RATGE BE R | Mission Impossible
ACHTUNG! gusaugen. Meine „Mission Impossible“ an Philipp lautet dieses mal: Schlafe nur vier Stunden und renne danach zehn Kilometer, so schnell Du kannst.
MISSION: IMPOSSIBLE
Zum Hintergrund Die Schlafentbehrung, wie sie Schichtarbeiter kennen, ist ausgiebig untersucht worden. Man weiß bereits seit einigen Jahren, dass komplexe Aufgaben unter diesen Bedingungen langsamer und mit schlechteren Ergebnissen ausgeführt werden. Schlafrestriktion (zum Beispiel durch Arbeit, Krankheiten oder Lebensstil) und Schlafunterbrechung (beispielsweise bei Bereitschaftsdiensten, Schlafapnoe- oder Restless-Legs-Syndrom) haben ganz ähnliche Auswirkungen wie eine längere Periode mit unzureichender Schlafdauer. In einer simulierten Nachtschicht fand man heraus, dass ein Zehn-Minuten-Nickerchen weniger Einschränkungen für eine im Anschluss zu absolvierende psychomotorische oder mathematische Aufgabe hatte als ein 30-Minuten-Schläfchen.
Mein sehr guter Bekannter – Freundschaft experimentell von Philipp Brouwer & Dr. med. David Möller
In einer Zeit, in der das Wünschen noch half, wartete ich, David Möller, auf einen Medizinstudienplatz und vertrieb mir die Langeweile als Taxifahrer, Möbelpacker und mit vielen Laufkilometern. Dafür suchte ich einen Trainingspartner, der mich forderte. In Philipp fand ich einen lieben Freund, den ich nie wieder missen möchte (und der sehr schnell laufen kann).
Philipp Brouwer berichtet Ein Morgenmuffel bin ich sonst nicht, aber als nach nur vier Stunden Schlaf der Wecker klingelt, denke ich unpazifistisch: „’S gladdschd glei.“ Ich muss meine ganze Motivation in die Beine leiten, um sie aus dem Bett zu hieven. Mir ist leicht schwindelig, als ich offensichtlich etwas zu schnell aufstehe. Weder die Augenlider noch die Beine wollen heute der Schwerkraft trotzen. Hunger habe ich nicht, aber zumindest die Banane muss runter. Sonst ist der Versuch definitiv gescheitert – spätestens bei Kilometer sieben. Oh Gott, ist das Kauen anstrengend. Na gut, ein halber Schimpansen-Energieriegel wird auch reichen.
Zu früher Stunde. Philipp kämpft noch mit der Müdigkeit, muss aber gleich möglichst schnell zehn Kilometer laufen.
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kannter“, deshalb darf ich ihm mehr zumuten als so manch anderem in meinem Umfeld. Und im Rahmen dieser Serie in RUNNING – Das Laufmagazin mache ich das auch – jedoch stets unter Beobachtung durch meine medizinischen Ar-
FOTO: DAVID MÖLLER
er 2007 in Berlin. Dort rangierte Philipp in 2:27:54 Stunden, wie bereits im Jahr zuvor, als drittbester Deutscher. Aktuell lebt er in Münster und ist in der Region vor allem als jüngster Hermannslaufsieger aller Zeiten ein Begriff. Er studiert, um Grundschullehrer zu werden, und er ist „mein sehr guter Be-
FOTO: PHILIPP BROUWER
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hilipp Brouwers Bestzeit über 3.000 Meter liegt bei 8:32 Minuten. Die zehn Kilometer lief er schon in 30:37 Minuten, und seinen schnellsten Marathon absolvierte
Der Versuch Nachdem ich die Stufen hinunter zum Erdgeschoss erfolgreich bewältigt habe, geht es los. Ich starte mit einem Schnitt von 3:30 Minuten pro Kilometer. Mein leicht malträtierter Fuß (siehe Ausgabe
Nr. 175) tut manchmal noch ein wenig weh, und ich möchte die zehn Kilometer beenden und nicht abbrechen müssen. Der Plan ist, durch den Wald zu laufen. Eigentlich müsste die Stabilität im Sprunggelenk genügen, um nicht umzuknicken. Die ersten Meter sind ein Graus, doch nach etwa drei Kilometern bin ich bei einem 3:28er-Schnitt insgesamt und kann die morgendliche Atmosphäre genießen. Die Vögel zwitschern und die Sonne schickt ihre ersten warmen Strahlen durch die Baumwipfel. Hie und da steigt etwas Dunst aus den taubenetzten Wiesen, und überall riecht es frisch nach den Regenschauern der vergangenen Nacht. Mein Kopf ist gedankenleer, während ich mehr und mehr das Gefühl habe, über die geschotterten Waldwege zu
Unser tapferer Proband während des morgendlichen Experimentes. gleiten. Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue, sind bereits sechs Kilometer absolviert und ein Durchschnitt von 3:25 Minuten pro Kilometer wird angezeigt. Die letzten Kilometer laufe ich, ohne Zwischenzeiten zu checken, und obwohl es sich nicht schnell anfühlt, lande ich am Ende bei 34:08 Minuten für die zehn Kilometer.
Bitte ahmen Sie dieses Experiment nicht nach. Philipp Brouwer ist ein erfahrener Athlet. Er befand sich zu jeder Zeit des Versuchs unter ärztlicher Aufsicht, sodass ein Eingreifen und gegebenenfalls ein Abbruch von außen jederzeit möglich waren. Bei den geschilderten Erfahrungen handelt es sich um eine Einzelfallbeschreibung.
Philipp Brouwers Fazit Ja, man sollte viel öfter früh morgens laufen. Wie schön es doch ist, wenn die Hektik des Tages noch schlummert. Man sollte aber auch öfter ein gutes Buch lesen, nur bei Grün über die Ampel gehen und nicht falsch Zeugnis ablegen. Hoffentlich ist bald wieder Silvester. Es wird Zeit für neue gute Vorsätze. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so „frei“ gelaufen bin, ohne über die Anstrengung nachzudenken. Wenn es doch nur ein bisschen einfacher wäre, regelmäßig früh aufzustehen. Man könnte ja auch früher ins Bett gehen. Es zwingt einen ja normalerweise niemand, nur vier Stunden zu schlafen, bevor man sein Ründchen dreht.
Dr. David Möller ergänzt Dinge, die einem wichtig sind, müssen als Erstes erledigt werden. Über den Tag gibt es immer wieder Neues, das einem in die Quere kommen kann. Und wenn man sehr früh aufsteht und „Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands“ das aktuelle TV-Highlight sind, fällt der abendliche Schweinehund-Unterstützer Fernseher schon einmal als Ausrede weg. Wer um 22.00 Uhr ins Bett geht, kann um 5.00 oder 6.00 Uhr bereits leistungsfähig sein. Ich nicht, aber solche Leute soll es geben. Philipp zum Beispiel.
Mit dieser Serie möchten wir Mythen, Faustformeln und gefährliches Halbwissen auf den Prüfstand stellen. Wenn Sie eine „Mission Impossible“ für Philipp haben, so senden Sie uns Ihre Idee an redaktion@running-magazin.de.
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