sehen. Dritter Punkt: Teilhabe, Partizipation. Das ist mir jetzt nicht so ganz klar,weil Sie ja auch gesagt haben,dass die Leute durchaus bereit sind, sich zu engagieren, wenn sie sehen, dass was dabei herauskommt, wenn es zeitlich und sachlich überschaubar ist,wenn es um sie herum geschieht,wenn sie es konkret auf etwas beziehen,so stelle ich mir das auch vor.Auch das habe ich in den Jahren in Ostdeutschland sehr schön erfahren, was dieser Begriff »verordnete Demokratie« heißt – das war früher für mich immer so ein Gemeinschaftskunde-Begriff.In den fünfziger und frühen sechziger Jahren in der alten Bundesrepublik konnte ein großer Teil der Bevölkerung mit Demokratie nichts anfangen,das war dann eben verordnet,also ein Institutionensystem.Es wurde eigentlich erst in dem Moment lebendiger,in dem so etwas wie Bürgergesellschaft anfing sich zu regen, wenn auch erst mal über Minderheiten. Das ist etwas, womit ich in diesen Jahren immer wieder konfrontiert war, dass im Grunde ein großer Teil der Menschen, mit denen ich dort zu tun hatte, zwar aus einer Geschichte kam, wo man diesem Institutionensystem gleichgültig gegenüberstand. Man fand gut,dass es da war,aber man hatte dann keine weitere Bindung dazu. Und ich glaube auch nicht, dass sich solche Bindungen darüber herstellen lassen, dass man die Leute vielleicht,zusätzlich zur Bundestagswahl,noch an irgendeiner Volksbefragung teilnehmen lässt zu diesem oder jenem Thema.Das halte ich im Grundsatz zwar für richtig,solche Elemente stärker einzuführen,aber ich glaube nicht, dass sie per se schon zu einer Demokratisierung führen.Daher halte ich konkrete Teilhabechancen für wichtig. Was kann Politik zu einem Klima von Bürgerengagement beitragen? Ehrlich gesagt, da bin ich etwas vorsichtig. Vielleicht ist das ja auch ganz gut so,dass sich bei solchen Formen von Alltags- und Lebenskultur die politischen Möglichkeiten der Intervention in Grenzen halten. Was man aber tun kann, ist, vernünftige Rahmenbedingungen zu setzen. Dass man vor Ort guckt, was steht überhaupt an,was sollte wie unterstützt werden.Das aber zu verordnen,gegenüber so einer Politik bin ich immer sehr skeptisch.


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Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Lokale Ökonomie und Gemeinwesenarbeit mit Hans-Georg Rennert, Berlin und Achim Richter, Leipzig Hans-Georg Rennert: Welches sind wesentliche Punkte, die Gemeinwesenarbeit ausmachen und die nach Ihrer Meinung im Zusammenhang mit lokaler Beschäftigung stehen? O< Beteiligung. O> Orientiert an Ressourcen. O> Schafft Arbeitsplätze für Menschen im Stadtteil. Rennert: Gemeinwesenarbeit?

ökonomische und soziale Probleme.Und in diesen so genannten Krisenregionen herrscht trotz hoher Arbeitslosigkeit kein Arbeitsmangel, gibt es viel zu tun. Es ist nur die Frage, wie kann man Beschäftigungsmöglichkeiten und auch bezahlte Arbeitsplätze schaffen? Dieses Nebeneinander erst mal zu skandalisieren, ist ein wichtiger Punkt. Dann meinen wir, dass solche Regionen eigenständige Entwicklungskonzepte benötigen, die sich an den lokal vorhandenen Bedarfen und Möglichkeiten orientieren. Das ist eine Frage der Lebensfähigkeit oder

bekommen haben. Wir haben seit 1993 dann in einem Gebiet mit Nachbarschaftsarbeit begonnen,um auch BewohnerInnen direkt in die Arbeit des Vereins einzubeziehen.Vorher war es ein informelles Netzwerk,das sich auf den Wedding bezogen hat, der 165.000 Einwohner hat. Für diese Arbeit gibt es,z.B.für den Nachbarschaftsladen, bislang keine Förderung,nur eine Anschubfinanzierung. Wir haben über ABM und viel ehrenamtliche Arbeit versucht,etwas auf die Beine zu stellen.Wir haben dann mit Vereinen Kooperationsverbünde geschlossen und ar-

Überlebensfähigkeit des Gemeinwesens:Was gibt es am Ort für Möglichkeiten, wo kann man ansetzen? Dahinter steht die These,dass die Fähigkeiten und Kenntnisse der Bevölkerung eigentlich das bedeutendste Potenzial sind, das oftmals nicht gefragt ist. Für die Entwicklung eigenständiger Konzepte werden neue Formen der Zusammenarbeit, mobilisierende Vorgehensweisen, Planungsverfahren, auch neue Finanzierungs- und Unternehmensformen und Unterstützungseinrichtungen benötigt.In krisenbetroffenen Stadtteilen nimmt die Bedeutung von nicht gewinnorientierten und nicht staatlichen Aktivitäten zu.Das ist der Hintergrund, das Selbstverständnis des Kommunalen Forums Wedding.Es ist mit aktiven Personen aus dem Bezirk Wedding aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen entstanden, aus der Mieterberatung,Mitarbeitern vom Bezirksamt,allerdings als interessierte Einzelpersonen, nicht mit Auftrag des Bezirksamtes, aus Kirchengemeinden, ArbeitslosenSelbsthilfe-Initiativen. Ein wichtiger Punkt war dann, neue Formen der Zusammenarbeit im Wedding zu finden.Wir haben in den ersten Jahren – also von 1988 bis 1993 – ein informelles Netzwerk aufgebaut, indem wir Veranstaltungen mit wechselnden Themen, die den Wedding betreffen, organisiert haben über Fragen wie Dienstleistungszentrum,Gesundbrunnen-Center,Dienstleistungen für wen,wem nützt es,wem nützt es nicht,wie ist die Wohnsituation usw.Wichtig war dabei,dass wir als Mitarbeiter vom Kommunalen Forum sehr viele Kontakte

beitsmarkttechnische Instrumente genutzt. Das war ein wichtiger Punkt. Wir machen auch europäischen Austausch, um auch über den Tellerrand zu gucken. Dabei haben wir viele Anregungen für unsere Arbeit bekommen.Wir haben Kooperationsverbünde mit Vereinen gegründet,um es über die Nutzung von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten und Förderketten eventuell zu schaffen, die soziale Infrastruktur im Stadtteil zu verbessern. Da sind wir aber an Grenzen gestoßen und gescheitert. Die Konsequenz war zu sagen,wenn wir so etwas versuchen,müssen wir von vornherein versuchen,große Partner auch aus anderen Bereichen mit ins Boot zu bekommen. Das ist dann die lokale Partnerschaft Wedding, die wir seit 1997 aufgebaut haben. Bisher ohne Förderung, aber ich denke,es war wichtig,überhaupt die Initiative zu ergreifen,auch diese Art von Netzwerk in Angriff zu nehmen für Beschäftigung, Lebensqualität und sozialen Zusammenhalt. Das Kommunale Forum Wedding ist seit April ‘99 Juniorpartner im Quartiersmanagement am Sparrplatz und gleichzeitig Hauptauftragnehmer.Die Aufgabe ist aufgeteilt auf zwei Auftragnehmer am Sparrplatz,zwei Drittel des Auftrages sind an das SPI gegangen und ein Drittel an das Kommunale Forum Wedding. Wir haben ein Handlungskonzept »Arbeit und Nachbarschaft« erarbeitet für die Arbeit im Sprengel-Kiez und wir sind im Augenblick auch wieder dabei, die Integration von SozialhilfeempfängerInnen über Orientierungskurse zu kombinieren

O> Es könnte auch um lokale Ökonomie gehen. Rennert: Gut, das wäre eine Frage: Welches kann der Beitrag von Gemeinwesenarbeit im Zusammenhang mit der Schaffung von Arbeitsplätzen im Stadtteil sein.Was sind die Stärken, wo ist Gemeinwesenarbeit vielleicht auch überfordert? Fahren wir fort mit der Charakterisierung von Gemeinwesenarbeit. O< O> O< O> O< O> O> O> O< O>

Vernetzung. Soziale Dienstleistung. Integration von Professionellen vor Ort. Zielgruppenübergreifend. Hilfe zur Selbsthilfe.Multikulturelle Integration. Gemeinwesenorientierung oder Sozialraumorientierung. Interessenvertretung im Stadtteil. Frühwarnsystem. Analyse von Sozial- und Wohnraum. Ja,Stadtteil ist ein komplexes Wesen.

Rennert: Ich stelle jetzt mal das Kommunale Forum Wedding bzw. das Konzept »Arbeit und Nachbarschaft« in Berlin vor.Da würde mich interessieren, ist das ein alter Hut oder nicht, machen Sie das auch in Ihrer Arbeit, eine Rückkopplung, eine Einordnung. Ich selber komme nicht aus dem Bereich Gemeinwesenarbeit,sondern aus dem Bereich Planung,ich habe Landschaftsplanung studiert, habe aber tatsächlich nie in diesem Bereich gearbeitet.Das Kommunale Forum Wedding e.V.ist auch nicht von Gemeinwesenarbeitern gegründet worden,sondern von Personen,die im Stadtteil Wedding hier in Berlin tätig waren in unterschiedlichen Arbeitsbereichen,und die einen Ort zum ressortübergreifenden Austausch über die Entwicklung im Wedding haben wollten. Das Selbstverständnis,von dem die Leute ausgegangen sind,war also nicht begründet aus einem sozialarbeiterischen Zusammenhang, sondern kam aus einer Selbsthilfe-Initiative, daraus ist das Kommunale Forum Wedding entstanden. Deswegen steht auch ökonomische Selbsthilfe und lokale Entwicklung als Quasiüberschrift für das Selbstverständnis.Ein wesentlicher Punkt ist,dass Arbeitslosigkeit, öffentliche und private Armut, eben keine vorübergehenden Phänomene sind,sondern längerfristig andauern werden, dass sich also Krisenregionen herausbilden. In bestimmten Regionen oder Stadtteilen bündeln sich

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Lokale Ökonomie und GWA


mit Arbeitsmöglichkeiten im Sprengel-Kiez, durch die Unterstützung von anderen Nachbarschaftseinrichtungen und über die Nutzung von Hilfe-zur-Arbeit-Verträgen einen Stadtteilbetrieb aufzubauen.Dann wollen wir noch ein europäisches Netzwerk aufbauen. Es ist wichtig, ein bezirksweites oder -übergreifendes Netzwerk aufzubauen und zu nutzen,um in bestimmten Gebieten, in kleineren Einheiten, tätig zu werden. Und wir haben, das war Ende ‘97/Anfang ‘98, dieses gebietsbezogene Handlungskonzept im Sprengel-Kiez erarbeitet.Das war gerade fertig,als die Diskussion um das Quartiersmanagement losging und es wurde dann auch in diesem Rahmen von Entscheidungsträgern aufgegriffen. Wir hatten dieses Konzept auch deshalb entwickelt, um unsere Nachbarschaftsarbeit,die wir bisher gemacht haben,auf eine bessere inhaltliche Basis zu stellen und besser auf andere Kooperationspartner zugehen zu können. Wir haben gesagt,dass es vier wesentliche Bereiche gibt, wo eine Unterstützungseinrichtung wie der Nachbarschaftsladen tätig sein soll und auch andere unterstützend tätig sein sollen, um Selbsthilfe und sozialen Zusammenhalt zu fördern. Tauschring, Mittagstisch usw. sind zwar zum Teil nur Vorhaben gewesen,das meiste existiert aber.Gleichzeitig war für uns wichtig,Mobilisierung und Mitwirkung zu fördern über Nachbarschaftszeitung, Kiezgespräche,einen Freundes- und Förderkreis usw.Wir wollten versuchen, die Kooperation der lokalen Akteure zu fördern, Interessengemeinschaften von lokalen Gewerbetreibenden, von Jugendeinrichtungen – eben Stadtteilpartnerschaft – das haben wir aber so noch nicht verwirklicht.Und dann der Punkt Beschäftigung am Ort, wobei wir Beschäftigung weiter fassen, also von sinnvoller Betätigung bis hin zu bezahlten Arbeitsplätzen.Und dass man die Beschäftigung am Ort über Orientierungskurse, über Qualifizierung auf dem lokalen Arbeitsmarkt und eben auch über einen Stadtteilbetrieb schaffen kann. O< Kiezgespräche – wer ist dabei? Sind das jetzt wieder die Insider oder sind das auch andere,auch Bürger? Rennert: Wir haben solche Kiezgespräche seit ´93 organisiert in unregelmäßigen Abständen.Das war immer so angelegt, dass da neben BewohnerInnen, die wir breit gestreut eingeladen haben, auch Leute aus Einrichtungen, vom lokalen Gewerbe und Mitarbeiter aus Verwaltungen vertreten waren.Es gab sehr kleine Runden, z.B. zur Pflegeversicherung,da haben wir dann speziell Senioren eingeladen,dann gab es auch riesige Runden.Als es um die Berliner Kinderfarm ging, die ein lokaler Streitpunkt ist,da waren dann ein paar Hundert Leute aus der Kirche und ganz viele Leute aus dem Kiez. Es gibt bestimmte Leute,die besonders aktiv sind,die man da auch immer wieder sieht, aber ich denke, wir haben darüber auch andere Personen erreicht.Was aber wichtig war und ist für unsere Arbeit,ist eben auch,immer wieder da hinzugehen,wo die Leute sind. Beschäftigungsmöglichkeiten – da meinen wir alles von sinnvoller Betätigung über unterschiedliche Formen von Übergängen bis hin zu bezahlter Beschäftigung. Es ist wichtig, diese Kooperationsbasis der unterschiedlichen Gruppen zu ermöglichen, überhaupt Beteiligungsmöglichkeiten zu entwickeln und anzubieten. Der Stadtteilbetrieb ist schon länger ein Vorhaben vom Kommunalen

Forum Wedding.Wir haben dort auch wieder versucht,internationale Kontakte zu nutzen und uns schlau zu machen.Wir sind nach Holland gefahren, wo es Stadtteibetriebe gibt. Wir haben vor zwei Jahren erste Kontakte Richtung Aachen geknüpft,wo so etwas auch entstanden ist. In Herzogenrath hat die Kommune wesentlich die Entstehung eines Stadtteilbetriebes »Tatendrang GmbH« unterstützt. Das hat uns für unsere eigenen konzeptionellen Überlegungen genützt. Die Zielrichtung von dem Stadtteilbetrieb ist, Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen aus dem Stadtteil zu schaffen, indem Dienstleistungen erbracht werden,die dem Stadtteil nützen,die auch auf eine Nachfrage stoßen. Und das können Tätigkeiten in der Wohnumfeldverbesserung sein,es kann im Bereich Soziale Dienste sein, das sind auch kleinere Reparaturen in Wohnungen. Wir haben auch Orientierungskurse für SozialhilfeempfängerInnen gemacht.Das ist zum einen Berufsorientierung,Berufswegplanung,es gibt intensive Beratung mit den SozialhilfeempfängerInnen. In diesen Kursen gibt es neben der beruflichen Orientierung auch die Förderung von Selbsthilfe als ein Fach.Die Menschen nehmen an diesen Kursen ein halbes Jahr lang freiwillig teil, sie werden in der Zeit vom Arbeitsamt unterstützt. Über diese Orientierungskurse haben wir schon eine Menge Personen kennen gelernt mit ihren Fähigkeiten,ihren Ausbildungen,mit ihren beruflichen Planungen und haben dann das Instrument der »Hilfe zur Arbeit« genutzt. Fünf Personen sind daüber beim Kommunalen Forum beschäftigt, sie erhalten kleinere Aufträge im Bereich Wohnraumsanierung oder Renovierung.Es gibt hier eine Anleitung,eine Regiekraft, die Aufträge akquiriert.Es werden für diese Arbeiten bisher nur Aufwandsentschädigungen gezahlt. Wir haben uns aber vorgestellt,das ist ein Schritt in die gewünschte Richtung um zu testen, was können wir bisher leisten, was müssen wir zukünftig leisten und ausbauen, um dann entsprechend unsere Ressourcen zu organisieren. Zum anderen haben wir vor,eine besondere Trägerschaft zu entwickeln für diesen Stadtteilbetrieb.Hierfür gibt es jetzt die Unterstützung durch das Quartiersmanagement,da ist auch eine Unternehmensberatung beteiligt, um dann die entsprechende juristische Form und weitere Schritte beim Aufbau des Betriebes festzulegen. O> Was sagt denn das Handwerk zu so einem Unternehmen? Rennert: Es ist so,dass z.B.im Bereich Wohnumfeldverbesserung eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen wurde,sie ist allerdings noch nicht praktisch geworden, und zwar mit einem Gartenlandschaftsbaubetrieb. Die haben sich bereit erklärt, wenn sie Aufträge bekommen,auch mit dem Stadtteilbetrieb,mit den Sozialhilfeempfängern zu arbeiten.Das ist ein wichtiger Punkt.Wir müssen schauen, wie wir lokales Gewerbe, Handwerk speziell, einbinden können, damit nicht eine unnötige Konkurrenz-Situation entsteht. Die Kollegen aus den Niederlanden haben erzählt, dass es durchaus gute Kooperationsmöglichkeiten gibt,wenn man sich rechtzeitig darüber verständigt, dass sich die verschiedenen Möglichkeiten durchaus ergänzen können. Man könnte sich sicher auch andere Formen des Aufbaus von einem Stadtteilbetrieb vorstellen.In den Niederlanden, aber auch in Nordrhein-Westfalen, in Herzogen-

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rath, war es so, dass die Stadtteilbetriebe erst einmal eine Förderung bekommen haben für Geschäftsführung und für den langsamen Aufbau von Geschäftsbereichen, ich denke,das ist im Grunde genommen auch besser,als wenn man so einen Betrieb auf die vorhandenen Fördertöpfe hin ausrichtet. Achim Richter (Stadtteilgenossenschaft Stötteritzer Margerite, Leipzig): Von der ersten Idee der Genossenschaft bis zur Eintragung ins Genossenschaftsregister haben wir ein dreiviertel Jahr gebraucht.Dann waren wir also Genossenschaft, Alternative Wohngenossenschaft Connewitz.Das ist der erste Weg gewesen,das haben wir ohne die Stadt gemacht. Das hat bei der Stadt ein bisschen länger gedauert,bis die sich zu einer Verwaltungsvorlage durchgerungen hatten,die hieß dann »Erhaltung alternativer Wohn- und Lebensformen in Connewitz«.Als es schließlich so weit war, da waren 16 Projekte in Connewitz drin,die sollten mit 17 Millionen unterstützt werden,und zwar nach dem Prinzip:die Stadt kauft die alten Häuser auf und gibt sie über Erbpacht weiter an die Genossenschaft und die bauen dann in Selbsthilfe durch. Dann hatten wir das also durch, aber es passierte gar nichts. Das ist oft so gewesen, dass die Stadt sich kein Stück bewegt hat, wir müssen einfach was Eigenes machen. Die Konsequenz, die wir damals gezogen haben, hieß Selbstorganisation als Weg aus dieser Krise der Stadtentwicklung, vor allem für innenstadtnahe Wohngebiete. Wir haben dann ein arbeitsmarktpolitisches Netzwerk auf lokaler Ebene entwickelt, an dem fünf Projekte beteiligt sind.Das erste Projekt heißt »Netzwerk der Eigeninitiative«,das zweite »Kompetenzentwicklung von Gemeinwohlprojekt-ManagerInnen«, das dritte »Profiler«, ein Fort- und Weiterbildungsinstitut vor Ort, das vierte »Entwicklungsagentur« und das fünfte »Stadtteilgenossenschaft«. Ich habe eine Annonce geschaltet im Stötteritzer Ortsblatt und im Amtsblatt:»Stötteritzer gesucht für Projekte, die Fähigkeiten haben, bereit sind Existenzgründer zu werden, das, was Sie immer schon machen wollten, gemeinsam mit anderen zu machen«. Und dann habe ich gedacht,jetzt kommen da 20 oder 30 Leute,es waren sieben.Aus diesen sieben Leuten haben wir dann vier ABM gebastelt,die gut bezahlt werden und seit dem 1.April bis Ende März 2000 arbeiten. Das Ganze heißt »Nachbarschaftsladen Stötteritz«. Und dann habe ich gesagt, ich brauche 54.000 Mark, das habe ich dem Arbeitsamt geschrieben, und dann haben sie mir gesagt, Sie können 18.000 Mark kriegen. Ich hatte auch Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium in Dresden, das hat gesagt, Ihr Konzept ist rund, das ist ganzheitlich, das unterstützen wir, bei denen heißt das zurzeit »Pilotprojekt – lokale Ökonomie – neue Arbeit«. Dann hatte ich also meine 54.000 Mark. Ich brauche keine Stadt, wir machen alles selbst,die Abrechnung,die Buchhaltung,und das ist unheimlich schön. Wir haben unsere Stadtteilgenossenschaft am Muttertag gegründet,am 9.Mai.Unsere Überlegung war:dann gehen alle schön Kaffee trinken und wir machen JazzFrühschoppen. Dann haben wir eine Aktie gemacht, das ist ein Genossenschaftsanteil – 30 Mark,also 15,34 Euro. Dann war am 9. Mai die erste Veranstaltung, die erste Margerite haben wir dann versteigert,die ist für 140 DM über den Tisch gegangen. Wir hatten 200 Blumentöpfe


mit Margeriten, wir hatten gedacht, 200 verkaufen wir, also wir haben 20 verkauft oder 21.Dafür hatten wir dann aber die erste Seite am Samstag in der Leipziger Volkszeitung,war super,und damit sind wir auf die Bühne getreten.Stötteritz und Margerite ist ein Begriff geworden in Leipzig. Dann haben wir die Dienstleistungsagentur gemacht, was können wir bieten, was können wir selbst machen, was können andere bieten.Wir haben Visitenkarten gesammelt, Leute angesprochen, was bietest du an usw. Jeder konnte reinkommen und sagen, gibst du mir mal eine Schreibmaschine,kann ich mal faxen und so was. Dann haben wir einen Internet-Anschluss gemacht – www.stoetteritz.de – gemeinsam mit der Handwerkskammer und der IHK haben wir einen Teleport eingerichtet und gesagt, ihr könnt ins Internet reingehen, ihr könnt chatten, ihr könnt bestellen und alles mögliche. Darin stecken noch weitere Perspektiven. Dann haben wir einen Talentebogen. Wir möchten da gerne die Leute ansprechen und die Nachbarschaftshilfe wieder so entwickeln, wie sie früher war. Aber es ist unendlich schwer, die Leute anzusprechen.Wir haben also 5.000 von diesen DIN A4-Seiten verteilt,in die Zeitungen gelegt.Und es kamen 29 zurück.29 Leute,die sagten,ich würde ganz gerne was machen.Aber sie bieten nur an,sie wollen nichts haben,wollen nur rausgehen,finde ich sehr interessant.Wir haben auch 460 Betriebe für eine grobe Erfassung der wirtschaftlichen Situation befragt, wovon inzwischen viele nicht mehr am Markt sind.Die erzählen lieber eine Stunde lang über ihre Probleme, als einmal diesen Fragebogen auszufüllen.Es ist unendlich schwer, wir haben also gerade mal 10% zurück bekommen. Da bin ich sehr enttäuscht. Dann kam eine Frau zu uns, die sagte:ich habe nebenan ein Grundstück.Ich habe eine Baugenehmigung,aber ich kann das wirtschaftlich nicht bebauen,haben Sie irgendeine Idee, was wir damit machen können? Und als Stadtteilgenossenschaft können wir ja nichts machen, wir können einfach nur Geld einsammeln, wir können die Aktien verkaufen für Stötteritz und Margerite, aber wir haben nichts Konkretes.Und jetzt haben wir also diese 1.000 qm Baulücke, da machen wir einen betreuten Kinderspielplatz drauf.Der Entwurf für den Vertrag liegt jetzt vor, wir werden den provisorisch übernehmen und werden den in einen betreuten Kinderspielplatz umbauen. Es kommt ein Zaun davor, es kommen zwei Betreuer rauf, da haben wir auch schon mit dem Jugendamt gesprochen, eine wird angestellt werden und eine werden wir als ABM nehmen,wir wissen ganz genau,ohne ABM läuft nichts. Ich habe versucht, zwölf Menschen zu bekommen auf ABM-Basis für zwei Jahre,die diese zahlreichen Projekte vor Ort realisieren sollen, auch über EUMittel finanziert, weil die Aufgaben uns schon fast über den Kopf wachsen. Sie sollen eine fachliche Begleitung und Qualifizierung bekommen. O> Ich habe eine Frage zum Selbstverständnis.Lokale Ökonomie ist das Thema, Beschäftigungsverhältnisse zu entwickeln, und trotzdem, jeder kennt das Beispiel der findigen Leute,wo sich sieben Vereinsmitglieder zusammenfinden und beantragen sieben ABM-Stellen, das ist dann der Klassiker.Und bekommen sie dann auch für eigentlich nichts, also da ist kein Aufgabenbereich dahinter,der ist nur frei erfunden gewesen und dann waren die

Leute einige Zeit beschäftigt mit nichts. Für mich klang das jetzt auch so,erst mal eine Genossenschaft gründen, erst mal gucken,dass man Leute in irgendeiner Form unterkriegt und dann können wir mal überlegen, was wir machen. Man muss auch immer ein bisschen vorsichtig sein, dass es nicht nur eine Arbeitsbeschaffung ist, sondern die Vernetzung in einem Kiez.Wenn wir die Leute nur in ABM beschäftigen, sie dann sinnlos auf dem Spaten rumstehen,dann bringt das ja auch keinen weiter.Das sollte nicht zum Selbstzweck werden. Richter: Wir haben natürlich auch das Ziel vor Augen, dass sich die einzelnen Abteilungen selbständig machen und so auf Dauer echte Arbeitsplätze schaffen. Ich will auch wirklich keine ABM – ich finde das furchtbar – die nur Selbstbeschäftigung ist. Diese Stadtteilgenossenschaft soll auch für andere Projekte Grundlage sein,für einen Stadtteilbetrieb.Ich bin im Gespräch mit der LWB,die hat ein paar Häuser, die sollen modernisiert werden. Da bin ich dabei, eine Handwerker-Genossenschaft zu machen. Aber unter Einbeziehung der lokalen Meisterhirsche. Die sind alle so am Existenzminimum, die Meister. Wenn ich eine Handwerker-Genossenschaft mache,eine Produktivgenossenschaft,da habe ich mit der IHK schon gesprochen, die gehen sofort darauf ein, die sind happy. Ich hole mir sechs Meisterbetriebe, ich mache sechs Gewerke, der kriegt einen Vertrag für 20 Stunden in der Woche. Der ist in der Meisterrolle drin, wir dürfen die Arbeit machen.In Connewitz habe ich über 50 Leute auf der Liste,die das machen wollen.Was total schwierig ist, wir kriegen keine Finanzierung dafür.Das Jugendsofortprogramm war schon ausgeschöpft, das Arbeitsamt Leipzig hatte keine ABM mehr,wir haben keine Mark gekriegt. Wir haben also nur gearbeitet, gearbeitet. Da mussten wir eine Genossenschaft gründen, nun haben wir eine Handwerker-Genossenschaft gegründet, sind aber nicht einen Schritt weiter gekommen.Nirgends gibt es Geld.Jetzt bin ich mit der LWB im Gespräch,wir haben ein Gutachten gemacht für zwei Häuser,die leer stehen – zwanzig Wohnungseinheiten, die kosten modernisiert 2,8 Mio. Mark. Die Genossenschaft macht die Gebäudehülle und das Treppenhaus und die Mieter fliesen dann selbst,bringen die Dusche an und all das,was es so gibt. Dafür haben sie eine Miete von max.5,80 Mark für zehn Jahre gesichert. O> Ich glaube, du musst noch mal zur HandwerkerGenossenschaft was sagen. Also ihr kennt Leute, die Fähigkeiten haben, die was tun wollen, es aber nicht alleine können.Deshalb dieser Rahmen,in dem auch Meisterbetriebe sind.Und ihr wollt diese zusammenbringen, damit sie dann auch Aufträge ausführen können, wodurch die Leute Arbeit bekommen, und zwar bezahlte Arbeit. O> Ich muss noch mal zur Handwerkskammer kommen, Sie sagen, Sie sind begeistert über deren Zustimmung.Ich komme aus Köln und die sind dort gar nicht begeistert und fragen mich, was mit ihren Aufträgen ist, und vor allem auch die Meister, die ja die Aufträge auch selbständig ausführen könnten und damit gutes Geld verdienen, ohne sich in eine Genossenschaft einzugliedern.Ich sehe,ehrlich gesagt,noch gar nicht,warum das bei Ihnen so unheimlich konfliktfrei ist. Ich finde es fan-

tastisch,aber ich verstehe es noch nicht ganz. Rennert: Ich denke, dass die Meister oder die Handwerkskammer da in Köln noch auf einem ganz anderen Ross sitzt, und die sind in Leipzig inzwischen von dem Ross runtergekommen. D.h. sie verlieren nur noch Mitglieder, viele Betriebe machen zu und das wollen sie nicht.Dagegen können sie jede ABM durchkriegen,wenn in dem Antrag steht, die Maßnahme ist gemeinnützig. Und wenn ich dann noch Handwerksbetriebe reinnehme, die dadurch tatsächlich gesichert werden, dass sie ein zweites Standbein kriegen – das ist doch ideal. O> Also,so ein bisschen schwindlig fühle ich mich jetzt doch geredet. Zumal, weil ich ein bisschen Zweifel habe an dem,was wir selber gemacht haben.Ich habe u.a.die Rycke-Straße-Selbstbau e.G. in Berlin-Prenzlauer Berg mit gegründet,eines der ersten Projekte in Berlin in diesem Mietergenossenschaftsbereich. Und wir wären gar nicht in der Lage,einen typischen Gründerzeitbau,5-geschossig, sehr runtergekommen aber in der Substanz noch erhaltenswert, wieder herzurichten, hätten wir da nicht etwa 80% der Kosten über Städtebaufördermittel bekommen.Dann hätten wir dieses Projekt nicht machen können, und da sind wir nicht auf 5,40 Mark Einstiegsmiete gekommen. Und dieses Projekt hatte alle Unterstützung der Welt.Wir haben die Stadtpolitik hinter uns gehabt,es ist auch ein Habitat-Projekt geworden.Und da hatten wir alle die gerade genannten Schwierigkeiten mit der Handwerkskammer.Berlin ist nicht Leipzig, aber wenn so etwas ein Erfolg wird, dann bauen wir nämlich nicht einen dritten Arbeitsmarkt auf,sondern dann bauen wir wieder einen grauen Arbeitsmarkt auf, der große Probleme verursacht. Das ist aber nicht der Bereich, um den es hier eigentlich geht, soweit ich das bisher verstanden habe. Richter: Es ist lokale Ökonomie.Es ist nicht Gemeinwesenarbeit.Das stimmt. Vorredner: Ich finde das sehr sympathisch,ich habe diese Arbeit sehr gerne gemacht und ich weiß,wovon ich da rede,bloß wir sind immer im Grenzbereich von Schwarzarbeit gewesen und hätten es auf jeden Fall dann mit den Handwerkskammern und der IHK in hohem Maße zu tun gehabt, wenn dieses ein Erfolgssystem gewesen wäre. Und die Konzessionsträger im gewerblichen Bereich sind nur so lange dazu bereit, so lange sie ihre eigene Arbeit nicht anders verkaufen können.Wer hat sonst Interesse daran,sich Stunden-Konzessionsverträge zu leisten.Und da stellt sich auch für den die Frage, warum soll ich jetzt meine Konzession verkaufen, wenn ich es doch selber machen kann.Wo bleibt für den der genossenschaftliche Nutzen? Richter: Ich sag ja,die LWB würde es sonst nicht machen. Das Haus verfällt.Ich weiß nicht, ob das dann ein grauer Markt ist,jedenfalls wird keine Schwarzarbeit geleistet. Rennert.: Was mich an dem Beispiel der Margerite interessiert hat,ist,dass dieses Instrument Stadtteilgenossenschaft sehr flexibel ist für unterschiedliche Projekte oder Zielsetzungen,die man verfolgen kann.Es ist einmal mobilisierend, Bürger können sich beteiligen, man kann

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darüber auch Menschen mobilisieren für verschiedene Projekte,also der Spielplatzbau,da wird versucht,Anteilsscheine zu verkaufen,darüber also konkrete Projekte anzuschieben und Gelder und Unterstützung zu bekommen. Oder der Aspekt, wie das lokale Gewerbe eingebunden werden kann auf unterschiedliche Art und Weise. Und dann eben auch die Verbindung, worüber wir jetzt diskutiert haben,diese Handwerker-Genossenschaft,die Handwerker und Arbeitslose zusammenfasst, wie auch die Unterstützung für Leute,die sich selbständig machen wollen.Also eine Vielfalt von Möglichkeiten wird dadurch eröffnet und das finde ich wirklich eine tolle Sache. O< Ich habe noch mal eine Frage zu der Darstellung von eben.Ich bin natürlich auch ganz begeistert,obwohl das auch Verwirrung gestiftet hat.Ich weiß nicht,ob da auch Sozialarbeit in Richtung Gemeinwesenarbeit geleistet wird. Richter: Es gibt schon genügend Leute, die sich um Sozialarbeit im Stadtteil kümmern. Deswegen ist es uninteressant für uns, dort einzusteigen. Wir versuchen auch, die anderen Vereine zusammenzubekommen, damit wir eine Vernetzung kriegen, damit wir wissen, wer macht was und wie können wir uns ergänzen. Mein Gebiet ist nur die lokale ökonomie,Unterstützung,Reaktivierung lokaler Wirtschaftskreisläufe,Wertschöpfungsketten vor Ort wieder zu installieren,mehr nicht. O> Wie ist denn das mit einer Marktanalyse? Ich hatte eben den Eindruck, das kommt so ein bisschen aus dem Bauch heraus. Machen Sie vorher eine Bedarfsanalyse? Oder wie ist es mit der Bedürfnislage der Bewohner? Wie wird die festgestellt, wollen die Bewohner das überhaupt? Richter: Die Wirtschaftsbefragung machen wir zusammen mit der IHK und der Handwerkskammer. O> Was Sie geschildert haben,ist ja nichts anderes als die Gelben Seiten von Stötteritz. Was für Unternehmen haben wir und wo sind die angesiedelt? Das ist ja keine Analyse,das ist der Beginn einer Analyse.

gungsaspekt,Hilfe zur Selbsthilfe – das sind doch lauter Punkte aus deiner Schilderung, die ich hier zuordnen kann. Ihr macht aber nicht Gemeinwesenarbeit insgesamt. O< Aber Vernetzung im Stadtteil. Rennert: Ihr versteht Euch auch nicht als Gemeinwesenarbeiter? Richter: Nein.Uns kann jeder ansprechen. Rennert: Für das Kommunale Forum als Träger entstehen Rollenkonflikte, weil wir gleichzeitig beim Quartiersmanagement beteiligt sind, viele Informationen mitkriegen,die uns selber Vorteile verschaffen.Quartiersmanagement soll auch Projekte anschieben, unterstützen usw., da kann man schnell in den Geruch kommen, Selbstbedienungsladen zu sein, indem wir uns über das Quartiersmanagement immer selber die besten Aufträge zuschieben. Über das Quartiersmanagement sind die Organisationen sehr genau informiert,welche Programme gibt es, welche Fristen gibt es, was ist zu beachten. Und was steht demnächst an,was sind Handlungsfelder, die demnächst kommen,was will der Bezirk,was will der Senat, also von daher sind wir sehr gut informiert, und dann kann man natürlich Projekte drumrum stricken. O> Den Informationsvorsprung zum eigenen Vorteil relativ gut ausnutzen. Rennert: Man kann jedenfalls bestimmte Vorhaben, ABM oder so,um die Vorgaben herum stricken,dazu gibt es dann weitere Förderung vom Arbeitsamt oder von ESF und so kann man den eigenen Träger stärken. Und womöglich bedeutet das dann, dass bestimmte Organisationen dadurch gestärkt werden und andere dadurch nicht mehr an die Töpfe rankommen und dadurch geschwächt werden.Was aber über Quartiersmanagement gefördert werden soll, nämlich die Potenziale in den Gebieten, entsprechende Strukturen aufzubauen, wo Lücken sind,das kann dadurch zu kurz kommen.

Richter: Nein, was ich möchte, ist etwas anderes. Die Leute sollen über ihre eigene Situation nachdenken.Das ist wichtig.Die sollen nachdenken und sagen,wo bin ich denn eigentlich. Ich habe eine ganz schlechte Perspektive,aber habe ich eine bessere,wenn ich Ressourcen habe,wenn ich Möglichkeiten habe,was zu machen.Sie sollen einfach über ihre eigene Situation nachdenken. Das wollte ich erreichen.Aber wie gesagt,die stellen sich hin und erzählen eine Stunde lang, wie schlecht es ihnen geht,Depressionen bis dort hinaus,dass der Interviewer auch bald anfängt zu heulen,aber der Firmeninhaber ist nicht bereit, die drei Seiten, die vorgelesen werden, auszufüllen.Das verstehe ich nicht.

O> Ich verstehe das nicht.Wenn man von seiner Arbeit überzeugt ist und gute Stadtteilarbeit macht,dann kann man auch ehrlich mit seinen Partnern darüber sprechen, dass man teilhaben will an diesem Konzept Quartiersmanagement.Nur muss das dann auf einer breiten Basis diskutiert werden, dass eben andere Träger sich nicht ausgegrenzt fühlen. Aber jetzt zu sagen, man ist, nur weil man die Informationsflüsse nutzt, schon unredlich, das finde ich auch nicht richtig. Da macht man sich ja eher verdächtig, dass man nicht genau weiß, in welche Richtung man will.Also,wenn man eine klare Zielsetzung hat, dann darf man sich aus den Töpfen,die dafür notwendig sind, doch durchaus bedienen.Da soll man nicht scheinheilig sein.

Rennert: Was bedeutet denn »orientiert an Ressourcen«? Hier sind doch bestimmt einige Stichpunkte oder einige Stadtteile oder Elemente aufgegriffen, die bei euch sehr wichtig sind.Orientiert an Ressourcen,ich würde doch sagen, der Punkt Vernetzung, Integration von Professionellen, wenn man das weiter fasst, der Beteili-

Rennert: Noch einmal anders ausgedrückt,es ist vorgesehen, dass die Organisationen, die Quartiersmanagement machen, nicht zugleich Träger sind.Wenn wir jetzt aber schon in einem Gebiet als Träger tätig sind, ist das kompliziert.Wir haben vor,für den Nachbarschaftsladen eine andere, eigenständige Trägerschaft zu entwickeln.

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Bisher ist das Kommunale Forum Träger des Nachbarschaftsladens in der Torstraße, also im Quartiersmanagement-Gebiet, und uns schwebt vor, eine Trägerschaft zu entwickeln, dass auch Bewohner stärker einbezogen werden.Von daher würde das schon wieder passen.Aber erst mal besteht da, gerade im Hinblick auf die Auftraggeber,eine Schwierigkeit. Ein anderer Punkt ist: ich war davon ausgegangen, dass es ein Leistungsvertrag ist,ein Werk,es also keine Zuwendung ist und man also relativ frei ist – ist aber nicht so. Die Auftraggeber engen den Spielraum von Projekten sehr ein,da sie sehr viel von dem bestimmen wollen,was im Rahmen von Quartiersmanagement läuft. Und von daher ist unsere Rolle jetzt eine andere.Das Kommunale Forum wird teilweise eher wahrgenommen als ein »Gegner«.Und die Teilnehmer in diesen Steuerungsrunden, also Bezirksamt und Senat, gucken da auch noch misstrauisch.Ich habe jetzt eher die Rolle,den Dialog zwischen den unterschiedlichen Gruppen zu befördern,weil durchaus auch unterschiedliche Interessen im Stadtteil vorhanden sind. Meine Aufgabe ist also auch, Konflikte zur Sprache zu bringen. Aber das wird von Bezirksamtsseite oftmals als ein Agieren gegen sie aufgefasst.Das hat was,denke ich,mit den alten Traditionen im Wedding zu tun.Da werden Sachen nicht offen ausgetragen.Und das ist für mich persönlich eine Schwierigkeit, wie auch für die Organisation. Denn eigentlich sollte sich Quartiersmanagement nicht an einzelnen Personen fest machen, sondern die Beteiligten müssen lernen, ein neues Verhältnis zu einander zu entwickeln. Aber das auszuhandeln, das bedarf der Zeit und des Rückgrats.Das ist auch persönlich ziemlich anstrengend. O> Es reizt mich jetzt ungemein, auf den Fragenkomplex einzugehen,ob Sie da sozusagen naiv an den neuen Vertrag rangegangen sind.Ich würde gerne noch einmal fragen im Hinblick auf das, was Sie vorhaben oder auch schon gemacht haben,welchen Beitrag Sie für das Forum sehen,an der lokalen Ökonomie etwas zu verändern oder dazu etwas beizutragen.Wo sehen Sie das Besondere für diesen Teilaspekt? O< Ich denke, Quartiersmanagement kann nicht erst damit anfangen, die Träger zu qualifizieren. Und bei der Organisierung von Vernetzung muss einfach gesunde Konkurrenz im Stadtteil vorhanden sein.Quartiersmanagement entdeckt doch ganz bestimmte weiße Flecken. Mit Nachbarschaft oder mit anderen Feldern muss man dann sehr schnell nach Vernetzung gucken – also wer kann es.Ich habe letzte Woche so eine Sache erlebt,weil wir probieren,für Jugend etwas zu machen,da ist innerhalb von zwei Tagen mit drei Trägern hin- und herdiskutiert worden und am zweiten Tag wurde dann die Entscheidung getroffen,weil es für die Maßnahme so schnell gehen musste. Ja, und dieser Träger macht schon ganz viele Sachen. Aber ich glaube, Quartiersmanagement kann es sich nicht leisten zu warten,bis der eine oder andere auch so weit ist.Und ich glaube, über Quartiersmanagement wird eine ganz gesunde Sondierung passieren, so hart es klingt. Aber einige, die sich immer an bestimmten althergebrachten Programmen festgehalten haben und nicht nach neuen Ideen suchen, kommen auch nicht in diese Vernetzung, in diese neue Stufe mit rein.Es ist so,dass man jetzt nach kreativen Ideen suchen


muss, weil es ja eigentlich kein Geld gibt. Denn dieses Quartiersmanagement bei uns hat im Prinzip außer Personalkosten nicht viel an Geld reingeholt. Das führt schon zu Ärger bei den Behörden, weil die ganz andere Wunschvorstellungen hatten. Aber mittlerweile kriegen sie es hin,die Bürgerbeteiligung stärker zu organisieren. Und insofern finde ich das sehr spannend.Ich denke mir, damit ist eine neue Kraft entstanden,dass man tatsächlich ganz andere, neue Wege geht. Diese Konkurrenz kriegt man nicht weg.Wir haben jetzt ganz stark an der Vernetzung gearbeitet.Wenn z.B. ein Träger für Weiterbildungsmaßnahmen ganz wenig Geld hat,hat er bisher immer nur seine eigenen Leute qualifiziert. Dazu haben wir jetzt eine große Runde gemacht.Und schon kriegen wir eine bessere Qualität in der Qualifizierung für bestimmte Bereiche hin. Rennert: Zur Frage:Welches ist der Beitrag vom Kommunalen Forum zur lokalen Ökonomie,zur lokalen Beschäftigungsförderung? Eine wichtige Funktion vom Forum war und ist,gebietsbezogenes Vorgehen zu propagieren, also gebietsbezogen verschiedene Akteure zusammenzubringen aus dem privaten, öffentlichen und gemeinnützigen Sektor. Ein weiterer spezifischer Beitrag des Forums ist,neue Wege zu suchen für berufliche Orientierung,Selbsthilfe und Beschäftigungsförderung,wie man das zusammenbringen kann.Ein weiterer Beitrag ist,sich zu überlegen, dass es neben privaten Unternehmen, öffentlichem Dienst eben auch gemeinwesenorientierte Unternehmen gibt, Sozialökonomie, und da Formen zu entwickeln, damit solche Unternehmen entstehen und bekannt zu machen,dass es sie gibt.Und dieses zu befördern,solche Wege zu beschreiten,gehört mit zum Selbstverständnis vom Kommunalen Forum.Was ich als sehr interessantes Feld empfinde, ist, was bedeutet die enge Kooperation mit dem Bezirk, mit Betrieben und unterschiedlichen sozialen Einrichtungen im Rahmen von einer Partnerschaft, im Rahmen von bestimmten Projekten,im Rahmen von Quartiersmanagement? Wer hat eigentlich welchen Beitrag zu leisten und auch welche Verantwortung und was bedeutet das für die Zukunft? Hier ist ein Feld, da gibt es unheimlich viel zu lernen für alle Beteiligten,da entsteht etwas Neues,aber was es ist, kann man heute noch nicht sagen. O> Haben Sie denn konkret schon mal was gemacht, was wirklich ein Beispiel ist im Rahmen der Ökonomie im Stadtteil? Der andere Punkt:Haben die Leute im Stadtteil Sie selber schon angesprochen,dass sie aus ihrer Arbeitslosigkeit rauswollen? Oder sind sie da mutlos? O< Was ist denn der qualitative Sprung von Beschäftigungsförderung für Sie hin zu lokaler Ökonomie? Ich bin sehr beeindruckt von einem Beispiel, das hier noch gar nicht gebracht wurde. Das Bürgerhaus in Trier Nord hat, mit allen Schwierigkeiten, die da so dranhängen, einen Stadtteil gekauft. Die haben eine Genossenschaft übernommen. Da läuft man durch einen Stadtteil, wo ganz viele Wohnungen von der französischen Armee waren und die hat das Bürgerhaus jetzt übernommen.Sie haben eine Initiative gegründet und haben,so ähnlich auch wie Sie das vorhaben,modernisiert,die Bewohner in diesem Stadtteil haben selbst eine Beschäftigungsgesellschaft gegründet,haben dann diese Wohnungen modernisiert.

Und da habe ich so gedacht, das ist ein Unterschied zu reiner Beschäftigungsförderung,wie ich sie kenne.Das ist ein sehr gelungenes Beispiel,weil da mehrere glückliche Umstände zueinander gekommen sind.Und mich würde mal interessieren, wo ist der qualitative Sprung, wenn man das nicht nur auf Wohnen bezieht. Rennert: Das Kommunale Forum Wedding ist im Bezirk ein Netzwerk, eine Unterstützungseinrichtung, die versucht, bestimmte Strukturen für die Kooperation aufzubauen.Gleichzeitig wurde immer an uns herangetragen, auch etwas im ökonomischen Bereich zu machen. Es ist aber schwierig,das parallel zu machen.Was wir versucht haben, war über Kooperationsverbünde im Rahmen der Nutzung von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten eine soziale Infrastruktur, aber auch sinnvolle Projekte im Wedding anzuschieben. Erstaunen im Publikum:Beispiele! Rennert: Also, bei der Verbesserung der sozialen Infrastruktur sind wir an Grenzen gestoßen. Es gibt Ausbildungs- und Berufsberatung für Jugendliche im Kiez,das gibt es auch weiterhin,jetzt über SAM,über einen anderen Träger, ist aber über diesen Kooperationsverbund möglich geworden.Im Zusammenhang mit der Prinzenallee 58 ging es um die Weiterentwicklung des Genossenschaftskonzeptes.Wir haben häufig nur die Struktur geliefert und andere haben es gemacht – z.B. die Ökomärkte.Der,der am Leopoldplatz entstanden ist,ist durch uns wesentlich mit entstanden.Nicht nur dort,die organisieren inzwischen auch andere Ökomärkte.Darüber haben sich ein paar Leute selbständig gemacht, über die Kooperationsverbünde ist es ihnen möglich geworden, über ABM und andere Sachen, das weiter auszubauen und hinterher haben sie allein weitergearbeitet. Also so etwas haben wir mit angeschoben,aber andere haben es dann gemacht.Wir haben da nur die Unterstützung geliefert. Gescheitert sind wir im Bereich Senioren-Hilfsdienst,Haushaltshilfen für Senioren,dort tätig zu werden und uns zu etablieren.Das haben wir auch in Kooperation mit anderen Trägern gemacht, und dann haben wir eine GmbH gegründet,die wollten wir nutzen zur Fortführung von dem Ganzen. Daran sind wir gescheitert, weil man eben keine vernünftigen Preise erzielen kann,jedenfalls nicht,wenn man im Wedding arbeitet,ohne einen Finanzierungsmix oder eine andere Art von Förderung von solchen Tätigkeiten.Soziale Dienste sind im Augenblick tot. Es treten nicht sehr viele Leute an uns heran und sagen, gebt uns einen Job,das gibt es auch,aber uns wird nicht die Bude eingerannt,weil eigentlich auch klar ist,dass es nicht so einfach ist. O> Die Frage bei Qualifizierungs- und Orientierungskursen und Maßnahmen ist doch,wie kommt man davon mehr zu regulären Jobs,zu Betrieben usw.? Rennert: Oder auch nur zur Stabilisierung oder Verbesserung der Situation.Ich weiß nicht,bei wie vielen dieser Menschen es tatsächlich realistisch ist, in den ersten Arbeitsmarkt zu orientieren. Was benötigt wird und was den Leuten hilft, ist eine Bandbreite von Möglichkeiten, die sinnvoll und nützlich für die Leute sein können. Die Zielrichtung ist,dauerhafte Verbesserungen zu erreichen,

also weg von Drehtürmaßnahmen. Die Strukturen müssen verbessert werden, es müssen Angebote geschaffen werden,die im Stadtteil notwendig sind.Das ist nicht unbedingt immer ein Dauerarbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt, sondern sinnvolle Betätigungsmöglichkeiten, Integration. Dafür suchen wir nach Wegen. Ich weiß nicht,ob das dann der qualitative Sprung ist.Was sicherlich wichtig oder eine günstige Bedingung wäre,wäre z.B.Besitz von Immobilien,um dann damit etwas machen zu können.Wir besitzen aber keine Immobilien. O> Bleiben wir mal bei Immobilien, bei dieser Fabrikidee, ist das eine Vorstellung von Ihnen beim Forum, so etwas anzupacken oder nicht,auch in Richtung des qualitativen Sprungs? Will ich mal Immobilien erwerben,um weitere Dinge zu machen,oder nicht? O> Ich drängle mich mal dazwischen.Hier sind ja viele,die Gemeinwesenarbeit machen.Mich würde interessieren, warum wir bisher in den ökonomischen Bereich noch nicht reingegangen sind.Gerade Pflegedienst läge ja nahe, darüber ist, glaube ich, jeder schon mal gestolpert, dem kann man ja gar nicht entgehen. Liegt es daran,dass man Berührungsängste hat,gar nicht rein will in die Wirtschaft? Oder sagt man,es gibt schon Pflegedienste, und die sollen das machen, Gemeinwesenarbeit verstehen wir bis zu dieser wirtschaftlichen Grenze.Tauschring ja,vergütete Arbeit nein, das wollen wir nicht organisieren.Und wir sind sicher nicht auf den Kopf gefallen, sag ich mal hier von diesen Gemeinwesenarbeitern,hier sind hochintelligente Leute,die könnten das wirtschaftlich sicherlich bewerkstelligen. Ist nur die Frage, wollen sie das überhaupt? O< Ich verstehe mich nicht als Ausbader einer völlig verfehlten Wirtschaftspolitik.Ich habe auch keine Berührungsängste, das ist es nicht. Ich könnte mir schon vorstellen,da was anzuleiern,aber erst mal denke ich,das ist so gar nicht mein Job.Eher vermitteln,Berührungsängste abbauen, Anstöße geben, das könnte ich mir auch vorstellen,aber ich möchte nicht den x-ten Pflegedienst neben den vielen anderen aufbauen. Rennert: Mit der Immobilie,das haben wir im Wedding verfolgt,das ruht im Augenblick,aber das kann auch wieder kommen.Es gibt da eine große Industriebrachfläche, wo vorher Druckmaschinen hergestellt worden sind, der Rota-Print-Block,der steht jetzt seit zehn Jahren leer,wir sind vor einigen Jahren von der Senatsverwaltung abgespeist worden,hatten zwar Geld gekriegt für eine Studie, da ging es darum,Beschäftigungsfelder zu ermitteln am Beispiel vom Rota-Print-Block, das haben wir gemacht. Unser Vorschlag war, in dem Zusammenhang zu versuchen, diesen Gewerbeblock gezielt wiederzubeleben. Dafür gab es aber kein politisches Interesse und man kommt dann nicht ran an den Block. Es ist immer noch eine Brachfläche.Die Räume,die vermietbar sind,werden vermietet,aber es tut sich da auch nichts.Es wird erst mal politisch nicht unterstützt. Im Augenblick liegt dieses Projekt also brach.Das ist ein zentraler Punkt – die Verfügung über Ressourcen, über Immobilien eben auch, um dort langfristig gesichert agieren zu können. O< Wir sind ein Verein vor Ort, der auch in einem

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Lokale Ökonomie und GWA


Entwicklungsstadtteil arbeitet,Wasserstadt in Berlin.Und ich frage mich wirklich,ob ich alles selber machen muss. Das betrifft auch die Pflegedienste. Es gibt schon ganz viele Leute,die das machen.Was für uns wichtig ist,ist die Vernetzung.Wenn ich einen Stadtplaner kennen würde, der aktiv ist und Ideen hat, dann wäre das toll für mich, den heranzuziehen und zu sagen,wo kannst du uns helfen, wo kannst du uns unterstützen.Aber wenn ich alles das, was heute aufgezählt worden ist, selber machen muss, das geht überhaupt nicht, wir haben ja gar nicht das Personal.Und wenn die Sozialarbeiter,die bei uns arbeiten, sich auch noch mit diesen Sachen beschäftigen sollten, dann wären sie für die Arbeit, für die sie eingestellt waren,nicht mehr da.Und dann ist auch wirklich die Frage,wie groß soll so ein Nachbarschaftsheim sein,warum geht es nicht miteinander, warum geht es nicht nebeneinander? Warum muss ich alles machen? Wir haben jetzt z.B.das Angebot gehabt vom Bezirksamt,Hilfen zur Erziehung zu übernehmen. Was bedeutet das für einen Nachbarschaftsverein? Das bedeutet,er muss sich grundsätzlich verändern in seiner Struktur. Ich brauche also schon wieder extra Kräfte dafür.Darum hatte ich eigentlich heute so ein bisschen erhofft,dass ich etwas erfahre darüber,wie kann es verknüpft werden,wie kann ich davon profitieren, um auch weiter Bestand zu haben, um auch vielleicht ein bisschen an Ressourcen zu kommen. Richter: Aber Sie haben doch Ihre Antwort schon formuliert: Wie kommen Sie an Leute ran, die mitziehen? Das ist doch der Punkt. O> Wie kriegt man die Kurve hin – also immer ausgehend von den Menschen, die zu uns kommen, die in bestimmten Maßnahmen waren und von denen wir sagen, die sind sehr qualifiziert und könnten bestimmte Dinge tun und wollen es auch – wie findet man die Ballance auf der einen Seite zwischen Nichtstun,Sinnieren,Sagen:da können wir nichts machen, und auf der anderen Seite einer bestimmten Überschätzung der eigenen Profession. Die Fantasie,die müssen wir alle in die Arbeit einbringen. Es gibt bestimmte Bereiche, da haben wir es gemacht, nämlich da, wo unsere ureigensten Stärken liegen, also im Bereich der Jugend- und Sozialarbeit haben wir im

Verlaufe der letzten Jahre Arbeitsplätze schaffen können in Nachfolge von ABM und anderen Maßnahmen. Da ist es allerdings auch stimmig, da gehört es zum Konzept. Unser entscheidender Ansatzpunkt ist die Vernetzung, also wie können wir die Menschen mit ihren spezifischen Fähigkeiten mit denen in Verbindung bringen, die entsprechende Ideen haben,die auch Ressourcen haben im Stadtteil? Und vielleicht noch,wo können wir bescheiden mithelfen,etwas zur Verfügung zu stellen? O> Mich würde noch einmal das Selbstverständnis interessieren, diese Anknüpfungspunkte zwischen sozialen Trägern, und der freien Marktwirtschaft, dies gibt es ja eher selten oder nur punktuell.Und da ist bei dem einen oder anderen von uns auch noch eine Scheu vorhanden.Aber trotzdem ist das ja ein wichtiges Thema.Ich will es mal beispielhaft machen, da ist eine Jugendeinrichtung, die ist leer. Zwei Straßen weiter ist ein großes Einkaufszentrum und da sind die Jugendlichen wiederum, obwohl sie kein Geld haben. Da sagt mir ein Amtsleiter der Jugendförderung in Schwedt: ich fände es Klasse, wenn sich irgendein Projekt mal bereit erklären würde, eine Eisdiele in so einem Ding aufzumachen. Denn dort beschäftigen sich die Sicherheitskräfte mit den Jugendlichen.Ihr kennt die – bei der Polizei rausgeflogen und da kümmern sie sich um die Jugend.Und der Sozialarbeiter wartet in der Einrichtung, dass die Jugendlichen doch kommen mögen und dann würde man was Nettes mit ihnen machen. Man müsste noch mehr an die Wirtschaft rangehen und sagen,ich möchte partizipieren.Ich bin ja auch Teil eines lokalen Gebietes. Neben Leuten, die da Geld verdienen,habe ich ja auch einen Zugang,habe ich ja auch eine Berechtigung dort hinzugehen.Über dieses Selbstverständnis ist zu wenig geredet worden, auch über die Scheu – warum machen wir nicht Eisdielen auf, wenn das notwendig ist? O< Ich meine nicht, dass wir das selber machen müssen.Wir kommen aber am Thema Arbeit und am Thema materielle Ressourcen nicht vorbei. Wir müssen neue Wege gehen,auch in dem Sinne von Arbeit erfinden.Das müssen wir nicht alles selber tragen.Aber man muss sich an bestimmten Punkten einmischen und da fallen mir

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement Zum Selbstverständnis freiwillig Tätiger mit Reinhard Liebig, Dortmund Ich möchte mich dem vorgegebenen Thema dieses Workshops nähern, indem ich einige Ergebnisse referieren werde,die die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Selbstverständnis der freiwillig Tätigen hervorgebracht hat.Hierbei werde ich weitgehend eine bestimmte disziplinäre Position beziehen,nämlich die der Soziologie,die sich mit einer spezifischen Perspektive dem freiwilligen gemeinwohlorientierten Engagement annähert. Bösartig ließe sich sagen,dass damit aus dem »Elfenbeinturm« der Wissenschaft berichtet wird,der die Praxis der sozialkulturellen Einrichtungen nicht kennt. Ich bin allerdings

der Meinung, dass die analytisch gewonnenen Befunde uns in die Lage versetzen,gewissermaßen eine Landkarte für das unübersichtliche und facettenreiche Terrain des freiwilligen Engagements zu liefern und somit eine Interpretationshilfe für die eigene Wahrnehmung anbieten. Wenn ich sage, dass ich eine soziologische Perspektive einnehme,dann bedeutet dies,dass ich etwa Ergebnisse der psychologischen Motivationsforschung1 weitgehend vernachlässige,auch wenn dieser Strang wissenschaftli-

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement

auch Sachen ein, wofür es Geld gibt, wo es auch einen Erfolg hat. Es geht nicht darum, einen Pflegedienst aufzumachen, sondern vielleicht eine Perspektive für Leute zu finden und gemeinsam mit denen etwas zu finden, das sie dann übernehmen können. O> Vielleicht klingt das jetzt banal oder es ist jedem klar, aber durch die Gründung von Nachbarschaftsinstitutionen, Nachbarschaftsheimen, wenn die sich lebensfähig gestalten durch ihre Arbeit, die sie leisten, tragen wir ja schon wieder zur lokalen Ökonomie bei, wenn da zwei oder drei Leute arbeiten und dann meinetwegen noch eine ABM-Kraft. Es gäbe sicherlich ein Feld, wo Bürgerarbeit kostenneutral geschaffen werden könnte, ohne Leuten das Gefühl von Alimentierung zu geben. Und das sind Leute,die jetzt auf dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt letztlich keine Chance mehr haben, nicht weil sie nicht fähig sind,sondern weil sie einfach in diese Wirtschaftsstrukturen nicht mehr reinpassen.Es müssten Modelle entwickelt werden, solchen Leuten Arbeit zu schaffen,und die sind dann sicherlich auch in der Lage,lokale Arbeitsmärkte am Leben zu erhalten. Ob das nun eine Teestube ist oder eine Eisdiele,ob man Puppen spielen lässt oder Kino zeigt,ist doch völlig wurscht,ich meine da gibt es Möglichkeiten,das macht ihr ja auch,ihr seid ja nicht nur alimentiert. O> Ich habe noch eine Frage zum Begriff Sozialbetriebe.Was will man denn damit erreichen? Das Ziel ist ja,auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Und wenn Menschen so fähig sind,dass sie einen sozialen Betrieb gründen können und ihre Produkte dann auch loswerden, könnte man doch sagen, ja warum ist das nicht ein Weg in den ersten Arbeitsmarkt, warum schafft man da noch mal einen eigenen Sektor, der möglicherweise eine Art Schonraum ist und letztendlich nur für bestimmte Gruppen mit bestimmten Behinderungen ist? Richter: Das sind ja nicht nur Behinderte, das sind arbeitslose Jugendliche, das sind Langzeitarbeitslose über 40 oder 50 und da kriegt man vier Jahre lang eine Förderung. Aber gibt es wirklich noch die Chance für einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt?

cher Forschung – in einem eher quantitativen Sinne – viel zum Selbstverständnis der Engagierten beizutragen vermag. Für mich ist die Ausgangsfeststellung konstitutiv, dass auch sich freiwillig engagierende Menschen soziale Wesen nach dem Bild des »homo sociologicus«2 sind. Deren Handeln ist in äußerliche hemmende oder befördernde Umweltbedingungen eingebunden. Die Selbstverständnisse und die Motivationen dieser Menschen sind nicht allein als das Produkt von inneren Antriebskräften zu verstehen.Notwendig ist ebenso – und dies werde ich teilweise in meinen folgenden Ausführungen erläutern – die Abhängigkeiten des Engagements etwa von biographischen Aspekten, von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, von situativen Gelegenheitsstrukturen oder von organisatorischen Settings zu berücksichtigen. Die Aktivitäten der sich freiwillig und gemeinwohlorientiert engagierenden Menschen finden fast ausschließlich


in institutionellen Rahmen statt.Ehrenamtliche* sind nur äußerst selten »Einzeltäter«,die keines organisatorischen Daches, etwa eines Wohlfahrts- oder Sportvereins, einer Partei oder Bürgerinitiative,eines Schulvereins oder einer Kirchengemeinde, bedürfen. Die Organisationen stellen den Verwirklichungsraum für das ehrenamtliche Engagement dar. Vor dem konkreten gemeinwohlorientierten Tun steht in der Regel ein Angebot der Mitarbeit,zumindest eine wahrnehmbare Option, sich in irgendeiner Richtung innerhalb einer bestehenden Organisation an der Aufgabenerfüllung zu beteiligen. Ehrenamtlichkeit ist dementsprechend »organisierte Nächstenliebe«3.Weil für die Verwirklichung des ehrenamtlichen Engagements zumeist ein organisatorischer Rahmen notwendig ist, lassen sich daraus bereits (mit Vorbehalten) einige Rückschlüsse auf das Selbstverständnis der Ehrenamtlichen ziehen.Eine individuell getroffene Entscheidung, sich in einer konkreten Organisation zu engagieren, bedeutet gleichzeitig, sich für diese Organisation einzusetzen. Insofern ist davon auszugehen,dass das Selbstverständnis der Ehrenamtlichen – zumindest bei denjenigen Personen, deren Engagement kein einmaliges Geschehen bleibt – normalerweise mit den Zielen und Werten des institutionellen Rahmens weitgehend übereinstimmt. Wenn dies in der gerade allgemein hergeleiteten Weise zutrifft, dann ist daraus im Umkehrschluss zu folgern, dass die normativen Dimensionen einer Organisation,deren Zielsetzungen,die Art und Weise der Aufgabenerfüllung, deren Organisationskultur und Kommunikationsverhalten auch etwas über das Selbstverständnis der sich dort engagierenden Menschen aussagen. Diese generelle Feststellung kann durch Untersuchungen und einige Indizien präzisiert werden. So bestätigt sich nach einer Studie von Bierhoff/Burkart/Wörsdörfer (1995),in der freiwillig Tätige von vier unterschiedlichen Hilfsorganisationen – der Freiwilligen Feuerwehr, dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), der Deutschen LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG) und amnesty international – interviewt wurden, ein Zusammenhang zwischen den Motivbündeln der Ehrenamtlichen und den Aufgabenstellungen und Arbeitsweisen bestimmter Organisationen. In dieser Studie wird grundsätzlich zwischen zwei Einstellungsbereichen ehrenamtlich Tätiger unterschieden, die beide zusammen – allerdings in verschiedenen Zusammensetzungen – durchgängig vorhanden sind:»Traditionell humanitäre Einstellungen,die durch den Begriff der Verantwortung für andere gekennzeichnet sind, und hedonistische Einstellungen, die unmittelbar der eigenen Bedürfnisbefriedigung dienen. Von den hedonistischen Einstellungen wird angenommen, dass sie sich verschiedenen inhaltlichen Bereichen zuordnen lassen (z.B. Abenteuer, gesellschaftliche Anerkennung und soziale Einbindung), die untereinander positiv korrelieren.«4 Für Menschen mit hedonistischer Einstellung steht die Orientierung am Lustprinzip im Vordergrund. Sie erwarten vom eigenen Engagement ein *

für sie luststeigerndes,gewinnbringendes Feedback. In der Tabelle werden neben den beiden Einstellungsbereichen und den vier Einstellungsdimensionen in einer dritten Spalte beispielhafte abgefragte Statements aufgeführt.Die Zustimmung zu einem Block gleichgerichteter Statements hat zur Folge, dass eine Zuschreibung zu der entsprechenden Einstellungsdimension erfolgt.Nach dieser Untersuchung ist die Einstellung, die die Verantwortung im Sinne einer Verpflichtung betont,Menschen in Not helfen zu wollen,für die Ehrenamtlichen aller un-

ehrenamtliche Tätigkeit auch spezifische Motive der freiwilligen Helfer anspricht, die mit dem Inhalt und den Bedingungen der Tätigkeit zusammenhängen. Es wird aber ebenso deutlich, dass sich das Motiv, welches sich auf der Verpflichtung gründet, anderen zu helfen – also die humanitäre Einstellung – sehr gut mit hedonistischen Einstellungen verträgt. Altruistische Orientierungen schließen Orientierungen,die auf die Verwirklichung eigener Bedürfnisse gerichtet sind,nicht aus,sondern sie ergänzen sich geradezu. Insgesamt kann festgestellt werden,dass die verschiedenen untersuchten Hilfsorga-

Typologie von Einstellungen Ehrenamtlicher Einstellungsbereich

Einstellungsdimension

entsprechende Statements mit hoher Zustimmung (Beispiele)

Humanitäre Einstellung

Verantwortung im Sinne • Ich fühlte mich verpflichtet,gesundheitlich oder in der Verpflichtung, anderer Weise in Not geratenen Menschen zu helfen. Menschen in Not zu helfen • Die sinnvolle Tätigkeit in dieser Organisation war für mich das Entscheidende. • Ich wollte mich für die Gemeinschaft nützlich machen.

