„Wie wir mit Industrie Zukunft gewinnen.“
Gut gerüstet in die 4. Industrielle Revolution.
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Industriekongress 2015
Das Saarland ist auf dem Weg zum echten Industrie-4.0-Land
Inhalt Eine Geschichte der guten Ideen
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Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger: Das Saarland soll Industrieland bleiben Seite 04 Warum das Saarland ein Leuchtturm für Industrie 4.0 ist
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Kongress am 20. April 2015: „Wie wir mit Industrie Zukunkft gewinnen“
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Die Referenten und Gäste der Talkrunde im Überblick
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Das Saarland ist bekannt als Autoland – und das zu Recht Seite 08 Das Internet der Dinge braucht neue Wege beim Datenschutz
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Industrie 4.0: Wachstumsmotor für den Mittelstand
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Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar: Das Altern und die Fabrik von morgen
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IMPRESSUM Sonderveröffentlichung vom 18. April 2015 Herausgeber: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Franz-Josef-Röder-Straße 17, 66119 Saarbrücken Redaktion: Wolfgang Kerkhoff, Kathrin Fries, Jennifer Collet, Peter Engstler, Hannah Schmidt, Michael Hager, Dr. Alexander Brehm Weitere Infos zur Kampagne unter www.industrieland.saarland Bildrechte: S. 1 u. S. 9.: © morganimation (Fotolia); S. 2: B1, B3 ©: Wolfgang Thiry, B2: © Iris Maurer, B4 und B5: © atb-thiry; S. 6: © jim (Fotolia), S. 7: A. Hettrich: © IHK, O. Bubel: © ME Saar, H. Kurtz: © Pasquale D‘Angiolillo, R. Müller: © ZeMA, W. Wahlster: © Jim Rakete, C. König: © Jörg Puetz, P. Herbst: © Saarbrücker Zeitung, N. Klein: © SR; S. 9: Backes: © Privat, Wieker: © htw saar; S.10: V. Giersch: © Becker & Bredel, O. Bubel: © ME Saar, B. Wegner: © Peter Diersch, J. Barke © Dirk Guldner; S. 11: H. Kurtz: © Pasquale D‘Angiolillo Layout und Produktion: m-content, Serviceagentur für Mediendienstleistung und PR 66117 Saarbrücken Verlag und Druck: Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH 66103 Saarbrücken „Wie wir mit Industrie Zukunft gewinnen“ ist eine Fremdbeilage der Saarbrücker Zeitung
Das Saarland ist ein Industrieland und soll es bleiben. Heute wird es von ganz unterschiedlichen Branchen geprägt. Neben einer modernen Stahlindustrie bereichern der Fahrzeug- sowie der Maschinen- und Anlagenbau, die Gesundheitswirtschaft, die Informatik und die Nanotechnologie das Standortprofil. An der Saar entstehen Produkte, die weltweit Ansehen genießen, - von Energierückgewinnungssystemen über Bauteile – etwa für das Shanghai World Financial Center - bis hin zu Softwarelösungen zur Cybersicherheit im Produzierenden Gewerbe. In all diesen und vielen weiteren industriellen Bereichen haben wir Kompetenzen vorzuweisen, die herausragend sind. Allerdings, und darin liegt der Kerngedanke unseres Leitbildprozesses „Saarland Industrieland“, können wir als Standort an vielen Punkten sicher noch besser werden! Mir ist daran gelegen, dass wir gemeinsam eine Vision entwickeln und neue industriepolitische Ziele definieren. Ich will die Kommunikation der saarländischen Akteure unterei-
H
inter der Bezeichnung „Industrie 4.0“ steckte bis vor kurzem vor allem der Name einer Hightech-Initiative der Bundesregierung. Inzwischen ist daraus aber ein Begriff geworden, der in Politik und Medien immer häufiger die Runde macht. Verkürzt ausgedrückt steht er für die Digitalisierung der Produktion. Diese spiegelt sich auch im Logo der Initiative „Saarland Industrieland“ wider: Ein Zahnrad
nander vertiefen, die Vernetzung voranbringen und so neue Kreativität freisetzen. Die saarländische Wirtschaftspolitik wird die Bedingungen dafür verbes-
in Berlin und in Brüssel dafür eintreten, dass unsere Industrie all ihre Potenziale im globalen Wettbewerb nutzen kann. Mit dem Kongress am 20. April senden wir ein Signal
Anke Rehlinger ist seit 2014 saarländische Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Foto: Gundelwein
sern, dass möglichst viele Industriearbeitsplätze gesichert und geschaffen werden können. So bringen wir Wachstum und Beschäftigung voran. Ich möchte dazu beitragen, dass wir die Kräfte unseres Landes bündeln und gemeinsam auch
Was ist eigentlich die Industrie 4.0? und das Symbol für drahtlose Datenübertragung fügen sich zu einer Einheit. Die digitalisierte Produktion hat einen grundlegenden Wandel in der Automatisierung in Gang gesetzt. Sie hat auch im Saarland in vielen Industriebranchen bereits Fuß gefasst. Wurden bis-
aus, das weit über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen werden soll: Das Saarland ist auf dem Weg zu einem echten Industrie-4.0-Land!
Anke Rehlinger
her Produktionsanlagen noch überwiegend zentral gesteuert, so können in Zukunft immer stärker die so genannten cyberphysischen Systeme die Abläufe selbst organisieren, auch in den mittelständischen Unternehmen. Maschinen und Produkte werden zunehmend wie in einem sozialen Netzwerk miteinander kommunizieren. Deshalb sprechen viele heute auch vom „Internet der Dinge“. red
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Eine Geschichte der guten Ideen Die Innovationsschmiede Saarland hat einiges zu bieten Seit der Industrialisierung haben die Menschen in unserer Region immer wieder bewiesen, dass sie Strukturwandel können - und das geht nur mit einem großen innovativen Potenzial. Das Saarland war Vorreiter im Bergbau und hat bis zum Ende der Kohleförderung 2012 modernste Technik eingesetzt und entwickelt. Wir wurden Vorreiter in der Stahlerzeugung und schufen ein innovatives Stahlsegment. Heute haben wir uns zusätzlich
Ursprung des Erfolgs war der Foto: Iris Maurer Stahl.
zum Auto- und Technologieland weiterentwickelt und stehen in den Startlöchern, um die Chancen der digitalen Produktion zu nutzen.
