TITELSTORY | Der Mountain-Runner
Der Speed-Mountain-Runner ie unbegreiflich diese Laufleistung ist, zeigt die durchschnittliche Besteigungsdauer für lediglich einen der Viertausender: Die meisten Bergsteiger planen für die Bezwingung des Doms zwei Tage ein! Die Aufzeichnungen eines Kamerateams, das den Lauf von Andreas Steindl via Helikopter verfolgte und aufnahm, wurden zum Klick-Erfolg bei YouTube, doch der Mountain-Runner zeigt sich im Interview mit RUNNING – Das Laufmagazin äußerst bescheiden.
W
So richtig verrückt ist
das, was ich tue, für mich gar nicht!
Anne Kirchberg/RUNNING: Sind Sie immer gerne gelaufen? Andreas Steindl: Ja, eigentlich schon! Als Kind ging ich mit der Familie wandern, später mit Freunden. Bis zu meinem 14. Lebensjahr fuhr ich Skirennen, da trainiert man besonders im Sommer seine Kondition und das Laufen wurde zum festen Bestandteil des Alltags. Mir hat das stets enorm viel Spaß gemacht. Denn beim Skifahren war ich nicht ganz vorne mit dabei, aber beim Konditionstraining mit Abstand der Beste. Schon damals erkannte ich, dass ich in diesem Bereich wohl Potenzial und Talent habe und mehr erreiche, obwohl ich mich weniger reinhängen muss als
von Anne Kirchberg
andere. Später kam ich durch Freunde zum Eisklettern, dem normalen Klettern und nahm an Stadt- sowie Bergläufen teil. RUNNING: Irgendwann hat Ihnen das anscheinend nicht mehr ausgereicht. Wie kam es, dass Sie sich etwas verrücktere sportliche Ziele suchten? Steindl: So richtig verrückt ist das, was ich tue, für mich gar nicht! Ich bin so nach und nach durch all meine Sportarten hineingewachsen. Zwischendurch erlernte ich den Beruf des Bergführers, in dem man vieles erlebt und sieht, was sportlich möglich ist und was nicht. Zudem ist es sehr schön, andere Leute zu führen und ihnen die Schönheit der Berge zu vermitteln. Für mich sind Dinge wie das Speed-MountainRunning nichts Außergewöhnliches. RUNNING: Für die meisten Läufer wahrscheinlich schon. Beschreiben Sie doch mal Ihre Sportart. Steindl: Im Grunde genommen geht es darum, so schnell wie möglich vom Tal auf den Gipfel eines Berges zu kommen oder auf mehrere Berge hintereinander. Für mich sind dort keine Grenzen ge-
setzt, auch nicht von den Schwierigkeitsgraden her. Ob man einen Gipfel oder fünf Viertausender hintereinander erklimmt, bleibt ja jedem Sportler selbst überlassen. Es geht immer da-
„Im Grunde genommen geht es darum, so schnell wie möglich vom Tal auf den Gipfel eines Berges zu kommen.“ rum, schnell im Gelände unterwegs zu sein. Das erste Mal gehört habe ich von diesem Sport durch meinen Schweizer Landsmann Ueli Steck, der die Nordwände des Eigers, des Matterhorns, der Grandes Jorasses und viele weitere im Speed-Climbing-Style bezwang. Auch der Spanier Kílian Jornet Burgada ist ziemlich schnell in den Bergen unterwegs und zurzeit das Maß der Dinge. Sei es im Ski Mountaineering, TrailRunning oder Speed Mountaineering. RUNNING: Was bereitet Ihnen am meisten Freude beim SpeedMountain-Running?
