REPORTAGE | Firmenportrait
F I R M E N P O RT R A I T
Go!-coach
Über zwei Drittel aller Marathonis bereiten sich mit einem Plan ganz gezielt auf den nächsten größeren Lauf vor. An Trainingsvorlagen mangelt es nicht, allerdings berücksichtigen die Standardentwürfe kaum die individuellen Bedürfnisse der Sportler. Der Online-Anbieter Go!-coach geht einen anderen Weg – und das höchst erfolgreich.
ndreas Oschmann ist ein alter Hase im Ausdauersport und mit einer Marathon-Bestzeit von 2:36:58 Stunden nicht gerade der langsamste. Ganz nebenbei ist Oschmann aber vor allem ein ziemlich erfolgreicher Trainer: Der Marathoni und Triathlet hat ein individuell-dynamisches OnlineTrainingsangebot erfunden und damit bereits vielen zu neuen Bestzeiten verholfen.
A
„Es begann damit, dass mich immer mehr Sportkollegen nach Trainingstipps fragten“, erzählt Oschmann, der ursprünglich
88
RUNNING | 2/2015
vom Unterwasser-Rugby kommt und Musik studierte. Von Informations- und Datenverarbeitung hatte er keine Ahnung, was sich im Nachhinein als Fluch und Segen zugleich herausstellte. Die Idee zu elektronischen Trainingsplänen war da – viel mehr aber auch nicht. „Ich wollte mich in die IT selbst hereinfuchsen und hatte den Plan, mit einem befreundeten Computerspezialisten ein Trainingsprogramm an einem Wochenende umzusetzen“, sagt Oschmann über den Startschuss von Go!coach.
FOTOS: GO!-COACH
von Claudius Lüder
Aus heutiger Sicht sei diese Herangehensweise natürlich in höchstem Maße naiv gewesen. Denn aus einem Wochenende wurden vier Jahre, bevor Oschmann 1987 die erste Version seines Programms vorstellen konnte. Zunächst als reine OfflineVersion baute Oschmann später einen Vertrieb für das OnlineAngebot via Internet zuerst für den deutschsprachigen Raum auf, um später eine englische Version von Go!-coach folgen zu lassen. Heute ist das Produkt
seit fast 30 Jahren am Markt, womit Andreas Oschmann zweifelsohne zu den Pionieren im Bereich E-Coaching zählt. Gleichzeitig ist sein Trainingsprogramm nach wie vor sehr individuell, denn es berücksichtigt intensiv die Bedürfnisse und Dispositionen des Sportlers. „Bei uns gibt es keine zwei gleichen Trainingspläne“, sagt Oschmann. Eine Vielzahl von Variablen ist für die Erstellung der Vorgaben notwendig, die Grundlagen sind die neuesten Erkenntnisse der Trainingslehre. Hierzu aber muss der Kunde aktiv mit-
Go!-coach kompakt Name: Go!-coach GmbH Gegründet: 1983 Stammsitz: Hagen Homepage: www.go-coach.com
In einer losen Serie stellen wir Ihnen die Kleinen und Großen aus der Sportartikelbranche vor. Sollten Sie ein besonderes Interesse an einem Unternehmen haben, über das Sie schon immer mehr erfahren wollten, so freuen wir uns über Ihren Vorschlag per E-Mail unter: redaktion@ running-magazin.de
arbeiten. „Das Wichtigste bei Go!-coach ist die Dokumentation.“ Denn je mehr und je genauer die Daten seien, die der Läufer über sein persönliches Log-in auf der dazugehörigen Internetplattform zurückmeldet, desto exakter könne ein Plan abgestimmt werden. Das Herzstück hierbei ist die so genannte Formkurve. Sie gibt dem Anwender Aufschluss darüber, wie gut oder schlecht seine momentane Form ist. Um die Formkurve erstellen zu lassen, müssen regelmäßig Daten wie die Zeit und die durchschnittliche Pulsfrequenz über eine Referenzstrecke eingegeben werden. Diese gleichlangen Strecken werden dann verglichen und analysiert, dann zeigt das Programm grafisch an, auf welchem Level sich der Sportler befindet. „Die Formkurve ist so etwas wie das Ei des Kolumbus“, sagt Andreas Oschmann, denn sie zeige auf eine einfache, aber sehr genaue Weise, wie trainiert wird. Ein weiterer entscheidender Punkt bei der Planung sind Wettkämpfe, denn sie markieren Zielpunkte. Statische Vorgaben sehen für eine Marathonvorbereitung einen Zeitraum zwischen 12 und 16 Wochen vor. Go!-coach hingegen reagiert dynamisch und passt die Intensitäten des Trainings der tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeit an. „Unsere Kunden erhalten jede Woche einen neuen Trainingsplan, nachdem sie vorher zurückgemeldet haben, wie oft sie in der kommenden Woche trainieren können. Die Einheiten sind damit nicht nur auf das Ziel, also einen bestimmten Wettkampf abgestimmt, sondern auch auf die zur Verfügung stehenden Trainingstage.“ Viel individueller geht es nicht, womit der Anbieter tatsächlich so etwas wie ein virtueller Personal-Trainer ist. „Das Angebot ist weltweit einmalig, es gibt kein vergleichbares Konzept“, sagt
Oschmann nicht ohne Stolz. Zeitgleich arbeitet der Experte ständig an der Optimierung des Programms, das aufgrund seiner Vielfalt eigentlich nie fertig sei. „Aktuell überarbeite ich gerade das Schwimmtraining für die Triathleten, das soll noch technischer ausgerichtet sein.“ Als Seiteneinsteiger in die IT-Branche hat er sich sein ComputerWissen über die Jahre selbst angeeignet, während er bei medizinischen Fragen auf die Unterstützung seiner Frau bauen kann, einer Sportmedizinerin. Kommt er beim Brüten über Variablen, Trainingslehre und Programmideen mal gar nicht weiter, hilft immer ein langer Lauf. „Meist habe ich ein Diktiergerät dabei, um alles festzuhalten, was mir einfällt. Große Teile von Go!-coach sind dabei entstanden.“ Gleichwohl viele ambitionierte Sportler die Plattform erfolgreich nutzen – Laufanfänger können damit mindestens genauso gut durchstarten – stellt Oschmann klar: „Unsere dynamische Trainingsplanung ist für jede Leistungsklasse geeignet. Selbst wenn jemand anfangs nur einen halben Kilometer läuft, kann er Go!-coach nutzen und damit kontinuierlich den Umfang steigern.“ Die Voraussetzung sei immer gleich: eine regelmäßige Dateneingabe. Nach einem umfassenden Relaunch der Website will Oschmann in diesem Jahr vor allem international weiter durchstarten. Hierzu holt der 63-Jährige seine beiden Söhne Silvan und Martin ins Unternehmen, die zunächst vor allem die Bereiche Marketing und internationaler Vertrieb stärken werden. Andreas Oschmann selbst will sich nach und nach aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und damit wieder mehr Zeit für den Sport haben. Sicherlich wird er nicht selten mit der einen oder anderen guten Idee vom Laufen zurückkommen.
RUNNING | 2/2015
89