Hedonistische Einstellung

Abenteuer im Sinne von Neugier auf Unbekanntes und »Sensation Seeking«

• Die Erfahrung mit schwierigen Situationen und wie ich in solchen reagiere,reizt mich. • Ich wollte durch aktives Handeln Erfahrungen über mich sammeln,insbesondere im Hinblick auf mein soziales Engagement. • Ich wünschte mir,dass andere meinen Einsatz anerkennen.

Anerkennung durch Freunde und Gesellschaft

• Berichte über mutige Einsätze und Aktivitäten dieser oder ähnlicher Organisationen haben mein Interesse geweckt . • Ich wollte mit Menschen zusammenkommen,die Courage beweisen. • Ich stelle es mir angenehm vor,meinen Freunden von meiner Mitarbeit zu berichten.

Soziale Bindung im Sinne • Ich wollte eine nette Gemeinschaft finden. von sozialer Integration • Ich freute mich darauf,Menschen kennen zu lernen und Bekanntschaften zu schließen. • Geselligkeit ist mir wichtig;in meiner Organisation glaubte ich,diese zu finden. Quelle:Bierhoff/Burkart/Wörsdörfer (1995) tersuchten Hilfsorganisationen von großer Bedeutung.** Diese Orientierung war bei allen Ehrenamtlichen – unabhängig von der spezifischen Organisation – in ähnlicher Weise ausgeprägt, so dass die humanitäre Einstellung gewissermaßen als ein durchgängig vorhandenes Fundament für jegliche Form ehrenamtlicher Arbeit angesehen werden kann. Das andere Motivbündel, das als hedonistische Einstellung etikettiert wurde,variiert deutlich zwischen den untersuchten Hilfsorganisationen.Das spricht dafür,dass die

nisationen ein erkennbares Motivprofil aufweisen. Mit anderen Worten:Während eine gewisse humanitäre Einstellung durchgehend bei allen Ehrenamtlichen von Hilfsorganisationen vorhanden ist – als Kennzeichen der Ehrenamtlichen insgesamt – korrespondieren bestimmte Organisationstypen mit bestimmten Ausprägungen der hedonistischen Einstellung, die als spezifizierende Kennzeichen der Organisation zu werten sind.*** Etwas allgemeiner ausgedrückt: Die Einstellungen der Ehrenamtlichen lassen sich unterscheiden und diese Differen-

Die in der vorgegebenen Hauptüberschrift vollzogene Aufzählung von drei alternativen und miteinander konkurrierenden Begriffen könnte fortgeführt werden.In der Diskussion sind ebenfalls:Freiwilligenarbeit,Bürgerarbeit,Laienhelfer oder etwa Nicht-Hauptberuflichkeit.Ich werde im Folgenden nicht immer alle möglichen Begriffe in additiver Weise aufzählen,sondern mich auf den beschränken,der immer noch am gebräuchlichsten ist – Ehrenamt.

** »Diese moralische Verpflichtung zur Hilfeleistung ...lässt sich im wesentlichen nicht auf Antworttendenzen im Sinne einer sozialen Erwünschtheit zurückführen.Sie stellt vermutlich ein genuines Motiv der Hilfeleistung in Alltagssituationen dar und dient als Grundlage der altruistischen Motivation« (Bierhoff/Burkart/Wörsdörfer 1995,S.382). *** Zu vermuten ist weiterhin,dass die Zufriedenheit der ehrenamtlich Tätigen von dem Entsprechungsverhältnis der eigenen hedonistischen Einstellungen und der Angebotsstruktur der Organisation abhängig ist.Je stärker diese Einstellungen durch die Organisation angesprochen und bestätigt werden,desto größer wird die Zufriedenheit und die Wahrscheinlichkeit eines kontinuierlichen Engagements ausfallen.

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zen spiegeln sich in dem Spektrum der unterschiedlichen Organisationstypen wider. Es ist also von einem Entsprechungsverhältnis, einem Passungsverhältnis zwischen der zum Engagement bereiten Person und der Institution auszugehen,die das Ehrenamt organisiert und einsetzt. Dabei sind allerdings heute – auf der Seite der Ehrenamtlichen – nicht nur deren Einstellungen und Motive von Wichtigkeit, die sich auf den Zeitpunkt des Engagements beziehen, sondern ebenso die Frage, welche grundsätzlichen biographischen Voraussetzungen mitgebracht werden.Damit wird die eher oberflächliche Frage nach Motiven bzw.Einstellungen verlassen und ein breiteres Fundament der Analyse gesucht.Gefragt wird,inwieweit die Gelegenheiten zu einem freiwilligen,unentgeltlichen Engagement und die tatsächlichen Ehrenamtlichen-Karrieren in einem Zusammenhang mit der eigenen Lebenssituation sowie mit biographischen Anhaltspunkten und Verläufen stehen. Es geht dabei um den erklärenden Charakter der je eigenen Biographie, aus der sich Sinnorientierungen des Engagements ergeben. Damit kann aufgezeigt werden, wie ehrenamtliches Handeln in Biographien eingebettet ist,wie es sich individuell im Lebensverlauf verändert und – nicht zuletzt – welche allgemeinen Prozesse des Wandels das ehrenamtliche Engagement insgesamt durchmacht.Durch diese Schwerpunktsetzung wird wiederum deutlich,dass es nicht den einen Ehrenamtlichen bzw.die eine Ehrenamtliche gibt, sondern ein breites Spektrum existiert.Es wird davon ausgegangen,dass ein dauerhaftes bzw. langfristiges ehrenamtliches Engagement nur dann zustande kommt,wenn biographische Bezüge,also Parallelen zur Lebensgeschichte herstellbar sind. Auch mit dieser Perspektive, die biographische Bezüge des ehrenamtlichen Engagements thematisiert, lassen sich Typen von Ehrenamtlichen differenzieren.Jakob unterscheidet auf der Grundlage von Interviews,mittels derer Sinnmuster und Verlaufsformen ehrenamtlichen Handelns untersucht worden sind,mehrere Typen des ehrenamtlichen Engagements5. In diese Abbildung sind drei Typen des ehrenamtlichen Engagements eingeflossen, deren Anordnung und deren einzelne Bedeutung ich kurz erläutern möchte.

Biographische Bezüge des ehrenamtlichen Engagements

Ehrenamtliches Engagement als Schaffung eines Handlungsfeldes zur Verwirklichung eigener Vorstellungen und Pläne

Ehrenamtliches Engagement als Fortsetzung eines familiären Handlungsschemas und milieugebundene Aktivität

Ehrenamtliches Engagement

Ehrenamtliches Engagement als Bearbeitungsstrategie für biographische Verletzungs- und Verlusterfahrungen Quelle:Jakob (1999) Ich habe die Typen als die Eckpunkte eines hierdurch gebildeten Dreiecks bestimmt. Dies soll deutlich machen, dass die Eckpunkte analytisch gewonnene Idealtypen darstellen und ein mögliches konkretes Engagement durchaus von jedem Erklärungsmuster ein Teil in sich birgt.Die drei Typen schließen sich nicht gegenseitig aus, ihre Gewichtung wird allerdings unterschiedlich ausfallen. So könnte im konkreten Fall innerhalb des Dreiecks eine Position eingenommen werden,die die Verhältnisse und die individuellen Wertigkeiten der drei Muster in differenzierter Weise verdeutlicht.Zu den drei Idealtypen:

an etwas anknüpfen, stellt eine Fortsetzung dessen dar, was im bisherigen Lebensverlauf eine Rolle gespielt hat. Sich zu engagieren heißt,im eigenen Handeln ein hohes Maß an Kontinuität und Stabilität zu verwirklichen. Die Biographien dieses Typs verlaufen in traditionsbewussten sozialen bzw.religiösen Gemeinschaften und in Verbindung etwa mit Kirchengemeinden oder sozialdemokratischen Organisationen. Mit dem Engagement sind vielfach die Vokabeln des Dienstes oder der Pflicht verbunden, ehrenamtliche Tätigkeit erscheint als eine »Aufgabe«.

1. Die erste Variante (auf der rechten Seite des Dreiecks) sieht ehrenamtliches Engagement als ein Handlungsmuster,das innerhalb der jeweiligen familiären Strukturen oder des Milieus bereits existent ist. Ehrenamt kann

2. Für den zweiten Typ ist mit den ehrenamtlichen Tätigkeiten die Verwirklichung eigener Vorstellungen und Pläne von Wichtigkeit. Mit dem eigenen Engagement wird vielfach ein neuartiges Handlungsfeld erschlossen, in dem Aspekte des eigenen Lebensentwurfs selbstbewusst realisiert werden können.Es geht darum, selbst Einfluss zu nehmen, selbst gestalten zu können. Mit dem Ehrenamt eröffnen sich für diesen Typ Möglichkeiten der Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung. Vor diesem Hintergrund kann etwa für die so genannten »neuen Alten«6 der Eintritt in eine neue Lebensphase nach Berufstätigkeit oder Kindererziehung und -versorgung einen Anlass darstellen, lange gehegte Wünsche und Pläne im Ehrenamt anzugehen.* Oder aber die eigene ehrenamtliche Tätigkeit wird als eine bewusste Strategie für einen geplanten Einstieg bzw.Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt angesehen. * Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die Organisation des eigenen nachberuflichen Lebens vor allem durch Momente biographischer Kontinuität dominiert wird. »Im Zuge solcher Biographiearbeit ‘produzieren’ und gestalten die Ruheständler heute ein neues Lebensalter: nämlich das Lebensalter zwischen der institutionalisierten Erwerbsphase und dem Altsein« (Langehennig/Kohli 1989,Seite 220).

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3.Die letzte Variante versteht ehrenamtliche Aktivitäten als eine Bearbeitungsstrategie, die auf biographische Verletzungs- und Verlusterfahrungen reagiert. Persönliche Krisenerfahrungen oder biographische Brüche stellen häufig den Anlass für das Engagement dar. Die mit dem ehrenamtlichen Arbeitsfeld verbundenen Erfahrungen können für die Suche nach Sinngehalten und für die Selbsterfahrung genutzt werden.Dieser Engagementtyp wurde bei MitarbeiterInnen in Hospizgruppen oder der Telefonseelsorge identifiziert.Dort können durch die ehrenamtlich ausgeführte Tätigkeit etwa neue Handlungsmuster für die Verarbeitung eigener Krisenerfahrungen kennen gelernt und erprobt werden. Dieses durch die drei Idealtypen gebildete Dreieck hat nicht nur die Funktion,individuelle biographische Bezüge des ehrenamtlichen Engagements zu typologisieren bzw.im Mischbereich zu verorten,sondern es ist auch dazu dienlich,allgemeine,das Ehrenamt betreffende Wandlungstendenzen deutlich zu machen.Aufgrund mehrerer Befunde empirischer Forschung und zahlreicher Erfahrungsberichte von Organisationsvertretern lässt sich bereits seit einiger Zeit ein »Strukturwandel des Ehrenamts«7 verfolgen. Es ist die Rede davon, dass sich in den letzten Jahrzehnten mehrere Aspekte, die mit dem Ehrenamt in Verbindung stehen,deutlich verändert haben. Mit diesem Strukturwandel modifizieren sich neben den Erscheinungsformen des Ehrenamts auch die typischen Selbstverständnisse, die Einstellungsmuster, die Erwartungen der Ehrenamtlichen selbst8. Um diese Entwicklung begrifflich zu fassen,wird u.a.dem »traditionellen« bzw. »alten« Ehrenamt das »moderne« bzw. »neue« Ehrenamt entgegengestellt9. Übertragen in die eben dargestellte Terminologie bzw.in das von den Idealtypen geprägte Bild des Dreiecks bedeutet dieser Wandel, dass davon auszugehen ist, dass der Strang, an dessen Ende sich die zuerst dargestellte Variante befindet,langsam zu verdorren droht.Mit anderen Worten:Das ehrenamtliche Engagement ist heute immer weniger als eine Fortsetzung eines familiären Handlungsschemas oder einer milieugeprägten Aktivität zu verstehen.Statt dessen gewinnen Handlungsweisen und -strategien an Gewicht, die auf Selbstentfaltung und Selbsterfahrung zielen. Bei den Fragen, ob Ehrenamt überhaupt zustande kommt, in welchem organisatorischen Rahmen,in welcher Form und mit welchem zeitlichen Aufwand es angegangen wird, erweist sich heute die Kopplung an eigene Erfahrungen, an eigene Fähigkeiten und Erwartungen als entscheidender als die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu.Als eine Folge dieser Entwicklung lässt sich beobachten, dass große Teile des Engagements zunehmend an Konstanz verlieren.Der Idealtyp des »modernisierten« Ehrenamts ist kaum noch fest in die Bürokratie eines Verbandes bzw.eines Vereins eingebunden, die »neuen« Ehrenamtler stellen ihre Arbeitskraft einer Organisation nicht mehr pauschal zur Verfügung und warten auf Einsätze,sondern sie arbeiten nur noch relativ autonom und selbständig in befristeten Projekten10.Bei der Ausgestaltung des Ehrenamts verlieren die Notwendigkeiten der Organisation zugunsten der individuellen Präferenzen an Wertigkeit. Diese Entwicklungen lassen sich – in einer etwas vereinfachenden Weise – in der Gestalt einer Vierfeldertafel visualisieren11.

Aspekte der Entwicklung vom »traditionellen« zum »modernen« Ehrenamt Zeitaufwendung für sich

Zeitaufwendung für andere

einmalig (eher aufgabenbezogen) Engagement regelmäßig (eher organisationsbezogen)

In dem vollständig weißen Feld befindet sich das »traditionelle« Ehrenamt, das den Dienst für andere als eine Aufgabe betrachtet. Es realisiert sich durch eine feste, langfristig kalkulierbare Bindung an eine bestimmte, dem eigenen Milieu nahestehende Organisation. Dieses Ehrenamt ist nach wie vor anzutreffen, es verliert allerdings zunehmend an Relevanz. Die Pfeile symbolisieren die Entwicklungsrichtung: Nicht mehr nur die Erfordernisse der ehrenamtlichen Arbeit, nicht mehr nur die Bedürfnisse der Adressaten sind konstitutiv für das freiwillige Engagement, sondern – mit gleicher Berechtigung – ebenso die eigenen Erwartungen und positiv bewerteten Konsequenzen.Wie bereits in der ersten Tabelle verdeutlicht, werden humanitäre Grundeinstellungen durch selbstbezogene Motive bzw.Einstellungen überlagert, d.h. Wünsche nach Selbstverwirklichung, Spaß, Geselligkeit, Abenteuer oder Anerkennung werden für die eigenen Entscheidungen zum Ehrenamt wichtig und gegenüber Organisationen als Erwartungen formuliert. Dabei wird das eigene Geben,der individuelle Nutzen des Engagements eher handlungsleitend als die traditionelle Norm des selbstlosen Handelns.Zudem orientiert sich das Engagement immer mehr an bestimmten Aufgaben, die projekthaft – also mit definiertem zeitlichen und personellen Einsatz – durchgeführt werden. Diese Art der Analyse lässt sich nicht eindeutig beweisen und nicht ohne Zweifel quantifizieren. Dazu ist die Datenlage zum Ehrenamt insgesamt nicht ausreichend, zu wenig kontinuierlich und zu unzusammenhängend12. Dennoch lassen sich mittlerweile zur Bestätigung dieses Trends einige (wenige) empirische Anhaltspunkte anführen. Auf drei dieser Anhaltspunkte möchte ich im Folgenden kurz eingehen:Dabei richtet sich der Blick als erstes auf Einzelorganisationen (1),anschließend auf das Konstrukt des »Dritten Sektors« (2) und zuletzt auf die spezifische (wohlfahrtsverbandliche) Situation in Ostdeutschland (3). (1) Selbst innerhalb von Organisationen, die eine lange milieugebundene Tradition aufweisen und in deren Reihen vor allem ältere Menschen tätig sind*, lässt sich ein Trend aufzeigen: Aufgrund einer der wenigen kontinuierlich durchgeführten Befragungen zeigt sich etwa im Diözesan-Caritasverband Köln, dass dort der Anteil der Ehrenamtlichen, die nicht regelmäßig in Einrichtungen oder Gruppen tätig sind, steigt und heute 33,4 Prozent beträgt13.Jede dritte Frau und jeder dritte Mann,die bzw. der die Arbeit des Diözesan-Caritasverbands durch eigene Arbeit unterstützt, ist nicht in einen regelmäßigen,

wöchentlich wiederkehrenden Turnus eingebunden,sondern die Mitarbeit findet sporadisch und/oder projektbezogen statt. Empirische Ergebnisse, die für das Stadtdekanat Freiburg ermittelt wurden, stellen eine solche aktuelle Bestandsaufnahme in den Zusammenhang von Entwicklungstrends. Aufgrund von Vergleichen der Arbeits- und Personalstruktur von jungen und alten Gruppen konnte ein Trend zur Spezialisierung der Gruppen identifiziert werden.Die neuen,also die aktuell attraktiven Gruppen,realisieren ein individualisierteres und flexibleres Ehrenamt,d.h.die jeweiligen Tätigkeiten sind auf die einzelnen Ehrenamtlichen, auf ihre Begabungen, Möglichkeiten und Wünsche zugeschnitten. Bei den Antworten auf die Frage nach den Modalitäten bei der Gewinnung neuer Ehrenamtlicher zeigt sich: Für befristete Einzelaktionen oder einen überschaubaren Einsatz lassen sich auch heute durchaus Mitarbeiter/innen gewinnen, für ein kontinuierliches Engagement dagegen immer weniger; und für ein absolutes Sich-zur-Verfügung-Stellen überhaupt nicht14. (2) Auch eine erweiterte – über Einzelorganisationen hinausgehende – Perspektive scheint diesen Entwicklungstrend zu bestätigen:In dem so genannten »Dritten Sektor« zwischen Staat und Markt, in dem sich die Rekrutierung und der Einsatz von Ehrenamtlichkeit hauptsächlich abspielt, sind Prozesse der Verlagerung zu erkennen.Vor allem auf der Grundlage eines längerfristigen Vergleichs der Mitgliedszahlen von Verbänden und Vereinen, zeigt sich eine Verschiebung des Interesses und der Attraktivität.Dabei erscheinen viele traditionelle Mitgliederverbände,wie Parteien,Gewerkschaften oder Kirchen, als die »Verliererorganisationen«, für die es immer schwieriger wird, Mitglieder und ehrenamtliche MitarbeiterInnen zu gewinnen.Dagegen gibt es auf der anderen Seite andere Mitgliederverbände, Initiativen und Bewegungen, die einen Zuwachs an Personen und Attraktivität zu verzeichnen haben.Die Gewinner dieser Verlagerung der »Ehrenamtlichen-Ressourcen« sind einerseits »unpolitische« Organisationen des Freizeitbereichs – etwa Sport- und Gesangsvereine – und andererseits Gruppen und Initiativen, die in einem direkten und basisorientierten Sinn der Organisation von Betroffeneninteressen dienen, wie Selbsthilfegruppen, Elterninitiativen oder Nachbarschaftsvereinigungen15. * Es zeigt sich – an dem Beispiel des Diözesan-Caritasverbands orientiert –,dass dort der Großteil der ehrenamtlich engagierten Menschen zwischen 50 und 69 Jahre alt ist; dieser Altersspanne sind fast 60 Prozent aller Ehrenamtlichen zuzurechnen.

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(3) Eine Folge dieser Verlagerungstendenzen der »Ehrenamtlichen-Ressourcen« wäre,dass bestimmte Typen von Organisationen zukünftig weitgehend ohne Ehrenamtliche auskommen müssten.Dieses Szenario trifft vor allem auf solche Organisationen zu,die über einen formalisierten hierarchischen Aufbau verfügen,durch den Aufgaben von oben delegiert werden und der Anteil der beruflich arbeitenden Kräfte relativ hoch ist. Beispielhaft lassen sich hier etwa die ostdeutschen Einrichtungen der Diakonie (DW) und der Caritas (DCV) anführen.Die Betrachtung der Wohlfahrtsverbände in Ostdeutschland ist aufschlussreich,weil einige Merkmale dieser verbandlichen Einrichtungen und Dienste gewissermaßen den allgemeinen Wandel von einer Wertgemeinschaft zu einem Dienstleistungsunternehmen16 in besonderer Weise verdeutlichen können.Etwas vereinfacht ausgedrückt:Einige sich allgemein abzeichnende Trends im Zusammenhang mit der »Ökonomisierung des Sozialsektors« scheinen im Osten Deutschlands weiter fortgeschritten zu sein als im Westen. Insofern können diese verbandlichen Einrichtungen und Dienste – obwohl oder gerade weil sie besondere Ausgangs- und Umweltbedingungen aufweisen – in vielerlei Hinsicht den Wandel der Organisationsstruktur und der Arbeitsweise in besonders ausdrücklicher Form veranschaulichen.* Aufgrund einer relativ großen Befragung** in den Einrichtungen des DCV und des DW ergibt sich dort das folgende Bild zur Bedeutung des Ehrenamts und zum Bedarf an Ehrenamtlichen. Bedeutung des Ehrenamts und Bedarf an Ehrenamtlichen in ostdeutschen Einrichtungen der Diakonie und der Caritas 70

Bedarf an Ehrenamtlichen

60

Kein (weiterer) Bedarf an Ehrenamtlichen

50 40 30 20 10

Prozent

0 Einrichtungen mit ehrenamtlichen MitarbeiterInnen

Einrichtungen ohne ehrenamtliche MitarbeiterInnen

Quelle:Hübinger (1997);eigene Berechnungen Bei dieser Erhebung stellte sich heraus, dass insgesamt nur 35,2 Prozent der Einrichtungen über ehrenamtliche MitarbeiterInnen verfügen können.Fast 2/3 aller Einrichtungen arbeiten ohne Ehrenamtliche,wobei davon etwa 3 von 5 einen Bedarf an Ehrenamtlichen anmelden. Die ostdeutschen Einrichtungen erscheinen vornehmlich als Organisationen, die eindeutig von beruflich geleisteter Arbeit getragen werden, das Ehrenamt hat – was die Arbeitsleistung angeht – nur eine marginale Bedeutung.

So beträgt der Anteil der Ehrenamtlichen an der geleisteten Gesamtstundenzahl aller Beschäftigten in den Einrichtungen, die Ehrenamtliche einsetzen, nur ca. 2,5 Prozent.Der Blick auf die ostdeutschen Einrichtungen der beiden größten Wohlfahrtsverbände, die programmatisch das Ehrenamt weiterhin als wichtige Säule ihrer Arbeit betrachten, verdeutlicht, dass die Praxis dieser Organisationen nicht immer mit deren Selbstverständnis übereinstimmt. Obwohl – nach einer anderen Untersuchung17 – fast jeder 3.Ostdeutsche bereit ist,sich in Organisationen mit sozialer Ausrichtung ehrenamtlich zu engagieren,scheinen die wohlfahrtsverbandlichen Einrichtungen, die im Osten nach dem westdeutschen Muster aufgebaut wurden,eher unattraktiv zu sein. Diese wenigen Ausführungen zum Strukturwandel des Ehrenamts verdeutlichen einige Aspekte der Veränderungen aus verschiedenen empirischen Perspektiven und deuten somit auch auf die Konsequenzen sowie auf die Ursachen der Veränderungen auf der individuellen Ebene.Die Wandlungsprozesse,die das Selbstverständnis der Ehrenamtlichen betreffen, und die gesellschaftliche Entwicklung verlaufen nicht nur parallel,sondern sie beeinflussen sich gegenseitig und erlauben nur in der Zusammenschau die Konstruktion eines halbwegs verständlichen Bildes vom Ehrenamt.Auf die Frage, welche gesellschaftlichen Prozesse das Selbstverständnis der Ehrenamtlichen beeinflussen,finden sich in der Literatur vor allem zwei Antwortstränge,die gewissermaßen Entwicklungen hinter dem »Strukturwandel des Ehrenamts« ins Blickfeld rücken:Die favorisierten Konzepte sammeln sich einerseits unter dem Stichwort »Wertewandel« (1) und andererseits unter der Überschrift »Individualisierung« (2).Diese beiden Konzepte und deren Konsequenzen für das Ehrenamt will ich ganz kurz darstellen: (1) Wenn von Werten die Rede ist, werden immer zwei Funktionen, zwei Bedeutungsgehalte dieses Begriffes gleichzeitig angesprochen. Es gibt gewissermaßen eine doppelte Verankerung von Werten:sowohl in der Sozialstruktur einer Gesellschaft als auch in der Persönlichkeitsstruktur der Einzelnen.Werte besitzen somit immer einen eher objektiven und einen eher subjektiven Aspekt. Sie repräsentieren auf der einen Seite eine mehr oder weniger umfassende und anerkannte Bedeutung im Kontext eines kulturellen,kollektiv gültigen Wertsystems.Sie besitzen damit eine integrative bzw.systemstabilisierende Funktion. Auf der anderen Seite sind Werte bedeutsam für individuelle psychische, handlungsleitende Strukturen,die die Individuen befähigen,das »richtige« Handeln, Erleben und Denken, aber auch die Abweichungen vom Erstrebenswerten zu identifizieren.Über die Werte ist die Gesellschaft mit den Individuen verzahnt. Wandlungsprozesse auf der gesellschaftlichen Ebene sind somit in direkter Weise mit den Selbstverständnissen der Ehrenamtlichen in Verbindung zu bringen. *

Mit dem Beginn der 70er Jahre lässt sich eine verstärkte Thematisierung des Begriffs »Wert« in verschiedenen Konzepten verfolgen, die dem zuvor geäußerten Tenor widersprachen, dass in unserer Gesellschaft bestimmte Werte ersatzlos fortfallen.Die neuere empirische Sozialforschung geht davon aus, dass kein genereller Werteverlust stattfindet,sondern ein Werteaustausch bzw.ein Wertewandel zu beobachten ist.In Deutschland wird der durch sozialwissenschaftliche Umfrageforschung identifizierte Wandel der Werte u.a. damit beschrieben, dass eine Tendenz zur Selbstverwirklichung auszumachen ist. Noelle-Neumann schreibt: »Die Überzeugung schlug Wurzeln, das richtige Leben sei eine Selbstverwirklichung, bei der eigene Wünsche, Neigungen und Bedürfnisse den Vorrang hätten.Vorrang vor der Behinderung durch Bindungen welcher Art immer, seien es menschliche, familiäre Bindungen, Bindungen an den Betrieb, an eine Aufgabe, an Institutionen wie Kirche oder Partei, Übernahme von Verantwortung«18.Nach der so genannten »Speyerer Werteforschung« betrifft der Wandel nicht nur einzelne Wertorientierungen, sondern einen überwiegenden Teil aller Werte insgesamt und weist eine übergreifende und vorherrschende Gesamtrichtung auf. Die zentrale These lautet, dass ein Wechsel von den Pflicht- und Akzeptanzwerten zu den Selbstentfaltungswerten stattgefunden hat bzw. stattfindet19. Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen – so wird argumentiert – machen auf der individuellen Ebene bestimmte Werte notwendig.Und – in umgekehrter Richtung formuliert – deren Vorhandensein ist eine Prämisse für die aktuelle gesellschaftliche Modernisierung. (2) Ein prominentes Etikett zur Beschreibung und Interpretation der gesellschaftlichen Weiterentwicklung liefern bereits seit einiger Zeit die so genannten Modernisierungstheoretiker.Neben den Kennzeichnungen für das globale Geschehen – wie Risikogesellschaft 20 oder reflexive Modernisierung21 – nimmt dort der Begriff der Individualisierung als »Komplementärbegriff auf der Ebene des Subjekts«22 – einen zentralen Stellenwert ein. Diese Individualisierung besitzt ein Doppelgesicht: Einerseits sind damit Prozesse angesprochen, die die »ehemals wegweisenden und kollektiv abgesicherten Geländer der Lebensführung«23 auflösen sowie die Einzelnen einem permanenten Zwang zur risikohaften Entscheidung und Auswahl aussetzen.*** Andererseits eröffnen sich durch die Auflösung vormals vorhandener wegweisender Strukturen neuartige Freiheiten, nach eigenen Vorstellungen zu leben.Als Konsequenzen dieser Freiheit sind etwa die Pluralisierung der Lebenswelten oder die Schaffung neuer Subkulturen bzw.Gemeinschaftsformen anzusehen. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses – so wird vielfach behauptet – lässt sich die These von der Individualisierung nicht mit einem generellen Abbau von Solidarbeziehungen in unserer Gesellschaft gleichsetzen24.

Ein spezifisches ostdeutsches Beziehungsgeflecht,in dem sowohl die einmalige Entstehungs- bzw.Transfergeschichte der Verbände,die besonderen Lebenslagen, Einstellungen und Traditionslinien der Bevölkerung als auch eigenständige Bedingungen des »Sozialmarkts« sich gegenseitig beeinflussen,führen (beispielhaft bei DW und DCV) zu einer Situation,in der dem Ehrenamt – im Vergleich zu westdeutschen Strukturen – eine eher randständige Position zukommt und sich das organisatorische Selbstverständnis vielfach erheblich v.d.westdeutschen »Mainstream« unterscheidet (vgl.Angerhausen u.a.´98;Neumann/Brockmann ´97;Olk ´96).

** Vgl.Hübinger (1997).Es konnten die Antworten von über 1.500 Einrichtungen berücksichtigt werden. *** »Biographische Verläufe,verstanden als eine Kette von Entscheidungen,werden per se zu einer selbsttragenden,riskanten Struktur,deren kognitiver Horizont sich vor allem durch eines auszeichnet:eine unbekannt bleibende,zwischen Gelingen und Scheitern oszillierende Zukunft« (Nassehi 1997,S.260).

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement


Aber die neuen,auf der persönlichen Entscheidung beruhenden Gemeinschaftsformen unterscheiden sich in einigen Aspekten von den traditionellen. Der individualisierte Mensch ist kaum mehr »naturwüchsig« in einer traditionsbeladenen Organisation Mitglied, sondern er ist ausgebettet aus Selbstverständlichkeiten und vorgegebenen Plausibilitätsstrukturen.Er bzw.sie ist gezwungen, auf der Suche nach Gemeinschaft und Selbstverwirklichung irgendwo selbstbestimmt Mitglied zu werden. Etwas verkürzt formuliert: Die Individuen können heute nicht mehr vorgegebenen, gesetzten Interessen folgen,sondern sie müssen sie weitgehend selbst erzeugen.Diese auf individuellen Wahlentscheidungen basierenden Gemeinschaften können sich nicht an einem Gefühl der Verpflichtung orientieren, das persönliche Engagement erhält vielmehr den Charakter des Punktuellen und Begrenzten.Engagement ist gekoppelt mit einem gewissen Vorbehalt der Änderbarkeit und Unsicherheit25. Solidarbeziehungen werden in zunehmendem Maße nicht mehr auf der Grundlage eines Verpflichtungsgefühls erbracht, das aus traditionellen Gemeinschaftsbindungen folgt. »Der neue Typus von Sozialbeziehung erweist sich im Vergleich zu der traditionellen Form zwangloser,vielseitiger,zeitlich und sachlich eingegrenzter und beweglicher.Er ist weniger von einem moralisch aufgeladenen Helferpathos geprägt.«26

dieser Krise der Glaubwürdigkeit sind entsprechend auch die kirchlichen Institutionen und ihre Einrichtungen und Dienste betroffen. Im letzten Punkt wird auf die zunehmende Instabilität von Ehen, auf sinkende Haushaltsgrößen und auf die Erosion der so genannten Normalfamilie hingewiesen. Diese Prozesse haben Folgen für das Ehrenamt, da nach einigen Untersuchungen sich vor allem diejenigen Menschen in der sozialen Arbeit freiwillig und unentgeltlich einsetzen, die in Mehrpersonenhaushalten leben.29

Diese identifizierten Veränderungen in der Nachfolge des Individualisierungstheorems deuten darauf, dass – mit Blick auf das Ehrenamt – einiges in Zukunft anders gestaltet werden muss,als es in der Vergangenheit der Fall war.Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse sind allerdings nicht nur Phänomene auszumachen, die ein Zustandekommen des Ehrenamts erschweren, sondern ebenso solche, die die Ausgangssituation prinzipiell günstig erscheinen lassen27. Mit anderen Worten,es lässt sich sowohl eine Negativ- als auch eine Positivliste der Individualisierungsfolgen erstellen.

Auf der Grundlage von Konzepten des Wertewandels und der Individualisierung werden – wie gerade in kürzester Form beschrieben – einige Ausprägungen des Strukturwandels plausibilisiert. Im Zusammenhang mit meinen anfänglichen Ausführungen schält sich die Grobrichtung der Veränderungen,die das Selbstverständnis der Ehrenamtlichen und zum Teil auch der potenziell sich Engagierenden betreffen, allmählich heraus. Sowohl die Einzelbefunde empirischer Untersuchungen zum Selbstverständnis der Ehrenamtlichen als auch die genannten gesellschaftstheoretischen Konzepte ergeben ein relativ

Auf der Positivseite der Individualisierungsfolgen sind Entwicklungen schlagwortartig aufgeführt, die in der Grundannahme ihre Gemeinsamkeit haben, dass Individualisierung nicht nur Altes auflöst, sondern ebenso Neues entstehen lässt. Neue Formen der »Vergesellschaftung« und der Selbstorganisation jenseits der traditionsgeleiteten und haushaltsnahen Netzwerke sind als Chancen für modernisierte gesellschaftliche Solidaritätspotenziale zu betrachten. Solidarität und Gemeinsinn sind nicht verschwunden,sondern sie äußern sich in neuartigen Ausdrucksformen.Als schillerndes und bekanntes Beispiel dieser modernen Typen kann etwa das breite Spektrum der Selbsthilfe angeführt werden, deren Bedeutung in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hat.30

tendenzen werden bereits seit einigen Jahren von der Wissenschaft, den Vereinen und Verbänden sowie der Politik punktuell wahrgenommen. Dieses Erkennen hat zur Folge, dass z.T. von Seiten der etablierten Organisationen und staatlicher Agenturen modernisierte Programme und Strategien entworfen werden.31 Immer geht es dabei um die Frage,wie neue Organisationsstrukturen,neuartige Konzepte der Förderung und Würdigung des Ehrenamts oder neue Vermittlungsmöglichkeiten dem veränderten Selbstverständnis der (potenziellen) Ehrenamtlichen gerecht werden können.Diese Frage gewinnt heute auch deshalb an Relevanz,da die strukturellen Problemlagen des beruflich gestützten, »kostenintensiven« Wohlfahrtsstaats vermehrt erfasst und diskutiert werden – wie ebenfalls auf dieser Tagung.Auf einer eher analytischen Makroebene wird in der Folge etwa von »Sozialkapital«* gesprochen und eine »neue Kultur des Sozialen«32 oder eine »aktivierende Politik«33 eingefordert. Doch für bestehende Initiativen, Gruppen und Organisationen stellt sich unterhalb dieser Analyseebene diese Aufgabe viel konkreter. Hier wird in Zukunft eine Menge an Ideenreichtum und ein Ausbrechen aus eingefahrenen »Spurrillen« notwendig sein. Die Literaturliste finden Sie auf Seite 99

Aus der Diskussion: O< Wenn Sie in die Wohlfahrtsverbände die ostdeutsche Volkssolidarität reinnehmen würden, würde es in Bezug auf das Ehrenamt ganz anders aussehen.Das sind zwar Wohlfahrtsverbände, die aufgrund der atheistischen Gesellschaftsordnung in der DDR sicher großen Nachholbedarf haben.Sie nicht einzubeziehen verfälscht aber aus meiner Sicht das Bild von der ehrenamtlichen sozialen Arbeit in Wohlfahrtsverbänden. Liebig: Ich habe deutlich betont,dass es nur das DW und den DCV betrifft,nicht die anderen Wohlfahrtsverbände.

Konsequenzen des Individualisierungsprozesses für gesellschaftliche Solidaritätspotenziale Negativ-Liste der Individualisierungsfolgen (Beispiele)

Positiv-Liste der Individualisierungsfolgen (Beispiele)

• Erosion von Pflicht- und Akzeptanzwerten • Glaubwürdigkeitskrise der »Institutionen der Sinnvermittlung« • Zuwachs an Handlungs- und Gestaltungsalternativen des Lebenslaufs • Auflösung traditioneller Verwurzelung durch Mobilität • Abnehmende Verlässlichkeit sozialer Bindungen

• Suche nach neuen Formen der »Vergesellschaftung« • Herausbildung von neuen Motiven für das Ehrenamt • Entstehung neuer Formen der Selbstorganisation • Aufwertung von weniger traditionsgeleiteten Netzwerken • Bedeutungszuwachs haushaltsübergreifender Netzwerke

O< Ich denke, wenn man Erhebungen macht zum Ehrenamt in Ostdeutschland,gehört einfach die Volkssolidarität dazu,ansonsten ist das nicht richtig. Liebig: Die Grundlage dieses Schaubilds und dieser Befragung ist eine Umfrage,die in Auftrag gegeben worden ist von der Diakonie und der Caritas.Insofern haben sich die nur mit ihren eigenen Organisationen befasst. O> Aber das ist doch nicht sauber.Die Darstellung des Ehrenamtes auf dem Gebiet der DDR kann man doch nicht so darstellen. * Obwohl der Begriff Sozialkapital nicht auf eine einheitlich gebrauchte

Quelle:Heinze/Bucksteeg (1996)

Definition noch auf einen konsensusfähigen Entwurf verweist, lässt sich in den konkurrierenden Konzepten eine gemeinsam geteilte Plattform ausmachen.

Neben den bereits erwähnten und ausgeführten Folgen der Individualisierung wird auf der Negativseite darauf hingewiesen,dass im Zuge der Modernisierung religiöse Institutionen ihren Einfluss auf die Gesellschaft verlieren. Die von ihnen tradierten Sinngehalte und Plausibilitätsstrukturen werden nur noch als ein Angebot unter vielen wahrgenommen und verlieren an Glaubwürdigkeit28.Von

homogenes Bild. Dabei kann zurzeit weniger über die quantitative Verteilung verschiedener Typen, Einstellungen oder Erwartungen ausgesagt,sondern ausschließlich die Veränderungsrichtung durch einige Wegmarkierungen bestimmt werden.

»Sozialkapital wird allgemein als eine Ressource verstanden,die sich aus den sozialen Beziehungen zwischen verschiedenen Akteuren ergibt. Je enger und verbindlicher das Netzwerk von gegenseitigen Beziehungen geknüpft ist, um so größer ist die Menge des Kapitals,das der Einzelne,die Gruppe oder auch die gesamte Gesellschaft nutzen kann… Die entscheidende Gemeinsamkeit der verschiedenen Ansätze besteht darin,dass sie einen ‘Utilitarismus des Alltags’unter-

Diese Erscheinungen des Wandels, diese Verschiebungs-

stellen« (Dörner/Vogt 1999,S.22 f.);vgl.auch Immerfall (1999).

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement


O< Wenn Sie über Wohlfahrtsverbände in Ostdeutschland sprechen und Sie lassen die größte ostdeutsche Organisation raus,dann ist das schief. Liebig: Ich habe gesagt,dass es vor allem die Organisationen betrifft,die nach dem westdeutschen Muster aufgebaut worden sind.Und die Volkssolidarität ist ja etwas, was schon existent war vor diesem Prozess.Und wenn ich mir eine Untersuchung zum DPWV in Berlin von Kramer und Wagner von ‘93 anschaue, dann haben die ganz andere Zahlen.Aber diese Zahlen haben sie tatsächlich nur, weil sie die Volkssolidarität als eine Organisation mit eingerechnet haben, was auch nicht ganz sauber ist. In der Volkssolidarität ist das ehrenamtliche Engagement wesentlich höher als in allen anderen Einrichtungen, die ebenfalls berücksichtigt worden sind. Und insofern verschönen diese Zahlen die Statistik. O< Auf dem Gebiet reagieren wahrscheinlich Ostdeutsche etwas zickig,weil in der jüngsten Diskussion zu den Rentenfragen die Volkssolidarität als der größte Verband nicht geladen war. Und deswegen sollte man das vielleicht doch sprachlich etwas anders darstellen.Ich glaube, da gibt es jedes Mal die gleichen Einwürfe und das müsste eigentlich im Jahre 10 bei so einem sensiblen Thema nicht mehr sein. Liebig: Es war nicht meine Absicht,über Ostdeutschland, sondern von Deutschland insgesamt zu reden. O> Es entsteht insgesamt ein falsches Bild zum Ehrenamt.

gängig bei allen Ehrenamtlichen da. Dann stellt sich für mich die Frage, ist das eine Abgrenzung z.B. von Selbsthilfegruppen,die ja dem Worte nach schon dazu dienen, sich selber glücklich zu machen und eben nicht andere. Wäre dann die Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe etwas anderes als Ehrenamtlichkeit nach dieser Definition?

gen dieser Untersuchungen zu tun und damit, dass es schwierig ist, Ehrenamt überhaupt zu definieren. Die einen definieren es so, die anderen definieren es anders. Insofern haben die einen ein eingeschränktes Verständnis, die anderen ein eher weites Verständnis. Das sind mögliche Ursachen für die großen Differenzen.

Liebig: Jetzt gibt es wohl doch wieder ein Definitionsproblem. Ich denke, auch in einer Selbsthilfegruppe findet so genannte ehrenamtliche Arbeit statt.Eine Selbsthilfegruppe,auch eine,die keine Hauptamtlichen beherbergt in ihren Reihen, ist darauf angewiesen, dass Menschen sich für andere Menschen einsetzen. Dazu gehört der ganze Verwaltungskram, der mit einer Selbsthilfegruppe zu tun hat. Auch da sind Menschen für andere Menschen tätig, auch wenn das andere Motiv, für sich selbst etwas zu tun,wesentlich größer erscheint.

Vorredner: Ich finde es nicht richtig zu sagen,die Motivation beim Ehrenamtlichen verlagert sich in Richtung auf eigene Ziele, auf Eigennutz. Sollte man nicht statt dessen besser sagen, sie verlagert sich von Ehrenamtlichkeit auf Selbsthilfe?

O> Für mich selber kann ich es klären,wo fängt Ehrenamtlichkeit an, wo hört sie auf. Ich arbeite ja auch nicht für die Gesellschaft,auch wenn das,was ich mache,vielleicht irgendwie gesellschaftlich notwendig ist.Ich denke mir,wenn ich in einer Selbsthilfeorganisation,z.B.in einer Elterninitiative, in einer Kinderladengruppe, mitarbeite, dann arbeite ich zu allererst da mit, weil ich für mein Kind eine andere Unterbringungsmöglichkeit suche.Und dafür muss ich in dieser Organisation bestimmte gemeinschaftliche Arbeiten übernehmen,sei es tapezieren,reinigen.Das liegt aber in hohem Maße in meinem ganz privaten Interesse. Eine humanitäre Einstellung ist nicht unbedingt eine auf andere gerichtete Einstellung, nicht unbedingt Grundlage für ehrenamtliche Arbeit.

O> Der Kollege,der hier referiert hat,hat ganz eindeutig nicht Ost gegen West gestellt, sondern er hat die traditionellen großen Träger in der Bundesrepublik angeführt,die in ihrem Selbstverständnis sagen,wir leben davon, dass wir alle unsere Mitglieder zu ehrenamtlicher Mitarbeit heranziehen können.Das hat er hier überprüft. Es wäre eine ganz andere Diskussion, Ost gegen West zu diskutieren, das haben Sie nicht getan. Ich möchte noch einmal auf etwas anderes eingehen. Sie haben gesagt, die Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, die stimmen überein mit den Zielen und der Identität der Organisationen,in denen sie tätig werden.Gilt das z.B.für die Kirche noch? Ist es nicht so, dass sich auch in kirchlicher Jugendarbeit sehr viele jugendliche Mitarbeiter engagieren, die sagen, ich habe ein eher gebrochenes Verhältnis zur Kirche, aber diese Jugendgruppe hier, die mache ich mit. Die Identifikation mit ihrer Organisation Kirche – erst recht bei der Diakonie ist sie sehr hoch – ist diese Aussage,die Ehrenamtlichen identifizieren sich mit ihrem Träger,nicht eher kritisch zu betrachten?

Liebig: Für mich sind das Komplexe,die nicht eindeutig zu trennen sind. Und deshalb gibt es hier auch Überschneidungsbereiche. Und ein typischer Fall im Überschneidungsbereich wäre ein Engagement als Mitglied einer so genannten außenorientierten Selbsthilfegruppe, also einer Selbsthilfegruppe, die auch einen Auftrag nach außen gibt. Natürlich könnte man sagen, diese außenorientierte Selbsthilfegruppe ist keine Selbsthilfe mehr im engeren Sinne.Man muss es aber nicht so sehen.

Liebig: Das war von mir als einleitende Bemerkung, als Hinführung zu meiner eigentlichen Fragestellung gedacht. Und ich möchte es auch relativieren in der Form, wie Sie es getan haben.

Liebig: Ich sagte bereits,dass sich diese Äußerungen eigentlich gar nicht beweisen lassen, weil es auch an Zahlen mangelt. Ich kann anhand von mehreren Zahlen verdeutlichen, dass die Frage, unter welchen Bedingungen sich welche Menschen ehrenamtlich betätigen wollen,kaum gestellt wird.Von daher kann man sie nicht beantworten. Die Frage, wie viele Menschen sich ehrenamtlich engagieren,findet sich in vielen Untersuchungen wieder. Die Zahlen fallen ganz unterschiedlich aus. Das hat was mit den unterschiedlichen methodischen Anla-

O> Ich habe eine Frage zur Begriffsbestimmung. Sie sagten, es gibt bei den Einstellungen zum einen die humanitäre Einstellung und zum anderen die humanistische Einstellung, die zur ehrenamtlichen Betätigung führt. Die humanitäre Einstellung ist eigentlich durch-

O> Ich habe eine Frage zum empirischen Teil.Wie hoch ist der Anteil der Bevölkerung,der bereit ist,ein Ehrenamt zu übernehmen? Sie haben bisher davon gesprochen, dass es zu einer Überlagerung von Einstellungen kommt. Werden es nun insgesamt mehr oder weniger? Kann man davon ausgehen, dass eine größere Zahl von Menschen bereit ist, so ein projektbezogenes hedonistisch motiviertes Ehrenamt anzunehmen, so dass wir von einem vergrößerten Anteil der Bevölkerung in diesem Bereich reden können?

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement

Liebig: Selbsthilfe ist für mich ein Pol und das traditionelle Ehrenamt ist der andere Pol. Es gibt breite Überschneidungsbereiche. Und ich kann aufgrund der empirischen Datenlage nur einen Trend ausmachen.Der geht eben vom traditionellen Ehrenamt weg hin zur Selbsthilfe.Aber das Spektrum ist unheimlich breit und es wird auch noch breiter. Es ist tatsächlich so, dass die alten Formen noch existieren,dass aber immer mehr neue dazukommen. Insofern wird es auch immer schwieriger, Selbsthilfe und Ehrenamt voneinander zu trennen. Ich glaube aber, dass die traditionellen Organisationen sich viele Aspekte dieser Selbsthilfebewegung zu eigen machen. Ein Aspekt ist, dass in Selbsthilfegruppen die Hierarchien recht flach sind, weil kaum Hauptamtliche da sind, weil die Strukturen über der Gruppe oder Initiative recht dünn gesät sind. Insofern ist diese Form der Aktivierung nichts für den Wohlfahrtsverband,wo Aufgaben auch von oben nach unten delegiert werden.Und genau diese nicht-hierarchischen,loseren Strukturen sind mittlerweile auch Zielperspektive für die Wohlfahrtsverbände, die auch versuchen, flache Hierarchien einzuführen, gerade um den Ehrenamtlichen mit den neuen Motivationen Möglichkeiten zu geben, sich dort zu verwirklichen.Also Selbsthilfe sozusagen als Idealbild,dem das alte Ehrenamt nahe kommt. O< Ich bin hier als Ehrenamtliche.Das ist alles theoretisch ja ganz interessant. Aber wenn ich was tue, dann möchte ich eigentlich nicht über meine Einstellung diskutieren, sondern über das, was ich tun kann. Ich wollte damit sagen, Partizipation ist für mich eine gemeinschaftsorientierte Arbeit, die für mich, aber auch für andere ist. Denn wenn ich partizipiere, bringe ich ein Sozialgefüge in Schwung, das Rückwirkungen hat auf soziale Strukturen innerhalb einer Gemeinschaft.Wenn jetzt hier mehrere Ehrenamtliche wären, ich glaube, die würden sich wehren gegen diese Diskussion der Definition. Ich tue etwas ohne Geld – aber warum ich das tue, ist manchmal vielleicht auch ganz gut zu wissen.Dass man reflektiert, dass es nicht nur altruistisch ist, was ja die meisten Ehrenamtlichen so sehen – ich tue was Gutes. Aber sie vergessen immer,dass sie sehr viele eigennützige Gründe dahinter haben, die sie selber gar nicht so wahrnehmen.Wenn man mal mit denen spricht,dann sagen sie,sie wollen was für andere tun,und im Grunde genommen weiß man,sie wollen Kontakte haben,sie wollen ihre Isolation überwinden. Das steht hauptsächlich dahinter.Deswegen denke ich,sollten wir nicht zu lange darüber diskutieren,ob das jetzt Ehrenamt ist oder nicht. O< In dieser Diskussion Ehrenamt-Hauptamt habe ich


mich in manchen Dingen wiedergefunden.Trotzdem erscheint mir die Diskussion auf dieser Ebene oder die Vorträge manchmal auch widersinnig. Man kommt nie an das, was eigentlich schwierig ist.Diese Arbeit, die wir als Ehrenamtliche machen, wird ja von allen möglichen Institutionen genutzt,und ich frage mich,wo nehmen wir denn durch unsere Arbeit den Hauptamtlichen die Arbeit weg? Und da sitze ich dann auf so einer Tagung, aber es geht nie darum, dass wir im Alltag auch Ängste haben oder uns auch gegenseitig blockieren,weil ja jeder denkt, ich brauche keinen Arbeitsplatz, ich komme wieder und erledige das einfach. Es kommt so langsam wieder das Gefühl in mir hoch,dass wir hier ganz viel Zeit mit theoretischen Abhandlungen verbrauchen, die ich ja auch sehr interessant finde, das bringt vielleicht auch etwas, damit man argumentieren kann.Aber ich denke,eigentlich ist was anderes notwendig.

sozialen Ehrenamt und dem politischen Ehrenamt. Sobald ich einen Vorstandsposten übernehme, unterscheidet sich meine Arbeit als Ehrenamtlicher natürlich von denjenigen,die im so genannten sozialen Ehrenamt tätig sind. Und sobald ich ein politisches Ehrenamt übernehme,bin ich eingebunden in vorgegebene Strukturen,viel mehr als es vorher der Fall war. Das heißt, ich muss jetzt viel mehr Verlässlichkeit zeigen, muss viel mehr Verantwortung tragen.

gen, dann sind Sie angesehen. Es geht nicht um Ihre Person oder um die Arbeit,die Sie machen in der Öffentlichkeit. Anerkennung kriegen Sie, wenn Sie dafür bezahlt werden. Und das ist auch der Grund, warum wir Frauen immer missbraucht werden für diese Sachen,die keine Macht haben. Männer lassen sich nur dahin wählen, wo sie Machteinflüsse haben. Und deswegen sitzen wir immer an diesem Punkt und kämpfen wie die Verrückten, aber unsere Arbeit bewirkt nichts, im Kleinen schon,aber nicht gesellschaftlich.

Zwischenfrage: Auch bei sozialen Ehrenämtern? Liebig: In gewissem Grade ja.Aber ich denke,dass politisches Ehrenamt noch viel stärker diesen Erwartungen ausgesetzt ist. O< Aber es gibt doch kleine Vereine im sozialen Bereich,wo die Vorstände das gleiche machen müssen,das betrifft doch nicht nur die politischen Vorstände.

O> Wer aus einer hedonistischen Motivation heraus, aus Spaß und Lust, ehrenamtliche Tätigkeit betreibt, braucht eigentlich keine Aufwertung.Ist das dann mehr wert,wenn es bezahlt wird oder eine Anerkennung kriegt vom Bürgermeister oder so? Ist hedonistische Motivation nicht stark genug zu sagen,ich tue es für mich und tue es solange,wie es mir Spaß macht.Wenn ich das Gefühl habe, es bringt mir nichts, dann tue ich es nicht mehr. Braucht man bei hedonistischer Motivation noch eine gesellschaftliche Aufwertung? Das ist die Frage an Sie. Ehrenamt und Partizipation wurde vorhin angesprochen. Der Kollege heute Vormittag hat gesagt,wir müssen dahin kommen, dass die Ehrenamtlichen in ihren Einrichtungen mitreden, mitentscheiden können, dass sie also zur Partizipation Gelegenheit bekommen.Wenn ich das jetzt aber höre,frage ich mich,wollen das die Ehrenamtlichen überhaupt, für die ganze Institution – Diakonisches Werk oder Sportverein – insgesamt Verantwortung tragen, mitreden und mitentscheiden? Gerade wenn man von den zunehmend hedonistischen Motivationen ausgeht,ist es dann nicht so,dass die Leute sagen,ich mache hier die Gruppe, die macht mir Spaß, die mache ich solange sie mir Spaß macht. Was den Verein insgesamt betrifft,mich dafür einzusetzen,habe ich keine Zeit.Und das zeigt doch eigentlich auch, wie es in vielen Einrichtungen zugeht. Man bittet immer noch die Mitarbeiter, nun kommt doch zur Mitarbeiterbesprechung und nehmt doch teil an den Leitungszirkeln.Und die sagen,nein,das nicht auch noch, ich will hier nur meine Gruppe, meine Aufgabe übernehmen. Das betrifft den Zusammenhang zwischen Ehrenamt und Partizipation.Gibt es da nicht einen Graben, je stärker die hedonistische Motivation wächst? Und ist es nicht eine Überforderung,wenn man den Leuten, die Lust haben, eine bestimmte begrenzte Aufgabe für eine begrenzte Zeit zu machen, sagt, jetzt müsst ihr auch noch Verantwortung übernehmen für die sozial-kulturelle Einrichtung oder für das Diakonische Werk.Zwei Fragen.Die eine ist, braucht man, wenn man aus hedonistischen Motiven ehrenamtlich arbeitet, überhaupt noch eine Aufwertung? Und die andere ist, überfordern wir die hedonistischen Ehrenamtlichen nicht, wenn wir sagen, nun dürft ihr, nun sollt ihr auch bitte gefälligst in die Leitungszirkel kommen?

O< Zur Anerkennung habe ich eine Frage.Es geht nicht um meine persönliche Anerkennung. Ich habe Lust an der Arbeit,sonst würde ich das nicht machen.Aber ich habe erlebt,dass in der Zeit,als ich erwerbstätig war in der gleichen Arbeit,in dem gleichen Verein,in der Öffentlichkeit meine Arbeit mehr anerkannt war, obwohl ich die gleiche Arbeit als Ehrenamtliche mache. Und das stelle ich infrage.

Liebig: Diese Frage deutet auf die für mich ganz notwendige Unterscheidung zwischen dem so genannten

O< Das ist der Machtfaktor. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.Sie haben Macht,wenn Sie Geld dafür krie-

Liebig: Das meinte ich ja auch mit politischem Ehrenamt.Es geht vor allen Dingen um diejenigen,die sich um Verwaltungsaufgaben, Führungsaufgaben in Vereinen kümmern. So definiere ich das einfach mal. Deshalb haben Sportvereine auch zunehmend Schwierigkeiten, Leute zu finden,die sich in die Führung eines Vereins einbinden lassen. O> Das hat doch die Konsequenz, dass wir die Leute auch nicht überfordern dürfen. Frage: Ist das die Konsequenz? Liebig: Das wäre eine der Fragen, die ich auch gerne konkret beantwortet haben möchte.

Liebig: Was ich versucht habe,als Input reinzugeben,ist ja erst mal losgelöst von praktischen Gegebenheiten,von organisatorischen Dingen,auch losgelöst von der sozialkulturellen Arbeit. Was jetzt im zweiten Teil meines Erachtens passieren muss, ist, das Ganze zu übertragen auf die in der Praxis vorfindbaren Realitäten. Mein Vorschlag wäre, dass Sie sich in kleinen Gruppen zusammentun und den Abgleich durchführen zwischen dem,

was ich eher auf einem theoretisch-analytischen Hintergrund versucht habe deutlich zu machen, und der Praxis. Die Aufgabenstellung wäre einerseits, dass Sie diesen Abgleich,diese Übertragung versuchen,und dann im zweiten Schritt überlegen,was muss ich in den organisatorischen Strukturen, Konzepten und Programmen ändern, damit diese Ehrenamtlichen, von denen ich geredet habe,besser integriert werden können. Nach der Kleingruppenarbeit: Liebig: Es gibt zwei Fragen,die mir vorliegen.Erste Frage: Ist es legitim, Aktivitäten der Bürger zu fördern und gleichzeitig Verantwortung und Pflichten einzufordern? Die zweite Frage:Welche Rahmenbedingungen müssen in den Einrichtungen gegeben sein, damit die Zusammenarbeit zwischen Hauptamt und unterschiedlich engagierten Ehrenamtlichen gelingen kann? Ein Symbol habe ich,eine Blume,umgeben von einem Schuh und einer Gießkanne.Wer gibt die Erklärung? O< Das ist das zarte Pflänzchen der Eigeninitiative von Bürgern. Mit der Gießkanne wird versucht, sie auch zu gießen.Der Schuh ist der Schuh der Verwaltung oder des Staates, der manchmal dieses Pflänzchen niedertrampelt.

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement


Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement: Zum Selbstverständnis sozial-kultureller Einrichtungen

Zwischenbilanz des Projektes ProBE – ein Projekt zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagments in sozial-kulturellen Einrichtungen mit Eva-Maria Antz, Köln Eva-Maria Antz: Dieser Workshop zeichnet sich dadurch aus, dass hier ein großer Teil der Einrichtungen sitzt, die bei dem Projekt ProBE mitmachen und einige Neugierige, die z.T. gar nichts darüber wissen oder nur Schlagworte dazu gehört haben. Das macht den Reiz dieser Gruppe aus, das macht vielleicht auch ein bisschen die Schwierigkeit aus. Es ist nämlich so, dass die Einrichtungen,die mitmachen,sich in der Zusammensetzung auch noch nicht alle gesehen haben, und von daher ist das eine Chance,die Gesichter zu den Namen der Einrichtungen zu sehen, die Leute kennen zu lernen und in einen Austausch miteinander zu kommen.Wir sollten eine kurze Vorstellungsrunde machen,damit Sie wissen,wer hier ist. Dann sage ich ein paar Stichpunkte dazu, wie das Projekt entstanden ist,was es will,wie die Hauptlinie ist, und daran schließen wir dann eine ausführlichere Vorstellung der Einrichtungen an, die daran beteiligt sind. Und es soll um die Frage gehen, was ist eigentlich der Wert von Ehrenamt und wann wird Ehrenamt oder bürgerschaftliches Engagement auch missbraucht. Vorstellungsrunde: O< Ich bin zu der Tagung gekommen, weil unser Projekt sich auch soziales Stadtteilmanagement nennt. O> Ich arbeite im Bereich Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit im Nachbarschaftshaus Urbanstraße in BerlinKreuzberg.Wir sind im ProBE-Projekt mit dabei;die Motivation war,die jahrzehntelange Arbeit,die es im Bereich mit Freiwilligen auch im Haus gibt,zu beleuchten und zu gucken, was hat sich verändert, und wie können wir zukünftig die Qualität in der Arbeit verbessern.