102
RUNNING | 5/2016
FOTOS: MICHAEL PORTMANN
FOTOS: MICHAEL PORTMANN
7:45 Stunden am Stück laufen zu können, ist eigentlich beachtlich genug. Doch dem Schweizer Andreas Steindl reichen gewöhnliche Ultra-Strecken nicht. Der Speed-Mountain-Runner überquerte im August 2015 in dieser Zeit stattdessen mal eben fünf 4.000-Meter-Gipfel – und verbesserte damit seinen vor drei Jahren selbst aufgestellten Rekord um 77 Minuten. Der 27-Jährige erklomm auf seinem Weg von Zermatt nach Saas-Fee den Alphubel (4.206 Meter), das Täschhorn (4.491 Meter), den Dom (4.545 Meter), die Lenzspitze (4.294 Meter) und das Nadelhorn (4.327 Meter), legte dabei 30,66 Kilometer Distanz zurück und bewältigte 4.015 Höhenmeter bergauf sowie 3.900 Höhenmeter bergab.
RUNNING | 5/2016
103
TITELSTORY | Der Mountain-Runner
„Für mich sind Dinge wie das Speed-MountainRunning nichts Außergewöhnliches.“
ich funktioniere und was ich kann. Obwohl ich noch ein relativ junger Bergführer bin, weiß ich somit genau, was ich tue.
was ich 2013 bereits einmal getan hatte und seitdem wiederholen wollte. Doch es muss vieles zusammenpassen, damit man zu diesem Lauf aufbrechen kann.
RUNNING: Ist es nicht gefährlich, wenn man vom Lauf ausgepowert ist, anschließend zu klettern? Steindl: Doch, das Problem ist, konzentriert zu bleiben. Man kann bei solch einem Projekt nicht am Anfang Vollgas geben, sondern muss sich seine Kräfte ganz genau einteilen. Gleichzeitig muss man sich zusammenreißen, nicht bis zum Anschlag zu gehen, um gewisse Reserven zu haben und nicht zu früh körperlich am Ende zu sein.
RUNNING: Wie entstand die Idee, auf fünf Viertausender hintereinander zu laufen? Steindl: Von mir zu Hause in Zermatt in den Walliser Alpen hat man einen herrlichen Blick auf den viertausend Meter hohen Dom sowie das Täschhorn. Diese schönen markanten Pyramiden leuchten immer herrlich in der Abendsonne. Knapp dahinter liegt das Nadelhorn, und da weitere Berge dazwischen liegen und ich nicht alleine den Normalweg über den gefährlichen Gletscher zur Domhütte nehmen wollte, wurden es fünf Viertausender auf meinem Weg. Auch die Idee von einem Tal in das nächste zu gelangen, gefiel mir sehr und so stand fest: Ich laufe von Zermatt nach SaasFee,
RUNNING: Das klingt so locker und nach Spaß – wie war Ihre Stimmung unterwegs? Steindl:Na, sieben Stunden Spaß waren es nicht. Als ambitionierter Sportler gehe ich gerne an meine Grenzen, und es waren viele Momente dabei, in denen ich die Zähne zusammenbeißen musste. Vor allem der Abstieg war brutal, weil es extrem heiß war und ich nicht genug zu trinken dabei hatte für die letzten 2.500 Höhenmeter Abstieg. Ich wollte mich bestimmt 20 Mal hinsetzen, die Füße hochlegen und keinen Schritt weiterlaufen. Doch der Kopf war glücklicherweise stärker als der Körper.
RUNNING: Kann man das trainieren? Steindl: Ein Stück weit ja, das meiste ist allerdings eher Erfahrung. Man sollte seinen Körper genau kennen und wissen, wie weit man gehen, wie heftig man leiden und wie kaputt man sein kann, sei es körperlich oder auch psychisch. Denn nur so weiß ich, dass ich keinen Fehltritt mache oder keine falsche Entscheidung treffe, die extrem gefährlich werden könnte. Ich war in den vergangenen Jahren so viel in den Bergen unterwegs, dass ich nun von dieser Erfahrung profitiere und bestens weiß, wie
RUNNING: Würden Sie allen Läufern das Speed-Mountain-Running empfehlen? Steindl: Ich nahm früher auch an diversen Stadtläufen teil und bin meistens im Flachen gelaufen. Aber die Berge haben den Vorteil, dass man aufgrund der Höhe viel mehr sieht, man mehr
FOTOS: MICHAEL PORTMANN
gens daheim zu einer großen Tour aufbrechen und bin trotzdem nachmittags wieder zu Hause. Und ganz toll sind der Frieden und die Ruhe, die man auf den meisten Bergen hat. Klar, einige sind von Wanderern und Kletterern etwas überlaufen, trotzdem bin ich bei solch einem Projekt voll konzentriert und bei mir. Es geht nur um den Berg und mich. Ich habe zwar noch nie meditiert, aber ich stelle mir das sehr ähnlich vor: Du vergisst alles um dich he-
rum, alle Sorgen, und bist weit weg von der Welt. Das ist ein sehr intensives, schönes Gefühl, was ich beim Laufen im Flachland so nicht habe.