Saarländer können nicht nur schwenken, sondern auch denken Die effizienten und leistungsfähigen Produktionsstätten sind dabei aber nur eine Seite der saarländischen Wirtschaft. Der Standort war immer schon mehr als "verlängerte Werkbank". Denn Saarländer können nicht nur schwenken, sondern auch denken: Wir erfinden zwar die Welt nicht immer neu, wir machen sie aber immer ein Stückchen besser. So entsteht schon seit Jahrzehnten Großes im Kleinen. Sicher haben wir nicht das Porzellan erfunden. Jean-François Boch erfand mit seinem weißen, extrem festen Steingut 1829 aber ein wesentlich preisgünstigeres Produkt. Damit startete Villeroy & Boch vom Saarland aus die Demokra-
tisierung der Tischkultur. Klar, das Auto haben wir nicht erfunden. Aber seit über 50 Jahren entwickeln Saarländer tausend kleine Dinge, damit es besser und sicherer läuft. So fährt heute in jedem zweiten Auto in Deutschland ein Stück Saar-Innovation mit. Auch wenn sie im Saarland bis heute rund um die Uhr in Betrieb sind: die
Porzellan aus Mettlach geht um Foto: Iris Maurer die Welt.
Hochöfen haben wir ebenfalls nicht erfunden. Mit saarländischer Innovati-
onskraft holen wir aber mit unseren Spezialstählen das Beste weltweit aus ihnen heraus. Ohne saarländischen Stahl gäbe es weder die Allianz-Arena in München, noch das Shanghai World Financial Center. Auch nicht zu vergessen: Die modernste Freiformschmiede der Welt steht direkt an der Saar und hat sich international als Schlüssellieferant für die Energiewirtschaft positioniert. Ohne Frage: Den menschlichen Muskel haben wir nicht erfunden. Den Forschern an der Saar-Universität gelang es aber, künstliche Muskeln für Industrieroboter zu schaffen: Leicht, geräuschlos und unabhängig von weiteren Apparaturen steuern Formgedächtnisdrähte heute die muskulösen Gliedmaßen von Saug-Greifern. Innovativer als ein klassischer Monitor (auch den gab es schon) ist die neueste Erfindung der Saarbrücker Informatik: Im Saarland druckt man mit dem Tintenstrahldrucker der Zu-
Windkraftanlage für die ganze Foto: dia-saar.de / thiry Republik.
kunft sein eigenes berührungsempfindliches Display auf Papier, Kunststoff, Holz und vieles mehr.
Industrieroboter lassen künstliche Muskeln spielen Windmühlen gab es auch schon länger. Aber mit saarländischen Ideen werden getriebelose Windkraftanlagen bald deutlich leichter und wirtschaftlicher. So hat es die Forschungsgruppe Windenergie der HTW erdacht: Rotorblätter können zukünftig direkt auf dem Außenläufer des Generators angebracht werden.
red
Ausgezeichnete Saarländer und Saarländerinnen Das Saarland - ein Land mit ausgezeichneten Köpfen. Ob mit dem TriathlonOlympiasieger von 2008 Jan Frodeno oder mit Grand-Prix-Legende Nicole – wir sind bekannt für außergewöhnliche Leistungen. Das zeigt auch unsere Küche: Mit der höchsten Dichte an Sterneköchen ist das Saarland ein Feinschmeckerland. Ausgezeichnete Köpfe finden sich natürlich auch in hervorragenden Forschungsprojekten. Es sind
Leuchttürme der wissenschaftlichen Forschung. Viele der deutschlandweiten und internationalen Forschungskooperationen zeigen: Mit Saarländerinnen und Saarländern lässt sich hervorragend forschen. Einer von ihnen ist Volker Presser. Er arbeitet am Leibniz Institut für Neue Materialien und wurde erst kürzlich als Innovator unter 35 ausgezeichnet. Ein anderer ist Joachim Weickert. Der Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bildanalyse
gute saarländiD amit sche Ideen weiter ihren Weg in die Welt finden, kümmern sich die Patentverwertungsagentur (PVA) und das Patentund Markenzentrum Saar um jede einzelne von ih-
Der Vorzeigeathlet Frodeno wurde 2014 als Sportler des Jahres im Saarland geehrt.
wurde mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland prämiert. Der Leibniz-Preisträger forscht sicher nicht zufällig an der
Universität des Saarlandes. Großes entsteht immer im Kleinen - es gibt noch viele weitere Erfolgsstorys, die sich im Saarland entwi-
Forschung trifft Wirtschaft nen. Rund 250 Saar-Patente werden jährlich registriert. Die Hälfte der seit 2002 angemeldeten Patente
konnte bis jetzt vermarktet werden. 2014 verzeichnete die PVA bundesweit die meisten Verwertungsabschlüsse pro
Wissenschaftler. Erfolgreiche Ausgründungen von Universität und HTW setzen saarländischen Forschergeist direkt in
Foto: letsmakeaplan.de
ckelt haben. Und das ist genau das, was unsere Wirtschaft braucht: ausgezeichnete Saarländerinnen und Saarländer. red
Produkte um, während Einrichtungen der Forschung und Entwicklung wie CISPA, ZeMA, Izes oder DFKI als Impulsgeber die Forschung und die Wirtschaft zusammenbringen. red
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„Unser Land ist ein Industrieland und soll es auch bleiben“ Ein Gespräch mit der saarländischen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger Warum machen Sie die Industriepolitik zu einem persönlichen Schwerpunkt? Ein Blick auf die Statistik gibt schon eine Antwort: Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung beläuft sich bei uns auf 25,2 Prozent, im Bund auf 21,8. Nach Baden-Württemberg hat das Saarland die zweithöchste Industriedichte in Deutschland. Automobilhersteller und ihre Zulieferer, Metallerzeugung
2014: Anstieg der Industrieumsätze im Saarland um 5,9 % (Bund: 2,5 %) und Maschinenbau - diese drei Schlüsselindustrien stehen für mehr als 70 Prozent des Gesamtumsatzes des Verarbeitenden Gewerbes. Angesichts dieser Zahlen müssen wir die Entwicklung aktiv unterstützen. Sie sprechen von einem „Leitbildprozess“ ... In dem Begriff steckt der Anspruch, dass möglichst viele mit ihrer eigenen Erfahrung dabei mithelfen,
die Saar-Industrie voranzubringen. Ich habe im Januar meine industriepolitischen Thesen verschickt. Inzwischen liegen sehr gute und kreative Rückmeldungen dazu vor. Bei unserem Kongress am 20. April werden wir meine Vorschläge und das Feedback diskutieren. Dies trägt zusammen mit den nachfolgenden Veranstaltungen dazu bei, dass wir in den nächsten Jahren eine Industriepolitik aus einem Guss betreiben können. Nach meiner Beobachtung hat es so ein detailliertes Gesamtkonzept im Saarland noch nicht gegeben.