Wir wollen für das Haus nach einem Jahr prüfen,wie weit wir sind,wie gehen wir selber mit Ehrenamt um,was für Formen von gesellschaftlichem Engagement finden wir bei uns.Was mich auch sehr motiviert hat, waren diese Unterschiede bei den Einrichtungen und die Tatsache, dass unsere Erfahrungen zum bürgerschaftlichen Engagement in den neuen Bundesländern sich stark unterscheiden von dem,was man in einigen Untersuchungen darüber liest.Das wollen wir gerne einbringen. O< Ich komme aus dem Nachbarschaftshaus Bremen. Unser Haus ist in den fünfziger Jahren entstanden,ich arbeite da schon eine ganze Weile und mir ist der Zugang zu diesem Projekt auch deswegen sehr wichtig, weil ich gemerkt habe, dass bestimmte Haltungen in der Frage des Verhältnisses zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen überprüft werden müssen und dass das ein anderes Profil ergeben muss – was erwarten wir, was können wir erwarten, wann sind Bürger bereit, ehrenamtlich einzusteigen in bestimmte Tätigkeiten und wie gehen wir damit um. O< Ich bin seit zweieinhalb Monaten als Nachbarschaftshelferin in der Rollberg-Siedlung in Berlin-Neukölln tätig und arbeite eng mit dem Quartiersbüro ProRollberge zusammen. Und da das eine ganz neue Stelle ist und ich aus einem ganz anderen Beruf komme, zwar auch soziale Schiene,aber mehr aus dem medizinischen Bereich,hoffe ich,mir auf dieser Tagung einige Tipps holen zu können.

O> Ich komme aus Wien,leite ein Nachbarschaftszentrum.Bei uns ist es üblich,mit Ehrenamtlichen zu arbeiten. Den Verein gibt es seit 50 Jahren, er ist aus einer ehrenamtlichen Struktur heraus aufgebaut worden und deshalb haben wir auch bis heute sehr gute ehrenamtliche Strukturen.Was bei uns mangelt ist,junge Ehrenamtliche zu finden, dazu haben wir jetzt ein eigenes Projekt entwickelt.Es heißt »Help and fun«,wo man jungen Leuten auch was anbietet, was sie bei uns nutzen können an Infrastruktur und Einrichtungen und Ausflügen, aber dafür auch einen Deal mit ihnen macht,dass sie kurzfristig mitmachen bei Projekten und dann wieder aussteigen können. O> Ich komme vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Heidelberg. Wir haben in der Geschäftsstelle den Schwerpunkt in der Förderung von bürgerschaftlichem Engagement. So bin ich u.a. für die Freiwilligenbörse in Heidelberg verantwortlich. Wir haben aber auch eine ganze Reihe von anderen Anlaufstellen für bürgerschaftliches Engagement, von der Selbsthilfekontaktstelle bis zu Anlaufstellen für Menschen im dritten Lebensabschnitt, das ist ein Hauptschwerpunkt der Paritätischen Geschäftsstelle in Heidelberg. O< Ich gehöre zum Theater der Erfahrungen,das ist ein Projekt von,für und mit Senioren.Das Theater der Erfahrungen gehört zum Nachbarschaftsheim Schöneberg. Mein Motiv, hierher zu kommen, war eigentlich die Unterzeile im Titel des Workshops zum Selbstverständnis von sozial-kulturellen Einrichtungen und da habe ich die Frage, was ist mit den kulturellen Anteilen in sozial-kulturellen Einrichtungen? Ich habe die Befürchtung, dass der ein bisschen wegsackt in den letzten Jahren.

O> Ich bin Mitarbeiter im Projekt »Initiativenverbund für Bürgerarbeit« und war bis vor kurzem auch Mitarbeiter in einem Nachbarschaftshaus. An diesem Initiativenverbund für Bürgerarbeit beteiligen sich fünf Einrichtungen in Berlin,unter anderen auch das Nachbarschaftshaus Urbanstraße.Für jede dieser fünf Einrichtungen gibt es eine Unterstützerstelle und ich bin sozusagen die Unterstützerstelle für das Nachbarschaftshaus.Der Bezug zu ProBe besteht darin,dass wir von unserem Projekt aus auch Fragestellungen haben zum bürgerschaftlichen Engagement und dass wir da zusammenarbeiten.

O< Ich komme aus Wiesbaden und arbeite dort im Nachbarschaftshaus als Leiterin der Kindertagesstätte. Die Motivation für das Projekt ProBE war, dass wir am Anfang gesagt haben, wir wollen ein Hauskonzept entwickeln und überprüfen. Und im Rahmen dessen haben wir festgestellt,dass wir sehr viele Ehrenamtliche haben, insbesondere im Seniorenbereich.In den anderen Abteilungen sind kaum Ehrenamtliche vertreten und daraus kristallisieren sich viele Fragestellungen. Wir wollen Ehrenamtliche auch in anderen Bereichen haben. Wie sollte das vernetzt werden? Soll Ehrenamt eine bestimmte Position im Konzept erhalten, soll es da festgeschrieben werden und ähnliches?

O< Ich arbeite in dem gleichen Forschungsprojekt,bin in der Freiwilligenagentur »Treffpunkt Hilfsbereitschaft« angesiedelt und ich arbeite außerdem als Journalistin in einer europäischen Presseagentur.

O> Ich komme aus Potsdam,Bürgerhaus am Schlaatz, eine Einrichtung in der drittgrößten Plattenbausiedlung in Potsdam. Ich bin dort Mitarbeiter für Gemeinwesenarbeit und gehöre zu dem Kreis der Neugierigen hier.

O< Ich arbeite im Nachbarschaftsheim Mittelhof in Berlin und da in der Selbsthilfekontaktstelle.Wir nehmen teil an ProBE. Im Nachbarschaftsheim Mittelhof gibt es schon immer ehrenamtliche Beteiligung verschiedenster Art, im Laufe der Zeit mit wechselnden Schwerpunkten. Wir haben seit 1. Januar 1999 auch wieder den Auftrag, bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Das ist ein Arbeitsauftrag,eine Förderungsauflage für die zukünftigen Stadtteilzentren.Das war für uns Auslöser zu sagen, wir wollen gerne für diesen Arbeitsbereich, für diesen Arbeitsschwerpunkt »Förderung von bürgerschaftlichem Engagement« ein handhabbares Konzept entwickeln. Und wir haben die Chance ergriffen, mit diesem Projekt wieder in die Diskussion zu kommen.

O< Ich arbeite im Nachbarschaftshaus am Berl in Berlin-Hohenschönhausen. Uns gibt es als Verein seit 1991, seit einem Jahr haben wir dieses Nachbarschaftshaus.Wir machen ProBE eigentlich aus zwei Gründen mit.

O> Ich arbeite in der Geschäftsführung der Volkssolidarität Spree-Neiße e.V.und im Mitgliederverband spielt insbesondere im Seniorenbereich ehrenamtliches Engagement eine ganz große Rolle.

O< Ich bin aus dem Nachbarschaftshaus Wiesbaden und zuständig für den Bereich der Älteren ab 55.Und da ich da seit 17 Jahren in der Hauptsache mit ehrenamtlich oder freiwillig engagierten oder bürgerschaftlich enga-

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement


gierten Personen arbeite,habe ich mir gedacht,ich überprüfe die ganze Konzeption mal daraufhin,ob die Arbeit qualitätsmäßig in Ordnung ist oder ob man da nicht noch einiges verbessern kann. Ich habe mich zu dem Projekt entschieden,um die Qualität der Arbeit,die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen im Haus zu verbessern. O> Ich komme aus Hamburg-Ottensen,aus dem Stadtteilzentrum Motte e.V. Wir haben elf Werkstattprojekte im Haus,wo bis zu 150 Menschen ehrenamtlich arbeiten. Daneben haben wir 14 Hauptamtliche mit den entsprechenden hauptamtlichen Bereichen. Unser Verein, jetzt 24 Jahre alt, ist ehrenamtlich selbstverwaltet entstanden.Und diese ganze Entwicklung über zwei Jahrzehnte hinweg hat praktisch die Selbstverwaltung ad acta gelegt, was die Anforderungen an die Ehrenamtlichen betrifft.Es sind z.T.immer noch Leute da,die von Anfang an da sind, wie ich auch, auch im ehrenamtlichen Bereich. Und wir machen mit ProBE zusammen einen exemplarischen Versuch,die Holzwerkstatt mit den alten Holzwürmern, die da noch rumkriechen, wieder zu beleben und mit uns Hauptamtlichen und mit ihnen zusammen Wege zu erarbeiten, wie man neue Menschen mit neuen Konzepten ins Haus bekommt.Es ist nicht so,dass da nun keiner kommt,aber wir überprüfen damit auch die alten Werkstattstrukturen, die alten ehrenamtlichen und Selbstverwaltungsstrukturen.Das wird auch von der Behörde verlangt und es zeigt ja auch die Zeit, dass das nachgefragt wird. Deswegen entstehen ja solche Projekte. O> Ich bin mit Sicherheit Neuling und kann nicht über diese vielfältigen Erfahrungen berichten, wie Sie sie haben. Ich bin Geschäftsführer des Instituts für sozial-wissenschaftliche Analysen und Beratungen in Köln, kurz ISAB-Institut, und bin hier einfach dazugekommen, um ein bisschen zuzuhören.Drei Aspekte würden mich vor allem interessieren:Zum einen,wie sieht das aus,wenn sozial-kulturelle Einrichtungen bürgerschaftliches Engagement fördern,wie kann man sich das konkret vorstellen? Das zweite ist, wie Mitarbeiter in diesen Einrichtungen Engagement fördern – sehen sie einen Änderungsbedarf in ihrer Arbeitskonzeption,soll da irgendetwas geändert oder verbessert werden zur Förderung von Engagement? Und das Ganze interessiert mich vor dem Hintergrund, mir darüber klar zu werden, wie sich Ihre Förderung von bürgerschaftlichem Engagement unterscheidet z.B. von dem,was Freiwilligenagenturen oder Selbsthilfekontaktstellen oder Seniorenbüros machen. Die sagen auch, sie fördern bürgerschaftliches Engagement. Was ist da der Unterschied? O< Ich bin Projektleiterin für Familienbildung im Nachbarschaftshaus »Donizetti« in Mahlsdorf, Berlin-Hellersdorf. Ich gehöre auch zur Gruppe der Neugierigen, ich möchte mich informieren, was sich hinter ProBE genau verbirgt,weil wir uns in unserem Haus den Schwerpunkt gesetzt haben, bürgerschaftliches Engagement in Zukunft stärker zu fördern und ich erhoffe mir Anregungen für die Arbeit in dieser Hinsicht. O< Ich arbeite in einem Projekt in Köln-Chorweiler.Das ist ein Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf, da

stehen viele Hochhäuser und wir sitzen mit unserem Projekt quasi mittendrin in einem Hochhaus.Wir haben zwei Schwerpunkte, das ist einmal das Beschäftigungsprojekt, die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, und das zweite ist, vor Ort mit den Bewohnern neue Ansätze, neue Nachbarschaftshilfe zu initiieren. Das war auch der Grund, warum wir bei ProBE mitmachen, weil wir gesagt haben,wir möchten gerne evaluieren,was ist überhaupt da, also gibt es vielleicht sogar irgendwelche Leute, die sich schon engagieren, wovon wir aber nichts mitbekommen. Es ist ein multikulturelles Hochhaus, wir haben fast 90% Ausländeranteil, und wie ist das Verständnis von den einzelnen Kulturen zu diesem Thema, können wir die Leute motivieren? Birgit Weber: Ich leite dieses Projekt und bin Geschäftsführerin vom Verband für sozial-kulturelle Arbeit, Bundesverband,Köln. Eva-Maria Antz: Ich bin ebenfalls in der Projektleitung und möchte erst mal ein paar Sachen zum Projekt allgemein sagen. Es läuft jetzt seit einem Jahr und ist entstanden in der Zeit,als die Debatte um bürgerschaftliches Engagement sehr aktuell war,mit großer Beteiligung von Verbänden, die sagen: Ehrenamt ändert sich, die Leute sind nicht mehr da,es ändern sich Strukturen,es ändern sich Motivationen.Von der wissenschaftlichen Seite her wurde das intensiv beleuchtet und versucht,es differenziert zu erfassen. Es gibt von der Politik, von der Wirtschaft,eigentlich von allen Seiten diese Diskussion,die zu so einem Thema führt, aber auch natürlich ganz klar zu der Frage:Was heißt die konkrete Arbeit mit Bürgern und Bürgerinnen und was heißt es, Bürger und Bürgerinnen zu aktivieren? Die Motivation für den Verband war, genauer hinzugucken,was das in sozial-kulturellen Einrichtungen heißt. Und wir haben damals schon angenommen, dass die Palette der Einrichtungen sehr breit ist. Diese Vorstellungsrunde hat schon ein bisschen davon gezeigt, wie wenig vergleichbar zum Teil Einrichtungen sind,wie bunt Hintergründe sind,wie unterschiedlich die Strukturen sind,wie unterschiedlich auch die Ausrichtungen dieser Einrichtungen sind.Und damit diese Differenziertheit der Einrichtungen nicht verloren geht, sondern fassbarer wird, entstand dieses Projekt. Es entstand als ein sehr praxisorientiertes Projekt,wo mit Einrichtungen der Frage nachgegangen wird: was sind in unserer Einrichtung fördernde Bedingungen für bürgerschaftliches Engagement? D.h., die Einrichtungen sind nicht nur beteiligt als Befragte, sondern gehen selber diesen Fragen in ihrem Kontext nach und sind aufgefordert, sich anzuschauen, was für sie fördernde Bedingungen sind, was dazu gehört,um als Einrichtung Bürger und Bürgerinnen zu aktivieren und mit Ehrenamtlichen zu arbeiten. Der Aufbau des Projektes ist so vonstatten gegangen, dass wir erst mal zehn Einrichtungen besucht haben, die sich zurzeit daran beteiligen.Wir suchen aber auch noch neue Einrichtungen für die nächste Zeit, für einen kürzeren Projektrahmen.Wir haben für die Einrichtungen Material entwickelt,mit dessen Hilfe sie sich in ihrer Arbeit auf den Weg machen können. In den Vorstellungen ist schon verschiedentlich angeklungen,dass es zunächst einmal zu überprüfen gilt,was ist bei uns da,was ist mit unserem Auftrag,welche Strukturen haben wir uns gegeben,wie sieht unser Alltag aus,

wie können wir diese Dinge,die oft so selbstverständlich im Arbeitsalltag untergehen,in Angriff nehmen? Diese Phase,dass jede Einrichtung für sich geklärt hat,unter welchem Blickwinkel,unter welcher Fragestellung sie ihre Arbeit anschaut und dazu eine Bestandsaufnahme macht, hat eigentlich erst begonnen. Im zweiten Schritt wird dann ihre Position neu bestimmt: das sind die Punkte, an denen wir uns verändern können, an denen wir was verändern wollen oder auch an denen wir bewusst den Weg so beibehalten, wie er ist. Es muss nicht unbedingt immer darum gehen, alles umzustellen, sondern zu gucken,was ist gut und wo gibt es einen Veränderungsbedarf. Diese Phase wird wahrscheinlich bis April/ Mai 2000 dauern. Dann werden wir von der Projektleitung aus die Ergebnisse, die Bestandsaufnahme und Positionsbestimmung zusammenfassen und daraus ein Handbuch erarbeiten. So können die Erfahrungen, die hier gemacht werden, auch anderen zur Verfügung gestellt werden und deutlich machen, wie solche Prozesse laufen können. Das heißt jetzt nicht, dass über jede Einrichtung eine eigene Broschüre erscheint, sondern dass die grundlegenden Dinge darin sichtbar werden und dass die Vorgehensweise und die Erarbeitung der eigenen Position für andere nachvollziehbar und nutzbar wird. Soweit zu dieser Grundidee. Ich möchte jetzt die Anwesenden bitten,etwas aus ihrem bisherigen Weg zu erzählen.Das Projekt besteht jetzt genau ein Jahr und das ist für alle Einrichtungen ein gewisser Zeitraum, in dem neue Erfahrungen gemacht und vielleicht auch schon verarbeitet werden konnten. Ich möchte die beteiligten Einrichtungen bitten, zumindest einen kleinen Spot zu zeigen,in dem sie eine Sache schildern, die eher eine Bremse in ihrer Arbeit ist und ein Beispiel für ein besonderes Highlight.Das kann entweder eine Entwicklung oder eine Erkenntnis sein,etwas,was in dieser Zeit schon sichtbar geworden ist,was ihr als positive Überraschungen ansehen würdet. O< Unser Projekt ist ein bisschen später eingestiegen als die anderen, wir gehören zu dem äußeren Kreis. Es gibt einen inneren und einen äußeren Kreis. Vielleicht willst du noch was dazu sagen. Antz: Wir haben den Einrichtungen den Grad der Beteiligung selbst überlassen, d.h. dass jede Einrichtung den Zeitraum bestimmten kann,ob sie z.B.zwei Monate daran arbeitet oder ein halbes Jahr.Wir haben mit einem Teil der Einrichtungen vereinbart, dass wir dort noch einmal Workshops machen mit Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen oder mit wem auch immer das gewünscht ist.Dass wir also den Prozess mit einem Workshop unterstützen. Während andere gesagt haben,das sprengt unseren Rahmen, wir machen das als interne Geschichte; das hat die Bezeichnungen »innerer Kreis«, d.h.mit Workshops, und »äußerer Kreis« ohne Workshop,gebracht.Aber inhaltlich ist kein Unterschied da. Vorrednerin: Also, wir sind etwas später eingestiegen und deswegen ging das so ein bisschen hoppla-hopp, auch aufgrund der mangelnden Mitarbeiter, wir haben nur zwei volle Stellen.Es standen nicht so viele Leute zur Verfügung, die sich bereit erklärt hatten, daran intensiv mitzuarbeiten.Insofern hatte ich mich mit einer Kollegin aus einem anderen Gemeinwesenbüro, was auch mit

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dem Projekt zu tun hat, offiziell zusammengetan. Und wir haben uns erst mal auf den Weg gemacht, unsere Schwerpunkte zu erfassen, und haben dann aus den Fragen, die auch von ProBE kamen, einen ganzen Teil rausschmeißen müssen,weil wir einfach auf keine Historie zurückschauen können. Uns gibt es erst seit Oktober ‘98 und wir haben angefangen in einem völlig neuen Mitarbeiter-Team,es ist noch nicht so viel Greifbares vorhanden.Und ich denke,dass so eine Entwicklung immer ein Prozess ist, den wir auch begleitend mit ProBE machen können.Aber deswegen kann ich an diesem Punkt noch nicht allzu viel sagen.Wir haben uns einen Schwerpunkt gesetzt,auf den wir uns auch bald stürzen müssen, weil wir ja bis Ende des Jahres die Bestandsaufnahme abgeschlossen haben sollen – und das ist der multikulturelle Aspekt,den ich ja schon angesprochen habe.Es ist ganz wichtig zu gucken, was ist vor Ort vorhanden, was versteht jeder Einzelne darunter und was gibt es bereits für Formen von Ehrenamt.Und da das Projekt ja nach einem Jahr quasi schon wieder ausläuft, befassen wir uns jetzt mit so ganz fundamentalen Dingen wie Finanzen u.ä. Das macht das Ganze ein bisschen schwierig. Das Positive ist,dass wir auf diese Weise angefangen haben, endlich mal unsere Arbeit zu dokumentieren, also auch mit diesem zeitlichen Druck, und das nicht erst alles am Ende des Projektes machen müssen.

eine Unzufriedenheit der Ehrenamtlichen entwickelt.Sie werden ihren Ansprüchen an sich selbst nicht gerecht, weil sie nichts Innovatives aus den alten Arbeitsansätzen heraus entwickeln.Dazu kommt das veränderte Freizeitverhalten.Ottensen in Hamburg ist ein Stadtteil,der ähnlich wie Berlin-Kreuzberg mittlerweile die Kinder der Revolution von damals frisst, also es wird ein absoluter Schickimicki-Stadtteil. Die Fabrik in Hamburg ist bestimmt ein Begriff,die ist nur ein paar Meter von uns entfernt.Es sind dort ganz viele Theater,Filmindustrie,mittlerweile ist das Kleingewerbe verdrängt durch Werbefirmen, Computerfirmen, die normalen Leute können sich diesen Stadtteil nicht mehr leisten. Wir können das Gebäude aber nicht auf den Rücken nehmen und weggehen, sondern wir müssen mit den Menschen, die hier leben, versuchen andere Konzepte zu entwickeln. Wir kriegen Probleme mit der Behörde,die uns evaluiert,zwei Projekte im Jahr müssen dargelegt werden, das ist

Und da lebt auch die alte Idee wieder auf, Dinge mit Kindern und Eltern zusammen zu machen.Die Menschen, die da neu hinziehen, suchen natürlich Beschäftigungsmöglichkeiten für sich und ihre Kinder,die bewerben wir für unser Projekt Holzwerkstatt. Das Positive daran ist, dass dieses Projekt auch bei den acht Leuten in der Holzwerkstatt angenommen wird.Sie haben auch schon einen Entwurf für einen neuen Flyer gemacht,organisieren einen Tag der Offenen Tür,wo sie sich im Stadtteil bei den Menschen bekannt machen wollen. Das ist ein kleines Pflänzchen auf diesem Gebiet, für die Werkstattgruppe auch, wir hoffen aber, dass das auch Auswirkungen auf die anderen Werkstattprojekte hat.

Bedingung der Mittelvergabe. Wir haben insofern noch Selbstverwaltung, weil wir hauptamtlich die Finanzen und alles selber machen. Diese Veränderung des Stadtteils auf der einen Seite,und auf der anderen Seite das gespeicherte Wissen der vielen alten Hauptamtlichen im Haus, was damals möglich war, was heute unter ihren geänderten persönlichen Verhältnissen nicht mehr möglich ist, sie aber immer noch diesen alten Anspruch vor sich her tragen:bei uns ist alles am schönsten und am besten und alle Leute kommen von selber in dieses Haus – diese Widersprüche sind eine riesige Bürde.Deshalb hatte ich versucht,neue innovative Ansätze zu entwickeln.Es reicht auch nicht,anstatt einer Hobelbank einen Computer hinzustellen,sondern dazu gehört noch viel mehr.Wir begreifen auch diese Werkstatt als Mittel zum Zweck in Richtung Gemeinwesenarbeit, Arbeit mit Menschen im Stadtteil zu machen. Jetzt ist es so, dass wir in Zusammenhang mit ProBE gezwungen wurden, uns zu bewegen, und die Ehrenamtlichen sind unter diesem Druck auch bereit dazu. Wir haben jetzt ganz konkret einen Stadtteil, der neu entsteht in Altona-Ottensen. Das gibt uns die Möglichkeit, in Wohnprojekten neu zu werben.

Vorredner: Das sind sowieso autonome Werkstattgruppen. Die Hauptamtlichen haben sich sehr wenig darum gekümmert. Ich habe im Verein jahrelang Jugendarbeit gemacht und bin jetzt als Werkstattkoordinator »umgewidmet« worden, um als fester Ansprechpartner mit ihnen zusammenzuarbeiten.Die Bremse ist,wir haben immer am Tag der Offenen Tür Stelzen gebaut und wir haben keine Lust mehr, Stelzen zu bauen. Wir wollen was Neues machen.Aber häufig fehlt einfach die Zeit.Und es fehlt praktisch so eine Transmission von Kontinuität.

Antz: Kann man sagen, dass die Bremse eher das alte Verständnis ist und positiv ist, dass jetzt auch die Ehrenamtlichen eine neue Initiative ergreifen und nicht nur die Hauptamtlichen?

Antz: Die Bremse ist die Tatsache,dass dieses EU-Projekt sehr jung ist, noch keine entwickelte Struktur hat und nun fast schon zu Ende ist. Vorrednerin: Wir überlegen, wie es weitergehen kann und ob es überhaupt weitergehen kann. Und wir versuchen,uns alle Visionen,die man sich vorstellen kann,anzuschauen, um herauszufinden, wo man das Geld herkriegt. Es ist finanziert durch EU-Gelder und vom Land Nordrhein-Westfalen. Und das beinhaltet eine zeitliche Begrenzung von jeweils zwei Jahren.So sind die meisten dieser Projekte limitiert. O> Und ihr als Mitarbeiter,seid ihr ABM,oder? Vorrednerin: Ja. Im positivsten Fall sollten alle zwölf Teilnehmer unserer Maßnahme nach einem Jahr in Arbeit sein – und wir werden dann arbeitslos. Aber wir schauen, ob wir für uns selber auch eine Arbeit schaffen können. Unserer Ansicht nach ist es so, dass die Teilnehmer am Projekt auch ganz klar Interesse zeigen, was sie tun wollen,aber erst mal über die ehrenamtliche Schiene versuchen, dies als Sprungbrett zu nutzen, um sich wieder eine eigene Arbeit zu kreieren.Was völlig legitim ist, meiner Meinung nach. O> Bei uns in der Motte ist es so,dass wir exemplarisch die Holzwerkstatt rausgesucht haben. Stichpunkte zur Entwicklung bei uns sind eben selbstverwaltetes Zentrum, ‘76 gegründet mit ausschließlich ehrenamtlicher Beteiligung, dann Anfang der 80er Jahre Stellen eingeworben, offene Türen bei den Behörden gefunden, toll. Wir müssen mit unserem gesamten Verein fast 3.000 qm bespielen, was dazu führt, dass auch eine Pflicht für die Ehrenamtlichen besteht, in ihren Bereichen offene Termine anzubieten.Und sie gewährleisten diese Grundversorgung auch.Aber es hat sich im Laufe der Zeit auch

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O< Nachbarschaftshaus Wiesbaden. Das Positive möchte ich vielleicht mal zuerst sagen, dass sich die Abteilungsleiter doch positiv dazu stellen, dass wir uns gemeldet haben für dieses Projekt. Denn es ist bei uns im Haus außerordentlich schwer,mit Ehrenamtlichen zu arbeiten, außer in meiner Abteilung, aber die Bereitschaft war positiv. Positiv war auch, dass wir im Haus einen Schaukasten von allen Abteilungen fertig gekriegt haben, wo die Arbeit in ihren Abteilungen, die mit Ehrenamtlichen läuft,dokumentiert wird und gleichzeitig festgestellt wird, wo suchen wir überhaupt Leute, die sich


bürgerschaftlich engagieren und welche Möglichkeiten gibt es in den verschiedenen Abteilungen,wobei die Ehrenamtlichen selber meinten, dieser Schaukasten ist an der völlig falschen Stelle,der ist nicht da,wo die meisten Leute laufen, der wird gar nicht genug beachtet und ist auch nicht peppig genug aufgemacht.Das zum Schwierigen an der Geschichte. Deswegen habe ich mir die Mühe gemacht, von den Ehrenamtlichen Fotos in eine Foto-Collage zu binden und daneben zu schreiben, in welchen Positionen Ehrenamtliche bei uns tätig sind,sei es,dass sie eine Bibliothek neu ordnen,eine Gruppe oder einen Kurs leiten oder eine Zeitung herstellen.Alle Ehrenamtlichen haben eine institutionalisierte Form, wo sie sich äußern können und wo sie eine feste Ansprechpartnerin haben,zumindest in meiner Abteilung.Das ist eine monatliche Beiratssitzung, wo alle gewählten Vertreter drin sind,vor allem auch alle Ehrenamtlichen,die mit mir rechnen können.Eine Schwierigkeit im Haus ist,dass das in anderen Abteilungen noch nicht so geklärt ist und dass das jetzt ein Thema ist, wie kann eine Abteilungsleiterin es sich zumuten,mit Ehrenamtlichen zusätzlich zu arbeiten,denn Arbeiten mit Ehrenamtlichen heißt Mehrarbeit und nicht weniger Arbeit, weil Ehrenamtliche für einen Arbeit machen. Die machen nämlich eine ganz andere Arbeit als man selber und ersetzen auch die eigene Arbeit nicht, sondern sie verlangen, dass mit ihnen gearbeitet wird,dass man Ansprechpartner für sie ist.Und wofür wir uns entschieden haben, ist, zumindest mal einen Neujahrsempfang für alle Ehrenamtlichen im Hause zu machen,um ihnen die Möglichkeit zu geben,auch die Anerkennung zu sehen, nicht eine Ehrennadel, sondern eine offizielle Anerkennung neben den Kursleitern. Was wir uns wünschen, ist ein Tag mit Seminarcharakter, wie wir es mit ProBE und der Projektleitung zusammen machen. O< Nachbarschaftsheim Mittelhof. Du hattest vorhin gesagt, seit einem Jahr läuft das Projekt.Also für unsere Einrichtung läuft es seit Mai.Im Mai haben wir uns das erste Mal getroffen. Ich habe mir drei Highlights aufgeschrieben und sag mal das eine zuerst, weil mich das so ein bisschen belastet. Ich bin jetzt an dem Punkt der Befragungen,habe auch schon mehrere Befragungen gemacht, und durch unsere Einrichtung geistert immer so ein Mythos. Es gab Mitte der 80er Jahre eine Zeit, in der sehr viel ehrenamtliche Arbeit geleistet wurde, da war unser ganzes Café noch ehrenamtlich, es gab sehr viel mehr im Vergleich zu heute, es gab auch viele Kurse, die ehrenamtlich angeboten wurden und es gab einfach so eine große Familie von Ehrenamtlichen,die ganz viel getragen haben.Und für uns Hauptamtliche heute geistert das immer so rum.Es war eine total gute Zeit,alle haben ganz viel bewirkt und miteinander gemacht und am Wochenende auch. Mittlerweile habe ich mitgekriegt, dass das alles irgendwie doch nicht so klasse war und dass es ganz vielen in dieser Zeit auch nicht so gut ging. Und es gab z.B.keinen,den sie ansprechen konnten,keine professionelle Struktur da drüber. Das ist doch auch entlastend, wie es heute ist. Die Bremse, kann ich ganz klar sagen,ist mein Arbeitsalltag.Alles,was wir nicht geschafft haben, was ich nicht geschafft habe, was auch in meinem Arbeitszusammenhang nicht möglich ist – zu sagen,ich nehme mir fünf Stunden pro Woche nur für dieses Projekt – das geht nicht. Sondern das läuft alles nebenher und meine normale Arbeit ist da. Im Moment

passiert im Bereich Ehrenamt, also nicht bürgerschaftliches Engagement,ganz viel Neues,es melden sich viele, die sich einbringen wollen. Antz: Kam da noch eine Bremse? Vorrednerin: Wir haben sehr viele Bremsen. z.B., dass Ehrenamtliche kommen und eine völlig falsche Einschätzung von ihrer eigenen Leistungsfähigkeit haben.Das ist dann auch was,wo es einen Konflikt geben kann oder wo man gucken muss, wie kann man das auf eine gute Art und Weise angehen. Dass sie lernen, ihre eigenen Möglichkeiten real einzuschätzen.Es kam z.B.eine Ehrenamtliche,um in der Erziehungsberatung tätig zu werden,und da gibt es ja bestimmte Anforderungen, die an die professionellen Helfer gestellt werden. Da kann man nicht einfach jemanden,der im Grundberuf etwas ganz anderes gelernt hat,schnell in eine Profession einbinden – das geht nur in begrenzten Bereichen. O< Highlight:Wir leben in einem Sanierungsgebiet in Bremen, und ich habe erreicht, dass an unser Haus zumindest im Sommer ein Café angebaut werden kann.Da sind ein paar Hunderttausend Mark geflossen, das war schon ein besonderes Highlight für mich.Und dieses Café, das da mal entstehen wird,wird auch über ehrenamtliche Mitarbeiter betrieben werden. Es soll ein Dielendienst eingerichtet werden.Wenn man in das Haus reinkommt, gibt es einen runden Tisch,da wird man empfangen.Das ist ein ehrenamtlicher Dienst, der dort verrichtet wird, um dann in die entsprechenden Räume zu geleiten oder abzukassieren usw.Die Aufgaben, die zukünftig auf diese Gruppe von Menschen zukommen wird, wird anders sein als ich sie mir vorgestellt hatte, als ich hier mitmachen wollte.Ich muss mir auch jetzt noch für mich selbst was Neues überlegen, um mein Profil herauszukriegen, muss auch überlegen,was brauche ich für Mitarbeiter im ehrenamtlichen Bereich, was müssen sie können, wo muss ich ihnen Hilfestellung geben, damit sie die Arbeit bewältigen.Der Hemmschuh ist die Alltagsarbeit.Vor drei Tagen, bevor ich hierher kam, kriegten wir einen Brief vom Finanzamt. Das Finanzamt erwartet jetzt, dass wir darlegen, warum wir Jugenddiscos machen, die seien doch gewerbesteuerpflichtig. Die allgemeine Lebensberatung, die nachbarschaftliche Beratung sei nicht Gegenstand unserer Tätigkeit,das sei also mittlerweile alles gewerbesteuerpflichtig und wir müssten doch bitte schön mal darlegen, was wir für Einnahmen hätten, wie das abzugrenzen sei – Verkauf von Getränken und solche Geschichten.Das sind Dinge,die halten auf. O< Wir machen dieses Projekt ProBE nicht nur als Nachbarschaftshaus mit,sondern als Verein,der sehr viele ehrenamtliche Projekte hat.Und dass alle Projekte gesagt haben,sie wollen da ebenfalls mitmachen,das ist für mich das Schönste.D.h.,wir können nicht nur sagen,was passiert in dem Haus, sondern was passiert in den einzelnen Projekten, vom Konzept angefangen bis hin zur Arbeit Hauptamtlicher und Ehrenamtlicher. Das ist erst einmal für uns eine gute Sache gewesen. Die zweite Sache,durch die ich mich bestätigt fühle,ist,dass die ersten Menschen, die wir befragt haben, sagten, sie wollen kein Geld für gesellschaftliches Engagement, sie wollen keine Auszeichnung für ihr Engagement,ihre Motivation

ist eindeutig der Spaß an der Sache, eine eigene Betätigung zu finden,eigene Weiterbildung damit zu verknüpfen,das sind die wichtigsten Dinge.Und die ersten Befragungen, die wir gemacht haben, zeigen auch, dass wir neue Menschen angesprochen haben,sich stärker zu engagieren. Das sind für mich ganz tolle Bestätigungen. Andererseits ist auch deutlich,dass viele das Wort Ehrenamt ablehnen, gerade jüngere Menschen wollen nicht einmal gesellschaftlich aktiv genannt werden, sie machen es in erster Linie nicht für die Gesellschaft, sie machen es für sich.Also freiwillige Arbeit,Engagement – ja, weil sie es immer schon gemacht haben und weil sie es selber wollen.Da müssen wir uns gut überlegen,wie stellen wir dar,dass wir an zusätzlichem Engagement interessiert sind, und wir werden diesen Begriff Ehrenamt sicherlich aus unserem Sprachgebrauch streichen. Das ist der Stand. Noch ein Highlight: Unsere eine Kita ist recht interessant in das Projekt eingestiegen,weil sie erst einmal festgestellt hat,seit sie in die freie Trägerschaft übernommen wurde,ging die ehrenamtliche Arbeit ruckartig zurück. Es wurde sofort alles dem Träger zugeschoben, man konnte gut sofort meckern, aber auch Probleme klären, Lösungen finden, ohne dass andere Leute notwendig waren.Über die Befragung haben wir jetzt wieder einen Schub gekriegt:Eltern wollen sich engagieren, Eltern wollen gefragt werden,und Kinder wollen sich engagieren, Kinder wollen gefragt werden. Also auch aus unterschiedlichen Altersgruppen gibt es ein Potenzial, sich engagieren zu wollen. Das Problem ist die zeitliche Belastung, die sich daraus logischerweise ergibt, alleine 30 Befragungen usw., alle Konzepte durchzulesen, das kostet einfach Zeit, aber es macht Spaß. Manche sagen schon mal:du nervst.Aber es hat sich noch keiner zurückgezogen, sondern die Spannung bleibt erhalten, was auch nützlich ist für das eigene Projekt, dies zu entdecken. O> Die größte Bremse bei uns war bisher,dass wir das Projekt nicht in alle Arbeitsbereiche reintragen und seine Wichtigkeit auch nicht vermitteln konnten. Alle sind sowieso schon so belastet und sich jetzt noch mit so einem Projekt beschäftigen,kostet viel Kraft und Mühe.Deshalb meine Hoffnung,dass ich mir durch Zusammenarbeit mit einem anderen Projekt da vielleicht mehr Unterstützung holen kann. Als Highlight kann ich sagen, dass wir im Rahmen des Aufbaus einer Freiwilligenagentur konkret in alle Arbeitsbereiche gehen und nach den Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement fragen.Wir nehmen auch die eigenen Projekte auf und die Projekte, in die vermittelt wurde und somit werden da Fragen abgeklopft und benannt und das ist schon mal positiv zu sehen. Aber auch der Prozess, Hauptamtliche und Ehrenamtliche in einen Dialog zu bringen, den Schritt zu machen,ist ein unheimlicher Aufwand.Aber dass was dabei rauskommt,davon bin ich überzeugt. Antz: Ich möchte, dass wir jetzt ins Gespräch kommen, nachfragen oder auch Probleme rausfiltern. Ich hatte eine Reihe von Themengegenständen mitgebracht. Zu jedem wollte ich was erzählen.Aber damit ich mich jetzt nicht verheddere,mache ich eine Miniauswahl. Klemmzwinge: Sie ist einer der Gegenstände, der für Schwierigkeiten steht, die zum Teil sehr massiv sind. Sie steht dafür, dass

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die,die das Projekt durchführen,auch eingeklemmt sind zwischen den Anforderungen des Alltags, angefangen von Jahresplanung, über Finanzsachen bis zu Teambesprechungen, das ist ja in mehreren Beispielen angeklungen. All dies ist eine massive Größe, die diesen Prozess auch schwierig macht und beeinflusst und mit der man umgehen muss. Blatt mit Punkt in der Mitte und Pfeilen in alle Richtungen: Das ist ein Bild,das die Vorgehensweise ausdrücken soll. Wir haben am Anfang alle Einrichtungen aufgefordert, ihre Frage, mit der sie das Thema bürgerschaftliches Engagement anpacken wollen,in einer Fragestellung auf den Punkt zu bringen. Jeder muss das für sich machen, und das ist in der Tat schon ein wichtiger Prozess gewesen.Bei manchen ist er auch noch im Gange,die erst später dazu gekommen sind. Es bringt intern etwas in Bewegung.Es erfordert bestimmte Formen der Konzeptionsarbeit, der Bewegung, der Teamarbeit, der fachbereichsübergreifenden Kommunikation und das war und ist eine sehr wesentliche Anforderung. Bei diesem Aufden-Punkt-Bringen – das sind die Pfeile – gibt es Fragen, die hin- und hergehen. Bei der Formulierung einer zentralen Frage tun sich viele neue auf, es entsteht manchmal eher eine Verwirrung und Fülle,als dass es leicht ist, die Mitte zu treffen.Manche haben schon ganz konkrete Fragen, wie das Stichwort Mitbestimmung, aber so ein Stichwort bringt ja auch wieder Neues, allein die Frage, wie fallen überhaupt Entscheidungen? Was sind überhaupt Mitbestimmungsstrukturen? Es gibt sicher auch einen Spagat in der Anforderung,die inhaltlichen Fragen und die Projektplanung voranzutreiben,also sich inhaltlich auf die Spurensuche zu machen,wer macht mit,wie kriege ich das in andere Fachbereiche,wie kriege ich das in Präferenzen,das ist ja dann oft auch eine Doppelrolle, die eine zusätzliche Anforderung darstellt. Buntstifte und Liste der beteiligten Einrichtungen: Das Dritte ist die Buntheit, die bei diesen Einrichtungen entstanden ist.Da es uns, und das ist ein selbstkritischer Punkt,bisher nicht in ausreichendem Maße gelungen ist, den Querschnitt zu bekommen,wie er in dem Projekt eigentlich geplant war,machen wir in den neuen Ländern noch mal einen neuen Schritt und beziehen zusätzliche Einrichtungen mit ein. Bei denen, die dann letztendlich bei der Stange geblieben sind und die es auch in ihren Kapazitäten untergebracht haben, haben diese Fragestellungen sehr unterschiedliche Färbungen,sehr unterschiedliche Richtungen.Es fällt auf,dass unterschiedliche Begrifflichkeiten benutzt werden. Hier in der Runde ist sehr oft das Wort Ehrenamt gefallen.Das ist nicht für alle Einrichtungen so.Wir haben uns entschlossen, wir sprechen von unserer Seite aus von bürgerschaftlichem Engagement und Ehrenamtlichen- und Freiwilligenarbeit,weil in den Einrichtungen die Grenzen fließend sind und manche sich sehr stark mit der Frage beschäftigen, was heißt bürgerschaftliches Engagement,während andere eher an dem Punkt sind,was heißt für uns die Arbeit mit Ehrenamtlichen. In Baden-Baden ist ein Stadtteilzentrum, das in einem Stadtteil mit einem sehr hohen Ausländeranteil liegt.Das Stadtteilzentrum hat ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ist aber an dem Punkt zu fragen, was heißt dann darüber hinaus bürgerschaftliches Engagement mit anderen Mitbewohnern des Stadtteils,die zum

Teil noch nicht einmal normale bürgerliche Rechte haben. Es ist die Frage: was für Strukturen von Nachbarschaftshilfe gibt es schon,die vielleicht gar nicht bekannt sind, die gar nicht sichtbar werden. Und da ist die Überprüfung des eigenen Konzeptes notwendig, ebenso wie die Frage, wie erweitern wir es in Richtung auf ganz bestimmte Zielgruppen. In Berlin-Hohenschönhausen ist der Begriff Ehrenamt noch drin. Du sagtest gerade, ihr werdet ihn wahrscheinlich streichen.Auch die Frage,wie können wir neue Gruppen aktivieren, ist angeklungen. Das Bürgerzentrum Ehrenfeld ist ein Bürgerzentrum in Köln,das ursprünglich auch von Ehrenamtlichen gegründet wurde,das aber eine Phase von Professionalisierung erlebt hat. So fragen sich die Mitarbeiter: was heißt für uns heute,uns zu öffnen durch bürgerschaftliches Engagement; aber auch diesen Dienstleistungsgedanken zu überprüfen,ob der alles ist oder ob es da nicht eine neue Zielrichtung gibt.Die Motte in Hamburg hat sich gerade selber vorgestellt,da ist mittlerweile der Ausschnitt noch kleiner geworden, als es hier in dieser Fragestellung steht.Da geht es jetzt um den Werkstattbereich als einen exemplarischen Bereich. Sie ist davon weggekommen, die ganze Einrichtung zu überprüfen, sondern will die Öffnung und neue Wege in einem Bereich exemplarisch ausprobieren und das dann in die Breite geben.Was irritiert uns daran,wie die Arbeit bisher war,und wo gibt es was,was uns in Bewegung bringt oder verändert? O> Mich würde mal interessieren bei der Motte: von wem geht der Aktivierungswunsch aus? Von den Hauptamtlichen oder von den Ehrenamtlichen? O> Für mich ist die Begriffsdiskussion um das Wort Ehrenamt interessant, die führen wir ja europaweit. Ich glaube,wenn man einen neuen Begriff schafft,ist man in zehn Jahren wieder so weit,dass der konservativ ist,dass die Leute sich damit nicht identifizieren können. Vielleicht kann man viele Begriffe nehmen dafür – oder einfach Mitarbeiter.Man merkt,dass gerade die Jugend mit Ehrenamt nichts anfängt; es gibt aber auch sehr viele Freiwillige,die wirklich das Ehrenamt wollen,die Leute in den Vorständen z.B., ich kann das nicht abschaffen, die sind wichtig. Antz: Die Begrifflichkeit ist interessant, wie sehen die Einzelnen das, oder wer definiert sie sehr deutlich und wer geht mit unterschiedlichen Begriffen um? Steigen wir doch mal ein mit der Frage, von wem geht die Aktivierung aus? O> Es ist ihr eigener Anspruch,der sie treibt,die Vorstellung:ich gehe da hin,ich mache die Werkstatt auf,ich vermittle mein Wissen an andere, ich habe Spaß mit denen zusammen.Aber dann kommen die Ehrenamtlichen genauso wie die Hauptamtlichen in so einen Alltagstrott und das reicht ihnen irgendwann nicht mehr. Sie haben auch schon seit Jahren gefordert,der Verein möge einen Hauptamtlichen als Ansprechpartner für sie zur Verfügung stellen, der freigestellt ist, um neue Ideen auszuhecken.Und das hat der Verein jetzt möglich gemacht.Ich denke, die Triebfeder für Veränderung ist die eigene Unzufriedenheit. Antz: Geht so eine Öffnung,Aktivierung von der Einrich-

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement

tung aus oder ist es auch eine Unzufriedenheit der Ehrenamtlichen,die etwas in Bewegung bringt? Wie aktiviere ich die Bürgerinnen und Bürger, oder kommt da was Neues von allein von außen? Die Quäker z.B. haben über die Vermittlung einer Freiwilligenagentur plötzlich neue Leute im Haus gehabt,die gesagt haben,sie wollen was tun und dann standen diese fremden, neuen, nicht im Haus aufgewachsenen Menschen,die z.T.nicht mal im Stadtteil wohnen, plötzlich vor diesem klassischen Nachbarschaftsheim und sagten, was können wir hier tun? Und da wurde erst deutlich, dass es mit so einem Satz – wir brauchen, wir suchen – noch nicht getan ist. Sondern das ist auch eine ganz besondere Herausforderung an die Einrichtung,nicht nur an Hauptamtliche. O> Wer hat denn eigentlich diese Fragestellung in den Einrichtungen formuliert? Waren das die Hauptamtlichen oder waren das gemischte Teams aus freiwillig Engagierten und Hauptamtlichen? Wie sind diese Fragestellungen zustande gekommen? O< Wir haben versucht,die Arbeit im Haus paritätisch zu verteilen, zwei Hauptamtliche und zwei Engagierte. Eine ist im Vorstand und eine macht andere engagierte Arbeit, so dass wir denken, dass wir da mehrere Sichtweisen koordinieren konnten.Und da ging es bei uns speziell um die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen. Wir haben jetzt noch die alte Bezeichnung, aber eine dieser Ehrenamtlichen lehnt diese Bezeichnung total ab und bezeichnet sich als engagierte Frau, aber nicht als ehrenamtlich tätig.Auf dem Feld der Ehre sterben,sagt sie,da hat sie negative Assoziationen. Antz: Bei der Hälfte der Einrichtungen gibt es von der Organisationsform her gemischte Teams, eine Hauptamtliche und ein Ehrenamtlicher aus dem Vorstand, manchmal gibt´s so richtige Arbeitsteams oder Initiativen,hier gibt´s auch einen Dreierkreis.Also bei der Hälfte sind Ehrenamtliche in diesen Prozess schon einbezogen worden, bei der anderen Hälfte nicht, weil es sie entweder nicht gibt oder das irgendwie anders gelaufen ist. O> Also Teams heißt sozusagen Projektgruppen für ProBE. O< Aufgrund der Tatsache, dass unsere Einrichtung nicht auf eine Tradition von Ehrenamt zurückblicken kann und wir auch zurzeit keine Ehrenamtlichen haben, würde mich interessieren, wie das in den anderen Einrichtungen ist.Sind Ehrenamtliche eigentlich Leute, die eingebunden sind,die eine Arbeitsstelle haben und irgendwo sozial abgesichert sind und eigentlich eine Aufgabe hätten,sich aber zusätzlich noch ehrenamtlich engagieren? Oder geht der Trend eher dahin,dass es immer mehr Leute gibt,die arbeitslos sind,nicht wissen,was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen und sich deshalb engagieren? O> Es geht durch eine Vielzahl von Studien, dass die Mehrzahl Leute sind,die über einen Job abgesichert sind. O< Oder Rentner, und zwar ausreichend gut bezahlte Rentner,also nicht unbedingt Sozialhilfeempfänger. O< Bei uns ist die Mehrzahl entweder durch Rente,Vor-


ruhestandsregelung oder dadurch abgesichert, dass der Ehemann was verdient und die Hausfrau es sich leisten kann, sich zu engagieren. Aber es ist keine einzige arbeitslose 25-Jährige dabei.Die arbeitet dann im Arbeitskreis Soziale Dienste und verdient sich ein Zubrot. Aber das ist dann eben was anderes.Oder die 630-Mark-Jobs. O< Das ist für mich ein neuer Aspekt und ich denke, vielleicht ist das auch die Schwierigkeit bei uns,Leute zu motivieren, weil wir es ausschließlich mit Sozialhilfeempfängern oder Arbeitslosen zu tun haben. O> Das ist bei uns ähnlich, wobei aber durch Betroffenheit in dem Sinne,dass es um die eigenen Kinder geht, wieder Bereitschaft entsteht, sich einzubringen und zu engagieren. O< Das klassische Ehrenamt ist offenbar nicht mehr so sehr gefragt. Aber Engagement, dass man Müttergruppen oder Bürger- oder Mietergruppen gründet, auch in einer Obdachlosensiedlung,das ist durchaus möglich. O> Was ist bei euch klassisches Ehrenamt? Allgemeines Gelächter und: Das ist vielleicht die Hauptfrage! Antz: Wer benutzt den Begriff bürgerschaftliches Engagement für das,was bisher läuft oder für was Neues oder für was anderes? Vorredner: Wir benutzen beides. O> Freiwilliges oder bürgerschaftliches Engagement ist eher der Begriff,der von den Hauptamtlichen benutzt wird.Weil die, die sich gesellschaftlich engagieren, eher sagen würden, ich engagiere mich gesellschaftlich oder politisch.Ich hätte früher selbst in so einer Gruppe nie gesagt, ich würde mich bürgerschaftlich engagieren. Und wenn ich jetzt die Leute im Haus frage,engagiert ihr euch bürgerschaftlich, dann würden die sagen, nein, wir wollen in der Gesellschaft was verändern. Antz: Die Definition geht also eher nicht über das Amt und auch nicht über das Bürger-Sein, sondern über die Zielrichtung,über das Engagement,ob nun gesellschaftlich,politisch,sozial oder kulturell. O> Bei uns im Verein in Wien ist dadurch,dass das seit 50 Jahren so entstanden ist, das Ehrenamt ganz klar definiert.Was ein Ehrenamtlicher bei uns darf und wie er es kann.Es gibt Aufnahmegespräche,Ausweis,Screenings, was er machen kann und wie viele Stunden er das in der Woche macht. Das ist auch zu seinem Schutz, dass sein Engagement nicht überstrapaziert wird.Die Arbeit ist gut strukturiert, aber es gibt nebenher in den Nachbarschaftszentren bei uns dieses Modell der bürgerschaftlichen Partizipation,so nennen wir das.Da kommen Leute, die machen mit bei einer Veranstaltung, die wollen sich aber nicht als Ehrenamtliche eintragen lassen.Es möchte z.B.jemand eine Theatergruppe gründen und macht das freiwillig fürs Gemeinwesen,das sind Freiwillige,die passen überhaupt nicht in unser Schema. Deswegen haben wir ja jetzt nachgefragt zum klassischen Ehrenamt.Weil

solche Leute ja auch Ehrenamtliche sind oder Freiwillige oder was auch immer.Da haben wir das Begriffsproblem. Aber ich bin draufgekommen, dass es gut ist, ganz viele Begriffe zu haben, weil es Leute bei uns gibt, die wollen die alten Begriffe und die damit verbundene Wertschätzung, die gehen auch herum mit Sticker »Ich bin Ehrenamtlicher«,ja,warum nicht,es gibt ja auch die Sticker »Ich bin Friedensbewegter«.

pe,die keinen Leiter mehr hat,am Leben erhält,dann suche ich eine engagierte Person, die bereit ist, das in Zukunft zu übernehmen. Und da würde ich nie den Begriff »bürgerschaftliches Engagement« benutzen,weil es wirklich hinter jedem dieser Begriffe eine andere Zielvorstellung gibt. Dagegen würde ich jeden, der gewählter Vertreter in einem Beirat oder im Vorstand ist, mit dem Wort »Ehrenamtlicher« bezeichnen.

O< Ich empfinde diesen Begriff immer ein bisschen als Etikettenschwindel. Weil die Leute, die bei uns ehrenamtlich spielen,seit fast 20 Jahren dabei sind und Theater machen. Das Ehrenamtliche daran ist eben, dass sie ihre Stücke selber erfinden und dann in weit entfernte Einrichtungen wandern und dort spielen,das ist eben der soziale Charakter. Sie spielen in Senioreneinrichtungen, Kulturhäusern und Krankenhäusern usw.Da ist ihnen keine Mühe zu groß,dahin zu fahren und ihre Stücke zu zeigen. Und irgendwann haben wir ihnen eben dieses Etikett Ehrenamt rangeklebt wegen der Versicherung und was weiß ich,damit sie,wenn sie von der Bühne stürzen, versichert sind.Dann haben sie gesagt,o.k.,dann sind wir eben Ehrenamtler, aber ihnen war das im Prinzip schon sehr wurscht.Das sind einfach Leute,die was tun wollen, Kultur machen wollen, und das wars, Ende aus. Und von daher ist es auch egal, ob man sie Ehrenamtliche, Freiwillige oder Volunteers oder was sonst noch in der Debatte war,nennt.

O> Aber auf der anderen Seite spreche ich auch von meinen Mitarbeitern als engagierten Menschen.

Vorredner: Aber es ist eine versicherungstechnische Frage und auch eine Geldfrage für uns von der Gemeinde Wien, weil wir ja diese Arbeit auch abrechnen.Wenn ihr sagt, ihr habt 2.500 Ehrenamtliche, dann schaut es besser aus, als zu sagen, wir haben 500 und die anderen, ja die nenne ich irgendwie anders.Dann wird´s schwierig. O< Ich wollte noch einen Zusatz loswerden.In den letzten 10-15 Jahren, seit wir das Etikett des Ehrenamtlers haben, bemühen sie sich mehr, sie fühlen sich honoriert für eine Sache, die sie früher nur aus Spaß gemacht haben, jetzt sind sie wer. Es ist ganz komisch, dass sie das Soziale erst am Begriff Ehrenamt gemerkt haben,was sie wirklich einbringen und leisten,das haben sie erst durch diese Zuordnung begriffen.Und ich finde, sie leisten ohnehin viel dabei. Und da war der Begriff und ab und zu eine Ehrennadel auch nicht schlecht,um das einfach aufzuwerten. Antz: Auf den ersten Blick kann man sagen, es ist egal oder man kann sich in theoretischen Diskussionen verlieren. Auf den zweiten Blick ist es aber doch wichtig zu klären,was meine ich damit.Und wenn ich sage,ich suche Ehrenamtliche, was für eine Erwartung steckt darin. Wenn ich sie als Ehrenamtliche bezeichne,was erfordert das für eine Haltung bei einem Hauptamtlichen,bei einer Einrichtung? Geht´s da um Mitarbeit? Was ist Aktivierung? Von daher ist es überhaupt nicht egal und auch nicht beliebig,sondern der Begriff ist immer ein Ausdruck von bestimmten Zielen, Anforderungen und Vorstellungen.Und das zu klären lohnt sich. O< Ein Beispiel:Wenn ich jemanden zur lokalen Agenda vermittle,denke ich eher an bürgerschaftliches Engagement.Suche ich aber jemanden, der die Fahrradgrup-

O> Bei dem Wort »engagiert« muss ich noch mal auf was zurückkommen. Gibt es denn für die Nachbarschaftszentren eine unterschiedliche Wertigkeit im Engagement? Gehört die Förderung von kleinen Elterninitiativen, Müttern und Krabbelgruppen nicht auch zu ihrem Auftrag? Oder geht es nur darum,die Betriebsteile, die man so hat,mit Ehrenamtlichen am Laufen zu halten? Ich frage das jetzt nicht ketzerisch, ich weiß es einfach nicht. O< Auch die alleinerziehenden Mütter z.B.so zu unterstützen, dass sie Räume finden und Möglichkeiten, sich als Selbsthilfegruppe zu organisieren, das ist doch unser Auftrag als Nachbarschaftshäuser.Allen Selbsthilfegruppen, die so einigermaßen ins Konzept passen, wenn sie nicht rechtsradikale Ideen haben, in unserem Haus auch eine Chance zu geben, das ist doch eine Aufgabe der Nachbarschaftsbewegung. O> Aber in dem Beitrag kam da so eine unterschiedliche Gewichtung. Vorrednerin: Vielleicht durch das Wort »Ehrenamt«. O< Ich denke, das sind auch einfach unterschiedliche Benennungen, die sich die Menschen, die sich engagieren, selber geben. Mein Tauschring ist für mich eine Initiative,in der Bürgerschaft was für sich zu tun.Und wir tragen gleichzeitig dazu bei, Strukturen im Wohngebiet zu verändern. Da gibt es auch wieder welche, die sind gern klassisch aktiv, weil sie die Zeitung oder dieses und jenes machen. Sie würden nie von sich behaupten, dass sie ehrenamtlich tätig sind. Sie sind aber im Höchstmaß aktiv.Also sie sind noch nicht einmal gesellschaftlich aktiv. Dann gibt es aber auch Leute, die eine Selbsthilfegruppe unterstützen,die würden sich schon gerne als gesellschaftlich aktiv bezeichnen,weil sie eben mehr tun als nur für sich,sie tun es auch für die Gruppen oder darüber hinaus.Diese Unterschiede sind bei uns sehr deutlich und wir versuchen, diese Begrifflichkeiten daraufhin abzuklopfen,wer welchen Begriff für sich benutzt.Und das ist in jeder Gruppe, die aktiv ist oder sich bei uns im Haus trifft, sehr unterschiedlich. Und dann gibt es eben auch Leute, die wollen nicht das Ehrenamt in dem Sinne, die wollen klassische Helfer sein. Sind die nun deshalb schlechter, weil sie »nur« Helfer sind? Nein, sie sind eigentlich immer da, wenn der Terminkalender des Nachbarschaftshauses steht,man kann sich hundertprozentig darauf verlassen. Und was mir bei den wirklich aktiven Menschen aufgefallen ist, diese Leute sind auch bei uns in den Kindereinrichtungen in erster Linie diejenigen,die in Arbeit sind oder zumindest finanziell abgesichert sind.

Soziales, ehrenamtliches und Bürgerengagement


Die anderen wenden sich meist anderen Formen zu, wie Selbsthilfegruppen oder Selbsthilfeinitiativen wie Tauschring,weil da Leistung gegen Leistung geht. Zwischengeflüster: Aber das ist doch keine Aktivität. Antz: Das war interessant, weil es noch mal zeigt, dass bestimmte Formen des Engagements wichtig sein können für bestimmte Gruppen,dass es da nicht nur so einen Einheitsbrei geben muss und darf. O< Nachbarschaftshäuser sind ja sozial-kulturelle Einrichtungen. Es geht darum, Menschen eine sinnvolle Aufgabe,eine Beschäftigungsmöglichkeit oder ein Betätigungsfeld zu geben. Und wenn Leute, aus welchen Gründen auch immer, aus Arbeitsbereichen rausfallen, dann ist es gerade für Nachbarschaftshäuser wichtig herauszufinden, wie man den Menschen gesellschaftlich wieder einbinden oder ihm Möglichkeiten des sozialen Zusammenhalts geben kann. O> Wir haben bei uns im Haus den DGB-Arbeitslosenkreis. Daraus ist eine Gruppe entstanden, die Müllbeseitigungsmaschinen konstruierten und bauten mit ihrem Wissen,angeleitet von Leuten,die in Arbeit sind,aber wo sich über diese Werkstattstruktur,die wir im Haus haben, wieder Neues ergibt.Die Ehrenamtlichen bei uns sagen,

sie sind ehrenamtliche Mitarbeiter und wir sind hauptamtliche Mitarbeiter.Und das ist die alte Hassliebe,nicht ob sie bezahlt oder unbezahlt sind. Sie haben ja auch früher selbstverwaltet bestimmt, dass wir Hauptamtlichen dort überhaupt in Arbeit kommen.Und die Mitgliederversammlung, wo die Ehrenamtlichen die Mehrheit haben, ist das oberste Beschlussorgan des Vereins. Aber die Hassliebe ergibt sich daraus,dass sie fast alle in Lohn und Brot sind und ihre andere Welt um sich rum haben und nicht so viel Zeit reingeben können in den Laden wie wir Hauptamtlichen. Das ist der Widerspruch, der sie nervt,dass wir einen Informationsvorsprung haben,dass wir da immer sein können,sie würden da auch gerne öfters sein.

Vorredner: Das schaffen sie gar nicht mehr,Gruppenräte zu machen, wo sie sich treffen, das haben sie früher gemacht.

Die TeilnehmerInnen teilen sich nach einer Aufwärmübung in zwei Gruppen und überlegen und stellen Körperhaltungen und -bilder zu zwei Fragen: a) Was wird durch Ehrenamtliche/bürgerschaftlich Engagierte an »Mehrarbeit« in eine Einrichtung eingebracht? b) Was auf Seiten von Hauptamtlichen verhindert solche »Mehrarbeit«? Die Bilder: a) eingebrachte Mehrarbeit Teilnehmer (TN) öffnet eine Ziermetallkiste: »ich öffne den Schatz alter Erfahrungen« TN drückt das Wachsen einer Pflanze aus:»ich wachse« TN halten sich an den Händen gegenseitig fest: »Vernetzung« TN stößt eine andere an:»Anstöße geben« b) Verhinderungen TN schüttelt tanzend mit einem Schlüsselbund: »ich gebe die Verantwortung nicht ab« TN wiederholt laufend den Satz: ich will etwas tun: »Zuständigkeiten« TN zieht symbolisch Grenzen um sich:»ich grenze ab« TN symbolisiert hektisches Telefonieren: »ich habe keine Zeit«

Nach der Pause wird eine Übung mit »bewegten Körperbildern« durchgeführt, die sich nicht aufzeichnen lässt. Hier eine Zusammenfassung:

Nach einer kurzen Phase des Kontaktes zwischen diesen Bildern wird in der Reflektion vor allem die Themen »Macht« und »Vernetzung« angesprochen.

O< Habt ihr regelmäßige Sitzungen, wo dieser Ärger sich Luft machen kann, wo man ganz klar weiß, hier haben die Nichthauptamtlichen genauso ihr Recht,sich auszudrücken?

Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage: Überlegungen zu einer neuen Aufgaben- und Gewaltenteilung mit David Kramer, Berlin Mein Name ist David Kramer,ich bin Professor für Sozialpolitik und der Prorektor der Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin-Hellersdorf. Wir sollten jetzt ein paar Stunden miteinander verbringen und die Frage diskutieren: Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage. Mein Vorschlag ist,dass wir das untergliedern in einige Fragestellungen, z.B.:Was heißt hier Staat? Mir geht es nicht darum, einen Staat gegen den anderen aufzuwiegen oder hochzujubeln, sondern ein bisschen nachzufragen, was stellen wir uns unter Staat vor und warum denken wir uns den Staat so. Ich glaube, das hat weitestgehend auch historische Gründe. Ich habe ein bisschen recherchiert und einige Zeichnungen zusammengesucht,denn ich glaube,es ist erst mal schon ganz anregend,dass seit fast 200 Jahren der Staat in den Vereinigten Staaten als »Onkel«, sowohl verbal gehandelt wie auch gezeichnet wird. Und dem möchte ich gegenüber stellen diese begriffliche Figur »Vater Staat« und erst mal fragen,warum sagt man Vater Staat und nicht Bruder, Onkel oder sonst was für ein Staat. Ich glaube, das hat sowohl in der Sprachgeschichte seine Gründe und, das hat für unsere Diskussion auch in sozialarbeiterischen Zusammenhängen bestimmte Gründe. Wir fangen mit George Washington an.Wie Sie wissen,war George Washington der Führer der rebellischen Armee der 13 Ursprungskolonien in den Vereinigten Staaten, die gegen die englische Krone rebelliert haben, dann wurde er zum ersten

Präsidenten gewählt.Es gab auch ernsthafte Bestrebungen damals,ihn zum König der unabhängig gewordenen Kolonien zu machen. Das kam nicht zustande, sondern man hat dieses neue Amt erfunden, Präsident. Und dieses Amt hat schon einige königliche Merkmale. Aber Washington hat es ausdrücklich abgelehnt, sich zum König ernennen zu lassen, und natürlich waren auch große Teile der ehemaligen Revolutionäre dagegen.Also ist er nicht König geworden. In jedem amerikanischen Schulbuch werden Sie das immer noch sehen,er wird als Vater von Amerika gehandelt.Also diese Figur – Vater als politische Obrigkeit – war schon auch in den Vereinigten Staaten vorhanden. Statt dessen ist in dem Krieg von 1812 eine Figur aufgetaucht, Uncle Sam.Onkel Sam war die Verkörperung der Vereinigten Staaten. 1812 haben die Engländer im Rahmen der napoleonischen Kriege versucht, Amerika wieder zu erobern. Und die dachten, wenn wir schon Krieg führen,dann bereinigen wir dieses ärgerliche Ding da in Amerika. Sie haben eine Armee geschickt, die die neue Hauptstadt Washington niedergebrannt hat,die war gerade gebaut,überhaupt noch nicht bezogen.Also musste neu gebaut werden. Und diese Figur hat eine Zeit lang konkurriert mit einer anderen Figur und diese Bebilderung des Staates der Vereinigten Staaten hieß entweder Onkel Sam oder Bruder Sam. Nicht Vater. Und um 1870,

Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage

d.h. kurz nach dem Bürgerkrieg in Amerika, fing Onkel Sam an,so auszusehen,wie wir ihn heute kennen.Onkel Sam ist alles andere als eine Instanz, die man erstens ernst nimmt, die zweitens verspricht, jemanden umfassend zu befürsorgen.Und das erwartet auch niemand. Auf der anderen Seite ist interessant zu bemerken, dass es in Deutschland keine ähnliche Bebilderung des Staates gibt – es gibt kein Image.Ich glaube,das hängt auch ein bisschen damit zusammen, dass man seit Alters her andere,auch sprachlich andere,Staatsvorstellungen hat.Ich habe ein bisschen nachgeguckt bei den Brüdern Grimm. Der Erklärungszusammenhang für das Wort Vater kommt nämlich von Fürsten und anderen Vorstehern von staatlichen Gemeinwesen und Gemeinschaften, die mit der Familie verglichen werden. Man hat von Alters her die Landesherren Väter und die Untertanen Luder oder Kinder genannt,wie noch die Kriegsleute ihre Feldherren und Obristen Vater und die Herren ihre Kriegsleute liebe Söhne nannten. Es gibt auch ältere Aussagen aus dem früheren Mittelalter, die in ähnliche Richtungen gehen. Diese Begriffe stehen direkt neben – und das ist der dritte Erklärungsversuch – der Biologie: der tatsächliche Vater, Erzeuger. Die geistige Obrigkeit, Papst – Papa – Vater – usw., und dann gleich der Landesfürst. Diese Sprach- und Denkfiguren sind nicht nur sehr alt,sondern auch zählebig. Karl Marx war sich ganz klar über zwei


Dinge.Erstens wollte er die Familie abschaffen und zweitens ganz konsequent auch den Staat,also praktisch dieses Väterliche. Interessant ist, dass der Staat in Deutschland sich sehr ausdrücklich auf Karl Marx bezogen hat, das zitiere ich aus dem philosophischen Wörterbuch der DDR von 1971:»Sowohl in Bezug auf die gegenwärtigen und bevorstehenden Aufgaben des sozialistischen Aufbaus als auch in Bezug auf den späteren Übergang zum Kommunismus ergibt sich somit die Notwendigkeit, die sozialistische Staatlichkeit im Rahmen der Gestaltung des entwickelten sozialistischen Gesellschaftssystems allseitig zu stärken.« D.h.um den Staat abzuschaffen,den Staat erst zu stärken – darauf muss man schon kommen. Ich bin der Meinung,dass es eigentlich notwendig wäre, in einem komplizierteren demokratischen Deutschland von diesem Begriff und der Denkfigur – der Staat als Vater, als allumsorgend und letztlich allmächtig – wegzukommen.Kein Mensch glaubt es mehr.Es ist wirklich notwendig, sich davon frei zu machen, denn es entspricht nach meiner festen Überzeugung überhaupt keiner Wirklichkeit.Und wenn man das tut,kann man den Weg freimachen für eine ernsthafte Diskussion darüber,was kann der Staat tatsächlich machen, was soll er machen und was soll er lieber nicht machen.Ich glaube,dass es an sich ganz förderlich war und ist für die Vereinigten Staaten, dass man nie die Vorstellung gehabt hat, dass der Staat alles machen kann oder sollte. Und ich denke, es wäre auch in diesem Land nicht schädlich,wenn man ein Stück weit von diesen wirklich jahrhundertealten Figuren abrückt,dass der Staat,ähnlich dem tatsächlichen Vater und ähnlich dem Papst,ganz umfassende Möglichkeiten hat, die man ins Wunschbuch nehmen sollte.Aber als letztes möchte ich meinen Vorschlag zeigen, wie der jetzige Staat bebildert werden könnte: Ein bisschen übergewichtig. Das waren einige Ideen, die ich erst mal vorneweg stellen wollte.Was verstehen wir unter Staat? Was kann der Staat besser tun als andere,was sollte der Staat lieber nicht tun? Was machen wir als Sozialarbeiter, als Leute,die in sozialer Arbeit,sei es ehrenamtlich oder professionell,tätig sind.Was sollen wir machen,d.h.was machen wir unabhängig davon, was der Staat macht oder nicht macht? O> Man kann ja vielleicht noch einmal ein bisschen provokativ vorgehen. Das Beispiel, das du gebracht hast in Bezug auf die DDR, lässt sich auch ein Stück weit auf den alten GWA-Ansatz in Deutschland ummünzen.Es gab mal die Randgruppen-Strategie, so hat das angefangen in Deutschland in den 70er Jahren, und das war mit den Vorstellungen verbunden, dass man auf der einen Seite Geld kriegt vom Staat, um auf der anderen Seite die Randgruppen des Staates gegen ihn zu mobilisieren und das Zentrum zu erobern und dann die Verhältnisse zu verändern.Wenn man sich die Bewegung anguckt, war das eine Strategie, die nicht den Staat und seine Funktionsweisen ersetzen wollte, sondern die auf Eroberung von Apparaten oder Teilstücken des Staates ausgerichtet war. Die sollten nur von anderen Leuten kontrolliert werden als von denen,die jetzt den Staat in der Hand haben. Kramer: Worauf ich hinauswollte ist zu zeigen,dass diese Sprachwendung vom Vater Staat nicht zufällig ist.Und wie man sieht,es gab Bestrebungen,auch in einem Land

wie den USA, den George Washington nach der gewonnenen Revolution sozusagen zum Vater zu machen. Die kamen nicht durch,aber die Bestrebungen waren da.Ich denke, so lange man nicht ausdrücklich solche Figuren hinterfragt,haben sie eine gewisse Wirkung.Das Problem ist heutzutage,den Staat als was Wichtiges und was potenziell Positives zu sehen, aber nicht von vornherein, man muss kritisch damit umgehen. Das erste, was man vom Staat einfordern muss, sind nicht irgendwelche theoretischen Sachen, sondern was er tut.Und zwar gut – zufriedenstellend. Das, was er schon längst versprochen hat.Statt ständig nach neuen staatlichen Einsätzen zu rufen,sollte man sagen,erst einmal muss der Staat das ordentlich machen,was er machen soll,wo wir uns einig sind.Warum macht er was Neues,wenn er nicht mal das ordentlich macht,was er längst versprochen hat? Ich bin für ein realistisches und auch leistungsbezogenes Beurteilen vom Staat.Wenn wir dahin kämen, wäre die Diskussion hier in Deutschland viel weiter.Ich vergleiche das immer mit Amerika.In Amerika hat man einen relativ ineffizienten,schlechten Staat,das weiß jeder.Das einzige, was das ein bisschen ausgleicht, keiner erwartet mehr oder allzu viel mehr. O> Ich kann antworten, warum mir zu dem ersten Statement zunächst mal nichts eingefallen ist. Ich finde die These oder die Forderung »eher etwas weniger Staat« so allgemein gesetzt,die ist natürlich immer zu untersuchen.Was leistet der Staat in welchem Zusammenhang, wie ist es mit Rechtssicherheit,mit Existenzsicherung? Da ist ja immer wieder der Staat dazwischen.Ob diese Dinge nun so eher zu erreichen sind oder ob das dem gesellschaftlichen Geschehen zu überlassen ist. Aber die abstrakte Aussage – etwas weniger Staat – die ist schon diskutierbar. Da kann jemand anderes sagen, ich hätte gern etwas mehr Staat, da sehe ich bestimmte Vorteile. Ich denke,so kommt man da auch nicht zu einer Auseinandersetzung.Deswegen finde ich es auch nicht überraschend,dass niemand reagiert hat auf diese Einleitung. O> Wir sollten darüber sprechen, was hat das für eine Bedeutung – Vater Staat oder Onkel Sam.Deutschland ist ein Obrigkeitsstaat,also ein Staat,der für alles zu sorgen hat in der Geschichte. In Amerika ist es theoretisch eher so,dass der Staat auf Bedarf interveniert.Die Wirklichkeit sieht vielleicht noch etwas anders aus. O< Bei weniger Staat ist mir als erstes eingefallen:wieso eigentlich weniger Staat, was wollen wir denn vom Staat? Wir wollen Geld und Unterstützung vom Staat, warum sollten wir davon weniger wollen? Ganz im Gegenteil, wir wollen vielleicht höchstens, dass diese Unterstützung effektiver ist, auch zielgerichteter, positiver ist.Es stimmt, dass solange man dieses umsorgende und autoritäre Vaterbild hat,da auch Negatives und noch was anderes mit drin ist. Aber wenn man sich vorstellt, dass in diesem Wort »Staat« allein schon immer etwas Väterliches drin ist, dann ist das auch nicht nur das Autoritäre,sondern so eine Wunschvorstellung,finde ich. Die Wunschvorstellung, dass es eben auch bessere Väter gibt, dass es welche sind, die auch unterstützen und die auch fragen:wie habt ihr euch das denn vorgestellt, finde ich ganz prima, das könnt ihr jetzt ausprobieren und da unterstütze ich euch auch.

O< Was mir durch den Kopf ging,war ein Gespräch,was ich belauscht habe unter Jugendlichen.Der eine sagte,du bist ja jetzt nächstes Jahr fertig, hast mittlere Reife, was machst du dann? Ja, ich suche mir eine Lehrstelle als Koch. Und was machst du? Im Jahr darauf werde ich 18 und da muss ich zur Bundeswehr. Dann kriegst du doch gar kein Geld,was machst du in dem Jahr? Ja,da kann der Staat doch was für mich tun.Da war ich wirklich sprachlos.Also die Vorstellung von Jugendlichen,sie haben doch schon was getan,also lehne ich mich jetzt zurück und ein Staat oder so ein Vater,also jetzt mach mal was für mich. Sie denken,der Staat muss immer was für sie tun.Und sie sind nicht bereit, selber auch mal eine Initiative zu machen. O< Was Sie gesagt haben,bestätigt mir eigentlich nur das Vater-Kind-Bild.Ich habe das Problem unseres Staatsbildes nie ganz so gesehen.Denn wir haben nie einen anderen Staat als den Vater Staat gehabt. Vom römischen Reich deutscher Nation bis über die Fürstentümer und die deutschen Kaiser haben wir eigentlich immer einen Vater gehabt. Deswegen ist es für mich persönlich überhaupt gar keine Alternative zu sagen, Vater Staat oder Onkel Sam.Sondern es geht darum,diesen Vater Staat zu definieren, um dann zu überlegen, was kann ich aus diesem Vater Staat machen,ich kann ihn nicht ummodellieren in einen Onkel Sam,sondern was kann ich daraus als Bürger machen. O> Die soziale Bewegung, die aus den 68ern hervorgegangen ist, hat gesagt, wir wollen keinen Obrigkeitsstaat.Weg von diesem Staat. O< Dann müssen Sie eine Revolution machen. Vorredner: Beispielsweise.Was ´68 stattgefunden hat, das hat auch in Amerika stattgefunden. Nur das, was an Vater Staat über die Jahrhunderte wirklich da war, das sollte weg.Es sollte etwas von den Menschen sein,es sollte nicht der Apparat für die Menschen sein,der auch noch den Menschen sagt,ihr habt das und das zu tun,sondern die Menschen sollten sagen, der Apparat hat für uns zu arbeiten. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied. Hier in Europa ist es Tradition, dass der Staat den Leuten sagt,was sie zu tun haben auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Leute gleichzeitig versorgt. Und die Leute warten darauf,dass sie versorgt werden.Ja,ich habe das gleiche Beispiel gehört von einem DDR-Jugendlichen,der keine Ausbildung hatte.Der sagte zu einem anderen:Ich habe drei Bewerbungen geschrieben,jetzt habe ich keinen Bock mehr,der Staat soll jetzt für mich was machen. O> Es stimmt,dass Deutschland immer ein Obrigkeitsstaat gewesen ist, dass es dieses Vater-Staat-Bild, dieses Vater-Kind-Bild gegeben hat. Ich glaube aber, dass wir leicht vergessen, dass es auch in Deutschland eine Tradition gegeben hat,wo es nicht so gewesen ist.Als die bürgerliche Reform angefangen hat, durchaus mit einer Form von Selbstverwaltung. Ich komme nicht aus dem sozialen Bereich, sondern aus dem Kulturbereich. Dort nimmt man selbstverständlich an, dass ein Großteil der Kultureinrichtungen, die wir als staatliche, kommunale oder landeseigene betreiben, dass das Einrichtungen in

Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage


Staatshand seien. Das ist nicht so. Gucken wir bei den Bibliotheken.Es gab immer einerseits den Streit der fürstlichen Einrichtungen,die kommunalen Bibliotheken waren ursprünglich Einrichtungen,die das Bürgertum selbst geschaffen hat. Auch die Hälfte der Theater in der Bundesrepublik sind Gründungen des Bürgertums gewesen.Museen, Kunstvereine, alles selbst organisiert im 18. und 19. Jahrhundert durch das Bürgertum, und erst Ende des 19., Anfang des 20.Jahrhunderts fand ein Prozess der Rekommunalisierung statt. Im Kulturbereich kann man das sehr gut nachweisen.Das kann man auch noch ergänzen:Auch ein Teil der Volksbildung,wie wir sie heute wahrnehmen, ist aus der Arbeiterbewegung entstanden, ein Teil der Bibliotheken, Volkshäuser, Kulturhäuser etc.Da sind Einrichtungen,die aus der genossenschaftlichen Bewegung entstanden sind.Im Gemeinwesen oder in der Sozialarbeit gab es am Anfang auch Ursprünge davon, die selbstverwaltet gewesen sind, die im karitativen Bereich entstanden sind und dann hat eine Verstaatlichung stattgefunden. Ich will überhaupt nicht den Unterschied leugnen zu der Entstehung in Amerika. Dass alles verstaatlicht ist in Deutschland und immer staatlich gewesen ist – das würde ich erst einmal infrage stellen.Und dann gab es einen starken Impuls aus dem sozialen Bereich,vor allem auch aus dem kulturellen Bereich – eine Entstaatlichung oder eine Selbsttätigkeit, die teilweise um sich gegriffen hat,wie auch Impulse des vergangenen Jahrhunderts, wie aus der Arbeiterbewegung und dem bürgerschaftlichen Engagement. Der

moderne Staat,als ein Organisationskonzept,was das allgemeine Interesse vertritt jenseits der Gruppeninteressen. Real haben sich aber immer partikulare Interessen auch über den Staat durchgesetzt.Es war keineswegs so, dass der Staat im 18.,19.,20.Jahrhundert nur fürsorglich war. Das ganze industrielle Elend, Kinderarmut, Kinderarbeit, ist ja eher auf industriellen Druck mit staatlichen Mitteln reguliert worden. Auch die Institutionalisierung der Sozialpolitik,die noch eine Abstrahlung hat bis in die heutigen Strukturen, war ja eher eine Reaktion, dieses Instrument Staat zur Lösung von gesellschaftlichen Konflikten und Problemen zu benutzen.Diese Fürsorglichkeit ist eigentlich eher eine Erwartung an den Staat. Heute haben wir eher das Phänomen, dass einige Staatsleistungen weitgehend nur noch Umverteilungen sind,weil sich die großen Einkommen aus der Beteiligung an den allgemeinen Kosten herausgezogen haben. Die Unternehmer kriegen heute mehr Subventionen als sie dem Staatshaushalt Steuern erbringen. Und wenn heute die Diskussion aufkommt,staatliche Regulierung abzuschaffen – so wie die Rahmenbedingungen sind, führt jeder Abbau staatlicher Leistungen dazu, sich individuelles Leben als Rennbahn zu denken oder sich selbst als Figur auf dieser Rennbahn.Ich denke, es gibt keine Entstaatlichung in der jetzigen Situation, die nicht zu einer Verschlechterung der sozialen Situation führt.

ganze Bereich sozial-kultureller Arbeit ist entstanden als eine Selbsttätigkeit von Menschen, die nicht in Institutionen gearbeitet haben.

ist.Was die wenigsten wissen:Wie in Amerika war auch in Deutschland die soziale Entwicklung bestimmt von privaten Wohltätigkeitsstiftungen, und zwar bis 1923. Und was diese Breite von nichtstaatlichem sozialen Engagement vernichtet hat auf unterschiedlichen Gebieten wie Kultur,aber auch Sozialarbeit,das war die große Inflation, d.h. die Tatsache, dass das Geld einfach nichts mehr wert war.Sämtliche Stiftungen waren plötzlich auf Null gefahren. Da hat, vielleicht notgedrungen in dieser Situation, der Staat weite Bereiche übernommen. Der Staat ist wirklich eine relativ komplizierte Einrichtung. Und er wandelt sich.Aber was mich interessiert,ist nicht der Staat und was er macht.Mich interessiert,was haben wir für Bilder in uns drin, sind die produktiv, bringen sie uns weiter oder verhindern sie,dass wir weiterkommen. Ich behaupte,dass dieses Bild vom Staat als Vater unproduktiv ist, weil nicht einlösbar und, im schlimmsten Fall, bedrohlich.Das ist meine Idee und wir können uns davon

O> Wenn man fragt, mehr oder weniger Staat, dann sollte man zwei Bereiche trennen: Staat einerseits als Steuerung,als Verwaltung,die sagt,wo es lang geht,andererseits als Instanz der Versorgung,der Verteilung von Mitteln.Hier wird es für die sozial-kulturelle Arbeit interessant.Ich sehe hier,dass bürgerschaftliches Engagement sehr kontrovers diskutiert wird, oder auch Selbsthilfe. Immer wenn die Verwaltung Selbsthilfe gefördert hat, hat sie damit nur Selbstversorgung und das Abwälzen ihrer Aufgaben auf Leute bezweckt. Sie sollen sich selbst versorgen.Sie sollen die Gelder nicht mehr benutzen,die in der Staatskasse sind. O> Der Staat war von seiner Idee her gedacht als der

Kramer: Was mir als Sozialhistoriker auffällt ist,wie wandelbar die Staatswirklichkeit oder auch die Begrifflichkeit

Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage

frei machen. Darüber kann man lange diskutieren, was erwarten wir vom Staat, was kann er gut machen, was kann er schlecht machen.Was Sie sagen, dass der Staat zuständig ist für langfristige Grundsicherung – bis vor kurzem hätte ich dem unumwunden zugestimmt. Nun aber sage ich etwas, was vielleicht die letzten hier erschreckt: wir werden erleben, dass gerade die Grundsicherung dabei ist,maßlos in den Sand gesetzt zu werden vom Staat.Warten Sie mal ab,was von der Politik kommt. Wir sind nicht auch nur annähernd am Ende, das ist nur der Anfang von dem sukzessiven Sichtbarwerden eines staatlichen Versagens riesigen Ausmaßes.Wollen Sie mir sagen, dass man nicht die Geburtenrate seit 30 Jahren kennt? Gibt es irgendetwas in der Rentenpolitik,was neu ist? Ich möchte, dass jemand mir sagt, was neu ist, warum plötzlich diese Hektik. Deswegen sage ich, bis vor kurzem hätte ich gesagt,ja,das muss so sein,heute sage ich es anders. O< In meiner sozialen Arbeit habe ich in den letzten 30 Jahren festgestellt,dass in den Köpfen der Leute,mit denen ich zu tun habe,sowohl bei den Jungen als auch bei den Alten, das Bild nicht nur vom Vater Staat herrscht, sondern vom Versorgungsstaat.Der Vater als der Versorger, als der Behüter. Ich denke, da gibt es zwei Faktoren, die diesen Gedanken auflösen werden. Auf der einen Seite sind für mich die industriellen Multis ein sehr negativer Faktor,weil sie den Staat überhaupt schon daran hindern, politisch so tätig zu werden, wie er das als Versorgungsstaat möchte. Und auf der anderen Seite ist es aber auch der innere Widerstand der Bürger, z.B. der Kinder oder der Jugendlichen,mit denen ich zu tun habe, die nämlich vom Staat nichts mehr wissen wollen. Das zählt für mich zunächst mal zu den undefinierten negativen Faktoren. Aber es kommt auch noch ein anderer Faktor dazu, den ich für sehr positiv halte, nämlich als Bürgerinitiative nicht sofort vom Staat etwas zu fordern, sondern zunächst einmal in der Gesellschaft etwas zu machen. Und das hat mir sehr gut gefallen, was Sie gesagt haben heute Morgen,dass man nicht grundsätzlich davon ausgehen sollte, wir brauchen die Gelder, die Finanzen,die Ressourcen vom Staat,um was zu machen. Sondern umgekehrt, wenn wir in unserer Gesellschaft was verändern wollen, dann müssen wir erst mal tätig werden, auch ohne Geld, und wir werden das Geld dann schon kriegen.Wir haben es bekommen – seit 30 Jahren von den Bürgern.Die wissen,dass wir was machen,als wir den Bedarf erst mal entdeckt hatten, der in der Gesellschaft da war, den man vorher nicht gesehen hat, den auch der Staat nicht gesehen hat.Wir haben versucht,mit Bürgern diesen Bedarf zu decken mit den primitivsten Mitteln.Und als diese Tatsache wirklich mal nachweisbar war,haben wir uns um Fördermittel auch nicht mehr sorgen müssen. Ich habe z.B. im Sozialhilfeausschuss noch nie einen Antrag auf eine Förderung gestellt, der nicht genehmigt wurde,und zwar deshalb,weil die Vorleistungen der Bürger so massiv waren,dass die Behörde überhaupt nicht mehr anders konnte als zu sagen,ja,da ist ein Bedarf, den müssen wir fördern. Und das ist genau der umgekehrte Vorgang wie der Anspruch an den Staat,versorge mich mal. O< Ich knüpfe da gleich an den Aspekt an, dass Vorleistungen erbracht werden.Dann ist der Bedarf und die


erbrachte Leistung so deutlich,dass der Staat sagt,ja,das sollten wir unterstützen. Ich sehe das als einen dynamischen Prozess.Wie so eine Art Wellenbewegung und das kann man auch verfolgen. Es gab immer Initiativen und Bürgerbewegungen und z.B.auch die Systeme der sozialen Sicherung, da hat der Staat reagiert auf etwas, was passiert ist in der Gesellschaft, in Form von Arbeiterbewegung oder Protesten oder sozialem Engagement, wo der Staat aus Gründen der Selbsterhaltung darauf reagiert hat. Das Bild »Vater« muss nicht unbedingt etwas Bevormundendes haben, wenn es gut verstanden ist. Und wenn es auch vom Staat und von den Bürgern vernünftig verstanden wird, kann der Vater auch für einen gewissen Ausgleich sorgen zwischen stärkeren und schwächeren Familienmitgliedern.Ich weiß also nicht so genau,was daran so negativ sein soll. O< Wir sollten die Diskussion anhand konkreter Bereiche führen,sonst sagen die einen,der Staat ist doch gut, wenn er das richtig macht. Die anderen sagen, er macht viel zu viel, Bevormundung und Entmündigung. Dann müssen wir wirklich konkret sagen, aus welchen Bereichen sollte der Staat sich tunlichst zurückziehen oder weniger machen und wo hat er seine Kernaufgaben.Wo sollte er sich denn zurückziehen? Soll er die Schulpflicht abschaffen? Soll er den Beamtenstatus abschaffen? Soll er sich aus den sozialen Sicherungssystemen zurückziehen? Also, wo sind die Bereiche, über die wir diskutieren wollen und wo wir sagen,da ist zuviel,da ist zu wenig? O< Wir müssen vielleicht erst mal klären, was ist eigentlich Staat und wie kommt Staat zustande.Hier sitzen Menschen im Raum, die haben unterschiedliche Staatsformen und Staatssysteme erlebt und ganz unterschiedliche Eindrücke.Ich bin ein Kind der DDR,habe bestimmt andere Vorstellungen von Staat,die mich geprägt haben, und andere Vorstellungen von der 68er Bewegung und von der Obrigkeit im Westen.Aber ich bin schon sehr lange im Westen.Das zweite ist die Frage,die für mich ganz wichtig ist:Für welche Werte steht der Staat? Daraus abgeleitet, welche Aufgaben soll er haben, muss er haben im Sinne eines Regulationssystems? Welche Gemeinschaften haben wir, welche sollen da noch rein, welche sollen darauf Einfluss nehmen? Ich finde historisch zu diskutieren hervorragend, aber die Aufgabe ist dann auch, beim Jetzt und Heute anzukommen. Ich finde es schon interessant, uns mit Amerika zu vergleichen.Aber das ist im Grunde genommen auch ein Stückchen aufoktroyiert.Wir in Deutschland haben die Jeans angezogen als schicke Arbeitsklamotten, wir trinken Coca-Cola, wir machen alles amerikanisch,wir sind da immer sehr offen. Es gibt aber sicher europäische Beispiele, die uns näher sind, wo man auch hingucken müsste. Wie wird das in nordischen Ländern geregelt? Wie wird das in den neuen östlichen Staaten geregelt? Onkel Sam hat eben nur eine 200-jährige Geschichte, Europa hat eine viel längere Geschichte, England ist sehr interessant. Mein Vorschlag wäre also,etwas konkreter auch andere Regionen mitzubetrachten. O> Die Frage wäre für mich jetzt noch,wenn nicht der Staat soziale Aufgaben übernimmt,wer dann? O> Sie haben vorhin Karl Marx zitiert.Was wollte man

vom Staat? Er sollte sich überflüssig machen, sollte tendenziell abgeschafft werden. Und bevor er abgeschafft wird, wird er noch einmal gestärkt. Ich finde, das klingt außerordentlich kurios und genau das ist die DDR gewesen,ein absolutes Kuriosum,das sich auf den Staat fixiert hat. Gut, ich will mich nicht auf die DDR konzentrieren. Aber es geht doch darum,dass dieser Übervater erst mal verschwindet. Und deshalb auch dieser Verweis auf die USA, von denen ich eigentlich denke, dass da so einiges schief läuft. Aber das Gedankenkonstrukt im Kopf der Menschen,dass man sagt,es gibt immer den Vater Staat, an den ich mich wenden kann, das ist das, was die Lähmung hervorbringt, was die Passivität der einzelnen Menschen produziert. Das läuft in Amerika anders, der Grad der Selbstbestimmung, der Grad der Selbstorganisierung ist dort wahrscheinlich größer.Wenn auch auf der anderen Seite gerade die soziale Unsicherheit da drüben sehr groß ist. O< Eine Besonderheit beim DDR-Staat war,dass er die Idee hatte, die Menschen nach einem Ideal zu erziehen. Und da ist meine Frage, darf ein Staat das tun? Das ist Manipulation und das ist Vergewaltigung meiner individuellen Potenzen. O> Ich bin ein Kind des westdeutschen Sozialstaates, bin in ihm geboren, in ihm groß geworden. Mir ist am Anfang überhaupt nicht die Idee gekommen,dass ich für mich selbst verantwortlich bin,sondern ich habe das völlig selbstverständlich gesehen,dass es bestimmte Bereiche gibt, wo der Staat die Verantwortung hat, für seine Bürger zu sorgen.Ich habe mir auch gar nicht so Sorgen gemacht,dass die Ressourcen nicht reichen könnten.Ich habe gedacht,der Staat hat ja genug Ressourcen,da läuft das. Ich bin dann in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit darauf gestoßen – je mehr Menschen man versorgen muss und je weitgehender man sie versorgt, um so größere Apparate braucht man. Man muss das ja alles verwalten, das soll ja gerecht sein, soll funktionieren. Und das Problem ist, dass man dabei an bürokratische Grenzen stößt.D.h.mit dieser Anspruchshaltung auf eine weitgehende Versorgung stößt man sehr schnell darauf,dass der Staat das nicht leisten kann,weil er es in der konkreten Steuerung nicht hinkriegt, und weil sich die Dinge in das Gegenteil dessen verwandeln,was sie erreichen wollen. Die Dinge werden nämlich immer nur nach der Seite der Notwendigkeit durchkonstruiert.Und das Ergebnis ist, dass dann die Versorgung in einem hohen Maß zu Inflexibilität führt. O< Was erwarte ich vom Staat, will ich, dass der Staat Schulen schafft oder will ich Privatschulen? Wir haben einen Wandel in Deutschland zu verzeichnen, wo es mehr Privatschulen gibt. Will ich Kindergärten, die staatlich sind,oder will ich die privat organisiert haben? Will ich die Alten versorgt wissen und in welchen Versorgungsstrukturen will ich sie haben? Also da, wo es wirklich jeden trifft. Und was steckt dahinter? Ich will nicht für mein Kind ein Kindermädchen,nur weil ich ein bisschen mehr Geld verdiene,sondern da steckt eine Idee dahinter.Auch wenn ich selbst bezahle, will ich, dass Kinder in einer Gemeinschaft aufwachsen, und davon habe ich bestimmte Vorstellungen.Die Frage ist, muss der Staat dahinter stehen, der das alles straff organisiert und mit ei-

ner Staatsideologie wie im Osten? Oder will ich da eine Vielfalt,weil ich weiß,die Menschen haben unterschiedliche Ideen,die Kinder haben unterschiedliche Begabungen, das möchte ich in einer Vielfalt gefördert wissen. Und daran müssen sich viele Menschen beteiligen. Und das muss in meinen Augen z.B. nicht der Staat tun, er kann es tun,er kann es auch ganz gut in manchen Bereichen tun, aber das Geld von uns allen, das er verwaltet, soll er wieder zurückführen an die,die es machen wollen und die es genauso gut machen wollen. O> Diese Polarisierung,die Sie da reingebracht haben am Beispiel von Kindergärten,würde ich gar nicht so sehen.Ich würde sagen,der Staat,in dem Fall die kommunale Verwaltung oder Landesgesetze, sind dafür verantwortlich, dass jeder sein Recht auf einen Kindergartenplatz wahrnehmen kann.Und in dem Maße,wie das nicht gewährleistet wird durch freie Träger, durch andere, da muss der Staat dann auch Vorsorge leisten und ein Angebot schaffen. Ich hätte da ein Problem, nur staatliche Kindergärten oder nur konfessionelle oder nur freie Träger. Der Mix macht ja für mich als Bürger die Wahlmöglichkeit aus, dass ich mich entscheiden kann zwischen einem traditionellen oder freien Träger.Nur wenn die Angebote von der Gesellschaft nicht vorhanden sind, dann muss der Staat dafür einstehen, dann muss er ermöglichen,dass sich solche gesellschaftlichen Initiativen entwickeln können und muss diese dann auch vielleicht finanziell unterstützen. Kramer: Aus meiner Sicht ist das wirklich ein Problem mit dieser Figur vom Vater Staat. Denn der Vater setzt natürlich Kinder voraus.D.h.dadurch,dass ich auch an einen guten Vater diese Erwartungshaltung habe, entmachte ich mich selbst ein Stück weit. Wir reden jetzt nicht vom schlechten Vater. Ich glaube, dass dieses Bild von der Gesellschaft als einer irgendwie gearteten Familie überhaupt nicht zeitgemäß ist,sogar schädlich ist.Und wenn ich frage, was sollte der Staat nicht tun? Was er nicht tun sollte,ist sich aufspielen als die letzte Instanz für Sinngebung, wo die Sinngebung aus Religion oder sonstigen Traditionen oder Zusammenhängen zusammenbricht, das ist nämlich hoch gefährlich. Es gibt eine gewisse Sehnsucht nach Ordnung und geklärten Verhältnissen, die Menschen sagen, ich erkenne diese Gesellschaft nicht mehr,was ist hier los,irgendwer muss hier für Ordnung sorgen. O> In Berlin sind 70% der Kindergärten staatlich.Jetzt haben wir eine Situation, dass die Eltern mehr private Kindergärten wollen. Wir haben die Situation, dass in Berlin 2.000 Plätze für private Kindergärten nachgefragt werden. Und jetzt sagt der Staat: gibt es nicht. Gebt die Kinder in staatliche Kindergärten,wir halten das vor,wir lösen die staatlichen Kindergärten nicht auf.Diese Apparate haben eine eigene Logik,die sich verselbständigt. O> Nochmal zurück zum Versorgungsstaat.Was da gesagt wurde, hat mich am meisten geärgert. Ich bin in Westdeutschland aufgewachsen. Und wir haben keinen Versorgungsstaat. Ich bin aufgewachsen, habe meine Ausbildung beendet und bin nicht davon ausgegangen, dass der Staat für mich sorgt.Du musst schon aus reichem Elternhaus kommen,wenn du so redest.

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Gegenrede: Ich komme aus einem armen Elternhaus. Vorredner: Ich bin aus einem Elternhaus gekommen,wo ich mir gesagt habe, mein Gott, wenn ich keine Ausbildung bekomme oder irgendeine Möglichkeit,dann müssen meine Eltern für mich aufkommen.Weil,SozialhilfeAnsprüche hatte ich auch nicht. Das ist völlig anders. In der DDR gab es einen fließenden Übergang von der Familie in Ausbildung und in Arbeit. Das war eine Art von Versorgungsstaat, den es im Westen so nicht gegeben hat.Das ist ein ganz gravierender Unterschied.Man muss auch sagen, der Sozialhilfe-Anspruch ist ein Anspruch, das ist keine Leistung,die automatisch in Kraft tritt,man muss hingehen zum Amt.Auch für Arbeitslosenhilfe, für Arbeitslosengeld. Man muss seinen Anspruch selber beantragen.Man muss selber aktiv werden. O> Das ist doch auch der Grund, warum es bei uns in Deutschland Armut gibt,weil die Leute nicht zu den Ämtern gehen. Das ist die so genannte verschämte Armut. Und darüber redet keiner. Gegenrede: Aber es ist doch ein Problem in der Gesellschaft. Da gibt es Familien, die haben eine Schwelle zu überwinden,die offensichtlich viele Leute nicht mehr sehen. O< Wir haben sehr wohl einen Versorgungsstaat. Ich kenne eine ganze Menge Leute,die sich auf diese Versorgung spezialisiert haben. Und je mehr ich für die alleinerziehenden Frauen arbeite,desto tiefer gucke ich auch in ihre Verhältnisse rein.Gerade bei Alleinerziehenden wird die Sozialhilfe gründlich ausgenutzt. Und dieses Versorgungsdenken! Die werden dann vom Sozialamt nach drei Jahren Kindererziehungszeit aufgefordert, sich eine Arbeit zu suchen, was da alles für Argumente gefunden werden,diese Arbeit nicht annehmen zu müssen,das ist für mich, so leid mir auch die Frau im Einzelfall tut, im Grunde ein Skandal. O< Bei einer Frau, die Kinder alleine erzieht, wo der Mann sich verabschiedet hat, oder die Frau sagt, das passt mir nicht mehr, ich will nicht mehr, da entsteht eine Lücke. Und da tritt an dieser Stelle z.T. heute der Staat ein. O> In Berlin-Neukölln z.B. – und ich weiß das von Kollegen,die dort Lehrer sind – wenn die in ihren Klassen die 14-, 15-, 16-Jährigen nach ihrem Berufswunsch fragen, dann sagen die: Sozialhilfeempfänger. Weil die Familie in der dritten Generation Sozialhilfeempfänger ist.Und die haben überhaupt kein Problem, zum Amt zu gehen und ihren Anspruch geltend zu machen. O< Aber woran liegt das denn? Das ist mir zu oberflächlich.Als ich die Schule abgeschlossen habe,da waren Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze da, und da musste man hin.Fertig.Die Frage tauchte gar nicht auf,dass man eventuell auch gar nichts tun könnte.Auch wenn das weder von der Schule noch vom Staat vorgeschrieben war. O< Der Staat im Osten hat anders gesteuert als der Staat im Westen.Die Schwerpunkte,die hier gesetzt sind, sind andere als im Osten.Und die wirtschaftlichen Bedin-

gungen im Osten waren andere als im Westen.Das muss man erst mal feststellen.Das Geld hast du auch nicht von außen gekriegt, sondern von dem, was aus dem Land kam.Und dann legt der Staat fest,worauf kommt es ihm an,was will er finanzieren.Und dann frage ich immer,was können wir davon beeinflussen? Also,das Kita-Gesetz ist ja ganz was Neues,dass die 3-6-Jährigen einen Anspruch auf einen Platz haben.Der Staat könnte aber auch übermorgen wieder sagen, die Frauen sind ja sowieso zu Hause,und das Kita-Gesetz setzen wir mal aufgrund der wirtschaftlichen Situation aus.Da geht es auch um Werte und da nimmt der Staat Einfluss mit dem,was er macht. Kramer: Darf man das alles wirklich für bare Münze nehmen, was behauptet wird über irgendwelche staatliche Tätigkeit? Auch die extrem lange Studienzeit in Deutschland,und das ist keine ideologische Aussage,das ist eine materielle Aussage: wer bis zum 30. Lebensjahr in der Schule hockt,ist weitestgehend berufsunfähig. O< Das ist aber eine ideologische Aussage.Hier sitzt ein Haufen Leute im Raum, die einen zweiten Bildungsweg hinter sich haben. Die erst berufstätig waren und dann eine Ausbildung gemacht haben. Kramer: Das ist was ganz anderes als diese ziellose, schlecht organisierte Herumstudiererei, die nur deshalb geduldet wird, um die Leute vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.Das Studium wird immer verkauft als eine Qualifizierungsmaßnahme, dabei ist es genau das Gegenteil, und dazu noch sehr teuer. Ich meine, man muss immer zumindest nachfragen,was hier tatsächlich gespielt wird. Ich bin wirklich in keinster Weise gegen sozial subventionierte Hochschulbildung.Ich habe selbst davon profitiert, meine Frau auch, wir hätten nicht studieren können ohne Stipendien. Nur, die kostenlosen Studienplätze sind eine massive Umverteilung von unten, wo die Steuern bezahlt werden,nach oben,wo die Kinder studieren.Das ist wahrscheinlich die größte Umverteilung in den letzten 20 Jahren in Deutschland gewesen.Und dass die blöden Sozialdemokraten nicht dahinter kommen,wundert mich sehr. O> Diese Umverteilung von unten nach oben ist aber eine,von der auch die da unten profitieren,weil die durch die kostenlosen Studienplätze einen Zugang zu Einrichtungen bekommen haben,von denen sie bis Anfang der 70er Jahre faktisch ausgeschlossen waren.Also von daher ist das Argument der Umverteilung vielleicht mit Vorsicht zu genießen. O> Ich hätte aufgrund meiner familiären Verhältnisse nicht studieren können, weil das System für mich verschlossen gewesen wäre, also ich bin über den zweiten Bildungsweg gekommen und diese Mechanismen und Bafög haben mir das Studium ermöglicht.Nur,das Öffnen der Universitäten mit diesen Instrumenten hat trotzdem nicht unbedingt zu verbesserten Chancen von Menschen aus den unteren Schichten geführt.Es gibt Querschnittsuntersuchungen, die zeigen, dass nur 15-20% der Studenten in den Sozialwissenschaften aus den arbeitenden Bevölkerungsschichten kommen. O> Vor 1970 waren es nur 3 oder 5% bei einem Bevöl-

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kerungsanteil mit niedrigem Einkommen von 40-45%. Vorredner: Und deshalb gebe ich Ihnen ja Recht.Das ist eine Verbesserung,aber sie hat das Problem nicht beseitigt. Die gesellschaftliche Ungleichheit ist damit nicht aufgehoben worden.Das Ziel,Universität zu öffnen für intelligente Leute aus ärmeren Bevölkerungsschichten,sie loszukoppeln vom sozialen Schicksal,halte ich für richtig. Ich glaube nur,dass man dieses Ziel mit anderen Mechanismen auch erreichen kann und dazu nicht alles kostenlos anbieten muss. Kramer: Die Lösung ist ganz einfach.Mit der Bewerbung zur Universität,wenn man unter 25 ist,gilt die Steuererklärung der Eltern,ist man über 25,gilt die eigene Steuererklärung. Stehen unten über 150.000 DM, dann zahlt man volle Studiengebühren in Richtung 5.000 DM. Stehen zwischen 80.000 und 150.000 da drauf, geht es auf 1.500 DM. Und steht weniger als 80.000 DM drauf, geht es auf Null und die Universitäten finanzieren das. Dann hat man alle Vorteile des alten Systems, man hat auch keinen großen bürokratischen Aufwand,denn die Finanzämter haben sich schon einige Mühe gemacht, um die Leute zu erfassen. Und das Ganze liefe dann sehr sozial. Bloß es wird nicht kommen.Aber das wäre die Lösung. O> Aber das würde voraussetzen,dass der Staat ein solches Gesetz erlässt. Kramer: Ja. Deswegen sage ich, der Staat ist der Ausgangspunkt.Das wäre schöpferisch. O< Ich finde das völlig o.k.,was Herr Kramer gesagt hat. Ich glaube nur,dass das Problem,warum die Leute immer länger studieren,damit nicht gelöst ist.Vielleicht sind sie schneller von der Uni runter, aber diese langen Studienzeiten haben sich ja daraus ergeben, dass die Absolventen keine Arbeitsplätze mehr finden. Zwischenrufe: Oder arbeiten müssen zwischendurch. Vorrednerin: Und das ist natürlich auch eine Folge der Demokratisierung der Hochschulen.Je mehr Leute an die Hochschulen gedrängt sind – ich habe auch über den zweiten Bildungsweg studiert – umso mehr sind die Studienabschlüsse entwertet worden in puncto Arbeitsplatzchancen. Früher haben eben die Kinder von Eliten studiert und die Arbeitsplätze waren sicher.Dann hat ein größerer Teil der Bevölkerung studiert, aber entsprechend waren die Arbeitsplatzchancen nicht mehr da.Also sind die Leute,wenn sie konnten,so lange wie möglich an der Uni geblieben. Also, was will man? Will man wieder zurück,die Studentenzahlen so klein wie möglich halten, damit die wieder mehr Arbeit finden? O< Eine Möglichkeit des Staates wäre, die Universitäten in höherem Maße privatrechtlich zu betreiben. Das zeigen ja die privaten Universitäten,die es schon gibt,die anders finanziert werden,dass sie z.B.auch mit verkürzten Zeiten so gute Ausbildungen machen, dass sie den Leuten,die dort studiert haben,auch noch Arbeitsplätze garantieren können. O> Mich hat eine Sache sehr alarmiert, nämlich dass


gesagt wurde,der Staat muss irgendetwas machen,weil die Leute keine Arbeitsplätze finden. Das ist ja das, was dahinter steckt,wenn wir sagen,was machen wir mit jemandem, der mit seiner Ausbildung fertig ist, der seine Familie verlässt, der also für sich selbst verantwortlich werden soll. Und jetzt klappt das nicht, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen fehlen, dann muss doch der Staat intervenieren. Das ist ein scheinbar sehr vernünftiges Argument. Ich habe mir in den letzten Jahren sehr genau angeguckt, was die verschiedenen Staaten unternommen haben und welches Dilemma sie haben. Die sind ja alle reingeraten. Auch die USA hatten ihr Problem. Sie hatten 1990 7% Arbeitslose. Ich kann Ihnen sagen, da ist bei den Arbeitslosen in Amerika absoluter Alarm,weil die staatlichen Versicherungssysteme eben nicht in dem Maße da sind.Und das heißt,Armut ist sofort massiv sichtbar.Alle wussten,wir sind in einer tiefen gesellschaftlichen Krise,es muss etwas passieren.Wir haben es in England, in Holland, in den skandinavischen Ländern gehabt. Alle diese Staaten haben die Staatsanteile runtergefahren,sie haben bestimmte Bereiche entstaatlicht und zurückgegeben an die Gesellschaft. In Amerika hat man sich teilweise aus bestimmten Sozialprogrammen zurückgezogen. In England ist es teilweise im Versicherungsbereich gelaufen, in Dänemark ist der Kündigungsschutz im Prinzip außer Kraft gesetzt worden, in den Niederlanden hat man ein Mischsystem aus garantierter Sozialhilfe und Arbeitspflicht eingeführt. Man hat mit unterschiedlichen Systemen gearbeitet,aber der Staat hat sich in seinem Anteil an der Ökonomie zurückgezogen.Und interessanterweise haben die Länder, die das getan haben,die Arbeitslosigkeit runtergekriegt. Und nicht die Länder, die immer weiter staatliche Hilfen reingegeben haben.Und das hat mich sehr misstrauisch gemacht, wenn die Fragestellung nur eine Lösung zulässt, diese Lösung aber das Problem neu produziert. O> Ich habe Bedenken bei dieser Problembeschreibung. Nicht, dass ich dagegen wäre zu sagen, der Staat muss sich aus mehr gesellschaftlichen Bereichen zurückziehen bzw.sie an die Gesellschaft zurückgeben.Nur,was bei mir ankam, als wäre das Dilemma die ewige Schuld der Einzelnen und man muss nur das Elend erhöhen,damit die Gesellschaft dann wieder funktioniert.Sie haben gesagt,der Staat hat sich zurückgezogen aus bestimmten Formen von sozialer Sicherung.Bei uns geht es denen eigentlich noch zu gut, die müssen erfahren, wie schlimm das Elend ist, damit die Gesellschaft endlich anfängt zu arbeiten.Vielleicht kann man bei der positiven Förderung von Beschäftigungsalternativen anfangen.Dass man versucht, neue Systeme zu schaffen, wie wir das bei uns in verschiedenen Bereichen diskutieren.Bürgerschaftliches Engagement, du hast den Begriff von Bürgerarbeit genannt,verschiedene Modelle,die sich gerade in den Niederlanden oder in den skandinavischen Ländern durchgesetzt haben, um andere Formen von Arbeit zu unterstützen. Wer sagt denn eigentlich, dass es nur die Erwerbsarbeit ist, die dem Menschen Sinn und Arbeit schafft? O> Tatsächlich orientieren sich die,die das Geld haben, daran,wo die Kapitalverwertung am günstigsten ist.Und zwar ganz einfach an der Börse.Da kriegt man am meisten für sein Geld.

O> Nein,das ist so nicht richtig.Das ist wesentlich komplizierter. Ich bilde jetzt seit zehn Jahren betriebliche Sozialarbeiter aus.Und wir gehen in einem Abstand von zwei Jahren mit denen in die Betriebe und lassen sie dort arbeiten,70 Tage im Rahmen der Ausbildung.Von daher kenne ich eine ganze Menge Betriebe im Berliner Raum. Bei Siemens gibt es ein Industriemuseum, das DynamoWerk.Weil die Firma Siemens irgendwann einmal einen großen Standort in Berlin hatte,und man sich verpflichtet fühlt,eine bestimmte Menge Arbeitsplätze vorrätig zu halten, werden seit 15 Jahren die Dynamos, die für 100.000 Mark produziert werden, für 50.000 Mark verkauft,weil man sie sonst nicht los wird.Und das wird gegenfinanziert, weil diese Firma über einen langen Zeitraum sehr viel Geld gemacht hat und 700 Milliarden in den Banken hat und daraus so viel Gewinn zieht,dass sie dieses Museum unterhalten kann, das Menschen in Arbeit hält. D.h., wo Geld auftaucht oder nicht auftaucht, das folgt natürlich Kapitalverwertungsinteressen, aber nicht nur. Und es gibt eine Bandbreite von Verknüpfungen. Kramer: Wenn ein Mann 5 Mio.Mark hat,dann kann man an dieses Geld mit einem 40%-Steuersatz ran, weil das gerecht wäre. Und dafür verschwindet das Geld dann, und der Ertrag für den Staat und für die Gesellschaft ist Null. Oder man kann sagen, wir geben bei einer 40 oder 30%-igen Steuer noch einen Nachlass für bestimmte soziale, kulturelle oder sonstige Zwecke, die er selbst aussuchen kann.Und dann macht dieser Mann eine Spende und reduziert so seinen Steuersatz, statt dass das Geld spurlos verschwindet. O> Wir können aber nicht im Unterschied zu den Vereinigten Staaten das gesamte Kultur- oder Sozialsystem auf Stiftungen aufbauen. Das daraus resultierende Problem haben wir doch in Amerika gesehen,dort gibt es so gut wie kein öffentliches Museum, und dann entscheidet der Stifter, was angeboten wird. Ich bin unbedingt dafür, dass Entstaatlichung stattfindet, nur gibt es dennoch eine Art von staatlicher Verpflichtung zu kultureller, sozialer Grundversorgung. Die Stifter setzen sich dann natürlich da ein,wo es lukrativ ist,gerade die sozial-kulturelle Arbeit wird dadurch aber nicht unterstützt. Deshalb ein Plädoyer für eine staatliche Rahmengesetzgebung zur Verbesserung des Stiftungswesens bei gleichzeitiger Warnung vor der Annahme,dass damit das Problem generell gelöst wird. O< Ich würde gerne noch einmal auf unser soziales Problem zurückkommen und mal erzählen, was ich erfahren habe mit einer staatlichen Förderung – damit ist ja auch häufig eine Steuerung verbunden. Man macht sich abhängig. Und was ich in meiner Arbeit auch mit meinen Kolleginnen immer wieder bespreche,wann lehnen wir eine Förderung ab? Wenn sie bedeutet, dass wir nicht mehr frei sind. Und meine Frage wäre:Wie könnte das Problem gelöst werden,dass man die Förderung von der Macht abkoppelt und eine Selbständigkeit der Bürger fördert – auch mit finanzieller Förderung? O> Jemanden fähig machen,ein produktives Leben zu leben und sich selbst zu versorgen, das ist das Ziel. Jetzt habe ich folgendes Problem:Wenn ich Hilfen austeile und

dabei nicht in irgendeiner Form Druck ausübe, dass die Leute aus der Hilfe wieder rausgehen, dann bleiben die Leute in den Hilfen sitzen. Die Gefahr ist zumindest da. Wir wissen das z.B. bei der Sozialhilfe. Das Geld, das von einer ungelernten Familie mit kleinen Kindern am Arbeitsmarkt erwirtschaftet werden kann,ist immer weniger als das Geld,das sie vom Staat an Hilfsleistungen bekommt. Wenn ich solche Voraussetzungen habe, dann drohen Verstetigungen in Hilfssystemen. Das wird auch die Wohlfahrtsfalle genannt.Das ist für mich ein riesiges Problem,wie gehe ich damit um.Wie gebe ich Hilfen so, dass sie nicht zur Falle werden,sondern die Menschen befähigen, selbständig zu werden? Und die andere Seite, wie organisiere ich Hilfssysteme so, dass sie nicht brutal werden? O> Das Verharren in Hilfesystemen ist sicher ein Problem.Aber wenn man das diskutiert, ohne zu sagen, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik verringert hat, dann führt man auch eine verkürzte Diskussion.Wenn die Zahl der Arbeitsplätze verringert wird, erscheint das auf den ersten Blick als ein Problem von Einzelpersonen, aber dann gibt es natürlich auch die erhöhte Arbeitslosenstatistik.Und dass man gerade zu dem Zeitpunkt anfängt, darüber zu reden, wer die Hilfssysteme missbraucht,das muss hinterfragt werden.Ansonsten finde ich das nicht solide argumentiert.Natürlich gibt es Verfestigungstendenzen und echte Armutskreisläufe, und dieser Teil der Arbeitslosen wäre fast in gleicher Menge vorhanden, wenn es mehr Arbeit gäbe. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Ich sehe eine Gefahr darin, sich ausschließlich auf die Vermittelbarkeit der Leute zu konzentrieren, denn dadurch steigt natürlich nicht die Zahl der Arbeitsplätze. Vorredner: Wie kann man die Leute, z.B.im Bau, unterstützen, sich selbständig zu machen? Wie helfe ich Leuten, von der Sozialhilfe oder vom 3. Arbeitsmarkt in den 1. Arbeitsmarkt zu kommen? Dann sind wir in einer anderen Falle, nämlich, dass man der Illusion nachläuft, es könnte tatsächlich noch Vollbeschäftigung geben. Als wäre es das individuelle Schicksal von Leuten, die heute nicht arbeiten.Weil die ökonomische und die technologische Entwicklung,die der Produktivkräfte und die Globalisierung dazu geführt haben oder dazu führen werden, dass die Produktivitätssteigerung nicht mehr so viele Arbeitsplätze bringt. Das Hoffen auf den Dienstleistungssektor, der das auffangen soll, da zeigen die westeuropäischen und auch die Untersuchungen in der Bundesrepublik,dass das eine Illusion ist. O> Wenn ich mir ökonomische Daten von England, Niederlande,Dänemark,USA und Bundesrepublik für die letzten vier Jahre ansehe,dann hat nur eine einzige dieser Gesellschaften keine Vollbeschäftigung. Das ist die Bundesrepublik. Alle anderen Gesellschaften erreichen, teilweise mit staatlichen Fördermodellen,wieder Vollbeschäftigung.Das kann nicht sein. Vorredner: Sie müssen sich diese Studien genauer ansehen,was da eingeht.Unter der Kohl-Regierung gingen auch die Arbeitslosenzahlen runter. Aber das, was als Vollbeschäftigung läuft, das ist vielleicht gar keine Vollbeschäftigung mehr.Viele Frauen sind schon wieder aus

Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage


dem Arbeitsmarkt rausgegangen und werden aus den Zahlen rausgerechnet.Von der ökonomischen,technologischen Entwicklung her ist es zumindest sehr unwahrscheinlich, dass wir wieder zu einer Situation kommen, wo wir 1-2% Arbeitslosigkeit haben. Und auch der Hinweis, den Sie gegeben haben, dieser Witz aus Amerika, »na ja,in der letzten Regierung ist es wieder so hochgegangen, so viel mehr Arbeitsplätze – kein Wunder, ich hab allein drei«, also dass man da einfach genauer hinsieht. Die Fixierung auf Sozialhilfe, die Fixierung auf Erwerbsarbeit,das ist die Crux.Der Weg zu einer traditionellen Erwerbsarbeits-Gesellschaft oder Vollbeschäftigung ist mittlerweile verschlossen.Wir müssen Ansatzpunkte finden, die Eigenarbeit und Bürgerarbeit und Formen von gesellschaftlichen Tätigkeiten,bis hin zu kultureller und sozialer Arbeit oder Stiftungen oder 3.Sektor, höher zu bewerten. Also eine andere Wertigkeit von Arbeit zu verankern, die eben nicht mehr nur an die Erwerbsarbeit gekoppelt ist,das halte ich für gut. O< In Holland z.B., wo die Arbeitslosenquote ganz niedrig ist, hat sich die Lohnsumme überhaupt nicht erhöht, sondern die Arbeit und die Einkommen wurden umverteilt. Also viel mehr Teilzeitbeschäftigungen. Warum nicht, wenn entsprechend viele sich mit weniger Einkommen zufrieden geben, kann das ein vernünftiges Modell sein. Für die Bundesrepublik gilt das Gleiche. In den letzten zehn Jahren sind 600.000 Jobs geschaffen worden, so wurde behauptet. Das Volumen an Arbeitsstunden hatte sich aber nicht erhöht, sondern auch da waren diese 600.000 zusätzlichen Jobs darauf zurückzuführen, dass Arbeit aufgeteilt wurde, dass ganz viele Vollzeitstellen in 30- oder 25-Stunden-Jobs umgewandelt wurden.Wie könnte man Empowerment erreichen, damit sich Sozialhilfe und andere Leistungen nicht verfestigen? Ich glaube,es müsste ein Mix sein aus verschiedenen Maßnahmen. Ein ganz zentrales Element wäre: Arbeitsämter,Sozialämter,müssten dazu übergehen,die Leute zu fördern oder zu unterstützen, mit denen Perspektiven zu erarbeiten, die eindeutig arbeiten wollen. Und das sind ganz viele, vielleicht sind das sogar 70%. Und nicht Arbeit als Bestrafung zu benutzen für diejenigen,von denen vermutet wird,die arbeiten offensichtlich noch schwarz nebenher oder haben sich gut eingerichtet und haben keine Lust mehr, also werden die zur Arbeit verdonnert. Das ist aus meiner Sicht ein ganz verhängnisvoller Ansatz. Der andere Punkt wäre, dass viel mehr gefördert wird, was die Leute für sich selber tun. Man kann hingehen und sagen,ich möchte einen EDV-Kurs an der Volkshochschule belegen oder ich möchte die und die Qualifizierung machen,aber selbst anerkannte Bildungsträger werden nicht ohne weiteres unterstützt.Also wäre ein unheimlich starkes Unterstützungs-System notwendig, wenn die Leute selber aktiv werden im Bereich Qualifizierung und Bildung. Ganz davon zu schweigen, dass es tatsächlich junge Frauen gibt,für die Kinder zu bekommen inzwischen die Existenzgrundlage ist.Wenn das Erziehungsgeld ausläuft, dann sind die schwanger mit dem nächsten Kind,damit die Anschlussfinanzierung gesichert ist.Aber ich fände es viel besser, wenn z.B.honoriert würde, wenn junge Menschen was für ihre Ausbildung tun,wenn sie einen Ausbildungsplatz finden.Auch die Möglichkeit von Jobrotation müsste es geben,dass jemand für gewisse Zeit seinen Arbeitsplatz verlässt und

dafür ein anderer reinkommt.Das ist für die Gesellschaft kostenneutral und hat den Vorteil,dass sich Arbeitslosigkeit nicht verfestigt. Außerdem gibt es eine unwahrscheinliche Undurchlässigkeit zwischen den einzelnen Töpfen, die Leistungen erbringen in puncto Fördermaßnahmen, Sozial- und Arbeitsamt.Wer einen Mix hat aus Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, der kann nicht an einem Programm teilnehmen im Sozialamt, weil da das Arbeitsamt zuständig ist.Da ist eine totale Bürokratisierung. O> Ich glaube nicht,dass nicht auch neue Arbeitsplätze entstehen.Ich habe in den Dienstleistungsgesellschaften Amerikas, die weiter sind als wir, eine Menge von Tätigkeiten entdeckt, die bezahlt werden, die bei uns kein Mensch bezahlen würde, wodurch also neue Arbeitsplätze in ganz vielen Bereichen auftauchen. Kramer: Meine Wahrnehmung von der Bundesrepublik ist, dass wirklich die Flexibilität auf fast allen Ebenen fehlt, das finde ich schädlich. Ich bin der Meinung, dass sich die Lebensentwürfe und Lebensläufe sehr flexibilisieren werden und es wird Kombinationen geben von Phasen, wo man 60 Stunden in der Woche arbeitet, und Phasen,wo man gar nicht arbeitet oder arbeitslos ist.So etwas gab es vor 20 Jahren nicht – undenkbar. Dass ein Manager zwei Jahre lang um die Welt bummelt und dann fragt, wo finde ich wieder Anschluss. Ich sage folgendes zu den sozialen Betrieben: Es gibt zwei Dinge, die ganz ernsthaft diskutiert werden müssen. Das erste ist, dass subventionierte Arbeitsplätze grundsätzlich von europäischen Regelungen jetzt schon verboten sind. Zwischenruf: Die werden gefördert,die werden von der Europäischen Kommission gefördert. Kramer: Sie sollten den europäischen Vertrag mal gründlich durchlesen. Dass es noch nicht durchgesetzt ist, ist eine andere Frage – es ist aber ausdrücklich verboten. O> Es ist sogar im Weißbuch erwähnt, dass diese Formen von Unternehmen gefördert werden, und sie werden gefördert,das ist Tatsache.Und in nicht unerheblichem Maße entstehen da Arbeitsplätze,und zwar in einem Maße,wie es der 1.und 2.Sektor,der private und der öffentliche, überhaupt nicht mehr können.Es gibt zu jeder EU-Förderung eine staatliche Kofinanzierung. Das muss man erwähnen.In welchem Verhältnis sie zueinander stehen,hängt vom jeweiligen Programm ab. Kramer: Wir müssen uns aus meiner Sicht über eines im Klaren sein: All das, was über die reine Ehrenamtlichkeit hinaus geht, und das gilt auch für Sozialbetriebe, muss bezahlt werden. Und diese Bezahlung kommt letztendlich doch aus der gewerblichen Wirtschaft.Und das ist das Problem.Aus meiner Sicht ist das Problem des Staates in der Bundesrepublik nicht nur,dass er ein bisschen zuviel an alten Strukturen behält.Wir haben z.B.zu viele Beamte.Ich bin dafür,dass die lieber zu Hause bleiben und das Geld bekommen,als dass sie die Gesellschaft behindern, denn das ist die Realität. O> Dann schaffen wir doch den Beamtenstatus ab.