104
RUNNING | 5/2016
FOTOS: MICHAEL PORTMANN
Steindl: Zum einen, dass ich alle Sportarten miteinander verbinden kann, die ich mag: das Klettern, das Bergsteigen, das Gleitschirmfliegen und das Laufen. Es ist möglich, das Laufen mit extremen Kletterpartien zu kombinieren, bei denen man Steigeisen und Pickel benötigt. Außerdem schlafe ich am liebsten zu Hause und nicht in irgendwelchen Berghütten. Beim SpeedMountain-Running kann ich frühmor-
ZUR PERSON: Andreas Steindl • Geboren am 08.04.1989 in Visp, aufgewachsen und wohnhaft in Zermatt/ Schweiz. • Kind eines Bergführers und einer begeisterten Hobby-Bergsteigerin, bestieg als 14-Jähriger zum ersten Mal das Matterhorn mit seinem Vater und seiner Mutter. • Gelernter Zimmermann, der später eine Ausbildung zum Bergführer und Skilehrer machte. • 2015 schloss Steindl eine Ausbildung als Grenzwächter ab und gehört nun als Teammitglied der Schweizer Ski-Mountai-
Ruhe hat und es gesünder ist, als auf dem Asphalt zu laufen. Ich finde es jedenfalls viel spannender, was man in den Bergen beim Laufen erlebt: Man beginnt im Tal, kommt durch den Wald, dann durch steiniges Gelände und am Ende vielleicht sogar durch Eis und Schnee. Wer da nur unten im Tal bleibt zum Laufen, der ist selbst schuld! Allerdings sollten sich sogar gut trai-
neering-Nationalmannschaft zur Sportgruppe des Grenzwachtkorps, weshalb er sich – abgesehen von 30 Tagen Dienst im Sommer – auf sein Training konzentrieren kann. • Er nahm an Weltcups im Eisklettern (2008, 5. im Gesamtweltcup) und im Skitourengehen teil und gewann 2013 mit der Schweizer Skitouren-Mannschaft den Staffel-WM-Titel. • Steindl hält unter anderem seit 2011 den Rekord der schnellsten Besteigung des Matterhorns von Zermatt aus (2:57 Stunden). • 2013 lief er die spektakuläre Tour von Zermatt bis nach Saas-Fee über den Alphubel (4.206 m), das Täschhorn (4.491 m), den Dom (4.545 m), die Lenzspitze (4.294 m) und das Nadelhorn (4.327 m) bereits schon einmal in 9:03 Stunden.
nierte Läufer keinesfalls in solch ein Projekt wie die fünf Viertausender stürzen, das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Auf so etwas bereitet man sich nicht mal eben ein Jahr lang vor, sondern man benötigt wie ich langjährige Erfahrung im Gelände – sonst ist es zu gefährlich und kann böse enden. Zudem bin ich ein ziemlich schlechtes Vorbild, welches teils mit Trail-Running-Schuhen in den Bergen unterwegs ist, was ich niemandem empfehle! Ich rate jedem Bergsportler, richtige Bergschuhe zu tragen und das nötige Material in den Bergen mit sich zu führen. Die Berge verzeihen Dir keine Fehler.
Die Aufzeichnungen eines Kamerateams, das den Lauf von Andreas Steindl via Helikopter verfolgte und aufnahm, wurden zum Klick-Erfolg bei YouTube.
RUNNING | 5/2016
105