Ihres Ansatzes? Was bereits Thema im Landtag war, ist das „selbstfahrende Auto“ oder das „automatisierte Fahren“. Wir platzieren es prominent als Zukunftsthema in der Industriepolitik. Ich Wo sehen Sie die stratebin davon überzeugt, dass gischen Schwerpunkte? wir dafür gut aufgestellt Wir haben eine starke Informatik, die wir noch enger sind. Wir haben Forschungseinrichtungen, die mit der Industrie zusammenbringen wollen. Ein funktionierender Technologie- und Wissenstransfer Die wirkt wie ein Katalysator für Ford-Werke die regionale Wirtschaft. Im Übrigen geht es mir darum, in Saarlouis dass wir die Schnittstelle Energie und Internet noch beschäftigen 6.400 intensiver bearbeiten. ZuMitarbeiterinnen dem müssen wir neben der Automobil- auch die Stahlund Mitarbeiter industrie als eine Schlüsselbranche unserer Wirtschaft im Wettbewerb nachhaltig in Stellung brin- sich schon lange mit diesen Fragen beschäftigen. Ich gen. Das sind nur einige nenne nur die Hochschule meiner Punkte. für Technik und Wirtschaft, das ZeMA oder das DFKI, Was sind denn Highlights
„Sie sprechen mir mit dieser Initiative aus der Seele! Jedem, dem die Wertschöpfungsstrukturen unseres Landes klar sind, muss zu dem Schluss kommen, dass es ein Industrieland ist und bleiben muss, will man Eigenständigkeit erhalten und Lebensqualität weiter entwickeln.“
* „Sie haben den Mut, sich zur Industrie zu beken-
Auch das Thema „Stahl“ spielt im strategischen Ansatz der Wirtschaftsministerin eine wichtige Rolle. Foto: Dillinger Hütte Unser Bild: Vor-Ort-Termin bei der Dillinger Hütte.
die intelligente Elektronik im Straßenverkehr ganz oben auf ihrer Tagesordnung haben. Wir haben auch viele Unternehmen, die Komponenten für ein selbstfahrendes Auto liefern können. Das ist eine gute Basis dafür, Wertschöpfung zu erzielen, wenn dieses Thema in Zukunft noch mehr an Fahrt aufnimmt. Ein weiteres Highlight kann sicher die Mensch-Roboter-Kooperation sein, wo wir ebenfalls über ausgezeichnete Kompetenzen verfügen. Und wie geht es jetzt weiter? Es gibt im Sommer Workshops. Hinzu kommen eine Betriebsrätekonferenz zum Thema „Alters- und alternsgerechtes Arbeiten in der Industrie“, ein Forum „Industrie und Wissenschaft“ sowie der „Stahlgipfel Saarland“, von dem ich mir einen überregionalen Image-
Feedback zum „Rehlinger-Papier“ nen. Das ist toll, unser Wunsch ist: bei allem Verständnis für Hightech und Akademikerausbildung, vergessen Sie nicht die KMU in ländlichen Regionen!“
* „Forschung und Entwicklung zur Industrie 4.0 gibt dem Land weitere Möglichkeiten, sich als Auto-
land zu etablieren.“
* „Das Saarland als Industriestandort nicht nur zu erhalten, sondern auch
zukunftsfähig auszubauen, muss zur Priorität der Politik, aber auch der hier lebenden Menschen werden.“
effekt verspreche. Am Ende werden wir eine Projektliste haben. Aber das ist keineswegs ein Abschluss, sondern der Beginn eines systematischen Umsetzungsmanagements. Die Landesregierung wird Haushalts-
2014: Im Saarland niedrigste Zahl der Insolvenzen (322) seit 12 Jahren
mittel im Sinne dieses Leitbildes bündeln. Aber es ist klar, dass wir zur Umsetzung auch unsere regionalen Partner brauchen, im Bereich der Kammern und Verbände ebenso wie aus dem Kreis der Unternehmen.
entscheidend sein wird, und für das das Saarland beste Voraussetzungen mitbringt.“
*
„Stärken Sie die Freude an wirtschaftlicher Tätigkeit und an Technik! Und * halten Sie auch in Wahlkampfzeiten einen ord„Ressourceneffizienz (Energie- und Materialeffi- nungspolitisch verlässlichen Kurs, dann gewinnt zienz) wird sich in Zudie Industrie und letztlich kunft zu einem Kompeauch das Saarland.“ tenzfeld entwickeln, das langfristig wettbewerbs-
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Wo sind die heimlichen Stars unseres Standorts? Schluss mit falscher Bescheidenheit! Wir alle wissen: Der Mittelstand ist einer der Pfeiler der saarländischen Wirtschaft. Aber nur selten stehen die Kleinen im Rampenlicht. Sie bleiben unbemerkt, obwohl viele mittelständische Unternehmen zu den „Hidden Champions“ – den heimlichen Stars – zählen und oft auf ihrem Gebiet Weltmarktführer sind. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz auf dem Uni-Campus in Saarbrücken.
Das DFKI
ist mit mehr als 400 Wissenschaftlern, einem Drittmittelumsatz von 50 Millionen Euro und 70 Spin-off-Firmen das weltweit größte Forschungszentrum für Künstliche
Intelligenz. Es hat mit mittelständischen Unternehmen und Großkonzernen Pionierprojekte für die Umsetzung von Industrie 4.0 realisiert: von der ersten cyber-physischen Smart Factory in Kaiserslautern,
Foto: DFKI
über kollaborative Leichtbauroboter am Standort Bremen bis hin zu industriellen Assistenzsystemen für multiadaptive Fabriken im Projekt SmartF-IT am Saarbrücker DFKI, zusammen mit dem ZeMA.