Staat oder nicht Staat, das ist hier die Frage

Ist doch viel einfacher. Kramer: Ich meine das wirklich ganz ernst. Es ist eine Frage von Behinderung – das sieht man bei allen möglichen Sachen. Ich habe das so richtig plastisch erlebt, als ich früher in Charlottenburg lebte. So um die Wendezeit gab es am Bahnhof Charlottenburg eine ziemlich antipolnische Stimmung,weil die polnischen Busse da früh morgens angefahren sind und dann sind die Leute da rumgeirrt,und wie es so ist beim Menschen,hat der eine oder andere seine menschlichen Bedürfnisse in Vorgärten, Hinterhöfen oder sonst wo befriedigt,das hat die Anwohner ziemlich aufgebracht. Nun gibt es eine Pizzeria auf dem S-Bahn-Gelände.Und diese Pizzeria hat auf eigene Kosten ein behindertengerechtes Plumpsklo angeschafft und in einem Park aufgestellt. Das hat das Problem gelöst,alle waren tief zufrieden.Nur,das Ding ist geschlossen worden vom Bezirksamt Charlottenburg und die Pizzeria ist zu 12.000 Mark Strafe verurteilt worden.Das hat zu einer ziemlichen Bewegung dort geführt, aber es wird nicht geduldet, dass ein Bürger ein dringendes Sozialproblem löst, auf eigene Kosten ein behindertengerechtes Plumpsklo aufstellt und auch in dem Moment für die Ordnung sorgt. Dafür haben sie eine Strafe bekommen,das muss man sich mal überlegen. O> Bei uns im Wohngebiet,wo es ein ganz gut organisiertes Gemeinwesen gibt, gibt es einen künstlichen Bach,und die Leute waren der Meinung,dass an diesem Bach Weiden stehen sollten. Und dann haben sie sich Weidensprösslinge besorgt und an diesem Bach Weiden eingepflanzt.Vier Tage später ist das Grünflächenamt gekommen und hat die alle wieder rausgerissen. O< Ich glaube,an diesen Beispielen werden wir uns bestimmt schnell einig.Da herrscht zuviel Bürokratie.Aber was mir aus der Diskussion rausgekommen zu sein scheint: Für mich steht fest, sobald die Menschen eine Leistung erhalten oder ihre Grundsicherung oder ihnen in der Not geholfen wird, dann legen sie sich die in die soziale Hängematte. Lösen wir dieses Problem, indem wir das alles abschaffen, damit die Leute wieder kreativ, aktiv und energiereich werden? Oder arbeite ich lieber mit den Leuten,die wirklich was machen wollen? Davon gibt es genug. Und dann gucke ich, welche Möglichkeiten kann ich schaffen oder dazu beitragen oder entbürokratisieren oder flexibilisieren,ohne aber außer Betracht zu lassen, dass es soziale Mindeststandards gibt, dass wir nicht unbedingt durch das Tal der Tränen und des Elends müssen,damit die Gesellschaft wieder aufblüht,sondern dass wir endlich Jobs schaffen. Kramer: Ich habe großen Respekt vor dem Gedanken, wir wollen nicht durch das Tal der Tränen. Aber ich sage Ihnen: In den letzten zehn Jahren sind die sozialen Zustände derart schlechter geworden, aber man redet immer noch so,als wäre das nicht der Fall.Irgendwas stimmt hier nicht. Der Zustand der öffentlichen Plätze, gerade hier in Berlin,ist so was von schlecht,es gibt regelrechte Slums. Gab es früher nicht. Es passiert etwas, was wir nicht wollen, und es kommt trotzdem. Und das ist mein Problem.Die Zustände werden immer schlimmer und die ganze Zeit reden wir darüber,wir wollen sie nicht schlimmer werden lassen!


Bürgerengagement und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen bzw.Stadtteilebene mit Hannes Wezel, Nürtingen und Werner Matthes, Gerlingen Werner Matthes: Etwa um 1990 hatten die Bürger-Genossenschaften bei uns die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe, also sich gegenseitig zu helfen. Das hat sich fruchtbar weiterentwickelt, war aber die Basis. Und danach entstanden alle möglichen Projekte,die zum Teil vom Sozialministerium gefördert wurden.Und damit ist eine ziemlich lebendige Landschaft bürgerschaftlichen Engagements in Baden-Württemberg entstanden, etwas, was wohl in dieser Form woanders nicht zu finden ist.Wir sind ein bisschen stolz darauf, das bringt aber natürlich auch Verpflichtungen für alle,die daran beteiligt sind.Ich leite einen Bürgertreff,den ich vor sechs Jahren auch mit aufgebaut habe.Zur Vernetzung der verschiedenen Initiativen haben wir dann eine Arbeitsgemeinschaft auf Landesebene gegründet, die ARBES, Arbeitsgemeinschaft für bürgerschaftliches Engagement/Seniorengenossenschaften.Es entstand ein Ansatz,den wir bis heute sehr stark in Württemberg pflegen, miteinander ins Gespräch zu kommen,sich kennen zu lernen und mit den Initiativen vor Ort Erfahrungsaustausch zu systematisieren,Fortbildungen zu gestalten.In der ARBES sind inzwischen mehr als 50 Initiativen zusammengeschlossen. Es gibt darüber hinaus alle möglichen anderen Netzwerke zwischen Kommunen, zwischen Landkreisen. Die kommunalen Spitzenverbände, Kreistag, Gemeindetag und Städtetag,sind in einem Verbund mit dem Sozialministerium,so dass das auch von dort her unterstützt wird.Und es ist das Bestreben, flächendeckend bürgerschaftliches Engagement in vielen Orten,bei großen Städten auch in Ortsteilen, zu entwickeln. Dafür gibt es auch in den größeren Städten wie Ulm, Freiburg, Mannheim, Karlsruhe Verbünde,die sich da entwickelt haben.Und das Bestreben ist, möglichst sehr viel ehrenamtlich zu gestalten, also das bürgerschaftliche Engagement tatsächlich bei den Bürgern anzusiedeln. Zum großen Teil klappt das. Herr Wezel ist einer der Pioniere mit einem Bürgertreff in Nürtingen, der allerdings von ihm als Hauptamtlichem gestaltet wurde.Nürtingen ist eine Art Mekka für alle,die etwas ähnliches einrichten wollen. Mittlerweile gibt es weit mehr Mekkas, unser Bürgerzentrum ist auch eines davon. Hannes Wezel: Bleibt natürlich die Frage, wie wir aus dem Schwäbischen,einem kleinen ländlichen Raum,uns anmaßen können,nach Berlin zu kommen und überwiegend mit Kolleginnen und Kollegen hier aus der Großstadt zusammenzusitzen und denen was erzählen zu wollen.Die Frage sei erlaubt,aber so,wie wir Bürgerengagement in Baden-Württemberg begreifen und auch tagtäglich machen, heißt das für uns: Kann man Bürgerengagement lernen? Deshalb stellen wir Ihnen jetzt einen kleinräumigen Ansatz vor.Kleinräumig heißt, wir gehen von der Landesgeschichte weg und machen einen Fokus auf die Stadt Nürtingen, wo ich herkomme. 40.000 Einwohner, ganz idyllisch gelegen, halbwegs zwischen Stuttgart und Tübingen.

Die Geschichte hat bei uns so angefangen, dass vor ungefähr zehn Jahren Innenstadtsanierung anstand. Sehr viele alte Häuser,die kaum mehr bewohnbar waren,und das Rathaus bedurfte dringend einer Erweiterung.Und es war die Frage, kann man die Innenstadt so verändern, dass Bürger wieder hineingehen. Die Bürger waren daraus so ziemlich verschwunden, weil es zuviel verrottete Bausubstanz gab.Man hat also ein neues Rathaus gebaut und es war die Frage,soll es ein herkömmliches Rathaus sein,wo nur der Rat regiert,die Verwaltungsspitze thront, oder aber schafft man durch eine solche Quartiersentwicklung mit einem neuen Rathaus einen Ort neuer sozialer Kultur.Es ging darum,die Innenstadt wiederzugewinnen für die Bürger. Der Gemeinderat entschied sich dafür, dass man, um Nachbarschaftlichkeit, Gemeinsinn zu beleben, die Bürger an der Planung und der Realisierung beteiligt hat. Wichtigster Punkt war, einen Ort zu schaffen, wo alle Generationen ein- und ausgehen können. Und so entstand damals als Anbau neben einem großen Rathaus ein Bürgertreff, mit Stadtbücherei, großem Innenhof und Spielmöglichkeiten. Von Anfang an wurde die Infrastruktur ganz gezielt so angelegt,dass Bürger und Bürgerinnen in das Rathaus kommen und sich nicht nur verwalten lassen, sondern dass sie hier auch ein Freiwilligen-Zentrum für sich aufbauen können. Ursprünglich war dieser Bürgertreff geplant als SeniorenBegegnungsstätte. Man hat gesagt, wir packen hier die älteren Leute rein, die Jugend bleibt im Jugendhaus, die Kinder gehen ins Haus der Familie.Und in letzter Sekunde hat man sich ein Konzept überlegt,auch im Gemeinderat und gemeinsam mit den Bürgern, dass es ein generationsübergreifendes Zentrum werden soll,das wirklich von Kleinkindern bis zu den Greisen alle nutzen können. Es gab auch die Überlegung, ein Zentrum für Notare, für Gericht, nur für Verwaltung zu bauen. Das hätte geheißen, um 16.00 Uhr wären die Rollläden runtergegangen, in der Innenstadt wäre tote Hose gewesen. Der Neubau wäre wirklich ein Palazzo geworden, wie auch von einigen politischen Fraktionen befürchtet wurde, aber dem wurde ganz bewusst entgegengesteuert. In diesem Freiwilligen-Zentrum ist es nun wichtig, dass einerseits die Rathausnähe ganz bewusst gesucht wurde, sprich die Schnittstelle zwischen der Verwaltung und der Bürgerschaft.Etwas flapsig gesagt,sieht es heute so aus, wenn die Bürger einen Strafzettel oder ein Knöllchen bekommen haben,dann tauchen sie des öfteren bei uns auf. Es wird zunächst mal heftig diskutiert,wird was getrunken und dann gehen sie mürrisch aufs Ordnungsamt und bezahlen oder aber sie haben dann auch mal den Mut zu sagen, nein, so einfach geht das nicht. Auf der anderen Seite ist das Rathaus ein Ort, an dem auch geheiratet wird, und viele Feste werden anschließend unmittelbar im Haus gefeiert. In diesem Freiwilligen-Zentrum haben sich nun über die Jahre hinweg die unterschiedlichsten Gruppen eingefunden. Ganz stark sind bei uns die Selbsthilfegruppen ver-

ankert,in einem Selbsthilfenetzwerk,genauso wie Gruppen von behinderten Jugendlichen. Immer unter dem Gesichtspunkt, finden wir Bürger für solche Projekte, die unter Anleitung von uns als Fachkräften, in dem Fall mit behinderten Jugendlichen,arbeiten? Es ist nicht so,dass wir Bürgerinnen und Bürger anwerben, sie danach einfach ins kalte Wasser schmeißen und dann mal schauen, wie sie zurechtkommen. Sondern wir versuchen, die Arbeit mit Ehrenamtlichen sehr systematisch anzugehen. Es gibt bestimmte Module,nach denen Freiwillige,Ehrenamtliche geschult werden für ganz bestimmte Bereiche. Als dieser Treff und das Rathausareal immer mehr belebt wurden, konnte man deutlich eine Tendenz sehen.Es ist durch die Ansiedlung dieses Treffpunkts in dieser zentralen Lage gelungen,dass sich um uns herum in der Innenstadt eine regelrechte Freiwilligen-Meile entwickelt hat. Dazu gehören Projekte,wie das Theater im Schlosskeller, von Bürgern verwaltet und organisiert,genauso wie der Weltladen, der auch in unmittelbarer Nachbarschaft ist und mit dem es eine Zusammenarbeit gibt, natürlich auch mit finanzieller Unterstützung durch die Stadt. Um das Bild noch ein bisschen abzurunden,wo sich Menschen engagieren:Wir haben einen Kirchturm, wie jede Stadt, nur war unserer über Jahrzehnte hinweg nicht mehr zugänglich.Und so hat sich eine Bürgergruppe vor drei Jahren gefunden bei einem Dämmerschoppen, wie wir es nennen, bei dem Kommunalpolitiker die Fragen stellen und die Bürger die Antworten geben. So einfach kann eine zuhörende Demokratie sein. Das sind für uns auch Formen von Beteiligung jenseits von Planverfahren und klassischen Bürgergesprächen,dass wir vier bis fünf Mal im Jahr zusammenkommen unter dem Titel »Es dämmert beim Schoppen – Gemeinderäte fragen,Bürger antworten«.Wir haben dabei die Funktion von Moderatoren, damit es tatsächlich die Bürger sind, die die Antworten geben. Meine Erfahrung ist, Kommunalpolitiker halten das meistens eine halbe Stunde durch und dann geben sie sich selber die Antworten auf ihre Fragen.Der Nürtinger Rundblick ist ein Freiwilligen-Projekt,das einmal im Monat den Kirchturm für einen schönen Rundblick öffnet. Es geht weniger um die Historie des Kirchturms,viel mehr geht es um die Selbstorganisation einer solchen Gruppe.Es sind 12-15 Frauen und Männer,die sagen, jawohl das ist unser Ding, das machen wir zu unserer Aufgabe, den Kirchturm für alle zugänglich zu machen.Es ist ein ganz simples Projekt,aber die Menschen, die darin arbeiten, tun was für sich selber, sie haben unheimlichen Spaß dabei und sie tun auch was für andere. Im letzten Jahr hatten wir an einem Sonntag einen Zulauf von 800 Leuten,die auf den Kirchturm wollten.Und zu jeder Jahreszeit gibt es ja eine andere Art von Rundblick.In diesem Projekt sind einige Menschen zu finden,die klassischerweise in die Zielgruppe von Arbeitslosenprojekten fallen würden.Man hätte auch so rangehen können und sagen, wir initiieren hier ein Arbeitslosenprojekt, den Kirchturm müssten wir mal wieder sauber machen, außerdem könnten wir dann noch einen Rundgang machen,also suchen wir mal fünf oder sechs Arbeitslose.Wir fragen grundsätzlich nicht danach,ob jemand einen Job hat oder nicht.Da ist z.B.einer wie der Wolfgang,der seit drei Jahren arbeitslos ist.Und er sagt,das gibt mir Selbstbestätigung, da hab ich was von, mir macht es Spaß. Selbstverständlich ist die Freiwilligenarbeit kein Ersatz für Lohnarbeit, gar keine Frage. Aber ihm stärkt das

Bürgerengagement und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen bzw. Stadtteilebene


unheimlich sein Selbstbewusstsein und er tut auch noch etwas für andere.Und er kriegt eine gute Portion Bestätigung. Wir achten natürlich auch drauf,dass wir Jugendliche und Kinder in die Projektlandschaft mit einbeziehen.Wir arbeiten sehr eng mit dem Jugendrat unserer Stadt zusammen und haben mit denen Projekte auf die Beine gestellt, wo es nicht darum geht, dass die jetzt lernen, wie hat ein Rat zu funktionieren – also am Tisch zu sitzen,Papiere zu stößeln,sich zu Wort zu melden und Brötchen zu essen – sondern wir haben mit dem Jugendrat jetzt über zwei Jahre ganz konkrete Projekte angestoßen,Stadtteilprojekte im sportlichen Bereich vor allem, wo der Jugendrat als Multiplikator ganz wichtig war.Die sprechen die Sprache der Jugendlichen,nicht wir als Berufsjugendliche und Alt-68er.Wir brauchen die Jugendlichen,wenn wir andere Jugendliche erreichen wollen.Darum geht bei uns immer wieder die heftige Debatte zwischen Kollegen,die in den Jugendhäusern arbeiten,und uns.Die Kollegen in den Jugendhäusern sagen häufig,die Jugendlichen können nichts,wir müssen für die alles machen.Als ich früher in einem Jugendhaus gearbeitet habe,da sind wir auch schon hinterm Tresen gestanden und haben Bier verkauft. Es kann aber nicht sein, dass heutzutage nur noch Bier verkauft wird in den Jugendzentren. Es gibt auch Jugendliche,denen geht es gar nicht ums Getränkeverkaufen, sondern um selbstorganisierte Formen von Freiwilligenarbeit. Und da gehört Thekendienst z.B. als eine niederschwellige Geschichte dazu. Deshalb versuchen wir auch,neue Wege zu gehen, den Jugendrat einzubinden in Projekte. In unmittelbarer Nachbarschaft gibt es eine Wohnanlage von Senioren und direkt dabei ein Kinderhaus, in dem Kinder tageweise betreut werden,und hier entsteht eine ganz enge Nachbarschaftlichkeit. Die Kinder essen gemeinsam mit den Alten,und es ist ganz wichtig,dass die Alten nicht auf der rosa Wolke nur ihre wunderschöne Senioren-Wohnanlage genießen, sondern dass sie auch noch miterleben,was passiert,wenn Kinder da reinkommen. Auch einen Tauschring gibt es seit Neuestem, dessen Funktion auch darin besteht, Kontakte zu schaffen. Bei 40.000 Einwohnern ist es noch überschaubar.Ein anderes schönes Projekt kommt wieder von der Gruppe »Kirchturm«.Bürger hatten sich der Idee angenommen,wieder eine Bootspartie zu organisieren. In Nürtingen gab es früher Ruderboote, aber einen Verleih gab es lange Zeit nicht.Und da haben sich Leute gefunden,übrigens auch einige Langzeitarbeitslose, die gesagt haben, genau das ist unser Ding,wir haben ein Boot am Neckar liegen und das bieten wir den ganzen Sommer über an. Das wird sehr viel in Anspruch genommen. Was heißt nun Quartiersentwicklung außerhalb der Innenstadt? Ich will es am Beispiel eines Stadtteils deutlich machen.Der Stadtteil,ganz puppenstubenmäßig für Berliner Verhältnisse,4.000 Einwohner ungefähr.Dort hatte sich eine sehr starke Überalterung ergeben in den letzen Jahren. Und man hat ganz bewusst gesagt, wir nehmen ein Stückchen weit bürgerschaftliches Engagement in Anspruch und setzen dort vor allem junge Familien als Stadtentwicklungsfaktor ein. Man hat dort ein Quartier geschaffen, eine Holzhaussiedlung, kosten-, flächen-, nutzensparend entsprechend den Energievoraussetzun-

gen,und hat in dieses Quartier vor allem junge Familien mit insgesamt 50 Kindern einziehen lassen.Und mit diesen Familien arbeiten wir.Wir arbeiten bei dieser Quartiersentwicklung, genau wie in der Innenstadt, mit dem Forum »Politiker fragen – Bürger antworten« und mit Konferenzen. Zukunftskonferenz war das Stichwort, wir hatten drei in diesem Jahr und lassen die immer extern moderieren von der Stiftung Mitarbeit.Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht, wenn es darum geht, Stadtteile mit den Menschen zu entwickeln.Es kann nicht nur darum gehen,dass man eine tolle Holzhaussiedlung hinstellt und dann die Leute einziehen lässt mit vielen Kindern.Denn dann ist der Knatsch mit den Alten schon vorprogrammiert,die drum herum wohnen.Es geht darum, Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen über die klassische Beteiligung hinaus,also es geht um Dialogformen,und das sind z.B.Zukunftswerkstätten. Das Quartier ist wunderschön, infrastrukturell hat es ideale Voraussetzungen. Dass in jedem Quartier allerdings ein Bürgertreff gebaut werden kann, das ist nicht möglich. Da sind wir natürlich noch lange nicht so weit wie Sie hier in Berlin.Aber wir sagen uns, es gibt öffentliche Einrichtungen wie Schulen,Kindergärten,Gemeindehäuser von Kirchen,und es geht jetzt darum,das haben wir bei der letzten Sozialkonferenz angestoßen,dass man in die bestehenden infrastrukturellen Voraussetzungen einzieht.Also – Schule,öffne dich gefälligst,Lehrer fangt mal an, dran zu denken, was eure Schule noch kann und bietet außerhalb des Unterrichts.Die Turnhalle zu nutzen, die Gemeindehäuser zu nutzen,da gibt es viele Ansätze. Wir hatten uns überlegt, dass eine Schule normalerweise zwei Drittel vom Tag leer steht,und es ist doch schade, wenn man diese Räume nicht nutzt. Wir haben eine Veranstaltung, die heißt Bolz-Platz, den wir gemeinsam mit dem Jugendrat veranstalten.Wir gehen ganz gezielt in die Stadtteile und beteiligen Kinder und Jugendliche,indem wir im Sommer Basketball- und Bolzplatz-Blitzturniere veranstalten, aber nicht wir, sondern der Jugendrat, Jugendliche aus Schülermitverwaltungen und eben die Kids aus den Quartieren.Die werden angeheuert,dann setzt man sich zusammen und schafft eine Struktur für so einen Nachmittag.So ein Blitzturnier dauert von 14.00 – 18.00 Uhr, deswegen heißt es Blitzturnier, weil es ganz schnell geht. Und die Kinder und Jugendlichen sollen das selber organisieren.Wir stellen nur die Infrastruktur zur Verfügung. Und natürlich sind wir da,wenn es mal Fragen oder Probleme gibt,aber ganz bewusst setzen wir auf die Kompetenz von denjenigen, die immer auf den Bolzplätzen zu finden sind. Was steckt bei uns dahinter? Wir haben uns Module überlegt,Systemfaktoren,die man braucht,um Freiwillige einerseits zu bekommen,andererseits über längere Zeit zu halten.Dabei ist ganz klar,die Menschen bestimmen immer selber die Dauer ihres Engagements. Das ist anders als beim klassischen Ehrenamt,wo man sich aufgeopfert hat für alle, vom Herrn Pfarrer noch einen DankeschönHandschlag am Jahresende bekommen hat, und das war´s dann.Bei uns spielen die drei »W« eine ganz wichtige Rolle, nämlich W wie Wertschätzung,W wie Würdigung und W wie Weiterbildung. Wertschätzung heißt, den Bürgern Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, und zwar unter solchen Bedingungen, dass sie sich täglich von morgens bis abends engagieren können. Und nicht nur Mittwoch nachmittags von halb drei bis halb fünf.

D.h. wir sind die Ermöglicher und die Akteure sind die Bürger.Wir schließen denen im wahrsten Sinne des Wortes die Räume auf,die Räume müssen offen sein,dass sie kommen können und ihr Ding machen können. Aber wir haben auch noch andere Dinge. In unserem »Praxiskoffer« ist ein Freiwilligen-Stadtplan. So etwas Ähnliches gibt es auch bei den Freiwilligen-Agenturen im kleinen Stil, da können die Bürgerinnen und Bürger schauen,wo sie gebraucht werden,und sich vielleicht einen Bereich aussuchen, in dem sie sich engagieren. Der Wunsch nach Engagement kann einem auch abends um halb zehn einfallen und dann kann man nachschauen auf dem Stadtplan.Wir haben – zum zweiten Mal in diesem Jahr – einen Freiwilligenpass entwickelt. Das ist ein Scheckheft, letztes Jahr waren 38 Schecks drin, dieses Jahr haben wir 66 Schecks.Damit wird das Engagement von Freiwilligen belohnt.Natürlich wollen wir auch,dass mit so einer Arbeit z.B. Rentenanwartschaft erworben werden kann, dass entsprechende politische Entscheidungen getroffen werden.Aber wenn wir darauf warten, laufen uns die Freiwilligen in der Zwischenzeit hundertmal davon,deswegen haben wir gesagt,wir brauchen ein lokales Bonussystem. Und das ist zum einen dieses Scheckheft,in dem ganz einfache Dinge drin sind,von 50 Brötchen vom Bäcker Meier an der Ecke über 50 rote Würste vom Metzger bis hin zu kostenlosen Eintrittskarten für Bäder,Kulturveranstaltungen,fürs Kino usw. Zwischenfrage: Soll einer dann 50 Brötchen essen? Antwort: Nein, eine Gruppe hat das Anrecht auf einen Scheck. Die Gruppe nimmt sich die 50 Brötchen und 30 Würste für ihre Sommerparty, kostenlos. Klar kann man jetzt wieder sagen,ein Tropfen auf den heißen Stein.Aber wir haben gute Erfahrungen mit dieser Art von kleinen Anerkennungen gemacht,dass sich die Leute was aussuchen dürfen und z.B.ins Thermalbad gehen können.Wir haben aber auch die Freiwilligen-Seminare und wir haben Wohnzimmer-Agenturen, da sind wir gerade dran. Und wir legen Wert auf Zertifizierung. Der Freiwilligenpass heißt »Bingo«.Bingo heißt »Bürger in Nürtingen gemeinschaftlich orientiert«.Von den 66 Schecks sind ungefähr die Hälfte von Geschäften – Bäckerei, Metzgerei, Kaufhäuser, Sportartikelfirmen – die andere Hälfte ist vom Kulturamt,von der Stadt,von Stadtleuten,von Krankenkassen. Auf jeden Fall legen wir großen Wert darauf, dass es bei Bürger-Engagement auch um Qualifizierung geht. Wir haben angefangen, Basiskurse zu entwickeln, in diesem Jahr waren es vier, in denen wir Selbsthilfegruppen einerseits,aber auch Elternvertreter aus Kindergärten und Schulen beisammen hatten. Die werden an zwei Seminarabenden auf ihre Aufgaben vorbereitet, unter dem Motto »Lust und Frust der Freiwilligenarbeit«. Im kommenden Jahr steigen wir dann in Bereiche ein wie Trainingskurse, Öffentlichkeitsarbeit, Moderationsmethoden, also speziellere Dinge. Wir haben vor, vielleicht mal so was wie Bürgeragenten auszubilden.Wichtig sind einfach auch Visionen und Träume.Ob es den jemals geben wird,wollen wir sehen.Viel wichtiger ist uns,dass die Seminare zertifiziert werden. Die Zertifizierung ist eine Reaktion darauf, dass uns viele Personalchefs aus unserem Städtle gesagt haben,wenn sich Frauen während ihrer Familienphase engagieren in Form von Kindergarten-

Bürgerengagement und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen bzw. Stadtteilebene


Elternbeiräten oder in der Schule, dann hat das was mit sozialer Kompetenz zu tun und die ist wichtig, wenn Frauen wieder in den Beruf einsteigen wollen. O> Wer macht die Kurse? Wezel: Die Kurse machen wir – das sind ein paar Profis, unter anderem die Familienbildungsstätte – bei uns im Bürgertreff.Und wir haben einige freie MitarbeiterInnen, die wir speziell dafür beschäftigen. O< Was kann man mit den Zertifikaten hinterher machen? Wezel: Die Zielgruppe aus Kindergarten-Elternbeiräten und von Schulen waren meistens Frauen. Und wenn die wieder einsteigen wollen und zeigen,dass sie parallel zur Familienarbeit auch noch was anderes gemacht haben, gefällt das offensichtlich den Personalchefs, zumindest bei uns. O> Es ist für die Leute sicher sehr gut,mal einen Zettel in der Hand zu haben,wo endlich mal draufsteht,du hast was gelernt,du hast was gemacht,du hast das auch noch freiwillig gemacht. Denn ihre Zeugnisse, die sie aus der Schule hatten,sind ja eher so gestaltet,dass man sie nicht unbedingt zeigen sollte. Das war für das Selbstwertgefühl ungeheuer wichtig,dass es ein Zertifikat gab. Wezel: Genauso ist auch unsere Erfahrung. Nun zur Frage:was ist eine Wohnzimmer-Agentur? Ich hatte vorhin gesagt,wir können nicht überall Bürgerzentren schaffen.Die Idee entstand ganz einfach in Anlehnung an die Praxis von Versandhäusern.Warum sollen nicht die Leute in diesem Stadtteil,speziell in diesem neuen Quartier,in ihrem Wohnzimmer eine Art Agentur betreiben können, bei der es nicht um Quelle-Produkte geht und nicht um Tupperwaren, sondern bei der es um Freiwilligenarbeit im Stadtteil geht? Wir werden jetzt ganz konkret in zwei Stadtteilen,die wir im Oktober auf der Zukunftswerkstatt mit den Bürgern geplant haben,mit zwei Agenturen anfangen. Das ist Zukunftsmusik, aber das soll nur heißen: Es gibt nicht nur die öffentlichen Räume als mögliche Treffpunkte, auch im privaten Bereich können wir uns vorstellen, dass die Leute sich zusammenfinden, Nachbarschaft geprägt wird und darüber hinaus auch noch was für andere organisiert wird. Ja, das wäre mal so der große Bogen,wie es bei uns läuft.Mich würde interessieren,wie wirkt so etwas auf Großstädter?

zelnen Stadtteilen in Großstädten entwickeln würde, zwischen einem Stadtteil,der wirklich besser gestellt ist, und einem Stadtteil, in dem es schlecht aussieht, und dass vielleicht die Möglichkeit entsteht,Solidarität zu zeigen.Die Talente sind auch in schwierigen Stadtteilen vorhanden.Nur die Möglichkeiten,sich da einzubringen,sind noch nicht so gut entwickelt. Wie kriegt man eine Verbindung zwischen so einem Schmelztiegel Großstadt und so einer Kleinstadtidylle wie Nürtingen? O< Ich war bei der Sommerakademie in Bad Herrenalp und deshalb kenne ich mich ein bisschen aus mit dem schwäbischen bürgerschaftlichen Engagement.Und diese Gemeinde, die wir besichtigt haben, ist sehr eindrucksvoll. Mir ist aufgefallen, dass der Unterschied zu Berlin einfach der ist,dass es in Berlin mehr oder weniger alles gibt. Also die Konsumentenhaltung ist darum immens groß. In Straubenhardt kann man jetzt ganz viel machen,sie wollen ein Bürgerzentrum und ein Gemeindehaus bauen, das gibt es alles in der Form noch nicht, das ist ganz toll, also auch das Engagement, was dahintersteckt. Aber was ich in Berlin, im Stadtteil Friedenau, häufig erlebe,ist:ach,das gibt es hier nicht? Dann gibt es das woanders. Man ist also gar nicht so sehr darauf angewiesen.Und trotzdem gibt es natürlich immer wieder den Wunsch, auch dazuzugehören. In Berlin kann man, wenn man eine halbe Stunde Fahrtzeit in Kauf nimmt,eigentlich alles an Angebotsstruktur haben.Der Preis dafür ist,dass man dann eben nirgendwo richtig eingebunden ist. Und das hat ja auch was für sich.Wenn ich das unter dem Aspekt sehe,ich will ein bestimmtes Angebot haben oder ich will eine bestimmte Gruppe besuchen,das kann ich hier überall haben, da muss ich nicht selber was auf die Beine stellen, aber ich gehöre dann eben nirgendwo richtig dazu. Mein Anliegen ist, mit dem Angebot der Familienbildung etwas zu schaffen,wo die Leute auch integriert sind und sich untereinander kennen und ein Austausch stattfindet.

Matthes: Ich wollte nur nicht den Neid aufkommen lassen,dass alles so schön ist in Württemberg.Das ist Hannes Wezel und das ist Nürtingen, es ist einfach modellhaft, was dort passiert.Aber die Kultur,die da geschaffen worden ist und immer weiter wachsen sollte, nämlich der Umgang mit Bürgern, der Umgang der Bürger untereinander und das Bewusstsein, wir Bürger schaffen etwas vor Ort und nehmen Dinge in die Hand, das ist auch woanders möglich.Was dann daraus wird,das kann so aussehen,wie es hier ist.Aber das gibt es in Variationen auch an vielen anderen Orten.

O> Es geht ja nicht darum, das zu kopieren, was bei euch möglich ist. Aber ich denke, es gibt mit Sicherheit Sachen, die man sehr gut übernehmen und anpassen kann auf die eigenen Belange.Was Partnerschaften angeht, das geht auch in unterschiedlichen Stadtteilen in der Großstadt ganz gut.Wir machen das so, dass wir zu drei Stadtteilen in Hamburg sehr enge Kontakte haben, uns gegenseitig beraten für den Umgang mit sehr unterschiedlichen Bezirksämtern.Die Finessen im Umgang mit der Verwaltung zu lernen oder Projekte zu übernehmen und anzupassen, das klappt ganz gut. Ein bisschen über den eigenen Schüsselrand zu gucken,schon verankert zu sein im eigenen Stadtteil,aber auch in andere Stadtteile zu gucken und von den Erfahrungen dort zu profitieren, das ist ganz hilfreich. Und das trägt auch zum Selbstwertgefühl bei,seine Arbeit selber darstellen zu können, wie macht ihr das, ich helfe euch in anderen Punkten, dann habe ich auch weniger Hemmungen, mir Hilfe zu holen.Ich habe aber noch eine Frage zu den Stadtteilkonferenzen.Wer plant sie,gründet sie,führt sie durch,werden sie übergeben, dass die Bürger das selber machen, und welche Kompetenzen haben sie?

O> Ich würde mir wünschen,dass sich bürgerschaftliches Engagement auch in Partnerschaften zwischen ein-

Wezel: Das machen Politikverwaltung auf der einen Seite, die Bürger auf der anderen Seite und wir als Fach-

kräfte.Das Interessante bei uns ist eben,dass unser Zentrum, das seit zehn Jahren besteht, seit drei Jahren eine wichtige Planungsaufgabe in der Verwaltung hat.Unser Erster Beigeordneter hat den Bürgertreff als Stabsstelle zu sich geholt.Eine Stabsstelle ist direkt dem Beigeordneten unterstellt, ohne Amt dazwischen. Ich habe da ganz direkte kurze Wege, wenn es Dinge zu regeln gibt. Und seit es das gibt, gibt es auch die Stadtteilkonferenzen. Also,der Beigeordnete hat gesagt,dieses Bürgerengagement muss näher ran an Politik und Verwaltung.Normalerweise macht die Nähe zur Verwaltung nur Schwierigkeiten.Wenn wir als Bürgertreff nämlich eine Zukunftswerkstatt veranstalten würden und ich wäre dem Sozialamt zugeordnet, wie es früher war, dann hätte ich erst mal meinen Amtsleiter davon überzeugen müssen, der müsste zum Bürgermeister und der zum Oberbürgermeister.Weil aber diese Sache bei uns auf ganz direkter Linie läuft,überlegen wir uns,in dem Fall Bürgermeister, ich und die Stadtteilbewohner,welcher Stadtteil braucht eine Zukunftswerkstatt,braucht eine Stadtteilkonferenz? Diese Dinge organisiere ich dann gleich als Stabsstelle, bombardiert von beiden Seiten.Der Bürgermeister sagt, denken Sie auch an alle Vereine,die in dem Stadtteil sind. Und die Bürger sagen, wir haben jetzt eine ganz neue Initiative, die sich mit Solarenergie befasst, vergesst die nicht. Das heißt also, das Organisatorische muss ich machen,aber die Akteure sind auf der einen Seite Politik und Verwaltung und auf der anderen Seite die Bürger. O> Da fällt mir gleich ein Unterschied auf zu dem,wie man das hier bei uns in Berlin fantasieren würde.Da würde der Bürgermeister, wenn er davon Wind bekäme, als erstes sagen,wer nicht dabei sein darf,und nicht,wer unbedingt noch mit dazukommen soll.Ich fand zwei Sachen sehr interessant. Zu der These, dass es in manchen bürgerlichen Stadtteilen leichter sei, bürgerschaftliches Engagement zu wecken, gibt es auch Gegenbeispiele. So z.B.aus Leipzig,wo in ein und demselben Stadtteil sozusagen die gehobenen Kreise wohnen und die anderen Kreise,und wo die anderen wohnen,da ist die Bewegung, da gibt es überhaupt auch das Bedürfnis,etwas gemeinsam zu tun.Da gibt es anscheinend andere Ansatzpunkte. Vielleicht kann man mal vom Bild des Bürgeragenten ausgehen.Da habe ich ein bisschen das Gefühl,dass hier mit sehr viel Raffinesse die Bürger zu etwas gebracht werden sollen,was sie anscheinend von sich aus gar nicht unbedingt wollen. Und die Frage ist dann, wer will es denn eigentlich? Wenn der Bürgermeister will, dass sich seine Bürger engagieren, das finde ich ganz toll.Aber es gibt wirklich Situationen,wo Bürgermeister ganz anders strukturiert sind und das nicht immer unbedingt wollen, sondern wollen,dass die Bürger sich möglichst nicht einmischen, sondern lediglich ihre Stimme bei den Wahlen abgeben. Wezel: Ich will etwas zur Begrifflichkeit sagen.Wir haben zwar beide von bürgerschaftlichem Engagement gesprochen, aber wir meinen was anderes. Für mich geht es nicht um eine schichtspezifische Geschichte,an der Auserlesene mitwirken können. Sondern Bürgerschaft ist was Breites,Machtvolles und so komme ich zu der Frage, können wir als Ermöglicher den Akteuren ein Stück direkt zu dieser Macht verhelfen? Ich sehe mich nicht mehr als Anwalt wie früher im Jugendbereich.Aber ich sehe mich

Bürgerengagement und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen bzw. Stadtteilebene


auch nicht als Verwirklicher der Verwaltung.Das sind die zwei Stühle, zwischen diesen Stühlen sitze ich, also von daher dreht es sich nicht nur um die bürgerschaftlich Engagierten. Vorredner: Dann ist die Frage,wer ist ein Bürger.Bürger sind sicherlich nicht nur die bürgerlichen Kreise in einer Stadt, sondern der Bürger ist ja ein Begriff, das sind die Menschen,die zusammen wohnen.Und indem sie Bürger genannt werden,haben sie einen bestimmten Status,ist es eine bestimmte Sichtweise darauf,dass sie selbständig handelnde Menschen sind und nicht nur irgendwelche Einwohner. Aber ich habe ja die Frage gestellt, ob der Bürgeragent derjenige ist,der mit List und Tücke Leute irgendwo hinschleppt, wo sie erst mal von alleine nie hinkämen, oder was ist er denn eigentlich? Ist er ein Erwecker,der Spezialist des Bürgermeisters? Wezel: Ganz bestimmt nicht.Das ist vielleicht auch nicht ganz deutlich rausgekommen. Ob es den »Bürgeragenten« mal geben wird,wissen wir noch nicht.Wenn es ihn mal gibt, dann wird es ein Bürger sein aus dem Quartier oder es könnten auch drei Frauen sein aus den Qualifizierungsmaßnahmen. O< Ich bin in Baden-Württemberg aufgewachsen,habe auch jahrelang in einer Kleinstadt gelebt,und ich finde, die Strukturen sind einfach überschaubar. Das ist ein Land,wo es noch relativ gut geht.Hier in Berlin heißt es: ihr müsst Projekte machen,wo ihr die Letzten der Gesellschaft auffangt.Wo uns quasi was aufgedrückt wird, indem man uns sagt, wenn ihr da nicht erfolgreich seid, dann könnt ihr es nicht machen. Auf Strukturen zu antworten, die schon völlig kaputt sind, finde ich total schwierig, und noch dazu in Großstädten wie Berlin. Da überhaupt Strukturen zu schaffen, die einigermaßen überschaubar sind,das fände ich schon phänomenal. O< Die Großstadt kann einen schon mitunter verrückt machen.Meine persönliche Auffassung ist,dass egal welche Idee irgendwo entstanden ist,die oft nicht übertragbar ist.Ich arbeite zurzeit im Ostteil der Stadt,in Hellersdorf.Das ist eine völlig neue Erfahrung für mich,sich in einen Stadtteil zu begeben und erst einmal die Geschichte, nicht nur der Menschen, sondern auch des Stadtteils zu erfassen.Das ist ein Prozess, du musst dich da reinbegeben, du musst zuhören können, musst mal von deinen bisherigen Methoden Abstand nehmen können und die Sache einfach auf dich wirken lassen, musst dich in die Netzwerke einbringen.Interessant wird es an dem Punkt, wenn man erkennt,was den Stadtteil,in dem man arbeitet, unterscheidet von anderen. Worin besteht das Spezielle,das Besondere dieses Stadtteils? Diese Unterschiede kann man eventuell anpacken, die Menschen sind ja auch nicht überall gleich. Insbesondere die Problematik in den Ostberliner Bezirken,wenn man als Westler dahin kommt,ist auch erst mal zu bearbeiten.Aber zu gucken, egal mit welcher Klientel man es zu tun hat, diese Menschen in ihrer Art und Weise zu leben,ob sie arbeitslos sind, alleinstehend mit Kind, wie auch immer, alleine denen zuzuhören, bringt schon Ansatzpunkte. Denn sie haben was zu erzählen, und daraus was zu entwickeln, wird meiner Meinung nach oft vergessen. Es gibt diese fixe Idee von Fachleuten und Experten,die einem manch-

mal sehr hinderlich im Weg steht.Ein bürgerschaftliches Engagement zu packen oder sich entwickeln zu lassen, darauf kommen viele nicht.Wir haben z.B. im Stadtteiltreff eine Besucherin, das ist die ehemalige U-Bahnplanerin von Hellersdorf, sie ist seit der Wende arbeitslos. Zuerst kam sie zum Kaffeetrinken,inzwischen engagiert sie sich am Stadtteilmodell. Und das wächst dann so, wenn du den Kontakt hältst und wenn du zulässt, dass z.B. die Arbeitszeiten in den Abendbereich rutschen. Alleine durch die Verschiebung der Öffnungszeiten erreichst du manchmal was Neues. Dazu muss man aber auch bereit sein. Wezel: Es geht immer darum, unsere Fähigkeit zu aktivieren, zu schauen, weshalb die Leute eigentlich zu uns kommen. Also nicht die arbeitslose Ingenieurin der U-Bahn zu sein,sondern die Frau mit den Fähigkeiten,die sich bei der Stadtplanung einsetzt oder im Tauschring.Es geht darum,die Fähigkeiten und Talente,die jeder hat,zu Tage zu fördern. Biografisch zu arbeiten ist sehr vielschichtig. O> Ich will noch mal an das Thema von vorhin anknüpfen, welche Entscheidungsmöglichkeiten in Stadtteilkonferenzen bestehen. Hat denn der Stadtrat einer Stadtteilkonferenz die Kompetenz gegeben, bestimmte Dinge zu entscheiden? Und wenn ja,wie setzt sich diese Konferenz zusammen und wodurch ist sie überhaupt legitimiert? Wenn da tatsächlich reale Entscheidungen getroffen werden,dann habe ich das noch nie anders erlebt, als dass das partikulare Interessen sind. Und unter solchen Umständen lasse ich es lieber den Gemeinderat entscheiden als eine Stadtteilkonferenz. O> Wir haben genau dieses Problem.Wir haben eine Stadtteilkonferenz, die eine Geschäftsordnung hat, die sich irgendwann gegründet hat. Und wir stellen fest, es sitzen da sehr viele Multiplikatoren,es wird dort ein sehr elaborierter Sprachcode benutzt.Da sitzen sehr viele Sozialpädagogen und dazwischen kommt ein Bürger und dann wird gelächelt,wenn er sich nicht so richtig äußern kann.Das ist ein großes Problem,und wir haben überlegt, wie wir das ändern.Es kam jetzt ein Vorschlag,gegen den ich vehement stimme, dass Einzelmitgliedschaften eingeführt werden sollen,also man muss Mitglied sein,das geht mit Stimmkarten. Das ist ein Verwaltungssystem vom Feinsten, dagegen ist Verwaltung richtig flüssig! Es war bisher so, dass gewisse Mieter- oder Bewohnergruppen Mitglied werden können und als Gruppe eine Stimme hatten in dieser Stadtteilkonferenz.Jetzt ist der Vorschlag Einzelmitgliedschaft.Ich sehe da aber ein Problem bei einem politisch zerstrittenen oder mit unterschiedlichen Interessen ausgestatteten Stadtteil. Wenn ich also etwas umsetzen will – es geht meinetwegen um Stadtentwicklungsmittel, Neubau oder einen Anbau an unser Gebäude,kostet 200.000 Mark – hatten wir als Verein bisher nur eine Stimme in dieser Stadtteilkonferenz. Wenn ich was durchsetzen will,lege ich nach dem vorgeschlagenen Modell einfach die Mitgliederliste aus, dann können Leute Mitglied nur für die eine Abstimmung werden,und schon habe ich 80 Stimmen,weil an dem Tag 80 Mitglieder da sind.Meine Frage also:Wodurch legitimiert sich die Stadtteilkonferenz,wer hat Stimmrecht und welche Einflussmöglichkeiten hat diese Konferenz? Gibt sie

ein Votum ab, fällt sie Entscheidungen und wo sind die Grenzen der Entscheidungen? O> Ich finde das sehr interessant. Es gibt ja auch das Beispiel der runden Tische. Die sind relativ schnell den Bach runtergegangen,als sie versucht haben,bestimmte Dinge,die für eine gewisse Übergangsphase funktioniert haben,zu formalisieren und dann Macht auszuüben über nicht legitimierte Strukturen.Im Grunde kann man ja nur davor warnen im Interesse der Beteiligung, dass solche Gremien eine formelle Macht kriegen. O> Aber dann ist doch das alles nur Makulatur,warum sitzt man denn dann noch zusammen? Vorredner: In der ganz alten Zeit gab es den Berufsproletarier,das war der,der immer Freibier gekriegt hat,weil er als Beweis dienen musste, dass das revolutionäre Subjekt selber dabei ist. Und heute gibt es teilweise die Berufsbetroffenen,die dann genauso hofiert werden von denjenigen,die sie sozialpädagogisch einsetzen wollen. Wezel: Wir haben in drei Stadtteilen Zukunftswerkstätten durchgeführt.Aber wir haben es nicht selber gemacht als Verwaltung,auch nicht als Fachkräfte,sondern haben die Kollegen der Stiftung Mitarbeit bemüht.Und die haben uns vorgegeben,wen wir einladen,also nach einem bestimmten Schlüssel. Politik muss dabei sein, Verwaltung muss dabei sein, Jugendliche, Vereine, Initiativen, freie Bürgerinnen und Bürger.Und dem können wir uns, wenn wir diese Zukunftswerkstatt wollen,auch nicht widersetzen,deshalb lassen wir sie von außen moderieren. Die erste Zukunftswerkstatt lief als Jugendforum ab. Danach kam die Frage, was haben wir rausgekriegt, was haben wir umgesetzt? Am Schluss stehen ja immer die konkreten Arbeitsschritte, Arbeitspläne. Und eine Geschichte war, die Jugendlichen haben z.B. gesagt, das letzte Taxi fährt samstags abends um 23.00 Uhr, das ist unmöglich,wir wollen in die Disco,das muss mindestens bis 1.00 Uhr laufen. Und es war dann klar, dass diese Geschichte durch den Rat musste.Und danach wurde das von der Zukunftswerkstatt als Ergebnis und als konkretes Projekt dem Jugendrat gegeben,der Jugendrat ist offiziell und kann Anträge stellen an den Gemeinderat und das ging durch – als ein Beispiel. Es wird selbstverständlich versucht, die Dinge umzusetzen und nicht in der Visionsphase stecken zu bleiben. Die Zukunftswerkstatt ist jetzt abgeschlossen, und es gibt viele konkrete Projekte,die angegangen werden.Das nächste wird sein, einen runden Tisch oder ein Forum als formalen Kreis zu bilden. Da gibt es bisher kein Gremium, keine Interessenvertretung, aber das war ein Wunsch der Zukunftswerkstatt und das wird jetzt nachgearbeitet.Da werden wir wieder die Moderatorenfunktion übernehmen. O> Ich habe immer noch Probleme damit.Ich lade die Leute ein oder die Leute versammeln sich und artikulieren ihre Interessen.Aber was verbindet sich damit? Das ist ja nicht nur Freizeitgestaltung,sondern ein Grundzug bei Gemeinwesenarbeit ist,dass ich die Leute ernst nehmen muss, dass ich unterschiedliche Interessen zusammenbringen oder das vielleicht auch moderieren muss. Aber wenn die Leute sich zusammensetzen und einen Beschluss fassen und die Stadt sagt,wir wollen eine Stadt-

Bürgerengagement und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen bzw. Stadtteilebene


teilkonferenz, wir wollen eine Zukunftswerkstatt, egal wie wir es nennen, dann muss damit irgendwas passieren und die Leute müssen merken,dass sie ernst genommen werden,weil es sonst nur Makulatur ist.Dann gehen sie wieder nach Hause und sagen, das bringt eh nichts. Klassisches Beispiel – Bebauungspläne.Die Leute ringen mit sich und ringen mit der Verwaltung und kriegen durch, höher als zwei Stockwerke wird nicht gebaut. Es dauert ein Jahr, bis gebaut wird, dann sind es vier Stockwerke. Sie sagen, wir werden sowieso nur auf den Arm genommen und sind nie wieder aus der Wohnung zu kriegen. Welche Kompetenzen kann man den Leuten wirklich geben und wo kann man ihnen auch klar sagen, hier sind Grenzen eurer Kompetenzen? Bis dahin kann die Verwaltung ihnen entgegen kommen. Aber sie müssen wissen, in welchem Rahmen sie sich bewegen, das ist ganz wichtig. Wezel: Ich möchte noch mal sagen, was Zukunftswerkstatt ist.Die Leute kommen zusammen,einen Tag lang arbeiten die gemeinsam,30-40 Leute,zunächst Bestandsaufnahme, was ist wo und was ist schlecht in meinem Stadtteil. Dann kommt die Visionsphase und in der dritten Phase die Umsetzung.Und selbstverständlich gehen die nicht nur mit dem Gedanken nach Hause, ach ja, das war ein schöner Tag, die Schüler freuen sich, besonders

die Jugendlichen,weil sie schulfrei haben und Pizza kriegen.Das allein würde für sie nicht ausreichen,selbstverständlich geht es danach in die Vollen.Dann geht es mit konkreten Schritten weiter. Und in erster Linie geht es dann um den Dialog, dass z.B. Anwohner, die sich über den Krach aufregen, den Jugendliche machen, auch mal ins Jugendzentrum reinkommen und mit denen reden. So eine Konferenz ist immer ein Anfang,aber sie ist natürlich kein Ersatz für klassische Planverfahren. O> Ist es ein Entscheidungsgremium oder ist es ein Beratungsgremium? Oder wird da ein Antrag formuliert, den jeder stellen kann? Wezel: Es geht nicht immer um einen Antrag. Es geht auch viel um Formen sozialer Kultur,dass die wieder mitreden, dass man ihnen Orte eröffnet, nicht nur zum Abstimmen und zum Beraten, sondern dass sie das Gefühl haben,ernst genommen zu werden.Wenn sie dann einen Tag mit dem Bürgermeister oder mit dem Stadtplaner planen, und auch sehen wie z.B. das Taxi jetzt läuft und die Jugendlichen bis um 1.00 Uhr in die Disco gehen kön-

nen, dann sind das zwar nur kleine Schritte, aber es entsteht eine neue soziale Kultur. O> Es geht eigentlich darum, sich durchzusetzen mit Argumenten und nicht mit irgendwelchen PseudoMachtgeschichten. Und dabei muss man nur Klarheit walten lassen. Wenn die beteiligten Bürger das Gefühl haben,nachdem sie einen Beschluss gefasst haben,dass der auch umgesetzt wird,obwohl jemand anderes letzten Endes entscheidet, dann läge das Ernstnehmen ja nicht unbedingt darin, dass es so passiert, wie sie das wollen, sondern dass diejenige Instanz, die die Entscheidung trifft, sich mit ihnen auseinandersetzt und ihnen dann auch noch mal gegenüber tritt. Diejenigen, die den Prozess organisieren,dürfen da keine Illusionen erwecken. Wezel: Deshalb organisieren wir es ja nicht,sondern lassen es extern moderieren. O< Wir haben auch eine Zukunftswerkstatt gemacht in Konstanz, in einem Stadtteil, wo ungefähr 30.000 Einwohner leben.Moderiert wurde das von Zürich aus, also auch von auswärts.Wir haben uns da in den Supermarkt gestellt und Leute angesprochen aus dem Stadtteil,echte BürgerInnen, ob sie Lust haben mitzumachen. Also nicht nur Lehrer, Lehrerinnen und SozialarbeiterInnen, die sowieso in der Stadtteilkonferenz sitzen,und das war unheimlich mühsam. Erst mal hatten wir die ganze Verwaltung gegen uns. Es war sehr mühsam, allein nur ein Vorwort zu schreiben,das der Oberbürgermeister und die beiden Dezernenten unterschreiben sollten. Wir haben darauf bestanden,dass sie sich das anhören und zumindest prüfen, was da an Vorschlägen kommt.Das heißt ja nun nicht viel,und noch lange nicht,dass da irgendetwas umgesetzt wird.Allein diese Unterschrift zu kriegen, hat ein halbes Jahr gedauert,dann haben sie uns die wieder abgesagt. Ich hatte die ganze Zeit über ein ungutes Gefühl.Wir hatten dann 30 Leute mühsamst zusammengekratzt, es ist schließlich nicht so, dass einem die BürgerInnen die Bude einrennen.Die Werkstatt lief dann gut. Ich hatte befürchtet, da geht es wieder nur um Hundescheiße und um fehlende Parkplätze im Stadtteil.Es war aber nicht so,es war ein unheimlich kreativer Prozess.Es gibt ein Gelände direkt am Rhein, das neu beplant wird, und die vom Planungsamt waren auch ganz aufgeschlossen,sie wollten Vorschläge von den Bürgern hören, was sie da haben wollen. Das lief ganz toll, obwohl die Leute mit einer großen Skepsis gekommen waren, und sie sind relativ zufrieden gegangen, mit dem Gefühl, Mensch, wir können ja doch mitreden.Ich sehe das jetzt nicht ganz so optimistisch,weil die Arbeit eigentlich jetzt erst anfängt und die BürgerInnen erst mal alle wieder weit weg sind.Bis das Protokoll und die Dokumentation dann stehen,sind wieder sechs Wochen ins Land gegangen,das ist eine lange Zeit.Zu der Stadtteilkonferenz:da sind bei uns alle zusammengeschlossen aus sozialen, pädagogischen und kulturellen Einrichtungen im Stadtteil, das sind etwa 20-25 Leute, alles Professionelle, also MultiplikatorInnen sozusagen. Da geht es dann um Verkehrsprobleme,um Kindergartenbelegung,um fehlende Spielplätze, um fehlende Treffpunkte für Jugendliche. Und damit gehen wir dann zum Sozial- und Jugendhilfeausschuss und tragen das da rein oder auch zum Technikund Umweltausschuss.Und da haben wir schon so man-

ches durchgesetzt. Aber da sind keine BürgerInnen in dem Sinne. Da würden wir ja wahnsinnig.Wenn da alle mit ihrem ganz individuellen,vor ihrer Haustür liegenden Problem ankommen, dann kommen wir da auf keinen grünen Zweig. O< Wir wagen das Experiment, wegzukommen von diesen übergestülpten,auf Paragraphen beruhenden bisherigen Sozialraumkonferenzen, die sicherlich ihre Berechtigung haben, weil bestimmte Arbeitsgruppen sich auch regelmäßig treffen und austauschen müssen.Aber wir wagen das Experiment von unserem Verein aus,wirklich ein Bürgerforum einzurichten, weil es uns gerade darum geht,dass Lieschen Müller mit am Tisch sitzt.Es ist nicht nur eine Frage der Zusammensetzung, sondern es ist eine Frage, ob man die richtige Tageszeit wählt, ob man tatsächlich den Puls der Zeit spürt, nämlich genau das ernst zu nehmen,worüber der Nachbar meckert.Das ist auf den Sozialraum bezogen,in dem ich arbeite.Da ist ein Quartiersverfahren gelaufen, da ist Rekonstruktion gelaufen,von außen sieht das total schau aus,die Fassaden sind neu, dieser Bezirk ist grün, es gibt fast ausschließlich sechsgeschossige Häuser,ganz wenige Hochhäuser, du hast schöne Parks, Anlagen, die Struktur stimmt, überall sind Einkaufsmöglichkeiten, im Grunde ist alles erst mal sehr in Ordnung.Alles ist nach der Wende ziemlich schnell neu gemacht worden.Fakt ist aber,dass auf diese Quartiersverfahren zwar Einfluss genommen werden konnte,aber eine Bürgerbeteiligung ist im Grunde genommen trotzdem nicht gelaufen. Und im Nachhinein stellt man fest, dass z.B. altersgerechtes Wohnen nicht mit einbezogen wurde,es gibt keine Fahrstühle an den Häusern, es gibt keine abgesenkten Bürgersteige usw. Wir haben keine Zukunftswerkstatt gemacht, aber wir haben Informationsveranstaltungen gemacht, wo wir die zuständigen Leute aus der Verwaltung und die Anwohner an einen Tisch geholt haben. Denn nur wenn die sich tatsächlich mal treffen außerhalb irgendwelcher Amtsgeschichten, dann ist das eine Möglichkeit, wo sie auch miteinander ins Gespräch kommen. Am Ende der Veranstaltung gab es immer eine Aufgabe, und die Umsetzung haben die Nachbarn auch kontrolliert.Sie haben aber inzwischen gemerkt,dass wenn sie die Verantwortung abgeben und selber keinen Kiezspaziergang mitmachen, sie dann auch nicht kontrollieren können. Sie stehen anschließend wieder nur da und meckern,weil nicht das passiert ist, was sie gefordert und sich gewünscht haben,und dann wieder mit dem Argument,die da oben machen sowieso,was sie wollen.Unsere Aufgabe bei dem Prozess ist eine Vermittlungsrolle,das macht ihr wahrscheinlich in Nürtingen ähnlich. Wir können dann dem Amt sagen,ihr habt hier was zugesagt und habt das nicht eingehalten. Und den Bürgern können wir sagen, ihr wolltet das, warum klinkt ihr euch da nicht mit ein? Und beim nächsten Mal könnte das anders aussehen. O< Vorhin kam das Beispiel mit der Fortbildung für die Elternvertreter aus den Kitas und Schulen. Kommen die zu euch und sagen, wir möchten gerne so eine Fortbildung, wir fühlen uns nicht kompetent genug, oder ist es anders herum, dass ihr euch denkt, so was könnten die gebrauchen,das machen wir jetzt mal? Wezel: Ja,wir haben diese Veranstaltung angeboten.

Bürgerengagement und Gestaltungsmöglichkeiten auf der kommunalen bzw. Stadtteilebene


Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung – mit dem Bürgerhaushalt zur Bürgerkommune? mit Hartmut Gustmann, Köln

Porto Alegre (PoA), Brasilien: Der Bürgerhaushalt Demokratie entwickeln – Bürgerbeteiligung bei der Haushaltsaufstellung vor dem Ratsbeschluss

biert, mit positiven Ergebnissen. Erlangen, Passau, Duisburg und Münster haben Interesse an diesem Verfahren, das es ähnlich auch in Christchurch/Neuseeland gibt.

I.Arbeitsmaterial

Doch wie haben es die Bürger,die Politik und die Verwaltung in PoA (1,3 Mio Einw.) geschafft, dem »gläsernen« Rathaus und einem transparenten, für die Bürger verständlichen Haushalt ein Stück näher zu kommen? • Erfolgsbedingung Nr.1:Immer mehr Bürger beteiligten sich an dem OP,1999 waren es über 35.000 Bürger. • Erfolgsbedingung Nr.2:Die Stadtverwaltung hat diesen Prozess unterstützt,gefördert,begleitet,gesteuert.Diese Leistung der Verwaltung,zu fördern und zu steuern,ohne den Bürger zu bevormunden, ist das • Erfolgskriterium Nr.3:Porto Alegre ist ein gutes Beispiel für die Entwicklung zur ermöglichenden Verwaltung.

Viel Vertrauen in ihre Politik und Verwaltung hatten die Bürgerinnen und Bürger von PoA nicht, als sie 1989 von den Plänen der neuen Stadtverwaltung hörten, sie sollten bei der Aufstellung des Haushalts, des wichtigsten Instruments kommunaler Politik, beteiligt werden.Heute, elf Jahre später, sieht alles anders aus. Porto Alegre »Die Hauptstadt der Demokratie« (Eigenwerbung) hat ein partizipatives Modell der Haushaltsaufstellung (orçamento participativo,OP):Die Bürger sind an den Entscheidungen beteiligt und setzen die Prioritäten für den Investitionshaushalt der von fast 0% auf rund 17% angestiegen ist. Zunehmend entscheiden die Bürger auch über Fragen des Verwaltungshaushalts und sind z.B. auch an Personalfragen beteiligt.

Nun werden, so beobachtet Claudio Moser, seit 1995 bei Misereor Brasilienreferent und Unterstützer der NRO CI DADE,auch Themen wie Bildung und Gesundheit stärker angesprochen.Dabei ergeben sich neue Spannungen mit der Stadtverwaltung und Politik,da es sich meistens um personalintensive soziale Programme handelt.Sie belasten jedoch den Haushalt nicht nur für ein Jahr, sondern langfristig.Die elfjährige Erfahrung der Zusammenarbeit hat jedoch eine Vertrauensbasis für konstruktiven Umgang mit Spannungen und unterschiedlichen Interessen geschaffen.Sie hat die politische Kultur in PoA verändert.

