COOL DOWN | Das hat noch gefehlt
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D A S G P S - Z A U B E R G E R ÄT von Achim Achilles
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ach, herrlich. Heute habe ich Treppensteigen, Radfahrt ins Büro und Leergutwegbringen hochgeladen. Na gut, nur knapp vier Kilometer und ohne ganz große Ausreißer nach oben. Sieht jedenfalls besser aus als gar kein Sport. Hauptsache, neue Einträge für meinen Online-Trainingsplan, vollautomatisch mit meinem neuen Körperdatenmesscomputer. Hieß früher mal Uhr. Seit ich dieses neue GPS-Zaubergerät am Arm trage, fühle ich mich deutlich aktiver. Und alle Leute gucken, was ich da mit mir rumschleppe. Kilometer, Puls, Strecke, Steigung, Kalorien – alles wird auf den Millimeter mit Drohnen-Technologie aufgezeichnet. Ich bin ein Navi. Lange Jahre war ich ein Standortproblem: Technik fand ich lästig. Ich bin seit der Deutschen Einheit an drei Generationen Pulsuhren verzweifelt, deren Reste nur deswegen noch in den Tiefen meines Sportklamottenschranks vor sich hin korrodieren, weil ich nicht weiß, in welche Restmülltonne batteriesäurezersetzte Foot-Pod-Fragmente und Brustgurtbrösel gehören. Hätte ich all die Zeit für Training genutzt, die ich je für Kalibrieren, Gurtzurechtruckeln und Online-DreischrittAnleitungen vertrödelte, läge meine Marathonzeit locker unter vier Stunden. Nie wieder Technikterror, so lautete mein Mantra, keinen Cent mehr für den Elektroschrott von morgen. Untertechnisiert, so predigte ich den Sportsfreunden, das sei der neue Luxus – postmodern, postindustriell, postpulsuhr. Auch mal mit Echtholzkompass, Leinen-Maßband und gefühltem Tempo zufrieden sein. Ich war die Claudia Roth des Laufsports.
Leider war es entwürdigend, wenn die Damen aus der Trainingsgruppe über ihre wuchtigen GPS-Wecker grinsten. Piepspieps, zwei Knöpfe gedrückt – und los ging die vollelektronisch aufgezeichnete Übungseinheit. Kein Messklotz am Schuh mehr, alles drahtlos, ob beim Laufen, Schwimmen, auf dem Rad. Hatte sich technologisch wohl doch was getan die letzten 20 Jahre. Unablässig versuchte ich fortan, auf das Display der anderen zu schielen. Waren wir wirklich so schnell wie ich glaubte? Hatten wir drei Kilometer schon voll? Fragen konnte ich schlecht; ich war ja Guru Zahlenlos. Mit etwas Glück erlauschte ich immerhin im Ziel einige Daten. Während die anderen ihre Streckenrekorde bereits in dieses Internet speisten, überlegte ich noch, welche Daten ich in meinen Trainingskalender flunkern sollte, um Mona zu beeindrucken. Neid ist mir natürlich fremd. Aber ich wollte auch so ein Ding. Zum Glück hatte ich mit dem Wechselgeld vom Brötchenholen über Jahre ein sattes Schwarzgeldkonto angelegt. Für den Gegenwert von drei paar Laufschuhen gibt es im Fachhandel bereits schweres Gerät für den Unterarm, das zugleich das Hanteltraining ersetzt. Endlich bin ich auch ein Messi, der seinem Läuferleben mit Echtzeitdokumentation einen Sinn gibt. Kleines Problem: Lästige Hämatome an den Leistungsschenkeln. Wer dauernd auf das Display lugt, rammt halt mal einen Poller. Die gute Nachricht: Noch nie vor einen Baum gelaufen. Tapfer versuche ich, nur noch alle 30 Sekunden zu gucken. Sucht? Niemals? Fortschritt.
Achim Achilles, Jahrgang 1964, ist Deutschlands bekanntester Hobby-Läufer – nie erfolgreich, aber immer gut gelaunt. Er lebt verheiratet mit einer verständnisvollen Frau in Berlin, läuft aber überall, wo es wehtut. Motto des Wunderathleten und Spiegel-Online-Kolumnisten: „Qualität kommt von Qual.“ Mehr von ihm gibt es auf seiner Website www.achim-achilles.de oder in seinen Bestsellern „Achilles’ Verse“, „Achilles’ Laufberater“ und „Der Lauf-Gourmet“.
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RUNNING | 5/2013
FOTO: BEATRICE BEHRENS
Das ist Achim Achilles
abgefahren die Messe für Rad & Triathlon 22. – 24. November 2013
Leipziger Messe
www.tmsmessen.de
TMS 07/2013 Hintergrund: © Paweł Worytko – depositphotos.com Bild: © Wolfgang Wittchen