Warum das Saarland ein Leuchtturm für Industrie 4.0 ist Im April 2011 hatte ich gemeinsam mit zwei Kollegen im weltweit ersten Fachbeitrag zu Industrie 4.0 den Begriff eingeführt und den Start der 4. Industriellen Revolution ausgerufen. Damit wurde ein Megatrend initiiert, der inzwischen von allen Industrienationen auf-
Die saarländischen Maschinenbauer steigerten 2014 ihre Erlöse um 11,2 %
gegriffen wird und eine Innovationswelle in der globalen Fabrikwelt ausgelöst hat: Das Internet der Dinge kommt in die Fabriken. Industrie 4.0 ist inzwischen das erfolgreichste Zukunftsprojekt der Forschungsunion der Bundesregierung, in der ich während ihrer gesamten Laufzeit von 2006 bis 2013 das Saarland vertreten durfte. Erfolg auf dem Gebiet von Industrie 4.0 basiert auf
drei Hauptkriterien: einem vernetzten Ökosystem innovativer Produktionsunternehmen, einem exzellenten Umfeld an Informatik-Spitzenforschung sowie gut ausgebildeten und lernbegierigen Fachkräften. Das Saarland als führendes Informatik- und Produktionsland erfüllt alle diese Kriterien und hat daher beste Chancen, sich als Leitmarkt und Leitanbieter für Industrie-4.0-Lösungen speziell im Bereich der Automobilzulieferer und Stahl zu etablieren. Bei der Migration von Bestandsfabriken nach Industrie 4.0 werden klassische industrielle Feldgeräte
durch Tausende von cyberphysischen Systemen abgelöst, die als intelligente Agenten im Internet der Dinge das Nervensystem einer Smart Factory bilden. Über das semantische Produktgedächtnis steuert das Werkstück seine eigene Produktion. Stimuliert durch umfangreiche Förderprogramme des Bundes wurden in den letzten vier Jahren rasch die ersten Demonstrationsanlagen errichtet. Inzwischen gibt es die ersten Fabriken, die Prinzipien von Industrie 4.0 erfolgreich in Automationslinien integrieren oder als Fabrikneubauten schon bei der Planung berücksich-
Unterwegs zur 4. Revolution In der Industriegeschichte gab es drei folgenreiche Umbruchphasen. Die erste begann Ende des 18. Jahrhunderts, als Wasser- und Dampfkraft neue Produktionsabläufe möglich machten. Die
zweite folgte Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Einführung von elektrisch unterstützter, arbeitsteiliger Massenproduktion. Die dritte wurde zu Beginn der 1970-er Jahre geprägt durch den
In der saarländischen Industrie arbeiten rund 100.000 Menschen
tigt haben. Wichtig für den Erfolg von Industrie 4.0 war auch die frühzeitige Einbeziehung der Gewerkschaften, damit die Akzeptanz in den Belegschaften gewährleistet ist.
Wolfgang Wahlster
In unserer Region sind exzellente Forschung und innovative Unternehmen beheimatet: Die Firma Schaller Automation beispielsweise schützt mit ihrer Sensortechnik große Diesel- und Gasmotoren an Bord von Schiffen auf allen Weltmeeren und in Kraftwerken vor Ölnebelexplosionen.
Spitze auf dem Weltmarkt Saarländische Produkte, die in vielen Ländern zum Einsatz kommen, werden auch von der Firma Siebert Industrieelektronik GmbH aus Eppelborn hergestellt. Mit ihren begehrten Anzeige- und Informationssystemen nimmt sie eine Spitzenposition auf dem Weltmarkt für Digitalanzeigen ein. Vor 80 Jahren im Saarland gegründet, ist die exklusive Küchenmarke Schmidt heute Marktführer in Frankreich. Es liegt an uns: Wir müssen „Hidden Champions“ aus der Verborgenheit holen und die Geschichte der saarländischen Wirtschaft neu erzählen. red
Einsatz von Elektronik und Informationstechnologie. Die „4. Industrielle Revolution“ setzt auf digitalisierte cyber-physische Systeme, die zum ersten Mal eine stark individualisierte Produktion erlauben. red
Im Saarland groß werden. Foto: Wolfgang Thiry
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Auch Villeroy & Boch setzt auf Digitalisierung
„Wie wir mit Industrie Zukunft gewinnen.“ Kongress am 20. April 2015 ab 18.30 Uhr in der Congresshalle Saarbrücken
Der Keramikhersteller Villeroy & Boch hat die Initiative „Saarland Industrieland“ ausdrücklich begrüßt. „Als saarländisches Traditionsunternehmen liegt uns die Zukunftsfähigkeit unserer Heimat ebenso am Herzen wie Ihnen“, heißt es in einem Schreiben an Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger. Generell sei V & B dabei, die Digitalisierung im gesamten Unternehmen voranzutreiben: „Es wäre daher interessant zu erfahren, was es konkret bedeutet, Teil dieses Netzwerkes werden zu können.“
Perspektiven für die 4. Industrielle Revolution BEGRÜSSUNG UND EINFÜHRUNG 쐍 Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger
Foto: Villeroy & Boch AG
Mit Industrie auf Erfolgskurs bleiben Naturprodukte Rubenheim ist überzeugt: „Industrie steht für Wertschöpfung, attraktive Arbeitsplätze und erhebliche Dienstleistungsnachfrage. Als Kristallisationskeim innerhalb einer Volkswirtschaft braucht sie vernünftige Rahmenbedingungen und ein industriefreundliches Klima.“
Fortschritt braucht Fachkräfte Die Medizintechnik profitiert von Industrie 4.0 - braucht aber Fachkräfte. Die URGO GmbH meint: „Die Medizintechnikbranche im Saarland gilt nicht nur als eine der innovativsten, sondern hat auch aufgrund der demographischen Entwicklung großes Zukunftspotenzial. Wichtig ist auch die Fachkräftesicherung auf diesem Gebiet.“
KURZSTATEMENTS 쐍 Albert Hettrich, Vize-Präsident der IHK Saarland 쐍 Oswald Bubel, Präsident des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes 쐍 Hans Peter Kurtz, Vorstandsvorsitzender
der Arbeitskammer des Saarlandes VORTRAG „Perspektiven für die 4. Industrielle Revolution“ 쐍 Prof. Dr.-Ing. Rainer Müller, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik TALKRUNDE 쐍 Wirtschaftsministerin
Anke Rehlinger 쐍 Oswald Bubel 쐍 Prof. Dr.-Ing. Rainer Müller 쐍 Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, Vorsitzender Geschäftsführer des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz 쐍 Prof. Dr. Cornelius König, Leiter des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität des Saarlandes
Moderation: 쐍 Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung 쐍 Norbert Klein, Chefredakteur Saarländischer Rundfunk AUSBLICK 쐍 Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger ANSCHLIESSEND GET-TOGETHER
Das Jahr 2015 ist im Saarland das „Jahr der Industrie“ Es ist erst der Anfang: Der Leitbildprozess für eine offensive Industriepolitik geht nach dem Kongress weiter. Denn die Industrie gehört zum Kern unseres Landes. Mit einer offensiven Industriepolitik sorgen wir dafür, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Die Weiterentwicklung unserer Industrie,
Zu Besuch im Festo Lernzentrum.
die Sicherung und die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft unseres Landes steht klar im Vordergrund. Deswegen führen wir im Verlauf des Jahres weitere Dialogveranstaltungen durch. Es sind Workshops zu verschiedenen Elementen des industriepolitischen Konzepts ge-
Foto: MWAEV
plant. Hinzu kommen unter anderem eine Betriebsrätekonferenz zum Thema „Alters- und alternsgerechtes Arbeiten in der Industrie“ und der „Stahlgipfel Saarland“.