Das vielfach prämierte Modell (Weltbank/Habitat-Konferenz) stößt in ganz Brasilien (über 70 Kommunen) und insbesondere auch in Europa (Paris/Barcelona) auf reges Interesse. In Deutschland haben im Rahmen des Netzwerks »Kommunen der Zukunft«* 1998 die Städte Mönchweiler und Blumberg ein bürgerorientiertes Haushaltsaufstellungsverfahren vor Ratsbeschluss auspro* Kommunen der Zukunft ist eine Gemeinschaftsaktion der KGST (Kommunale Gemeinschaftsstelle), der Bertelsmann-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung. Internet:Kommunen-der-Zukunft.de

Das Modell Porto Alegre zieht nun auch in Deutschland seine Kreise, wie eingangs bemerkt.Seit Ende 1998 gibt es erste Überlegungen in den nordrhein-westfälischen Städten Münster und Duisburg, über die guten Verbindungen, die das DGB-Nord-Süd-Bildungswerk zu brasilianischen Gewerkschaften in Porto Alegre und zwei weiteren Städten hat, eine neue Agenda-Partnerschaft aufzubauen.Neben dem Bürgerhaushalt wollen die Gewerkschaftler über internationale Arbeitsstandards beraten, Konzepte nachhaltiger Stadtentwicklung austauschen und über unterschiedliche Erfahrungen der Beschäftigungsförderung angesichts des Strukturwandels diskutieren.Das Stadtentwicklungsministerium NRW hat eine finanzielle Beteiligung an dem Zweijahresprojekt bereits zugesagt,so dass der erste Austauschbesuch im Oktober 1999 in Münster und Duisburg stattfinden kann.Manfred Brinkmann, Mitarbeiter des Bildungswerks, erhofft sich von dem Programm, »dass dadurch nicht nur Gewerkschaften endlich mehr Zugang zu der Agenda-Arbeit finden, sondern auch die Kommunen einen konkreten Anlaß haben, Nord-Süd-Arbeit vor Ort als Chance für internationales Lernen zu erkennen«. Hermann Dietz, Bürgermeister des kleinen Örtchens Mönchweiler, weiß

Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung

zu berichten,dass die Erfahrungen aus Porto Alegre auch in Deutschland gemacht werden.Mitte 1998 ließ er eine Broschüre an alle Haushalte verteilen und lud die Bürgerinnen und Bürger ein, sich gemeinsam Gedanken über die Finanzierung kommunaler Aufgaben wie der Friedhofsgestaltung,der Straßenreinigung,der Feuerwehr,der öffentlichen Veranstaltungshalle und der Bücherei zu machen. Überraschend viele Bürger (25%) beteiligten sich an diesem Verfahren, das auch von der Politik in Mönchweiler unterstützt wurde. Hermann Dietz: »Am schönsten ist aber der Effekt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger, die den Fragebogen nach den Investitionsschwerpunkten ausgefüllt haben, auch mehr für die kommunalen Fragen engagieren«. (Auszug aus: KGSt Info 17/1999, Hartmut Gustmann und Ulrich Nitschke »Der Bürgerhaushalt – Das Beispiel Porto Alegre «)

II.Vortrag: Der Orçamento Participativo (OP) (Partizipativer Haushalt) 1.Das Verfahren wird durch die Bürger bestimmt Ausgangspunkt war die Entscheidung,die Bürger dort zu beteiligen,wo sie wohnen.Die Bürger sollten »Herr« des Verfahrens bleiben, daher wurde zunächst von der Stadtverwaltung mit den Bürgern eine Geschäftsordnung (GO) entwickelt,die dem Verfahren eine Autonomie von Politik und Verwaltung sichert. Diese GO wird seit über zehn Jahren kontinuierlich von den Bürgern mit Unterstützung der Verwaltung weiterentwickelt und an das Verfahren angepasst. 2.Der Zyklus des OP Der Zyklus des OP-Verfahrens beginnt im März eines Jahres,dauert zehn Monate und wird jedes Jahr wiederholt. Die Basis der Beratung war die in der statistischen Berichterstattung bewährte Unterteilung der Stadt in 16 Stadtteile (Regionen).In den 16 Regionen der Stadt wurden Bürgerversammlungen einberufen, zu der durchschnittlich mehrere Hundert Bürger erschienen.Entsprechend der Anzahl der erschienenen Bürger berechnen sich die Delegierten, die entsprechend den für ein bestimmtes Interesse eingeschriebenen Bürgern auf die Interessengruppen verteilt werden. Die Sitzungen beginnen zunächst mit einem Rechenschaftsbericht der gewählten OP-Räte und des direkt gewählten Oberbürgermeisters, seit 1998 Raul Pont, oder eines Bürgermeisters, die auf jeder dieser 16 Versammlungen anwesend sind und Rechenschaft geben.Auf diesen Versammlungen stellt die Stadtverwaltung ihre bisherige Arbeit vor, ein Vertreter der Kämmerei informiert über die finanziellen Möglichkeiten der Kommune,stellt das Programm der Stadtverwaltung vor und legt die Spielregeln der Stadtverwaltung offen.Diese Spielregeln betreffen bestimmte Standards (z.B. bei Baumaßnahmen) und Verantwortlichkeiten (z.B.bei Einstellung von Projektgeldern die Diskussion mit bestimmten Ämtern) und sind mit den OP-Gremien abgestimmt. Seit 1994 werden zudem fünf thematische Plenarien angeboten,in denen nach dem gleichen Verfahren Themen der Kommunalentwicklung wie: »Transport und Verkehr«; »Gesundheit und Soziales«; »Wirtschaftliche Entwicklung und kommunale Steuerpolitik«; »Erziehung,


Kultur und Freizeit« und »Kommunalorganisation und Stadtentwicklung« diskutiert werden. Die aus den Bürgerversammlungen hervorgegangenen Delegierten sind meist Vertreter von Bürgerorganisationen wie Bewohnervereinen,Frauenorganisationen,Umweltschützern, Klein- und Mittelbetrieben, Landwirten, Straßenhändlern, Lehrern, Sportvereinen, Behindertenverbänden, Gewerkschaften, aber auch wenige Einzelpersonen. Die Delegierten beraten im März/April und Mai ihre Anliegen und Anträge aus der Bevölkerung und harmonisieren diese mit der Haushaltsplanung der Stadtverwaltung.Sie entscheiden über die Priorisierung der Vorhaben nach einem im Vorjahr in der GO abgestimmten Prozedere. Die Delegiertenversammlungen tagen dann über zwei Monate wöchentlich, zumeist abends, und öffentlich.Die Arbeit der Delegierten in den Regionen und den thematischen Plenarien wird dann durch einen Rat der OP-Räte (COP),der von den Delgierten gewählt wird,auf städtischer Ebene koordiniert und dabei in enger Zusammenarbeit mit der Kämmerei und dem Stadtplanungsamt verzahnt (Juli/August). Den hohen organisatorischen Koordinations- und Kommunikationsaufwand unterstützen 20 zum Teil dezentral eingesetzte Mitarbeiter des zentralen Bürgeramts.Diese Mitarbeiter sind in Moderation ausgebildet.Die fachliche Koordinierung wird aus den Fachämtern zum Teil direkt von den Amtsleitern geleistet.Im September wird der so aufgestellte Haushalt vom COP dem Oberbürgermeister übergeben.Seine Behörde koordiniert dann die Abstimmung der strittigen Fragen. Im Oktober wird dem Stadtrat (33 Mitglieder aus neun Parteien) der Haushaltsentwurf überstellt, der im November darüber beschließt.In den letzten elf Jahren wurden vom Rat lediglich geringe Änderungen am so zustande gekommenen Haushaltsentwurf vorgenommen. Der Haushalt wurde so meist ohne Änderung vom Rat beschlossen. 3.Erfahrungen bewerten Die anfangs bestehende Skepsis der Ratsmitglieder hat sich mittlerweile überwiegend gelegt. Die die Stadtverwaltung tragenden Parteien haben sich bereits von Anfang an am OP beteiligt. Die den Oberbürgermeister stellende Arbeiterpartei (PT) stellt die stärkste Fraktion, verfügt aber über keine Mehrheit und muss den Haushalt mit wechselnden Mehrheiten zustande bringen.Über die Jahre haben sich auch Oppositionsparteien an dem OP beteiligt. Bei den Landtagswahlen Ende 1998 hat die damals im Lande regierende bürgerliche Oppositionspartei (PMDB) ihrerseits mit einer eigenen Variante des OP Wahlkampf gemacht. Die Landtagswahl wurde von der PT gewonnen,die seit Anfang 1999 auch auf Landesebene das Verfahren des OP verbreitet und durch Kommunalisierung weiterer Aufgaben den OP stärkt. Durch den OP kann ein verstärktes Interesse der Bürger an der langfristigen Entwicklung ihrer Kommune ver-

zeichnet werden. Die Parteien erreichen über die im OP engagierten Bürger neue Mitgliederpotenziale.Durch die Rechenschaftslegung, die Transparenz und die neue Verantwortlichkeit der Bürger wurde die kommunale Identität der Bürger in PoA gestärkt.Auch die Korruption ist merklich zurückgegangen. Bisher nicht an der Politik in der Stadt beteiligte Bürgergruppen konnten durch das Verfahren des OP zum »Mitmachen« gewonnen werden. Ein weiterer Effekt, die Bürgerinnen und Bürger kontrollieren sehr genau, ob die beschlossenen Maßnahmen auch umgesetzt worden sind, auch indem sie z.B. Baumaßnahmen in ihren Wohnvierteln selber abnehmen.

strategischer Überlegungen für den Bereich sozial-kultureller Arbeit könnte das ganz interessant sein, einfach mal zu gucken, ist da was für uns neu, können wir uns vielleicht auch anders positionieren? Anfang der 90er Jahre gab es eine neue Reformdiskussion in den Kommunen. Die jetzt aufliegende Folie, das sogenannte Kommunale Reformhaus, besteht vor allen Dingen aus betriebswirtschaftlichen Elementen.Die Idee, die dahinter steckt, ist erst mal aus den traditionellen Kommunen gekommen, die so was machen wie Dienstleistungskommune,wo also ein Dienstleistungsbewusstsein auch bei den Mitarbeitern entsteht,eine Kundenorientierung.

»Das KGSt-Haus« Strategische Steuerung durch ehrenamtliches hauptamtliches Management (Kontraktmanagement) Zukunftsorientierte Personalwirtschaft, Modernes Personalmanagement (Personalentwicklung,kurze Entscheidungswege,Delegation von Verantwortung, Mitarbeitergespräche,Flexible Arbeitszeiten) Zusammenführung von Fach-, Ergebnis- und Ressourcenverantwortung durch Dezentralisierung (Trennung in strategische Aufgaben der Managementunterstützung und Serviceaufgaben) Flächendeckende Produkt- und Kostenorientierung; Optimierung der Geschäftsprozesse Budgetierung auf der Basis von Produktund Ressourcenplanungen einschließlich der Flexibilisierung des Budgetvollzugs (Kontraktmanagement)

Systematisiertes, regelmäßiges Berichtswesen als Bestandteil von Controlling

Prinzip des Haushalts- und Rechnungswesens; Ressourcenverbrauchskonzept Outputorientierte Steuerung auf der Basis bürger- und kundenorientierter Produkte

Die anfangs geäußerte Befürchtung, dass die Bürger zu wenig Wissen über Verwaltung und Haushaltsaufstellung haben,konnte durch eine enge Kooperation der NRO (Nichtregierungsorganisation) CIDADE und der Kämmerei gelöst werden.In den letzten elf Jahren wurden über 2.000 Bürger in Sachen Haushaltsrecht, Haushaltsaufstellung und Moderationsmethoden qualifiziert. 4.Das Verfahren nicht in die Verwaltung integrieren Eine Erfahrung des brasilianischen Beispiels Porto Alegre ist, dass die Institutionalisierung des OP, also seine Einbindung als Verwaltungsverfahren, das Ende des OP wäre.Auch der Oberbürgermeister Raul Pont spricht sich für eine weitere Autonomie des Verfahrens aus.Eine positive Auswirkung dieses Modells sieht er in der gerechteren Verteilung städtischer Ressourcen und Finanzen. Die Armenviertel haben inzwischen fast alle fließendes Wasser und befahrbare Straßen. Aus der Diskussion: Frage: Warum Bürgerhaushalt? Hartmut Gustmann: Das Beispiel Bürgerhaushalt habe ich ganz bewusst ausgesucht, weil das Besondere daran ist, dass dort die Nachbarschaftsvereine/Bürgervereine eine sehr tragende Rolle spielen.Und deshalb dachte ich, im Rahmen der Neuorientierung,Neubestimmung,auch

Wobei wir als KGSt ein sehr differenziertes Kundenmodell haben,das verschiedenste Rollen umfasst.Wir haben versucht,output-orientierte Steuerung einzuführen.Und alle Schwierigkeiten,die damit verbunden sind,haben wir am eigenen Leibe erfahren.Wenn man neues Denken in alte Strukturen einspeist,dann hat man in der Regel das Problem, dass bewährte Problemlösungsmechanismen weiterhin benutzt werden.Und das hat in der Umsetzung oft zu mehr Bürokratie geführt. Soweit wir das steuern können, haben wir versucht, da eher ein spielerisches Element einzuführen, weil Produkte ja nicht etwas sein sollen, was man einmal definiert, woran man sich dann starr festklammert, sondern aufgabenkritisch, kundenkritisch das Instrument sein sollen, mit dem man eben output-orientiert, wirkungsorientiert versucht, die Kommune zu steuern.Wenn das dann nicht erreicht wird, braucht man auch keine Produkt-Philosophie. Und wer das nicht will, der soll sich auch erst gar nicht an die Produkt-Definition machen.Die Wandlung zu einer – im guten Sinne gemeinten – wettbewerbsorientierten Dienstleistungskommune,wo eben auch ein ökonomischer Fokus neben dem juristischen Fokus und dem Verwaltungsfokus angewendet wurde,ist ein vielschichtiger und langwieriger Prozess.Die Idee,die dahintersteht, ist nicht: ich kaufe einen Anteil der Gemeinde dadurch, dass ich Steuern abgebe, sondern ich bin Besitzer,also Miteigentümer der Kommune als Bürger und gestalte das,was mir gehört,mit.

Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung


Wir haben also ein Kundenmodell,das verschiedene Rollen umfasst, eine Vielzahl von Kundenmodellen. Das wichtigste ist der Bürger als Teil der örtlichen Gemeinschaft. Wobei es uns nicht darum geht, sich an dem Begriff »Kunde« festzuklammern und den Bürger in eine Kundenrolle reinzuzwingen, sondern dass man bei den Mitarbeitern – und das ist die Hauptzielrichtung – und bei der Politik eine gewisse Kundenorientierung erzielt. Man kann sehen,dass die Selbstverwaltung der Kommunen, die Behörden von ihren ersten Anfängen bis heute, über 150 Jahre gebraucht hat,sich so zu entwickeln. Das Thema Bürgerkommunen ist das erste Mal um die Jahrhundertwende diskutiert worden.Wir haben da also eine Ungleichzeitigkeit in den Leitbildern, die das kommunale Geschehen beherrschen. Wir haben auch eine Ungleichgewichtigkeit. Es ist also wie eine Waage, die mal zur einen Seite ausschlägt,mal zur anderen,die aber grundsätzlich beweglich ist.Wir sehen das als einen offenen Prozess, den man, wenn man sich in das Verfahren einmischt, durchaus auch sehr wirksam umgestalten kann. Wenn ich das in einen historischen Rahmen einordne, sieht man, wenn man sich die Umweltbewegung anguckt, wie in wenigen Jahren fast revolutionäre Veränderungen möglich sind.Dort hat sich in 20 Jahren vieles dadurch verändert, dass eben viele mitgemischt haben und dass ein bestimmtes Bedürfnis von verschiedenen Seiten in diese Bewegung eingeflossen ist. Auf diese Weise kann man eine Gesellschaft in einem relativ kurzen Zeitraum fast revolutionär umwälzen.

Lebensgrundlagen in der Gemeinschaft erreichen wollen, dann müssen wir auch an diesen Institutionen und Strukturen ansetzen.Da sind wir dann bei einem wirklich sehr interessanten Aspekt, der uns auch wesentlich von dem unterscheidet,was in der Wirtschaft im Moment an Modernisierungs-richtungen läuft. In den letzten 40 Jahren wurden sehr detailliert verschiedene Daten ausgewertet, u.a. auch von Professor Klages, von der Hochschule in Speyer, der uns nämlich sagt: wir haben keinen Werteverfall, sondern wir haben einen Wertewandel in unserer Gesellschaft.Und man höre und staune:Einer der Kernpunkte dieses Wertewandels ist ein höheres politisches Interesse in unserer Bevölkerung,empirisch nachgewiesen.Was aber nicht heißt,dass dieses höhere politische Interesse auch ein höheres politisches Engagement nach sich zieht.Und Klages sagt uns, warum das so ist und dass das seine Ursachen nicht in den Bürgern habe, sondern dass die Antwort in den Institutionen liegt, die da heißen Parteien, Gewerkschaften, Vereine,Verbände,eben auch Kommunen,und auch Bund und Länder.Die Bürger sind schon längst zu einem Wertewandel bereit, während wir als Kommunen erst langsam anfangen darüber nachzudenken. Es gibt bei den Leuten veränderte Auffassungen des Mitmachenwollens und des Mitmachens, und wir als Kommune und als Institution haben noch keine befriedigenden Antworten. Das fällt ja auch in eine betriebswirtschaftliche Kategorie, dass wir einen Wandel haben von Anbietermärkten zu Kundenmärkten, und wir haben im Grunde, wenn Sie Bürger als Kunden betrachten, einen

Entwicklung kommunaler Leitbilder

Bürgerkommune Ziel:sozialer Zusammenhalt / Gemeinwohl Fokus:Bürgerschaft / örtliche Gemeinschaft Argumentation:politisch / kooperativ

Dienstleistungskommune Ziel:Wettbewerbsfähigkeit Fokus:Markt / Abnehmer / Kunden Argumentation:Ökonomisch

Behörde

Jetzt kommen wir zum Bürgerhaushalt.Diese Diskussion ist nicht neu,sie ist Ende der 40er,Anfang der 50er Jahre in der BRD bereits geführt worden,und zwar mit denselben Argumenten,die häufig auch heute kommen.Argument Nr.1:Der Bürger ist Laie und mischt sich ein.Da sind die Profis, die tolle haushaltsrechtliche Ahnung haben, und da ist der Bürger,der Forderungen hat,diese werden dann als überzogene Forderungen bezeichnet und werden so diskreditiert. Das sind Standardargumente, die dann in der weiteren Ausdifferenzierung im Grunde immer in verschiedenen Varianten vorgebracht werden. Argument Nr.2 ist:Wir haben uns einmal für das System der repräsentativen Demokratie entschieden,das was ihr jetzt machen wollt,einen Bürgerhaushalt oder ein Beteiligungsverfahren,ist am Ende direkte Demokratie und ist inkompatibel zum bestehenden System. Und dann ist es oft so,dass wenn man eine sachlich-fachliche Auseinandersetzung über neue Horizonte beginnt, dass man gut beraten ist, diese Diskussion nicht anhand einer zu konkreten Betroffenheitslage zu führen,sondern den Blick möglicherweise außerhalb Deutschlands zu richten,wo bereits seit elf Jahren solche Erfahrungen vorliegen. Brasilien hat sich, als 1988 das Ende der Militärdiktatur war, eine neue Verfassung gegeben. Und da sie der Entwicklung nicht recht trauten, sondern die Gefahr sahen, dass das Militär wieder intervenieren könnte in diesem Demokratisierungsprozess,versuchten sie vorzubauen. Dazu muss man wissen, dass Brasilien bis 1964 ein entwickeltes demokratisches Land war, jedenfalls für südamerikanische Verhältnisse, und sie hatten eine demokratische Tradition, so dass sie ganz großen Wert darauf legen mussten, in ganz kurzer Zeit eine breite Legitimation ihrer politischen Arbeit zu haben und dementsprechend die Mobilisierung ihrer Bürger und auch Unterstützung durch die Bürger für ihre Arbeit suchten. Und deshalb gaben sie 1988 der Partizipation Verfassungsrang. Dazu muss man weiter wissen, dass sowohl die alte als auch die neue Verfassung von Brasilien im Prinzip dem Grundgesetz ähnlich ist. Es gibt eine sehr enge Verbindung zwischen der brasilianischen und der deutschen Struktur. Das gilt auch für die Haushaltsordnung, die Haushaltssatzung,für Verwaltungsverfahren,den Zoll. O> Woher kommt diese Affinität?

Ziel:Rechtsstaatlichkeit Fokus:Untertan / Durchsetzung behördlichen Willens Argumentation:Juristisch

Unser Ziel ist der betriebswirtschaftliche, der effektive Einsatz von Ressourcen.Was nicht heißen soll,dass nicht vorher eine intensive Zieldiskussion stattfinden muss,wo man hin will. Aber wenn das alles stattgefunden hat, wenn man sich über die Ziele verständigt hat,dann ist der Ressourcen-Einsatz immer eine zentrale Frage, die zu messen und zu verantworten ist, es handelt sich schließlich um öffentliche Mittel.Und diese Reform wird Politik und Verwaltung nachhaltig verändern.Und dann sind wir auch bei so was wie der Agenda-Diskussion, denn wenn wir nachhaltige Änderungen von

die Verwaltungsrefom der Kommunen. Der politische Aspekt führt zu erheblichen politischen Veränderungen.

entwickelten Kundenmarkt, aber keine entwickelte Struktur der Institutionen, darauf Antworten zu geben. Wir haben mangelnde Wahlbeteiligung, wir haben Staatsverdrossenheit, wir haben auch eine Kommunalverdrossenheit. Das geht ja nicht erst seit vier oder fünf Jahren so,sondern seit 15,20 Jahren,dass es einen riesigen Reformstau in diesem Bereich gibt.Es ist aus meiner Erfahrung wahnsinnig schwierig,die Masse an Großorganisationen, wie Kommunen, überhaupt in Bewegung zu setzen und dann auch in der Bewegung zu einer kontinuierlichen Reform zu halten. Wir haben das geschafft,

Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung

Gustmann: Das scheint eine ganz banale Sache. In Rio Grande du Sul, das ist der südlichste Bundesstaat von Brasilien, und in den braslianischen Südstaaten gibt es u.a. zwei größere ethnische Bevölkerungsgruppen, die Italiener und die Deutschen, und viele Auswanderer mit sehr ähnlichen Rechtssystemen in ihrer Heimat. Es gibt dort auch heute noch eine größere Bevölkerungsgruppe, wo die Leute einen bestimmten Dialekt aus Pommern sprechen,auch Donauschwaben. O> Ich war da mal in einer Stadt, ich glaube die heißt Friedenau. Gustmann: Die Stadt heißt Blumenau.Es gibt dort auch ein Oktoberfest.


Ende der 80er,Anfang der 90er,als das neue Steuerungsmodell aufkam,zeigten sich verschiedene wichtige politische Lücken in diesem System der kommunalen oder wirtschaftlichen Selbstverwaltung, eine davon ist die wachsende Legitimationslücke. Sie sagt etwas über das Verhältnis der Bürger zu ihren Kommunen oder der Kommunen zu ihren Bürgern aus.Dieses Verhältnis ist schwieriger geworden.Und wenn wir sehen, dass die Basis unserer Demokratie und unseres Systems und damit auch der effektivste Ansatz der Weiterentwicklung dieses Systems in den Kommunen liegt, dann ist das genau der Punkt, an dem man ansetzen muss bei der Legitimität. Wenn dann aber die Wahlbeteiligungen so drastisch sinken, wie uns das in den letzten Jahren so offensichtlich vor Augen geführt wird,dann kommen wir in immer stärkeren Legitimitätsdruck.Diese Entwicklung war aber vor 10, 15 Jahren schon absehbar. Das heißt, schon Anfang der 90er Jahre war es so weit wissenschaftlich untermauert, dass diese Entwicklungen auf uns zukommen, dass wir uns getraut haben,die Notwendigkeit sehr eindeutig zu formulieren. Bei jeder strukturellen Veränderung ist ein sehr langer Atem geboten.Und da sind wir an dem Punkt:Der Haushalt ist das wichtigste Steuerungsinstrument in den Kommunen. Und dann passiert dieses: Sie als Rat sitzen als jemand, der etwas bewegen und erreichen will,in x Ausschüssen, sitzen sich den Hintern platt und latschen sich die Füße ab, wissen aber eigentlich ganz genau, dass das, was Sie da so schön entwickelt haben, nicht unbedingt auch zu stichhaltigen Ergebnissen führt, weil es einen Unterschied gibt zwischen inhaltlicher Diskussion und der Diskussion um die Ressourcen.Und das,was wir über die Idee der Bürgerhaushalte einführen,ist eben die Zusammenführung der inhaltlichen Diskussion mit der Diskussion um die Ressourcen, die Finanzen, um diese Einheitlichkeit der Diskussion wieder zu erreichen, die irgendwann einmal abhanden gekommen ist. Wenn wir das konkretisieren, dann sehen wir, dass wir nicht etwa Neuland beschreiten, sondern dass wir historisch gesehen immer wieder eine ähnliche Diskussion führen, dies jetzt aber hoffentlich auf einem anderen Qualitätsniveau. Die Diskussion des Bürgerhaushalts und der Bürgerkommune gab es,wie gesagt,auch schon.Nur waren das bürgerlich-patriziergeprägte Strukturen, wo sehr demokratisch – unter Patriziern demokratisch und dann unter den Bürgern demokratisch – über Haushaltsverwendung, über Inhalte und Geld, die Entscheidungen getroffen wurden. Dazwischen liegt ungefähr ein Jahrhundert. In diesem Jahrhundert haben wir eine Entwicklung, die so aussieht, dass nicht nur die Bourgeoisie, nicht nur die Patrizier, ein Entscheidungsrecht haben, sondern dass sich diese Entscheidung auf wesentlich breitere Kreise stützt.Und damit sind wir auf einem anderen Qualitätsniveau und deshalb müssen auch die Prozesse, die dem entsprechen, viel komplexer ausfallen. Die müssen wir neu organisieren.Das ist nicht leicht,weil Verwaltung relativ behäbig und damit auch relativ nachhaltig in ihrem Wirken ist,aber es hat ja alles eine gute und eine schlechte Seite. Ich kann mich über eine Verwaltung auf der einen Seite aufregen, dass sie so schrecklich unbeweglich ist,auf der anderen Seite ist es natürlich auch so,dass diese Unbeweglichkeit Ausdruck eines Status quo ist, der einmal erreicht worden ist und der auch nicht wieder so

einfach zurückgedreht werden kann. Diese Idee vom Bürgerhaushalt bedeutet in diesem Zusammenhang:die Bürgerinnen und Bürger werden als Berater von der Verwaltung ernst genommen,es gibt also ein Beratungsverfahren der Verwaltung,in dem Bürger die Verwaltung beraten,bevor der Rat beschließt.Das ist der kommunalverfassungsrechtliche Begründungszusammenhang dafür.Es gibt eine Plattform zur Diskussion zwischen Bürgern, Verwaltung und Politik. Das ganze Verfahren fängt im Februar an und dauert bis Dezember. Die haben also dort eine über das ganze Jahr laufende Diskussion und wir werden noch zu dem Punkt kommen, dass das Interessante daran ist,dass sich jemand nicht auf Jahre hinaus verpflichten muss,an so einem Verfahren als Bürger teilzunehmen, sondern dass man sein eigenes bürgerschaftliches Engagement in diesem Apparat auf ein Jahr und mit einer Vielzahl von zu übernehmenden Aufgaben auch auf kleine Portionen dieses Systems zuschneiden kann,was übrigens selbstorganisiert läuft und nicht von Staat oder Verwaltung organisiert ist. Jetzt noch ein paar Daten,damit Sie eine Vorstellung kriegen,was wir hier bereden.Wir reden hier über eine Stadt, die die Hauptstadt dieses brasilianischen Bundeslandes ist,etwas kleiner als die Bundesrepublik Deutschland,die Stadt hat 1,3 Mio. Einwohner, ist eine große Metropole. Die Stadt liegt an einer großen Lagune, hat einen jährlichen Bevölkerungszuwachs von 0,4% und gewinnt sehr stark an Zuwachs aus dem ländlichen Raum.Der Haushalt ist ungefähr 1 Milliarde,wenn man das mal vergleicht mit einer Stadt wie München,die etwa genauso groß ist,die hat einen Haushalt von ungefähr 7 Milliarden Mark. Da sehen Sie also,dass es trotz der gleichen Größe schon erhebliche Unterschiede gibt.In der Stadtverwaltung Porto Alegre sind etwa 21.000 Mitarbeiter beschäftigt. Wenn man das vergleicht mit München,da sind es etwa 50.000 Mitarbeiter inclusive der indirekten Verwaltung,das sind z.B.in München die Stadtwerke oder die Bäder GmbH.In Porto Alegre gibt es 20 Ämter.Und das ist etwas,was für unsere Verhältnisse revolutionär ist.Der Oberbürgermeister und der Rat werden als eigener Haushaltsposten mit Amt geführt, werden also budgetiert und vom Rat genehmigt.Das heißt,die können aus ihrem Haushalt auch die Politikkosten ableiten.33 Stadträte, ein Oberbürgermeister – der ist seit 1997 im Amt,für vier Jahre gewählt. Und die machen seit elf Jahren diese partizipative Haushaltsaufstellung.Dieser relativ lange Zeitraum macht das Ganze als Modell interessant. Das ist ein Großstadt-Verfahren, das seit elf Jahren funktioniert. Sie haben diverseste Preise gekriegt,Paris und Barcelona versuchen jetzt auch gerade, das bei sich zu implementieren, Duisburg und Münster sind große Städte,die diesen Weg jetzt auch in Deutschland als erste gehen. O> Haben die Bürger oder die Deputierten nur über 15 oder 20% vom Gesamthaushalt zu entscheiden oder wie ist das? Gustmann: Entscheidend ist für Entwicklungsländer der Strukturwandel. Die haben in der Regel 0% ihres Haushaltes an Investitionsvolumen oder vielleicht höchstens mal 1 oder 2%.Das heißt also,der Anteil von 15 bis 20% Investitionen am Haushalt, also von investiven Ausgaben, das ist riesig. Die Bürger entscheiden über alle

Geschicke ihrer Kommune. Das sind Investitionen für Straßen, für Abwasser, für Kulturläden, Abfallbeseitigungsunternehmen. Zwischenfrage: Wie würde das bei uns aussehen im Vergleich? Gustmann: Bei uns ist der investive Anteil wesentlich höher.Der ist auch in den anderen westlichen Industrieländern höher.Wenn Sie die Anfangszeiten in den 70er Jahren sehen,wo die großen Infrastruktur-Investitionen gemacht wurden wie Abwasser, U-Bahn usw., dann waren das schon große Teile des Haushaltes, etwa in München.In Brasilien ist dieses Modell ein kleines Erfolgsmodell geworden.In jedem Jahr wirken dort 33.000 Bürger an der Haushaltsabstimmung mit. Wir haben diesen Bürgerhaushalt 1998 zum ersten Mal in Münchwalde im Schwarzwald ausprobiert.Von den 3.500 Einwohnern haben sich zwischen 250 und 300 Leute über das ganze Jahr beteiligt, das waren 10%. Aber die Erfahrungen zeigen, dass man von 3-5% der Bevölkerung bei solchen partizipatorischen Verfahren ausgehen kann. Die Begleitforschungen dazu sind von einer Nicht-Regierungsorganisation gemacht worden; und was interessant ist, für Brasilien kann man es im Internet abrufen, den ganzen Haushalt kann man abrufen, die ganze Diskussion, alle Termine. Jetzt konkret zu dem,wie es abläuft.Das ist ein Verfahren, das geht jährlich von Februar bis zur Beschlussfassung des Rates im Dezember – auch hier beschließt nach wie vor der Rat den Haushalt in letzter Instanz. Es ist allerdings nur einmal vorgekommen,dass der Rat nach dieser Beschlussfassung noch Sachen rausgeholt hat und gesagt hat, ihr habt hier die Belange der Stadtentwicklungsplanung nicht genügend berücksichtigt. Dort gibt es seit der Jahrhundertwende einen Stadtentwicklungsplan, der in 20-Jahres-Abständen kontinuierlich fortgeschrieben wird, mit einer sehr zukunftsweisenden Verkehrsplanung, mit ökologischen Aspekten, Hauptwindrichtungen, Flussrichtungen, Grundwasserspiegeln und weiteren Aspekten der Stadtplanung. Es gibt ja genug brasilianische Städte,die überhaupt keine Stadtplanung haben, wie Sao Paulo. Dabei ist so eine Stadt mit 18 Millionen Einwohnern im Grunde unverwaltbar. Bodenspekulationen diktieren der Verwaltung den Takt.Das ist auch das Problem in Porto Alegre gewesen. Und das Hauptproblem, was dort viele Städte kennzeichnet, ist, dass mit der Bodenspekulation sehr viel Unordnung in die Stadt reingekommen ist. Es gibt große Flächen, die nicht in ein Bauplanungsverfahren einbezogen sind, wo aber Tausende, Zehntausende Parzellen für einen Appel und ein Ei, unerschlossen, ungeplant verscherbelt werden.So werden über Nacht Wohnorte durch illegale Spekulation geschaffen. Seit den 60er Jahren versucht die Stadtverwaltung,Schritt für Schritt dieses Problem in den Griff zu bekommen.Sie ziehen die Planungsdiskussion in die Bezirke runter. Da sind dann die Bürger, Bürgervereine, Nachbarschaftsheime, die Einfluss nehmen. Die spielen bei der Organisierung von Bürgerinteressen eine entscheidende Rolle. In Porto Alegre haben sie dann 1994 beim OP gemerkt, nachdem sie das fünf Jahre gemacht hatten, dass diese Ortsplanung,d.h.die regionale Planung alleine nicht ausreicht,sondern dass sie auch themenorientierte Planung

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machen müssen, weil sie ansonsten die Zielsetzungen ihres Stadtentwicklungsplanes nicht mit in das Ganze eingebaut kriegen.Also,es müssen gemeinwohlbezogene Interessen und gemeinschaftsbezogene Interessen dort eingebaut werden. über Themen wie Sport, Kultur, Gesundheit oder Soziales, Infrastruktur, Abwasser, Müllabfuhr bis zu Hausbau und Straßenbau. Interessant ist, dass bei Eröffnung des Verfahrens in jedem Jahr die Stadtverwaltung eine Informationspflicht hat. D.h., die machen eine Vielzahl von Versammlungen, auf denen Verantwortliche der Region reden, wo der Haushaltsvollzug des letzten Jahres dargelegt wird, wo über Entwicklungen berichtet wird,wie der Bürgermeister seine Zeit genutzt hat, wie bestimmte Gelder, die für Infrastruktur oder Instandhaltungsarbeiten vorgesehen waren, eingesetzt worden sind. Da wird über die jetzige Planung der Stadtverwaltung berichtet.Ein Detailaspekt: bei Ausschreibungen, wenn eine Straße gebaut wird, übernehmen die Nachbarschaftsheime z.B. die Abnahmen der Bauvorhaben.Das ist deshalb interessant,weil in der deutschen Stadtverwaltung die Verwaltungen oft nur noch Pauschalabnahmen von ganzen Gewerken durchführen,weil man einfach die Leute nicht hat,die zu jeder kleinen Baumaßnahme hingehen könnten, die ein kleiner Unternehmer irgendwo macht:da wird mal ein Loch zugemacht,da mal eine Leitung verlegt,da mal ein Gully verlegt. Da kommt am Ende der Baumaßnahme überhaupt kein städtischer Angestellter hin,der das Ding abnimmt, sondern es wird pauschal abgenommen. D.h. irgendwann in den nächsten Jahren kommt dann mal jemand vorbei und kontrolliert das vielleicht. Das ist auch ein Punkt, warum in Deutschland Bauen so wahnsinnig teuer geworden ist.Diese Aufgabe wurde in Porto Alegre auch auf die Bürgervereine übertragen.Sie kriegen dort Baustandsunterlagen,welcher Qualitätsstandard z.B.bei einem Bürgersteig vorgesehen ist,dann geht ein Komitee aus dem Bürgerverein dorthin und guckt nach, misst nach – die wissen dann sehr genau, ob das ordentlich durchgeführt worden ist oder nicht – und schicken dann ihren Bericht. So haben sie qualitativ gute Abnahmen. Wenn es Probleme gibt, rufen sie jemanden von der Stadtverwaltung an und der kommt dann. O< Da gibt es dann wahrscheinlich auch weniger Korruption – wenn man jetzt hier in Berlin den Betonskandal sieht,mit den Preisabsprachen,auf sowas haben ja sicher die Bürger auch ein Auge. Gustmann: Also, wenig Korruption gibt es da nicht gerade,da gibt es noch eine Menge Korruption,aber sie haben es über dieses System der Transparenz geschafft, Korruptionsfälle um weit über die Hälfte zu senken. Es gibt jedenfalls immer genügend Bürger, die bereit sind, sich in so etwas einzuarbeiten und so etwas auch zu kontrollieren.Im OP kann jeder kommen und Anträge stellen an die Kommission,also an dieses selbstorganisierte Gremium. Die Stadtverwaltung hat mal eine Grundsatzung aufgestellt,die kann aber jederzeit verändert werden,die selbstorganisierten Gremien werden unterstützt durch ein Bürgeramt der Stadt.Dort arbeiten ca.30 Mitarbeiter, mindestens einer pro Stadtteil,der nur die Funktion hat, den Bürgern Moderationsfähigkeiten beizubringen,Räume zu beschaffen,Infrastruktur zu stellen.Wenn die Bürger sagen,sie wollen jemanden da haben,der ihnen was

über Finanzen erzählt,dann hat er den herbeizuschaffen; oder sie brauchen jemanden, der etwas über Ingenieurwesen oder Technik sagt,dann schafft er den heran. Übrigens,unsere holländischen Freunde in Tilburg haben ihr System weiterentwickelt, da haben Nachbarschaften kleine Kontingente, also Budgets, die sie abrufen können. Dann hätte also beispielsweise der Bürgerverein Neukölln 500 Stunden bei den Technischen Diensten der Stadt Berlin,die er abrufen kann.Sie könnten sich also sagen, wir wollen jetzt mit 50 Stunden eine Halfpipe für Skater erstellt haben. Dann muss man das Projekt definieren und das muss die Stadtverwaltung dann abarbeiten,und zwar unter der gleichen Priorität wie alle anderen Sachen, weil das auch im Kontrakt festgelegt ist. In Holland wurde so etwas präzise in das System eingebaut, so dass auch keiner von der Stadtverwaltung oder von der Politik ein schlechtes Gewissen haben muss oder etwas anderes dafür aufgeben muss. Sondern das ist ein ganz alltäglicher Bestandteil seiner Arbeit.Wenn etwas schlecht durchgeführt wird,dann hat er sozusagen nicht in seinem Engagement schlecht gehandelt,sondern seine Arbeit schlecht gemacht. Das ist dann abmahnfähig und geht dann auch in die ganz normale arbeitsrechtliche Maschinerie ein. O> Noch mal eine Frage zu den 16 Stadtteilvereinen in Porto Alegre. Werden die nur zu dem Zweck der Haushaltsaufstellung einberufen oder sind das sowieso schon existierende Vereinigungen? Gustmann: Diese Plenarien des OP werden nur zum Zwecke der Haushaltsaufstellung einberufen.Es gibt dort auch seit eh und je Bürgervereine.Die kümmern sich z.B. auch um Probleme der Favelas (illegale Wohnsiedlungen) oder um die Interessen der Bewohner vor Ort oder machen Angebote von Tauschbörsen oder so – so wie wir das hier auch eingeführt haben,das stammt ja eigentlich aus den Entwicklungsländern,von der Tauschwirtschaft. Das haben die Leute dort natürlich auch,das organisieren die Bürgervereine. Also nach wie vor gibt es noch diese bürgerschaftlichen Vereinigungen,die ganz klar Interessen für ihren Stadtteil formulieren und die auch jenseits von der Einflussnahme auf den kommunalen Haushalt tätig sind. O< Wie funktioniert das,wenn die Kommune ein Vorhaben hat,das von diesen Plenarien verworfen wird bzw. anders gewünscht wird? Gustmann: Dann setzen sich die Plenarien durch und die Stadt hat die Chance,sich mit ihrem Plan beim nächsten Mal einzubringen.Und das tut die Stadtverwaltung dann meistens auch. Die fahren dann halt für drei oder vier Jahre mit ihren Prioritäten runter.Ein Beispiel,das ich selber miterlebt habe: Die Verkehrsverwaltung wollte eine verkehrstechnische Tangente haben zwischen zwei Ausfallstraßen,um den Inner-Wohnviertel-Verkehr zu reduzieren. Das wurde erst nach vielen Jahren verwirklicht, weil es immer wieder weggestimmt wurde. So ein Verfahren,so diffus oder so schwierig es uns jetzt erscheint, ist durch und durch pragmatisch und vernünftig von den Ergebnissen, die dabei herauskommen, dass da wirklich wichtige Maßnahmen nicht auf Dauer hinten runterfallen.Das ist nicht erstaunlich.Die Bürger sind ja letztend-

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lich viel einsichtiger, wenn man sie in den praktischen Prozess einbindet, als wir das vielleicht als Verwaltung oder Institution glauben wollen.Bei uns gibt es nicht nur in der Verwaltung,sondern auch bei vielen Vereinen eine gewisse Angst, was haben wir da für Ergebnisse zu erwarten, was für ein Chaos läuft da ab, wenn alle mitbestimmen.Dieses Verfahren hat sich dort für die Region – ob das nun so einfach zu übertragen ist,lassen wir mal offen – aber es hat sich dort bewährt und ist für die Entwicklung der Stadt eine ganz tolle Sache.Vor allem auch deshalb,weil die Stadt mittlerweile weltweite Aufmerksamkeit hat.Und dann passiert das,was immer passiert. Dann fließen Investitionen in die Stadt,die Stadt wird attraktiver, es kommen immer mehr Leute, wenn immer mehr Leute kommen, wird es noch attraktiver und dann fließt wieder mehr Geld rein. Das ist dann so eine Art Wunderspirale. O> Dürfen Kinder und Jugendliche da mitreden oder ist das abhängig vom Wahlalter? Gustmann: Das Problem stellt sich gar nicht, es ist eine viel jüngere Gesellschaft, es gibt aus unserer Sicht eher das Problem, dass sich daran viel zu wenig Alte beteiligen.Sie sehen es ja auch an den Bildern (Fotos,die rumgereicht werden),was für Menschen dort anwesend sind. Und die Leute,die ich für 45 halten würde,stellt sich dann heraus,die sind 25.Das muss man bedenken.Und Kinder und Jugendliche unter 18 – ja, ich habe welche im OPProzess gesehen mit ihren Lehrern, aber die haben da nicht zum OP geredet. Im OP mussten die Bürger,und das ist ja auch für unsere Planungsprozesse von der betriebswirtschaftlilchen Methodik her notwendig,Prioritäten setzen.Die Bevölkerung muss in ihren Äußerungen, ihren Wünschen Prioritäten setzen. Die Leute vor Ort diskutieren über die Prioritäten,die sie in bestimmten Kategorien setzen wollen.Man einigt sich vorher,macht dann der Stadtverwaltung einen Vorschlag.Die legen dann in den 16 Regionalveranstaltungen in den Bezirken Prioritäten fest,das wird dann auf die nächste Ebene weitergegeben.So wird das zu einem Gesamthaushaltsprozess verzahnt.Immer wieder findet ein interaktiver Rückkoppelungsprozess statt, wo die letztes Jahr aufgestellten Standards und die administrativen Kriterien überprüft werden. Wenn eine Region etwas vorschlägt, was in die Vorjahresstandards nicht reinpasst, dann muss diese Region zunächst ihre Projekte so verändern,dass sie da reinpassen.Die können dann aber fürs nächste Jahr die Standards verändern, wenn es nicht reinpasst. So kommt eine gewisse Kontinuität rein, eine bestimmte Zuverlässigkeit gegenüber spontanen Dingen.Eine Geschichte aus der Anfangszeit, als sie das eingeführt haben:Da haben sich einige diesem Verfahren verweigert. Da hat die Stadtverwaltung gesagt, wenn ihr da nicht mitspielt, dann zieht ihr den Kürzeren. Und dann passierte folgendes: Dann haben dort Minderheiten in einem reichen Stadtbezirk das ganze zur Verfügung stehende Geld in die Favela reingegeben, in Infrastrukturmaßnahmen, in Bauprojekte in den gutbürgerlichen Wohnvierteln. Dann haben die anderen Bewohner des Stadtviertels versucht,auf dem bekannten Wege über ihre vertrauten,meist konservativen Stadtverordneten,über Handwerkskammern und Industrieverbände, über föderale Abgeordnete, über Minister


Einfluss zu nehmen auf dieses Verfahren – und das ist der eigentlich kritische Punkt für so ein Verfahren.Es gibt in dem Verfahren nachher Stadtteilbudgets,wo man sagen kann, in den Stadtteil fließt jetzt nicht 1/16, sondern es fließt ein festgelegter Bestandteil in das Stadtviertel zurück von den Einnahmen der Stadt. Sie haben aber auch einen Förderwürdigkeitsschlüssel.D.h.die gesamte Bevölkerung stimmt darüber ab, welche Maßnahmen in welchen Stadtteilen besonders förderungswürdig sind. Und so wird auch die Einheitlichkeit der Verhältnisse hergestellt, entsprechend dem Verfassungsrahmen, wo der Auftrag lautet Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse herzustellen. O> Können Bezirke auch eigene Steuern erheben? Gustmann: Nein. Nur in ganz bescheidenem Umfang. Wie auch in vielen mittel- und osteuropäischen Ländern gibt es so etwas wie Marktgebühren,Standgebühren.So wie das bei uns auch der Fall ist. Und ansonsten ist das Steuersystem ähnlich wie bei uns. Da gibt es Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer, dann haben sie so was ähnliches wie eine Mehrwertsteuer, dann gibt es so was ähnliches wie eine Gewerbesteuer für die Gewerbetreibenden, aber auch für Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte,die ja bei uns rausfallen. Dann gibt es Amtsblätter.Und die informieren monatlich über den Stand des Haushalts. Sie erreichen dadurch Transparenz.Die Nichtregierungsorganisationen schulen Leute,die sich als Delegierte und dann als Räte an diesem Verfahren beteiligen, mit Haushaltskenntnissen. Die Stadt hat jetzt etwa 2.000 Leute,die im Prinzip den Haushalt hoch- und runterdefinieren können, die auch die Kosten-Leistungsrechnungen beherrschen und die da Transparenz reinbringen können,weil sie das System verstanden haben. Wenn man sich mal vorstellt, wie viel Know-how die Leute da reinbringen,die brauchen natürlich auch erst mal eine gewisse Zeit, ehe sie da richtig reinkommen.Wenn Sie 70 Abgeordnete im Abgeordnetenhaus haben, dann weiß die Verwaltung ganz genau, dass da vielleicht zwei oder drei den Haushalt komplett lesen und in allen Details verstehen können, der Rest kann ihn nicht lesen. Der Rest weiß auch nicht, wo was versteckt ist oder wo Freiräume sind. So ist das in dieser brasilianischen Stadt nicht mehr.Der Haushalt ist ein öffentliches Thema.Spätestens nach einem halben Jahr hat sich auch der Allerletzte da durchgekämpft und kennt die Handlungsspielräume.Und das Spiel geht da genauso wie bei uns. Politik versucht, sich Freiräume zu schaffen, die Verwaltung versucht es auch. Und die Stadtteile versuchen genauso,sich mit ihrem Budget Freiräume zu verschaffen. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Das muss nur halbwegs ausbalanciert werden. Noch etwas zu den Menschen: Man kann wählen, mit welchem zeitlichen Aufwand man sich engagieren will. Ich kann z.B.als Bürger wählen,ob ich zu einer Veranstaltung hingehe, zu der ersten, einen Auftrag formuliere, den in ein Gremium reingebe und darauf vertraue, dass sich früher oder später jemand damit beschäftigt und dass das dann seinen Niederschlag findet.Dann ist mein Einsatz eine Veranstaltung von vier Stunden. Oder ich kann sagen, ich bin bereit, als Delegierter oder als Rat mitzutun, dann steigert sich mein Einsatz von zwölf Wochen mit je drei Stunden bis hin zum Delegierten mit

einem Jahr und vier Sitzungen pro Monat von je vier Stunden bis hin zu einem fast Stadtrat-Engagement.Ich kann aber auch sagen,ich will nur ein bestimmtes Projekt verfolgen, dann brauche ich mich praktisch nur bei der Auftragsvergabe bei der Behörde sehen zu lassen. Ich kontrolliere das dann,wenn die Maßnahme abgeschlossen ist,schreibe einen kleinen Report und schicke den an die Verwaltung. Also sie haben eine Vielzahl von Angeboten,die von der Verwaltung topmäßig aufbereitet sind, aus denen der Bürger auswählen kann. Ich möchte jetzt noch ein paar Worte zu meiner Bewertung sagen.Wenn so viele Menschen sich ernsthaft über ein ganzes Jahr daran beteiligen, dann kommt es nicht dazu, dass Politik oder Verwaltung ein Vorhaben in Bausch und Bogen beerdigen können.Das macht keiner mehr.Was passiert z.B.,wenn die so »einen Unsinn« machen wie in München? Die Bürger beschließen dort plötzlich in Mehrheit (Volksentscheid) einen Tunnel.Die einen wollten den Tunnel, die anderen nicht. Da wird also das ganze freie Geld vieler Jahre in so ein Tunnelprojekt gezogen.Ja, das kann eben immer passieren.Es kann auch passieren, dass sie sagen, wir wollen die Schnellstraße haben. Das sind populistische Themen. Es kann immer Konstellationen geben, wo in bestimmten Stadtteilen Zufallsmehrheiten zustande kommen,es wird etwas gemildert durch das System, aber es kann passieren. Das muss man wissen,damit muss man ganz offen umgehen. Das wird aber in München nie wieder passieren, das ist jetzt die Erfahrung der Leute. Die ganzen Sportvereine haben z.B.gemerkt,dass wegen des Tunnels ihre Etats für viele Jahre um die Hälfte gekürzt werden. Und das bedeutet für einen Sportverein das Aufbrauchen nahezu der gesamten Grundlagen.Ein drittes,viertes,fünftes Jahr steht das niemand durch.Und die werden aufpassen,dass ihnen so etwas nicht noch mal passiert,dass nämlich ein Projekt alles infrage stellt. Transparenz schaffen, das ist ein gemeinsamer Lernprozess. Ich hatte anfangs diesen Bürger zitiert, der gesagt hat,bei solchen Veränderungen gibt es Bedenken,dass da Laien mitmischen und die Professionalität durcheinanderbringen.Das andere ist,dass einem vorgehalten wird, hier wird unser System entscheidend infrage gestellt. Es gibt schon lange Diskussionen um solche Elemente.Es gab in Hamburg und in Nürnberg nach dem Krieg Beiräte von Bürgern, die bestimmte Sachen vorbereitet haben, die dann vom Stadtrat so beschlossen wurden.Wenn Sie so wollen, direkte demokratische Elemente. Anders hätte man Großstädte gar nicht mehr zusammenbauen können nach dem 2. Weltkrieg, mit den Verwaltungen gar nicht mehr arbeiten können. Man hat schon damals das begonnen,was wir im Grunde jetzt auch brauchen.Wenn wir das System weiterentwickeln wollen, stehen wir vor der gleichen Frage. Wir haben einen relativ hohen Reformstau. Wenn in Brasilien z.B. ein größeres Einkaufszentrum im Stadtteil gebaut wird, müssen die Investoren in die Bürgergruppen rein und ihr Investitionsmodell vorstellen. Es wird diskutiert bis zur Klärung. Und obwohl sie gutwillig waren,ging es bis an die Grenze dessen,was ein Unternehmer an Zeit hat oder an gutem Willen gegenüber der Akzeptanz durch seine zukünftigen Kunden. Er wird in Prozesse reingedrückt, die für ihn sehr schwierig sind.Hier bei uns,wo die Verwaltung nicht so schnell han-

delt, wird das Ding auf die grüne Wiese gesetzt, und die Bürger fahren hin, weil sie eben Autos haben.Schon dadurch wird eine bestimmte Klientel bevorzugt. In Brasilien wird die breite Masse der armen Bürger z.Z.begünstigt. Das hat also auch einen emanzipatorischen Effekt. Die Reichen lernen zu akzeptieren, dass nicht nur für sie etwas getan wird, sondern auch für die Randgruppen, und dass bestimmte wichtige Grundversorgungsgeschichten – Wasserstraßenbau,Wohnungsbau – im Moment Vorrang haben. Es gibt ein Beschwerdetelefon, wo der Bürger sagen kann:ich zahle Steuern,deshalb habe ich einen Anspruch darauf, dass die Straßenlaterne in meiner Straße brennt und nicht ein halbes Jahr die durchgebrannte Birne nicht ausgewechselt wird. Also Dienstleistung funktioniert dort.Budgetierung:70% wird in die Verfahren budgetiert und 30% kriegt die Verwaltung zur allgemeinen Verfügung. Dieses Verfahren der Bürgerhaushalte schlägt auf Dauer auch auf die Stadtplanung durch. Es werden also auch die gesamtstädtischen Interessen berücksichtigt. Und es bildet sich eine Diskussionskultur in der Stadt.Das hat eine unglaubliche Politisierung auch des bürgerschaftlichen Engagements hervorgebracht und das darunter liegende Prinzip der Partizipation ist »teile und herrsche«.Verwaltungen und Politik verzichten auf einen Teil ihrer Macht,aber nicht auf den Wettbewerb der Projekte und der politischen Programme, Überzeugungen und Letztentscheidungen. Das hat also nicht dazu geführt,dass es keine politischen Differenzen mehr gibt.Im Gegenteil, das hat nur dazu geführt, dass die Leute, die diese Transparenz und die politische Diskussion hergestellt haben, bei Wahlen belohnt worden sind, weil sie über mehr als eine Legislaturperiode bewiesen haben, dass es funktioniert.Wenn es jetzt zu einem politischen Wandel kommen würde,würde ich sagen,die Grundidee ist nach elf Jahren gesichert. Ich habe noch was mitgebracht zu Deutschland. 1998 wurde zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung und dem DGB ein Netzwerk gegründet – »Kommune der Zukunft« – wo innovative Projekte von Kommunalentwicklung aufgelegt wurden. Eines davon war auch Bürgerhaushalt. Da gab es eine Arbeitsgruppe mit zwei Gemeinden im Schwarzwald, Warstein, Stauffenberg – das ist Hessen, die Stadt Passau. Mönchweiler im Schwarzwald hat, sehr vorsichtig, erst einmal vier Bereiche in diesen Bürgerhaushalt eingegeben – den Friedhof, die Mehrzweckhalle, die Stadtbücherei und die Feuerwehr. Das klingt alles harmlos. Aber wenn wir wissen, dass in Kommunalverwaltungen Strukturen bestehen, z.B. bei der Feuerwehr, wo Sie überhaupt nichts bewegt kriegen, dann sehen Sie, wie mutig dieses Projekt ist, da die Feuerwehr mit reinzunehmen und zu versuchen, eine Reform zu machen.Das sind gerade in Kleinstädten die kritischen Punkte, an denen auch ein Bürgermeister fortgefegt werden kann.In Mönchweiler hat der Bürgermeister den Gemeinderat und die Parteien komplett hinter sich gehabt und auch seine Amtsleiter und Dezernenten in der Stadtverwaltung.Die hatten am 25.Oktober Wahl, der Bürgermeister ist wiedergewählt worden, und der Stadtrat ist zur Hälfte mit neuen Leuten besetzt, die mehrheitlich damit geworben haben, dass sie für eine neue Transparenz und Offenheit stehen. Das heißt also, man kann mit solchen Dingen auch in Deutschland

Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung


Wahlen gewinnen und man kann sich mit Sachen wie Transparenz und Information gegenüber den Bürgern so positionieren – parteienunabhängig – dass man dafür gewählt wird. Man muss vorsichtig sein, ob das jetzt schon eine hohe Aussagekraft hat, aber immerhin – das ist das Modellprojekt und da hat es auch geklappt. Man staune über so eine kleine Gemeinde, da kommen dann regelrechte Lawinen an Engagement heraus. Die haben jetzt ein Projekt aufgelegt – eine 3.000-Einwohner-Gemeinde - und zwar die Entwicklung eines Stadtparks,einer Schule, unter Agendagesichtspunkten mit Einbeziehung eines neuen Wohnviertels.Da werden Wohnviertel, Stadtpark, Schule und Agenda in einem konzertierten Projekt zusammengefasst, und von der Bürgerschaft, vom Rat, von der Verwaltung und von der Industrie gemeinschaftlich geplant.Wenn man so zusammenarbeitet,geht gerade in kleinen Kommunen viel mehr als man vorher gedacht hat. O> Das ging doch auch durch die Presse,dass der Bürgermeister jedem Bewohner 100 DM zurückgezahlt hat. Gustmann: Das war eine Gemeinde in Bayern. Der Ansatz dort heißt dann Shareholder- oder AnteilseignerPrinzip.Man kriegt dann eine Dividende ausgezahlt, das sind die 100 Mark. Das hat aber nichts zu tun mit dem Gemeinschaftsansatz, das sind zwei unterschiedliche Modelle. O> Noch mal zurück zu Porto Alegre.Wie ist das denn jetzt nach elf Jahren? Das fing ja alles basisdemokratisch an,ich kann mir vorstellen,dass bestimmte Blockverbände oder Interessengruppen von Anwohnern, die jahrelang was angeschoben haben, was erreicht haben und jetzt immer noch da sitzen.Und dass die Leute,die wenig Interesse haben, ihr Wohnumfeld zu verbessern, außen vor bleiben. Gustmann: Nein,nach diesen elf Jahren gibt es mehr politisch Aktive oder bürgerschaftlich Aktive.Das ist relativ gut nachvollziehbar,weil die eine prima Begleitforschung haben, also soziologisch und psychologisch begleitet. Es wurden auch Untersuchungen darüber gemacht,wie die Leute ihre eigene Lernerfahrung beschreiben, die sie in diesen Prozessen gemacht haben. Es wurde dokumentiert, dass Hausfrauen, die mitgemacht haben, dass Minderheiten, Leute aus den Armenvierteln zum ersten Mal Erfahrungen gemacht haben, dass sie auch was gestalten können.Das hat dazu geführt,dass man jetzt ein Mehr an engagierten Leuten hat. Nicht, wie das bei uns vielfach im kommunalen Bereich ist – da gibt es die Kinderengagierten,die Wohnheimengagierten,das Städtenetzwerk, jetzt kommen die Agendaengagierten usw. Und im Prinzip ist das ein kleiner Haufen von Aktiven,die immer einem Trend nach dem anderen hinterherlaufen. In Brandenburg ist es so gewesen, dass sie in vielen Gemeinden die ehrenamtlichen Bürgermeisterposten und die Stadträte nicht besetzen konnten,weil sich keiner findet, der es machen will. Und irgendwann kommt man dann an die Grenze, wo es nicht mehr kommunal gestaltbar ist,sondern nur noch auf Landesebene. In Porto Alegre gibt es so eine Art Stadtteilbudgets,die es bei uns auch gibt.Das heißt,die Grundmechanismen haben wir hier auch,wir haben mit den Schöffen-Regelun-

gen z.B. auch Aufwandsersatz für Berufstätige für gemeinschaftliche Arbeit – es gibt ein System.Wenn ich ein System einmal etabliert habe,dann brauche ich es nur zu erweitern auf einen anderen Anwendungsfall. Ich brauche es aber nicht neu zu erfinden,sondern ich kann mich bestehender Mechanismen bedienen.Nachbarschaften/ Stadtbezirke haben in München sogar ein direkt gewähltes Parlament.Es gibt Hunderte von Beispielen. O> Ich glaube,dass die überwiegende Anzahl der deutschen Kommunalpolitiker Leute sind, die was für ihr Gemeinwesen verändern wollen. Niemand schafft sich solche horrenden Arbeitsbelastungen, wenn er nicht auch von einer gewissen Vision überzeugt ist.Die wollen was verändern. Sie wollen aber auch, dass sie in der Gemeinschaft einen bestimmten Wert darstellen, dass sie gewürdigt werden.Das sind die zwei Punkte,an denen wir bisher Politik nicht ernst nehmen. Und sie werden auch nicht ernst genommen vom eigenen Parteien-System, wo sie in den Fraktionszwang reingequetscht werden.Sie werden von der Verwaltung nicht ernst genommen,weil sie dort als Störfaktor angesehen werden und sie werden von den Bürgern nicht ernst genommen. Im Grunde haben die Politiker hier in Deutschland mental die »Arschkarte« gezogen. Darunter leiden auch viele. Gustmann: Kommunale Selbstverwaltung ist ja auch erkämpft worden. Stadträte sind Vertreter der Bürgerschaft, die in der Verwaltung mitarbeiten und Verwaltung kontrollieren – historisch gesehen. Und was wir jetzt machen, ist ein Versuch, die nächste Interventionsstufe zu erklimmen.Dass man sagt, alle vier Jahre reicht eben nicht,sondern man muss die Legitimation,wie man das Anfang der 90er Jahre gesagt hat, täglich neu erkämpfen, d.h. man müsste die Akzeptanz der Bürger als Verwaltung täglich neu erkämpfen und eben auch als Politiker.Was das Ganze für Politiker attraktiv macht, ist die Belohnung durch die Bevölkerung. Denn im selben Moment, wo mehrere Bürgermeister und mehrere Räte gemeinsam eine Reform gemacht haben,werden sie von der Bevölkerung dadurch belohnt, dass sich das von alleine durchsetzt. Manchmal müssen mehrere Dinge zusammenkommen, um eine Bewegung in Gang zu bringen. Die Aktiven z.B. – es gibt Bürger, Nachbarschaftsvereine, einen Haufen von Initiativen – die leiden seit Jahr und Tag darunter, dass sie in diesem System wie Fremdkörper wohnen. Und das ist ein Ansatzpunkt, um Interessen zu formulieren und zu sagen, wir wollen das jetzt verändern. Das trifft dann vielleicht auf einen Politiker, der sich neu positionieren will. Das trifft auf eine Verwaltung, die in eingefahrenen Gleisen läuft und bemerkt, dass sie sich in einer Reformwelle befindet. Und manchmal gibt es dann eine Situation,wo so ein Gedanke wie Bürgerhaushalt aufgenommen wird und dann zu einer Welle wird.Das muss aber nicht so sein,man muss nur dranbleiben und es versuchen. O< Das ist schon eine große Chance.Ich erlebe bei uns im Bezirk, dass da auf Seiten der Verwaltung, auf dem Hintergrund der Verwaltungsreform, jetzt eine verhältnismäßig große Hilflosigkeit herrscht – also Umdenken wohin,Leitbilder entwickeln – im Prinzip sind die auch auf uns von außen angewiesen.

Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung

Gustmann: Es herrscht im Moment eine gewisse Ratlosigkeit,die Sinnfrage stellt sich,warum machen wir das? Der Sinn unseres Handelns kann sein, unser System zu stärken, Demokratieformen und Partizipation zu entwickeln oder als Gemeinschaft zusammenzuwachsen oder bestimmte Werte umzusetzen. Und damit sind wir bei ganz banalen Themen wie Sicherheit,bei Fragen wie Schule,Kindergarten und Alterssicherung.Das sind auch die Punkte, wo wir das kommunale System weiterentwickeln wollen,wo wir rangehen müssen.Die politischen Auseinandersetzungen müssen greifen,der Wettbewerb um die besseren Ideen. O< Wie ist das mit Führerungspersönlichkeiten? Es gibt Leute in Kreuzberg, die arbeiten hier seit 20 Jahren und sind sehr eingefahren. Solche Leute sind Sprecher und fühlen sich als Repräsentanten für andere, also auch als Meinungsführer. Werden die in so einem Konzept nicht auch meinungsführend sein und den Prozess sehr stark in ihre eigene Richtung lenken? Darin sehe ich eine Gefahr. Gustmann: Im Gegenteil, das ist eine riesige Chance. Wenn Sie die überzeugen oder die Gruppe,die da mittut, dann geht das viel schneller bei der Durchsetzung. Vorrednerin: Genau, die werden wieder das durchsetzen,was sie schon ganz lange tun. Gustmann: Nein,viele von denen sind auch am Suchen. Das ist etwas, was mich gewundert hat, als ich auch in dieser Veranstaltung gesehen habe,wie viel Angst solche Prozesse bei der Verwaltung erzeugen,aber auch bei den Aktiven. Die Deutschen scheinen eine Begabung zu haben, die Chancen nicht zu sehen, sondern mehr die Risiken. Die Zeiten, wo wir auf Widerständler einreden und sie dann plattreden,sind vorbei.Wenn ein Stadtteil oder eine Gruppe nicht will, dann wollen sie nicht.Ist doch in Ordnung. Die müssen vielleicht erst mal sehen, dass das in anderen Stadtteilen funktioniert,bevor sie sich mit so einer Idee anfreunden können.Das muss man dann auch akzeptieren können. O< Ich glaube,dass das in Kreuzberg grundsätzlich gut funktionieren könnte, ich weiß auch, dass da eine große Bereitschaft ist vom Bürgermeister, also wirklich von oben.Von daher jetzt auch meine ganz konkrete Frage: Wie würden Sie so eine Veränderung umsetzen? Sie sagten vorhin,die Leute neugierig machen. Gustmann: Das hat immer ganz viel mit Kommunikation zu tun, mit Überzeugen, gucken, dass man gemeinsame Wertvorstellungen bildet und auf der Basis dieser Verständigung ein gemeinsames Ziel formuliert und die Schritte überlegt.Was man braucht, ist nicht eine punktuelle Aktivität, sondern ein Plan, dass man ein bestimmtes Ziel erreichen will. So gibt es grundsätzliche Steuerungshebel,die für Modernisierungsprozesse wichtig sind. Einer davon ist Transparenz und Ehrlichkeit im Umgang miteinander. Das ist doch das, was uns alle ärgert bei Politik,bei Verwaltung oder auch bei einem freien Träger. Wir müssen transparent miteinander umgehen,das ist die Voraussetzung.Aber anfangen kann man heute,kann man morgen,mit kleinen Schritten,die man sich vornimmt.Aber allein die Tatsache, dass man sagen


kann,die in Kreuzberg setzen sich zusammen,ist positiv. Wo setzt sich denn schon mal jemand zusammen mit der Intention,sich Ziele zu setzen und diese Ziele zu verwirklichen? Das passiert doch eher selten, das passiert doch oft nur in den Köpfen der Fraktionsvorsitzenden,die dann oft keine Austauschbasis mit anderen Menschen haben. O> Ich würde gerne noch mal auf eine grundsätzliche Frage der Bürgerbeteiligung zurückkommen.In unserem Stadtteil gibt es sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Probleme,wie Wohnraumförderung,wie Gestaltung des Rheinufers als Repräsentationsbereich, Straßenzüge, in denen die Geschäfte kaputtgehen,weil keine Leute mehr hinkommen.Viele befürchten einen zu hohen Ausländeranteil.Also es gibt Interessen auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Sie nannten das Beispiel vom Tunnel, der durch einen Stadtbezirk durchgeht, der möglicherweise aus überregionalen Gesichtspunkten unbedingt sein muss, aber aus Stadtteilinteressen völlig unmöglich ist.Mir fällt es so schwer, eine Bürgerbeteiligung hinzukriegen, die anders ist als die jetzige.Die Stadtpolitiker würden sagen, es gibt doch jetzt auch Bürgerbeteiligung, nämlich über die Fraktionen, und die sind dann stadtweit gebündelt. Ich kann mir aber auch keine direktere Bürgerbeteiligung vorstellen,weil die einzelnen Leute ja sehr unterschiedliche Teilinteressen haben.Und wenn dann Strukturfragen und einzelne kleinräumliche Fragen zusammenstoßen, kann ich mir nicht vorstellen, wie da Entscheidungsprozesse laufen können. Gustmann: Es gibt in diesem Bereich haufenweise Beispiele.In Essen wird es Perspektiven-Werkstatt genannt. Ein Stadtteil,wo die eine Gruppe eine Philharmonie – ein Großprojekt – und die andere Gruppe Quartiersgestaltung haben wollte. Und sie sind dann in diesem Prozess von der Philharmonie-Geschichte weggekommen zu einer neuen Stadtteilgestaltung.Man muss dann seine eigenen Ideen flexibel handhaben, sie vielleicht hintenan stellen und sich fragen, kann ich die Philharmonie nicht an einem besseren Standort oder anders, vielleicht kleiner,realisieren.Und diejenigen,die sagen,wir wollen den Stadtteil pur haben,so nach dem Sankt-Florians-Prinzip – also bei uns nicht, meinetwegen in der Nordstadt – auch die müssen von ihrer Absolutheit runter.Wenn Sie das hinkriegen, dass man sich zusammensetzt, dann kriegt man auch gute Lösungen, z.B. Sportgelände, wo man eher traditionelle Interessen der Sportvereine vermischt mit neuer Freizeitkultur, also dem Wunsch, eine Tennisanlage zu haben,Roller-Blade-Plätze zu haben,ein Gymnastik- oder Body-Builder-Zentrum zu integrieren. Da haben sich die Vereine zusammengetan, und die Stadt, die kein Geld mehr hatte, das Stadtbad zu betreiben, hat das den Vereinen übergeben. Und der Witz ist, heute haben die ein Mehr an Sportstätten und auch das Hallenbad wird betrieben,und zwar als Vereinsbad,man muss Vereinsmitglied werden, zahlt 10 Mark im Monat und kann kostenlos den Rest des Jahres dort baden.Was kommunal überhaupt nicht mehr ging,geht auf Vereinsbasis. Man muss nur neue Wege finden und dann auch mit betriebswirtschaftlichem Sachverstand durchkalkulieren,und dann auch den Mut haben,das als Projekt anzugehen. Solche Pilotprojekte müssen aber gut ausgesucht sein und auch eine hohe Wahrscheinlichkeit haben,im ersten Schritt zum Erfolg zu führen.Das ist immer

auch von der Prozessgestaltung abhängig. Es gibt bestimmte Phasen, Fieberkurven eines Transformationsprozesses, die auf fast alle Transformationsprozesse zutreffen. Begeisterung, Zweifel, Pessimismus, Vertrauen schöpfen, Optimismus, Formtief – und irgendwann, wenn Sie dann in der Stolzphase sind, wenn Sie es geschafft haben, ist das Projekt durch.Das muss man auch wissen, dass diese Prozesse so ablaufen und gleich einkalkulieren. Viele verausgaben sich schon in der Anfangsphase zu 90%. O> Ich freue mich über den Optimismus, den Sie ausstrahlen,und auch die Zielrichtung ist ja nicht uninteressant. Das ist ein wesentlicher Motor der kommunalen Entwicklungen, so sehe ich das im Augenblick. Ich bedauere nur ein bisschen, dass das nicht vor der Produktbeschreibung kam. Gustmann: Wahrscheinlich konnte es nicht vor der Produktbeschreibung kommen.Wir haben uns das auch überlegt.Hätte das eine Akzeptanz gehabt,wenn wir vor der betriebswirtschaftlichen Effizienz,vor der Dienstleistungsorientierung mit so was gekommen wären? Vor 20 Jahren wurde so etwas ja auch noch sehr abgehoben geträumt,aber man muss manchmal Sachen lassen können und sagen, da warten wir jetzt noch mal zehn oder 15 Jahre, weil sie sonst verbrennen oder wir sie kaputt machen.Und deshalb war es wichtig,erst über die betriebswirtschaftlichen Elemente zu reden und diese einzuführen und darüber,dass ich nicht nachweisen kann,welche Effekte das hat. Ich muss ja die Leute überzeugen können – die kaufen doch nicht die Katze im Sack. Und wenn ich nachweisen kann,dass ich einen Kindergarten auch anders betreiben kann,ohne dass er mehr Geld kostet, weil ich eine Kosten- und Leistungsrechnung habe, weil ich über Instrumentarien wie Kontrakt-Management und Controlling verfüge, dann kann ich sowas viel effektiver durchsetzen.Und aus dieser Sichtweise war die Dienstleistungskommune ein notwendiges Durchgangsstadium hin zu einer Bürgerkommune. Die Verwaltung wäre von sich aus nie in der Lage gewesen,diesen Sprung in einem Satz zu machen, auch deshalb muss man in Etappen springen. Und das mit den Produkten müssen wir alle lernen. Wahrscheinlich hätte sich das in der Hauptamts- und Personalamts-Zeit in den 80er Jahren niemand erträumt, dass wir heute an diesem Punkt stehen,das war undenkbar. Unser Vorteil als KGSt ist,dass wir 50 Jahre nachgewiesen haben, dass wir ordentliche Arbeit leisten, dass es funktioniert, und wir haben Vertrauensvorschuss. Das ist der Punkt. Und die Leute, die jetzt ein Unternehmen wirtschaftlich ordentlich führen können, haben so viel Vertrauen und Erfahrungen,dass man auch als Politiker oder Bürgermeister weiß,man geht kein großes Risiko ein.Die wissen,der kann einen Laden ordentlich führen,der kann auch einen gewinnbringenden Laden führen,also warum soll er nicht auch einen Beteiligungsprozess mit Gewinn und Erfolg durchführen. Aber wenn ich meinen Laden nicht ordentlich führen kann,dann brauche ich auch über die Risiken eines solchen Beteiligungsprozesses nicht weiter zu phantasieren. Da ist jedem Entscheider das Risiko viel zu groß, dass er das ganze System aufs Spiel setzt.Deshalb sind einzelne Schritte einfach notwendig, um so etwas durchzuziehen.

O> Ich hätte nie für möglich gehalten, dass die KGSt jetzt wirklich Bürgerbeteiligung forciert.Aber diese letzte Möglichkeit der Bürgerbeteiligung, wie Jugendhilfeausschuss,war ja keine echte Bürgerbeteiligung,sondern eine Fachleute-Beteiligung. Gustmann: Wenn man sich das aus dem Steuerungsaspekt ansieht,kann man kritisieren,dass der Jugendhilfeausschuss eine Fachseilschaften-Gruppe ist, in der bestimmte Berufsgruppen, bestimmte Interessengruppen ihre Politik durchsetzen, mal unabhängig davon, ob ich die sympathisch oder unsympathisch finde. Selbst wenn ein Gremium gut gedacht ist, aber nicht gut funktioniert,dann muss man so frech sein,es auch grundsätzlich infrage zu stellen und vielleicht auch den Fehler machen, dass man im Endeffekt wirklich was Gutes abschafft. O> Ich sehe auf der einen Seite,dass die Fachseilschaft abgebaut wird, aber es sind ja eher regionale Seilschaften, die möglicherweise wesentlich stärkere Partikularinteressen haben.Die Jugendhilfe bezieht sich ja nur auf den Jugendhilfeaspekt und hier geht es um ganz regionale Aspekte. Und hier ist keine Scheu vor möglichen Fachseilschaften? Gustmann: Es gibt bestimmte Seilschaften,die nicht immer sehr sachdienlich aufgefallen sind,aber man darf ja das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Sie dürfen nicht das eine abschaffen und gleichzeitig Bürgerbeteiligung auf der allgemeinen Ebene einführen,dann wäre es ja letztendlich ein Weniger. Und Sie würden Ihre guten Erfahrungen missachten. Sie haben ja ein Kreuzberger Modell entwickelt,das können Sie nicht wegwerfen und dann nichts dahin setzen. Darin ist eine gewisse Gefahr, das haben wir ja bei den Produkten auch festgestellt,dass interessierte Kreise jetzt beispielsweise die Jugendhilfeausschüsse auflösen wollen und sich damit die freien Träger vom Hals schaffen und dann nach oben hin verändern,dass sozusagen neue Strukturen entstehen.Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Es ist ein Risiko und eine Gefahr dabei. Aber die haben Sie in jedem Veränderungsprozess. O> Die KGSt war für mich immer anders besetzt. Mit dem Bürgerhaus, Bertelsmann-Stiftung, habe ich das nicht in Verbindung gebracht. Gustmann: Es ist für uns natürlich auch eine Steuerung eines Bereiches. Wenn Sie so wollen, hat ja auch das Instrument der Frauenförderung den Sinn, einen bestimmten Bereich zu übersteuern,bis man wieder auf einer ausgewogenen Ebene angekommen ist.Das ist auch nicht das perfekte Instrument.Genauso ist es eine Übersteuerung, wie wir jetzt eine Strategie fahren, um Partizipation und Beteiligung auf eine höhere Ebene zu bringen.Aber ich sehe keine Alternative.Ich will das auch nicht als ausschließliche Alternative haben.Die Kommunen, die meinen, sie kriegen auf die klassische Weise hochakzeptierte und legitime Prozesse,wo alle zufrieden sind, die sollen es so machen.Und Leute, die meinen, sie können mit Bürgerhaushalten neue Leute gewinnen und Politik wieder attraktiv,transparent und ehrlich machen, die sollen das machen und es beweisen.

Beteiligung an der kommunalen Haushaltsplanung


In den Workshops erarbeitete Fragestellungen für die weitere Debatte, vorgelegt den Experten im Podium des »großen Ratschlags« 1. Zur freiwilligen bzw.ehrenamtlichen Arbeit 1.1 Gibt es eine »besondere Spezies« von Menschen,die zu freiwilliger bzw.ehrenamtlicher Arbeit bereit sind? Warum arbeiten Menschen freiwillig und umsonst? Weil es eigene Vorteile bringt und Spaß macht? Ist Verantwortungsbewußtsein die treibende Motivation? 1.2 Ist es legitim,Aktivitäten der Bürgerinnen und Bürger zu fördern und gleichzeitig Pflichten und Verantwortung von ihnen einzufordern? 1.3 »Was nichts kostet,ist nichts wert« –?– Kann freiwilliges bzw.ehrenamtliches Engagement durch eine Honorierung gesellschaftlich aufgewertet werden? Wenn ja,an welche Form der Honorierung ist dann zu denken? 1.4 Eignen sich Teilnehmerbeiträge und Kostenbeteiligung der »Kunden« sozial-kultureller Arbeit als Instrument der Qualitätssicherung? 1.5 Gibt es in den östlichen Bundesländern spezifische Strukturen zur Förderung ehrenamtlicher Arbeit? 1.6 Gibt es Erfahrungen,dass ehrenamtliche Mitarbeiter bzw.Mitarbeiterinnen im Verlauf ihrer Tätigkeit selbst zu Klienten sozialer Arbeit werden?

2. Zum Leitbegriff Partizipation 2.1 Gibt es Erfolgsaussichten,wenn man bürgerschaftliches Engagement in solchen Stadtteilen »wecken« will,wo bislang keine Bereitschaft dazu erkennbar ist? Inwieweit lassen sich Strategien zur Weckung bürgerschaftlicher Beteiligung,wie sie z.B.in Baden-Württemberg entwickelt worden sind,auch auf soziale Brennpunkte in Großstädten übertragen? 2.2 Welche Vorstellungen von Partizipation sind geeignete Leitbilder: Bürgerinnen und Bürger vertreten öffentlich ihre jeweiligen spezifischen Interessen (z.B.als Autofahrer,Radfahrer,Fußgänger,Rollstuhlfahrer) – oder gehört zur Partizipation auch die Arbeit an etwas Gemeinsamem,also der Entwicklung eines sozialen Raumes,in dem die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt sind? Muss ein interessenübergreifendes »Verantwortungssyndrom« entstehen? 2.3 Sollen Gremien der Bürgerbeteiligung in Stadtteilen bzw.Kommunen (z.B.Stadtteilkonferenzen) formalisierte Beteiligungsrechte bekommen oder ist es besser,wenn sie im informellen Bereich bleiben? 2.4 Wie müssen sich Kommunalverwaltungen ändern,um die Entwicklung einer »Bürgerkommune« zu unterstützen? 2.5 Bei der Förderung von Projekten der Bürgerbeteiligung gebrauchen staatliche Instanzen ihre Steuerungsmacht (z.B.bei der Auswahl förderungswürdiger Projekte oder durch Auflagen bei der Finanzierung).Ist es sinnvoll – wenn ja,wie ist es möglich – staatliche Steuerung zu begrenzen,um die Eigenverantwortung der Projekte zu stärken? 2.6 Was können Sie jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich dazu beitragen,um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu verbessern?

3. Zur Rolle und den Aufgaben der sozial-kulturellen Einrichtungen 3.1 Welche Rahmenbedingungen müssen in den Einrichtungen gegeben sein,damit die Zusammenarbeit zwischen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gelingen kann? 3.2 Nachbarschaftszentren und vergleichbare Einrichtungen stehen bei der Vergabe staatlicher Mittel im Wettbewerb mit anderen,z.T.neuen Akteueren der Quartiersentwicklung. Warum bringen Nachbarschaftsheime nicht selbstbewusster ihre Erfahrungen und Stärken ein,z.B.im Blick auf Bürgerbeteiligung und freiwilliges Engagement,Vernetzung und Kooperation im Stadtteil,Anpassungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft für neue Nachfragen und Interessen von Bürgerinnen und Bürgern,einschließlich der Interessenvertretung gegenüber der Politik? Aber:Können die bestehenden Einrichtungen wirklich Keimzellen für neue Ideen sein? 3.3 Für die Entwicklung von Stadtteilen unter besonderer Berücksichtigung der Bürgerbeteiligung sind neue Zuständigkeiten entstanden,neben die Gemeinwesenarbeit ist Quartiersmanagement,Stadtteilkoordination,Anwaltsplanung und Sozialplanung getreten.Welche professionelle Kompetenz wird hier gebraucht und sollte in Aus- und Weiterbildung vermittelt werden? Welche Erfahrungen gibt es bei der Kooperation der unterschiedlichen Professionen? 3.4 Ist ein spezifisches professionelles Ethos bei denjenigen erforderlich,die als Teil ihrer beruflichen Aufgabe Bürgerbeteiligung fördern? Bedarf es ethischer Kriterien,um sich ggf.bestimmten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger oder der Auftraggeber zu widersetzen? 3.5 In den sozial-kulturellen Einrichtungen tritt die kulturelle Arbeit zunehmend zurück und der Anteil an genuiner Sozialarbeit wird größer.Wie kann es gelingen,dem kulturellen Aspekt wieder mehr Raum zu geben? 3.6 In welcher Rolle wird Gemeinwesenarbeit bei der Entwicklung einer lokalen Ökonomie gebraucht – als Unternehmerin,als Moderatorin oder als Lobbyistin? Fragen aus den Workshops


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Der große Ratschlag

mit: Micheline Andreae, Bürgerstiftung Berlin Ralf Baumgarth, Freiwilligenbörse Heidelberg Joachim Braun, Institut für Sozialwissenschaftliche Analysen und Beratung (ISAB) Köln,Leipzig Daniel Dettling, Sächsisches Modellprojekt zur Integration Langzeitarbeitsloser Hartmut Gustmann, Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) Köln Konrad Hummel, Sozialministerium Baden-Württemberg,Stuttgart Werner Matthes, Robert Bosch Stiftung,Stuttgart Stefan Nährlich, Aktive Bürgerschaft Münster Adrian Reinert, Stiftung MITARBEIT,Bonn Monika Schneider, Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.,Köln Wendelin Szalai, Aktion Gemeinsinn,Bonn Wolfgang Thiel, NAKOS,Berlin Bernd Wagner, Kulturpolitische Gesellschaft e.V.Bonn Stephan Wagner, Paritätische Akademie,Berlin Moderation:Dieter von Kietzell Dieter von Kietzell: Wir haben uns vorgenommen,dass wir zum Ende der Veranstaltung noch einmal Sachverstand von außen heranholen, um auf Fragen, die sich in den Workshops ergeben haben,Auskunft und Antwort zu geben.Wir haben die Fragen zu drei Themenblöcken zusammengefasst, die wir nacheinander besprechen wollen. Sie, verehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung,bitte ich,am Gelingen dieses großen Ratschlags mitzuwirken. Wie Sie sehen, sind hier im Podium zwei Stühle frei geblieben.Sie sind ja auch Experten,Sie haben Erfahrung in der Arbeit, die hier verhandelt wird, und können während des Gespräches nach vorne kommen, auf einem der Stühle Platz nehmen, wenn Sie andere Positionen, andere Meinungen, andere Antworten auf Fragen geben wollen. Sie können aber auch mitwirken, indem Sie Fragen vertiefen und präzisieren.Ich bitte Sie zu prüfen, was hier vom Podium gesagt wird, ob Sie damit zufrieden sind,ob die Auskünfte übertragbar sind auf Ihre Arbeitsgebiete.Die Gäste auf dem Podium haben die Schwierigkeit, dass sie zwar das Thema dieser Tagung kennen, aber dass sie die Fragen erst heute morgen be-

kommen haben. Das heißt, sie müssen so flexibel sein, sich auf Fragen spontan einzustellen. Als erstes wenden wir uns Fragen zur freiwilligen bzw. ehrenamtlichen Arbeit zu. Stefan Nährlich: Gibt es eine besondere Spezies von Menschen,die zu freiwilliger oder ehrenamtlicher Arbeit bereit sind? Es gibt Untersuchungen zum freiwilligen, zum bürgerschaftlichen Engagement, die zeigen, dass statistisch gesehen eher gut verdienende Menschen mit relativ wenig Zeit, die sozial und beruflich finanziell abgesichert sind,es sich quasi leisten können,engagiert zu sein.Der kleine Annex ist,dass Verantwortungsbewusstsein die tragende Kraft dabei sei.Ich glaube aber,es ist ein bisschen idealisierend, von Verantwortungsbewusstsein als tragender Kraft zu sprechen,ich glaube eher,dass die tragende Kraft ein Mangelempfinden ist. Ich engagiere mich, wenn ich irgendetwas in meinem Umfeld als unbefriedigend empfinde oder wenn ich der Meinung bin, die Kommune entscheidet über meinen Kopf hinweg.Das sind Anlässe sich zu engagieren,und nicht so sehr das abstrakte Pflichtgefühl, einem Bürgerverantwortungsbewusstsein nachkommen zu müssen. Joachim Braun: Wir haben im Projektverbund von vier Instituten eine repräsentative Befragung durchgeführt von 15.000 Deutschen zu bürgerschaftlichem Engagement, Ehrenamt und Selbsthilfe. Etwa jeder dritte Bundesbürger über 14 Jahren ist in irgendeiner Form in Vereinen, in Selbsthilfegruppen, in Projekten oder bei Einrichtungen engagiert. Das sind 34%, also eine relativ große Gruppe der Bevölkerung,von daher kann man sagen, dass die Engagierten nicht eine ganz besondere Spezies sind. Wichtig ist, sich klar zu machen, worüber man redet, wenn man über Bürgerengagement, Ehrenamt und Selbsthilfe spricht.Es geht hier nicht nur um den sozialen Bereich,der ist nicht der größte Bereich,in dem sich Menschen ehrenamtlich engagieren, andere Bereiche wie der Sport sind größer.Wir haben insgesamt 14 Tätigkeitsbereiche unterschieden in dieser Umfrage,vom Engagement in der Schulpflegschaft bis zu Schöffen bei

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Gericht, Naturschutz usw. Das Spektrum, in dem Menschen sich bürgerschaftlich engagieren, ist deutlich größer als der soziale Bereich, der allerdings hier in diesem Kreis stark im Vordergrund steht. Ralf Baumgarth: Nach der Erfahrung bei uns in der Freiwilligenagentur kommt es sehr darauf an,dass es einen biografischen Berührungspunkt gibt.Das heißt,dass ich in meiner aktuellen Lebenssituation tatsächlich ein Bedürfnis oder eine Erkenntnis habe in dem Sinn,dass ich einen Mangel sehe, dass ich denke, ich müsste was für mich,für die Gesellschaft oder für das Gemeinwesen tun. Von daher ist die Gruppe der ehrenamtlich Engagierten sicher keine besondere Spezies, sondern es ist vielleicht ein besonderer Lebensabschnitt, in dem sich Menschen eher zu Engagement berufen fühlen, als dass materielle Grundlagen der allein ausschlaggebende Punkt sind. Wolfgang Thiel: Ich war zunächst auch in der Versuchung, keine besondere Spezies hervorzuheben, tue es aber jetzt in Reaktion auf die Vorredner.Die Erfahrung des Selbsthilfebereiches zeigt, dass doch etwas Besonderes dazu gehört, diesen Schritt zu machen. Es muss Menschen auch gepackt haben, egal aus welchen Motiven heraus. Und damit erklärt sich aus meiner Sicht dieses große Missverhältnis zwischen aktivem bürgerschaftlichen Engagement und Selbsthilfe und dem Potenzial, das sich daraus erschließt.Eine repräsentative Befragung der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik im letzten Jahr hat ergeben,dass drei Viertel es sich vorstellen können,sich in einer entsprechenden Situation einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Das ist ein enormes Potenzial. O> Ja,die Engagierten sind eine besondere Spezies von Menschen.Aber ich schränke das auch wieder ein und sage, es gibt nur besondere Spezies von Menschen. Alle Gruppen sind besonders und alle Einzelpersonen sind besonders.Und das ist das Entscheidende und Wichtige.Wir haben sehr unterschiedliche Motive, warum Menschen aktiv werden oder auch nicht aktiv werden.Es gibt Leute, die machen das aus gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein, andere wollen die Gesellschaft gestalten, andere wollen einfach nur, indem sie aktiv werden, andere Leute kennen lernen und wieder andere tun es zu ihrer Selbstverwirklichung. Deswegen brauchen wir auch differenzierte Unterstützungsformen. Das kann sicherlich durch Honorierung gesellschaftlich aufgewertet werden, aber das bedeutet nicht, dass es für alle, die aktiv sind, gleichermaßen wichtig ist, dass es gesellschaftlich aufgewertet wird.Ich bin sehr kritisch,sehr skeptisch gegenüber allen Versuchen, das gesellschaftliche Engagement zu organisieren, denn das ist die Organisation des Unorganisierbaren.Die Lebendigkeit besteht gerade darin,dass es so verschiedenartig ist. Adrian Reinert: Zu der Frage, warum sich Menschen freiwillig engagieren und bereit sind,ohne Bezahlung zu arbeiten, können wir aus dem kommunalen Bereich die Erfahrung beisteuern, dass es dort einen Wertewandel gab in den letzten 30 Jahren.Während das ursprüngliche ehrenamtliche Engagement eher altruistisch motiviert Der große Ratschlag


war, können wir jetzt feststellen, dass mittlerweile ein Mix an Motivationen eine Rolle spielt,sowohl altruistisch motivierte als auch selbstverwirklichungsorientierte Gründe,aber eben auch solche Gründe wie Anerkennung oder einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Da kommen wir dann auch an den Punkt der Honorierung.Es gibt ja durchaus Systeme der Honorierung ehrenamtlicher Arbeit, wie der Aufwendungsersatz in der Kommunalpolitik oder die Freistellungsregelung für Schöffen oder für bestimmte Tätigkeiten in großen Organisationen.Und auch hier gilt es,von Fall zu Fall zu prüfen,wo man diese Regelung vielleicht der Zeitentwicklung anpasst. Aber grundsätzlich halte ich eine Honorierung ehrenamtlicher Arbeit für nicht angebracht. Werner Matthes: Ich kann ergänzen, dass nach der Geisslingen-Studie ungefähr ein Drittel der Menschen bereit ist, sich bürgerschaftlich zu engagieren. Ich habe ein paar Stichworte aufgeschrieben:Es braucht Anstöße, um eine Aufgabe zu übernehmen.Es braucht persönliche Ansprache,Kristallisationspunkte oder Gelegenheiten,es braucht manchmal Betroffenheit und es braucht die Bereitschaft,Aufgaben zu übernehmen. Stephan Wagner: Aus zwei Untersuchungen,die David Kramer und ich in den neuen Bundesländern gemacht haben,geht hervor,dass man von einem sozio-ökonomischen Muster sprechen kann. Wer aus einer Familie

kommt, in der ehrenamtlich gearbeitet worden ist von Vater oder Mutter, neigt eher dazu, ebenfalls ehrenamtlich zu arbeiten.Zweitens,wer als Jugendlicher schon mal ehrenamtlich tätig war,neigt eher dazu,im Alter wieder ehrenamtlich tätig zu sein. Drittens, solange in Familien Kinder sind, sind eher kurze Einsatzzeiten zu erwarten von ein, zwei Stunden die Woche. Wenn die Kinder die Familie verlassen haben, dann gibt es zwei unterschiedliche Muster. Die Frauen, die nicht in den Beruf zurückkehren,neigen dann schon zu sehr hohen Einsatzzeiten, die zwischen 20 und 30 Stunden in der Woche liegen können,spätestens bei Berufsende neigen Männer wie FrauDer große Ratschlag

en zu sehr hohen Einsatzzeiten, die ein arbeitsähnliches Verhältnis abbilden. Und auch Sozialarbeiter neigen in sehr hohem Maße dazu, neben ihrer Tätigkeit in einem zweiten Feld ehrenamtlich tätig zu sein. Wendelin Szalai: Aus meiner Sicht ist es legitim,Aktivitäten der Bürgerinnen und Bürger zu fördern und gleichzeitig Pflichten und Verantwortung von ihnen einzufordern. Bürger sein heißt, ich bin aktives Mitglied einer Gemeinschaft. Das bedeutet automatisch Pflicht und Mitverantwortung für die Mitbürger und für das Gemeinwesen. Wenn ich diese Pflichten und diese Verantwortungen vernachlässige, bin ich kein Bürger, sondern nur Bewohner. Die Frage der Honorierung sehe ich ähnlich wie Herr Dr.Reinert.Ich spitze es mal zu: Bürgerschaftliches Engagement muss sich für den Engagierten auszahlen, aber die Währungen sind sehr unterschiedlich. Und die Hauptwährung ist eben nicht die D-Mark, sondern das Erlebnis des Gebrauchtwerdens,die Freude des Aktivseins mit Gleichgesinnten.Das Problem ist,ob möglichst viele Bürgerinnen und Bürger andere Währungen anerkennen neben der D-Mark.Und das hängt unter anderem davon ab, wie man »erzogen« wird. Zu Gemeingeist zu »erziehen«,zu Ehrenamt zu »erziehen«,da hängt sehr viel von der Vorbildwirkung ab. Micheline Andreae: Die Bürgerstiftung Berlin ist relativ jung und wir haben nur wenige Projekte,aber wir haben

die Erfahrung gemacht, dass die Leute aus Mittelstand und Oberschicht,die finanziell abgesichert sind,auf jeden Fall Interesse haben,ihr Können einzubringen,und zwar in dem Bereich, wo sie tätig sind.Die Rechtsanwälte mit ehrenamtlicher Rechtsberatung bei Vereinen oder eben auch in der Stiftung,ein Steuerberater,der die Steuergeschichten macht etc., die brauchen sicherlich kein Geld. Sie arbeiten den ganzen Tag und tun dann auch noch etwas für sich und ihr gutes Gewissen.Dann gibt es natürlich die,die in den Projekten selber rein ehrenamtlich arbeiten. Die würden häufig gerne Geld kriegen, nur von uns kriegen sie keines, weil wir erstens keins haben und

zweitens denken, dass damit die Idee einer Bürgerstiftung nicht getragen werden kann,wenn man finanzielle Unterstützung gewährt.Sachmittel schon.Es sind häufig Leute,die schon in Projekten waren,wo sie Geld verdient haben, und es trotzdem weiter machen, obwohl sie aus einer Finanzierung herausgefallen sind, weil das Projekt einfach schön ist für sie. Hartmut Gustmann: Aus kommunaler Erfahrung sage ich:Honorierung,grundsätzlich nein,Ehrung,grundsätzlich ja. Unsere Erfahrungen sind, dass im FreiwilligenEngagement in Sportvereinen, Gesundheit, Selbsthilfegruppen und dem, was im kommunalen Bereich besonders im Vordergrund steht, die Ehrung eine wichtige Funktion hat und auch von vielen,die sich dort engagieren, als selbstverständlicher Bestandteil eines gewissen Arbeitseinsatzes betrachtet wird. Zu dem Thema Teilnehmerbeiträge und Kostenbeteiligung:Ich habe in meiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Instituts für präventive Medizin in Nürnberg mal eine repräsentative Befragung gemacht und habe Kostenbeteiligung z.B. an Vortragsveranstaltungen für gesundheitliche Selbsthilfe abgefragt.Ungefähr ein Drittel der Leute war bereit,sich an den Kosten zu beteiligen, wenn man dafür Fachleute einkaufen kann oder sich in den Selbsthilfegruppen besondere Leistungen einkauft. Aber grundsätzlich gehen Selbsthilfegruppen davon aus,dass es keine Teilnehmerbeiträge für solche Veranstaltungen gibt. Bernd Wagner: Ich würde gern noch mal auf die erste Frage zurückkommen.Ich glaube,man kann nicht von einer einheitlichen oder von einer besonderen Spezies von freiwillig Engagierten sprechen.Wenn man sich die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder ansieht, wird die Verschiedenartigkeit deutlich.Ich will das an einem kleinen Beispiel aus meinem Sektor zeigen.Jemand, der sich als ehrenamtlicher Leiter eines Laienchors betätigt,hat eine besondere Motivation,dies zu machen,besonders wenn er im ländlichen Raum lebt. Jemand, der in den Förderverein eines renommierten Museums in einer Großstadt geht,hat eine andere Interessenlage und andere Motive, die er damit verbindet.Eltern,die die Stadtteilbibliothek ehrenamtlich übernehmen,die von der Kommunalpolitik geschlossen wurde, haben wieder andere Motive und Interessen.Diejenigen,die im sozio-kulturellen Zentrum arbeiten und dort den gesamten Unterhalt übernehmen, haben ebenfalls wieder andere, sehr differenzierte Motivstrukturen. Wenn ich den Kulturbereich mit dem Sozialbereich, mit dem Gesundheits- oder Sportbereich vergleiche, kommen weitere Differenzierungen hinzu. Bezogen auf die mögliche Einbindung von Arbeitslosen ist übereinstimmend die Erfahrung, dass sie unterproportional bereit sind, sich ehrenamtlich zu betätigen. Wenn wir ehrenamtliches, bürgerschaftliches Engagement diskutieren im Zusammenhang mit der Zukunft der Arbeitsgesellschaft, dann ist es ein zentrales Problem, dass gerade diese Gruppe, auch in diesen gesellschaftlichen Zusammenhängen, am geringsten beteiligt ist. Zumindest im Kulturbereich kann man das so sagen. Daniel Dettling: Bürgerschaftliches Engagement setzt ein gewisses bürgerliches Selbstbewusstsein voraus,und das ist gerade bei den Leuten,die wirklich draußen sind, das sind Langzeitarbeitslose, alleinerziehende Mütter


usw., nicht vorhanden. Sie leiden an multiplen Deprivationen, wie das Sozialwissenschaftler ausdrücken, und sind weniger bereit, sich ehrenamtlich oder freiwillig zu engagieren. Das sind ja gerade die Grenzen der Bürgergesellschaft.Und darum versuchen wir in Sachsen,diese beiden Felder – neue Arbeitsgesellschaft und Bürgergesellschaft – zu verbinden, indem wir Langzeitarbeitslosen eine gewisse Aufwandsentschädigung, einen Gutschein,geben im Wert von 150 Mark im Monat,damit sie sich einerseits ehrenamtlich engagieren können, aber andererseits auch eine gewisse Gegenleistung bekommen. Wir nennen das nicht Arbeit in Sachsen, sondern Aufgaben und Tätigkeiten. Und das wird auch sehr begrüßt.Allerdings wollen die Leute in den Regionen der neuen Länder, wo eine Arbeitslosigkeit von teilweise 30-40% herrscht, vor allen Dingen arbeiten. Sie definieren sich primär über Arbeit und nicht, wie im Westen, teilweise über Selbstverwirklichung.Das ist natürlich ein ganz neues Feld.Zur Honorierung von freiwilligen Tätigkeiten:Das beste Beispiel ist immer die Blutspende.Wenn Sie Leuten Geld geben fürs Blutspenden,dann kriegen Sie qualitativ schlechtes Blut,dann gehen nämlich die Leute hin, die das Geld wirklich nötig haben. Und das ist eben das Problem:Wie entlohnt man öffentliche Güter? Denn durch die Entlohnung werden diese öffentlichen Güter häufig schlechter.Dessen müssen wir uns bewusst sein. Dieter von Kietzell: Sie haben das gesellschaftliche Bewusstsein angesprochen. Vorher war ein Verantwortungsbewusstsein als Motiv eher abgelehnt worden.Was für eine Art von Bewusstsein meinen Sie?

gen, weil sie keine Infrastruktur haben in den Kommunen,die sich um ihre Kinder kümmert.Es ist sehr einfach und teilweise auch öffentlicher Zynismus zu sagen, dass diese Frauen sich bürgerschaftlich engagieren wollen oder können.Dann sprechen wir vielleicht über zwei unterschiedliche Gesellschaften – ich habe über Sachsen gesprochen,und Sie sprechen vielleicht über Westberlin. Wolfgang Thiel: Ich schließe an die Frage der Verantwortung und der Pflichten an. Ich könnte aus der Sicht der Selbsthilfe sehr viel damit anfangen, wenn damit Selbstverpflichtung und Selbstverantwortung gemeint wäre. Natürlich ist es legitim, Forderungen zu stellen, Pflichten zu formulieren, an Verantwortung zu appellieren. Aber es geht ja auch um ein neues, partnerschaftliches Verständnis und eben nicht um hierarchisches Verständnis des Umgangs zwischen Staat, Gemeinwohl, Bürgeraktivität und Selbsthilfe, sondern um ein neues Mischungsverhältnis.Probleme tauchen immer dann auf, wenn geklärt werden muss, wer definiert eigentlich die Pflichten und das,was die richtige Verantwortung ist.Das ist eigentlich der Kern der aktuellen Fragen.Und es ist ja nicht zufällig, dass dieses Thema von der Politik erst in den letzten Jahren entdeckt worden ist und dabei Bürgerengagement in unterschiedlichsten Facetten eine Ausprägung und Entwicklung gefunden hat – in der alten Bundesrepublik – seit der Protestbewegung und der Ökologie-, Alternativ-, Bürgerinitiativ-Bewegung in den

pflichtung einher geht. Dennoch passen zu diesem Bereich Vorgaben nicht. Ich habe bei der Diskussion um Förderrichtlinien mitbekommen, dass solche entwickelt worden sind, in denen z.B. der Satz stand: Die Gruppen müssen für alle Interessierten offen sein. Eine Formulierung, an der nichts zu mäkeln ist aus der Logik der Förderung durch die öffentliche Hand.Aber für die Gruppe passte das überhaupt nicht.Eine andere Formulierung war, dass sie Beratungsleistungen für sozial Benachteiligte anbieten müssen,weil das in der Logik dieser möglichen kommunalen Förderung ein besonderer Schwerpunkt gewesen ist und aus der Logik der politischen Durchsetzbarkeit war das das Nadelöhr. Für die Gruppe selbst passte das aber nicht. Aber was heißt das für das Engagement,für das Potenzial von Aktivitäten von Gruppen unter dem Aspekt Pflichten und Verantwortung? Es geht um ein freies partnerschaftliches Aushandeln und auch um kritische Dimensionen,die das beinhaltet. Joachim Braun: Für mich ist die Ost-West-Debatte hier sehr interessant,die Unterschiede zwischen Ost und West im Engagement, aber auch bei den Strukturen. Es gibt sehr deutliche Unterschiede in der Engagement-Bereitschaft und dem tatsächlichen Engagement.Wenn ich auf die Befragung zurückgehe, die ich vorhin ansprach, engagieren sich in den alten Bundesländern 35%, in den neuen Bundesländern 28%.Das ist ein erheblicher Unterschied. Was die Förderstrukturen betrifft, heißt hier die

Daniel Dettling: In der Vergangenheit haben wir Solidarität und Sozialpolitik immer sehr einseitig definiert. Die einen geben Geld und die anderen haben Ansprüche, also Sozialpolitik als Einbahnstraße.Das kann nicht mehr die neue Sozialpolitik sein.Wir müssen eine Gesellschaft von gegenseitigen und wechselseitigen Verpflichtungen und Verantwortungen fördern. Auch Leute, die Geld bekommen, Sozialhilfeempfänger, Arbeitslosenhilfebezieher,wollen gebraucht werden,wollen sich sinnvoll engagieren.Aber es kann nicht sein,dass diese Leute quasi unattraktive Angebote bekommen. Und die Erfahrung, die wir in Sachsen gemacht haben,ist:damit diese Leute sich auch wirklich in dem Bereich engagieren, muss die Anreizstruktur vorhanden sein,da muss die Bereitschaft der Kommunen da sein,sich um diese Leute zu kümmern.Das kann nicht nur in den tradierten Bahnen vonstatten gehen, sondern das muss ein Mix sein von Anreiz und Entlohnung und auch von Engagement und Förderung. Wolfgang Hahn: Über die Langzeitarbeitslosen lässt sich ja diskutieren,inwieweit sie ehrenamtlich engagiert sind. Aber wogegen ich mich wehren möchte, ist, dass alleinerziehende Mütter nicht bereit sind,sich gesellschaftlich zu betätigen.Ich mache die gegenteilige Erfahrung,dass gerade diese Frauen,die unter sehr harten Bedingungen ihre Kinder erziehen, Beruf, Sozialhilfe oder andere Sachen miteinander verknüpfen müssen, in hohem Maße bereit sind,sich in unseren Einrichtungen zu engagieren. Daniel Dettling: Ein Drittel der Sozialhilfeempfänger in Sachsen sind alleinerziehende Mütter. Sie können nicht arbeiten,können sich auch nicht bürgerschaftlich betäti-

70er Jahren, das hat ja eine bestimmte Geschichte. Und viele,die diese Geschichte noch erlebt haben,können sich gut daran erinnern, dass dieses Thema und die Bürgeraktivität überhaupt nicht staatlich hoffähig gewesen sind,sondern einen enormen gesellschaftskritischen,politisch-kritischen Stachel hatten und in die Richtung von Terrorismus und Subversion getrieben wurden.Ich will an zwei kleinen Beispielen verdeutlichen, wie das für die Selbsthilfe von Bedeutung ist, dass die Logik staatlicher Förderung sehr oft Vorgaben beinhaltet. Natürlich werden Vorgaben mit gutem Grund auf dem Hintergrund gemacht, dass mit der Förderung eine Gemeinwohlver-

Frage: gibt es spezifische Förderstrukturen in den östlichen Bundesländern? Wir haben längere Erfahrungen in den alten Bundesländern im Aufbau von Förderstrukturen,jüngere in den neuen Bundesländern,es gibt gewisse Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Das ist eine Debatte, die weitergeführt werden muss, aber ich kann nicht von vornherein dafür plädieren,eine ganz spezifische Ost-Besonderheit zu kreieren,die auf historische, vorübergehende Erscheinungen zurückgeht. Noch ein Aspekt,der die Honorierung betrifft:Dahinter steht ja die Frage, wie eigentlich Engagement gefördert werden kann. Wenn man die Menschen fragt, was für sie am Der große Ratschlag


wichtigsten ist,dann sieht man,dass der Hauptbedarf derer,die noch nicht engagiert sind und die sich engagieren möchten,bessere Informationen und Beratung über Gelegenheiten und Möglichkeiten zum Engagement ist.Es wäre wichtig, die Engagement unterstützende Infrastruktur in Kommunen besser auszubauen. Das ist die beste Möglichkeit,Engagement anzuerkennen,das ist die Währung, die die Menschen wünschen, angemessene Information und Beratung durch Selbsthilfekontaktstellen,Freiwilligenagenturen,Seniorenbüros oder ähnliche Einrichtungen. Hartmut Gustmann: Ich möchte noch auf diejenigen eingehen,die wir nicht erreichen.Umfragen zeigen,dass wir ein hohes Engagement, eine hohe Engagementbereitschaft haben,dass aber eben nicht alle Leute,die dazu bereit wären, das auch tatsächlich tun. Das hat auch was mit dem Wertewandel, den ich vorhin schon angesprochen hatte,zu tun.Wenn das stimmt,was uns Soziologen sagen, dann erreichen wir nahezu ebenso viele Menschen nicht wie die Anzahl derer, die bereits aktiv sind. Und das ist das Problem. So sagt z.B. der Soziologe Klages:Dieser Wertewandel,der bei dem potenziell aktiven Teil der Bevölkerung in den letzten 30 Jahren stattgefunden hat,ist von den Institutionen – und das sind sowohl die Kommunen wie auch Vereine oder Nachbarschaftshäuser – nicht nachvollzogen worden.Was kann man nun tun, um diese Menschen zu erreichen? Wir haben eine gutachterliche Arbeit dazu mit unseren Kommunen in diesem Sommer erarbeitet, das ist der KGStBericht 6/99 zur Förderung von ehrenamtlichem Engagement.Wir versuchen damit,die kommunalen Strukturen insoweit zu verändern, dass wir ehrenamtliches Engagement so aufbereiten, dass die Leute sich quasi Pakete zur Umsetzung abholen können. In Kontrakten mit freien Trägern dringen wir darauf, dass wir gerade auch Angebote für diejenigen machen, die wir bisher noch nicht erreicht haben.Denn die Erfahrung zeigt, die Leute wollen ein übersichtliches Engagement,sie wollen sich nicht auf längere Zeit binden, sie wollen ein Projekt auch abschließen. Sie wollen den Erfolg ihrer Arbeit sehen. Zugänge müssen also verbreitert werden.Wir bauen die Kommunen zu einer ermöglichenden Verwaltung um.Was heißt das konkret? Wir installieren EngagementErmutigung,indem wir eine bisherige »Holschuld« zu einer »Bringeschuld« der Verwaltung umwandeln. Das ist ein schwieriger Prozess, denn das bedeutet, auf allen Ebenen der Verwaltungen Entwicklungen voranzutreiben und zu befördern, die dazu führen, dass die Mitarbeiter und auch die Strukturen so was eher von sich aus befördern, als dass man sie dazu drücken muss. Das erfordert einen Mentalitätswandel, einen Kulturwandel, wenn Sie so wollen. Micheline Andreae: Die Bürgerstiftung hat sich in Anlehnung an die Community Foundations in Amerika gebildet.Dort waren sie früher lange Zeit nur Geldverwalter für die Spenden und Stiftungen,die Projekte bezahlt haben.Da hat sich in Amerika ein Wertewandel eingestellt. Es sind nicht mehr Stiftungen aus Testamenten,sondern es werden Stiftungen gerade von jungen Menschen, die z.B. in der Internet-Branche wahnsinnig viel Geld verdient haben.Die wollen das Geld nicht nur abgeben und mal sehen,was daraus wird,sondern die haben ganz speDer große Ratschlag

zielle Ideen, was damit gemacht werden kann im sozialen Bereich in ihrer Kommune, in ihrer Region. So etwas sollte man in Deutschland auch versuchen zu befördern, dass eine andere Denkweise von Unternehmern entsteht, die ein soziales Gewissen haben,woran man anknüpfen

Arbeit und Erwerbsarbeit? Brauchen wir nicht eine ganz neue Idee von Arbeit und ganz andere Formen der Vereinbarkeit von heute bezahlter Arbeit mit heute unbezahlter Arbeit? Das ist ja sehr, sehr ungerecht, wie das in der Gesellschaft verteilt ist.Und ich will zum Begriff der

kann.Wir haben sicherlich kein Silicon Valley hier,aber im Kleinen gibt es eine ganze Menge Geld von Leuten mittleren Alters, die sicherlich nicht erst warten wollen, das Geld loszuwerden im sozialen oder kulturellen Bereich. Das haben wir bei unseren Gesprächen mit Leuten festgestellt,die eine ganze Menge Geld verdienen.Sie wollen Geld geben, sie wollen aber auch sehen, was damit passiert.

Solidarität noch etwas sagen. Diese Bürgerstiftungen sind sicherlich eine vorzügliche Idee.Nur,man kann nicht sagen, wir übernehmen das jetzt einfach aus den USA, denn dort hat das Stiftungswesen einen ganz klaren Hintergrund, und zwar die massive Vermögensbesteuerung.Es ist in den USA sehr unrationell,wenn man mit einem großen Vermögen keine Stiftung gründet.Während in Deutschland die Gesellschaft nicht darauf setzen kann, dass sich das Stiftungswesen von selbst entwickelt,denn dann würden wir auch eine solidarische Besteuerung von Vermögen und Einkommen brauchen.

Adrian Reinert: Ich möchte zur Frage der Teilnehmerbeiträge und Kostenbeteiligungen etwas sagen, vor allem,weil das Wort »Qualitätssicherung« hier auftauchte. Ich finde es teilweise erschreckend,wie willfährig solche Modewörter übernommen werden.Gegen Sicherung von Qualität kann ja niemand etwas haben,aber auf der anderen Seite ist der Begriff im Grunde genommen ein Synonym für Einsparen. Und wenn man einsparen will, dann soll man es so sagen, dann soll man das nicht Qualitätssicherung nennen. Bezüglich der Teilnehmerbeiträge und Kostenbeteiligungen gilt das gleiche.Es gibt Gruppen in unserer Gesellschaft,die können sich das leisten, etwas zu zahlen, es gibt aber andere Gruppen, die können das eben nicht. Deswegen kann man auf diese Frage nicht so pauschal antworten.Gleichzeitig vermisse ich einen anderen Begriff in dem gesamten Fragenkatalog, und das ist der Begriff der Solidarität, der früher zumindest im Bereich der sozial-kulturellen Arbeit eine sehr viel größere Rolle spielte.Solidarität ist nicht Altruismus, Solidarität ist etwas,was ich in der Hoffnung übe,dass ich gegebenenfalls mal von einem anderen etwas zurückbekomme. Und dieses Solidaritätsbewusstsein ist in unserer Gesellschaft etwas verloren gegangen. Wir sollten überlegen: Wie können wir es wieder fördern und weiterentwickeln. Das wird die Schlüsselfrage für unsere Gesellschaft und auch für die Entwicklung bürgerschaftlichen Engagements sein.Dazu gehört dann auch,neu zu hinterfragen,wie ist das denn mit unserem Verhältnis zu

Stephan Wagner: Im Rahmen der Untersuchungen,die wir für Bosch gemacht haben,sind wir in Schwerin auf ein Projekt gestoßen – Meganopolis – bei dem auch Teilnehmerbeiträge erhoben wurden,allerdings von Leuten,die sich das leisten können.Man zahlt 20 Mark für sozial-kulturelle Angebote und das läuft hervorragend. Das geht aber nur bei bestimmten Zielgruppen,das wird für Sozialhilfeempfänger oder unter anderen Bedingungen nicht funktionieren. Insofern muss man das sehr differenziert betrachten. Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt eingehen. Es kommen immer Sätze wie: wir müssen Arbeit verteilen, wir müssen mit einem anderen Bewusstsein arbeiten und dann können wir auch ehrenamtlich arbeiten. Ich habe damit Schwierigkeiten, weil der Gegenstand,der entsteht,janusköpfig ist:auf der einen Seite ehrenamtliche Arbeit, da gibt es eine Menge Formen, wo Leute tätig sind und dann in irgendeiner Form einen Gegenwert kriegen, der auch finanziellen Charakter haben kann. Man kann das aber auch einen staatlich organisierten Billiglohn-Sektor nennen.Es entsteht hier ein Bereich, der beides gleichzeitig ist.Ich will das nicht kritisieren, ich bin mir sehr unsicher, was da richtig ist. Aber ich weiß, dass unter dieser Schale zwei Küken hocken.Und es ist nicht entschieden, welches am Ende schlüpfen wird.


Dieter von Kietzell: Vielen Dank zunächst einmal an diese Runde.Ich möchte jetzt einen Schnitt machen, Sie kommen dann gleich noch mal wieder dran, damit die Teilnehmer der Veranstaltung auch dran kommen. Ich möchte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bitten,sich für einen Augenblick mit ihren Nachbarn auszutauschen, wo Ihrer Meinung nach Nachfragen gestellt werden müssen,wo Sie mit den Auskünften nicht einverstanden sind, wo die Antworten nicht übertragbar sind. O> Stephan Wagner sprach von Janusköpfigkeit. Ich würde sagen, die steckt in der Akquise von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch. Wir senden permanent doppelte Botschaften in diesem Zusammenhang aus, auf der einen Seite möchten wir ehrenamtliche MitarbeiterInnen finden, die für von uns entwickelte Ziele arbeiten,auf der anderen Seite sagen wir: wir unterstützen euch bei eurer Emanzipation und dazu gehört,dass ihr euch nicht durch unbezahlte Arbeit ausnutzen lasst. Diese doppelte Botschaft kommt permanent und kann natürlich dann weder zu einem klaren Ziel noch zu einem klaren Ergebnis führen. O< Als Volkswirtin habe ich einen ganz anderen Blickwinkel auf diese Themen.Was ich spannend finde an dieser Diskussion, ist z.B., dass Ehrenamtlichkeit immer im Verhältnis zur Arbeitstätigkeit diskutiert wird. Was ich schwierig finde,ist:Ihr müsst ehrenamtlich arbeiten,aber es wird nicht anerkannt.Gesellschaftlich anerkannt wird Lohnarbeit, und zwar die traditionelle männliche Lohnarbeit, Kindererziehung wird quasi gar nicht als Arbeit gesehen.Ich denke,dass man auch mal diskutieren muss, was wirklich gesellschaftlich an Arbeit geleistet wird.Das ist nämlich zum größten Teil unbezahlte Arbeit und ein noch größerer Teil ist wahrscheinlich Frauenarbeit. Außerdem habe ich manchmal das Gefühl, dass die Sportvereinsvorsitzenden in einer Kommune ein höheres Ansehen haben als Leute, die wirklich was für die Bevölkerung tun. O> Was mir hier fehlt, ist das, was auch in der Gesellschaft ständig moniert wird, dass nämlich die Jugend

nicht dabei ist. Die kommt hier auch nicht vor. Aber die wird man nicht mit solchen Mitteln,wie ich es im Augenblick höre,zu ehrenamtlichem Engagement bringen. O> Ich komme aus der Jugendarbeit,habe in Emden im CVJM gearbeitet,in einem Heim der offenen Tür.Sie hatten kein Personal da und ich war Praktikant.Wir waren sehr darauf angewiesen, dass Jugendliche eigenständig Gruppen machen.Das wichtigste war für uns,dass wir sie

umhegt,umpflegt,versorgt haben,belobigt haben usw., die wollten keinen finanziellen Anreiz. Dann habe ich in Berlin-Hellersdorf als Streetworker gearbeitet. Da habe ich Jugendliche gefragt, ob sie Räume brauchen, die sie selber verwalten können.Und da bin ich echt gescheitert. Die erste Frage der Jugendlichen war:Wie viel Kohle kriege ich dafür. In gewissen Bereichen läuft das soziale Engagement bei Jugendlichen nur über die Kohle.Gibt es Erfahrungswerte aus der Praxis,wie man Jugendliche anders als über Kohle motivieren kann,sich zu beteiligen an der Gesellschaft? Dieter von Kietzell: Damit die Antworten zu den Fragen passen, gebe ich zunächst das Wort wieder in das Podium. Hartmut Gustmann: Ich möchte zu einer offensichtlich unterschiedlichen Wertigkeit von ehrenamtlicher Arbeit was sagen.Wir sollten jetzt nicht anfangen,in der Weise zu differenzieren, wer mehr oder weniger für Menschen tut.Aus meiner Sicht arbeitet jemand,der sich im Sportverein engagiert und unter Umständen dadurch hilft, Jugendkriminalität zu senken, genauso viel für das Gemeinwesen wie jemand, der in der sozialen Arbeit tätig ist.Also an dieser Stelle bitte nicht Ehrenamtlichkeit der 1.und 2.Klasse definieren.Das zweite,wir haben ganz andere Erfahrungen, als dass Jugendliche nur über Geld zu gewinnen sind, sondern es gibt da ein hohes soziales Engagement und eine große Bereitschaft. Ich glaube, dass wir als Institutionen noch nicht so weit sind,dass wir auf den geänderten Wertewandel bei Jugendlichen, auf die damit verbundenen Anforderungen an Angebote ehrenamtlicher Tätigkeit, Antworten geben können. Das Problem liegt nicht bei den Jugendlichen, sondern es ist unser Problem als Kommunen,als Vereine,als Institutionen. Was die Solidarität angeht, meine Informationen über den Wertewandel sind genau andere, Solidarität brauchen wir nicht zu entwickeln. Auch hier gilt, die Solidarität in der Bevölkerung als Wert hat sich in den letzten 30 Jahren kontinuierlich entwickelt und,was vielleicht viele überraschen wird, auch das politische Interesse hat sich in den letzten 30 Jahren erheblich ent-

wickelt. Das heißt, was wir an mangelnder Wahlbeteiligung und an Rückzug aus politischen Institutionen sehen, ist nicht sinkendes politisches Interesse, sondern sinkendes politisches Engagement.Und auch da sind wir wieder bei den Institutionen, die keine adäquaten Antworten auf den in unserer Gesellschaft veränderten Wertewandel geben können. Das heißt, nicht die Leute, die Menschen sind das Problem, sondern wir sind das Problem.(- Beifall -)

Daniel Dettling: Noch etwas zur Familienpolitik:Es gibt ja zwei oder drei oder sogar vier Antworten in der Gesellschaft,was die Schwierigkeiten in der Frauen- und Familienpolitik angeht.Da gibt es eine konservative Politik,die sagt: Erziehungsgehalt, Frauen sollen ruhig zu Hause bleiben und wir zahlen denen das in bar aus,meinetwegen 1.000 Mark pro Kind,egal wie viel Einkommen da ist, ob sie Sozialhilfeempfängerin ist oder Millionärserbin. Die zweite Antwort ist die sozialdemokratische Antwort, die Kinderaufzucht nicht nur als ein Privatvergnügen anzusehen.Sondern die Sozialdemokratie hat zwar eigentlich keine Vorstellungen von Familie,das sollen der Vater und die Mutter irgendwie intern regeln, wir machen da möglichst wenig, machen lediglich Infrastruktur-Angebote und das wars dann. Die dritte Antwort ist die neoliberale. Kinder sind Privatvergnügen. Zwischen Kindern und Eltern besteht ein Gesellschaftsvertrag, ein Generationenvertrag – beide haben Pflichten. Und es gibt kein staatliches Interesse daran, dass eine Mutter die ganze Zeit zu Hause ist. Gerade auch alleinerziehende Mütter wollen arbeiten, sie sollen arbeiten.Tony Blair gibt beispielsweise im alleinerziehenden Bereich den Familien bis zu 400 Mark in der Woche zusätzlich,damit die Mütter arbeiten können. Das wäre ein neuer Gesellschaftsvertrag.Kindererziehung ja,aber gleichzeitig diesen Frauen auch die Möglichkeit zur Weiterqualifikation, zum Einstieg in das Berufs- und Arbeitsleben zu bieten, weil nichts gefährlicher ist,als lange Zeit nicht erwerbstätig zu sein. Dann kommen sie nämlich in den Arbeitsprozess nicht mehr rein.Das eigentliche Problem in diesem Land ist,draußen zu sein und nicht mehr reinzukommen. Stephan Wagner: Ich will noch mal auf das Problem der doppelten Botschaft eingehen,die wir senden.Ich denke dabei an jemanden,von dem ich viel gelernt habe,nämlich George Eberle in den USA, Saint Louis, der in einem völlig kaputten Viertel arbeitet. Die Menschen sind sehr arm. Ich bin damals auf etwas gestoßen, was mich sehr seltsam berührt hat,er hat den Armen,die dort leben,für Seminare,in denen sie skills,wie das im Amerikanischen heißt,also Fähigkeiten bekamen,im Leben besser klarzukommen, Geld bezahlt. Er hat nicht den Dozenten Geld

bezahlt,das waren angestellte Sozialarbeiter oder Ehrenamtliche, sondern er hat den Teilnehmern Geld bezahlt. Nur,wenn ich ihnen Geld gebe,erlangen sie irgendwann die Fähigkeit,dass sie auch ohne Geld zu den Seminaren kommen können und dabei etwas gewinnen.Ich würde den ganzen Bereich, wo wir diese Botschaften senden und wo wir auch teilweise Mikro-Ökonomien entwickeln, als einen Bereich der Selbstorganisation fassen,wo Arme Hilfe brauchen, aber auch ganz viele eigene Ressourcen Der große Ratschlag


einbringen. Und hier muss mit ökonomischen Mischformen gearbeitet werden. Ich habe nur Bauchschmerzen, wenn dieser Bereich dem Bereich ehrenamtlicher Arbeit zugeschlagen wird – und zwar der klassischen ehrenamtlichen Arbeit, die wirklich eher aus Mittelschichten und mit anderen Motivlagen kommt.Und wir müssen als diejenigen, die arbeiten, lernen, diese Dinge zu trennen, ohne beleidigend zu werden. Das ist ein Problem in unseren Köpfen und nicht ein Problem der Menschen, die tätig sind. Joachim Braun: Zu der Einschätzung,Jugendliche seien weniger aktiv oder schlechter zu akquirieren: Tatsache ist, dass sich Jugendliche deutlich mehr engagieren als die Älteren, die 14-24-Jährigen sind zu 37% engagiert, von den über 60-Jährigen sind es 26%.Tatsache ist auch, dass das Engagement in Millionenstädten geringer ist als in anderen Teilen dieser Republik. Aber wichtig ist bei Jugendlichen, dass sie sich auf keinen Fall für fremdbestimmte Ziele, vordefinierte Aufgaben und Zwecke akquirieren lassen,die vielleicht Sozialarbeiter in sozio-kulturellen Zentren für sie definieren.So wird man Jugendliche nicht erreichen. Hier liegt eine große Herausforderung. Man wird Jugendliche für selbst definierte Aufgaben gewinnen.Man wird sich dafür öffnen müssen und möglicherweise Ziele, die man sich bisher gesetzt hatte,ändern müssen. Wolfgang Thiel: Im Selbsthilfebereich sind ca.75% der Mitwirkenden Frauen.In aller Regel ist es auch hier allerdings noch genauso,wie es sich in der Gesellschaft abbildet: für die Männer die Ehre, für die Frauen die Arbeit oder das Soziale. Damit ist jetzt keine Wertung verbunden, sondern das zeigt doch nur, dass sich diese gesellschaftlichen Vorgaben und Strukturen auch in die Engagementsfelder hinein fortsetzen. Dass sie dort auch so begriffen und diskutiert werden müssen, ist auch eine Herausforderung für die gesamte Selbsthilfe,wo oftmals die Vorstandspositionen oder Gremienposten von Männern besetzt sind und die Frauen auf einer unteren Ebene wirken. Monika Schneider: Das Thema Ehrenamtlichkeit ist ja ein ganz großes Thema in unseren Einrichtungen, viele werden hauptsächlich von Ehrenamtlern getragen.Dennoch habe ich in den einzelnen Workshops eine Ratlosigkeit dazu erlebt.Hier höre ich jetzt auch sehr viel über diese Ehrenamtlichen.Und ich kriege noch nicht so ganz zusammen, wie wir eine Verbindung herstellen können zwischen den zahlreichen Erkenntnissen,die es dazu gibt, und der Verunsicherung der Einrichtungen gegenüber diesem Bereich.Vielleicht können wir mal versuchen,diesen Bogen zu schlagen. Adrian Reinert: Es ist eine Schwierigkeit der Form,dass wir ziemlich undiszipliniert und durcheinander auf Fragen antworten. Werner Matthes: Ich bin ja ein Ehrenamtler und habe relativ viele Aufgaben. Aber ich habe ja auch Zeit dafür. Es macht Spaß,etwas zu tun,es ist ganz wichtig,gebraucht zu werden, als älterer Mensch vor allem, der nicht mehr im Beruf steht, aber noch munter und lebendig ist, Zeit hat und Interesse für viele Dinge.Es ist ganz einfach eine Der große Ratschlag

munen mit 10.000 Einwohnern haben durchaus nicht selten 100, 120, 150 Vereine, wo auch mehrere tausend Menschen aktiv sind.Und aus dieser Sicht kann ich nicht bestätigen, dass 75% der ehrenamtlich Tätigen Frauen sind,sondern es gibt bestimmte Bereiche der ehrenamtlichen Tätigkeit,die ganz klar von Frauen dominiert sind, und solche,die ganz klar männerdominiert sind.Wir verstehen im kommunalen Bereich unter Ehrenamt und unter freiwilliger Tätigkeit die Mitwirkung in Sportvereinen, Geschichtsvereinen, das Engagement für Umwelt, Abfall, Mieter, Schuldner, Arbeitsloseninitiativen, gesundheitliche Selbsthilfegeschichten,Bürgervereine,die mittlerweile in Deutschland 30% aller Stadträte stellen, also politisches bürgerschaftliches Engagement usw.Und das ist der Bereich des bürgerschaftlichen Engagements. Und nicht nur,wie vielleicht auch aus Ihrer eigenen Tätigkeit klar wird,der soziale Bereich,der bei Ihnen natürlich im Vordergrund steht. Dieter von Kietzell: Schwerpunkt der zweiten Runde ist jetzt der Leitbegriff Partizipation.Was ist zu tun oder was kann nicht getan werden, wenn es darum geht, Partizipation zu ermöglichen?

