RATGEBER | Fettverbrennung
MYTHOS
Fettverbrennungspuls Wie soll wenig viel helfen? von Marco Heibel
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ocker trainieren und trotzdem optimale Abnehmerfolge erzielen? Das klingt wie ein Slogan aus der Werbung. Und die sollte man bekanntermaßen nicht immer für bare Münze nehmen. Gleiches gilt für den Mythos vom Fettverbrennungspuls. Viele Menschen beginnen zu laufen, weil sie etwas für ihre Figur und ihre Gesundheit tun wollen. Bereits nach wenigen Wochen geht es nicht mehr primär ums Abnehmen, sondern um den Spaß und das gute Gefühl, das der Sport einem vermittelt. Laufen wird dann zum sprichwörtlichen Selbstläufer.
Die kleine Gruppe, die sich auch nach Wochen noch zum Training quälen muss und nur deswegen weitermacht, weil der Sport die ersehnten Abnehmerfolge verspricht, begibt sich in die Gefahr, ganz „falsch“ zu laufen: Gerade in Internet-Foren oder LifestyleMagazinen wird immer noch häufig die Zauberformel vom Fettverbrennungspuls geschürt. Damit gilt es aufzuräumen.
Nährstoffbedarf bei unterschiedlicher Belastungsintensität
Niedrige Belastung FETTE
KOHLENHYDRATE
Mittlere Belastung FETTE
KOHLENHYDRATE ATP LAKTAT
ATP ATP
ATP
MODIFIZIERT NACH BAUM/SCHRÖDER/WAGNER
SAUERSTOFF
UNMITTELBARER ENERGIELIEFERANT ATP = Adenosintriphosphat Bei niedriger Belastung werden Fette und kaum Kohlenhydrate zur Energiegewinnung herangezogen. Der Sauerstoffbedarf ist normal.
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SAUERSTOFF
UNMITTELBARER ENERGIELIEFERANT ATP = Adenosintriphosphat
Bei mittlerer Belastung werden etwas mehr Fette, aber vor allem Kohlenhydrate zur Energiegewinnung herangezogen. In den Muskeln entsteht Laktat. Der Sauerstoffbedarf ist erhöht.
Gut gemeint, falsch interpretiert „Wer abnehmen möchte, sollte vor allem im Grundlagenausdauerbereich trainieren, weil bei dieser Belastungsintensität am meisten Fett verbrannt wird.“ So oder so ähnlich wird der Fettverbrennungspuls häufig erklärt. Diese Definition suggeriert, dass man bei einer Trainingsintensität von rund 55 bis 70 Prozent seiner maximalen Herzfrequenz am meisten Fett verliert. Dementsprechend müssten die Abnehmerfolge bei einer Herzfrequenz von beispielsweise 120 Schlägen in der Minute größer sein als bei einem Trainingspuls von 160. An dieser Stelle müsste eigentlich jeder stutzig werden – und zwar zu Recht.
RUNNING | 1/2013
„Relativ“ und „absolut“ – ein feiner Unterschied In der Tat ist es so, dass der Körper seine Energie bei einer Grundlageneinheit mehrheitlich aus den Fettreserven bezieht. Bei einer Intensität von rund 65 Prozent der maximalen Herzfrequenz geht man – individuell unterschiedlich – ungefähr von zwei Dritteln bis drei Vierteln Fett als Energielieferant aus. Die restliche Energie bezieht der Körper aus den Glykogenspeichern, in denen die über die Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate eingelagert sind. Dieses Verhältnis verschiebt sich allerdings mit zunehmender Intensität: Je stärker man sich belastest, desto stärker zapft der Körper die Kohlenhydratspeicher an, weil zu ihrer Verwertung weniger Sauerstoff benötigt wird und sie dem Körper deshalb schneller zur Verfügung stehen. Das bedeutet aber nicht, dass Sie absolut weniger Fett verbrennen, wenn Sie schnell laufen, sondern nur relativ.
Ein Rechenbeispiel Bei einem 80 Kilogramm schweren Mann liegt der Energieumsatz bei einem Lauf in der so genannten Fettverbrennungszone ungefähr bei zehn Kilokalorien in der Minute – sechs bis sieben davon kommen aus der Fettverbrennung, Hohe Belastung der Rest aus den Glykogenspeichern. Bei einem Intervalllauf mit Spitzen jenseits der aerob-anaeroben Schwelle FETTE KOHLENHYDRATE können es aber bis zu 20 Kilokalorien in der Minute sein. ATP Selbst wenn in diesem Fall LAKTAT „nur“ 40 Prozent aus der FettATP verbrennung gewonnen würSAUERSTOFF den, wären das mit acht Kilokalorien (bei zwölf Kilokalorien aus der Kohlenhydratverwertung) immer noch UNMITTELBARER ENERGIELIEFERANT mehr Fett, als bei einem langsamen Lauf. Bei hoher Belastung liefern fast ausschließlich Doch auch das ist für den GeKohlenhydrate die benötigte Energie. In den wichtsverlust letzten Endes unMuskeln bildet sich vermehrt Laktat. Der erheblich. Entscheidend hierfür Sauerstoffbedarf ist hoch. ist allein, ob Sie am Ende eines Tages mehr Kalorien verbraucht
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haben, als Sie zu sich genommen haben. Und der Kalorienverbrauch ist nun einmal während eines intensiven Trainings deutlich höher als bei lockeren Läufen in der Zone des sogenannten „Fettverbrennungspulses“.
Warum langsame Läufe trotzdem wichtig sind Merke: Wer der Empfehlung folgt, nur bei verhältnismäßig niedriger Herzfrequenz zu trainieren, verpasst die Chance, viele Kalorien zu verbrennen. Allerdings muss man differenzieren: Wem es allein um effektives Abnehmen in kurzer Zeit geht, der sollte langsame Läufe und forderndes Krafttraining im Wechsel absolvieren, also an einem Tag laufen, am nächsten die Kraft trainieren. So können sich die Beine erholen, ohne dass Sie zum Nichtstun verdammt sind. Bei solchen KraftWorkouts sind die Herzfrequenz und folglich auch der Kalorienverbrauch bereits während der Belastung hoch. Hinzu kommt der gesteigerte Nachbrenneffekt nach dem Sport. Weiterhin erhöht jedes Kilogramm Muskelmasse den täglichen Energiebedarf des Körpers, selbst im Ruhezustand. Abnehmen beziehungsweise Gewicht halten fallen so bei ausgewogener Ernährung – ohne die geht es einfach nicht – deutlich leichter.
Was der Körper lernt Wer jedoch das Primärziel hat, ausdauernder und fitter zu werden, der kommt an regelmäßigen langsamen Ausdauereinheiten überhaupt nicht vorbei. Eine gute Ausdauer ist die Basis für schnellere Läufe und somit unabdingbar. Bei den niedrigen und mittleren Intensitäten lernt der Körper nämlich, ökonomischer mit seinen Reserven umzugehen. Ein Gewichtsverlust stellt sich auch hier ein – jeder, der schon einmal für eine Marathonteilnahme trainiert hat, wird das bestätigen können – doch der resultiert eben aus dem auf die Dauer hohen Kalorienverbrauch und nicht aus dem Training im Bereich des „Fettverbrennungspulses“.
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