Am Ende des Leitbildprozesses werden bis zum Jahresende die Ergebnisse in eine Projektliste eingebracht und mit einem klaren Umsetzungsmanagement versehen. red
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„Wie wir mit Industrie Zukunft gewinnen.“ Kongress am 20. April 2015 ab 18.30 Uhr in der Congresshalle Saarbrücken
Albert Hettrich
Oswald Bubel
Hans Peter Kurtz
Prof. Dr.-Ing. Rainer Müller
Der Vize-Präsident der IHK Saarland, Albert Hettrich, sagt: „Globalisierung und neue Technologien verändern unsere Industrie. Damit verbundene Chancen gilt es zu nutzen. Es ist gut, dass Landesregierung und Wirtschaftsministerium einen industriepolitischen Leitbildprozess gestartet haben. Beim Kongress können sich alle gesellschaftlichen Gruppen einbringen. Ich freue mich auf spannende Diskussionen!"
Oswald Bubel, Präsident des Verbandes der Metallund Elektroindustrie des Saarlandes, sagt: „Die saarländische Industrie ist gut aufgestellt, doch zur Sicherung der industriellen Wertschöpfung im Saarland, müssen die heimischen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit kontinuierlich verbessern. Dazu ist eine hohe Standortqualität im Saarland ebenso unabdingbare Voraussetzung wie eine industrie- und technikfreundliche Grundhaltung der Menschen.“
Als Vorsitzender der saarländischen Arbeitskammer meint Hans Peter Kurtz: „Die Arbeitskammer begrüßt den industriepolitischen Dialog durch die Landesregierung, der nun mit dem Kongress seinen offiziellen Auftakt findet. Wie von Ministerin Anke Rehlinger angekündigt, erwarten wir eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmerseite und stehen als Partner für die konstruktive Gestaltung des Wandels der Arbeitswelt zur Verfügung.“
Rainer Müller, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Saarbrücker Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA), ist überzeugt: „Mit seiner interdisziplinären Forschung und Entwicklung an der Schnittstelle von Informatik, Ingenieurs- und Arbeitswissenschaften hat das Saarland alle Voraussetzungen, um im Themenfeld Industrie 4.0 weiter erfolgreich zu sein.“
Ein Feedback der Bosch-Gruppe zum „Rehlinger-Papier“ „Eine große Herausforderung [im Hinblick auf die Digitalisierung der Produktion] stellt die Qualifikation der Mitarbeiter dar - in der Akquise neuer Mitarbeiter und bei Weiterqualifizierung. Hierbei können die Bildungseinrichtungen des Saarlandes einen erheblichen Beitrag leisten. [...] Eine gut ausgebaute Infrastruktur ist die Voraussetzung für wettbewerbsfähige Produktionsketten. Dabei umfasst sie nicht nur das Verkehrsnetz mit Straßen, Schienen und Wasserwegen. Zunehmend gewinnt der flächendeckende HighSpeed-Zugang zum In-
Know-how am ArbeitsFoto: Bosch-Gruppe platz.
Prof. Dr. Prof. Dr. Wolfgang Wahlster Cornelius König
Peter Stefan Herbst
Norbert Klein
Der Informatiker Wolfgang Wahlster ist Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz. Er sagt: „Das Saarland ist Pionierland auf dem Gebiet von Industrie 4.0. Im Jahr 2013 hatten wir in Saarbrücken den bundesweit ersten öffentlichen Kongress zu diesem Thema. Ich bin überzeugt, der jetzige Kongress ist im Saarland der Beginn einer neuen Phase.“
Peter Stefan Herbst ist Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung. Er führt an: „Die Industrie ist das Rückgrat der saarländischen Wirtschaft und damit der ganzen Region. Das Saarland braucht auch künftig eine starke und besonders innovative Industrie, wenn Zukunftsfähigkeit und Eigenständigkeit gesichert werden sollen.“
Der Journalist Norbert Klein ist Chefredakteur des Saarländischen Rundfunks. Er findet: „Für Journalisten ist es unglaublich spannend zu beobachten, was im Bereich Industrie 4.0 passiert und wie sich die klassische Schwerindustrie mit der Informationstechnologie verbindet. Mit großem Interesse berichten die Medien über die weitere Entwicklung der Industrie im Saarland.“
Der Leiter des Saarbrücker Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie hat folgende Einschätzung: „Industrie 4.0 bedeutet Veränderung für die Arbeiterschaft, und Veränderung bedeutet Chancen und Risiken. Wenn eine Firma zur Smart Factory werden will, muss sie die Mitarbeiter in diesen Prozess einbeziehen, damit Veränderung vor allem als Chance wahrgenommen wird und nicht als Risiko, gegen das man sich wehren sollte.“
ternet eine entscheidende Bedeutung. Die elektronische Anbindung ist eine Grundvoraussetzung für das Umsetzen vernetzter Produktion und Dienstleistungen bis hin zu Industrie 4.0.“
Hand in Hand in die 4. Industrielle Revolution Ein gelungenes Beispiel für Industrie 4.0 kommt von der HTW-Forschungsgruppe Qbing unter Leitung von Dr. Steffen Hütter. Zusammen mit der Saarbrücker Orbis AG wurde die „System-integrierte Wertstrom-Applikation“ (SiWA) entwickelt. Hiermit werden Informations- und Materialflüsse in komplexen Wertschöpfungsnetzwerken aufeinander abgestimmt. Bei der Hager Group in Blieskastel wird diese innovative IT-Lösung bereits umgesetzt.