wichtige Erfahrung,dass man sich noch einbringen kann, dass man etwas mitmachen darf,dass man irgendwo gebraucht wird und Interessantes erlebt. Es ist ja nicht so, wie jetzt hier oft geklagt wurde,dass die Menschen nicht erreicht werden. Die Frage ist nur, wie erreicht man sie, wie ermöglichen wir es Menschen, die interessiert sind und etwas machen wollen,dass sie mitmachen dürfen.Es geht um die Bereitschaft,Aufgaben zu übernehmen und auch Spaß zu haben. Wendelin Szalai: Noch eine Bemerkung zu Jugendlichen und Ehrenamt.Ich habe da eine viel positivere Sicht, als das vorhin geklungen hat,und zwar nicht nur in dem quantitativen Hauptfeld von ehrenamtlichem Engagement,also sportlicher Tätigkeit,sondern auch in anderen Bereichen,auch was soziales Ehrenamt betrifft.Ich finde es gut, dass man in der letzten Zeit dazu übergegangen ist,auch an den Schulen diese Dinge stärker zu beachten. Es gibt so was wie ein soziales Lernen an den Schulen.In einer ganzen Reihe von Bundesländern vermerkt man jetzt sogar in Zeugnissen, wenn sich Schülerinnen und Schüler engagiert haben oder man legt ein Beiblatt dazu,wenn sie sich außerhalb der Schule engagiert haben. Und ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, was das Projekt »Soziales Lernen« in Baden-Württemberg gemacht hat,bei dem Schülerinnen und Schüler sich in Vereinen und Verbänden in einem Praktikum engagiert haben.Als das beendet war,sind die Kontakte in vielen Fällen bestehen geblieben. Da hat funktioniert, und zwar außerhalb von irgendwelchen Geldern und öffentlicher Anerkennung. Hartmut Gustmann: Wir scheinen offensichtlich hier ein unterschiedliches Verständnis von Ehrenamt zu haben. Ich möchte Ihnen aus dem kommunalen Bereich Kennzahlen sagen:So eine Gemeinde mit 3.000 Einwohnern,davon gibt es ungefähr 16.000 in Deutschland,hat durchschnittlich 40, 50, 60 Vereine. Darin können auch schon mal 2.000 von den 3.000 Leuten aktiv sein. Kom-

O< aus dem Saal: Ich möchte vor allem eine Antwort für mein Team mitnehmen, und zwar auf die Frage, wie sich die Gesamtgesellschaft verändern wird, wie der gesamtgesellschaftliche Wandel vollzogen wird, wie die Umverteilung von Arbeit erfolgen wird und wie es uns dann gelingt, bezahlte Arbeitsplätze nicht durch unbezahlte Arbeitskräfte zu gefährden. Daniel Dettling: Die Grenzen zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit werden immer fließender,ebenso die Grenzen zwischen Wissen und Kapital. Die ganzen Begriffe, die wir jetzt gewohnt sind, Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatz,Arbeitgeber,Arbeitnehmer usw.,wird es in 20 Jahren nicht mehr in der heutigen Form geben.Das heißt für die Professionellen, dass gerade die festen Arbeitsplätze weniger bezahlt werden,dafür aber Leute,die gar nicht bezahlt werden und bisher ausgeschlossen sind, eine Chance haben, wieder mehr an dieser Gesellschaft teilzunehmen. O> Ich glaube nicht,dass bezahlte Arbeit durch unbezahlte Arbeit ersetzt werden kann, weil bezahlte Arbeit eine ganz spezifische Struktur hat. Sie ist in der Regel zielgerichtet und hat ein Produkt oder ein Ergebnis zum Ziel, das zu einem bestimmten Zeitpunkt und unter bestimmten Bedingungen erstellt werden muss und wo ich bestimmte Kenntnisse brauche. Und ehrenamtliche Arbeit ist in der Regel nicht in der Lage,diese Kenntnisse so spezifisch zur Verfügung zu stellen. O< Aber es wird zunehmend unbezahlte Arbeitskräfte geben,die durchaus professionell sind.Wie können die in Prozesse eingebunden werden? Ich denke gerade auch an Rentner mit hohen Qualifikationen,die durchaus noch vital sind und ihre Kenntnisse und ihre Energie auch noch irgendwo einbringen wollen. Bernd Wagner: Ehrenamt gleich unprofessionell, Erwerbsarbeit gleich professionell – das ist eine falsche Gleichsetzung ebenso wie es problematisch ist zu sagen,


dass Erwerbsarbeit eine bestimmte Zielrichtung habe, ehrenamtliche Arbeit dagegen weniger zielgerichtet sei. Im Kultursektor wird ehrenamtliche Arbeit verstärkt eingesetzt zur Rationalisierung und zur Übernahme von Arbeiten, die andere bisher als bezahlte Tätigkeit gemacht haben.Das ist eine Tendenz z.B.im Bibliotheksbereich, in den Volkshochschulen und Museen sowie verschiedenen anderen Sektoren.Von daher verstehe ich die Befürchtungen hauptamtlich Beschäftigter in bestimmten Arbeitsfeldern,dass ihre Arbeit wegrationalisiert oder entprofessionalisiert wird. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass wir bereits sowas wie einen Beschäftigungs-Mix in einem ganzen Bereich von Tätigkeiten haben. Wenn ich mir ein sozial-kulturelles Zentrum ansehe, die sind vielfach aus bürgerschaftlichem Engagement entstanden,dann wurde eine ABM-Stelle eingerichtet, oder es konnte eine Stelle finanziert werden.Die gleichen Tätigkeiten werden dort teilweise von Leuten wahrgenommen mit ganz unterschiedlichen Formen von Arbeit wie Ehrenamt,Erwerbsarbeit,Eigenarbeit etc. Wir werden uns zunehmend in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen damit auseinandersetzen müssen, dass unser Verständnis von Erwerbsarbeit in der Form der bezahlten männlichen Normalbiografie nicht mehr gängige Norm sein wird.Und von daher glaube ich auch, dass wir diese Begrifflichkeiten in eine andere Richtung diskutieren müssen, dass die Gegenüberstellung – früher war es Arbeit und Freizeit und heute ist es Erwerbsarbeit und Ehrenamt oder bürgerschaftliches Engagement – dass diese Begriffe fließend werden und wir uns auch bewusst darum bemühen müssen, dieses traditionelle Verständnis von Arbeit und Erwerbsarbeit aufzubrechen. Stephan Wagner: Wir haben in der Bosch-Untersuchung Nutzer von ehrenamtlichen Projekten gefragt: Warum geht ihr in ehrenamtliche Projekte und nicht in professionelle Projekte? Und dahinter stand auch die Frage,wann wollt ihr in der Sozialarbeit Profis haben und wann Ehrenamtliche.Die Antworten waren teilweise völlig anders, als wir das erwartet hatten. Im Wesentlichen haben die Leute gesagt, wir wollen Profis dann haben, wenn es um hoheitsstaatliche Maßnahmen geht,z.B.ein Kind wird aus der Familie genommen, ein Rentenbescheid wird erteilt,wenn also etwas passiert,wo der Staat massiv in die Privatsphäre eingreift – das soll von Hauptamtlichen gemacht werden. Wir wollen Hauptamtliche haben, wenn wir Klienten haben, die Spezialkenntnisse erfordern,die bei Ehrenamtlichen in der Regel nicht vorhanden sind.Wir wollen Ehrenamtliche immer dann haben,wenn wir beraten werden wollen,insbesondere,wie wir mit dem Staat umgehen sollen. Und wir haben die Projekte gefragt,wofür braucht ihr Hauptamtliche,wofür braucht ihr Ehrenamtliche? Die Antwort war überraschend: wir brauchen die Hauptamtlichen, um mit dem Staat umzugehen. Das ist so kompliziert, das kriegen Ehrenamtliche nicht hin. Herbert Scherer: Ich möchte eine Generalklausel vorschlagen,die dieses Problem,das die Kollegin angesprochen hat, vielleicht lösen kann und gleichzeitig hier Begriffsklärung schafft. Also, bezahlte Arbeit ist Arbeit, die jemand kaufen will.Andere Arbeit ist Arbeit,die jemand freiwillig tut.Weil ihm irgendetwas Spaß macht, weil er

irgendetwas will.Wenn wir diesen Begriff ganz klar haben und uns als Einrichtung davon verabschieden, dass wir ehrenamtliche Helfer für von uns vordefinierte Aufgaben rekrutieren wollen,haben wir gar kein Problem. Bernd Wagner: Wenn wir das so strikt handhaben, wie Sie das gesagt haben,würde etwa die Hälfte unserer kulturellen Angebote eingestellt werden müssen. Weil die Hälfte der kulturellen Angebote in der Kommune und vor allem auf dem Land durch ehrenamtliche Arbeit sehr zielgerichtet geleistet wird, dass ein Produkt entsteht, und zwar geleistet wird von Leuten, die kein Geld dafür bekommen. Herbert Scherer: Ich habe doch gar nicht gesagt,dass sie Geld dafür kriegen sollen, sondern dass sie selber bestimmen sollen,dass sie selber in der Verantwortung sind und nicht jemand anders ihnen die Aufträge gibt – dieses Prinzip in der Einrichtung verankert als Kultur. Monika Schneider: Die tun das doch,weil sie das selber tun wollen. Bernd Wagner: Natürlich wollen sie es selbst tun.Auch wenn ich einen Beruf habe, will ich ihn selbst tun. Diese Unterscheidung leuchtet mir nicht ein. Wenn ich z.B. weiß, in meinem Stadtteil wird die Bibliothek von der Kommunalpolitik geschlossen,ich möchte sie aber erhalten,dann schließen die Eltern sich zusammen,bilden einen Verein und übernehmen diese Bibliothek in eigenem Engagement, meist noch in Partnerschaft mit der Kommune.Sie wollen was tun und es ist eine Arbeit im Sinne bürgerschaftlichen Engagements,das durchaus die gleichen Kennzeichen hat wie bezahlte Erwerbsarbeit, die früher die hauptamtliche Bibliothekarin gemacht hat.Ich sage nicht, dass das durchgängig eine gute Entwicklung ist.Aber ich sage,dass das eine Realität ist. Georg Zinner: Ich wende mich gegen alle Großstrategen und Definierer, die Ehrenamtlichkeit definieren wollen. Ehrenamtlichkeit ist das,was Bürger wollen.Unsere Aufgabe ist,den Bürgern die Möglichkeiten anzubieten.Von welchen Möglichkeiten die Bürger Gebrauch machen,das ist einzig und allein ihnen überlassen.Und zu definieren, was ist hauptamtlich, was ist nebenamtlich oder sonst welche Arbeit,ist völlig überflüssig.Ich wehre mich auch gegen dieses gigantische Vorurteil,das ich seit 30 Jahren kenne, Ehrenamtliche nehmen Hauptamtlichen Arbeit weg.Seit ich Sozialarbeiter bin,höre ich,es werden immer unsere Stellen gestrichen, uns werden immer Gelder weggenommen, aber gleichzeitig hat sich die Sozialarbeiter-Profession verfünffacht oder verzehnfacht in dieser Zeit. Und trotzdem ist die Wahrnehmung so. Da stimmt doch bei uns irgendetwas nicht. O> aus dem Saal:Das Thema Ehrenamt muss heute viel differenzierter betrachtet werden. Für viele ist ja ein Ehrenamt eigentlich nur verbrämte und geduldete Arbeitslosigkeit. Dass man sich aber als Arbeitsloser über das Ehrenamt auch den Zugang zum ersten oder zweiten Arbeitsmarkt in irgendeiner Form erhofft, das wird immer ziemlich schamhaft diskutiert.Da müsste man wirklich absehen z.B.von Sportverbänden und -vereinen,wo tatsächlich noch die Ehrennadel das Ergebnis sein kann.

Man sollte sich genau ansehen, was erwartet der eine oder andere vom Ehrenamt. Der gesellschaftliche Wandel,der hier angesprochen ist,der Paradigmenwechsel – das ist nicht nur die Frage von Institutionen, das ist eine Frage von gesellschaftlichem Verständnis von Bürgerarbeit. Adrian Reinert: Die Annahme,je mehr Ehrenamtliche es gibt, desto weniger professionelle Jobs gibt es, stimmt nicht. Ebenso wenig wie die Annahme, je mehr öffentliche Leistungen gegeben werden,desto passiver werden die Leute. Das sind Argumente, die oft in der Diskussion sind.Aber das Interessante ist,wenn man internationale Vergleichsstudien anguckt,dass die Länder,in denen das Wohlfahrtssystem am ausgeprägtesten ist,Niederlande, Schweden, Dänemark, den höchsten Anteil an ehrenamtlichem,bürgerschaftlichem Engagement haben.Und die Länder,die die höchste Sozialquote haben,sind interessanterweise auch die Länder,die das höchste Spendenaufkommen für allgemeine soziale Ziele in Europa haben. Also, die Gleichung, entweder man hat einen ausgebauten Freiwilligen-Sektor oder man hat einen ausgebauten professionellen Sektor, ist einfach zu simpel. Ich möchte noch auf die Frage eingehen:Wie soll sich die Gesellschaft weiterentwickeln, wie ist der gesellschaftliche Wandel einzuschätzen? Es gibt das Drei-Schichten-Modell der Arbeit,also herkömmliche Erwerbsarbeit,bürgerschaftliches Engagement und Eigenarbeit bzw. private Arbeit. Dadurch wird eine existentielle Grundversorgung sichergestellt – ein tolles Modell, nur, es steht nicht drin, wie man es umsetzen kann. Und deswegen glaube ich, dass wir auf lokaler Ebene Experimente brauchen. Und ein Ansatz dazu ist das so genannte Münchener Modell,nach dem Erwerbstätige auf einen Teil ihrer Arbeitszeit verzichten und sagen, ich ziehe mich jetzt für einen gewissen Zeitraum zurück und nutze diese Zeit entweder für bürgerschaftliches Engagement oder für meine persönliche Weiterbildung oder für private Arbeit oder für die Familie und ähnliches.Und die Idee ist – heute hat man ja dabei mit schwerwiegenden Nachteilen zu rechnen, gerade was Sozialversicherung und ähnliches betrifft, wenn man sich so zurückzieht – dass die Parteien des Arbeitsmarktes eine gemeinsame Stiftung dafür gründen und ermöglichen, dass man sich aus der Erwerbsarbeit zurückziehen kann, ohne Nachteile für die Sozialversicherungen zu haben.Und von diesen freigestellten Stunden werden wieder neue Arbeitsplätze für diejenigen geschaffen, die bisher keine Arbeit haben oder ehrenamtlich tätig sind. Wir brauchen Experimente für ein neues Verhältnis zwischen bisheriger Erwerbsarbeit und bisher nicht bezahlter Arbeit. Hartmut Gustmann: Es gibt und gab schon immer ein Nebeneinander von gleichen Tätigkeiten,die hauptamtlich,schlecht oder die gar nicht bezahlt worden sind,von Leuten, die die gleiche Arbeit machen. Das wird es auch weiter geben.Und das ist auch nicht schlecht.Diese Trennung zwischen Profi und Laie empfinde ich persönlich als eine sehr unselige Diskussion,weil wir uns seit ungefähr 20 Jahren um die Professionalisierung von ehrenamtlicher Tätigkeit in Vereinen und Nicht-Regierungsorganisationen bemühen.Deshalb finde ich es heute schon fast selbstverständlich, dass alle ehrenamtliche Tätigkeit auf einem möglichst hohen professionellen Niveau stattfinDer große Ratschlag


det, mit einem von den Teilnehmern selber erarbeiteten Konzept von Qualitätsmanagement.Ein Beispiel aus der Stadt München:Dort gab es in den 80er Jahren zahlreiche Müllinitiativen, die über Jahre Beratung und konkrete Arbeit im Müllsektor neben dem Amt für Abfallwirtschaft gemacht haben. Heute sind in diesem Amt sehr viele hauptamtliche Mitarbeiter,die ehemalige Freiwillige und ehrenamtlich Tätige waren.Wichtig ist eine gewisse Durchlässigkeit,dass ein Wechsel stattfinden kann, dass Leute aus der ehrenamtlichen Tätigkeit in die hauptamtliche Tätigkeit wechseln können und von der hauptamtlichen Tätigkeit auch wieder in die Ehrenamtlichkeit zurückgehen können. Es ist eines der permanenten Gerüchte, dass ehrenamtliche Arbeit hauptamtliche Arbeit wegnimmt.Ein Beispiel von einer Entwicklung,die in den nächsten Jahren eine Dynamik schaffen wird:Das BadenWürttembergische Kindergartengesetz ist gerade insoweit geändert worden,dass im Kindergarten auch engagierte Mütter mitarbeiten können.Das wurde von vielen

Gemeinwesens,auch bedeutet,ich brauche Gelegenheit, etwas zu tun,freiwillig,unbezahlt,gemeinsam mit anderen,für das Gemeinwohl und für mein eigenes Wohl.Das wäre für mich die Beschreibung von Ehrenamt. Das ist eine sehr weite Beschreibung.Werden dafür Felder bleiben,trotz der Bürgerarbeit?

Kindergärtnerinnen als eine Existenzgefährdung ihrer Arbeitsstellen bezeichnet.Natürlich gibt es ein gewisses Risiko dabei,dass das im Einzelfall tatsächlich passiert.Es gibt aber eine viel größere Chance dabei, nämlich dass das Leistungsangebot von Kindergärten nicht mehr auf die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zugeschnitten wird, sondern auf die Ansprüche der Kunden, nämlich der Mütter, der Familien, um damit einen ganz anderen und wichtigen Effekt zu erreichen,nämlich überhaupt Berufstätigkeit von alleinerziehenden Müttern zu ermöglichen.

nicht können und das nicht können.Ich glaube,die Zeiten sind vorbei, wo wir unterscheiden konnten, was Ehrenamtliche können und nicht können.Die Frage ist einfach, welche Rolle wir selber in der Demokratie haben. Wir müssen in Demokratien Rollen spielen – nicht als Spiel, sondern als Überlebensfrage von Demokratie. Und das bedeutet, dass eine Fachkraft eine Fachkraftrolle spielt, und wenn sie privat im Kindergarten engagiert ist,dann spielt sie dort hoffentlich nicht Fachkraft, dann spielt sie betroffene Mutter oder was anderes.Und wir sind in der Lage wie nie zuvor, dass wir überhaupt Rollen spielen können. Das ist der Fortschritt durch die Frauenarbeit. Mein Problem bei der ganzen Debatte hängt mit dem Titel der Tagung zusammen,nämlich:Bürgergesellschaft. Wir diskutieren Sozialstaat und Ehrenamt,wir diskutieren noch nicht,was Bürgergesellschaft bedeutet,obwohl gerade das unsere Verantwortung ist.Mit anderen Worten, wir haben das Problem,dass wir als Bürger gefordert sind in unserer jeweiligen Rolle, und ich habe den Eindruck, dass wir an der Stelle keine Vision entwickeln können, dass wir nicht einfach für die 34 oder 38% der engagierten Bürger reden, sondern wir müssen für alle reden.

Wendelin Szalai: Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der weiß, wie sich die Gesellschaft in den nächsten 20 oder 25 Jahren genau entwickeln wird.Man kann Vermutungen anstellen, dass die traditionelle bezahlte Erwerbsarbeit uns ausgehen wird. Und dann wird man sicher theoretische und praktische Experimente brauchen, wie man auf diese Veränderungen reagiert. In Bayern probiert man das an einigen Stellen aus.Meine Sorge ist: wird es neben Bürgerarbeit noch Raum geben für das, was wir mit Ehrenamt bezeichnen? Weil für mich das Selbstverständnis von Bürger,also aktives Mitglied eines Der große Ratschlag

Konrad Hummel: Ich erlebe Ihre Frage schlicht und einfach als eine hilfreiche Infragestellung professioneller Arbeit.Wir denken viel über die Spezies der Ehrenamtlichen nach, wir sollten aber über unsere eigene Spezies nachdenken, die Spezies der Beschäftigten, weil wir ein schlechtes Gewissen haben, andere vielleicht hineinzudrängen in die Projekte.Oder wir haben Skrupel,weil wir Frauen ausbeuterisch behandeln und weil wir Selbsthilfe vielleicht nicht bezahlen und weil wir vielleicht dem Staat irgendwelche Opfer vorwerfen.Gleichzeitig kommt durch die Hintertür wieder, dass wir doch Standards wollen. Dann rutscht so ein Satz raus, dass Ehrenamtliche dies

Wenn Fachkräfte überhaupt bezahlt sind,finde ich,haben sie einen Auftrag zugunsten des Rechts des Bürgerschaftlichen.Mich ärgert bei allen Ehrenamts-,Sozialhilfe-, Selbsthilfe- und Freiwilligen-Projekten immer, dass wir, wenn wir eine Gruppe haben, schon zufrieden sind. Ich denke,wir sollten mit nichts zufrieden sein.Wenn wir 10,100,2.000 erreichen beim Stadtteilfest,sollte unsere Frage sein,wen haben wir nicht erreicht.Es geht nicht um Totalerfassung, aber unser Job ist es, alle zu erreichen. Diejenigen,die engagiert sind,dürfen zufrieden sein mit dem, wo sie sind. Und darum wäre meine Antwort auf Ihre Angelegenheit:es geht eigentlich nicht darum,vorsichtig abzuwägen, denn die Bürger werden sowieso an Ihnen vorbei arbeiten,die Bürger können aber durch Sie ermuntert werden,dass sie dort,wo sie dank Ihrer Unterstützung etwas tun,ihr Rollenverständnis klären können, ihre Rolle an der richtigen Stelle spielen können.Aus meiner Sicht könnten Sie die Vermittlung herstellen, damit Politiker kapieren, welche Rolle Bürger an der Stelle, zu

dem Zeitpunkt jeweils spielen können. Dann entstehen neue Jobs und alte wandeln sich um. Ich verstehe nur nicht, warum Sozialarbeit immer so empfindlich auf Wandel reagiert, im Kohlerevier müssen 80.000 Leute schauen, dass sie von Kohle auf Solarenergie rüberkommen, und Sozialarbeiter müssen endlich von Tuberkulose-Fürsorge zu Bürgerengagement kommen. Daniel Dettling: Was wir brauchen,sind neue Bündnisse und neue Partnerschaften, gerade auch in den Kommunen und auf lokaler Ebene.Was wir brauchen, sind neue Übergänge und Koalitionen.Und da hilft es gar nichts,immer mit dieser alten Rhetorik,hier die Besserverdienenden und da die Sozialschmarotzer,zu kommen.Wir müssen aktiv auf die Leute zugehen,die Kunden sind nicht die Sozialhilfeempfänger, die Kunden sind nicht die Bürger, sondern Sie sind die Kunden, der Staat ist für die Bürger da und nicht umgekehrt. Und die Verwaltung ist für die Bürger da und nicht umgekehrt.Hier müssen wir ansetzen, wir brauchen neue Koalitionen. Es gibt Firmen, die bereit sind, dies zu tun, ich kann z.B. BMW nennen, das mag jetzt überraschen, aber es gibt so etwas wie den


»Nachhaltigkeits-Index«,da ist BMW auf Platz 1,Telekom auf Platz 2. Die berücksichtigen nicht nur die betriebswirtschaftlichen Kriterien, sondern auch die sozial-ökologischen Kriterien.Mit solchen Firmen würde ich versuchen zu kooperieren.Das kann in Stuttgart Daimler-Benz sein, das können Computerfirmen sein, aber Sie brauchen neue Bündnisse und neue Partnerschaften, sonst wird es Sie eines Tages nicht mehr geben. Noch können Sie den Wandel gestalten, Sie können ihn zerstörerisch gestalten, Sie können ihn offensiv gestalten, aber hier müssen Sie ansetzen. Ansonsten wird es vielleicht eine Riege geben, die eher meiner Generation angehört und die sagt, was soll uns der Sozialstaat, der uns sowieso nichts nützt. Deutschland ist nun mal ein Staat, der sich über Arbeit definiert, und Demokratie ist in erster Linie Partizipation über Arbeit und nicht über Engagement. Das heißt,wir brauchen auch einen neuen EngagementBegriff und ich halte nichts davon, die Gesellschaft in Ehrenamtliche und Hauptamtliche einzuteilen,wir brauchen eine Gesellschaft, die gleichermaßen von Arbeitsfähigen und von Nicht-Arbeitsfähigen getragen ist. Es gibt viele, die können in diesem Land nicht arbeiten, es kommt gar nicht darauf an, sie zu diffamieren, sondern das wäre eine neue Arbeitsteilung.Die Leute,die wirklich bedürftig sind, sollen auch eine Grundsicherung haben, und alle anderen können arbeiten.Und es gibt in diesem Land,auch wenn die Gewerkschaften,die Konservativen und viele bei Rot/Grün das anders sehen, genug Arbeit und vor allem – so nennen es die Sachsen – es gibt genug Aufgaben, unerledigte Aufgaben und Tätigkeiten, die wir anders bezahlen müssen, kreativ bezahlen müssen.Und da ist das Stichwort der Übergangsarbeitsmärkte wesentlich besser und handlungsweisender als der Begriff der Bürgerarbeit, der letztendlich an der alten Arbeitsteilung der Gesellschaft nur festhält. Stefan Nährlich: Ich möchte auf die Frage der Zukunft der Arbeitsgesellschaft eingehen.Wir haben ja zwei konkurrierende Zukunftskommissionen und Gutachter-Modelle.Die einen sagen,die Arbeit geht uns aus,die anderen sagen, es wird immer noch genug Arbeit bleiben. Aber im Grunde genommen sind es doch drei Kernfragen, warum Arbeit für uns so wichtig ist:Arbeit dient der individuellen Einkommenssicherung, bezahlte Arbeit dient der Finanzierung der kollektiven Sicherungssysteme und über Arbeit gewährleisten wir die soziale Integration in die Gesellschaft. Und dann macht es keinen Sinn zu fragen,was können Ehrenamtliche tun,was können Hauptamtliche tun? Wie lange engagiere ich mich ehrenamtlich,wie lange arbeite ich hauptamtlich.Die Aufgabe ist, die Gesellschaft so zu gestalten,dass diese drei Punkte – individuelle Einkommenssicherung,Finanzierung der sozialen Sicherungskonzepte und die gesellschaftliche Teilhabe – durch eine Tätigkeit gewährleistet werden. Und wenn das die Handlungsschnur oder die Leitlinie ist, dann kann man sich fragen, wie man wen finanziert, wann er sich ehrenamtlich engagieren kann. Ich glaube nicht, dass wir diese Trennung aufrechterhalten können zu sagen,das darfst du jetzt nicht,du gefährdest meinen Arbeitsplatz, das kannst du nicht, dazu braucht man jemanden, der beruflich dazu ausgebildet ist. Ich glaube, das gilt heute nicht mehr. Stephan Wagner: Ich bin grundsätzlich misstrauisch ge-

worden gegenüber großräumigen Zukunftsentwürfen, die bestimmte Entwicklungen antizipieren, die dann doch völlig anders verlaufen als geplant. Ich habe 1988 auf der internationalen Konferenz der Nachbarschaftsheime eine Situation erlebt,wo ein Teilnehmer aus Israel damals zum Thema Brücken-Bauen sagte,lasst uns doch mal über ein Berlin ohne Mauer diskutieren.Und alle haben den angeguckt, als ob er vom Mond käme. Ein Jahr später hätten alle jemanden so angeguckt, wenn er gesagt hätte,lasst uns doch mal über ein Berlin diskutieren, wo wir wieder eine Mauer bauen.Das heißt also,ein Entwurf kann sich durch Ereignisse,die nicht erfassbar sind, sehr schnell verändern.Ich bin eher dafür,dass wir unsere Entwürfe dort machen, wo wir sicher sind, nämlich dort,wo die Menschen sind mit ihren konkreten Bedürfnissen.Wir sollten als Zentren dort mit den Menschen arbeiten,wo sie sind.Wir sollten mit den Modellen arbeiten, die die Menschen wollen.Was wir dafür allerdings brauchen ist Veränderung,wir müssen mit dem Staat,mit den

Auftreten hinter der Diskussion her. Denn hier geht es auch in Zeiten der Mittelknappheit nicht darum, Aufgaben einzuschränken,sondern ein Leistungsspektrum anzubieten,es über die Kundenorientierung noch viel konkreter und kundenspezifischer anzubieten, um damit so etwas wie eine Bürgergesellschaft vorzubereiten. Und wenn ich an dem Punkt nach Rollen und Aufgaben frage, dann könnte eine meiner Empfehlungen lauten:Sie müssen sich mehr einmischen,Sie müssen sowohl Ihre eigenen Aufgaben in die Diskussion reinbringen – das heißt nicht zur Diskussion stellen – und einen aktiven Dialog mit den Entscheidern und mit der Politik führen, und zwar auch über andere Sachen als Geld. Die zweite Aussage hat auch ein bisschen mit Marketing von kulturellen Einrichtungen zu tun.Sie müssen an der Wahrnehmung sozial-kultureller Einrichtungen von außen arbeiten,am Image, wie Sie die Realisierung von Bürgerkommune, Bürgergesellschaft und die Erhaltung des Sozialstaates realisieren wollen. Das ist ja das Thema, das wir heute

öffentlichen Bürokratien darüber reden, dass entbürokratisiert wird,dass die Systeme offener werden und dass wir z.B.mit den Geldern,die wir bekommen,handlungsfähiger werden und nicht nur ganz bestimmte Dinge tun dürfen, so dass die Systeme sich leichter anpassen können an die Bedürfnisse der Bürger.

diskutieren,dass Sie da eine aktive Rolle spielen können.

Hartmut Gustmann: Ich will jetzt mal bewusst zuspitzen. Von vielen Politikern und Entscheidern werden sozial-kulturelle Einrichtungen eigentlich nur in der Weise wahrgenommen,dass sie sich in geldeinwerbender Weise auf die Politiker und Entscheider zubewegen, aber wenn es darum geht, darüber zu diskutieren, was getan wird,sich jegliche Einmischung verbitten.Das Image sozial-kultureller Einrichtungen auf der Entscheider-Ebene und auf der Politiker-Ebene wird mittlerweile eher als lästig empfunden.Eines ist die Diskussion in den Jugendhilfe-Ausschüssen, wo viele Politiker – das kann man ganz offen so sagen – und Entscheider es leid sind, sich nur mit Geld rumzuschlagen,weil die Diskussion in Politik und im Verwaltungsmanagement schon auf einer ganz anderen Ebene ist. Insoweit hinken Sie da mit Ihrem

Dieter von Kietzell: Wir müssen also aktiv auf die Leute zugehen,wir müssen uns an den Kunden orientieren,die Menschen haben konkrete Pläne,wir müssen aufgreifen, was die Menschen wollen. Herr Hummel hatte darauf hingewiesen,wie erreichen wir die,die wir bislang nicht erreicht haben.In der Tagung hatten einige Kolleginnen und Kollegen gesagt, wir arbeiten in Arbeitsfeldern in Großstädten, die man auch als soziale Brennpunkte bezeichnen kann,in denen können wir bislang keine Bereitschaft erkennen zu bürgerschaftlicher Beteiligung. Da sind also die,die wir bislang nicht erreicht haben.Ich würde gerne von Ihnen einen Ratschlag an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Nachbarschaftsheimen bekommen, was da zu tun ist. Und wie sieht es aus, wenn MitarbeiterInnen sagen, wir sehen für unseren Zusammenhang nicht, was Kundenorientierung bedeuten kann,wir wissen nicht,was die Menschen wollen. Wolfgang Thiel: Eine Erfahrung aus dem Selbsthilfebereich ist:da,wo nichts ist,wird auch wenig,und da wo was Der große Ratschlag


ist,geschieht auch mehr.Deshalb überrascht mich als erstes die Feststellung, wenn in bestimmten Stadtteilen Angebote entwickelt werden, dass damit eine schlechte Erfahrung verbunden ist, dass so etwas auf wenig Resonanz stößt. Das könnte vielleicht damit zu tun haben, dass man nicht angemessen die Wünsche,Interessen und Bedürfnisse aufnimmt. Aber die wesentliche Erfahrung der Selbsthilfekontaktstellen ist, dass sie sich nicht nur auf vorhandene Engagement-Potenziale oder Gruppen beziehen, sondern eine Wirkung haben, durch die noch mehr entsteht. Adrian Reinert: Ich möchte ein Plädoyer für projektorientierte Arbeit halten.Ich glaube,das gilt generell für die Partizipation,für die Beteiligungsbereitschaft.Drei Punkte muss man berücksichtigen. Man muss sehr themenspezifisch sein,man muss das nehmen,was die Leute tatsächlich interessiert, was sie wirklich angeht und wo sie auch interessiert sind an Veränderungen. Der zweite Punkt ist der temporäre Charakter der Engagementverpflichtung.Das heißt,die Leute wollen sich nicht lebenslang oder auf Dauer verpflichten, an irgendeinem allgemeinen Ziel zu arbeiten, sondern sie wollen vielleicht jetzt mitarbeiten und später mal gucken,ob sie vielleicht längerfristig mitarbeiten wollen.Das heißt also,die Hürde nicht zu hoch machen,sondern Gelegenheit zu geben, mal reinzuschnuppern und sich gegebenenfalls wieder rauszuziehen.Und das dritte Element von spezifischer Arbeit ist die kleine Gruppe.Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist,Beteiligungen auf der individuellen Ebene zu organisieren und auch nicht in einer Großorganisation. Jeder Mensch will das Gefühl haben, dass er mitwirken kann, dass seine Mitwirkung ein konkretes Resultat hat und wenn er fehlt,dass das bemerkt wird.In einer Großorganisation fällt das überhaupt nicht auf,ob ich nun teilnehme oder nicht,keiner kümmert sich um mich,aber in einer kleinen Gruppe ist es sofort erkennbar.Ein Verfahren, das ich für sehr interessant halte, ist »Planning for

Real«, was in einem der Workshops vorgestellt worden ist.Und eines der Erfolgsgeheimnisse dieser Methode ist, dass sie die Leute an den Plätzen aufsucht, wo sie sind. Und das zweite Erfolgsgeheimnis ist das Prinzip »Small and Soon«,d.h.die Strategie ist nicht,etwas ganz Großes, Sensationelles zu machen, sondern kleine, aber bald sichtbare Realisierungsschritte. Und die sind dann auch motivierend um weiterzuarbeiten. O< aus dem Saal: Ich möchte zunächst einmal etwas feststellen, was mich erheblich bedrückt. Ich fühle mich außerhalb der Kranken- und Pflegeversicherung in unserer Gesellschaft nicht als Kunde.Das Wort stört mich ganz erheblich. Und das hängt damit zusammen, was ich mir unter einer Bürgergesellschaft vorstelle. Ist sie etwa so strukturiert,dass mir als Bürger Angebote gemacht werden, die ich entweder annehmen kann oder nicht? Oder ist es nicht vielleicht so, dass ich fordere, dass mir die Möglichkeit gegeben wird,meine Initiativen,meine Vorstellungen umzusetzen, und mich dabei nicht von den Kommunen,von den Behörden stören lasse.Da stimmt in der ganzen Diskussion etwas nicht. Da geht es nämlich immer um die Frage,wo sind die Angebote,die gemacht werden.Ich komme aus Bayern und da sieht es ganz anders aus.Wir haben wirkliche Initiativen,die wir auch so vertreten, dass wir uns durch unsere Kommunen nicht stören lassen. Wir verzichten sogar auf Förderungen, wenn wir die Dinge,die wir machen wollen,nicht so machen können,wie wir uns das gedacht haben. Monika Schneider: Wenn es um Bedürfnisse geht, die ich zu erkennen glaube oder die ich nicht erkenne, muss man sich doch die Frage stellen, welche Brille habe ich denn auf.Wir sollten mit unseren Pfunden ganz anders wuchern,mit unsem Ansatz,auf den Sozialraum bezogen zu arbeiten und dem, was da ist, einen Raum zu geben. Und da auch wirklich genau hingucken und auch immer hinterfragen, wen erreichen wir oder wen erreichen wir

nicht. Der andere wichtige Punkt ist, sich zu vernetzen, sich einzumischen,Stadtteilkonferenzen zu machen usw. Konrad Hummel: Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass Gesellschaft in unserem Kopf entsteht als eine Gemeinschaft.Und alle wichtigen Probleme der 90er Jahre waren deshalb Probleme,weil die Gesellschaft angefangen hat zu vergessen, dass Asylanten vielleicht dazu gehören. Wo beginnt die Grenze, die Aussiedler, sind es jetzt Deutsche oder nicht, bestimmte Alte, also je nachdem, wen nehmen wir dazu, wen nicht? Lösen wir uns vom Totalerfassungsbild, wenden wir uns einer neuen Messmaxime zu. Ich denke, Bürgergesellschaft ist erst mal ein Konstrukt, wo wir fragen müssen, wie viel brauchen wir, damit eine Gesellschaft ihre Probleme lösen kann.Das Dilemma unseres Landes war,dass Bürger uns immer häufiger gesagt haben,wir wollen weniger Steuern zahlen,sie akzeptieren den Sozialstaat immer weniger,das sind z.T.die gleichen Leute,für die wir in die Bütt gegangen sind.Die gleichen,von denen wir glauben,wir würden für sie Lobbyarbeit machen, haben gesagt, da gibt es zu viele Probleme, zu viele Ausländer, zu viele Kinder, zu viel Lärm. Und ich denke, da ist was passiert, weil wir nicht alle ins Boot genommen haben.Die Störenden müssen immer mit ins Boot.Aber wer engagiert sich für die Störenden,die sind nicht auf der Erfolgsseite.Und dann übernehmen Sozialarbeiter diese Lobby, aber im Grunde genommen müssen wir uns kontinuierlich sagen, da gehören auch die anderen dazu. Die weltpolitischen Bilder müssen sich ein bisschen verändern.Es geht darum,das zu tun,was eben unter gegebenen Bedingungen möglich ist. Unter gegebenen Bedingungen ist ja nicht möglich, alle zu erfassen, sondern die, die da sind. Notfalls spielen eben 30 Leute eines Stadtteils für sich durch, wie Alt und Jung oder Arm und Reich oder Krank und Gesund, wie die Konflikte austragen würden.Damit spielen wir das für alle durch und entwickeln Toleranzkriterien,damit andere darin einen Platz finden.

Diese und andere Veröffentlichungen des Verbandes für sozial-kulturele Arbeit jetzt auch im Internet http://www.stadtteilzentren.de/publikationen mailto: info@sozkult.de

Der große Ratschlag


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Literatur zum Vortrag von Reinhard Liebig 3 20 24 21 11 7,31 28 28 4 9 30 2 32 13

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5 5 5 26 12 6 19 19

8 1

18 9 17 15 9 22 23 16 14

6 19

Angerhausen,S./Backhaus-Maul,H./Offe,C.u.a.:Überholen ohne einzuholen.Freie Wohlfahrtspflege in Ostdeutschland,Opladen 1998. Bauer,R./Diessenbacher,H.(Hrsg.):Organisierte Nächstenliebe,Opladen 1984. Beck,U.:Risikogesellschaft.Auf dem Weg in eine andere Moderne,Frankfurt a.M.1986. Beck,U./Sopp,P.(Hrsg.):Individualisierung und Integration.Neue Konfliktlinien und neuer Integrationsmodus? Opladen 1997. Beck,U./Giddens,A./Lash,S.:Reflexive Modernisierung.Eine Kontroverse,Frankfurt a.M.1996. Beher,K./Liebig,R.:Ehrenamtlichkeit,Bürgerarbeit und Freiwilligenagenturen.In:Rundbrief Gilde Soziale Arbeit,1998,Heft 2,S.5-13. Beher,K./Liebig,R./Rauschenbach,T.:Das Ehrenamt in empirischen Studien – ein sekundäranalytischer Vergleich.(Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie,Senioren,Frauen und Jugend, Bd.163),Stuttgart,Berlin,Köln 1998. 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T e i l n e h m e r i n n e n

u n d

T e i l n e h m e r

NAME

EINRICHTUNG

STRASSE

PLZ

ORT

TELEFON

Adams,Birgit

Sozialdienst Katholischer Frauen,Gemeinwesenbüro

Otto-Wels-Str.10

41466

Neuss

02131/476454

Mühlheimer Str.75

47058

Duisburg

0203/335616

Altena,Heinz Andreae,Micheline

Bürgerstiftung Berlin

Im Schwarzen Grund 11

14195

Berlin

030/84107510

Antz,Eva-Maria

Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Baier,Christian

Nachbarschaftsheim Neukölln e.V.

Schierker Str.53

12051

Berlin

030/6875096

Kirchweg 8

35112

Fronhausen

06426/1295

Baier-Schops,Angelika Barnick,Helmut

Gemeinwesenverein Haselhorst e.V.

Burscheider Weg 21

13599

Berlin

030/33033358

Baumgarth,Ralf

DPWV Bezirksgeschäftsstelle Heidelberg

Moltkestr.7

69120

Heidelberg

06221/401771

Becker,Gabriele

GSW Gesellschaft für Stadterneuerung mbH

Köpenicker Str.48/49

10179

Berlin

030/2431080

Bender,Angela

Rabenhaus e.V.

Puchanstr.10

12555

Berlin

030/65880165

Berger,Reinhard

Treffpunkt Schmiede,Nachbarschaftsverein

Alt-Mariendorf 39

12277

Berlin

030/7217014

Beyer,Irene

Nachbarschaftshaus Prinzenallee

Prinzenallee 58

13359

Berlin

030/49766041

Biermann,Bernd

Arbeitsgemeinschaft sozialer Brennpunkte e.V.

Presberger Str.1

65197

Wiesbaden

0611/429356

Bittner,Eva

Nachbarschaftsheim Schöneberg,Theater der Erfahrungen

Fregestr.53

12161

Berlin

030/8554206

Blandow,Rolf

Veedel e.V.,GWA Köln

Prognitzstr.3a

51107

Köln

0221/8902424

Gatower Str.71

13595

Berlin

Blauert,Ingeborg Brandhorst,Andreas

Bundesministerium für Gesundheit

Mohrenstr.62

10117

Berlin

0228/9411005

Braun,Joachim

Institut für sozialwissenschaftliche Analysen und Beratung

Overstolzenstr.15

50677

Köln

0221/412094

Bregenzer,Ingrid

Familienforum Salem

Abt Thomasstr.44

88682

Salem

07553/91288

Brendle,Klara

NBH Urbanstraße,Kreuzberger Tauschring

Urbanstr.21

10961

Berlin

030/6922351

Brühl,Michael

Nachbarschaftshaus Wiesbaden

Rathausstr.10

65203

Wiesbaden

0611/967210

Stresemannstr.21

10963

Berlin

Grohsteig 23

12679

Berlin

Lennestr.12A

14471

Potsdam

Ciftci,Hatice David,Martin

Bezirksamt Marzahn,Jugendförderung

Dettling,Daniel

030/54073288

Domke,Peter

Volkssolidarität Spree-Neiße e.V.

Cottbusser Str.35 F

03149

Forst

03562/660255

Dörrie,Klaus

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Ehbets,Miriam

Rabenhaus e.V.

Puchanstr.9

12555

Berlin

030/65880165

Eisenbarth,Nora

Nachbarschaftszentrum Ostend

Uhlandstr.50

60314

Frankfurt/M.

069/439645

Eisert,Dr.Wolfgang

Bürgerhaus am Schlaatz

Bisamkiez 26

14478

Potsdam

0331/872179

Erpenbeck,Franz

Bürgerhaus Oslebshausen

Am Nonnenberg 40

28239

Bremen

0421/645122

Eßmann,Willy

Verband für soz.-kult.Arbeit,Landesgruppe Berlin e.V.

Axel-Springer-Str.40/41

10969

Berlin

030/2539976

Farenski,Rosemarie

Gemeinwesenverein Haselhorst e.V.

Burscheider Weg 21

13599

Berlin

030/3341748

Fietz,Christine

Gemeinwesenverein Haselhorst e.V.

Burscheider Weg 21

13599

Berlin

030/3341748

Figl,Harald

Nachbarschaftshaus »Donizetti«

Donizettistr.13

12623

Berlin

030/5677838

Flachmeier,Wilfried

Verein Bürgerbeteiligung e.V.

Baumgartenstr.11

15232

Frankfurt (Oder) 0335/5003326

Frick,Inge

Nachbarschaftshaus Wiesbaden e.V.

Rathausstr.10

65203

Wiesbaden

0611/967210

Gans,Manfred

PACK AN e.V.

Spandauer Weg 8-10

22045

Hamburg

040/661193

Gäthke,Griet

MOTTE e.V.

Eulenstr.43

22765

Hamburg

040/399262-0

Geißler,Gabriele

Nachbarschaftshaus »Kiek in«

Märkische Allee 414

12689

Berlin

030/9339486

Gleim,Walli

Gemeinwesenverein Heerstraße Nord

Obstallee 22 D

13593

Berlin

030/3634112

Godulla,Reinhilde

Verband für soz.-kult.Arbeit,Landesgruppe Berlin e.V.

Axel-Springer-Str.40/41

10969

Berlin

030/2539972

Gold,Carola

Gesundheit Berlin e.V.

Wiesenstr.17

12101

Berlin

Anhang


NAME

EINRICHTUNG

STRASSE

PLZ

ORT

TELEFON

Groggel,Heike

Nachbarschaftshaus Wiesbaden e.V.

Rathausstr.10

65203

Wiesbaden

0611/967210

Grossmann,Uta

Rabenhaus e.V.

Puchanstr.9

12555

Berlin

030/65880165

Grunwald,Karin

Stadtteilzentrum Marzahn

Märkische Allee 414

12689

Berlin

030/9339417

Gustmann,Hartmut

Kommunle Gemeinschaftsstelle

Lindenalle 13-17

50968

Köln

0221/3768912

Hahn,Wolfgang

Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V.

Urbanstr.21

10961

Berlin

030/6904970

Winterfeldtstr.31

10781

Berlin

Haunert,Fritz Henning,Gisela

Nachbarschaftszentrum Ginnheim

Ginnheimer Hohl 14H

60431

Frankfurt

069/53056679

Hofbauer,Claudia

Nachbarschaftsheim Mittelhof

Königstr.42-43

14163

Berlin

030/801975-14

Hübner,Gisela

Nachbarschaftsheim Mittelhof

Königstr.42-43

14163

Berlin

030/801975-14

Hummel,Konrad

Sozialministerium Baden-Württemberg,Geschäftsstelle BE

Postfach 103443

70029

Stuttgart

0711/123-0

Husemann,Bettina

Eingliederungshilfe e.V.

Segitzdamm 2

10969

Berlin

030/61670614

Jäger,Gabriele

Paula e.V.,Stadtteiltreff

Teterower Ring 168/170

12619

Berlin

030/56497406

Joas,Sonja

Stadt Kreuztal

Postfach 1660

57207

Kreuztal

02732/3790

Jonas,Ralf

Bürgerhaus Oslebshausen

Am Nonnenberg 40

28239

Bremen

0421/645122

Jung,Kerstin

Nachbarschaftszentrum »Amtshaus Buchholz«

Berliner Str.24

12127

Berlin

030/4758472

Kaiser,Johanna

Nachbarschaftsheim Schöneberg,Theater der Erfahrungen

Fregestr.53

12161

Berlin

030/8554206

Kalthoff,Babette

Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.

Fregestr.53

12161

Berlin

030/8598660

Kasper,Barbara

Sozialamt Marzahn

Premnitzer Str.11

12681

Berlin

030/54072348

Kavermann,Cornelia

AG Soziale Brennpunkte Bottrop e.V.

Borsigweg 2

46238

Bottrop

02041/4641

Kietzell,Dieter von

Hannover

Kitzmann,Beate

FöV Naturschutzstation Malchow e.V.

Dorfstr.35

13051

Berlin

030/92799830

Kitzmann,Dr.Camillo

Koordinierungszentrum Lokale Agenda 21

Auerbacher Ring 21

12619

Berlin

030/99902135

Klages,Rita

Hasenheide 92

10967

Berlin

Knoth,Andreas

Ackerstr.10 (HH)

10115

Berlin

030/2827486

Berlin

030/992450 0221/95570232

Kramer,David

Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin

Krücker,Peter

Caritasverband für die Stadt Köln e.V.

Kücher,Robert

Bartholomäus-Schink-Str.6

50825

Köln

Berthelsdorfer Str.13

12043

Berlin

Kurt,Neriman

Kotti e.V.

Dresdener Str.10

10999

Berlin

030/6157991

Lackner,Ursula

Eingliederungshilfe e.V.

Segitzdamm 3

10969

Berlin

030/61670614

Langner,Sabine

Nachbarschaftshaus Wiesbaden e.V.

Rathausstr.10

65203

Wiesbaden

0611/967210

Lashlee,Dirk

Verband für soz.-kult.Arbeit,Landesgruppe Berlin e.V.

Axel-Springer-Str.40/41

10969

Berlin

0179/2911830

Leppin,Wolfgang

Nachbarschaftsheim Neukölln e.V.

Schierker Str.53

12051

Berlin

030/6875096

Liebig,Reinhard

Uni Dortmund

Luisenstr.53

42929

Wermelskirchen

02196/91000

Luger,Barbara

Gemeinwesenverein Heerstraße Nord

Obstallee 22 D

13593

Berlin

030/3634112

Mampel,Thomas

Nachbarschaftsverein Lankwitz e.V.

Halbauer Weg 2

12247

Berlin

030/84410474

Martens,Arne

Nachbarschaftszentrum »Amtshaus Buchholz«

Berliner Str.24

12127

Berlin

030/4758472

Martin,Sigrid

Kreisarbeitsgemeinschaft sozialer Dienste

Ettenhofenstr.53a

82234

Wessling

08153/1677

Gartenstr.77/4

70839

Gerlingen

Matthes,Werner Maurer-Kartal,Annette

Verein Stadtteil VHS

Crellestr.38

10827

Berlin

030/78704050

Metz,Margret

BürgerBüro Tübingen e.V.

Bei der Fruchtschranne 6

72070

Tübingen

07071/21315

Muckenfuß,Katrin

Treffpunkt Petershausen

Georg-Elser-Platz 1

78467

Konstanz

07531/51069

Müller,C.Wolfgang

Bozener Str.3

10825

Berlin

Nagel,Peter

Sohldfeld 38

31139

Hildesheim

Mecklenbecker Str.229

48163

Münster

Nährlich,Stefan

Aktive Bürgerschaft Münster

05121/261270

Anhang


NAME

EINRICHTUNG

Neuberg,Kerstin Noack,Bettina

Mütter- und Nachbarschaftszentrum Reutlingen e.V.

Nowak,Jürgen

STRASSE

PLZ

ORT

Leydenallee 93

12165

Berlin

Metzgerstr.15

72764

Reutlingen

Eichelhäherstr.15A

13505

Berlin

TELEFON 07121/330588

Nowotsch,Sigmar

Nachbarschaftshaus »Kiek in«

Märkische Allee 414

12689

Berlin

030/93492659

Opdenplatz,Kirsten

Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.

Fregestr.53

12161

Berlin

030/85986676

Pachernick,Walter

Bürgerhaus Oslebshausen

Am Nonnenberg 41

28239

Bremen

0421/645122

Palm,Richard

Forum für gemeinschaftliches Wohnen im Alter e.V.

Cranachstr.7

12157

Berlin

030/85603706

Pergande,Hella

Rabenhaus e.V.

Puchanstr.9

12555

Berlin

030/65880163

Pleger,Prof.Angelika

Katholische Fachhochschule

Köpenicker Allee 39-58

10318

Berlin

Pommerening,Alexander Sozialpädagogisches Institut,Projekt Anstoß

Friesenstr.1

10965

Berlin

030/6259875

Porsch,Jörg-Peter

Technologie-Netzwerk Berlin e.V.

Wiesenstr.29

13357

Berlin

030/4612409

Prauser,Wolfgang

Kulturamt

Friedrichswall 15

30159

Hannover

0511/16843320

Purwin,Stefan

Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V.

Urbanstr.21

10961

Berlin

030/690479-21

Reichelt,Astrid

Quartiersbüro Rollberg-Siedlung

Kopfstr.18

12056

Berlin

030/68086110

Reichelt,Dieter

Jugendwerk Aufbau Ost e.V.

Möllendorffstr.27,QB

10367

Berlin

030/55009999

Reichert,Michael

Bewohnerbüro Ludlstraße

Ludlstraße 27

80689

München

089/586650

Reinert,Adrian

Stiftung Mitarbeit

Bornheimer Str.37

53111

Bonn

0228/60424-0

Brehmestr.10

13187

Berlin

Reinhardt,Bernadette Renner,Gisela

Nachbarschaftsheim Neukölln e.V.

Schierker Str.53

12051

Berlin

030/6875096

Rennert,Hans-Georg

Kommunales Forum Wedding

Wiesenstr.29

13357

Berlin

030/46507355

Richter,Achim

Stötteritzer Margerite

Ferdinand-Jost-Str.20

04299

Leipzig

0341/8611940

Riede,Milena

NBH Urbanstraße e.V.,Projekt Stadtteilausschuss

Urbanstr.21

10961

Berlin

030/6904970

Rief-Blomert,Marlise

Nachbarschaftshaus »Donizetti«

Donizettistr.13

12623

Berlin

030/5677838

Ripkens,Christa

Gemeinwesenzentrum Erfttal

Beckburger Str.57

41469

Neuss

02131/101776

Rohleder,Christiane

Institut für Gerontologie

Evinger Platz 13

44339

Dortmund

0231/72848816

Ruck,Birgit

Gemeinwesenverein Heerstraße Nord

Obstallee 22 D

13593

Berlin

030/3634112

Ruddat,Dorothee

Kiezoase

Karl-Schrader-Str.7/8

10781

Berlin

030/21730-202

Runge,Markus

Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V.

Urbanstr.21

10961

Berlin

030/690479-21

Scherer,Herbert

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Tucholskystr.11

10117

Berlin

030/8610191

Schibath-Hajjeh,Isabel

Treffpunkt Hilfsbereitschaft

Torstr.231

10115

Berlin

030/20450636

Schmid,Elke

NBH Urbanstraße e.V.,Projekt Stadtteilausschuss

Urbanstr.21

10961

Berlin

030/6904970

Schmitt,Gerd

Kiezoase Schöneberg

Karl-Schrader-Str.7/8

10781

Berlin

030/21730-201

Schneider,Christoph

IB Arbeitsprojekt Köln Kalk,Jobbörse

Kalker Hauptstraße 289

51103

Köln

0221/9836481

Schneider,Monika

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Niedstr.7

12159

Berlin

Schneider (Frau) Schröder,Silke

JFZ »Der Club«

Bülstringer Str.12

31304

Haldensleben

03904/40208

Schulze,Jana

SONAB e.V.

Bülstringer Str.12

31340

Haldensleben

03904/40208

Schünke,Barbara

Bezirksamt Marzahn,Jugendförderung

Grohsteig 23

12679

Berlin

030/54073288

Schuwirth,Karl-Fried

Nachbarschaftshaus Wiesbaden e.V.

Rathausstr.10

65203

Wiesbaden

0611/967210

Seeger,Christoph

Elele-Nachbarschaftsladen

Liberdastr.10

12047

Berlin

030/6236092

Sitte,Dr.Karin

Paritätisches Bildungswerk,Bundesverband

Heinrich-Hoffmann-Str.3

60528

Frankfurt/M.

069/6706271

Stubbenstr.11

10779

Berlin

Spychalski,Sven Stangen,Klaus

MOTTE e.V.

Eulenstr.43

22765

Hamburg

040/399262-0

Stawenow,Peter

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Anhang


NAME

EINRICHTUNG

STRASSE

PLZ

ORT

TELEFON

Steinert,Heike

Volkssolidarität Spree-Neiße e.V.

Dorfstr.23

O3058

Sergen

035605/276

Stenner,Brigitte

Gemeinwesenverein Heerstraße Nord

Obstallee 22 D

13593

Berlin

030/3634112

Stiep,Hans-Peter

Nachbarschaftshaus »Donizetti«

Donizettistr.13

12623

Berlin

030/5677838

Stock,Dr.Lothar

Hochschule für Technik,Wirtschaft und Kultur Leipzig

Hanauer Str.4

63075

Offenbach

0341/5804309

Szalai,Wendelin

Aktion Gemeinsinn

Am Hofgarten 10

53113

Bonn

0228/222306

Taucher,Mag.Josef

Wiener Hilfswerk

Falkestr.3

A-1010

Wien

00431/5123661

Tetz,Lenchen

Verein Nachbarschaftshaus Bremen e.V.

Beim Ohlenhof 10

28239

Bremen

0421/6914580

Thiel,Wolfgang

NAKOS

Albrecht-Achilles-Str.65

10709

Berlin

030/8914019

Thies,Albrecht

Berlin

Türkow,Dr.Annelore

Nachbarschaftshaus »Donizetti«

Donizettistr.13

12623

Berlin

030/5677838

Ulrich,Evelyn

Nachbarschaftshaus am Berl

Am Berl 8-10

13053

Berlin

030/92677126

Voigt,Heike

Verband für soz.-kult.Arbeit,Landesgruppe Berlin e.V.

Axel-Springer-Str.40/41

10969

Berlin

0179/2911830

Voit,Kirsten

Projekt:Hochhaus

Osloer Str.4

50765

Köln

0221/7088535

Völlmecke,Klüs

Stadt Köln,Jugendamt

Johannisstr.66-80

50668

Köln

0221/221-24886

Wagner,Bernd

Kulturpolitische Gesellschaft

Weberstr.59a

53113

Bonn

0228/201670

Wagner,Stephan

Paritätische Akademie

Tucholskystr.11

10117

Berlin

030/2804950

Wagner-Krämer,Monika

Kotti e.V.

Dresdener Str.10

10999

Berlin

030/6157991

Wezel,Hannes

Bürgertreff der Stadt Nürtingen

Marktstr.7

72622

Nürtingen

07022/75366

Wiedemann,Andrea

Berlin

Wilkening,Renate

NUSZ ufaFabrik

Viktoriastr.13

12105

Berlin

030/7922163

Winterfeldt,Rudolf

Paula e.V.,Stadtteiltreff im Labyrinth

Feldberger Ring 26

12619

Berlin

030/56497406

Zander,Brigitte

Nachbarschaftshaus Wiesbaden e.V.

Rathausstr.10

65203

Wiesbaden

0611/967210

Zinner,Georg

Nachbarschaftsheim Schöneberg

Fregestr.53

12161

Berlin

030/8598660

Besch,Susanne

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Feldhausen,Guido

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Israel,Gudrun

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Tucholskystr.11

10117

Berlin

030/8610191

Röger,Peter

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Weber,Birgit

Verband für sozial-kulturelle Arbeit

Slabystr.11

50735

Köln

0221/7606959

Organisation

Impressum Herausgeber: Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V. Slabystraße 11,50735 Berlin Telefon 02 21 / 760 69 59 Fax 02 21 / 760 79 05 e-mail vskakoeln@t-online.de

Redaktion: Margot Weblus,Gudrun Israel

Grafische Gestaltung: Pit Mischke,Elke Reisch,Berlin

Fotos: Herbert Bents,Monika von Wegerer (Titel)

Belichtung: Gericke,Berlin

Transkripte: Angela Bender,Rabenhaus e.V.

Druck: Gericke,Berlin

Anhang


19th International IFS Conference »CONNECTING COMMUNITIES«

October 3-6, 2000 in Amsterdam/The Netherlands

This year the International Federation of Settlements and Neighbourhood Centres (IFS) is organizing the conference with a specific focus on Information Technology and the World Wide Web,and it will introduce the Virtual Community Centre.Thus the conference may trigger a new generation of creative,innovative approaches aiming to strengthen individuals and communities.

For more information about the conference,please contact: NIZW/International Centre, Ms.Liesbeth Julius, PO Box 19152, 3501 DD Utrecht,The Netherlands tel +31 30-2306 552 - fax +31 30-2306 540 - e-mail: Intcentre@nizw.nl

FESTIVAL »GRAUE STARS ÜBER BERLIN«

Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.

Vom 5.10.bis 8.10.2000 lädt das Theater der Erfahrung anlässlich seines 20.Geburtstages zu einem INTERNATIONALEN ALTENTHEATERFESTIVAL in den Saalbau Neukölln ein. Gastspiele aus Taiwan und Kolumbien,theatralische Demonstrationen aus Großbritannien,den Niederlanden und Österreich,Werkstätten mit renommierten Theaterpraktikern und natürlich Höhepunkte aus dem Berliner Altentheaterleben versprechen attraktive Jubiläumsfeierlichkeiten. Infos:Theater der Erfahrungen Cranachstraße 7, 12157 Berlin Telefon 030/855 42 06 Fax 030/855 43 78 Eva Bittner, Johanna Kaiser

1.Kongress »BRÜCKE IN DIE ZUKUNFT« Über sozial-kulturelle Stadtteilarbeit – mit internationaler Beteiligung –

15. bis 16. November 2000 in Wien

Erstmals veranstaltet das Wiener Hilfswerk einen Kongress,um den Weg für eine bessere Vernetzung im Rahmen der Gemeinwesenarbeit und sozial-kulturellen Stadtteilarbeit zu ermöglichen.Dieser Kongress wird Gelegenheit bieten,fachspezifische Themen,Zukunftsvisionen und konkrete Umsetzungsprojekte im internationalen Vergleich kennen zu lernen. Der Kongress bietet ein Forum,um neue Dialogformen und Mitgestaltungsschienen für sozialpolitische Herausforderungen des 21.Jahrhunderts ansprechen und gemeinsam erarbeiten zu können. Kongressgebühr:ATS 1.800,- (EUR 130,81) Infos:Wiener Hilfswerk A-1010 Wien, Falkestraße 3 Mail: wrhi@wiener.hilfswerk.at

Anlässlich seines 10. Geburtstages lädt das Frei-Zeit-Haus e.V. in Berlin-Weißensee ein zum Fachsymposium

ZWISCHEN PROFESSIONALITÄT UND IMPROVISATION

Eine östliche Bilanz der sozial-kulturellen Arbeit nach 10 Jahren Termin: 24. November 2000, 10.30 Uhr bis 16.30 Uhr

Es sollen spannende Fragen,die uns und andere vergleichbare Einrichtungen in Berlin und den neuen Bundesländern bewegen,zur Sprache kommen.Dabei wollen wir das Treffen als einen offenen Erfahrungsaustausch über die unterschiedlichen Entwicklungen der Einrichtungen und ihre Stärken gestalten. Im Vorfeld werden deshalb ausgewählte Einrichtungen von einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter einer anderen Einrichtung besucht, die/der die dort gemachten Erfahrungen zu einem bestimmten Thema,z.B.Trägerstrukturen,Atmosphäre,Arbeitsförderinstrumente,Flexibilität,Vernetzung,»untersucht« und die Ergebnisse auf der Tagung vorstellt. Infos:Frei-Zeit-Haus e.V., Christoph Lewek Pistoriusstr.23, 13086 Berlin Telefon: 030/927 994 63 Fax: 030/927 994 64 Mail: FREI-ZEIT-HAUS-BERLIN@t-online.de


Abschlussveranstaltung ProBE: PROJEKT ZUR UNTERSTÜTZUNG UND WEITERENTWICKLUNG DES BÜRGERSCHAFTLICHEN ENGAGEMENTS IN SOZIAL-KULTURELLEN EINRICHTUNGEN Datum: 11.10.2000 Ort: Bürgerzentrum Ehrenfeld, Köln Infos: Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V. Telefon 0221/760 6959 Mail: vskakoeln@t-online.de

Im Oktober diesen Jahres wird das 2-jährige bundesweite Projekt des Verbandes für sozial-kulturelle Arbeit e.V.abgeschlossen. 15 Einrichtungen wurden in dieser Zeit bei der Auseinandersetzung mit der Frage nach der heutigen Bedeutung von bürgerschaftlichem Engagement und ehrenamtlicher Mitarbeit in sozial-kulturellen Einrichtungen unterstützt und begleitet. Am 11.Oktober 2000 werden die Ergebnisse dieses Projektes der Öffentlichkeit präsentiert. Im Bürgerzentrum Ehrenfeld in Köln,einer am Projekt beteiligten Einrichtung,wird u.a.das Buch zum Projekt vorgestellt.


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