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Mobile Hilfen für den Arbeitsplatz Unter der Leitung der Festo Lernzentrum Saar GmbH aus St. Ingbert ist das anwendungsorientierte Forschungsprojekt APPsist entstanden. Ziel ist die Entwicklung eines intelligenten Assistenzsystems, um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine in der Produktion zu unterstützen. Der Mitarbeiter bekommt durch APPsist direkt am Arbeitsplatz Hilfe beim Aufbau von Kompetenzen und Wissen, um die zunehmen-
de Komplexität von Aufgaben besser als bisher zu bewältigen. Die ersten Assistenzen werden bereits bei den Anwendungspartnern erprobt und im Projektverlauf auf alle Stationen einer Fertigungsanlage ausgeweitet. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und vom Projektträger, dem Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt e.V. (DLR), betreut. red
Schon heute ist das Saarland einer der wichtigsten Zulieferer der weltweiten Automobilbranche. Foto: Friends Event GmbH
Das Ganze ist die Summe seiner Teile
Das Saarland ist bekannt als Autoland – und das zu Recht Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln ist das Saarland Deutschlands drittgrößtes Automobilzuliefererzentrum. Im Saarland sorgt die Automobilbranche mit 23.000 Arbeitsplätzen für mehr als ein Fünftel aller Industrietionsprozess anfallenden arbeitsplätze. Sie erwirtMit der Vernetzung von InDaten ausgewertet, um aus schaftet fast jeden zweiten dustrie und Informationsden Erfahrungen Prognosen Euro aller Industrieumsättechnologie beteiligt sich für zukünftige Prozesse zu ze. die Saarstahl AG an dem ermöglichen. Für ein weltBerücksichtigt man, dass dreijährigen Forschungsweit agierendes Unternehauch Branchen wie die programm iProdict (intelliStahlindustrie, der Maschigent Process Prediction ba- men wie Saarstahl ist dieses Forschungsprojekt von nenbau oder die Elektroinsed on Big Data Analytics). dustrie für die AutoindusBig Data und Big Steel wer- großer Bedeutung. Durch die digitale Vernetzung kön- trie fertigen, kommt man den zusammengebracht, nen in Zukunft Produktiauf über 46.000 Mitarbeium so eine Qualitäts- und ter, die direkt oder indirekt Produktivitätssteigerung zu onsprozesse deutlich optierreichen. Mithilfe von iPro- miert oder sogar eingespart für die Automobilindustrie dict werden alle im Produk- werden. red arbeiten. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer bilden das Rückgrat der saarländischen Industrie. Namhafte Großbetriebe, aber auch zahlreiche leistungsfähige kleine und mittlere Unternehmen fertigen in modernen Produktionsstätten hochwertige Fahrzeugkomponenten und Ausrüstungsteile. Ob Reifen oder Getriebe, Einspritzpumpen oder Katalysatoren, Installationsmaterial oder Autoelektronik, Gummi- oder Kunststoffteile – von A wie AkkumulatoBei iProdict trifft Industrie auf IT. Foto: Saarstahl AG ren bis Z wie ZylinderblöAlle Informationen immer griffbereit.
Saarstahl startet Zukunftsprojekt
Foto: Manuel Schmidt
cke gibt es kaum ein Vormaterial oder Zulieferteil, das nicht im Saarland hergestellt wird. Hauptabnehmer all der Teile sind BMW, MercedesBenz, Volkswagen und Renault. So greift allein BMW bei der Fertigung auf mehr als ein Dutzend Zulieferer aus dem Saarland zurück: Motorblöcke und Kurbelwellen liefern die saarländischen Unternehmen Nemak Dillingen, Neue Halberg Guss und ThyssenKrupp Gerlach. Nedschroef Fraulautern liefert hochfeste Schrauben, Eberspächer steuert Abgasanlagen bei, Bosch aus Homburg Diesel-
Das verarbeitende Gewerbe im Saarland erzielte 2014 einen Umsatz von 25,2 Mrd. Euro systeme und Saargummi Dichtungen. Auch ThyssenKrupp System Engineering, Dürr Anlagenbau, Magna, INA Schaeffler Homburg, Allevard Federn und TI Au-
tomotive steuern saarländische Teile und saarländisches Know-how zur Entstehung eines BMW bei. Neben der industriellen Fertigung engagieren sich immer mehr saarländische Institute im Bereich der Entwicklung neuer Verfahren und Techniken für Autohersteller und -zulieferer. Das Deutsche Foschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) forschen beispielweise in den Bereichen Fertigung und Automatisierung.
Kaum ein Fahrzeug ohne saarländisches Know-how Aber auch das Leibniz-Institut für Neue Materialien, das Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren und das Institut für Produktions- und Logistiksysteme sowie die Forschungseinrichtungen der Universität des Saarlandes und der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes tragen maßgeblich zur Stärkung des Forschungs- und Innovationsstandortes Saarland bei. red
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as Saarland hat eine hohe Dichte innovativer Unternehmen. Sie haben in Branchen wie dem Fahrzeug- oder dem Maschinenbau oft die Nase vorne. Ohne die Saar-Unternehmen würde es so manches weltweit bekannte Markenprodukt nicht geben. Die populären Innovationstrends bestimmten seit längerem die Unternehmen aus dem Silicon Valley. Sie beherrschen den IT-Markt und drängen in neue Branchen: Intelligente Maschinen, selbstfahrende Autos oder Bril-
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Das Internet der Dinge braucht neue Wege beim Datenschutz len als digitales Tor zur Welt – die Internet-Konzerne erobern den klassischen Ingenieurszweig. Damit wir trotzdem in den Innovationsbranchen weiter an der Spitzenposition bleiben, fordern Experten wie der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Reimund Neugebauer, deutliche Fortschritte beim Datenschutz. Denn
gerade mittelständische Unternehmen scheuen die Vernetzung. Aus Angst vor Cyberattacken verzichten sie lieber auf digitale Innovationen. Ein entscheidender Grund, die „Datensicherheit“ auf die Tagesordnung zu setzen.
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er Meinung ist auch die saarländische Wirtschaftsministerin An-
ke Rehlinger. Die komplexen Herausforderungen im Bereich „Cybersicherheit“ müssten eine stärkere Rolle spielen. Denn die Vernetzung betrieb-
licher Anlagen verlange verlässliche Systeme für Erzeugung, Übertragung, Speicherung, Auswertung oder Löschung von Daten. Das Saarland mit seiner Informatik-Landschaft oder dem Saarbrücker Zentrum für IT-Sicherheit CISPA arbeite bereits an guten Lösungen, sagt Rehlinger. Es sei an der Zeit, die im Land vorhandenen Kompetenzen stärker zu bündeln. red
Mein Beitrag zum selbstfahrenden Auto – ein LiveBericht von Michael Backes Nur autonome Fahrzeuge auf den Straßen würden Verkehrsschilder überflüssig machen. Die Autos kommunizieren direkt mit der Straße oder mit anderen Fahrzeugen. Bis dahin müssen autonome Autos überwucherte Verkehrsschilder erraten und mit Menschen als Verkehrsteilnehmern rechnen. Die Anforderungen an diese neue Technologie sind also ironischerweise bei Einführung höher als in der nahen Zukunft.
Autos senden heute schon Daten an Hersteller, um beispielsweise Erkenntnisse über die Flotte im Betrieb zu gewinnen. Der Datenschutz des Fahrers bleibt dabei noch „auf der Strecke“. Datenpakete steuern oft die Servolenkung und die Bremsen. Die Datenpakete geben aber keinen Aufschluss über Manipulationen. Wenn Angreifer Ihren Computer kapern und zum Spamversand verwenden,
ist das ärgerlich – ein ferngesteuertes Auto bedeutet Lebensgefahr. Als Wissenschaftler für IT-Sicherheit sehe ich beim „Internet der Dinge“ eine wachsende Zahl von Schwachstellen. Ich stelle mir die Frage, ob wir zukünftig auch mit Viren, Trojanern und Hackern in unseren Autos rechnen müssen. Genau das zu verhindern, ist das Ziel unserer Wie lässt sich Sicherheit auch auf viel- und schnellbefahrenen Straßen garantieren? Forschung am CISPA. Mithilfe seiner Sensoren kann ein autonomes Fahrzeug beispielsweise Menschen, Gebäude oder andere Fahrzeuge erkennen. Die Informationsfülle verlangt aber nicht nur unsere Garantie, dass die Fahrzeug-IT korrekt arbeitet. Wir brauchen auch eine ethische Diskussion über die Entscheidungen, die so ein autonomes Fahrzeug trifft. Einem Mensch kann man eine Fehlentscheidung verzeihen. Von einem Computer erwarten wir die „richtigen“ Entscheidungen, falls plötzlich ein Kinderwagen auf die Straße rollt und die Wahl zwischen Kollision mit dem Kinderwagen oder dem Gegenverkehr ansteht.
Michael Backes, Professor für Internetsicherheit und Kryptografie
Foto: Iris Maurer
Mein Beitrag zum selbstfahrenden Auto – ein Live-Bericht von Horst Wieker 2004 wurde die Forschungsgruppe Verkehrstelematik an der htw saar ins Leben gerufen. Sie forscht unter meiner Leitung zur FahrzeugFahrzeug- und FahrzeugInfrastruktur-Kommunikation (C2X). Ihr Ziel ist das hochautomatische Fahren: Die Fahrzeugsteuerung zum hochautomatisierten Fahren wird durch Informationen von anderen Fahrzeugen und der Straßeninfrastruktur unterstützt.
C2X-Kommunikation verantwortlich. Unsere dafür entwickelten Infrastrukturkommunikationseinheiten bilden heute eine wichtige Basis des hochautomatisierten Fahrens. Man findet sie beispielsweise entlang der A 5 am Frankfurter Kreuz.
Die Technik stellt neue Anforderungen an Datenverfügbarkeit und Datetenqualität. Daran arbeiten wir im Forschungsprojekt CONVERGE. Wir entwickeln Systeme, die zum richtigen Zeitpunkt die richtigen InIm Feldtest simTD waren wir für die technische Säule formationen am richtigen
Ort zur Verfügung stellen. Wir forschen auch im Herzen des Saarlandes. In Merzig haben wir ein Testfeld (ITeM) errichtet und erproben neue Technologien. Eine dortige Verkehrskreuzung ist so entwickelt, dass die Ampeln mit Fahrzeugen reden und zusätzliche Sensorik den Fußgängerschutz erhöht. Wir gewinnen so Daten für die hochautomatisierten Fahrprogramme in den Autos. Natürlich sind wir auch in internationalen Gremien gefragte Partner und bringen uns beispielsweise in den Arbeitsgruppen des Car2Car Communication Consortiums ein.
Horst Wieker, Chef der Forschungsgruppe Verkehrstelematik an der htw
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Industriekongress 2015
Die Ingenieurskunst entscheidet
Mit einer guten Ingenieursausbildung bleibt die saarländische Foto: Wolfgang Thiry Wirtschaft auf Kurs.
Die Saarindustrie ist erfolgreich auf Globalisierungskurs. Sie ist DER Motor für Wachstum, Beschäftigung und Innovation. Das muss auch so bleiben! Denn nur mit einer starken und wettbewerbsfähigen Industrie gelingt die nachhaltige Sicherung der Eigenständigkeit unseres Landes. Richtig ist deshalb, dass die Landesregierung jetzt ein Zukunftskonzept für den Industriestandort Saarland
entwickeln will. Sie muss darin schlüssig aufzeigen, wie es trotz aller Sparzwänge gelingen kann, den Standort weiter attraktiv zu halten. Eines der formulierten Ziele heißt, unser Land zu einem Land der Techniker und Ingenieure zu entwickeln. Richtig so! Denn unsere Industrie lebt heute mehr denn je von ihrer Ingenieurskunst – gerade mit
Blick auf Zukunftsthemen wie Industrie 4.0. Aktuell bilden wir hierzulande noch deutlich zu wenige Ingenieure aus. Die Politik und die Hochschulen sind gefordert, die Ingenieurswissenschaften entsprechend zu stärken. Das ist dringend nötige Zukunftsvorsorge.
Volker Giersch, Hauptgeschäftsführer der IHK Saarland
Eine anspruchsvolle Aufgabe Das Saarland lebt von seiner Industrie. Wir haben in den letzten Jahren vieles richtig gemacht. Aber wir haben auch ein paar Besonderheiten, die man kennen sollte. Viele unserer Industrieunternehmen sind Töchter internationaler Konzerne oder haben neben ihren saarländischen Zentralen Fertigungsstätten außerhalb des Landes. Viele sind Eine erfolgreiche Industrie braucht Zustimmung und gute Stand- hoch produktiv und stehen Foto: Iris Maurer in einem enormen Wettbeortbedingungen.
werb mit Konkurrenten und mit anderen Niederlassungen ihres Unternehmens. Etliche von ihnen sind energieintensiv. Viele sind Zulieferer großer Hersteller und stehen deshalb unter einem zusätzlichen Kostendruck.
aber auch Erfolgserlebnisse verschafft. Wir danken der Landesregierung dafür, dass sie die Bedeutung der Industrie als Grundlage für den Wohlstand in diesem Lande betont.
Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der saarländischen Industrie ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die Weitblick, Mut und Entschlusskraft verlangt, die
Oswald Bubel, Präsident des Verbandes der Metallund Elektroindustrie des Saarlandes
Brauchen wir den Meister 4.0?
Der Meisterbrief im Handwerk gehört zu den beruflichen GütesieFoto: Iris Maurer geln in Deutschland.
Das Handwerk hat diese Frage mit einem eindeutigen „Ja!“ beantwortet. Unser „Ja“ zum Meister steht für einen modernen, anspruchsvollen und im Übrigen mit dem Bachelorabschluss gleichwertigen Meisterbrief. Entscheidend ist, dass wir in unseren Bildungsstätten die Voraussetzungen geschaffen haben, Meister so zu qualifizieren, dass sie den technologischen Anforderungen
gerecht werden. Neben der Fachausbildung stehen dabei auch übergreifende Themen im Mittelpunkt, sei es das altersgerechte Wohnen oder der Einsatz digitaler Medien. Die berufliche Bildung im Handwerk mit Gesellenund Meisterbrief stellt somit das Rückgrat der Wirtschaft nicht nur im Saarland dar. Wir brauchen nicht nur theoretische und
grundsätzliche Planung, sondern fachkundige Experten für die Praxis. Insbesondere Handwerksmeister können fachübergreifend planen, vernetzt arbeiten und auf höchstem technischem Niveau handlungsund projektorientierte Dienstleistungen und Lösungen anbieten.
Bernd Wegner, Präsident der Handwerkskammer des Saarlandes
Industrie 4.0: Wachstumsmotor für den Mittelstand auszulösen, sowohl durch durch die Verbesserung ser Entwicklung wird. mobilbau, chemische Insteht an DiederWirtschaft die Verbesserung des Res- der Fähigkeit, passgenaue Denn 99,6 Prozent aller Schwelle zur 4. In- dustrie, Landwirtschaft dustriellen Revolution. Die Digitalisierung von Produkt und Produktion ist das Thema der Stunde.
und IKT mit einem zusätzlichen Wertschöpfungspotenzial von 78 Milliarden Euro bis 2025.
Für unseren Mittelstand birgt es enormes Potenzial. BITKOM und Fraunhofer-Institut rechnen allein für die sechs Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik, Auto-
Noch zeigt sich der Mittelstand bei diesem Thema verhalten. Industrie 4.0 wird jedoch erst dann seinen vollständigen Siegeszug feiern, wenn der Mittelstand zum Treiber die-
sourceneinsatzes als auch Betriebe im Saarland gehören dem Mittelstand an. Unser Mittelstand ist vor allem deshalb so erfolgreich, weil er sich auf die Fertigung individueller und hochwertiger Produkte spezialisiert hat. Industrie 4.0 bietet das Potenzial, einen erheblichen Wachstumsschub
und kundenspezifische Produkte zu fertigen. Der Mittelstand sollte Industrie 4.0 daher als große Chance wahrnehmen.
Jürgen Barke, Staatssekretär im saarländischen Wirtschaftsministerium
Industriekongress 2015
Seite 11
Zukunft: nur mit Beschäftigten Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt drastisch. Damit gehen Chancen und Risiken für die Beschäftigten einher. Die Potenziale der Digitalisierung schöpfen wir nur dann aus, wenn wir die Beschäftigten von Anfang an einbeziehen. Sie werden schließlich täglich auf ihrem Arbeitsplatz mit den neuen Entwicklungen konfrontiert. Eine nachhaltige industriepolitische Strategie muss daher den
Menschen in den Mittelpunkt stellen. In den Betrieben, im Bund und in anderen Bundesländern wurde dies längst erkannt und Gewerkschaften sitzen bei der Gestaltung von Industrie 4.0 mit am Tisch.
schungs- und Beratungsinstitute setzen sich seit Langem intensiv mit dem Wandel der Arbeitswelt auseinander. Die Arbeitskammer setzt daher auf die Beteiligung der Arbeitnehmerseite – insbesondere bei einem „saarländischen Zentrum für Industrie 4.0“.
Das Saarland ist beim Thema Industrie 4.0 auf Arbeitnehmerseite sehr gut aufgestellt. Arbeitskammer, Hans Peter Kurtz, Gewerkschaften und arbeit- Vorsitzender nehmerorientierte ForArbeitskammer Saarland
Dienstleistungen wachsen
nem guten Teil auf die Industrie zurück. Zu den wachstumsstarken industrienahen Dienstleistungsbranchen im Saarland gehören etwa IT, Großhandel und Logistik, Finanzdienstleistungen oder Beratungs- und Ingenieurleistungen.
im Saarland stark geIn den vergangewachsen. Das stetinen Jahren ist ge Wachstum des der Anteil un9.000 Dienstleisterneh– mensnaMitarbeiterinnen tungssektors mittlerweile her und sind zwei produktund Mitarbeiter Drittel aller begleiarbeiten bei sozialversitender Meilensteine der cherungsDienstsaarländischen der ZF Getriebe pflichtig Beleistungen Industriegeschichte GmbH schäftigten an am industder Saar in diesem 1866: Eröffnung des riellen WertSektor tätig– geht zu ei- Saar-Kohle-Kanals schöpfungsprozess
Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet viele Chancen für Foto: atb-thiry gehandicapte Beschäftigte.
1883: Der erste Hochofen an der Saar wird angeblasen 1928: Der Flughafen Saarbücken-St. Arnual wird eröffnet 1950: Die Saarmesse öffnet ihre Pforten 1962: Die Dillinger Hütte nimmt ihre erste Stranggussanlage für Brammen in Betrieb 1966: Entscheidung für die Zukunft als Autoland: Das Ford-Werk wird
in Saarlouis angesiedelt 1970: ZF kommt ins Saarland 1972: Gründung des Fraunhofer-Instituts für zerstörungsfreie Prüfverfahren 1987: Gründung des Leibniz-Instituts für Neue Materialien 1988: Gründung der Standorte Saarbrücken und Kaiserslautern des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz
Das Altern und die Fabrik von morgen Infolge des demografischen Wandels wird die Zahl der älteren Beschäftigten in den kommenden Jahren weiter massiv ansteigen. Auch deshalb wird eine gute Gestaltung der Arbeitsbedingungen und angepasste Ausstattung der Arbeitsplätze immer bedeutender.
tur: Häufig erzielen altersgemischte Teams die innovativsten und kreativsten Leistungen. Dabei profitieren junge, technikorientierte Beschäftige und berufserfahrene ältere Kollegen vom Austausch miteinander. So kann bei richtiger Anleitung einer vom anderen lernen.
Das Gesundheitsmanagement im Betrieb kann helfen
Die altersgemischten Teams bedürfen aber neben der richtigen Führung auch Denn diese Faktoren tragen einer systematischen Unterstützung im Rahmen eiwesentlich zum Erhalt der Belastbarkeit und Arbeitsfä- nes betrieblichen Gesundheitsmanagements. Angehigkeit bis ins Rentenalter bote der Gesundheitspräbei. Ein erfolgreicher Betrieb profitiert von einer gut vention, etwa in Form von durchmischten Altersstruk- Ernährungsberatung und
Partner des Industriekongresses
Das „Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar“ arbeitet an der Deckung des saarländischen Fachkräftebedarfs.
Betriebssport, können die Arbeitsfähigkeit bis zum Rentenalter unterstützend begleiten und sichern. Dies
gilt sowohl für die Fabrik von morgen als auch für digitalisierte Arbeitsplätze. Der Erhalt der Arbeitsfä-
higkeit bis ins Rentenalter wird zunehmend zum Standortfaktor – gerade auch im Saarland. red
Unsere Industrie bewegt was: jedes zweite Auto in Deutschland zum Beispiel. willkommen.saarland.de
Das Saarland z채hlt zu den drei wichtigsten Automobilstandorten in Deutschland. willkommen.saarland